Bundessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - B 5 RE 2/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:280618UB5RE217R0
bei uns veröffentlicht am28.06.2018

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2017 aufgehoben, soweit es über den weiteren Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2016 entschieden und die Klage insofern abgewiesen hat.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) für die Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 ab dem 1.4.2012.

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Die am 3.4.1966 geborene Klägerin ist Diplomingenieurin, seit dem 1.5.2005 zugelassene Patentanwältin und als solche kraft Gesetzes Pflichtmitglied der in München ansässigen Patentanwaltskammer. Eine Pflichtmitgliedschaft für Patentanwälte in der Patentanwaltskammer bestand bereits vor dem 1.1.1995.

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Vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2007 war die Klägerin als angestellte Leiterin der Patentabteilung bei der G. Holding in H. (Nordrhein-Westfalen) beschäftigt. Auf den Antrag vom 3.2.2007 befreite die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom 1.12.2006 von der Versicherungspflicht in der GRV (Bescheid vom 2.7.2007). Seit dem 1.12.2006 war die Klägerin zudem niedergelassene Patentanwältin in C. Seit dem 1.1.2008 war die Klägerin ausschließlich als selbstständige Patentanwältin tätig und zahlte nach den Feststellungen des LSG weiterhin Beiträge im Wege der freiwilligen Versicherung an die Bayerische Versorgungskammer für Rechtsanwälte und Steuerberater (Beigeladene zu 2). Seit dem 1.4.2012 ist sie - nach Verlegung ihres Kanzleisitzes nach M. Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2, die seit 2006 auch für Patentanwälte/innen mit Kanzleisitz in Bayern zuständig ist. Zum gleichen Zeitpunkt übernahm die Klägerin zusätzlich als Angestellte die Leitung der Patentabteilung der S. GmbH in D. (Hessen; Beigeladene zu 1). Am 31.5.2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie seit 1.4.2012 als Patentanwältin bei der Beigeladenen zu 1 beschäftigt sei. Aufgrund der Befreiung von der Versicherungspflicht seit dem 1.12.2006 gehe sie davon aus, dass in Bezug auf ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 keine weiteren Schritte erforderlich seien. Dieses Schreiben legte die Beklagte als Antrag aus. Mit Bescheid vom 8.8.2012 und Widerspruchsbescheid vom 21.11.2012 lehnte die Beklagte eine Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Als Patentanwältin in abhängiger Beschäftigung bestehe in Hessen keine Verpflichtung zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Hessischen Rechtsanwälte. Die Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2 in Bayern wirke sich nicht auf die zu beurteilende Beschäftigung in Hessen aus.

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Mit Urteil vom 18.9.2013 hat das SG Speyer die Entscheidungen der Beklagten aufgehoben und diese verpflichtet, die Klägerin für ihre Tätigkeit als Patentanwältin bei der Beigeladenen zu 1 ab dem 1.4.2012 von der Versicherungspflicht zur GRV zu befreien. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin eine Urkunde der Patentanwaltskammer vom 1.6.2016 vorgelegt, wonach sie als Patentanwältin (Syndikuspatentanwältin) bei der Beigeladenen zu 1 zugelassen worden sei. Am 12.2.2016 hat die Klägerin sowohl einen Antrag auf Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aufgrund der geänderten Rechtslage als auch auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI für ihre am 1.4.2012 aufgenommene Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1 gestellt. Mit Bescheid vom 18.7.2016 hat die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die "am 01.04.2012 aufgenommene Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin" bei der Beigeladenen zu 1 abgelehnt. Dagegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, über den die Beklagte bisher noch nicht entschieden hat.

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Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.4.2017). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sei grundsätzlich der zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung bestehende Sach- und Rechtsstand entscheidend. Streitgegenstand sei nach § 96 SGG auch der Bescheid vom 18.7.2016 nach dem ab 1.1.2016 geltenden Recht (Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517, zukünftig: Gesetz vom 21.12.2015), der den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die seit dem 1.4.2012 ausgeübte Tätigkeit als Syndikuspatentanwältin abgelehnt habe. Die Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin bei der Beigeladenen zu 1 begründe nicht ihre Versicherungspflicht bei der Beigeladenen zu 2. Sie sei dort allein deshalb Pflichtmitglied, weil sie für ihre selbstständige Tätigkeit als Patentanwältin einen Kanzleisitz in M. eingerichtet habe. Diese kraft Gesetz angeordnete Mitgliedschaft beruhe mithin allein auf der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin als Patentanwältin, nicht hingegen aber auf der versicherungspflichtigen Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 als Syndikuspatentanwältin. Die Klägerin sei mithin nicht "wegen der" Beschäftigung, die sie bei der Beigeladenen zu 1 dort ausübe, Pflichtmitglied einer berufsständigen Versorgungseinrichtung.

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Gegen die Entscheidung des LSG hat die Klägerin die vom LSG zugelassenen Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Lege man die grammatikalische Auslegung zugrunde, sei der Ort der Tätigkeit kein Tatbestandsmerkmal, es komme allein auf die Art der Tätigkeit an. Insofern könne eine Befreiung nicht davon abhängig sein, ob die Klägerin in M. oder in Hessen als Syndikuspatentanwältin angestellt sei. Nach dem Sinn und Zweck der Norm gehe es darum, Personen, die bereits einer gesetzlichen Versicherungspflicht unterlägen, von einer weiteren Versicherungspflicht zu befreien, um eine unzumutbare Doppelbelastung zu vermeiden. Während das BSG lediglich fordere, dass die Versicherungspflicht in der GRV und in der berufsständischen Versorgungseinrichtung (Versorgungswerk) wegen ein und derselben Beschäftigung bestehen müsse, fordere das LSG demgegenüber, dass auch die abhängige Beschäftigung allein eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk begründen müsse. Diese zu enge Auslegung verstoße auch gegen das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte und Syndikuspatentanwälte. Das LSG verkenne, dass doch gerade unter Beachtung der "Tätigkeit" der Klägerin feststehe, dass die Tätigkeit als Patentanwältin in M. gleichzeitig in der Form der Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin bei der Firma S. Holding GmbH in D. ausgeübt werden könne. Wenn der Gesetzgeber die Syndikuspatentanwälte den freiberuflichen Patentanwälten gleichstelle, müsse eine Auslegung des § 6 SGB VI sich am Willen des Gesetzgebers orientieren. Darüber hinaus verstoße die vom LSG mit seiner Auslegung des Wortes "wegen der" (vgl § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI) gegen Verfassungsrecht. So habe das BVerfG (Beschluss vom 22.7.2016 - 1 BvR 2534/14 - Juris RdNr 14) ausdrücklich ausgeführt, dass die Sozialgerichte im Rahmen der Auslegung des § 231 Abs 4b S 5 SGB VI den vom Gesetzgeber mit dieser Ausnahmebestimmung verfolgten Zweck im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu berücksichtigen hätten, insbesondere Art 2 Abs 1 GG bzw Art 12 Abs 1 S 2 GG seien zu beachten. Das LSG würde mit seiner zu engen Auslegung sämtliche nicht in M., Hamburg und Nordrhein-Westfalen tätigen Syndikuspatentanwälte gegenüber den in diesen drei Ländern tätigen Syndikuspatentanwälten benachteiligen und damit gegen Art 3 Abs 3 GG verstoßen.

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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. April 2017 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 18. September 2013 zurückzuweisen.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Die Revision sei als unzulässig zu verwerfen, weil sich die Revisionsbegründung nur oberflächlich mit den Entscheidungsgründen des Urteils des LSG auseinandergesetzt habe. Im Übrigen werde die Entscheidung des LSG für zutreffend erachtet.

Entscheidungsgründe

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A. Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte Revision des Klägerin (§ 160 Abs 1 und 3 SGG) ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere entgegen der Ansicht der Beklagten formgerecht iS des § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG begründet.

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Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl zusammenfassend BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 10 mit zahlreichen Nachweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung; BSG Beschluss vom 6.3.2006 - B 13 RJ 46/05 R - Juris RdNr 6 und 9). Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedanken des Vordergerichts einzugehen (BSG SozR 1500 § 164 Nr 20 S 33 f und Beschluss vom 30.1.2001 - B 2 U 42/00 R - Juris RdNr 10). Hierzu hat der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz einzugehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 12 ff sowie BSG SozR 1500 § 164 Nr 20 S 33 f mwN und BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17). Insbesondere bedarf es der Darlegung, in welchen Punkten und aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung angegriffen wird (BSG Urteil vom 11.11.1993 - 7 RAr 94/92 - Juris RdNr 15 mwN; BSGE 70, 186, 187 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 S 17; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12, 20 und 28).

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Nach diesen Maßstäben ist die Revision der Klägerin zulässig, insbesondere ist sie formgerecht begründet. Die Klägerin rügt (ursprünglich) eine Verletzung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI sowie des Gesetzes vom 21.12.2015 (in Kraft ab 1.1.2016). Unter Berücksichtigung der Auslegungskriterien nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck ergebe sich, dass die Tätigkeit als Patentanwältin in M. gleichzeitig in der Form der Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin bei der Firma S. GmbH in D. ausgeübt werden könne. Maßgeblich sei die Art, nicht der Ort der Tätigkeit. Wenn der Gesetzgeber die Syndikuspatentanwälte den freiberuflichen Patentanwälten nach dem ab 1.1.2016 geltenden Gesetz gleichstelle, müsse eine Auslegung des § 6 SGB VI sich am Willen des Gesetzgebers orientieren. Wenn das LSG fordere, dass auch die abhängige Beschäftigung allein eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründen müsse, könne dem nicht gefolgt werden. Damit setzt sich die Klägerin mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung zur Rechtslage vor und nach dem 1.1.2016 auseinander. Die Revisionsbegründung erweist sich hinsichtlich der rechtlichen Ausführungen noch als ausreichend.

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B. Die Revision der Klägerin ist im Wesentlichen unbegründet.

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Das Urteil des LSG war lediglich insoweit aufzuheben, als es ohne gesetzliche Grundlage eine Entscheidung auch über die während des Berufungsverfahrens ergangene weitere Ablehnung einer Befreiung der Klägerin aufgrund ihres neuen Status als Syndikuspatentanwältin getroffen hat (Bescheid vom 18.7.2016). Derartige Regelungen werden nicht Gegenstand des bereits anhängigen (Klage-/Berufungs-)Verfahrens (dazu 1. und 2.). Im Übrigen ist die Klage zulässig, insbesondere steht der Verwaltungsakt von 2.7.2007 nicht entgegen (dazu 3.). Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV als Beschäftigte der Beigeladenen zu 1 (dazu 4.). Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten und verstoßen auch nicht gegen die Verfassung (dazu 5.).

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1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein der Verwaltungsakt vom 8.8.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2012 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hinsichtlich ihrer seit 1.4.2012 bei der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Tätigkeit abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin jedenfalls nach der letzten Fassung ihres Antrags im Revisionsverfahren statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) und gibt nach Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht keinen Anlass mehr zu der Annahme, sie habe sich nach entsprechender Klageänderung (§ 99 Abs 1 SGG) auch selbst gegen den weiteren Bescheid vom 18.7.2016 wenden wollen.

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2. Die Verwaltungsakte im Bescheid vom 18.7.2016, mit denen die Beklagte für die Zeit ab 1.4.2012 den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht vom 12.2.2016 nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hinsichtlich ihrer seit 1.4.2012 bei der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Tätigkeit aufgrund ihres neuen Status als Syndikuspatentanwältin abgelehnt hat, sind nicht nach § 96 SGG iVm § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Zwar ist der Bescheid vom 18.7.2016 nach Erlass des hier streitigen Widerspruchsbescheids vom 21.11.2012 ergangen, jedoch hat er den Verwaltungsakt vom 8.8.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2012 weder abgeändert noch ersetzt. Abändern oder Ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsakts mit dem des früheren identisch ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 86 Nr 2 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21), was durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festzustellen ist (vgl BSGE 47, 168, 170 = SozR 1500 § 96 Nr 13 S 19 f; BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 5 RE 12/17 B - Juris RdNr 25; vgl auch B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 4a mwN). Dabei reicht bei der Abänderung eines teilbaren Verwaltungsakts eine Identität des streitbefangenen Teils aus.

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Ausweislich des Vergleichs der Verfügungssätze der hier maßgeblichen Bescheide vom 8.8.2012 einerseits und vom 18.7.2016 andererseits liegt keine Identität der Regelungsgegenstände vor. Mit Bescheid vom 8.8.2012 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 31.5.2012 auf Befreiung von der Versicherungspflicht für "Ihre abhängige Beschäftigung als Patentanwältin" bei der S. GmbH in D. abgelehnt. Mit Bescheid vom 18.7.2016 hat die Beklagte den "Antrag vom 12.02.2016 auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI für Ihre am 01.04.2012 aufgenommene Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin" bei der S. GmbH in D. abgelehnt. Den in den Bescheiden verlautbarten Umständen lässt sich im Wege der Auslegung entnehmen, dass beide die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für die Zeit ab 1.4.2012 regeln, wobei sich der erste Bescheid auf ihren Status als Patentanwältin und der zweite Bescheid auf ihren Status als Syndikuspatentanwältin bezieht.

18

Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 5 R 16/12 R - Juris RdNr 18).

19

Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Bescheid vom 8.8.2012 dahin zu verstehen, dass er die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht wegen fehlender Ausübung einer patentanwaltlichen Beschäftigung in Bayern und damit fehlender Mitgliedschaft im bayerischen Versorgungswerk verlautbart. Dies ergibt sich aus der Begründung des Verwaltungsakts, der die Ablehnung ausdrücklich auf die "abhängige Beschäftigung als Patentanwältin bei der S. GmbH in D. (Hessen)" bezieht.

20

Dass der Bescheid vom 18.7.2016 ebenfalls die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für ihre Beschäftigung bei der S. GmbH in der Zeit ab 1.4.2012 regelt, bedarf keiner gesonderten Erläuterung. Diese Ablehnung bezieht sich dabei allerdings im Unterschied zu dem Bescheid vom 8.8.2012 auf den neu erworbenen Status der Klägerin als Syndikuspatentanwältin nach dem Gesetz vom 21.12.2015, das am 1.1.2016 in Kraft getreten ist. Dies ergibt sich durch die Bezugnahme des Bescheids auf den Antrag der Klägerin vom 12.2.2016 (Eingangsdatum bei der Beklagten), mit dem die Klägerin unter Hinweis auf die von ihr beantragte Zulassung als Syndikuspatentanwältin die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt hat. Der Bescheid vom 18.7.2016 regelt damit eine Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für ihre Beschäftigung bei "S. GmbH" für die Zeit ab 1.4.2012 im Hinblick auf ihren Status als Syndikuspatentanwältin. Eine Identität der Regelungsgegenstände beider Bescheide liegt aufgrund der unterschiedlichen Statusbezogenheit nicht vor.

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Für eine enge Auslegung der Verwaltungsakts im dargelegten Sinn spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 96 Abs 1 SGG heutiger Fassung in Verbindung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur alten Rechtslage. Das BSG hat § 96 Abs 1 SGG in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie über seinen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus entsprechend angewendet (vgl hierzu etwa BSG SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Mit Wirkung zum 1.4.2008 ist § 96 Abs 1 SGG durch Art 1 Nr 16 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu gefasst worden. Die Gesetzesänderung ("nur dann") diente der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm. Eine Einbeziehung des neuen Verwaltungsakts soll nur noch möglich sein, wenn der ursprüngliche Bescheid nach Klageerhebung durch ihn ersetzt oder abgeändert wird (BT-Drucks 16/7716 S 19). Eine entsprechende Anwendung der Norm kommt danach nicht mehr in Betracht.

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Schon unter der Geltung alten Rechts hatte das BSG allerdings eine ausdehnende Anwendung des § 96 SGG abgelehnt, wenn zwar die späteren Entscheidungen auf derselben Rechtsgrundlage ergangen waren und es auch um dieselbe Rechtsfrage ging, die rechtlich relevanten Sachverhaltsumstände und Tatsachengrundlagen aber nicht oder nur teilweise deckungsgleich waren, weil nur so dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie angemessen Rechnung getragen werden könne(vgl etwa zum Vertragsarztrecht BSGE 78, 98, 101 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 36 f; zur Beitragserhebung in der Unfallversicherung BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, RdNr 8; zu Betriebsprüfungen BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1, RdNr 11). Wenn aber schon nach altem Recht eine Veränderung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen eine Anwendung des § 96 SGG ausgeschlossen hat, muss dies erst recht unter der Geltung neuen Rechts gelten.

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Die gegenteilige Auffassung von Horn (NJW 2018, 2000 ff) setzt sich mit all diesen bereits im Beschluss des Senats vom 22.3.2018 - B 5 RE 12/17 B - aufgeführten Gesichtspunkten nicht substanziell auseinander und beschränkt sich apodiktisch auf den Hinweis, dass man auch das Gegenteil für richtig halten könne. Soweit an selber Stelle das Fehlen einer "Entscheidung in der Sache" (insbesondere zu den Hinweisen des BVerfG zur neuen Rechtslage) bedauert wird, wird gleichermaßen verkannt, dass der Senat das von ihm allein zu beurteilende Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde gerade nicht als unzulässig verworfen hatte, und im Übrigen eine Entscheidung über den Streitgegenstand in der Hauptsache stets dem nach Zulassung statthaften Revisionsverfahren vorbehalten bleibt. Dementsprechend kann auch nicht bereits mit dem Beschluss vom 22.3.2018 eine - über die ohnehin zur Verfügung stehenden Quellen hinaus an hervorgehobener Stelle veröffentlichungsbedürftige - höchstrichterliche Klärung "einer besonders speziellen Konstellation" erfolgt sein (Schmidt, NZS 2018, 552). Bei Äußerungen des BSG im Rahmen von Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren handelt es sich nämlich aufgrund des begrenzten Streitgegenstandes grundsätzlich nicht um (divergenzfähige) Entscheidungen.

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Die Beklagte wird daher über den Widerspruch der Klägerin vom 19.8.2016 gegen den Bescheid vom 18.7.2016, der die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die ab 1.4.2012 aufgenommene Beschäftigung als Syndikuspatentanwältin bei der Beigeladenen zu 1 abgelehnt hat, für die ab 1.1.2016 geltende Rechtslage gesondert zu entscheiden haben.

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3. Im Übrigen ist die Klage zulässig.

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a) Die Beklagte hat objektiv zu Recht und entgegen deren gegenteiliger Behauptung im Klageverfahren (Schriftsatz vom 20.12.2012 S 3) die Mitteilung der Klägerin vom 31.5.2012 als Antrag ausgelegt, der nach § 6 Abs 2 SGB VI zwingend vorgeschrieben ist. Mit Erlass des Bescheids vom 8.8.2012 hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass für die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 die Befreiung von der Versicherungspflicht bei der G. Holding seit 1.12.2006 nicht weiterhin Gültigkeit beanspruchen kann. Kraft der Dispositionsbefugnis war die Klägerin zwar berechtigt, den Antrag bis zur Bestandskraft des Bescheids, dh bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids, zurückzunehmen (vgl BSGE 76, 218, 221 = SozR 3-2500 § 50 Nr 3 S 9; BVerwG Urteil vom 31.8.1973 - IV C 33.72 - Juris RdNr 12; vgl auch Kater in Kasseler Kommentar - Sozialversicherungsrecht - Band 3, SGB VI § 116 RdNr 8, Stand März 2013; Seewald in KassKomm, Band 1, SGB I § 16 RdNr 24 ff, Stand März 2018 sowie B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 83 RdNr 5). Davon hat die Klägerin jedoch keinen Gebrauch gemacht.

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b) Der Zulässigkeit der Klage gegen den Bescheid vom 8.8.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 21.11.2012 steht auch nicht der Verwaltungsakt vom 2.7.2007 entgegen. Dieser hat eine Befreiung allein für die Zeit ab dem 1.12.2006 von der Versicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung bei der G. Holding ausgesprochen. Er bezieht sich jedoch nicht auf die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 und kann daher das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für das vorliegende Klageverfahren nicht entfallen lassen.

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Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im äußeren Ausdruck greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (vgl BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 5 R 16/12 R - Juris RdNr 18).

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Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Inhalt des Bescheides vom 2.7.2007 dahin zu verstehen, dass er die Klägerin von der Rentenversicherungspflicht aufgrund der am 1.7.2006 beginnenden Beschäftigung ab 1.12.2006 befreit. Dagegen ist der Bescheid nicht dahin zu verstehen, dass die Befreiung unabhängig von der konkreten Beschäftigung der Klägerin bei ihrem damaligen Arbeitgeber ab 1.7.2006 auf Dauer bis zu seiner "Aufhebung" wirkt.

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Der Bescheid vom 2.7.2007 lautet:

        

"Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). … Auf Ihren Antrag werden Sie für Ihre Tätigkeit als Patentanwältin bei G. Holding GmbH in H. von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Eingangsdatum des Befreiungsantrags 07.02.2007 … Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der Versicherungspflicht … 01.07.2006 … Beginn der Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und der Berufskammer 01.12.2006 … Versorgungseinrichtung Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung … Beginn der Befreiung 01.12.2006."

31

Der Bescheid vom 2.7.2007 verlautbart damit eindeutig, dass die Klägerin ab 1.12.2006 von der Rentenversicherungspflicht befreit ist. Darüber hinaus belegen weitere Angaben in diesem Bescheid, dass die Befreiungsregelung auf die konkrete Tätigkeit bezogen ist. So gilt die Befreiung für die obengenannte Beschäftigung/Tätigkeit, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben bzw Beiträge in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur GRV zu zahlen wären. Außerdem wird die Verpflichtung ausgesprochen, einen Wechsel des Aufgabenfeldes bei dem Arbeitgeber oder einen Wechsel des Arbeitgebers sowie im Fall einer bestehenden Arbeitslosigkeit die Aufnahme einer Beschäftigung unverzüglich mitzuteilen.

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Eine Berücksichtigung der weiteren Hinweise im Bescheid vom 2.7.2007 führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese lauten wie folgt:

        

"Die Befreiung erstreckt sich nicht auf berufsfremde Beschäftigungen / Tätigkeiten, selbst wenn eine Mitgliedschaft in der Berufskammer und in der Versorgungseinrichtung besteht. Insoweit sind Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

Die Befreiung wird jedoch auf eine berufsfremde Beschäftigung / Tätigkeit erstreckt, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und die Versorgungseinrichtung für die Zeit dieser Beschäftigung / Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Der Rentenversicherungsträger hat die Befreiung aufzuheben, wenn

- die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und damit auch in der Versorgungseinrichtung endet

- Versorgungsabgaben nicht mehr in gleicher Höhe geleistet werden wie ohne die Befreiung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wären.

Sie sind daher verpflichtet, dem Rentenversicherungsträger auch diese Umstände anzuzeigen.

Wird die berufsspezifische Beschäftigung / Tätigkeit aufgegeben, ohne dass die Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer endet, ist dies kein Grund, den Befreiungsbescheid aufzuheben."

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Diese Verlautbarungen sind weder eigenständige Regelungen/Verfügungssätze iS von § 31 S 1 SGB X noch Nebenbestimmungen iS von § 32 SGB X, sondern lediglich als erläuternde Hinweise der getroffenen Befreiungsentscheidung beigefügt(stRspr, vgl BSG SozR 3-2940 § 7 Nr 2 S 4; BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17; BSGE 83, 74, 76 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57; BSG SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 37; zuletzt BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 KR 11/15 R = Juris RdNr 24). Diese Hinweise erlauben darüber hinaus auch keine Interpretation des Verfügungssatzes im Bescheid vom 2.7.2007 dahin, dass die Befreiung unabhängig von der konkreten Beschäftigung auf Dauer wirkt und nur im Fall der "Aufhebung" endet. Dem entspricht auch die Rechtslage. Denn nach § 6 Abs 5 S 1 SGB VI ist die Befreiung auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Bereits der Wortlaut ergibt eindeutig, dass die Befreiungsentscheidung vom 2.7.2007 keine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für eine andere als die "jeweilig" ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen enthält, selbst wenn ursprüngliche oder nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich sein mögen (vgl BSG SozR 4-2600 § 6 Nr 9 RdNr 17 mwN).

34

Der ursprünglich rechtmäßig erteilte Befreiungsbescheid hat mit der Aufgabe der Tätigkeit bei dem dort genannten Arbeitgeber seine Wirkung für die Klägerin verloren und ist mit diesem Zeitpunkt gemäß § 39 Abs 2 SGB X unwirksam geworden, weil er sich auf andere Weise erledigt hat(vgl BSG Urteil vom 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; vgl auch BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 KR 11/15 R - Juris RdNr 24; insoweit Aufgabe der bisherigen Rspr in BSGE 83, 74, 78 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59 f). Er begründet damit entgegen der Auffassung der Revision kein Vertrauen der Klägerin in den Inhalt nachfolgender Befreiungsentscheidungen.

35

4. Die Revision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid vom 8.8.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hinsichtlich ihrer bei der Beigeladenen zu 1 ab 1.4.2012 ausgeübten Tätigkeit.

36

a) Die Klägerin übt keine befreiungsfähige Beschäftigung iS von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus.

37

Diese Vorschrift gibt versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind (vgl BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 28). Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV kommt nur in Betracht, wenn ein- und dieselbe Erwerbstätigkeit gleichzeitig zu zwei Versicherungsverhältnissen führt, dh zur Versicherung in der GRV und zusätzlich zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer.

38

Im vorliegenden Fall führt die Erwerbstätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 nur zur Versicherungspflicht in der GRV (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI). Die Klägerin ist abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB VI) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Ebenso bestehen keine Bedenken hinsichtlich einer sich hieraus ergebenden Rentenversicherungspflicht. Insofern ist insbesondere geklärt, dass das monatliche (Brutto-)Arbeitsentgelt der Klägerin mit 9135,00 Euro über der Geringfügigkeitsgrenze liegt und damit die tatsächlichen Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit wegen (Entgelt-)Geringfügigkeit (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) fehlen.

39

Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 1.5.2005 zur Patentanwaltschaft zugelassen und als zugelassene Patenanwältin kraft Gesetzes (§ 53 Patentanwaltsordnung - PAO) Pflichtmitglied der in München ansässigen Patentanwaltskammer. Zudem hat das LSG festgestellt, dass die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt ihren Kanzleisitz nach M. verlegt hat, seit dem 1.4.2012 als selbstständige Patentanwältin zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (Beigeladene zu 2) ist seit 2006 die berufsständische Versorgungseinrichtung auch für Patentanwälte/innen "mit Kanzleisitz in Bayern". Mit der Erfüllung der Voraussetzungen des § 15 Abs 1 Nr 2 der maßgeblichen Satzung wurde die Klägerin auf der Grundlage der einschlägigen versorgungsrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts(§ 15 Abs 3 S 1 der Satzung) ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2.

40

Die Klägerin ist damit zwar parallel in mehrere Versorgungssysteme einbezogen, doch ist entgegen der Revision allein deshalb der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht eröffnet. Die Norm ermöglicht es nicht etwa generell, jegliche - faktisch koexistierende - Doppelversicherung zu vermeiden, sondern erkennt Betroffenen ein Befreiungsrecht von der Versicherungspflicht in der GRV allein dann zu, wenn beide Versicherungen rechtlich auf ein und demselben Lebenssachverhalt beruhen und in der Folge gerade deshalb ein mehrfacher Schutz gegen die Risiken von Erwerbsunfähigkeit, Alter und Tod besteht. An der gemeinsamen Wurzel der in Frage stehenden Versicherungen fehlt es vorliegend. Weder kommt in Betracht, den durch die Zulassung zur Patentanwaltschaft eröffneten Kreis an Betätigungen im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1 auszuüben noch ist - hiervon unabhängig - eine örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 als Träger der berufsständischen Versorgung eröffnet.

41

Der Senat hat in drei Entscheidungen vom 3.4.2014 (B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12; B 5 RE 9/14 R - Juris und B 5 RE 3/14 R - Juris) bereits geklärt, dass der unpräzise Wortlaut der Norm einem aufgrund seiner systemübergreifenden Koordinierungsfunktion notwendigen Verständnis nicht entgegensteht, dass mit "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" gemeint ist. Beide Sicherungsformen (GRV und berufsständische Versorgung) stimmen - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SBG VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

42

Die Klägerin erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Die Notwendigkeit eines systemübergreifenden Verständnisses endet, wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat (BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 33), wo es auf die spezifischen Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach dem Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform ankommt. Hier beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der GRV kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Relevant können damit nur Erwerbstätigkeiten sein, die gleichzeitig in beiden Formen ausgeübt werden, die jeweils für sich die Voraussetzungen des jeweiligen Versicherungszweiges erfüllen. Sind die von den Versicherungszweigen jeweils geforderten Voraussetzungen einer Erwerbstätigkeit untereinander unvereinbar, kommt eine Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht in Betracht. Dagegen weist die Revision zutreffend darauf hin, dass hiermit keine Konfusion der Versicherungspflichttatbestände verbunden ist und daher etwa nicht "auch die abhängige Beschäftigung allein" in der Lage sein muss, "eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung (zu) begründen…".

43

Die Erwerbstätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 kann nicht dem Berufsbild der Patentanwältin nach der bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage zugeordnet werden.

44

Der Senat hat in den drei Entscheidungen vom 3.4.2014 (siehe RdNr 41 aaO) klargestellt, dass abhängig beschäftigte Rechtsanwälte bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern (sog Syndikusanwälte) ungeachtet einer abweichenden rechtsgrundlosen Verwaltungspraxis nicht von der Versicherungspflicht in der GRV nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI befreit werden können. Dabei hat er ausgeführt, dass die Erwerbstätigkeit von Syndikusanwälten bei ihren jeweiligen Arbeitgebern nicht zum Feld der anwaltlichen Berufstätigkeit im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gehöre. Nach gefestigter verfassungsrechtlicher und berufsrechtlicher Rechtsprechung zum Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der BRAO werde derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehe, in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt sei der Syndikus nur in seiner freiberuflichen Tätigkeit außerhalb seines Dienstverhältnisses.

45

Diese Rechtsprechung des BSG ist auf die Tätigkeit der Klägerin als angestellte Patentanwältin übertragbar. Die standesrechtliche Stellung des Patentanwalts entspricht weitgehend derjenigen eines Rechtsanwalts. Auch der Patentanwalt ist in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 PAO). Er ist nach Maßgabe der PAO unabhängiger Berater und Vertreter (§ 3 Abs 1 PAO). Insoweit enthalten die §§ 1 bis 3 BRAO und §§ 1 bis 3 PAO im Wesentlichen wortlautgleiche Vorschriften, sodass keine Differenzierung der Berufsbilder erfolgen kann. Die Bindungen und Abhängigkeiten in einem Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis stehen auch nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 PAO normierten Berufsbild des Patentanwalts. In das Berufsbild des Patentanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege lässt sich daher nur die Tätigkeit einfügen, die er als Patentanwalt außerhalb seines Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Die gegen die Urteile des BSG vom 3.4.2014 (B 5 RE 9/14 R - Juris sowie B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12) eingelegten Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG Beschlüsse vom 19.7.2016 - 1 BvR 2584/14 - Juris RdNr 6 und vom 22.7.2016 - 1 BvR 2534/14 - Juris RdNr 6). Die im Rahmen der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit ist damit für die Versicherungspflicht in der berufsständischen Versorgung ohne Bedeutung. Letztere beruht allein auf der Ausübung der selbstständigen Tätigkeit als Patentanwältin.

46

b) Unabhängig hiervon kommt die Beigeladene zu 2 auch örtlich und sachlich nicht als zuständiger Versicherungsträger einer berufsständischen Versorgung für die bei der Beigeladenen zu 1 ausgeübte Erwerbstätigkeit in Betracht. Die Versicherungspflicht im Versorgungswerk einschließlich der Regelungen über die Zuständigkeit des Versorgungsträgers bestimmt sich nach der stRspr das BSG nach den einschlägigen kammer- und versorgungsrechtlichen Normen (vgl zuletzt etwa BSG Urteil vom 7.12.2017 - B 5 RE 10/16 R - BSGE (vorgesehen), SozR 4-2600 § 6 Nr 14 RdNr 15). § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI verzichtet insofern aufgrund der gewählten Regelungstechnik und verfassungsrechtlich zulässig(vgl im Zusammenhang des strafrechtlichen Analogieverbots etwa BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 3.5.2018 - 2 BvR 463/17 - Juris mwN) auf eigene tatbestandliche Regelungen. Demgemäß bedurfte es - was die Revision verkennt - innerhalb des bundesrechtlichen Normtextes ua auch keiner ausdrücklichen Bestimmungen zu den Voraussetzungen für die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Versorgungsträgers.

47

Die vom LSG mit Bindung für das BSG in Bezug genommenen Regelungen der Satzung der Beigeladenen zu 2 (§ 15 Abs 1 Nr 2) knüpfen insofern ausdrücklich an einen Kanzleisitz in Bayern an. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung auf der Grundlage von § 26 Abs 1 PAO, der jedem selbstständigen Patentanwalt als Ausdruck seiner Funktion als selbstständiges Organ der Rechtspflege(vgl etwa BVerfG Beschluss vom 12.2.1986 - 1 BvR 1770/83 - BVerfGE 72, 26, 31 f) die Verpflichtung auferlegt, eine Kanzlei einzurichten und zu unterhalten. Allein auf diese Weise wird der notwendige und sachliche Bezug der eigenständig zu betrachtenden selbstständigen Tätigkeit der Klägerin mit Kanzleisitz in M. zu ihrem zuständigen Versorgungsträger hergestellt. Weitere Kanzleisitze in Nordrhein-Westfalen, in der Freien und Hansestadt Hamburg, in Brandenburg, Baden-Württemberg oder Sachsen, die aufgrund von Staatsverträgen eine erweiterte Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 begründen oder durch landesrechtliche Regelungen eine Pflichtmitgliedschaft auf Antrag in den jeweiligen Rechtsanwaltsversorgungswerken begründet werden kann, bestehen nach den Feststellungen des LSG nicht. Mit der abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1 in Hessen ist ein "Kanzleisitz" im hier grundsätzlich noch maßgeblichen Sinne (vgl zum neuen Recht § 41d Abs 4 PAO) schon begrifflich nicht verbunden. Fälle der vorliegenden Art bestätigen damit gerade die bisherige Rechtsprechung des Senats in den Urteilen vom 3.4.2014.

48

5. Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der GRV verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27).

49

Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der GRV berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der GRV zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die GRV kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassungs wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6; vgl auch BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 56). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Juris RdNr 15 mwN).

50

Entgegen der Revision liegt auch in der bundesrechtlichen Anknüpfung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI an landesrechtliche Regelungen zur Versicherungspflicht bei einem berufsständischen Versorgungswerk kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz(Art 3 Abs 1 GG). Wie dargelegt, eröffnet § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eine Befreiungsmöglichkeit ausdrücklich nur für solche Versicherte der GRV, die aufgrund derselben Erwerbstätigkeit, die - in der Form der Beschäftigung - die dortige Versicherungspflicht begründet, zugleich - nach deren Regelungen - der Versicherungspflicht in der berufsständischen Versorgung unterliegen. Fehlt es daher an der letztgenannten Voraussetzung, ist bereits eine Mehrfachbelastung aufgrund ein und derselben Erwerbstätigkeit nicht gegeben, von der die Klägerin denkbar befreit werden könnte. Die Klägerin wird hierdurch nicht gleichheitswidrig benachteiligt. Das Gesetz erfasst vielmehr ausnahmslos alle kammer- und versorgungsrechtlichen Regelungen, die zur Versicherungspflicht in der berufsständischen Versorgung führen, sodass der Kreis der Regelungsunterworfenen vollständig erfasst ist. Die Klägerin kann dagegen nicht verlangen, die Anwendbarkeit der Regelung zunächst zu ihren Gunsten in der Weise zu erweitern, dass ein Befreiungsrecht zusätzlich für alle faktisch Doppelversicherten bzw alle mangels einschlägiger kammer-versorgungsrechtlicher Regelungen nur in der GRV Pflichtversicherten eröffnet wird, und dies in einem zweiten Schritt dann auch ihr zugute zu kommen lassen. Sie macht damit im Kern einen vor der Sozialgerichtsbarkeit nicht verfolgbaren Anspruch auf Gesetzgebung geltend. Zwar kann ausnahmsweise bei sog teilweisem Unterlassen des Gesetzgebers die (nach Vorlage gemäß Art 100 Abs 1 GG verfassungsgerichtliche) Feststellung begehrt werden, das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art 3 Abs 1 GG) sei durch eine Unterlassung der Rechtssetzungsorgane des Bundes verletzt (BVerfGE 15, 46, 75; vgl aber auch BVerfGE 15, 121, 125 und BVerfGE 22, 163, 174 f). Jedoch setzt die Rüge der gleichheitswidrigen Nichtbegünstigung voraus, dass es eine gesetzliche Regelung gibt, welche für einen bestimmten Personenkreis, dem die Klägerin angehört, die begehrte Begünstigung vorsieht, von der sie jedoch durch Nichtberücksichtigung oder durch Ausnahmevorschriften ausgeschlossen wird (vgl BSG vom 27.1.1993 - 4 RA 40/92 - BSGE 72, 50, 52 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 1 S 4). Erst recht liegt evident keine Benachteiligung der Klägerin aus einem der in Art 3 Abs 3 GG aufgeführten Gesichtspunkte vor.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Bundessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - B 5 RE 2/17 R zitiert 37 §§.

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Bundessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - B 5 RE 2/17 R zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - B 5 RE 2/17 R zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 03. Mai 2018 - 2 BvR 463/17

bei uns veröffentlicht am 03.05.2018

Tenor Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Gründe 1 D

Bundessozialgericht Beschluss, 22. März 2018 - B 5 RE 12/17 B

bei uns veröffentlicht am 22.03.2018

Tenor Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 22. März 2018 - B 5 RE 5/16 R

bei uns veröffentlicht am 22.03.2018

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurü

Bundessozialgericht Urteil, 07. Dez. 2017 - B 5 RE 10/16 R

bei uns veröffentlicht am 07.12.2017

Tenor Die Revision wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsv

Bundessozialgericht Urteil, 05. Dez. 2017 - B 12 KR 11/15 R

bei uns veröffentlicht am 05.12.2017

Tenor Die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015 werden zurückgewiesen.

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 22. Juli 2016 - 1 BvR 2534/14

bei uns veröffentlicht am 22.07.2016

Tenor Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführ

Bundessozialgericht Urteil, 03. Apr. 2014 - B 5 RE 9/14 R

bei uns veröffentlicht am 03.04.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karl

Bundessozialgericht Urteil, 03. Apr. 2014 - B 5 RE 3/14 R

bei uns veröffentlicht am 03.04.2014

Tenor Die Revision wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Bundessozialgericht Urteil, 03. Apr. 2014 - B 5 RE 13/14 R

bei uns veröffentlicht am 03.04.2014

Tenor Die Revision wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatt

Bundessozialgericht Urteil, 20. März 2013 - B 5 R 16/12 R

bei uns veröffentlicht am 20.03.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) Personen, die am 31. Dezember 1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, bleiben in derselben Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Personen, die am 31. Dezember 1991 als

1.
Angestellte im Zusammenhang mit der Erhöhung oder dem Wegfall der Jahresarbeitsverdienstgrenze,
2.
Handwerker oder
3.
Empfänger von Versorgungsbezügen
von der Versicherungspflicht befreit waren, bleiben in jeder Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit und bei Wehrdienstleistungen von der Versicherungspflicht befreit.

(2) Personen, die aufgrund eines bis zum 31. Dezember 1995 gestellten Antrags spätestens mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von der Versicherungspflicht befreit sind, bleiben in der jeweiligen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit befreit.

(3) Mitglieder von berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die nur deshalb Pflichtmitglied ihrer berufsständischen Kammer sind, weil die am 31. Dezember 1994 für bestimmte Angehörige ihrer Berufsgruppe bestehende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 auf weitere Angehörige der jeweiligen Berufsgruppe erstreckt worden ist, werden bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nach § 6 Abs.1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn

1.
die Verkündung des Gesetzes, mit dem die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer auf weitere Angehörige der Berufsgruppe erstreckt worden ist, vor dem 1. Juli 1996 erfolgt und
2.
mit der Erstreckung der Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer auf weitere Angehörige der Berufsgruppe hinsichtlich des Kreises der Personen, die der berufsständischen Kammer als Pflichtmitglieder angehören, eine Rechtslage geschaffen worden ist, die am 31. Dezember 1994 bereits in mindestens der Hälfte aller Bundesländer bestanden hat.

(4) Mitglieder von berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die nur deshalb Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, weil eine für ihre Berufsgruppe am 31. Dezember 1994 bestehende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung nach dem 31. Dezember 1994 auf diejenigen Angehörigen der Berufsgruppe erstreckt worden ist, die einen gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienst ableisten, werden bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn

1.
die Änderung der versorgungsrechtlichen Regelungen, mit der die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung auf Personen erstreckt worden ist, die einen gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienst ableisten, vor dem 1. Juli 1996 erfolgt und
2.
mit der Erstreckung der Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung auf Personen, die einen gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienst ableisten, hinsichtlich des Kreises der Personen, die der berufsständischen Versorgungseinrichtung als Pflichtmitglieder angehören, eine Rechtslage geschaffen worden ist, die für die jeweilige Berufsgruppe bereits am 31. Dezember 1994 in mindestens einem Bundesland bestanden hat.

(4a) Die Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung durch Artikel 1 Nummer 3 und Artikel 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2517) gelten nicht als Änderungen, mit denen der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 3 erweitert wird.

(4b) Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden.

(4c) Eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt als gegeben für Personen, die

1.
nach dem 3. April 2014 auf ihre Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder Patentanwaltschaft verzichtet haben und
2.
bis zum Ablauf des 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung beantragen.
Satz 1 gilt nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. Satz 1 gilt nicht, wenn vor dem 1. Januar 2016 infolge eines Ortswechsels der anwaltlichen Tätigkeit eine Pflichtmitgliedschaft in dem neu zuständigen berufsständischen Versorgungswerk wegen Überschreitens einer Altersgrenze nicht mehr begründet werden konnte.

(4d) Tritt in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, in der am 1. Januar 2016 eine Altersgrenze für die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bestand, eine Aufhebung dieser Altersgrenze bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 in Kraft, wirkt eine Befreiung von der Versicherungspflicht bei Personen, die infolge eines Ortswechsels eine Pflichtmitgliedschaft in einer solchen berufsständischen Versorgungseinrichtung bisher nicht begründen konnten und Beiträge als freiwillige Mitglieder entrichtet haben, auf Antrag vom Beginn des 36. Kalendermonats vor Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze in der jeweiligen berufsständischen Versorgungseinrichtung. Der Antrag kann nur bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze gestellt werden.

(5) Personen, die am 31. Dezember 1998 eine selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, in der sie nicht versicherungspflichtig waren, und danach gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden, werden auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie

1.
vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder
2.
vor dem 10. Dezember 1998 mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen haben, der so ausgestaltet ist oder bis zum 30. Juni 2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht so ausgestaltet wird, dass
a)
Leistungen für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall Leistungen an Hinterbliebene erbracht werden und
b)
für die Versicherung mindestens ebensoviel Beiträge aufzuwenden sind, wie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären, oder
3.
vor dem 10. Dezember 1998 eine vergleichbare Form der Vorsorge betrieben haben oder nach diesem Zeitpunkt bis zum 30. Juni 2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht entsprechend ausgestalten; eine vergleichbare Vorsorge liegt vor, wenn
a)
vorhandenes Vermögen oder
b)
Vermögen, das aufgrund einer auf Dauer angelegten vertraglichen Verpflichtung angespart wird,
insgesamt gewährleisten, dass eine Sicherung für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene vorhanden ist, deren wirtschaftlicher Wert nicht hinter dem einer Lebens- oder Rentenversicherung nach Nummer 2 zurückbleibt. Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für eine Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung, durch die die leistungsbezogenen und aufwandsbezogenen Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 erfüllt werden. Die Befreiung ist binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht zu beantragen; die Frist läuft nicht vor dem 30. Juni 2000 ab. Die Befreiung wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.

(6) Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, werden auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie

1.
glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten, und
2.
vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder
3.
vor dem 10. Dezember 1998 eine anderweitige Vorsorge im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 oder Satz 2 für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene getroffen haben; Absatz 5 Satz 1 Nr. 2 und 3 und Satz 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Datums 30. Juni 2000 jeweils das Datum 30. September 2001 tritt.
Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.

(7) Personen, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung von der Versicherungspflicht befreit waren, bleiben in dieser Beschäftigung von der Versicherungspflicht befreit.

(8) Personen, die die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung erfüllen, nicht aber die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung, werden von der Versicherungspflicht befreit, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung durch eine für einen bestimmten Personenkreis geschaffene Versorgungseinrichtung gewährleistet ist und sie an einer nichtöffentlichen Schule beschäftigt sind, die vor dem 13. November 2008 Mitglied der Versorgungseinrichtung geworden ist.

(9) § 6 Absatz 1b gilt bis zum 31. Dezember 2014 nicht für Personen, die am 31. Dezember 2012 in einer mehr als geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches versicherungspflichtig waren, die die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung nach diesen Vorschriften in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung erfüllt, solange das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung 400 Euro monatlich übersteigt.

(10) Personen, die vor dem 1. Januar 2023 nach § 3 Satz 1 Nummer 2b versicherungspflichtig waren und die vor dem 1. Januar 2023 nach § 186 in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nachversichert wurden, werden auf Antrag mit Wirkung vom Beginn der Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nummer 2b befreit. Der Antrag ist bis zum 31. Juli 2023 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu stellen.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) Personen, die am 31. Dezember 1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, bleiben in derselben Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Personen, die am 31. Dezember 1991 als

1.
Angestellte im Zusammenhang mit der Erhöhung oder dem Wegfall der Jahresarbeitsverdienstgrenze,
2.
Handwerker oder
3.
Empfänger von Versorgungsbezügen
von der Versicherungspflicht befreit waren, bleiben in jeder Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit und bei Wehrdienstleistungen von der Versicherungspflicht befreit.

(2) Personen, die aufgrund eines bis zum 31. Dezember 1995 gestellten Antrags spätestens mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von der Versicherungspflicht befreit sind, bleiben in der jeweiligen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit befreit.

(3) Mitglieder von berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die nur deshalb Pflichtmitglied ihrer berufsständischen Kammer sind, weil die am 31. Dezember 1994 für bestimmte Angehörige ihrer Berufsgruppe bestehende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 auf weitere Angehörige der jeweiligen Berufsgruppe erstreckt worden ist, werden bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nach § 6 Abs.1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn

1.
die Verkündung des Gesetzes, mit dem die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer auf weitere Angehörige der Berufsgruppe erstreckt worden ist, vor dem 1. Juli 1996 erfolgt und
2.
mit der Erstreckung der Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer auf weitere Angehörige der Berufsgruppe hinsichtlich des Kreises der Personen, die der berufsständischen Kammer als Pflichtmitglieder angehören, eine Rechtslage geschaffen worden ist, die am 31. Dezember 1994 bereits in mindestens der Hälfte aller Bundesländer bestanden hat.

(4) Mitglieder von berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die nur deshalb Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, weil eine für ihre Berufsgruppe am 31. Dezember 1994 bestehende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung nach dem 31. Dezember 1994 auf diejenigen Angehörigen der Berufsgruppe erstreckt worden ist, die einen gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienst ableisten, werden bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn

1.
die Änderung der versorgungsrechtlichen Regelungen, mit der die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung auf Personen erstreckt worden ist, die einen gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienst ableisten, vor dem 1. Juli 1996 erfolgt und
2.
mit der Erstreckung der Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung auf Personen, die einen gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienst ableisten, hinsichtlich des Kreises der Personen, die der berufsständischen Versorgungseinrichtung als Pflichtmitglieder angehören, eine Rechtslage geschaffen worden ist, die für die jeweilige Berufsgruppe bereits am 31. Dezember 1994 in mindestens einem Bundesland bestanden hat.

(4a) Die Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung durch Artikel 1 Nummer 3 und Artikel 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2517) gelten nicht als Änderungen, mit denen der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 3 erweitert wird.

(4b) Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden.

(4c) Eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt als gegeben für Personen, die

1.
nach dem 3. April 2014 auf ihre Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder Patentanwaltschaft verzichtet haben und
2.
bis zum Ablauf des 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung beantragen.
Satz 1 gilt nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. Satz 1 gilt nicht, wenn vor dem 1. Januar 2016 infolge eines Ortswechsels der anwaltlichen Tätigkeit eine Pflichtmitgliedschaft in dem neu zuständigen berufsständischen Versorgungswerk wegen Überschreitens einer Altersgrenze nicht mehr begründet werden konnte.

(4d) Tritt in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, in der am 1. Januar 2016 eine Altersgrenze für die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft bestand, eine Aufhebung dieser Altersgrenze bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 in Kraft, wirkt eine Befreiung von der Versicherungspflicht bei Personen, die infolge eines Ortswechsels eine Pflichtmitgliedschaft in einer solchen berufsständischen Versorgungseinrichtung bisher nicht begründen konnten und Beiträge als freiwillige Mitglieder entrichtet haben, auf Antrag vom Beginn des 36. Kalendermonats vor Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze in der jeweiligen berufsständischen Versorgungseinrichtung. Der Antrag kann nur bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Inkrafttreten der Aufhebung der Altersgrenze gestellt werden.

(5) Personen, die am 31. Dezember 1998 eine selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, in der sie nicht versicherungspflichtig waren, und danach gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden, werden auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie

1.
vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder
2.
vor dem 10. Dezember 1998 mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen haben, der so ausgestaltet ist oder bis zum 30. Juni 2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht so ausgestaltet wird, dass
a)
Leistungen für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall Leistungen an Hinterbliebene erbracht werden und
b)
für die Versicherung mindestens ebensoviel Beiträge aufzuwenden sind, wie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären, oder
3.
vor dem 10. Dezember 1998 eine vergleichbare Form der Vorsorge betrieben haben oder nach diesem Zeitpunkt bis zum 30. Juni 2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht entsprechend ausgestalten; eine vergleichbare Vorsorge liegt vor, wenn
a)
vorhandenes Vermögen oder
b)
Vermögen, das aufgrund einer auf Dauer angelegten vertraglichen Verpflichtung angespart wird,
insgesamt gewährleisten, dass eine Sicherung für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene vorhanden ist, deren wirtschaftlicher Wert nicht hinter dem einer Lebens- oder Rentenversicherung nach Nummer 2 zurückbleibt. Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für eine Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung, durch die die leistungsbezogenen und aufwandsbezogenen Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 erfüllt werden. Die Befreiung ist binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht zu beantragen; die Frist läuft nicht vor dem 30. Juni 2000 ab. Die Befreiung wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.

(6) Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, werden auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie

1.
glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten, und
2.
vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder
3.
vor dem 10. Dezember 1998 eine anderweitige Vorsorge im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 oder Satz 2 für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene getroffen haben; Absatz 5 Satz 1 Nr. 2 und 3 und Satz 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Datums 30. Juni 2000 jeweils das Datum 30. September 2001 tritt.
Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.

(7) Personen, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung von der Versicherungspflicht befreit waren, bleiben in dieser Beschäftigung von der Versicherungspflicht befreit.

(8) Personen, die die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung erfüllen, nicht aber die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung, werden von der Versicherungspflicht befreit, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung durch eine für einen bestimmten Personenkreis geschaffene Versorgungseinrichtung gewährleistet ist und sie an einer nichtöffentlichen Schule beschäftigt sind, die vor dem 13. November 2008 Mitglied der Versorgungseinrichtung geworden ist.

(9) § 6 Absatz 1b gilt bis zum 31. Dezember 2014 nicht für Personen, die am 31. Dezember 2012 in einer mehr als geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches versicherungspflichtig waren, die die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung nach diesen Vorschriften in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung erfüllt, solange das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung 400 Euro monatlich übersteigt.

(10) Personen, die vor dem 1. Januar 2023 nach § 3 Satz 1 Nummer 2b versicherungspflichtig waren und die vor dem 1. Januar 2023 nach § 186 in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nachversichert wurden, werden auf Antrag mit Wirkung vom Beginn der Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nummer 2b befreit. Der Antrag ist bis zum 31. Juli 2023 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu stellen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene zu 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens ausgenommen die Kosten des Beigeladenen zu 2 zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt die rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für die Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014.

2

Die Klägerin ist Volljuristin und Fachanwältin für Sozialrecht. Seit dem 19.3.2008 ist sie Mitglied der Rechtsanwaltskammer F. und Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Seit Mai 2009 ist sie als selbstständige Rechtsanwältin in F., zunächst in Bürogemeinschaft und sodann in eigener Kanzlei tätig.

3

Am 18.1.2012 nahm die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin bei dem Beigeladenen zu 2 eine Tätigkeit im Umfang von 50 Prozent einer Vollzeitstelle in der Zentralstelle Technologietransfer auf (unbefristeter Arbeitsvertrag vom 18.1.2012) und übt diese Beschäftigung - unterbrochen durch Mutterschutz und Elternzeit - aus.

4

Am 4.4.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für diese Tätigkeit die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7.1.2013 ab, weil es sich bei der abhängigen Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 2 um keine berufsspezifische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.8.2013 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Freiburg mit Gerichtsbescheid vom 5.8.2015 abgewiesen.

6

Während des von der Klägerin veranlassten Berufungsverfahrens hat die Rechtsanwaltskammer Freiburg die Klägerin mit Bescheid vom 7.2.2017 gemäß § 46 Abs 2 BRAO als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für die Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 2 zugelassen. Am 16.3.2017 ist ihr die Zulassungsurkunde von der Rechtsanwaltskammer ausgehändigt worden. Unter dem 2.3.2017 hat der Beigeladene zu 1 gegenüber der Beklagten bestätigt, dass die Klägerin seit 19.3.2008 im Versorgungswerk Pflichtmitglied kraft Gesetzes sei und für die zu befreiende Beschäftigung einkommensbezogene Pflichtbeiträge analog §§ 157 ff SGB VI gezahlt habe.

7

Mit Bescheid vom 18.4.2017 hat die Beklagte die Klägerin auf ihren erneuten Befreiungsantrag für die im Arbeitsvertrag vom 18.1.2012 bezeichnete Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 2, für die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach § 46a BRAO erteilt worden ist, von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 S 1 SGB VI ab Zulassung als Syndikusrechtsanwältin am 16.3.2017 befreit. Weiterhin hat die Beklagte die Klägerin auf ihren Antrag mit Bescheid vom 23.5.2017 für die Zeit vom 1.4.2014 bis zum 15.3.2017 hinsichtlich ihrer Beschäftigung als Mitarbeiterin bei dem Beigeladenen zu 2 rückwirkend nach § 231 Abs 4b SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit. Hinsichtlich der Zeit vom 18.1.2012 bis zum 31.3.2014 hat sie den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI durch Bescheid vom 24.5.2017 abgelehnt, weil diese in dem genannten Zeitraum keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt habe. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt.

8

Mit Urteil vom 20.7.2017 hat das LSG Baden-Württemberg die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 5.8.2015 zurückgewiesen. Gegenstand des Verfahrens sei nur der Bescheid vom 7.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.8.2013, der sich als rechtmäßig darstelle. Der Bescheid vom 24.5.2017 sei nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Er habe den Ursprungsbescheid weder abgeändert noch ersetzt. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20.7.2017 vorgenommene Klageänderung sei unzulässig.

9

Gegen die Nichtzulassung der Revision in der ihm am 28.7.2017 zugestellten Berufungsentscheidung hat der Beigeladene zu 1 am 28.8.2017 Beschwerde beim BSG erhoben. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wegen Verletzung des § 96 SGG.

10

Die Klägerin hat sich dem Vortrag des Beigeladenen zu 1 angeschlossen. Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.

11

II. Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 hat keinen Erfolg. Soweit sich die Beschwerde auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG stützt, ist sie bereits unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt insoweit nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG(dazu 1.). Die im Übrigen einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend machende Beschwerde ist zwar zulässig, jedoch unbegründet(dazu 2.).

12

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

13

Der Beigeladene zu 1 misst folgender Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei:

        

"Werden in einer wegen der Erfüllung der Befreiungsvoraussetzungen des § 6 SGB VI vor dem 03.04.2014 bei Sozialgerichten anhängig gemachten und noch nicht entschiedenen Rechtssache die an den(die) jeweilige Kläger(in) gemäß den Bestimmungen der §§ 6, 231 Abs. 4b SGB VI nach dem 31.12.2015 ergangenen Bescheide und Widerspruchsbescheide Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens nach § 96 SGG?"

14

Er hat es allerdings versäumt, deren Klärungsbedürftigkeit schlüssig aufzuzeigen.

15

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG bzw das BVerfG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN). Hieran fehlt es.

16

Zwar führt der Beigeladene zu 1 aus, dass die aufgeworfene Frage noch nicht vom BSG entschieden worden sei. Er legt jedoch nicht dar, dass die schon vorhandene höchstrichterliche Judikatur noch nicht einmal Anhaltspunkte für deren Beurteilung enthält. Im Gegenteil zeigt die Beschwerdebegründung selbst auf, nach welchen Maßstäben und mit welchem Ergebnis die hier maßgeblichen Tatbestandsmerkmale des § 96 SGG "abändern und ersetzen" unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG auszulegen seien.

17

Der Beigeladene zu 1 trägt dementsprechend auch nicht ausreichend vor, dass trotz der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe.

18

Ist eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden, kann sie aufgrund einer Gesetzesänderung wieder klärungsbedürftig werden. Dies gilt selbst dann, wenn die höchstrichterlich ausgelegte Gesetzesvorschrift nicht geändert worden ist. Bei einer Gesetzesänderung kann sich nämlich ähnlich wie bei einer grundlegenden Änderung der Lebensverhältnisse in einem bestimmten Bereich der Inhalt nicht ausdrücklich geänderter Normen wandeln bzw hierdurch eine Neuinterpretation des Gesetzes erforderlich werden (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 320; vgl auch BSG Beschluss vom 4.9.2013 - B 10 LW 5/13 B - Juris RdNr 8). Diese Umstände und ihre rechtlichen Konsequenzen für die Auslegung des Gesetzes sind in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG substantiiert vorzutragen (vgl Kummer, aaO, RdNr 320). Diesen Anforderungen ist ebenfalls nicht genügt.

19

Zwar verweist der Beigeladene zu 1 auf den mit Wirkung zum 1.1.2016 eingeführten § 231 Abs 4b SGB VI und legt des Weiteren dar, dass der während des Berufungsverfahrens ergangene, den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014 ablehnende Bescheid vom 24.5.2017 den ursprünglichen Bescheid vom 7.1.2013, mit dem der Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI abgelehnt worden ist, entgegen der Rechtsauffassung des LSG ersetzt habe und damit Gegenstand des Verfahrens gemäß § 96 SGG geworden sei. Er trägt aber nicht vor, dass diese Norm aufgrund des neu eingeführten § 231 Abs 4b SGB VI neu interpretiert werden müsste; vielmehr macht er geltend, dass das LSG den vorliegenden Fall rechtsfehlerhaft unter die Rechtslage subsumiert habe. Damit rügt der Beigeladene zu 1 eine fehlerhafte Rechtsanwendung des § 96 SGG durch das Berufungsgericht. Mit dem Hinweis auf eine unrichtige Rechtsanwendung der Vorinstanz wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache indes nicht dargetan (vgl nur BVerwG Beschluss vom 23.5.2006 - 9 B 8.06 - Juris RdNr 6).

20

Ebenso wenig ist die Klärungsbedürftigkeit mit dem Hinweis aufgezeigt, dass ein weiteres LSG und verschiedene SG die Rechtslage unterschiedlich beurteilt hätten bzw die aufgeworfene Frage in weiteren zweitinstanzlichen Verfahren zur Entscheidung anstehen könne. Dass in diesen Verfahren Gesichtspunkte benannt worden sind, die abweichend von der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung eine neue Interpretation des § 96 SGG erforderten, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

21

2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid der Beklagten vom 24.5.2017 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Die Voraussetzungen des § 96 Abs 1 SGG sind nicht gegeben.

22

Nach dieser Vorschrift wird ein neuer Verwaltungsakt (VA) nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen VA abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

23

Zwar hat die Klägerin den Bescheid vom 7.1.2013 vollumfänglich mit der Klage angegriffen. Der in der Klageschrift formulierte Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten anzuerkennen, dass die Klägerin "bei ihrer Tätigkeit als Angestellte des Klinikums F., die sie ab dem 18.01.2013 aufgenommen hat, von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI befreit ist", stellt keine zeitliche Beschränkung des Befreiungsbegehrens auf die Zeit erst ab Januar 2013 dar. Ausweislich der Klagebegründung handelt es sich bei der Jahresangabe "2013" im Antrag anstelle von "2012" vielmehr um einen offensichtlichen Schreibfehler. Auch ist der Bescheid vom 24.5.2017 nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29.8.2013 sowie bei noch nicht beendeter Rechtshängigkeit des Klageverfahrens ergangen.

24

Der Bescheid vom 24.5.2017 ändert den Bescheid vom 7.1.2013 jedoch weder ab noch ersetzt er diesen.

25

a) Abändern oder ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden VA mit dem des früheren identisch ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 86 Nr 2 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21), was durch Vergleich der in beiden VA getroffenen Verfügungssätze festzustellen ist (vgl BSGE 47, 168, 170 = SozR 1500 § 96 Nr 13 S 19 f; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 4a mwN). Dabei reicht bei der Abänderung eines teilbaren VA eine Identität des streitbefangenen Teils aus.

26

Ausweislich des Vergleichs der Verfügungssätze der hier maßgeblichen Bescheide vom 7.1.2013 einerseits und vom 24.5.2017 andererseits liegt keine Identität der Regelungsgegenstände vor.

27

Mit Bescheid vom 7.1.2013 hat die Beklagte den "Antrag vom 4.4.2012 auf Befreiung von der Versicherungspflicht für Ihre abhängige Beschäftigung ab 18.1.2012 am Klinikum F. … abgelehnt …". Mit Bescheid vom 24.5.2017 hat die Beklagte "den Antrag vom 14.03.2016 auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für Ihre in der Zeit vom 18.01.2012 bis 31.03.2014 ausgeübte Beschäftigung als Mitarbeiterin beim Klinikum F … abgelehnt".

28

Den in den Bescheiden verlautbarten Umständen lässt sich im Wege der Auslegung entnehmen, dass beide die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für die Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014 auch (so Bescheid vom 7.1.2013) bzw ausschließlich (Bescheid vom 24.5.2017) regeln, wobei sich der erste Bescheid allerdings auf ihren Status als Rechtsanwältin und der zweite Bescheid auf ihren Status als Syndikusrechtsanwältin bezieht.

29

Die Auslegung eines VA hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der VA sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 5 R 16/12 R - Juris RdNr 18).

30

Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Bescheid vom 7.1.2013 dahin zu verstehen, dass er die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht wegen Nichtausübens einer anwaltlichen Beschäftigung im Klinikum F. für die Dauer ihrer dortigen Beschäftigung beginnend mit dem 18.1.2012 bestimmt. Dies ergibt sich aus dem Verfügungssatz, der die Ablehnung ausdrücklich auf die "abhängige Beschäftigung ab 18.01.2012 am Klinikum F." bezieht, und der Begründung, dass es sich hierbei um keine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit handele. Der Antrag der Klägerin vom 4.4.2012 (Eingangsdatum des Fax), auf den der Verfügungssatz ausdrücklich Bezug nimmt und den er vollumfänglich bescheidet, bestätigt dieses Ergebnis. In dem Antrag hat die Klägerin unter Ziffer 2 angegeben: "Ich bin angestellt, berufsspezifisch beschäftigt als Rechtsanwältin/Volljuristin, Arbeitgeber …: Klinikum F. …, Beginn der Beschäftigung 18.01.2012". Im Anschluss hieran hat die Klägerin unter Ziffer 3 erklärt: "Ich beantrage die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw Satz 5 SGB VI aufgrund meiner gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer … Rechtsanwaltskammer … ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt …". Antrag und Bescheid beziehen sich mithin korrespondierend auf die geltend gemachte Beschäftigung der Klägerin als Rechtsanwältin bei dem Klinikum F. und deren Dauer unter Angabe des Beschäftigungsbeginns. Der Bescheid vom 7.1.2013 regelt damit eine Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für die geltend gemachte Tätigkeit als Rechtsanwältin bei dem Klinikum F. auch in dem Zeitraum 18.1.2012 bis 31.3.2014.

31

Dass der Bescheid vom 24.5.2017 die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für ihre Beschäftigung bei dem Klinikum F. in der Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014 regelt, bedarf keiner gesonderten Erläuterung. Diese Ablehnung bezieht sich dabei allerdings im Unterschied zu dem Bescheid vom 7.1.2013 auf den neu erworbenen Status der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin. Dies ergibt sich zum einen durch die Bezugnahme des Bescheides auf den Antrag der Klägerin vom 14.3.2016 (Eingangsdatum bei der Beklagten), mit dem die Klägerin unter Hinweis auf die von ihr beantragte Zulassung als Syndikusrechtsanwältin die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt hat, und zum anderen durch den Verweis des Bescheides auf § 231 Abs 4b SGB VI, der sich auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt bezieht. Der Bescheid vom 24.5.2017 regelt damit eine Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für ihre Beschäftigung bei dem Klinikum "F. " - gemeint F. in dem Zeitraum 18.1.2012 bis 31.3.2014 im Hinblick auf ihren Status als Syndikusrechtsanwältin. Eine Identität der Regelungsgegenstände beider Bescheide liegt aufgrund der unterschiedlichen Statusbezogenheit nicht vor.

32

Für eine enge Auslegung der VA im dargelegten Sinn spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 96 Abs 1 SGG heutiger Fassung iVm der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur alten Rechtslage. Das BSG hat § 96 Abs 1 SGG in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie über seinen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus entsprechend angewendet (vgl hierzu etwa BSG Urteil vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Mit Wirkung zum 1.4.2008 ist § 96 Abs 1 SGG durch Art 1 Nr 16 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu gefasst worden. Die Gesetzesänderung ("nur dann") diente der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm. Eine Einbeziehung des neuen VA soll nur noch möglich sein, wenn der ursprüngliche Bescheid nach Klageerhebung durch ihn ersetzt oder abgeändert wird (BT-Drucks 16/7716 S 19). Eine entsprechende Anwendung der Norm kommt danach nicht mehr in Betracht.

33

Schon unter der Geltung alten Rechts hatte das BSG allerdings eine ausdehnende Anwendung des § 96 SGG abgelehnt, wenn zwar die späteren Entscheidungen auf derselben Rechtsgrundlage ergangen waren und es auch um dieselbe Rechtsfrage ging, die rechtlich relevanten Sachverhaltsumstände und Tatsachengrundlagen aber nicht oder nur teilweise deckungsgleich waren, weil nur so dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie angemessen Rechnung getragen werden könne(vgl etwa zum Vertragsarztrecht BSGE 78, 98, 101 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12, S 37; zur Beitragserhebung in der Unfallversicherung BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, RdNr 8; zu Betriebsprüfungen BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1, RdNr 11). Wenn aber schon nach altem Recht eine Veränderung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen eine Anwendung des § 96 SGG ausgeschlossen hat, muss dies erst recht unter der Geltung neuen Rechts gelten.

34

Eine Änderung des Streitstoffs liegt auch in diesem Fall vor.

35

Für die Frage, ob die Klägerin eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI für die Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014 beanspruchen kann, ist maßgeblich, ob in diesem Zeitraum einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt worden sind (vgl § 231 Abs 4b S 4 SGB VI). Hierauf kam es in der Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 7.1.2013 indes nicht an; entscheidungsrelevant war insoweit, ob die Klägerin eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt hat.

36

b) Entsprechend der fehlenden Identität des Regelungsgegenstandes in den Bescheiden vom 7.1.2013 und 24.5.2017 besteht auch keine Änderung oder Ersetzung des Ursprungsbescheids durch den späteren Bescheid iS von § 96 Abs 1 SGG. Eine Änderung liegt vor, wenn der VA teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt wird; Ersetzung ist gegeben, wenn der neue VA vollständig an die Stelle des bisherigen tritt (vgl nur BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 5 RdNr 15 mwN). Der Bescheid vom 7.1.2013 ist durch den Bescheid vom 24.5.2017 weder ganz noch teilweise aufgehoben worden. Vielmehr ist der Bescheid vom 24.5.2017 neben den Bescheid vom 7.1.2013 getreten und entfaltet die oben aufgezeigte eigene Regelungswirkung. Dementsprechend hat die Klägerin im Berufungsverfahren beide Bescheide nebeneinander in dem hier streitigen Umfang angefochten.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.

38

Der Streitwert richtet sich nach § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 GKG. Ausgehend von dem Antrag des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs 1 S 1 GKG) ist ein Auffangwert von 5000 Euro anzunehmen, weil keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Interesses des Beigeladenen zu 1 (vgl Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl 2018, § 47 GKG RdNr 3) vorliegen (§ 52 Abs 2 GKG).

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Die Beklagte hat ebenfalls die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 2749,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anrechnungsfähigkeit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

2

Die im Jahre 1941 geborene und am 31.10.2010 verstorbene U. K. nachfolgend: Hinterbliebene - infizierte sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester mit einer Tuberkulose, die im Jahre 1978 als Berufskrankheit anerkannt wurde. Mit Bescheid vom 21.3.1978 gewährte die Berufsgenossenschaft der Hinterbliebenen ab August 1972 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 vH, die im Jahre 1989 auf eine Höhe von 648,21 Euro eingefroren wurde.

3

Die Hinterbliebene war seit 1973 mit H. K. verheiratet, der am 3.3.2007 verstarb. Im selben Monat beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Bei der Antragstellung war der Hinterbliebenen der Versicherungsberater der Deutschen Rentenversicherung Bund K. K. behilflich, den sie über die bestehende Tuberkuloseerkrankung informierte. Nachdem der Versicherungsberater erklärt hatte, eine Anrechnung der Verletztenrente auf die Hinterbliebenenrente erfolge nicht, gab die Hinterbliebene im Antragsformular lediglich an, eine eigene Altersrente zu beziehen; auf die ihr gewährte Verletztenrente wies sie nicht hin.

4

Mit Bescheid vom 8.5.2007 bewilligte die Beklagte der Hinterbliebenen ab April 2007 Hinterbliebenenrente, ohne die Verletztenrente zu berücksichtigen.

5

Nach Anhörung der Hinterbliebenen nahm die Beklagte mit Bescheid vom 14.5.2008 den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.4.2007 gemäß § 45 SGB X zurück, weil dieser wegen der fehlenden Berücksichtigung der Verletztenrente bei der Gewährung der Witwenrente rechtswidrig gewesen sei und forderte die Erstattung von 2559,15 Euro wegen Überzahlung in der Zeit vom 1.7.2007 bis 31.5.2008. Die Hinterbliebene könne sich nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen, da die Gewährung der Witwenrente auf Angaben beruht habe, die sie grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw unvollständig gemacht habe und sie zudem die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt bzw aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe.

6

Nachdem der Versicherungsberater K. K. im Widerspruchsverfahren den Hinweis der Hinterbliebenen auf ihre Tuberkuloseerkrankung bestätigt hatte, gab die Beklagte dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 teilweise statt. Unter Abänderung des Bescheides vom 14.5.2008 nahm sie den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 erst mit Wirkung ab 1.6.2008 zurück und machte gleichzeitig für den Zeitraum vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 eine Erstattung von überzahlter Hinterbliebenenrente in Höhe von nunmehr 2749,62 Euro geltend. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück.

7

Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Koblenz mit Urteil vom 3.8.2010 abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ist die Hinterbliebene verstorben. Ihre Kinder, die Kläger zu 1. und 2., haben den Rechtsstreit fortgeführt. Mit Urteil vom 21.3.2012 hat das LSG Rheinland-Pfalz das Urteil des SG Koblenz und den Bescheid der Beklagten vom 14.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom 8.5.2007 sei rechtmäßig. Nach § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI werde Einkommen von Berechtigten, das mit einer Witwenrente oder Witwerrente zusammentreffe, hierauf angerechnet. Welches Einkommen anrechnungsfähig sei, ergebe sich aus § 18a bis § 18e SGB IV. Nach § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB IV sei bei Renten wegen Todes Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen. Dies gelte allerdings gemäß § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV nicht, soweit es sich hierbei - abgesehen von den ausdrücklich genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen - um steuerfreie Einnahmen iS von § 3 Einkommensteuergesetz (EStG) handele. Nach § 3 Nr 1a EStG gehörten zu den nicht berücksichtigungsfähigen steuerfreien Einnahmen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die angefochtenen Bescheide, in denen zu Unrecht eine solche Anrechnung vorgenommen worden sei, seien daher aufzuheben.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 18a Abs 1 S 1 Nr 2, Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV und § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV. Das LSG habe übersehen, dass eine Anwendung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV auf den vorliegenden Sachverhalt durch § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV ausgeschlossen werde. Nach dieser Regelung seien Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht würden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), mit Ausnahme von Zusatzleistungen bei Renten wegen Todes als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der versicherte Ehegatte vor dem 1.1.2002 verstorben sei oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen worden und mindestens ein Ehegatte vor dem 2.1.1962 geboren sei. Erwerbsersatzeinkommen im Sinne dieser Regelung seien nach § 114 Abs 3 S 1 SGB IV Leistungen nach § 18a Abs 3 S 1 Nr 1 bis 8 SGB IV und damit auch die in § 18a Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV genannte Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Ausnahme für steuerfreie Einkünfte sei in § 114 Abs 1 und 3 SGB IV nicht vorgesehen. Nach den Feststellungen des LSG unterfalle die 1941 geborene und seit 1973 mit H. K. verheiratete Hinterbliebene dem von der Regelung des § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV erfassten Personenkreis. Sie könne sich daher auf die Regelung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV nicht berufen. Die im Urteil des BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 15/11 R - RdNr 15 aufgeworfene Frage, ob § 114 Abs 1 SGB IV im Wege teleologischer Reduktion lediglich zu Gunsten der Betroffenen anzuwenden sei, sei zu verneinen. Die vom LSG vertretene Auffassung sei aber selbst dann nicht haltbar, wenn § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden könne. Die eine Anrechnung der Verletztenrente der Hinterbliebenen ausschließende Regelung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV stehe in einem offenkundigen Widerspruch zur Regelung des § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV, der eine derartige Anrechnung ausdrücklich anordne. Ein derartiger Widerspruch in den Aussagen einer gesetzlichen Regelung könne nicht dadurch aufgelöst werden, dass einer der widersprechenden Gesetzesbefehle ohne jegliche Begründung als unbeachtlich behandelt werde. In einem derartigen Fall seien vielmehr weitere Auslegungsgrundsätze heranzuziehen, um das von dem Gesetz gewollte Ergebnis zu ermitteln. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass eine spezielle Regelung eine allgemeine Regelung verdränge, sowie unter Beachtung des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung - hier: Art 3 Abs 1 GG - sei nicht § 18a Abs 1 S 2 SGB IV, sondern § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV in Fällen der vorliegenden Art anwendbar. Dieses Ergebnis stehe auch nicht mit dem gesetzgeberischen Willen in Widerspruch.

9

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Hinterbliebenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3. August 2010 zurückzuweisen.

10

Die Kläger beantragen,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

13

Das LSG hat im Ergebnis zu Recht den Bescheid vom 14.5.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 aufgehoben.

14

1. Soweit der Bescheid vom 14.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 den Bescheid vom 8.5.2007 für die Zeit ab 1.6.2008 zurücknimmt, verstößt er gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X und ist schon deswegen rechtswidrig.

15

Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn die von ihm getroffene Regelung, die verfügte Rechtsfolge, vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist (vgl BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - Juris RdNr 18; BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16 mwN; s auch U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 37 RdNr 27). Dieser Anforderung ist nicht genügt.

16

Der Bescheid vom 8.5.2007 enthält verschiedene Regelungen: Zum einen bewilligt er der Hinterbliebenen große Witwenrente; er regelt insoweit insbesondere die Rentenart, den Rentenbeginn (1.4.2007) und die Höhe der Hinterbliebenenrente. Daneben bestimmt er den monatlichen Einzelanspruch auf Zahlung iHv 733,48 Euro ab 1.7.2007 und für die Zeit vom 1.4.2007 bis 30.6.2007 die Gewährung einer Nachzahlung iHv 3290,37 Euro.

17

Zwar lässt sich den in den angefochtenen Bescheiden verlautbarten Umständen im Wege der Auslegung entnehmen, welche dieser Regelungen zurückgenommen worden ist; hingegen ist nicht erkennbar, in welchem Umfang dies geschehen sollte.

18

Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN).

19

Unter Beachtung dieser Vorgaben sind die angefochtenen Bescheide dahin zu verstehen, dass der Bescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.6.2008 teilweise hinsichtlich des monatlichen Einzelanspruchs auf Zahlung zurückgenommen worden ist. Ausweislich der Bescheidbegründung hat die Beklagte lediglich die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs wegen Nichtberücksichtigung anrechnungsfähigen Einkommens verringern wollen und nicht die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Witwenrente dem Grunde nach in Frage gestellt (vgl zu der gebotenen Unterscheidung zwischen dem Anspruch auf Rente dem Grunde nach und dem Einzelanspruch auf Zahlung BSG SozR 4-2600 § 313 Nr 1 RdNr 14 mwN).

20

In welcher Höhe der monatliche Zahlungsanspruch auf Hinterbliebenenrente zurückgenommen wird, lässt sich dem Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 nicht entnehmen. Zwar führen dessen Gründe auf S 3 und 7 aus, dass bei korrekter Anrechnung der Unfallrente der Witwenrentenanspruch ab 1.4.2007 auf ca 428,95 Euro ohne Berücksichtigung der jährlichen Rentenanpassungen hätte gekürzt werden müssen, und dass ab 1.7.2009 nur noch eine Rente von 437,31 Euro vorbehaltlich zukünftiger Rentenanpassungen ausgezahlt werde. Hieraus lässt sich jedoch die konkrete Kürzung des monatlichen Zahlungsanspruchs auf Witwenrente bzw die Höhe des infolge der Kürzung verbleibenden Einzelanspruchs auf Zahlung nicht ermitteln.

21

Aus dem Bescheid vom 14.5.2008 ergibt sich vielmehr, dass die Summe von 428,95 Euro nicht die Höhe des um die Unfallrente gekürzten monatlichen Zahlungsanspruchs, sondern den sich nach zusätzlichem Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ergebenden monatlichen Zahlbetrag der Hinterbliebenenrente bezeichnet, und dies erst nach Ablauf des Sterbevierteljahres ab 1.7.2007. Bei dem Betrag von 437,31 Euro handelt es sich unter Berücksichtigung der Formulierung "Rente … ausgezahlt" um den ab 1.7.2009 zu leistenden monatlichen Rentenzahlbetrag.

22

Die Heranziehung des Bescheides vom 14.5.2008 zur Auslegung des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 führt auch im Übrigen zu keinem hinreichend bestimmten Inhalt im hier maßgeblichen Zusammenhang. Der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009, der gegenüber dem Bescheid vom 14.5.2008 (nur) die zeitliche Wirkung der Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 1.4.2007 auf den 1.6.2008 verschiebt, ist keiner Auslegung dahin zugänglich, dass der im Ausgangsbescheid ab 1.7.2007 angegebene Einzelanspruch auf Zahlung von 475,55 Euro (733,48 Euro - anrechenbares Einkommen von 257,93 Euro) für die Zukunft weitergelten soll. Der verständige, die Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte ist außerstande zu erkennen, dass dieser Betrag die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs auf Witwenrente nach Anrechnung der Unfallrente bezeichnet. Weder im Tenor noch in der Begründung des Bescheides vom 14.5.2008 ist ein der Hinterbliebenen nach Kürzung verbleibender monatlicher Rentenzahlungsanspruch von 475,55 Euro aufgeführt. Dieser Betrag findet sich erst in der Anlage 1 des Bescheides als in keiner Weise hervorgehobenes Element eines nicht unbeträchtlichen Zahlenwerks. Ein verständiger Beteiligter muss nicht damit rechnen, dass der für ihn maßgebliche Zahlungsanspruch an derart "versteckter Stelle" geregelt wird. Dies gilt umso mehr, als die Anlage 1 nicht dasselbe Datum aufweist wie der Bescheid vom 14.5.2008 und zudem die Anlage 1 durch den Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 gegenstandslos geworden ist. Mit Wirkung vom 1.7.2008 ist darüber hinaus durch § 1 Abs 1 Rentenwertbestimmungsgesetz vom 26.6.2008 (BGBl I 1076) der aktuelle Rentenwert von zuvor 26,27 Euro auf 26,56 Euro angehoben worden, sodass sich der monatliche Anspruch der Hinterbliebenen auf Witwenrente erhöht hat (vgl § 64 SGB VI). Damit war dem Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 die Höhe der Kürzung des monatlichen Rentenzahlungsanspruchs bzw die Höhe des verbleibenden Einzelanspruchs auf Zahlung nach Anrechnung der Unfallrente ab 1.7.2008 auch aus diesem Grund nicht zu entnehmen.

23

2. Da der Bescheid vom 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 mangels hinreichender Bestimmtheit aufzuheben war, soweit dieser den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.6.2008 zurückgenommen hat, ist der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 auch insoweit rechtswidrig, als er die Erstattung eines Betrags von 2749,62 Euro wegen zu viel gezahlter Witwenrente in der Zeit vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 fordert.

24

Er verstößt gegen § 50 Abs 1 SGB X, nach dem aufgrund eines Verwaltungsakts erbrachte Leistungen nur zu erstatten sind, soweit dieser aufgehoben worden ist. Durch die Aufhebung des Bescheides vom 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009, soweit die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 8.5.2007 verfügt ist, gilt dieser Bescheid wieder in vollem Umfang, sodass er eine Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen des ungekürzten Rentenzahlbetrages im streitigen Zeitraum darstellt.

25

Darüber hinaus ist die im Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 geregelte Erstattung auch deswegen rechtswidrig, weil dem Widerspruchsausschuss der Beklagten hierfür die Entscheidungskompetenz fehlte.

26

Die Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde ist auf den durch den Widerspruch vorgegebenen Rahmen beschränkt. Aus diesem Grund darf die Widerspruchsbehörde einen Widerspruch nicht zum Anlass nehmen, rechtlich selbständige Regelungen zu treffen, die über den Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts hinausgehen (VGH Mannheim NVwZ-RR 2002, 3, 5; Dolde/Porsch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 68 RdNr 36 und 47 mwN - Stand: Oktober 2005). Weitergehende Entscheidungen der Widerspruchsbehörde sind unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nur zulässig, wenn dieser eine eigene Verwaltungskompetenz zukommt und sie nicht nur auf die Rechtsschutzgewährung beschränkt ist (vgl BSGE 71, 274, 279 = SozR 3-1500 § 85 Nr 1 S 6).

27

Der Bescheid vom 14.5.2008 enthält mehrere Regelungen iS von § 31 SGB X. Er nimmt zum einen den Bescheid vom 8.5.2007 für die Zeit ab 1.4.2007 zurück und fordert zum anderen von der Hinterbliebenen für die im Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.5.2008 erfolgte Überzahlung die Erstattung eines festgesetzten Betrags von 2559,15 Euro (§ 50 Abs 1 S 1, Abs 3 SGB X). Die im Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 verfügte Rückforderung eines Überzahlungsbetrags von nunmehr 2749,62 Euro, die wegen § 86a S 1 SGG für einen anderen Zeitraum, die Zeit vom 1.6.2008 bis 30.6.2009, geleistet worden war, stellt im Verhältnis hierzu eine weitergehende, rechtlich selbständige Regelung dar.

28

Hierzu war der Widerspruchsausschuss der Beklagten unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nicht befugt. Gemäß § 85 Abs 2 Nr 2 SGG erlässt den Widerspruchsbescheid in Angelegenheiten der Sozialversicherung - und damit auch der Rentenversicherung(§ 1 Abs 1 S 1 SGB IV) - die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle. Die Kompetenz des Widerspruchsausschusses der Beklagten beschränkt sich damit auf die Rechtsschutzgewährung (vgl auch BSGE 75, 241, 245 f; BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f). Eine ursprüngliche sachliche (Verwaltungs-)Zuständigkeit der Widerspruchsstelle ist nicht gegeben (BSG vom 21.6.2000 - B 4 RA 57/99 R - Juris RdNr 17 - auch zur Beachtlichkeit dieses Verfahrensfehlers iS von § 62 Halbs 2, § 42 S 1 SGB X).

29

Schließlich verstößt der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009, soweit er die Erstattung von 2749,62 Euro fordert, ebenfalls gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X mit der Folge der Rechtswidrigkeit, weil er nur die Gesamtsumme, nicht aber die einzelnen Berechnungsposten benennt(vgl U. Stelkens, aaO, § 37 RdNr 40; VGH München NVwZ-RR 1994, 113).

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG, soweit sich die Revision auf die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 8.5.2007 durch die angefochtenen Bescheide bezieht, und auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, soweit Streitgegenstand die Erstattung überzahlter Hinterbliebenenrente ist(vgl hierzu im Einzelnen Beschluss vom 11.10.2012 - B 5 R 16/12 R).

31

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 40, § 47 Abs 1 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 S 1 GKG.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tenor

Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene zu 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens ausgenommen die Kosten des Beigeladenen zu 2 zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt die rückwirkende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für die Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014.

2

Die Klägerin ist Volljuristin und Fachanwältin für Sozialrecht. Seit dem 19.3.2008 ist sie Mitglied der Rechtsanwaltskammer F. und Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Seit Mai 2009 ist sie als selbstständige Rechtsanwältin in F., zunächst in Bürogemeinschaft und sodann in eigener Kanzlei tätig.

3

Am 18.1.2012 nahm die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin bei dem Beigeladenen zu 2 eine Tätigkeit im Umfang von 50 Prozent einer Vollzeitstelle in der Zentralstelle Technologietransfer auf (unbefristeter Arbeitsvertrag vom 18.1.2012) und übt diese Beschäftigung - unterbrochen durch Mutterschutz und Elternzeit - aus.

4

Am 4.4.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für diese Tätigkeit die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7.1.2013 ab, weil es sich bei der abhängigen Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 2 um keine berufsspezifische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.8.2013 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Freiburg mit Gerichtsbescheid vom 5.8.2015 abgewiesen.

6

Während des von der Klägerin veranlassten Berufungsverfahrens hat die Rechtsanwaltskammer Freiburg die Klägerin mit Bescheid vom 7.2.2017 gemäß § 46 Abs 2 BRAO als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) für die Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 2 zugelassen. Am 16.3.2017 ist ihr die Zulassungsurkunde von der Rechtsanwaltskammer ausgehändigt worden. Unter dem 2.3.2017 hat der Beigeladene zu 1 gegenüber der Beklagten bestätigt, dass die Klägerin seit 19.3.2008 im Versorgungswerk Pflichtmitglied kraft Gesetzes sei und für die zu befreiende Beschäftigung einkommensbezogene Pflichtbeiträge analog §§ 157 ff SGB VI gezahlt habe.

7

Mit Bescheid vom 18.4.2017 hat die Beklagte die Klägerin auf ihren erneuten Befreiungsantrag für die im Arbeitsvertrag vom 18.1.2012 bezeichnete Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 2, für die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach § 46a BRAO erteilt worden ist, von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 S 1 SGB VI ab Zulassung als Syndikusrechtsanwältin am 16.3.2017 befreit. Weiterhin hat die Beklagte die Klägerin auf ihren Antrag mit Bescheid vom 23.5.2017 für die Zeit vom 1.4.2014 bis zum 15.3.2017 hinsichtlich ihrer Beschäftigung als Mitarbeiterin bei dem Beigeladenen zu 2 rückwirkend nach § 231 Abs 4b SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit. Hinsichtlich der Zeit vom 18.1.2012 bis zum 31.3.2014 hat sie den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI durch Bescheid vom 24.5.2017 abgelehnt, weil diese in dem genannten Zeitraum keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt habe. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt.

8

Mit Urteil vom 20.7.2017 hat das LSG Baden-Württemberg die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 5.8.2015 zurückgewiesen. Gegenstand des Verfahrens sei nur der Bescheid vom 7.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.8.2013, der sich als rechtmäßig darstelle. Der Bescheid vom 24.5.2017 sei nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Er habe den Ursprungsbescheid weder abgeändert noch ersetzt. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20.7.2017 vorgenommene Klageänderung sei unzulässig.

9

Gegen die Nichtzulassung der Revision in der ihm am 28.7.2017 zugestellten Berufungsentscheidung hat der Beigeladene zu 1 am 28.8.2017 Beschwerde beim BSG erhoben. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wegen Verletzung des § 96 SGG.

10

Die Klägerin hat sich dem Vortrag des Beigeladenen zu 1 angeschlossen. Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.

11

II. Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 hat keinen Erfolg. Soweit sich die Beschwerde auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG stützt, ist sie bereits unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt insoweit nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG(dazu 1.). Die im Übrigen einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend machende Beschwerde ist zwar zulässig, jedoch unbegründet(dazu 2.).

12

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

13

Der Beigeladene zu 1 misst folgender Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei:

        

"Werden in einer wegen der Erfüllung der Befreiungsvoraussetzungen des § 6 SGB VI vor dem 03.04.2014 bei Sozialgerichten anhängig gemachten und noch nicht entschiedenen Rechtssache die an den(die) jeweilige Kläger(in) gemäß den Bestimmungen der §§ 6, 231 Abs. 4b SGB VI nach dem 31.12.2015 ergangenen Bescheide und Widerspruchsbescheide Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens nach § 96 SGG?"

14

Er hat es allerdings versäumt, deren Klärungsbedürftigkeit schlüssig aufzuzeigen.

15

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG bzw das BVerfG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN). Hieran fehlt es.

16

Zwar führt der Beigeladene zu 1 aus, dass die aufgeworfene Frage noch nicht vom BSG entschieden worden sei. Er legt jedoch nicht dar, dass die schon vorhandene höchstrichterliche Judikatur noch nicht einmal Anhaltspunkte für deren Beurteilung enthält. Im Gegenteil zeigt die Beschwerdebegründung selbst auf, nach welchen Maßstäben und mit welchem Ergebnis die hier maßgeblichen Tatbestandsmerkmale des § 96 SGG "abändern und ersetzen" unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG auszulegen seien.

17

Der Beigeladene zu 1 trägt dementsprechend auch nicht ausreichend vor, dass trotz der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe.

18

Ist eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden, kann sie aufgrund einer Gesetzesänderung wieder klärungsbedürftig werden. Dies gilt selbst dann, wenn die höchstrichterlich ausgelegte Gesetzesvorschrift nicht geändert worden ist. Bei einer Gesetzesänderung kann sich nämlich ähnlich wie bei einer grundlegenden Änderung der Lebensverhältnisse in einem bestimmten Bereich der Inhalt nicht ausdrücklich geänderter Normen wandeln bzw hierdurch eine Neuinterpretation des Gesetzes erforderlich werden (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 320; vgl auch BSG Beschluss vom 4.9.2013 - B 10 LW 5/13 B - Juris RdNr 8). Diese Umstände und ihre rechtlichen Konsequenzen für die Auslegung des Gesetzes sind in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG substantiiert vorzutragen (vgl Kummer, aaO, RdNr 320). Diesen Anforderungen ist ebenfalls nicht genügt.

19

Zwar verweist der Beigeladene zu 1 auf den mit Wirkung zum 1.1.2016 eingeführten § 231 Abs 4b SGB VI und legt des Weiteren dar, dass der während des Berufungsverfahrens ergangene, den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014 ablehnende Bescheid vom 24.5.2017 den ursprünglichen Bescheid vom 7.1.2013, mit dem der Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI abgelehnt worden ist, entgegen der Rechtsauffassung des LSG ersetzt habe und damit Gegenstand des Verfahrens gemäß § 96 SGG geworden sei. Er trägt aber nicht vor, dass diese Norm aufgrund des neu eingeführten § 231 Abs 4b SGB VI neu interpretiert werden müsste; vielmehr macht er geltend, dass das LSG den vorliegenden Fall rechtsfehlerhaft unter die Rechtslage subsumiert habe. Damit rügt der Beigeladene zu 1 eine fehlerhafte Rechtsanwendung des § 96 SGG durch das Berufungsgericht. Mit dem Hinweis auf eine unrichtige Rechtsanwendung der Vorinstanz wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache indes nicht dargetan (vgl nur BVerwG Beschluss vom 23.5.2006 - 9 B 8.06 - Juris RdNr 6).

20

Ebenso wenig ist die Klärungsbedürftigkeit mit dem Hinweis aufgezeigt, dass ein weiteres LSG und verschiedene SG die Rechtslage unterschiedlich beurteilt hätten bzw die aufgeworfene Frage in weiteren zweitinstanzlichen Verfahren zur Entscheidung anstehen könne. Dass in diesen Verfahren Gesichtspunkte benannt worden sind, die abweichend von der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung eine neue Interpretation des § 96 SGG erforderten, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

21

2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid der Beklagten vom 24.5.2017 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Die Voraussetzungen des § 96 Abs 1 SGG sind nicht gegeben.

22

Nach dieser Vorschrift wird ein neuer Verwaltungsakt (VA) nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen VA abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

23

Zwar hat die Klägerin den Bescheid vom 7.1.2013 vollumfänglich mit der Klage angegriffen. Der in der Klageschrift formulierte Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten anzuerkennen, dass die Klägerin "bei ihrer Tätigkeit als Angestellte des Klinikums F., die sie ab dem 18.01.2013 aufgenommen hat, von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI befreit ist", stellt keine zeitliche Beschränkung des Befreiungsbegehrens auf die Zeit erst ab Januar 2013 dar. Ausweislich der Klagebegründung handelt es sich bei der Jahresangabe "2013" im Antrag anstelle von "2012" vielmehr um einen offensichtlichen Schreibfehler. Auch ist der Bescheid vom 24.5.2017 nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29.8.2013 sowie bei noch nicht beendeter Rechtshängigkeit des Klageverfahrens ergangen.

24

Der Bescheid vom 24.5.2017 ändert den Bescheid vom 7.1.2013 jedoch weder ab noch ersetzt er diesen.

25

a) Abändern oder ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden VA mit dem des früheren identisch ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 86 Nr 2 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21), was durch Vergleich der in beiden VA getroffenen Verfügungssätze festzustellen ist (vgl BSGE 47, 168, 170 = SozR 1500 § 96 Nr 13 S 19 f; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 4a mwN). Dabei reicht bei der Abänderung eines teilbaren VA eine Identität des streitbefangenen Teils aus.

26

Ausweislich des Vergleichs der Verfügungssätze der hier maßgeblichen Bescheide vom 7.1.2013 einerseits und vom 24.5.2017 andererseits liegt keine Identität der Regelungsgegenstände vor.

27

Mit Bescheid vom 7.1.2013 hat die Beklagte den "Antrag vom 4.4.2012 auf Befreiung von der Versicherungspflicht für Ihre abhängige Beschäftigung ab 18.1.2012 am Klinikum F. … abgelehnt …". Mit Bescheid vom 24.5.2017 hat die Beklagte "den Antrag vom 14.03.2016 auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für Ihre in der Zeit vom 18.01.2012 bis 31.03.2014 ausgeübte Beschäftigung als Mitarbeiterin beim Klinikum F … abgelehnt".

28

Den in den Bescheiden verlautbarten Umständen lässt sich im Wege der Auslegung entnehmen, dass beide die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für die Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014 auch (so Bescheid vom 7.1.2013) bzw ausschließlich (Bescheid vom 24.5.2017) regeln, wobei sich der erste Bescheid allerdings auf ihren Status als Rechtsanwältin und der zweite Bescheid auf ihren Status als Syndikusrechtsanwältin bezieht.

29

Die Auslegung eines VA hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der VA sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 5 R 16/12 R - Juris RdNr 18).

30

Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Bescheid vom 7.1.2013 dahin zu verstehen, dass er die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht wegen Nichtausübens einer anwaltlichen Beschäftigung im Klinikum F. für die Dauer ihrer dortigen Beschäftigung beginnend mit dem 18.1.2012 bestimmt. Dies ergibt sich aus dem Verfügungssatz, der die Ablehnung ausdrücklich auf die "abhängige Beschäftigung ab 18.01.2012 am Klinikum F." bezieht, und der Begründung, dass es sich hierbei um keine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit handele. Der Antrag der Klägerin vom 4.4.2012 (Eingangsdatum des Fax), auf den der Verfügungssatz ausdrücklich Bezug nimmt und den er vollumfänglich bescheidet, bestätigt dieses Ergebnis. In dem Antrag hat die Klägerin unter Ziffer 2 angegeben: "Ich bin angestellt, berufsspezifisch beschäftigt als Rechtsanwältin/Volljuristin, Arbeitgeber …: Klinikum F. …, Beginn der Beschäftigung 18.01.2012". Im Anschluss hieran hat die Klägerin unter Ziffer 3 erklärt: "Ich beantrage die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw Satz 5 SGB VI aufgrund meiner gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer … Rechtsanwaltskammer … ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt …". Antrag und Bescheid beziehen sich mithin korrespondierend auf die geltend gemachte Beschäftigung der Klägerin als Rechtsanwältin bei dem Klinikum F. und deren Dauer unter Angabe des Beschäftigungsbeginns. Der Bescheid vom 7.1.2013 regelt damit eine Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für die geltend gemachte Tätigkeit als Rechtsanwältin bei dem Klinikum F. auch in dem Zeitraum 18.1.2012 bis 31.3.2014.

31

Dass der Bescheid vom 24.5.2017 die Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für ihre Beschäftigung bei dem Klinikum F. in der Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014 regelt, bedarf keiner gesonderten Erläuterung. Diese Ablehnung bezieht sich dabei allerdings im Unterschied zu dem Bescheid vom 7.1.2013 auf den neu erworbenen Status der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin. Dies ergibt sich zum einen durch die Bezugnahme des Bescheides auf den Antrag der Klägerin vom 14.3.2016 (Eingangsdatum bei der Beklagten), mit dem die Klägerin unter Hinweis auf die von ihr beantragte Zulassung als Syndikusrechtsanwältin die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt hat, und zum anderen durch den Verweis des Bescheides auf § 231 Abs 4b SGB VI, der sich auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt bezieht. Der Bescheid vom 24.5.2017 regelt damit eine Ablehnung der Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für ihre Beschäftigung bei dem Klinikum "F. " - gemeint F. in dem Zeitraum 18.1.2012 bis 31.3.2014 im Hinblick auf ihren Status als Syndikusrechtsanwältin. Eine Identität der Regelungsgegenstände beider Bescheide liegt aufgrund der unterschiedlichen Statusbezogenheit nicht vor.

32

Für eine enge Auslegung der VA im dargelegten Sinn spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 96 Abs 1 SGG heutiger Fassung iVm der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur alten Rechtslage. Das BSG hat § 96 Abs 1 SGG in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie über seinen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus entsprechend angewendet (vgl hierzu etwa BSG Urteil vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Mit Wirkung zum 1.4.2008 ist § 96 Abs 1 SGG durch Art 1 Nr 16 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu gefasst worden. Die Gesetzesänderung ("nur dann") diente der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm. Eine Einbeziehung des neuen VA soll nur noch möglich sein, wenn der ursprüngliche Bescheid nach Klageerhebung durch ihn ersetzt oder abgeändert wird (BT-Drucks 16/7716 S 19). Eine entsprechende Anwendung der Norm kommt danach nicht mehr in Betracht.

33

Schon unter der Geltung alten Rechts hatte das BSG allerdings eine ausdehnende Anwendung des § 96 SGG abgelehnt, wenn zwar die späteren Entscheidungen auf derselben Rechtsgrundlage ergangen waren und es auch um dieselbe Rechtsfrage ging, die rechtlich relevanten Sachverhaltsumstände und Tatsachengrundlagen aber nicht oder nur teilweise deckungsgleich waren, weil nur so dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie angemessen Rechnung getragen werden könne(vgl etwa zum Vertragsarztrecht BSGE 78, 98, 101 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12, S 37; zur Beitragserhebung in der Unfallversicherung BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, RdNr 8; zu Betriebsprüfungen BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1, RdNr 11). Wenn aber schon nach altem Recht eine Veränderung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen eine Anwendung des § 96 SGG ausgeschlossen hat, muss dies erst recht unter der Geltung neuen Rechts gelten.

34

Eine Änderung des Streitstoffs liegt auch in diesem Fall vor.

35

Für die Frage, ob die Klägerin eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI für die Zeit vom 18.1.2012 bis 31.3.2014 beanspruchen kann, ist maßgeblich, ob in diesem Zeitraum einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt worden sind (vgl § 231 Abs 4b S 4 SGB VI). Hierauf kam es in der Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 7.1.2013 indes nicht an; entscheidungsrelevant war insoweit, ob die Klägerin eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt hat.

36

b) Entsprechend der fehlenden Identität des Regelungsgegenstandes in den Bescheiden vom 7.1.2013 und 24.5.2017 besteht auch keine Änderung oder Ersetzung des Ursprungsbescheids durch den späteren Bescheid iS von § 96 Abs 1 SGG. Eine Änderung liegt vor, wenn der VA teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt wird; Ersetzung ist gegeben, wenn der neue VA vollständig an die Stelle des bisherigen tritt (vgl nur BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 5 RdNr 15 mwN). Der Bescheid vom 7.1.2013 ist durch den Bescheid vom 24.5.2017 weder ganz noch teilweise aufgehoben worden. Vielmehr ist der Bescheid vom 24.5.2017 neben den Bescheid vom 7.1.2013 getreten und entfaltet die oben aufgezeigte eigene Regelungswirkung. Dementsprechend hat die Klägerin im Berufungsverfahren beide Bescheide nebeneinander in dem hier streitigen Umfang angefochten.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.

38

Der Streitwert richtet sich nach § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 GKG. Ausgehend von dem Antrag des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs 1 S 1 GKG) ist ein Auffangwert von 5000 Euro anzunehmen, weil keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Interesses des Beigeladenen zu 1 (vgl Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl 2018, § 47 GKG RdNr 3) vorliegen (§ 52 Abs 2 GKG).

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) (weggefallen)

(2) Der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gilt als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und

1.
ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder
2.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.

(3) Ist Übergangsgeld gezahlt worden und wird nachträglich für denselben Zeitraum der Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit festgestellt, gilt dieser Anspruch bis zur Höhe des gezahlten Übergangsgeldes als erfüllt. Übersteigt das Übergangsgeld den Betrag der Rente, kann der übersteigende Betrag nicht zurückgefordert werden.

(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.

(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.

(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Die Beklagte hat ebenfalls die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 2749,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anrechnungsfähigkeit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

2

Die im Jahre 1941 geborene und am 31.10.2010 verstorbene U. K. nachfolgend: Hinterbliebene - infizierte sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester mit einer Tuberkulose, die im Jahre 1978 als Berufskrankheit anerkannt wurde. Mit Bescheid vom 21.3.1978 gewährte die Berufsgenossenschaft der Hinterbliebenen ab August 1972 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 vH, die im Jahre 1989 auf eine Höhe von 648,21 Euro eingefroren wurde.

3

Die Hinterbliebene war seit 1973 mit H. K. verheiratet, der am 3.3.2007 verstarb. Im selben Monat beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Bei der Antragstellung war der Hinterbliebenen der Versicherungsberater der Deutschen Rentenversicherung Bund K. K. behilflich, den sie über die bestehende Tuberkuloseerkrankung informierte. Nachdem der Versicherungsberater erklärt hatte, eine Anrechnung der Verletztenrente auf die Hinterbliebenenrente erfolge nicht, gab die Hinterbliebene im Antragsformular lediglich an, eine eigene Altersrente zu beziehen; auf die ihr gewährte Verletztenrente wies sie nicht hin.

4

Mit Bescheid vom 8.5.2007 bewilligte die Beklagte der Hinterbliebenen ab April 2007 Hinterbliebenenrente, ohne die Verletztenrente zu berücksichtigen.

5

Nach Anhörung der Hinterbliebenen nahm die Beklagte mit Bescheid vom 14.5.2008 den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.4.2007 gemäß § 45 SGB X zurück, weil dieser wegen der fehlenden Berücksichtigung der Verletztenrente bei der Gewährung der Witwenrente rechtswidrig gewesen sei und forderte die Erstattung von 2559,15 Euro wegen Überzahlung in der Zeit vom 1.7.2007 bis 31.5.2008. Die Hinterbliebene könne sich nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen, da die Gewährung der Witwenrente auf Angaben beruht habe, die sie grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw unvollständig gemacht habe und sie zudem die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt bzw aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe.

6

Nachdem der Versicherungsberater K. K. im Widerspruchsverfahren den Hinweis der Hinterbliebenen auf ihre Tuberkuloseerkrankung bestätigt hatte, gab die Beklagte dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 teilweise statt. Unter Abänderung des Bescheides vom 14.5.2008 nahm sie den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 erst mit Wirkung ab 1.6.2008 zurück und machte gleichzeitig für den Zeitraum vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 eine Erstattung von überzahlter Hinterbliebenenrente in Höhe von nunmehr 2749,62 Euro geltend. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück.

7

Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Koblenz mit Urteil vom 3.8.2010 abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ist die Hinterbliebene verstorben. Ihre Kinder, die Kläger zu 1. und 2., haben den Rechtsstreit fortgeführt. Mit Urteil vom 21.3.2012 hat das LSG Rheinland-Pfalz das Urteil des SG Koblenz und den Bescheid der Beklagten vom 14.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom 8.5.2007 sei rechtmäßig. Nach § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI werde Einkommen von Berechtigten, das mit einer Witwenrente oder Witwerrente zusammentreffe, hierauf angerechnet. Welches Einkommen anrechnungsfähig sei, ergebe sich aus § 18a bis § 18e SGB IV. Nach § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB IV sei bei Renten wegen Todes Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen. Dies gelte allerdings gemäß § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV nicht, soweit es sich hierbei - abgesehen von den ausdrücklich genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen - um steuerfreie Einnahmen iS von § 3 Einkommensteuergesetz (EStG) handele. Nach § 3 Nr 1a EStG gehörten zu den nicht berücksichtigungsfähigen steuerfreien Einnahmen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die angefochtenen Bescheide, in denen zu Unrecht eine solche Anrechnung vorgenommen worden sei, seien daher aufzuheben.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 18a Abs 1 S 1 Nr 2, Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV und § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV. Das LSG habe übersehen, dass eine Anwendung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV auf den vorliegenden Sachverhalt durch § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV ausgeschlossen werde. Nach dieser Regelung seien Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht würden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), mit Ausnahme von Zusatzleistungen bei Renten wegen Todes als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der versicherte Ehegatte vor dem 1.1.2002 verstorben sei oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen worden und mindestens ein Ehegatte vor dem 2.1.1962 geboren sei. Erwerbsersatzeinkommen im Sinne dieser Regelung seien nach § 114 Abs 3 S 1 SGB IV Leistungen nach § 18a Abs 3 S 1 Nr 1 bis 8 SGB IV und damit auch die in § 18a Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV genannte Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Ausnahme für steuerfreie Einkünfte sei in § 114 Abs 1 und 3 SGB IV nicht vorgesehen. Nach den Feststellungen des LSG unterfalle die 1941 geborene und seit 1973 mit H. K. verheiratete Hinterbliebene dem von der Regelung des § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV erfassten Personenkreis. Sie könne sich daher auf die Regelung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV nicht berufen. Die im Urteil des BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 15/11 R - RdNr 15 aufgeworfene Frage, ob § 114 Abs 1 SGB IV im Wege teleologischer Reduktion lediglich zu Gunsten der Betroffenen anzuwenden sei, sei zu verneinen. Die vom LSG vertretene Auffassung sei aber selbst dann nicht haltbar, wenn § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden könne. Die eine Anrechnung der Verletztenrente der Hinterbliebenen ausschließende Regelung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV stehe in einem offenkundigen Widerspruch zur Regelung des § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV, der eine derartige Anrechnung ausdrücklich anordne. Ein derartiger Widerspruch in den Aussagen einer gesetzlichen Regelung könne nicht dadurch aufgelöst werden, dass einer der widersprechenden Gesetzesbefehle ohne jegliche Begründung als unbeachtlich behandelt werde. In einem derartigen Fall seien vielmehr weitere Auslegungsgrundsätze heranzuziehen, um das von dem Gesetz gewollte Ergebnis zu ermitteln. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass eine spezielle Regelung eine allgemeine Regelung verdränge, sowie unter Beachtung des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung - hier: Art 3 Abs 1 GG - sei nicht § 18a Abs 1 S 2 SGB IV, sondern § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV in Fällen der vorliegenden Art anwendbar. Dieses Ergebnis stehe auch nicht mit dem gesetzgeberischen Willen in Widerspruch.

9

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Hinterbliebenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3. August 2010 zurückzuweisen.

10

Die Kläger beantragen,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

13

Das LSG hat im Ergebnis zu Recht den Bescheid vom 14.5.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 aufgehoben.

14

1. Soweit der Bescheid vom 14.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 den Bescheid vom 8.5.2007 für die Zeit ab 1.6.2008 zurücknimmt, verstößt er gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X und ist schon deswegen rechtswidrig.

15

Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn die von ihm getroffene Regelung, die verfügte Rechtsfolge, vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist (vgl BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - Juris RdNr 18; BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16 mwN; s auch U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 37 RdNr 27). Dieser Anforderung ist nicht genügt.

16

Der Bescheid vom 8.5.2007 enthält verschiedene Regelungen: Zum einen bewilligt er der Hinterbliebenen große Witwenrente; er regelt insoweit insbesondere die Rentenart, den Rentenbeginn (1.4.2007) und die Höhe der Hinterbliebenenrente. Daneben bestimmt er den monatlichen Einzelanspruch auf Zahlung iHv 733,48 Euro ab 1.7.2007 und für die Zeit vom 1.4.2007 bis 30.6.2007 die Gewährung einer Nachzahlung iHv 3290,37 Euro.

17

Zwar lässt sich den in den angefochtenen Bescheiden verlautbarten Umständen im Wege der Auslegung entnehmen, welche dieser Regelungen zurückgenommen worden ist; hingegen ist nicht erkennbar, in welchem Umfang dies geschehen sollte.

18

Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN).

19

Unter Beachtung dieser Vorgaben sind die angefochtenen Bescheide dahin zu verstehen, dass der Bescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.6.2008 teilweise hinsichtlich des monatlichen Einzelanspruchs auf Zahlung zurückgenommen worden ist. Ausweislich der Bescheidbegründung hat die Beklagte lediglich die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs wegen Nichtberücksichtigung anrechnungsfähigen Einkommens verringern wollen und nicht die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Witwenrente dem Grunde nach in Frage gestellt (vgl zu der gebotenen Unterscheidung zwischen dem Anspruch auf Rente dem Grunde nach und dem Einzelanspruch auf Zahlung BSG SozR 4-2600 § 313 Nr 1 RdNr 14 mwN).

20

In welcher Höhe der monatliche Zahlungsanspruch auf Hinterbliebenenrente zurückgenommen wird, lässt sich dem Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 nicht entnehmen. Zwar führen dessen Gründe auf S 3 und 7 aus, dass bei korrekter Anrechnung der Unfallrente der Witwenrentenanspruch ab 1.4.2007 auf ca 428,95 Euro ohne Berücksichtigung der jährlichen Rentenanpassungen hätte gekürzt werden müssen, und dass ab 1.7.2009 nur noch eine Rente von 437,31 Euro vorbehaltlich zukünftiger Rentenanpassungen ausgezahlt werde. Hieraus lässt sich jedoch die konkrete Kürzung des monatlichen Zahlungsanspruchs auf Witwenrente bzw die Höhe des infolge der Kürzung verbleibenden Einzelanspruchs auf Zahlung nicht ermitteln.

21

Aus dem Bescheid vom 14.5.2008 ergibt sich vielmehr, dass die Summe von 428,95 Euro nicht die Höhe des um die Unfallrente gekürzten monatlichen Zahlungsanspruchs, sondern den sich nach zusätzlichem Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ergebenden monatlichen Zahlbetrag der Hinterbliebenenrente bezeichnet, und dies erst nach Ablauf des Sterbevierteljahres ab 1.7.2007. Bei dem Betrag von 437,31 Euro handelt es sich unter Berücksichtigung der Formulierung "Rente … ausgezahlt" um den ab 1.7.2009 zu leistenden monatlichen Rentenzahlbetrag.

22

Die Heranziehung des Bescheides vom 14.5.2008 zur Auslegung des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 führt auch im Übrigen zu keinem hinreichend bestimmten Inhalt im hier maßgeblichen Zusammenhang. Der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009, der gegenüber dem Bescheid vom 14.5.2008 (nur) die zeitliche Wirkung der Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 1.4.2007 auf den 1.6.2008 verschiebt, ist keiner Auslegung dahin zugänglich, dass der im Ausgangsbescheid ab 1.7.2007 angegebene Einzelanspruch auf Zahlung von 475,55 Euro (733,48 Euro - anrechenbares Einkommen von 257,93 Euro) für die Zukunft weitergelten soll. Der verständige, die Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte ist außerstande zu erkennen, dass dieser Betrag die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs auf Witwenrente nach Anrechnung der Unfallrente bezeichnet. Weder im Tenor noch in der Begründung des Bescheides vom 14.5.2008 ist ein der Hinterbliebenen nach Kürzung verbleibender monatlicher Rentenzahlungsanspruch von 475,55 Euro aufgeführt. Dieser Betrag findet sich erst in der Anlage 1 des Bescheides als in keiner Weise hervorgehobenes Element eines nicht unbeträchtlichen Zahlenwerks. Ein verständiger Beteiligter muss nicht damit rechnen, dass der für ihn maßgebliche Zahlungsanspruch an derart "versteckter Stelle" geregelt wird. Dies gilt umso mehr, als die Anlage 1 nicht dasselbe Datum aufweist wie der Bescheid vom 14.5.2008 und zudem die Anlage 1 durch den Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 gegenstandslos geworden ist. Mit Wirkung vom 1.7.2008 ist darüber hinaus durch § 1 Abs 1 Rentenwertbestimmungsgesetz vom 26.6.2008 (BGBl I 1076) der aktuelle Rentenwert von zuvor 26,27 Euro auf 26,56 Euro angehoben worden, sodass sich der monatliche Anspruch der Hinterbliebenen auf Witwenrente erhöht hat (vgl § 64 SGB VI). Damit war dem Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 die Höhe der Kürzung des monatlichen Rentenzahlungsanspruchs bzw die Höhe des verbleibenden Einzelanspruchs auf Zahlung nach Anrechnung der Unfallrente ab 1.7.2008 auch aus diesem Grund nicht zu entnehmen.

23

2. Da der Bescheid vom 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 mangels hinreichender Bestimmtheit aufzuheben war, soweit dieser den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.6.2008 zurückgenommen hat, ist der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 auch insoweit rechtswidrig, als er die Erstattung eines Betrags von 2749,62 Euro wegen zu viel gezahlter Witwenrente in der Zeit vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 fordert.

24

Er verstößt gegen § 50 Abs 1 SGB X, nach dem aufgrund eines Verwaltungsakts erbrachte Leistungen nur zu erstatten sind, soweit dieser aufgehoben worden ist. Durch die Aufhebung des Bescheides vom 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009, soweit die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 8.5.2007 verfügt ist, gilt dieser Bescheid wieder in vollem Umfang, sodass er eine Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen des ungekürzten Rentenzahlbetrages im streitigen Zeitraum darstellt.

25

Darüber hinaus ist die im Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 geregelte Erstattung auch deswegen rechtswidrig, weil dem Widerspruchsausschuss der Beklagten hierfür die Entscheidungskompetenz fehlte.

26

Die Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde ist auf den durch den Widerspruch vorgegebenen Rahmen beschränkt. Aus diesem Grund darf die Widerspruchsbehörde einen Widerspruch nicht zum Anlass nehmen, rechtlich selbständige Regelungen zu treffen, die über den Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts hinausgehen (VGH Mannheim NVwZ-RR 2002, 3, 5; Dolde/Porsch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 68 RdNr 36 und 47 mwN - Stand: Oktober 2005). Weitergehende Entscheidungen der Widerspruchsbehörde sind unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nur zulässig, wenn dieser eine eigene Verwaltungskompetenz zukommt und sie nicht nur auf die Rechtsschutzgewährung beschränkt ist (vgl BSGE 71, 274, 279 = SozR 3-1500 § 85 Nr 1 S 6).

27

Der Bescheid vom 14.5.2008 enthält mehrere Regelungen iS von § 31 SGB X. Er nimmt zum einen den Bescheid vom 8.5.2007 für die Zeit ab 1.4.2007 zurück und fordert zum anderen von der Hinterbliebenen für die im Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.5.2008 erfolgte Überzahlung die Erstattung eines festgesetzten Betrags von 2559,15 Euro (§ 50 Abs 1 S 1, Abs 3 SGB X). Die im Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 verfügte Rückforderung eines Überzahlungsbetrags von nunmehr 2749,62 Euro, die wegen § 86a S 1 SGG für einen anderen Zeitraum, die Zeit vom 1.6.2008 bis 30.6.2009, geleistet worden war, stellt im Verhältnis hierzu eine weitergehende, rechtlich selbständige Regelung dar.

28

Hierzu war der Widerspruchsausschuss der Beklagten unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nicht befugt. Gemäß § 85 Abs 2 Nr 2 SGG erlässt den Widerspruchsbescheid in Angelegenheiten der Sozialversicherung - und damit auch der Rentenversicherung(§ 1 Abs 1 S 1 SGB IV) - die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle. Die Kompetenz des Widerspruchsausschusses der Beklagten beschränkt sich damit auf die Rechtsschutzgewährung (vgl auch BSGE 75, 241, 245 f; BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f). Eine ursprüngliche sachliche (Verwaltungs-)Zuständigkeit der Widerspruchsstelle ist nicht gegeben (BSG vom 21.6.2000 - B 4 RA 57/99 R - Juris RdNr 17 - auch zur Beachtlichkeit dieses Verfahrensfehlers iS von § 62 Halbs 2, § 42 S 1 SGB X).

29

Schließlich verstößt der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009, soweit er die Erstattung von 2749,62 Euro fordert, ebenfalls gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X mit der Folge der Rechtswidrigkeit, weil er nur die Gesamtsumme, nicht aber die einzelnen Berechnungsposten benennt(vgl U. Stelkens, aaO, § 37 RdNr 40; VGH München NVwZ-RR 1994, 113).

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG, soweit sich die Revision auf die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 8.5.2007 durch die angefochtenen Bescheide bezieht, und auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, soweit Streitgegenstand die Erstattung überzahlter Hinterbliebenenrente ist(vgl hierzu im Einzelnen Beschluss vom 11.10.2012 - B 5 R 16/12 R).

31

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 40, § 47 Abs 1 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 S 1 GKG.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit

1.
einer Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung),
2.
einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung),
3.
einem Vorbehalt des Widerrufs
oder verbunden werden mit
4.
einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage),
5.
einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage.

(3) Eine Nebenbestimmung darf dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen.

Tenor

Die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung der Beigeladenen zu 5. und 7. für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2007.

2

Die Beigeladenen zu 5. und 7. waren bei dem klagenden Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (früher Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge; im Folgenden: Klägerin) als Volljuristen in der Funktion eines Einzelentscheiders bei der Bearbeitung von Asylanträgen angestellt. Sie verfügten bei Aufnahme der Tätigkeit jeweils über eine Befreiungsentscheidung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Rechtsvorgängerin der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund.

3

Der Beigeladene zu 5. war seit September 1989 Pflichtmitglied in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung und nahm im Oktober 1989 eine Beschäftigung bei dem Freistaat Bayern auf. Er wurde durch Bescheid vom 26.1.1990 mit Wirkung vom 1.10.1989 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Der Kläger hatte im Antrag auf Befreiung als Arbeitgeber den Freistaat Bayern angegeben. Seine Beschäftigung für die Klägerin begann im Dezember 1990 und dauerte noch an, als er seine Rechtsanwaltszulassung im März 1996 zurückgab. Im streitigen Zeitraum bestand eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Die Beigeladene zu 7. nahm im Oktober 1990 eine Beschäftigung als Rechtsanwältin bei einem Rechtsanwalt in L. auf. Seit diesem Zeitpunkt war sie Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rheinland-Pfälzischen Rechtsanwaltskammern. In ihrem Befreiungsantrag hatte sie als Arbeitgeber den genannten Rechtsanwalt angegeben. Sie wurde durch Bescheid vom 13.12.1990 mit Wirkung vom 1.10.1990 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Ihre Beschäftigung für die Klägerin begann im Dezember 1992. Sie bezieht seit Oktober 2010 eine Vollrente wegen Alters und übte im Zeitraum von Februar bis Juni 2016 eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin aus. Entsprechende Befreiungsanträge lehnte die Beklagte ab.

4

Aufgrund einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte für die Beigeladenen zu 5. und 7. sowie weitere fünf als Einzelentscheider angestellte Volljuristen für die Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2007 von der Klägerin Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 251 604,84 Euro nach. Die Betroffenen seien als Beschäftigte rentenversicherungspflichtig und im Prüfzeitraum für die Tätigkeit bei der Klägerin nicht wirksam von der Rentenversicherungspflicht befreit gewesen. Die Klägerin und die betroffenen Einzelentscheider legten erfolglos Widerspruch ein (Bescheid vom 23.12.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.6.2009).

5

Das SG hob auf die von der Klägerin erhobene Klage die angefochtenen Bescheide auf, soweit sie den Beigeladenen zu 5. und einen weiteren Einzelentscheider betrafen (Urteil vom 21.12.2012). Zuvor waren seitens der Beklagten Änderungsbescheide am 26.5.2010, 20.7.2010 und 13.8.2010 erlassen worden; der Nachforderungsbetrag reduzierte sich infolgedessen auf insgesamt 142 912,80 Euro. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG teilweise aufgehoben, soweit der Beigeladene zu 5. obsiegt hatte, und die Klage abgewiesen; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten und die Berufungen der Beigeladenen zu 7. und eines weiteren Einzelentscheiders zurückgewiesen (Urteil vom 24.7.2015 und Berichtigungsbeschluss vom 8.9.2015). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen zu 5. und 7. für die Klägerin bestehe Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der GRV und damit zugleich Beitragspflicht. Die Beigeladene zu 7. habe zwar am 13.12.1990 einen Befreiungsbescheid gemäß § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) erhalten, jedoch erstrecke sich diese Befreiung nur auf die Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin, nicht jedoch auf die ab Dezember 1992 für die Klägerin ausgeübte Beschäftigung als Einzelentscheiderin. Ein noch nach dem AVG ergangener Befreiungsbescheid erstrecke sich ungeachtet einer fortgeführten Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk nicht auf eine andere Beschäftigung. Der Befreiungsbescheid verliere seine Wirkung mit Aufnahme einer anderen Beschäftigung als derjenigen, für welche die Befreiung ausgesprochen worden sei. Dies ergebe sich auch aus § 231 SGB VI, der keinen umfassenden, sondern nur einen auf die konkrete Erwerbstätigkeit bezogenen Bestandsschutz gewähre. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis in den zum AVG ergangenen Befreiungsbescheiden, dass die Befreiung auch bei einem Wechsel von der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige Weiterversicherung fortgelte. Hinsichtlich des Beigeladenen zu 5. kämen diese rechtlichen Erwägungen ebenfalls zum Tragen; denn auch der Beigeladene zu 5. habe keine Befreiung für die ab Dezember 1990 ausgeübte Beschäftigung als Einzelentscheider erhalten.

6

Mit seiner Revision rügt der Beigeladene zu 5. die Verletzung von §§ 39 und 40 SGB X. Der Bescheid der Beklagten vom 23.12.2008 sehe seine Versicherungspflicht nicht vor. Der Bescheid sei nichtig gemäß § 40 SGB X, jedenfalls ihm gegenüber nicht iS von § 39 SGB X wirksam. Darüber hinaus rügt er die Verletzung des § 7 Abs 2 AVG iVm § 231 SGB VI. Maßgeblich für die Bestimmung der Wirkung der Befreiungsentscheidung sei die am Stichtag 31.12.1991 ausgeübte Tätigkeit. Zu diesem Zeitpunkt sei er aber schon bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Zudem verletze das LSG § 7 AVG auch deshalb, weil es die Fortführung der freiwilligen Mitgliedschaft im Versorgungswerk nicht als ausreichend für eine Fortgeltung des Befreiungsbescheids erachte. Der Hinweis im Befreiungsbescheid darauf, dass die Befreiung auch bei einem Wechsel von der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige Mitgliedschaft fortgelte, sei ebenfalls als Verwaltungsakt zu qualifizieren und binde die Beklagte. Auch hieraus ergebe sich eine Verletzung des § 39 SGB X.

7

Mit ihrer Revision macht die Beigeladene zu 7. geltend, dass sie wirksam von der Versicherungspflicht in der GRV befreit worden sei und diese Befreiung auch für die Beschäftigung als Einzelentscheiderin bei der Klägerin gelte. Zudem habe sie im Februar 2016 einen Arbeitsvertrag als Syndikusrechtsanwältin abgeschlossen und einen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin sowie rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gestellt. Dies sei im vorliegenden Revisionsverfahren zu berücksichtigen.

8

Der Beigeladene zu 5. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015 bezüglich des Beigeladenen zu 5. aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2012 insoweit zurückzuweisen.

9

Die Beigeladene zu 7. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. Mai 2010, 20. Juli 2010 und 13. August 2010 bezüglich der Beigeladenen zu 7. aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. zurückzuweisen.

11

Sie verweist im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BSG zur Reichweite der nach § 7 Abs 2 AVG erteilten Befreiungsbescheide(BSG Urteile vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4, vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12, und vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 § 6 Nr 5) und zur Wirkung des § 231 SGB VI(BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5).

12

Die Klägerin und die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

1. Die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. sind zulässig.

15

Die Beigeladenen zu 5. und 7. sind rechtmittelberechtigt und beschwert. Für Beigeladene gilt, dass sie Rechtsmittel einlegen können, wenn die ergangene Entscheidung sie materiell beschwert, in eigene Rechtspositionen des Beigeladenen eingreifen und zu einer Beeinträchtigung subjektiver Rechte des Beigeladenen führen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 11. Aufl 2017, Vor § 143 RdNr 4a mwN). Bei dem Bescheid der Beklagten vom 23.12.2008 (in seinen späteren Fassungen) handelt es sich um einen Bescheid mit Drittwirkung; denn er beinhaltet neben der Beitragsforderung gegen die Klägerin eine Statusentscheidung, welche die Beigeladenen zu 5. und 7. unmittelbar betrifft. Da die Beigeladenen zu 5. und 7. materiell beschwert sind, in der Vorinstanz notwendig beigeladen wurden und die Beigeladene zu 7. zudem selbst Berufungsklägerin war, sind sie befugt, eigene Rechtsmittel einzulegen, obwohl sie nicht Adressaten des Bescheids sind. Daran ändert auch die Zurücknahme der Revision der Beklagten als Hauptbeteiligte nichts, denn der Hauptbeteiligte kann nicht durch bloße Rücknahme des Rechtsmittels eine Verfügung über den Streitgegenstand treffen, sodass das Rechtsmittel fortgeführt wird (vgl schon BSG Urteil vom 27.11.1962 - 3 RK 37/60 - BSGE 18, 131 = SozR Nr 9 zu § 160 SGG).

16

2. Die Revisionen sind jedoch unbegründet.

17

Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die angegriffenen Bescheide bezüglich der Beigeladenen zu 5. und 7. rechtmäßig und daher nicht aufzuheben sind. Die Beklagte hat zu Recht Beiträge zur GRV für die bei der Klägerin in der Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2007 ausgeübten Tätigkeiten der Beigeladenen zu 5. und 7. als Einzelentscheider, die unzweifelhaft Beschäftigungen waren, nachgefordert. Die Beigeladenen zu 5. und 7. waren nicht aufgrund der ihnen erteilten Befreiungsbescheide von der Versicherungspflicht in der GRV wegen dieser Beschäftigungen bei der Klägerin befreit.

18

Der Beigeladene zu 5. war zwar, nachdem er als Rechtsanwalt zugelassen und Pflichtmitglied der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung geworden war, durch einen ab 1.10.1989 wirkenden Befreiungsbescheid im Hinblick auf seine im Oktober 1989 begonnene Beschäftigung bei dem Freistaat Bayern befreit worden. Die Beigeladene zu 7. wurde als Rechtsanwältin mit Wirkung vom 1.10.1990 von der Versicherungspflicht in der GRV befreit, nachdem sie zur gleichen Zeit Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Rheinland-Pfälzischen Rechtsanwaltskammern geworden war. Die ihnen erteilten Befreiungsbescheide wirkten jedoch nicht für die im Dezember 1990 (Beigeladener zu 5.) bzw Dezember 1992 (Beigeladene zu 7.) aufgenommenen Beschäftigungen bei der Klägerin (a.). Die Versicherungspflicht trat hinsichtlich der Beschäftigungen bei der Klägerin als Einzelentscheider von Gesetzes wegen ein, ohne dass es einer Aufhebung der früheren Befreiungsbescheide bedurft hätte (b.). Eine Rechtswidrigkeit des Betriebsprüfungsbescheids der Beklagten vom 23.12.2008 (in seinen späteren Fassungen) ergibt sich zudem weder aus Gründen nicht hinreichender Bestimmtheit des Bescheids bezüglich des Beigeladenen zu 5. (c.) noch wegen eines im Jahr 2016 gestellten Befreiungsantrags der Beigeladenen zu 7. im Hinblick auf ihre Tätigkeit als zugelassene Syndikusrechtsanwältin (d.).

19

a. Bei dem Beigeladenen zu 5. waren die Voraussetzungen für die mit Wirkung ab 1.10.1989 erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zunächst erfüllt. Dies ergibt sich aus § 7 Abs 2 AVG in der am 1.7.1979 in Kraft getretenen Fassung des Art 3 Nr 2 Buchst a des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25.6.1979 (BGBl I 797). Danach wurden Personen auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht befreit, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind, wenn für die angestellten Mitglieder nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Diese Voraussetzungen waren bei dem Beigeladenen zu 5. ursprünglich erfüllt; denn er war bei Erteilung des Befreiungsbescheids nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG in diesem Zeitraum aufgrund landesgesetzlicher Verpflichtung als Rechtsanwalt Pflichtmitglied der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung als eines berufsständischen Versorgungswerks iS des § 7 Abs 2 AVG. Auch bei der Beigeladenen zu 7. lagen die Voraussetzungen für die mit Wirkung ab 1.10.1990 erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zunächst vor; dies ergab sich ebenfalls aus § 7 Abs 2 AVG. Sie war bei Erteilung des Befreiungsbescheids nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG in diesem Zeitraum aufgrund landesgesetzlicher Verpflichtung als Rechtsanwältin Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rheinland-Pfälzischen Rechtsanwaltskammern als einem berufsständischen Versorgungswerk iS des § 7 Abs 2 AVG.

20

Die Befreiungsbescheide verloren jedoch jeweils mit dem Wechsel in die Beschäftigung bei der Klägerin ihre Wirkung. Rechtsgrundlage für die von den Beigeladenen zu 5. und 7. begehrte Feststellung hinsichtlich der Reichweite der ursprünglichen Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist § 231 S 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der GRV - RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl I 2261; § 231 SGB V aF). Nach dieser Bestimmung bleiben Personen, die am 31.12.1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Die Voraussetzungen dieser Norm sind jedoch nicht erfüllt, weil die darin geforderte "Identität" zwischen den Beschäftigungen der Beigeladenen zu 5. und 7., die ihren mit Bescheiden vom 26.1.1990 und 13.12.1990 erteilten Befreiungen von der Rentenversicherungspflicht zugrunde lagen, und den Beschäftigungen bei der Klägerin als Einzelentscheider nicht gegeben ist. Die Beigeladenen zu 5. und 7. gehören zwar zu dem von § 231 S 1 SGB VI aF erfassten Personenkreis, weil sie antragsgemäß mit den genannten Bescheiden wegen einer Beschäftigung als Rechtsanwalt bzw bei dem Freistaat Bayern gemäß § 7 Abs 2 AVG von der Versicherungspflicht in der GRV befreit wurden. Bei der im streitigen Zeitraum für die Klägerin ausgeübten Beschäftigung der Beigeladenen zu 5. und 7. handelt es sich indessen nicht - wie von § 231 S 1 SGB VI aF gefordert - um dieselbe Beschäftigung, die der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht zugrunde lag.

21

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 31.10.2012 (B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5) ausgeführt hat, knüpft § 231 S 1 SGB VI aF für die fortdauernde Wirkung einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV an die konkrete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit an und fordert eine "Identität" der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, die während der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht verrichtet wurde, mit der aktuellen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit. § 231 S 1 SGB VI aF ordnet die Fortwirkung einer vor dem 1.1.1992 erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht nur hinsichtlich "derselben" Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit an. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich durch die Verwendung des Merkmals "derselben" die Notwendigkeit eines Vergleichs und als dessen Ergebnis einer Identität zwischen der ursprünglichen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit und der aktuellen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit. Diese Fokussierung auf die konkrete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit entspricht der durch § 6 Abs 5 S 1 SGB VI auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkten Wirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 mwN; BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 § 6 Nr 5). Darüber hinaus ist dem Wortlaut des § 231 S 1 SGB VI aF zu entnehmen, dass Anknüpfungspunkt für das Fortbestehen einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV allein die (jeweilige) "Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit" des Betroffenen ist. Der Gesetzeswortlaut definiert die Fortwirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht über materielle Merkmale der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, wie etwa Berufsbezeichnung, berufliche Qualifikation oder beruflicher Status. "Beschäftigung" wiederum wird in § 7 Abs 1 S 1 SGB IV als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" definiert und in Abs 1 S 2 der Regelung gekennzeichnet als Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines (konkreten) Weisungsgebers. Eine andere Beschäftigung liegt damit schon dann vor, wenn eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

22

Der Beigeladene zu 5. erhielt als Rechtsanwalt einen Befreiungsbescheid bezogen auf eine Tätigkeit bei dem Freistaat Bayern und übte diese von Oktober 1989 an aus. Die Beigeladene zu 7. erhielt einen Befreiungsbescheid bezogen auf eine Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt in L. Jedoch wechselten beide Beigeladenen im Dezember 1990 bzw Dezember 1992 Beschäftigung und Arbeitgeber und begannen ihre Tätigkeiten als Einzelentscheider für die Klägerin. Die Befreiungsbescheide entfalteten für diese Tätigkeiten keine Wirkung mehr, ohne dass es insoweit allerdings ihrer Aufhebung bedurft hätte (dazu noch b.).

23

Dass der Befreiungsbescheid des Beigeladenen zu 5. darüber hinaus mit dem Ausscheiden aus der Rechtsanwaltskammer und der damit verbundenen Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs im März 1996 rechtswidrig geworden ist, ist im vorliegenden Fall wegen des vorherigen Wechsels der Beschäftigung ohne Belang. Mit der Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs und dem damit verbundenen Ausscheiden aus der Rechtsanwaltskammer im März 1996 endete die Pflichtmitgliedschaft des Beigeladenen zu 5. bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Von diesem Zeitpunkt an war der Beigeladene zu 5. nicht mehr aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, sondern nur noch dessen freiwilliges Mitglied. Wie der Senat schon mit Urteil vom 30.4.1997 (12 RK 34/96 - BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4) entschieden hat, rechtfertigt die Tatsache, dass eine Tätigkeit als angestellter Jurist bei einer anderen Organisation der vorherigen Beschäftigung inhaltlich ähnlich sein mag, die Fortdauer der Befreiung nicht, weil eine Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk nur für Rechtsanwälte als Mitglieder der Rechtsanwaltskammer, nicht aber für andere Juristen vorgeschrieben war - so auch in Bayern -, vgl Art 30 Abs 1 Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) vom 25.6.1994 (GVBl 466). Die freiwillige Mitgliedschaft des Beigeladenen zu 5. beim Versorgungswerk berechtigte weder zur Erteilung noch zur Aufrechterhaltung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Der Senat führt auch diese Rechtsprechung fort.

24

b. Liegen die Voraussetzungen des § 231 S 1 SGB VI aF durch den Wechsel der Tätigkeiten nicht mehr vor, so ist Rentenversicherungspflicht in den nunmehr ausgeübten Beschäftigungen als Einzelentscheider kraft Gesetzes eingetreten. Die Befreiungsbescheide brauchten insoweit auch bei Befreiungen, die vor dem 1.1.1992 nach § 7 Abs 2 AVG ausgesprochen worden sind, nicht aufgehoben zu werden(BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 78 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59 f und BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 11). § 231 S 1 SGB VI aF stellt sicher, dass die vor 1992 nach § 7 Abs 2 AVG und die seit dem 1.1.1992 nach § 6 Abs 1 S 1 SGB VI ausgesprochenen Befreiungen hinsichtlich ihres Geltungsbereichs einheitlich behandelt werden. Die Befreiungsbescheide bringen nicht zum Ausdruck, dass sich die Befreiung auf jedwede, auch nichtanwaltliche Tätigkeit erstreckt; vielmehr führen sie aus, dass sich die Befreiung auf diejenigen Beschäftigungen bezieht, auf denen die Mitgliedschaft in der jeweiligen Versorgungseinrichtung beruht. Die Befreiungen galten auch nicht - wie der Beigeladene zu 5. meint - wegen der in den Befreiungsbescheiden enthaltenen Hinweise zur Dauer der Befreiung fort. Diese (erläuternden) Hinweise zur Fortdauer der Befreiung für die sich an eine Pflichtmitgliedschaft anschließende freiwillige Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung stellen weder eine rechtliche Regelung iS des § 31 S 1 SGB X noch eine Nebenbestimmung iS von § 32 SGB X dar(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17 und BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57).

25

c. Der Betriebsprüfungsbescheid vom 23.12.2008 ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X. Aus dem streitigen Bescheid ergibt sich eindeutig der Adressat des Bescheids - die Klägerin - ebenso wie die an diese gerichtete Aufforderung, insgesamt 251 604,84 Euro an Beiträgen zur GRV an die jeweiligen Einzugsstellen nachzuzahlen; gleiches gilt für die Änderungsbescheide. Der Umstand, dass der Beigeladene zu 5. im Begründungstext nicht erwähnt ist, sondern nur in der Anlage zu dem Bescheid, ändert hieran nichts. Zwar fehlt es im Ausgangsbescheid an einer Begründung für die Nachforderung bezüglich des Beigeladenen zu 5., jedoch wird sein Verfügungssatz dadurch nicht unbestimmt. Im Übrigen hätte der Bescheid - anders als der Beigeladene zu 5. meint - an ihn nicht adressiert werden müssen; denn § 28p Abs 1 S 5 SGB IV sieht grundsätzlich nur vor, dass gegenüber dem Arbeitgeber Versicherungspflicht und Beitragshöhe festgestellt wird, nicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Dies hindert zwar nicht, einen inhaltsgleichen Bescheid auch gegenüber dem Arbeitnehmer zu erlassen, weil solche Verwaltungsakte sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer rechtsgestaltende Wirkung entfalten (BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 21 f); eine Verpflichtung dazu besteht aber nicht. Die Unvollständigkeit der Begründung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts gemäß § 35 Abs 1 SGB X führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit desselben. Nach § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X ist die Verletzung dieser Verfahrens- oder Formvorschrift, wenn sie den Verwaltungsakt nicht nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, soweit die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Die Beklagte korrigierte während des Widerspruchsverfahrens ihre Begründung und erläuterte, weshalb von Versicherungspflicht für den Beigeladenen zu 5. auszugehen ist. Ein Begründungsmangel war damit geheilt. Eine Nichtigkeit des Bescheids gemäß § 40 SGB X liegt offensichtlich nicht vor.

26

d. An der im streitigen Zeitraum (1.1.2004 bis 31.12.2007) fortbestehenden Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 7. ändern die von ihr nach § 231 Abs 4b SGB VI gestellten Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin und auf rückwirkende Befreiung für zeitlich davor liegende Tätigkeiten nichts. Die Beklagte lehnte eine solche Befreiung von der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 7. als Syndikusrechtsanwältin und eine Rückwirkung auf die Tätigkeit bei der Klägerin ab. Diese ablehnenden Entscheidungen der Beklagten ändern oder ersetzen den streitigen Betriebsprüfungsbescheid nicht (vgl § 171 SGG). Zu beurteilen ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Erteilung einer Befreiung, sondern allein ein Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten, der die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen verpflichtet. Da somit keine rückwirkend gültigen Befreiungsentscheidungen der Beklagten für die Beigeladene zu 7. vorliegen, bleibt es bei dem Bestehen von deren Versicherungspflicht in der GRV im streitigen Zeitraum.

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem 20.12.2012.

2

Der am 20.6.1956 geborene Kläger ist approbierter Apotheker. Seit dem 11.12.1984 ist er Pflichtmitglied der Landesapothekerkammer Hessen (Beigeladene zu 1) und seit dem 1.1.1985 auch des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen (Beigeladene zu 3). Seit 1984 war der Kläger als Apotheker im öffentlichen Dienst, in pharmazeutischen Unternehmen und als selbstständiger Apotheker in öffentlichen Apotheken tätig. Mit Bescheid vom 21.2.1985 sprach die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 7 Abs 2 AVG mit Wirkung ab 1.1.1985 aus.

3

Seit 1.10.2009 ist der Kläger für die Firma G. GmbH (Beigeladene zu 2) als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter tätig. Die Beigeladene zu 2 entwickelt und validiert Dampf-, Formaldehyd-, Ethylenoxid- und Wasserstoffperoxid-Sterilisationsprozesse zur Aufbereitung von Medizinprodukten (zB von Operationsbestecken). Sie produziert biologische und chemische Indikatoren sowie Prüfkörper für die Sterilisationsüberwachung, stellt Dokumentationsetiketten mit Behandlungsindikatoren her und entwickelt und fertigt Indikatoren für die Überwachung von maschinellen Reinigungsprozessen für Medizinprodukte.

4

Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV im August 2012 wurde festgestellt, dass die Beigeladene zu 2 für den Kläger keine Rentenversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt hat. In dem sich anschließenden Prüfverfahren legte der Kläger einen befristeten Anstellungsvertrag vom 26.9.2009 und einen inhaltsgleichen Anschlussvertrag vom 15.6.2010 sowie eine Stellenbeschreibung vor, in der als benötigte Qualifikation "Apotheker oder gleichwertige Qualifikation mit langjähriger Berufserfahrung" angegeben ist und die zu übernehmenden Aufgaben wie folgt beschrieben werden:

        
        

-       

Übernahme der Funktion des Sicherheitsbeauftragten für Medizinprodukte und des Medizinprodukteberaters gemäß §§ 30 und 31 MPG

        

-       

Registrierung und Inverkehrbringen von Medizinprodukten gemäß einschlägiger EU-Richtlinien inkl Klassifizierung und Konformitätsverfahren

        

-       

Meldung von Vorkommnissen und Rückrufen nach Maßgabe der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV)

        

-       

Einbindung aller Regeln zu Medizinprodukten in das G.-Qualitätssystem

        

-       

Sicherstellung der Konformität der G.-Indikatoren mit den Arzneibuchanforderungen (EuAB und andere Arzneibücher)

        

-       

Erstellung von Fachinformationen und Produktinformationen für alle G. (Medizin)-Produkte

        

-       

Beantwortung von Kundenanfragen zum Thema Aufbereitung, Sterilisationsverfahren etc und Mitarbeit an Fachvorträgen.

5

Am 20.12.2012 beantragte der Kläger - vorsorglich - die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und vertrat die Auffassung, dass die bereits im Jahr 1985 ausgesprochene Befreiung auch für das aktuelle Beschäftigungsverhältnis gelte.

6

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht mit Bescheid vom 29.8.2013 ab, weil die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht vorlägen. Es müsse ein Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit und der Pflichtmitgliedschaft bestehen. Maßgeblich seien § 2 Abs 1 und 3 Bundes-Apothekerordnung (BApO), die eine pharmazeutische Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln forderten. Für die Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2 sei die Approbation als Apotheker ausweislich der Stellenbeschreibung gerade nicht die unabdingbare Einstellungsvoraussetzung gewesen. Der Aufgabenschwerpunkt liege nicht auf pharmazeutischem Gebiet, sondern im Bereich des Managements. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.3.2014 zurück.

7

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das SG Gießen mit Urteil vom 28.9.2015 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 2 seit dem 1.10.2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische LSG mit Urteil vom 28.4.2016 die Entscheidung des SG Gießen geändert und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Kläger ab dem 20.12.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

8

Der Kläger habe einen Anspruch auf Befreiung für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2 gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ab 20.12.2012. "Streitig" sei allein, ob der Kläger eine Beschäftigung ausübe, wegen der er aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sei. Die weiteren Voraussetzungen nach § 6 Abs 1 SGB VI lägen "unstreitig" vor. Ob ein Beschäftigter oder selbstständig Tätiger wegen der streitigen Beschäftigung bzw Tätigkeit Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer sei, sei anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen. Maßgeblich sei der Inhalt des jeweiligen konkreten Beschäftigungsverhältnisses. Die Befreiungsmöglichkeit bestehe nicht für Personen, die keiner berufsspezifischen, sondern einer berufsfremden Tätigkeit nachgingen. Ausgangspunkt der Prüfung einer Befreiung seien daher zunächst die versorgungs- und kammerrechtlichen Normen. Gemäß § 2 Abs 1 Nr 4 Hessisches Heilberufsgesetz (Hess HeilBerG) gehörten Apotheker der Landesapothekerkammer an. Die Satzung der Landesapothekerkammer sehe in § 2 Abs 1 S 1 entsprechend vor, dass alle Apotheker, die in Hessen ihren Beruf ausübten, der Kammer angehörten. Gemäß § 5a Abs 1 Hess HeilBerG iVm § 12 der Satzung des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen seien entsprechend alle Kammerangehörigen, die ihren Beruf in Hessen ausübten, Pflichtmitglieder des Versorgungswerks. Der Kläger sei seit 1985 bis fortlaufend Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Landesapothekerkammer als der für ihn zuständigen berufsständischen Versorgungseinrichtung sowie Pflichtmitglied der Landesapothekerkammer Hessen. Die vorgenannten landesrechtlichen bzw satzungsrechtlichen Bestimmungen knüpften an das Kriterium der Ausübung des Berufes eines Apothekers an. Nach § 2 Abs 3 BApO sei die Ausübung des Apothekerberufs die Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der Berufsbezeichnung "Apotheker". Nach § 1 Abs 1 S 1 der Berufsordnung der Landesapothekerkammer Hessen bestehe die Aufgabe des Apothekers in der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Dieser Auftrag umfasse insbesondere die Information und Beratung über Arzneimittel, die Beratung in Fragen rund um die Gesundheit, die Entwicklung, Herstellung, Prüfung, Lagerung, Abgabe und Risikoerfassung von Arzneimitteln und die Suche nach neuen Arzneistoffen und Darreichungsformen. Der Apotheker übe seine Aufgabe in verschiedenen Tätigkeitsformen aus. Er könne in der öffentlichen Apotheke, in der Industrie, im Krankenhaus, in Prüfinstitutionen, bei der Bundeswehr, in Behörden und Körperschaften, an der Universität, in Lehranstalten und Berufsschulen tätig sein (§ 1 Abs 1 S 3 der Berufsordnung). Zwar beschäftige sich die Beigeladene zu 2 und damit auch der Kläger nicht mit Arzneimitteln oder -stoffen, sondern ausschließlich mit Reinigungs- und Sterilisationsprozessen zur Aufbereitung von komplexen Medizinprodukten. Auch seien Medizinprodukte gemäß § 2 Abs 3 Nr 7 Arzneimittelgesetz (AMG) regelmäßig keine Arzneimittel. Dennoch sei nach Auffassung des Senats die Herstellung und Aufbereitung von Medizinprodukten grundsätzlich keine für einen Apotheker berufsfremde Tätigkeit. Zunächst sei festzustellen, dass die Definition einer pharmazeutischen Tätigkeit, wie sie § 2 Abs 3 BApO regele, keine abschließende Aufzählung enthalte. Die Formulierung der Norm ("insbesondere") zeige, dass die von ihr erfasste Berufsausübung nicht ausschließlich unter der Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" erfolgen müsse und die beispielhafte Aufzählung nicht abschließend sei. Eine entsprechende - erweiternde - Auslegung werde aus Sicht des Senats unter Berücksichtigung der geplanten Änderung des § 2 Abs 3 BApO durch den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 11.3.2016 (BR-Drucks 120/16) bestätigt. Der Gesetzgeber wolle - in Ergänzung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.11.2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarkt-Informationssystems ("IMI-Verordnung") - weitere Tätigkeitsbereiche benennen, die das Berufsbild der Apothekerinnen und Apotheker maßgeblich prägten (BR-Drucks 120/16 S 62). Ausdrücklich genannt würden in der geplanten Neuregelung insbesondere der sog "Industrieapotheker" in der pharmazeutischen Industrie (Nr 2), aber auch Tätigkeiten im Medizinproduktewesen der öffentlichen Gesundheitsverwaltung (Nr 11), wobei durch die Formulierung "insbesondere" aus Sicht des Senats wiederum deutlich werde, dass es sich bei der Aufzählung keineswegs um eine abschließende Aufzählung handele, was auch aus der Begründung des Gesetzesentwurfs hervorgehe. Die geplante Neureglung stelle damit klar, dass ebenfalls Tätigkeiten im Bereich des Medizinproduktewesens und in der pharmazeutischen Industrie grundsätzlich unter den Tätigkeitsbereich des Pharmazeuten fallen könnten. Zu berücksichtigen sei ferner, dass das Studium der Pharmazie gemäß Anl 1 zu § 2 Abs 2 Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) unter Stoffgebiet F auch die pharmazeutische Technologie einschließlich des Medizinproduktewesens umfasse, die damit zu den Pflichtgebieten des Studiums der Pharmazie gehöre. Ferner sehe die Anl 1 zu § 2 Abs 2 AAppO unter dem Stoffgebiet H die Arzneistoffanalytik unter besonderer Berücksichtigung der Arzneibücher und der entsprechenden Normen für Medizinprodukte vor. Hinzu komme, dass es auch sog apothekenpflichtige Medizinprodukte gebe (§§ 27 bis 29 der Arzneimittelrichtlinie), die gemäß § 1 Abs 1 S 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) Gegenstand einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung seien. Unter Zugrundelegung des durch die BApO bzw deren geplante Neuregelung sowie durch die Berufsordnung definierten Maßstabs einer pharmazeutischen Tätigkeit sei die von dem Kläger bei der Beigeladenen zu 2 konkret ausgeübte Tätigkeit als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter befreiungsfähig iS von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, denn Art und Inhalt dieser Beschäftigung seien jedenfalls teilweise berufsspezifisch für einen Apotheker. Da die mit Krankheitserregern kontaminierten Instrumente wie zB Operationsbestecke oder andere entsprechend eingesetzte Medizinprodukte die Quelle von Infektionen beim Menschen sein könnten, seien an die Aufbereitung solcher komplexen Medizinprodukte (§ 4 Medizinprodukte-Betreiberverordnung - MPBetreibV) besonders definierte Anforderungen zu stellen, wobei es notwendig sei, im Rahmen eines etablierten Qualitätsmanagementsystems die bewährten Verfahren stets in gleichbleibend hoher und nachweisbarer Qualität zu gewährleisten. Die Beigeladene zu 2 entwickele Reinigungs- und Sterilisationsprozesse zur Aufbereitung von Medizinprodukten. Der Kläger könne aufgrund seines pharmazeutischen Studiums die für die Aufbereitung komplexer Medizinprodukte definierten Anforderungen überprüfen, Verbesserungen anstoßen und mit entsprechendem Fachwissen begleiten. Gerade als Apotheker habe er Kenntnisse darüber, welche Stoffe und Verfahren zur Keimfreiheit unter welchen Bedingungen führten. Chemie, Toxikologie, pharmazeutische und chemische Medizin, Mikrobiologie, Biochemie und pharmazeutische Technologie seien wesentliche Bestandteile des Studiums. Diese Kenntnisse würden vom Kläger bei seiner täglichen Arbeit auch umgesetzt. Auch die in den "Gemeinsamen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention" des Robert-Koch-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Fassung 2012) aufgestellten Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten erforderten Sachkenntnisse insbesondere im Bereich Hygiene und Mikrobiologie, die durch das Studium der Pharmazie abgedeckt würden. Die fortlaufende Anwendung der Arzneibücher, die vom Kläger bei der Aufbereitung von Medizinprodukten ebenso zu berücksichtigen seien wie beim Einsatz der verschiedenen zur Keimabtötung eingesetzten Verfahren einschließlich der Bio- und Chemieindikatoren zur Sterilitätsüberprüfung, stelle aus Sicht des Senats eine für einen Pharmazeuten berufsspezifische Tätigkeit dar. Ausschließlich Apotheker beschäftigten sich bereits im Studium mit Aufbau und Systematik des sog Arzneibuchs iS des § 55 AMG. Die Beigeladene zu 2 betreibe zudem seit 20 Jahren Grundlagenforschung zu Aufbereitungsprozessen von Medizinprodukten und führe hierzu weltweit wissenschaftlich-technische Seminare durch, die der Kläger mit pharmazeutischem Fachwissen begleite. Die von der Beigeladenen zu 2 entwickelten Methoden, den Erfolg der Reinigung anhand von Prüfkörpern zu quantifizieren, auch um die Desinfektions- und Reinigungsprozesse zu validieren, seien den Anwendern (Krankenhäusern und pharmazeutischen Industrie) zu erläutern; auch hierbei spiele das Fachwissen des Klägers als Apotheker eine große Rolle. Entgegen der Auffassung der Beklagten finde sich weder in § 6 SGB VI noch in den landesrechtlichen bzw satzungsrechtlichen Bestimmungen die Tatbestandsvoraussetzung einer "approbationspflichtigen Tätigkeit". Dies würde das befreiungsfähige Tätigkeitsprofil eines Apothekers letztlich auf die Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke oder in einer Krankenhausapotheke verengen, was weder mit § 2 Abs 3 BApO noch mit der Rechtsprechung des BSG(Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R) in Einklang zu bringen sei. Die apothekerrechtliche Approbation iS von § 2 Abs 1 BApO sei für die Ausübung einer apothekerlichen Tätigkeit auch im Kontext der Kammerrechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht zwingend erforderlich. Der Verweis der Beklagten darauf, dass laut der Stellenausschreibung der Beigeladenen zu 2 alternativ eine zum Pharmaziestudium gleichwertige Qualifikation ausreichend gewesen sei, führe zu keiner anderen Bewertung. Stellenausschreibungen bzw -beschreibungen und etwaige darin enthaltene formale Qualifikationen oder Anforderungen seien nicht maßgeblich; entscheidend sei allein der tatsächliche Inhalt der konkret ausgeübten Tätigkeit. Nach §§ 17 bis 19 AAppO sei die Ausbildung der Apotheker außerdem interdisziplinär angelegt, sodass ein Zusammenarbeiten mit anderen Disziplinen (Chemiker, Biochemiker, Physiker) bei der Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Medikamenten und Medizinprodukten im apothekerlichen Berufsbild angelegt sei und daher nicht gegen das Vorliegen einer berufsspezifischen Tätigkeit verwendet werden könne.

9

Die zeitliche Beschränkung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erst ab 20.12.2012 ergebe sich aus § 6 Abs 4 S 1 SGB VI. Danach wirke die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt werde, sonst vom Eingang des Antrags an. Der Kläger habe seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2 bereits am 1.10.2009 aufgenommen. Ein ausdrücklicher Antrag auf Befreiung sei bei der Beklagten erst am 20.12.2012 eingegangen. Eine Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht bereits ab 1.10.2009 (bzw durchgängig seit 1985) ergebe sich auch nicht aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 21.2.1985.

10

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger wegen seiner bei der Beigeladenen zu 2 ausgeübten Beschäftigung Pflichtmitglied der Landesapothekerkammer Hessen und zugleich Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen sei. Für die Beantwortung der Frage, ob der Kläger in seiner konkreten Beschäftigung den Beruf des Apothekers ausübe, habe das Gericht einen rechtlich unzutreffenden Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt. § 2 Abs 1 Nr 4 Hess HeilBerG und § 2 Abs 1 der Satzung der Landesapothekerkammer Hessen knüpften nach der Rechtsauffassung des LSG an die Ausübung des Berufs eines Apothekers iS der BApO an. Nach der seit dem 23.4.2016 geltenden und für die vorliegende Anfechtungs- und Verpflichtungsklage maßgebenden Fassung des § 2 Abs 3 S 1 BApO sei Ausübung des Apothekerberufs die Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin". Der neu eingefügte S 2 beginne mit: "Pharmazeutische Tätigkeiten umfassen insbesondere" und führe im Weiteren zehn entsprechende Tätigkeiten auf. Die Aufzählung umreiße die möglichen Tätigkeitsfelder von Apothekern. Vom Wortlaut her befassten sich danach Apotheker auf verschiedenen Stufen - von der Herstellung über die Prüfung und Lagerung bis hin zum Verkauf und der Information - mit Arzneimitteln. Lediglich Ziffer 10 sei allgemein gefasst und ordne dem Apothekerberuf auch Tätigkeiten zu, die sich mit Beiträgen zu örtlichen oder landesweiten gesundheitsbezogenen Kampagnen befassten. Insoweit spreche der Wortlaut der Vorschrift dafür, dass Gegenstand "apothekerlicher" Tätigkeit Arzneimittel bzw Arzneistoffe seien. Dieser Einschätzung entspreche auch der Text der Vorgängervorschrift. Die Neufassung der Vorschrift zum 23.4.2016 sei allein im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.11.2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen erfolgt. Darüber hinausgehende Änderungen, etwa zum Kreis der Tätigkeiten, die Bestandteil der Ausübung des Apothekerberufs seien, seien nicht beabsichtigt gewesen. Dies folge aus der Gesetzeshistorie und der Gesetzesbegründung. Demzufolge seien nach § 2 Abs 3 BApO weiterhin nur solche Tätigkeiten dem Apothekerberuf zugehörig, die sich mit Arzneimitteln oder -stoffen befassten. Somit sei die Tätigkeit des Klägers, die Befassung mit den durch die Beigeladene zu 2 hergestellten und aufbereiteten Medizinprodukten, schon nach dem Wortlaut des § 2 BApO nicht Bestandteil der Berufsausübung eines Apothekers. Ebenso wenig lasse die im Gesetz verwendete Formulierung "insbesondere" den Schluss zu, dass auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit Medizinprodukten Bestandteil der Berufsausübung eines Apothekers seien. Die vom LSG angestellten Erwägungen zum Vorliegen einer "berufsspezifischen Tätigkeit" überzeugten demgegenüber nicht. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des § 2 Abs 3 BApO sei schon deshalb fehlerhaft, weil das Gericht bei seiner Prüfung nicht die zum Zeitpunkt der Entscheidung (28.4.2016) geltende Fassung der BApO ab 23.4.2016 berücksichtigt habe. Vielmehr habe das Gericht die Vorgängerregelung zugrunde gelegt. Aber auch inhaltlich überzeuge die Argumentation des LSG nicht. So lasse sich die vom Berufungsgericht ausdrücklich praktizierte erweiternde Auslegung der Norm nicht auf eine weitere, im Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 11.3.2016 lediglich angedachte Gesetzesänderung stützen. Ebenso wenig sei eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs 3 BApO mit Blick darauf geboten, dass die pharmazeutische Technologie einschließlich des Medizinproduktewesens zu den Pflichtgebieten des Studiums der Pharmazie gehörten oder dass sog apothekerpflichtige Medizinprodukte nach der ApBetrO Gegenstand einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung seien. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus der vom LSG ergänzend herangezogenen Berufsordnung der Landesapothekerkammer Hessen. Vielmehr entsprächen die dort in § 1 Abs 1 S 2 umschriebenen Aufgaben des Apothekers weitgehend den in § 2 Abs 3 BApO genannten Tätigkeiten, die Bestandteil des Apothekerberufes seien. Nach dem aktuellen Wortlaut des § 2 Abs 3 S 1 BApO sei Apothekerberuf diejenige pharmazeutische Tätigkeit, die unter der Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" ausgeübt werde. Um aber die Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" zu tragen und den Beruf des Apothekers auszuüben, sei nach § 2 Abs 1 BApO die Approbation erforderlich. Auch wenn die Approbation personenbezogen und nicht mit Bezug auf eine konkrete Tätigkeit erteilt werde, folge aus Sinn und Zweck des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, dass ein Befreiungsrecht nur für solche Erwerbstätigkeiten bestehe, die "approbationspflichtig" seien. Die Approbation müsse also für die Ausübung der Tätigkeit notwendige Voraussetzung sein. Nur unter diesen Umständen führe die ausgeübte Tätigkeit zwingend zu einer Versicherungspflicht in beiden Alterssicherungssystemen und auch nur diese Auslegung werde dem Charakter des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI als Ausnahmevorschrift von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht Beschäftigter gerecht.

11

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2016 und des Sozialgerichts Gießen vom 28. September 2015 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

12

Der Kläger, der ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt hatte und diese wieder zurückgenommen hat, beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

13

Der Kläger rügt sinngemäß, dass die Revision mangels formgerechter Begründung unzulässig sei. Hierzu trägt er vor, die Beklagte habe sich nicht ausreichend mit dem angefochtenen Urteil auseinandergesetzt. Die Revisionsbegründung gehe nur darauf ein, dass die Tätigkeit des Klägers im Bereich des Medizinproduktewesens nicht der eines Apothekers entspreche. Mit den übrigen Ausführungen des LSG, insbesondere zu der fortlaufenden Anwendung der Arzneibücher durch den Kläger, die eine für einen pharmazeutischen Beruf spezifische Tätigkeit darstelle, befasse sich die Begründung nicht. Abgesehen davon könne die Revision in der Sache keinen Erfolg haben. Die Begründetheit der Revision scheitere schon daran, dass das LSG festgestellt habe, dass er, der Kläger, eine Tätigkeit als Apotheker ausübe. Abgesehen davon könne sich die Beklagte nicht auf § 2 Abs 3 BApO berufen. Insoweit sei zu beachten, dass das GG dem Bundesgesetzgeber keine Kompetenz zugewiesen habe, das Berufsbild des Apothekers abschließend zu beschreiben. Nur die Länder könnten verbindlich entscheiden, welche Tätigkeit die eines Apothekers sei. Deshalb habe das LSG seine Untersuchung ausdrücklich und ausführlich auf das Landesrecht gestützt. Die Revisionsbegründung lasse eine Darlegung zur Tragweite der BApO vermissen. Im Übrigen habe der Bundesrat in der BR-Drucks 120/16 klargestellt, dass die Risikoabwehr in der pharmazeutischen Industrie, auch im Medizinproduktewesen bisher und künftig zum Tätigkeitsfeld des Apothekers gehöre.

14

Die Beigeladene zu 1 weist darauf hin, dass die Mitgliedschaft des Klägers bei ihr und dem Beigeladenen zu 3 darauf beruhe, dass er nicht nur die Approbation besitze, sondern auch pharmazeutisch, dh in seinem Beruf tätig sei. Ein Apotheker, der nicht pharmazeutisch tätig sei, könne nicht Mitglied der Beigeladenen zu 1 und nicht Mitglied der Beigeladenen zu 3 werden.

15

Die Beigeladene zu 3 ist ebenfalls dieser Auffassung. Außerdem weist sie darauf hin, dass aufgrund der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach Landesrecht über die Frage der Pflichtmitgliedschaft zu entscheiden habe, und angesichts des Umstandes, dass das BSG an die Auslegung des Landesrechts gebunden sei, die Revision bereits unzulässig sei.

16

Die Beigeladene zu 2 hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

17

A. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Ansicht des Klägers und des Beigeladenen zu 3 zulässig.

18

1. Die Revision ist kraft Zulassung durch das LSG in der angefochtenen Entscheidung statthaft (vgl § 160 Abs 1 Alt 1 SGG). An die Zulassung ist das BSG gebunden; dies stellt § 160 Abs 3 SGG ausdrücklich klar(vgl auch BSG SozR 4-1500 § 155 Nr 1). Die Bindung gilt entgegen der wohl von dem Beigeladenen zu 3 vertretenen Auffassung auch dann, wenn der vom Berufungsgericht angenommene Zulassungsgrund nicht vorliegt oder sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf nicht revisibles Recht bezieht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 26; BSG SozR 3-5533 Nr 100 Nr 1 S 3; BVerwG Urteil vom 9.10.1996 - 6 C 11/94 - Juris RdNr 22 ff). Das LSG hat die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen, weil die Frage, ob die Befreiung eines Apothekers von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eine "approbationspflichtige Tätigkeit" voraussetze, höchstrichterlich noch nicht geklärt sei. Zwar hat der erkennende Senat diese Frage zwischenzeitlich entschieden (Urteil vom 7.12.2017 - B 5 RE 10/16 R - zur Entscheidung in BSGE und SozR 4-2600 § 6 Nr 14 vorgesehen). Gleichwohl bleibt die ohne Beschränkung zugelassene Revision als Vollrevision statthaft (vgl BFH Urteil vom 30.1.1970 - IV 2/65 - Juris RdNr 5 und 7).

19

2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Revision auch formgerecht begründet.

20

Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7). Diesen Anforderungen ist genügt.

21

Insbesondere setzt sich die Beklagte ausreichend mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinander und greift diese vollständig an.

22

Die Beklagte hat vorgetragen, dass nach der Rechtsauffassung des LSG § 2 Abs 1 Nr 4 Hess HeilBerG und § 2 Abs 1 der Satzung der Landesapothekerkammer Hessen an die Ausübung des Berufs eines Apothekers iS der BApO anknüpften. Ausgehend davon hat die Beklagte weiter ausgeführt, dass nach § 2 Abs 3 S 1 BApO in der maßgeblichen Fassung vom 18.4.2016, gültig ab 23.4.2016 - wie schon nach der vom LSG zugrunde gelegten Vorgängerregelung - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nur solche Tätigkeiten dem Apothekerberuf angehörten, die sich mit Arzneimitteln oder -stoffen befassten. Ist aber die Apothekertätigkeit ausschließlich auf die Befassung mit Arzneimitteln und -stoffen beschränkt, sind sämtliche anderen Tätigkeiten des Klägers, die das LSG als berufsspezifisch bewertet hat, für den Apotheker berufsfremd. Damit erfasst die Auseinandersetzung der Beklagten mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht nur die Beschäftigung des Klägers mit Medizinprodukten, sondern ebenso die fortlaufende Anwendung mit Arzneibüchern, auch wenn diese in der Revisionsbegründung nicht ausdrücklich angesprochen worden ist.

23

B. Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 20.12.2012 gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI(in der hier maßgeblichen Fassung von Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004 - BGBl I 3242) begründet ist, lässt sich auf der Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden.

24

1. Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger für letztere nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

25

a) Ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die noch streitige Zeit ergibt sich nicht bereits aus dem Bescheid der BfA vom 21.2.1985.

26

aa) Der Bescheid vom 21.2.1985 bezieht sich nicht auf die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 2. Dies ergibt eine Auslegung des in ihm enthaltenen Verwaltungsakts (VA).

27

Die Auslegung eines VA hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind, wenn der VA sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 5 R 16/12 R - Juris RdNr 18).

28

Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Bescheid vom 21.2.1985 dahin zu verstehen, dass er den Kläger von der Rentenversicherungspflicht für die am 16.10.1983 beginnende Beschäftigung ab 1.1.1985 befreit. Dagegen ist der VA keinem Verständnis dahin zugänglich, dass die Befreiung unabhängig von dieser Beschäftigung für die gesamte Zeit der Mitgliedschaft des Klägers in der Landesapothekerkammer Hessen für jede ausgeübte Beschäftigung als Apotheker Geltung entfaltet.

29

Der Bescheid vom 21.2.1985 trägt die Überschrift "Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 7 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetztes (AVG)" und lautet nach der Bezeichnung des Namens des Klägers und der Grußformel wie folgt:

"Auf Ihren Antrag werden Sie von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit.

                 

Eingangsdatum des Befreiungsantrages

02.01.85

Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der Versicherungspflicht

16.10.83

Beginn der Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung

01.01.85

Versorgungseinrichtung

Landesapothekerkammer Hessen

Versorgungswerk

Am Leonhardsbrunn 5, 6000 Frankfurt

Beginn der Befreiung

1. Jan. 1985

                          

Die Befreiung wirkt erst

        
                                   

[ ]

vom Eingang des Antrags an, da sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bzw. der Versicherungspflicht beantragt wurde (§ 7 Abs. 3 AVG)

                                   

[x]     

ab Beginn der Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung.

                 

Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten wären.

Werden mehrere Beschäftigungen ausgeübt, so gilt die Befreiung nur für die Beschäftigung, auf der die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung beruht und nach deren Arbeitsentgelt die Versorgungsabgaben zu berechnen sind."

Danach folgt die Rechtsbehelfsbelehrung.

30

(1) Einen VA und damit einen Verfügungssatz bzw eine Regelung enthalten allein die umrandeten Ausführungen im Bescheid vom 21.2.1985; die weiteren Erklärungen, insbesondere über die Dauer der Befreiung, sind lediglich erläuternde Hinweise zu der getroffenen Befreiungsentscheidung (stRspr; BSG Urteil vom 7.11.1991 - 12 RK 49/89 - SozR 3-2940 § 7 Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17; BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57; BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 37; zuletzt Urteil des 12. Senats vom 5.12.2017 - B 12 KR 11/15 R - Juris RdNr 24; aA LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.3.2017 - L 18 R 852/16 - Juris RdNr 55). Dies ergibt sich sowohl aus der äußeren Gestaltung der Ausführungen als auch ihrem Inhalt. Durch die Umrandung der Verlautbarungen zu dem Eingangsdatum des Befreiungsantrags, dem Beginn des "Beschäftigungsverhältnisses" und dem Beginn der Befreiung werden diese von den nachfolgenden Erklärungen abgehoben und ihnen dadurch eine besondere Bedeutung beigemessen. Insbesondere aber sind allein sie individuell auf den Kläger und damit auf den Einzelfall bezogen, während die Ausführungen zur Dauer der Befreiung und ihrer Geltung bei Mehrfachbeschäftigungen allgemein gefasst sind und schon damit als bloße Hinweise für die individuelle Regelung ausgewiesen werden.

31

(2) Dass der in dem Bescheid vom 21.2.1985 enthaltene VA die Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht ab 1.1.1985 regelt, bedarf angesichts seiner Verlautbarungen keiner Erläuterung. Der weitere Regelungsgehalt, die Tätigkeitsbezogenheit der Befreiung ergibt sich insbesondere aus dem im Bescheid in Bezug genommenen Antrag des Klägers vom 2.1.1985 (Eingangsdatum). In diesem hat der Kläger in der Rubrik "Anschrift des derzeitigen Arbeitgebers Prof. Dr. K. R., Zentrum f. Hygiene + med. Mikrobiologie des Klinikums d. UNI M." sowie als "Beginn der angestelltenversicherungspflichtigen Beschäftigung" den 16.10.1983 angegeben und darum gebeten, "mir diese Befreiung zu bestätigen". Der damalige Befreiungsantrag betraf daher unzweifelhaft die seinerzeit ausgeübte Beschäftigung an der Universität M.

32

Die Abfrage des "derzeitigen Arbeitgebers" im Antragsformular unterstreicht, dass das Bestehen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung notwendige Voraussetzung für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Angestellten-/Beschäftigtenrentenversicherung ist. Ohne das Bestehen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung kommt eine Befreiung von der gesetzlichen Angestellten-/Beschäftigtenrentenversicherung schon aus logischen Gründen nicht in Betracht. Dabei macht die Verwendung des Begriffs "derzeitig" deutlich, dass es um die aktuelle, im Zeitpunkt des Antrags bestehende Beschäftigung geht und auch nur um diese gehen kann. Ob die Voraussetzungen für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen, kann der Rentenversicherungsträger nur anhand einer konkreten Beschäftigung und deren Ausgestaltung prüfen. Nicht jede Beschäftigung eines Apothekers oder Angehörigen eines sonstigen verkammerten Berufs muss gemessen an den jeweils einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen auch wirklich die Ausübung einer pharmazeutischen oder sonstigen verkammerten Tätigkeit sein. Dies ist nicht der Fall, wenn der Betroffene eine berufsfremde Tätigkeit ausübt. Ebenso wenig kann eine Befreiung ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht und daher versicherungsfrei ist (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 Nr 2 oder § 8a iVm § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV). Abgesehen davon wird derjenige, der als Beschäftigter einen Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung stellt, im Zeitpunkt der Antragstellung zumindest im Regelfall nicht wissen, ob er seine aktuelle Beschäftigung aufgeben und insbesondere in demselben Beruf eine Folgebeschäftigung aufnehmen wird. Auch aus diesem Grund kann sich ein Befreiungsantrag nur auf die gegenwärtige Beschäftigung beziehen. Im Übrigen enthält der Antrag des Klägers keine Formulierung, die der Auslegung zugänglich wäre, er beantrage die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung für den Beruf des Apothekers und die Dauer seiner Mitgliedschaft in der Landesapothekerkammer Hessen ohne Bezug auf eine bestimmte Beschäftigung.

33

Dem am 2.1.1985 vom Kläger mit dem dargestellten Inhalt gestellten Befreiungsantrag hat die BfA mit Bescheid vom 21.2.1985 stattgegeben. Antrag und Bescheid beziehen sich korrespondierend auf die damalige Beschäftigung des Klägers im Zentrum für Hygiene und medizinische Mikrobiologie des Klinikums der Universität M. Demgegenüber ist der Bescheid vom 21.2.1985 keinem Verständnis dahin zugänglich, dass die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung für eine durch eine oder mehrere Charakteristika geprägte Tätigkeit als solche - hier die eines Apothekers - erteilt ist (so LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.3.2017 - L 18 R 852/16 - Juris RdNr 55 ff, 59 bei einem vergleichbaren Bescheid der BfA für die Tätigkeit als Bauingenieur). Für eine solche Interpretation gibt der Wortlaut des Bescheides nichts her. Der dort verwendete Begriff des "Beschäftigungsverhältnisses" bzw der "Beschäftigung" lässt eine derartige Auslegung nicht zu. Beschäftigung ist auch im rentenversicherungsrechtlichen Sinn die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind (vgl § 7 Abs 1 SGB IV). Beschäftigung im hier maßgeblichen Sinn meint daher nicht die Tätigkeit als solche bzw einen bestimmten Beruf oder ein Berufsbild, sondern die für einen Weisungs-, dh Arbeitgeber verrichtete Tätigkeit.

34

Darüber hinaus belegen weitere Ausführungen im Bescheid vom 21.2.1985 die Tätigkeitsbezogenheit der Befreiungsregelung. So hat die Beklagte zum einen darauf hingewiesen, dass die Befreiung bei Ausübung mehrerer Beschäftigungen nur für die Beschäftigung gilt, auf der die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung beruht und nach deren Arbeitsentgelt die Versorgungsabgaben zu berechnen sind. Zum anderen hat sie darum gebeten, "den früheren (vorherigen) Arbeitgeber von der Befreiung zu verständigen", falls "Sie inzwischen Ihren Arbeitgeber gewechselt haben". Insbesondere letztere Erklärung zeigt, dass sich die Befreiung ausschließlich auf das im Antrag genannte "Beschäftigungsverhältnis" und nicht auch auf Folgebeschäftigungen bezieht. Ansonsten wäre nicht verständlich, warum sich die Bitte um Informierung über die erteilte Befreiung nicht auf den vorherigen und den nachfolgenden Arbeitgeber bezieht.

35

Eine Berücksichtigung der übrigen Ausführungen der BfA im Bescheid vom 21.2.1985 führt zu keinem anderen Ergebnis.

36

Diese lauten neben den bereits oben zitierten Erklärungen zur Dauer der Befreiung nach der Rechtsbehelfsbelehrung wie folgt:

                 
        

"Die BfA hat bei Wegfall der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 AVG die Befreiung von der Versicherungspflicht nach X § 48 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs zu widerrufen.

                 
        

Sie sind daher verpflichtet, der BfA die Umstände anzuzeigen, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn

        

-       

die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung endet

        

-       

keine Versorgungsabgaben mehr zu entrichten sind (z.B. nach Bewilligung einer Rente aus der Berufsgruppenversorgung)

        

-       

Versorgungsabgaben nicht mehr in der dem Einkommen entsprechenden Höhe zu entrichten sind.

                          
        

Die Befreiung endet erst mit dem förmlichen Widerruf durch die BfA."

37

Auch diese Verlautbarungen sind weder eigenständige Regelungen/Verfügungssätze iS von § 31 S 1 SGB X noch Nebenbestimmungen iS von § 32 SGB X, sondern lediglich erläuternde Hinweise zu der getroffenen Befreiungsentscheidung(stRspr; BSG Urteil vom 7.11.1991 - 12 RK 49/89 - SozR 3-2940 § 7 Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17; BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57; BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 37).

38

Darüber hinaus erlauben sie wie auch die Hinweise über die Dauer der Befreiung keine Interpretation des Verfügungssatzes im Bescheid vom 21.2.1985 dahin, dass die Befreiung unabhängig von der konkreten Beschäftigung auf Dauer wirkt und nur im Fall des "Widerrufs", dh der Aufhebung nach § 48 SGB X endet.

39

Insbesondere angesichts der Antragsbezogenheit des Bescheides beschränkt sich vielmehr die Aussage zur Dauer der Befreiung für die Zeit der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft auf deren Fortgeltung in Abhängigkeit von der Höhe der geleisteten Versorgungsabgaben und lässt die Frage nach der Dauer der Befreiung im Hinblick auf sonstige Voraussetzungen unberührt. Aus denselben Gründen bezieht sich die Erklärung zum Ende der Befreiung durch förmlichen "Widerruf" der BfA nur auf das Ende der Befreiung bei Anwendung des § 48 Abs 1 SGB X und nicht auch auf das Ende der Befreiung unter Berücksichtigung der sonstigen Beendigungstatbestände eines VA.

40

Ebenso wenig indiziert die im Bescheid vom 21.2.1985 in Bezug genommene Bescheinigung vom selben Tag, dass die Befreiung des Klägers von der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig von seiner damaligen Beschäftigung im Zentrum für Hygiene und medizinische Mikrobiologie des Klinikums der Universität M. für jedwede Tätigkeit als angestellter Apotheker erteilt worden ist.

41

Dass die Bescheinigung "dem jeweiligen Arbeitgeber für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses auszuhändigen" ist, zwingt nicht zu dem Verständnis, dass die Befreiung auch Folgebeschäftigungen erfasst. Der Begriff "jeweilig" hat ua die Bedeutung "entsprechend" - mit dem Synonym "augenblicklich" -, "gerade anwesend" bzw "gegenwärtig" - zB mit den Synonymen "aktuell, akut, derzeit, derzeitig, heute, jetzt, zeitweilig, momentan" - (vgl http://synonyme.woxikon.de/synonyme/jeweilig.php) oder "zu einer bestimmten Zeit gerade bestehend, herrschend, vorhanden, in einem bestimmten Einzelfall, Zusammenhang gerade bestehend, herrschend, vorhanden, vorliegend" (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd 5, 3. Aufl 1999, S 2005). Diese Worte beschreiben mehr oder weniger deutlich einen statischen, unveränderlichen Zustand. Insbesondere der Begriff "jeweilig" im Sinne von "gegenwärtig, heute" schließt eine Geltung der Bescheinigung für Folgearbeitgeber aus. Unter Zugrundelegung des Begriffs "jeweilig" im Sinne von "gegenwärtig, heute" erfasst die am 21.2.1985 ausgestellte Bescheinigung nur den Arbeitgeber, bei dem der Kläger an diesem Tag beschäftigt war, und damit auf keinen Fall die Beigeladene zu 2, für die der Kläger erst seit 1.10.2009 tätig ist. Ebenso wenig zwingt die weitere Formulierung der Bescheinigung, wonach diese "bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dem Arbeitnehmer zurückzugeben" ist, zu der Annahme, dass der Arbeitnehmer die Bescheinigung auch Folgearbeitgebern auszuhändigen hat, was nur im Fall der Geltung der Befreiung für Folgebeschäftigungen Sinn ergäbe. Ausweislich der weiteren Verlautbarungen der Bescheinigung ist diese unter bestimmten Voraussetzungen "an die BfA zurückzugeben". Diese Rückgabepflicht kann mangels anderer Anhaltspunkte nur den Arbeitnehmer als Empfänger der dem Bescheid als Anlage beigefügten Bescheinigung treffen. Deren Rückgabe durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer ist demnach schon deshalb notwendig, damit dieser seiner gegenüber der BfA bestehenden Rückgabepflicht Folge leisten kann.

42

bb) Ausgehend von dem dargestellten Regelungsgehalt des Bescheides vom 21.2.1985 entfaltet dieser seit Aufgabe der im Antrag vom 2.1.1985 (Eingangsdatum) genannten Beschäftigung keine Rechtswirkungen mehr. Er ist vielmehr in diesem Zeitpunkt gemäß § 39 Abs 2 SGB X unwirksam geworden, weil er sich auf andere Weise erledigt hat(so bereits Beschluss des Senats vom 7.3.2018 - B 5 RE 3/17 R - Juris RdNr 36).

43

b) Eine bereits bestehende Befreiung des Klägers von der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich auch nicht aus § 231 Abs 1 S 1 SGB VI, nach dem Personen, die am 31.12.1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit befreit bleiben. Bei der jetzigen Beschäftigung des Klägers handelt es sich schon deshalb nicht um "dieselbe Beschäftigung", die der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht zugrunde lag, weil es sich bei der Beigeladenen zu 2 um eine andere Arbeitgeberin als die Universität M. handelt und daher auch ein anderes Arbeits- und "Beschäftigungsverhältnis" zu beurteilen ist (vgl BSG SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 23).

44

c) Anhaltspunkte für ein schützenswertes Vertrauen des Klägers in den uneingeschränkten Fortbestand der ursprünglich erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht ersichtlich (vgl dazu allgemein BSG, aaO, RdNr 33 ff).

45

2. Ob die Klage auch begründet ist, lässt sich auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht befreit

        

Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

        

a)    

am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

        

b)    

für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

        

c)    

aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

46

Dabei hat gemäß § 6 Abs 3 S 1 SGB VI die zuständige oberste Verwaltungsbehörde die rechtlichen Anforderungen an die berufsständische Versorgungseinrichtung vor Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung zu bestätigen(vgl BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36; Gürtner in Kasseler Komm, § 6 SGB VI RdNr 30 - Stand September 2015).

47

a) Der Kläger ist nach den unangefochtenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) abhängig iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV beschäftigt. Er erbringt seit dem 1.10.2009 bei der Beigeladenen zu 2 als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter nicht selbstständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis.

48

b) Das LSG hat zudem festgestellt, dass der Kläger Pflichtmitglied der Landesapothekerkammer Hessen (Beigeladene zu 1) und damit einer berufsständischen Kammer ist. Rechtsgrundlage hierfür sind § 1 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 des Hess HeilBerG und § 2 Abs 1 S 1 der Satzung der Landesapothekerkammer Hessen, nach denen der Kammer grundsätzlich alle Apotheker und Apothekerinnen angehören, die ihren Beruf in Hessen ausüben. Das LSG hat darüber hinaus festgestellt, dass der Kläger Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung - oder Versorgungseinrichtung geworden ist. Der Beigeladene zu 3 ist als Versorgungswerk der Apotheker im Lande Hessen eine berufsständische Versorgungseinrichtung, deren Mitglieder nach § 12 Abs 1 S 1 Alt 1 der Satzung des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen grundsätzlich alle Kammerangehörigen sind, die ihren Beruf in Hessen ausüben.

49

c) Nach der Beurteilung des LSG übt der Kläger auch eine befreiungsfähige Beschäftigung iS von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus.

50

aa) Eine Beschäftigung ist dann befreiungsfähig im Sinne der Norm, wenn wegen dieser Beschäftigung eine Pflichtmitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer besteht. Dies ist anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen (BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 34; BSG Urteil vom 7.12.2017 - B 5 RE 10/16 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 14 RdNr 14 f).

51

Ausgehend hiervon hat das LSG zur Prüfung der Befreiungsfähigkeit der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 Hess HeilBerG und § 2 Abs 1 S 1 der Satzung der Landesapothekerkammer Hessen herangezogen, nach denen der Kammer grundsätzlich alle Apotheker und Apothekerinnen angehören, die in Hessen ihren Beruf ausüben. Ferner hat das Berufungsgericht auf § 5a Abs 1 Hess HeilBerG iVm § 12 Abs 1 S 1 Alt 1 der Satzung des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen abgestellt, nach dem Mitglieder des Versorgungswerks grundsätzlich alle Kammerangehörigen sind, die ihren Beruf in Hessen ausüben. Zur Auslegung des in den landes- bzw satzungsrechtlichen Bestimmungen aufgeführten Kriteriums der "Ausübung des Berufs eines Apothekers" hat sich das LSG ergänzend auf § 1 Abs 1 S 2 der Berufsordnung der Landesapothekerkammer Hessen und § 2 Abs 3 BApO(in der bis zum 22.4.2016 geltenden Fassung) gestützt, der eine ausdrückliche Definition des Apothekerberufs enthält, sowie zusätzlich die seinerzeit geplante Änderung des § 2 Abs 3 BApO durch den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 11.3.2016 (BR-Drucks 120/16) berücksichtigt, die mittlerweile Gesetz geworden ist (vgl § 2 BApO idF vom 20.12.2016 - BGBl I 3048). Unter Zugrundelegung der in der BApO bzw ihrer seinerzeit geplanten Neuregelung sowie der in der Berufsordnung definierten Maßstäbe einer pharmazeutischen Tätigkeit hat das LSG die vom Kläger bei der Beigeladenen zu 2 konkret ausgeübte Tätigkeit als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter als befreiungsfähig angesehen, weil Art und Inhalt dieser Beschäftigung jedenfalls teilweise berufsspezifisch für einen Apotheker seien.

52

(1) Dieses Ergebnis entzieht sich einer Überprüfung durch den Senat.

53

Die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts scheitert insoweit allerdings entgegen der Ansicht des Klägers nicht an bindenden Feststellungen des LSG. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger eine Tätigkeit als Apotheker ausübt, stellt keine Feststellung von Tatsachen, sondern eine rechtliche Schlussfolgerung aufgrund der Subsumtion bestimmter Tatsachen unter die herangezogenen Rechtsvorschriften dar.

54

Eine rechtliche Überprüfung des Subsumtionsschlusses des LSG scheidet aus, weil die Regelungen des Hess HeilBerG sowie der Satzungen der Landesapothekerkammer Hessen und des Versorgungswerks dieser Kammer dem nichtrevisiblen Landesrecht angehören. Zur Auslegung dieser landesrechtlichen Bestimmungen hat das Berufungsgericht zwar ua ergänzend Bundesrecht herangezogen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass seine Auslegung des Landesrechts revisibel wird (vgl BSG SozR 3-6935 Allg Nr 1 S 3 mwN).

55

Verweisungen oder Bezugnahmen auf Bundesrecht ermöglichen die Revision nur dann, wenn eine solche Regelung kraft eines Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers gilt (BVerwG Beschlüsse vom 24.3.1986 - BVerwG 7 B 35.86 - und vom 2.7.1990 - BVerwG 5 B 37.90 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr 132 und 160 mwN). Dies ist hier nicht der Fall.

56

Die BApO enthält keine Verpflichtung des Landesgesetzgebers, bei berufsständischen Regelungen den bundesrechtlichen Begriff der Berufsausübung des Apothekers zu verwenden, insbesondere diesen in jeder Hinsicht so wie das Bundesrecht abzugrenzen (vgl auch BVerwG Urteil vom 30.1.1996 - 1 C 9/93 - Juris RdNr 16 zur BApO idF vom 19.7.1989 - BGBl I 1478). Die BApO regelt insbesondere, welche Tätigkeiten die Approbation als Apotheker erfordern und welche Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation erfüllt sein müssen. Dementsprechend bezieht sich § 2 BApO auf die Berufszulassung(vgl Nomos-BR/Haage BApoO/Heinz Haage, 2. Aufl 2016, BApO § 2 RdNr 1). Ebenso wenig betreffen die übrigen Bestimmungen der BApO Regelungsbereiche berufsständischer Art wie das Kammerrecht (vgl auch BVerwG, aaO, RdNr 13 zur BApO idF vom 19.7.1989 - BGBl I 1478). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 19 GG auch kammerrechtliche Regelungen für Apotheker ermöglicht, seitdem durch das Gesetz zur Änderung des GG vom 28.8.2006 (BGBl I 2034) mit Wirkung zum 1.9.2006 Art 74 geändert und in Abs 1 Nr 19 "das Recht des Apothekenwesens" eingefügt worden ist, um "eine umfassende, nicht auf die Zulassung oder heilende Aspekte beschränkte Regelung dieses Rechtsgebiets" zu ermöglichen (BT-Drucks 16/813 S 13; für eine kammerrechtliche Fragen umfassende Regelungskompetenz: Bonner Komm zum GG, Art 74 Abs 1 Nr 19 RdNr 19 sowie Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, 14. Aufl 2018, Art 74 RdNr 250; aA wohl Kluth in ders, Föderalismusreformgesetz, 2007, Art 74 RdNr 8). Jedenfalls hat der Bundesgesetzgeber solche Regelungen nicht getroffen, sodass die Bundesländer insoweit zur Gesetzgebung weiterhin befugt sind (Art 72 Abs 1 GG). Dementsprechend ist der Landesgesetzgeber bei der Bestimmung des Personenkreises, auf den sich der Wirkungskreis der Landesapothekerkammer erstrecken soll, und der Bestimmung dessen, wann Berufsangehörige im Sinne des Kammerrechts ihren Beruf ausüben, nicht an den bundesrechtlichen Begriff der BApO rechtlich gebunden, kann also die Abgrenzungen eigenständig vornehmen (vgl BVerwG, aaO, RdNr 17 zur BApO idF vom 19.7.1989 - BGBl I 1478). Die Heranziehung von Bundesrecht durch das Berufungsgericht stellt sich mithin lediglich als eine zulässige Interpretationshilfe dar, die jedoch nichts daran ändert, dass das ausgelegte Merkmal der Berufsausübung des Apothekers dem Landesrecht angehört und damit nicht revisibel ist (vgl BVerwG aaO).

57

Mit dieser Auffassung weicht der Senat nicht von der Entscheidung des 3. Senats vom 10.3.2011 (B 3 KS 2/10 R - BSGE 108, 8 = SozR 4-5425 § 4 Nr 1, RdNr 17) ab, in der ausgeführt ist, dass die Auslegung von Landesrecht das Revisionsgericht nicht bindet, wenn sie gegen Bundesrecht verstößt, was ua der Fall sei, wenn das LSG bei der Gesetzesauslegung bundesrechtliche Normen herangezogen habe, die den ihnen beigelegten Regelungsgehalt nicht aufwiesen. Diese Ausführungen sind nicht dahin zu verstehen, dass bei einer bloßen Heranziehung von Bundesrecht als Interpretationshilfe für Landesrecht die bundesrechtliche Norm auf ihr richtiges Verständnis durch das LSG vom Revisionsgericht überprüfbar wäre, was verneinendenfalls die Revisibilität von Landesrecht zur Folge hätte. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der 3. Senat in der genannten Entscheidung (aaO) selbst ausführt, ein Verstoß gegen Bundesrecht liege nicht bereits dann vor, wenn das Revisionsgericht aus seiner Sicht zu einer anderen Gesetzesauslegung kommen würde, und zum anderen aus dem in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 3.11.1993 (14b REg 6/93 - SozR 3-6935 Allg Nr 1 S 3). Auch dort ist - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG - hervorgehoben, dass keine Revisibilität vorliegt, wenn das Tatsachengericht Bundesrecht lediglich zur Ergänzung lückenhafter landesrechtlicher Regelungen herangezogen hat. Eine Revisibilität von Landesrecht ist im dort entschiedenen Fall bejaht worden, weil das Tatsachengericht den geltend gemachten Rechtsanspruch entgegen dem klaren Wortlaut der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen aus zwingenden Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts und damit Bundesrecht zu Unrecht abgeleitet hat. Um einen solchen Sachverhalt geht es vorliegend nicht. Insbesondere hat das LSG nicht entgegen dem Wortlaut der maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften einen Befreiungsanspruch des Klägers aus bundesrechtlichen Normen abgeleitet. Es ist nochmals zu betonen, dass das Berufungsgericht ausgeführt hat, die einschlägigen "landesrechtlichen bzw. satzungsrechtlichen Bestimmungen knüpfen an das Kriterium der Ausübung des Berufs eines Apothekers an", dessen Definition es § 2 Abs 3 BApO entnommen hat. Ferner hat das LSG erklärt, dass ua "unter Zugrundelegung des durch … die Berufsordnung (der Landesapothekerkammer Hessen) definierten Maßstabs einer pharmazeutischen Tätigkeit … die von dem Kläger bei der Beigeladenen zu 2 konkret ausgeübte Tätigkeit … befreiungsfähig i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI …" ist.

58

(2) Der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt allerdings, ob die Anwendung des Landesrechts in der Auslegung durch das Berufungsgericht Bundesrecht, insbesondere Verfassungsrecht verletzt. Dies ist der Fall, wenn das Berufungsgericht den Rahmen der Gesetzesauslegung überschritten und die Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) willkürlich missachtet hat (vgl BSGE 108, 8 = SozR 4-5425 § 4 Nr 1, RdNr 17).

59

Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

60

Es ist nicht erkennbar, dass das LSG willkürlich nicht die im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung vom 28.4.2016 geltende und damit für die Zeit ab dem Datum ihres Inkrafttretens maßgebliche Fassung des § 2 Abs 3 BApO vom 18.4.2016, sondern ausschließlich die am 22.4.2016 außer Kraft getretene Fassung der Vorschrift seinem Urteil zugrunde gelegt hat (vgl zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Verpflichtungsklage Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 34 mwN). Unter Berücksichtigung der notwendigen Vorbereitungszeit für eine zweitinstanzliche mündliche Verhandlung, insbesondere der erforderlichen Zeit für die Erstellung eines Entscheidungsvorschlags, drängt sich vielmehr geradezu auf, dass die (ausschließliche) Anwendung einer Gesetzesfassung, die sechs Tage vor der Entscheidung außer Kraft getreten ist, versehentlich erfolgt bzw das Außerkrafttreten der alten Fassung übersehen worden ist. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte für eine willkürliche Fehlinterpretation des Wortlauts des § 2 Abs 3 BApO durch das LSG, das aus dem Wort "insbesondere" geschlossen hat, dass die Vorschrift keine abschließende Aufzählung pharmazeutischer Tätigkeiten enthält und die von ihr erfasste Berufsausübung nicht ausschließlich unter der Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" erfolgen muss, zumal sich der 5. Senat des LSG für dieses Verständnis auf den Beschluss eines anderen Senats des Hessischen LSG stützen konnte (vgl Hessisches LSG Beschluss vom 17.11.2011 - L 8 KR 77/11 B ER - Juris RdNr 35). Auch lässt die Heranziehung weiterer Sachargumente - wie zB die Berücksichtigung der seinerzeit geplanten Änderung des § 2 Abs 3 BApO in Gestalt der ausdrücklichen Benennung weiterer Tätigkeitsbereiche für Apotheker unter Beibehaltung des Wortes "insbesondere" sowie der Ausbildungsinhalte des Studiums der Pharmazie - die Schlussfolgerung auf eine willkürliche Gesetzesauslegung nicht zu.

61

bb) Schließlich verlangt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass die Tätigkeit, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt werden kann, eine "approbationspflichtige" Tätigkeit - hier iS des § 2 BApO - ist. Dies ergibt sich weder aus dem Wortlaut oder der Gesetzeshistorie der Norm, noch sprechen sonstige Erwägungen für ein solches Normverständnis (vgl hierzu ausführlich Urteil des 5. Senats vom 7.12.2017 - B 5 RE 10/16 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 6 Nr 14 vorgesehen). Der Bundesgesetzgeber hat sich vielmehr bei der Ausübung seiner entsprechenden Gesetzeskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG auf die Inkorporation der landesrechtlichen Normen zum Kammer- und Versorgungsrecht beschränkt.

62

d) Dagegen kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger aufgrund seiner entgeltlichen Beschäftigung auch (renten)versicherungspflichtig ist (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI), weil Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit wegen Entgeltgeringfügigkeit (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung iVm § 8 Abs 1 SGB IV und § 230 Abs 8 SGB VI bzw § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI in der ab 1.1.2013 geltenden Fassung iVm § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV) fehlen. Ebenso fehlen Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a bis c iVm Abs 3 S 1 SGB VI.

63

Diese Feststellungen sind auch nicht deswegen entbehrlich, weil nach den Ausführungen des LSG allein "streitig" ist, ob der Kläger eine befreiungsfähige Beschäftigung iS des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ausübt und die weiteren Voraussetzungen der Norm "unstreitig" vorliegen. Das sozialgerichtliche Verfahren wird nach wie vor vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) beherrscht, dem ein streitiges bzw unstreitiges Vorbringen der Beteiligten fremd ist. Die SGe haben dementsprechend einen angegriffenen VA unabhängig von dem Vorbringen der Beteiligten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Initiativen des Bundesrates für eine "Einschränkung des Streitstoffs" durch übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten, die überdies nur Höhenverfahren betreffen (vgl Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Änderung des SGG vom 28.6.2016 - BR-Drucks 18/8971 Anl 1 S 5, 7, 9; vgl auch Plenarprotokoll 964 über die Sitzung des Bundesrates vom 2.2.2018 S 10 ), sind bislang nicht Gesetz geworden (vgl Beschluss des Bundesrates vom 2.2.2018 über die erneute Einbringung des Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des SGG beim Deutschen Bundestag - BR-Drucks 29/18).

64

In dem wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG die noch nicht geklärten Tatsachen festzustellen haben.

65

Die Kostenentscheidung bleibt einer Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung der Beigeladenen zu 5. und 7. für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2007.

2

Die Beigeladenen zu 5. und 7. waren bei dem klagenden Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (früher Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge; im Folgenden: Klägerin) als Volljuristen in der Funktion eines Einzelentscheiders bei der Bearbeitung von Asylanträgen angestellt. Sie verfügten bei Aufnahme der Tätigkeit jeweils über eine Befreiungsentscheidung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Rechtsvorgängerin der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund.

3

Der Beigeladene zu 5. war seit September 1989 Pflichtmitglied in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung und nahm im Oktober 1989 eine Beschäftigung bei dem Freistaat Bayern auf. Er wurde durch Bescheid vom 26.1.1990 mit Wirkung vom 1.10.1989 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Der Kläger hatte im Antrag auf Befreiung als Arbeitgeber den Freistaat Bayern angegeben. Seine Beschäftigung für die Klägerin begann im Dezember 1990 und dauerte noch an, als er seine Rechtsanwaltszulassung im März 1996 zurückgab. Im streitigen Zeitraum bestand eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Die Beigeladene zu 7. nahm im Oktober 1990 eine Beschäftigung als Rechtsanwältin bei einem Rechtsanwalt in L. auf. Seit diesem Zeitpunkt war sie Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rheinland-Pfälzischen Rechtsanwaltskammern. In ihrem Befreiungsantrag hatte sie als Arbeitgeber den genannten Rechtsanwalt angegeben. Sie wurde durch Bescheid vom 13.12.1990 mit Wirkung vom 1.10.1990 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Ihre Beschäftigung für die Klägerin begann im Dezember 1992. Sie bezieht seit Oktober 2010 eine Vollrente wegen Alters und übte im Zeitraum von Februar bis Juni 2016 eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin aus. Entsprechende Befreiungsanträge lehnte die Beklagte ab.

4

Aufgrund einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte für die Beigeladenen zu 5. und 7. sowie weitere fünf als Einzelentscheider angestellte Volljuristen für die Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2007 von der Klägerin Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 251 604,84 Euro nach. Die Betroffenen seien als Beschäftigte rentenversicherungspflichtig und im Prüfzeitraum für die Tätigkeit bei der Klägerin nicht wirksam von der Rentenversicherungspflicht befreit gewesen. Die Klägerin und die betroffenen Einzelentscheider legten erfolglos Widerspruch ein (Bescheid vom 23.12.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.6.2009).

5

Das SG hob auf die von der Klägerin erhobene Klage die angefochtenen Bescheide auf, soweit sie den Beigeladenen zu 5. und einen weiteren Einzelentscheider betrafen (Urteil vom 21.12.2012). Zuvor waren seitens der Beklagten Änderungsbescheide am 26.5.2010, 20.7.2010 und 13.8.2010 erlassen worden; der Nachforderungsbetrag reduzierte sich infolgedessen auf insgesamt 142 912,80 Euro. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG teilweise aufgehoben, soweit der Beigeladene zu 5. obsiegt hatte, und die Klage abgewiesen; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten und die Berufungen der Beigeladenen zu 7. und eines weiteren Einzelentscheiders zurückgewiesen (Urteil vom 24.7.2015 und Berichtigungsbeschluss vom 8.9.2015). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen zu 5. und 7. für die Klägerin bestehe Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der GRV und damit zugleich Beitragspflicht. Die Beigeladene zu 7. habe zwar am 13.12.1990 einen Befreiungsbescheid gemäß § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) erhalten, jedoch erstrecke sich diese Befreiung nur auf die Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin, nicht jedoch auf die ab Dezember 1992 für die Klägerin ausgeübte Beschäftigung als Einzelentscheiderin. Ein noch nach dem AVG ergangener Befreiungsbescheid erstrecke sich ungeachtet einer fortgeführten Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk nicht auf eine andere Beschäftigung. Der Befreiungsbescheid verliere seine Wirkung mit Aufnahme einer anderen Beschäftigung als derjenigen, für welche die Befreiung ausgesprochen worden sei. Dies ergebe sich auch aus § 231 SGB VI, der keinen umfassenden, sondern nur einen auf die konkrete Erwerbstätigkeit bezogenen Bestandsschutz gewähre. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis in den zum AVG ergangenen Befreiungsbescheiden, dass die Befreiung auch bei einem Wechsel von der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige Weiterversicherung fortgelte. Hinsichtlich des Beigeladenen zu 5. kämen diese rechtlichen Erwägungen ebenfalls zum Tragen; denn auch der Beigeladene zu 5. habe keine Befreiung für die ab Dezember 1990 ausgeübte Beschäftigung als Einzelentscheider erhalten.

6

Mit seiner Revision rügt der Beigeladene zu 5. die Verletzung von §§ 39 und 40 SGB X. Der Bescheid der Beklagten vom 23.12.2008 sehe seine Versicherungspflicht nicht vor. Der Bescheid sei nichtig gemäß § 40 SGB X, jedenfalls ihm gegenüber nicht iS von § 39 SGB X wirksam. Darüber hinaus rügt er die Verletzung des § 7 Abs 2 AVG iVm § 231 SGB VI. Maßgeblich für die Bestimmung der Wirkung der Befreiungsentscheidung sei die am Stichtag 31.12.1991 ausgeübte Tätigkeit. Zu diesem Zeitpunkt sei er aber schon bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Zudem verletze das LSG § 7 AVG auch deshalb, weil es die Fortführung der freiwilligen Mitgliedschaft im Versorgungswerk nicht als ausreichend für eine Fortgeltung des Befreiungsbescheids erachte. Der Hinweis im Befreiungsbescheid darauf, dass die Befreiung auch bei einem Wechsel von der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige Mitgliedschaft fortgelte, sei ebenfalls als Verwaltungsakt zu qualifizieren und binde die Beklagte. Auch hieraus ergebe sich eine Verletzung des § 39 SGB X.

7

Mit ihrer Revision macht die Beigeladene zu 7. geltend, dass sie wirksam von der Versicherungspflicht in der GRV befreit worden sei und diese Befreiung auch für die Beschäftigung als Einzelentscheiderin bei der Klägerin gelte. Zudem habe sie im Februar 2016 einen Arbeitsvertrag als Syndikusrechtsanwältin abgeschlossen und einen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin sowie rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gestellt. Dies sei im vorliegenden Revisionsverfahren zu berücksichtigen.

8

Der Beigeladene zu 5. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015 bezüglich des Beigeladenen zu 5. aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2012 insoweit zurückzuweisen.

9

Die Beigeladene zu 7. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. Mai 2010, 20. Juli 2010 und 13. August 2010 bezüglich der Beigeladenen zu 7. aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. zurückzuweisen.

11

Sie verweist im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BSG zur Reichweite der nach § 7 Abs 2 AVG erteilten Befreiungsbescheide(BSG Urteile vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4, vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12, und vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 § 6 Nr 5) und zur Wirkung des § 231 SGB VI(BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5).

12

Die Klägerin und die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

1. Die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. sind zulässig.

15

Die Beigeladenen zu 5. und 7. sind rechtmittelberechtigt und beschwert. Für Beigeladene gilt, dass sie Rechtsmittel einlegen können, wenn die ergangene Entscheidung sie materiell beschwert, in eigene Rechtspositionen des Beigeladenen eingreifen und zu einer Beeinträchtigung subjektiver Rechte des Beigeladenen führen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 11. Aufl 2017, Vor § 143 RdNr 4a mwN). Bei dem Bescheid der Beklagten vom 23.12.2008 (in seinen späteren Fassungen) handelt es sich um einen Bescheid mit Drittwirkung; denn er beinhaltet neben der Beitragsforderung gegen die Klägerin eine Statusentscheidung, welche die Beigeladenen zu 5. und 7. unmittelbar betrifft. Da die Beigeladenen zu 5. und 7. materiell beschwert sind, in der Vorinstanz notwendig beigeladen wurden und die Beigeladene zu 7. zudem selbst Berufungsklägerin war, sind sie befugt, eigene Rechtsmittel einzulegen, obwohl sie nicht Adressaten des Bescheids sind. Daran ändert auch die Zurücknahme der Revision der Beklagten als Hauptbeteiligte nichts, denn der Hauptbeteiligte kann nicht durch bloße Rücknahme des Rechtsmittels eine Verfügung über den Streitgegenstand treffen, sodass das Rechtsmittel fortgeführt wird (vgl schon BSG Urteil vom 27.11.1962 - 3 RK 37/60 - BSGE 18, 131 = SozR Nr 9 zu § 160 SGG).

16

2. Die Revisionen sind jedoch unbegründet.

17

Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die angegriffenen Bescheide bezüglich der Beigeladenen zu 5. und 7. rechtmäßig und daher nicht aufzuheben sind. Die Beklagte hat zu Recht Beiträge zur GRV für die bei der Klägerin in der Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2007 ausgeübten Tätigkeiten der Beigeladenen zu 5. und 7. als Einzelentscheider, die unzweifelhaft Beschäftigungen waren, nachgefordert. Die Beigeladenen zu 5. und 7. waren nicht aufgrund der ihnen erteilten Befreiungsbescheide von der Versicherungspflicht in der GRV wegen dieser Beschäftigungen bei der Klägerin befreit.

18

Der Beigeladene zu 5. war zwar, nachdem er als Rechtsanwalt zugelassen und Pflichtmitglied der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung geworden war, durch einen ab 1.10.1989 wirkenden Befreiungsbescheid im Hinblick auf seine im Oktober 1989 begonnene Beschäftigung bei dem Freistaat Bayern befreit worden. Die Beigeladene zu 7. wurde als Rechtsanwältin mit Wirkung vom 1.10.1990 von der Versicherungspflicht in der GRV befreit, nachdem sie zur gleichen Zeit Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Rheinland-Pfälzischen Rechtsanwaltskammern geworden war. Die ihnen erteilten Befreiungsbescheide wirkten jedoch nicht für die im Dezember 1990 (Beigeladener zu 5.) bzw Dezember 1992 (Beigeladene zu 7.) aufgenommenen Beschäftigungen bei der Klägerin (a.). Die Versicherungspflicht trat hinsichtlich der Beschäftigungen bei der Klägerin als Einzelentscheider von Gesetzes wegen ein, ohne dass es einer Aufhebung der früheren Befreiungsbescheide bedurft hätte (b.). Eine Rechtswidrigkeit des Betriebsprüfungsbescheids der Beklagten vom 23.12.2008 (in seinen späteren Fassungen) ergibt sich zudem weder aus Gründen nicht hinreichender Bestimmtheit des Bescheids bezüglich des Beigeladenen zu 5. (c.) noch wegen eines im Jahr 2016 gestellten Befreiungsantrags der Beigeladenen zu 7. im Hinblick auf ihre Tätigkeit als zugelassene Syndikusrechtsanwältin (d.).

19

a. Bei dem Beigeladenen zu 5. waren die Voraussetzungen für die mit Wirkung ab 1.10.1989 erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zunächst erfüllt. Dies ergibt sich aus § 7 Abs 2 AVG in der am 1.7.1979 in Kraft getretenen Fassung des Art 3 Nr 2 Buchst a des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25.6.1979 (BGBl I 797). Danach wurden Personen auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht befreit, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind, wenn für die angestellten Mitglieder nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Diese Voraussetzungen waren bei dem Beigeladenen zu 5. ursprünglich erfüllt; denn er war bei Erteilung des Befreiungsbescheids nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG in diesem Zeitraum aufgrund landesgesetzlicher Verpflichtung als Rechtsanwalt Pflichtmitglied der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung als eines berufsständischen Versorgungswerks iS des § 7 Abs 2 AVG. Auch bei der Beigeladenen zu 7. lagen die Voraussetzungen für die mit Wirkung ab 1.10.1990 erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zunächst vor; dies ergab sich ebenfalls aus § 7 Abs 2 AVG. Sie war bei Erteilung des Befreiungsbescheids nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG in diesem Zeitraum aufgrund landesgesetzlicher Verpflichtung als Rechtsanwältin Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rheinland-Pfälzischen Rechtsanwaltskammern als einem berufsständischen Versorgungswerk iS des § 7 Abs 2 AVG.

20

Die Befreiungsbescheide verloren jedoch jeweils mit dem Wechsel in die Beschäftigung bei der Klägerin ihre Wirkung. Rechtsgrundlage für die von den Beigeladenen zu 5. und 7. begehrte Feststellung hinsichtlich der Reichweite der ursprünglichen Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist § 231 S 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der GRV - RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl I 2261; § 231 SGB V aF). Nach dieser Bestimmung bleiben Personen, die am 31.12.1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Die Voraussetzungen dieser Norm sind jedoch nicht erfüllt, weil die darin geforderte "Identität" zwischen den Beschäftigungen der Beigeladenen zu 5. und 7., die ihren mit Bescheiden vom 26.1.1990 und 13.12.1990 erteilten Befreiungen von der Rentenversicherungspflicht zugrunde lagen, und den Beschäftigungen bei der Klägerin als Einzelentscheider nicht gegeben ist. Die Beigeladenen zu 5. und 7. gehören zwar zu dem von § 231 S 1 SGB VI aF erfassten Personenkreis, weil sie antragsgemäß mit den genannten Bescheiden wegen einer Beschäftigung als Rechtsanwalt bzw bei dem Freistaat Bayern gemäß § 7 Abs 2 AVG von der Versicherungspflicht in der GRV befreit wurden. Bei der im streitigen Zeitraum für die Klägerin ausgeübten Beschäftigung der Beigeladenen zu 5. und 7. handelt es sich indessen nicht - wie von § 231 S 1 SGB VI aF gefordert - um dieselbe Beschäftigung, die der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht zugrunde lag.

21

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 31.10.2012 (B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5) ausgeführt hat, knüpft § 231 S 1 SGB VI aF für die fortdauernde Wirkung einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV an die konkrete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit an und fordert eine "Identität" der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, die während der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht verrichtet wurde, mit der aktuellen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit. § 231 S 1 SGB VI aF ordnet die Fortwirkung einer vor dem 1.1.1992 erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht nur hinsichtlich "derselben" Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit an. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich durch die Verwendung des Merkmals "derselben" die Notwendigkeit eines Vergleichs und als dessen Ergebnis einer Identität zwischen der ursprünglichen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit und der aktuellen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit. Diese Fokussierung auf die konkrete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit entspricht der durch § 6 Abs 5 S 1 SGB VI auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkten Wirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 mwN; BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 § 6 Nr 5). Darüber hinaus ist dem Wortlaut des § 231 S 1 SGB VI aF zu entnehmen, dass Anknüpfungspunkt für das Fortbestehen einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV allein die (jeweilige) "Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit" des Betroffenen ist. Der Gesetzeswortlaut definiert die Fortwirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht über materielle Merkmale der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, wie etwa Berufsbezeichnung, berufliche Qualifikation oder beruflicher Status. "Beschäftigung" wiederum wird in § 7 Abs 1 S 1 SGB IV als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" definiert und in Abs 1 S 2 der Regelung gekennzeichnet als Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines (konkreten) Weisungsgebers. Eine andere Beschäftigung liegt damit schon dann vor, wenn eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

22

Der Beigeladene zu 5. erhielt als Rechtsanwalt einen Befreiungsbescheid bezogen auf eine Tätigkeit bei dem Freistaat Bayern und übte diese von Oktober 1989 an aus. Die Beigeladene zu 7. erhielt einen Befreiungsbescheid bezogen auf eine Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt in L. Jedoch wechselten beide Beigeladenen im Dezember 1990 bzw Dezember 1992 Beschäftigung und Arbeitgeber und begannen ihre Tätigkeiten als Einzelentscheider für die Klägerin. Die Befreiungsbescheide entfalteten für diese Tätigkeiten keine Wirkung mehr, ohne dass es insoweit allerdings ihrer Aufhebung bedurft hätte (dazu noch b.).

23

Dass der Befreiungsbescheid des Beigeladenen zu 5. darüber hinaus mit dem Ausscheiden aus der Rechtsanwaltskammer und der damit verbundenen Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs im März 1996 rechtswidrig geworden ist, ist im vorliegenden Fall wegen des vorherigen Wechsels der Beschäftigung ohne Belang. Mit der Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs und dem damit verbundenen Ausscheiden aus der Rechtsanwaltskammer im März 1996 endete die Pflichtmitgliedschaft des Beigeladenen zu 5. bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Von diesem Zeitpunkt an war der Beigeladene zu 5. nicht mehr aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, sondern nur noch dessen freiwilliges Mitglied. Wie der Senat schon mit Urteil vom 30.4.1997 (12 RK 34/96 - BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4) entschieden hat, rechtfertigt die Tatsache, dass eine Tätigkeit als angestellter Jurist bei einer anderen Organisation der vorherigen Beschäftigung inhaltlich ähnlich sein mag, die Fortdauer der Befreiung nicht, weil eine Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk nur für Rechtsanwälte als Mitglieder der Rechtsanwaltskammer, nicht aber für andere Juristen vorgeschrieben war - so auch in Bayern -, vgl Art 30 Abs 1 Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) vom 25.6.1994 (GVBl 466). Die freiwillige Mitgliedschaft des Beigeladenen zu 5. beim Versorgungswerk berechtigte weder zur Erteilung noch zur Aufrechterhaltung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Der Senat führt auch diese Rechtsprechung fort.

24

b. Liegen die Voraussetzungen des § 231 S 1 SGB VI aF durch den Wechsel der Tätigkeiten nicht mehr vor, so ist Rentenversicherungspflicht in den nunmehr ausgeübten Beschäftigungen als Einzelentscheider kraft Gesetzes eingetreten. Die Befreiungsbescheide brauchten insoweit auch bei Befreiungen, die vor dem 1.1.1992 nach § 7 Abs 2 AVG ausgesprochen worden sind, nicht aufgehoben zu werden(BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 78 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59 f und BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 11). § 231 S 1 SGB VI aF stellt sicher, dass die vor 1992 nach § 7 Abs 2 AVG und die seit dem 1.1.1992 nach § 6 Abs 1 S 1 SGB VI ausgesprochenen Befreiungen hinsichtlich ihres Geltungsbereichs einheitlich behandelt werden. Die Befreiungsbescheide bringen nicht zum Ausdruck, dass sich die Befreiung auf jedwede, auch nichtanwaltliche Tätigkeit erstreckt; vielmehr führen sie aus, dass sich die Befreiung auf diejenigen Beschäftigungen bezieht, auf denen die Mitgliedschaft in der jeweiligen Versorgungseinrichtung beruht. Die Befreiungen galten auch nicht - wie der Beigeladene zu 5. meint - wegen der in den Befreiungsbescheiden enthaltenen Hinweise zur Dauer der Befreiung fort. Diese (erläuternden) Hinweise zur Fortdauer der Befreiung für die sich an eine Pflichtmitgliedschaft anschließende freiwillige Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung stellen weder eine rechtliche Regelung iS des § 31 S 1 SGB X noch eine Nebenbestimmung iS von § 32 SGB X dar(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17 und BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57).

25

c. Der Betriebsprüfungsbescheid vom 23.12.2008 ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X. Aus dem streitigen Bescheid ergibt sich eindeutig der Adressat des Bescheids - die Klägerin - ebenso wie die an diese gerichtete Aufforderung, insgesamt 251 604,84 Euro an Beiträgen zur GRV an die jeweiligen Einzugsstellen nachzuzahlen; gleiches gilt für die Änderungsbescheide. Der Umstand, dass der Beigeladene zu 5. im Begründungstext nicht erwähnt ist, sondern nur in der Anlage zu dem Bescheid, ändert hieran nichts. Zwar fehlt es im Ausgangsbescheid an einer Begründung für die Nachforderung bezüglich des Beigeladenen zu 5., jedoch wird sein Verfügungssatz dadurch nicht unbestimmt. Im Übrigen hätte der Bescheid - anders als der Beigeladene zu 5. meint - an ihn nicht adressiert werden müssen; denn § 28p Abs 1 S 5 SGB IV sieht grundsätzlich nur vor, dass gegenüber dem Arbeitgeber Versicherungspflicht und Beitragshöhe festgestellt wird, nicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Dies hindert zwar nicht, einen inhaltsgleichen Bescheid auch gegenüber dem Arbeitnehmer zu erlassen, weil solche Verwaltungsakte sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer rechtsgestaltende Wirkung entfalten (BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 21 f); eine Verpflichtung dazu besteht aber nicht. Die Unvollständigkeit der Begründung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts gemäß § 35 Abs 1 SGB X führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit desselben. Nach § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X ist die Verletzung dieser Verfahrens- oder Formvorschrift, wenn sie den Verwaltungsakt nicht nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, soweit die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Die Beklagte korrigierte während des Widerspruchsverfahrens ihre Begründung und erläuterte, weshalb von Versicherungspflicht für den Beigeladenen zu 5. auszugehen ist. Ein Begründungsmangel war damit geheilt. Eine Nichtigkeit des Bescheids gemäß § 40 SGB X liegt offensichtlich nicht vor.

26

d. An der im streitigen Zeitraum (1.1.2004 bis 31.12.2007) fortbestehenden Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 7. ändern die von ihr nach § 231 Abs 4b SGB VI gestellten Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin und auf rückwirkende Befreiung für zeitlich davor liegende Tätigkeiten nichts. Die Beklagte lehnte eine solche Befreiung von der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 7. als Syndikusrechtsanwältin und eine Rückwirkung auf die Tätigkeit bei der Klägerin ab. Diese ablehnenden Entscheidungen der Beklagten ändern oder ersetzen den streitigen Betriebsprüfungsbescheid nicht (vgl § 171 SGG). Zu beurteilen ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Erteilung einer Befreiung, sondern allein ein Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten, der die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen verpflichtet. Da somit keine rückwirkend gültigen Befreiungsentscheidungen der Beklagten für die Beigeladene zu 7. vorliegen, bleibt es bei dem Bestehen von deren Versicherungspflicht in der GRV im streitigen Zeitraum.

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) Personen, die nicht versicherungspflichtig sind, können sich für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. Dies gilt auch für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben.

(2) Nach bindender Bewilligung einer Vollrente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente ist eine freiwillige Versicherung nicht zulässig, wenn der Monat abgelaufen ist, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Versicherungsfrei sind

1.
Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst,
2.
sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, deren Verbänden einschließlich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaften, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist,
3.
Beschäftigte im Sinne von Nummer 2, wenn ihnen nach kirchenrechtlichen Regelungen eine Anwartschaft im Sinne von Nummer 2 gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist, sowie satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften, wenn ihnen nach den Regeln der Gemeinschaft Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist,
in dieser Beschäftigung und in weiteren Beschäftigungen, auf die die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft erstreckt wird. Für Personen nach Satz 1 Nr. 2 gilt dies nur, wenn sie
1.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen Anspruch auf Vergütung und bei Krankheit auf Fortzahlung der Bezüge haben oder
2.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben oder
3.
innerhalb von zwei Jahren nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses in ein Rechtsverhältnis nach Nummer 1 berufen werden sollen oder
4.
in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis stehen.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 2 und 3 sowie nach Satz 2 und die Erstreckung der Gewährleistung auf weitere Beschäftigungen entscheidet für Beschäftigte beim Bund und bei Dienstherren oder anderen Arbeitgebern, die der Aufsicht des Bundes unterstehen, das zuständige Bundesministerium, im Übrigen die oberste Verwaltungsbehörde des Landes, in dem die Arbeitgeber, Genossenschaften oder Gemeinschaften ihren Sitz haben. Die Gewährleistung von Anwartschaften begründet die Versicherungsfreiheit von Beginn des Monats an, in dem die Zusicherung der Anwartschaften vertraglich erfolgt.

(2) Versicherungsfrei sind Personen, die eine

1.
Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Vierten Buches oder
2.
geringfügige selbständige Tätigkeit nach § 8 Absatz 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 1 oder nach § 8 Absatz 3 in Verbindung mit den §§ 8a und 8 Absatz 1 des Vierten Buches
ausüben, in dieser Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit. Bei Anwendung von Satz 1 Nummer 2 ist im gesamten Kalenderjahr die zum 1. Januar des jeweiligen Kalenderjahres geltende Geringfügigkeitsgrenze maßgebend. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen selbständigen Tätigkeit nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Satz 1 Nummer 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung beschäftigt sind.

(3) Versicherungsfrei sind Personen, die während der Dauer eines Studiums als ordentliche Studierende einer Fachschule oder Hochschule ein Praktikum ableisten, das in ihrer Studienordnung oder Prüfungsordnung vorgeschrieben ist.

(4) Versicherungsfrei sind Personen, die

1.
nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, eine Vollrente wegen Alters beziehen,
2.
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung eine Versorgung nach Erreichen einer Altersgrenze beziehen oder die in der Gemeinschaft übliche Versorgung im Alter nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 erhalten oder
3.
bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nicht versichert waren oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine Beitragserstattung aus ihrer Versicherung erhalten haben.
Satz 1 gilt nicht für Beschäftigte in einer Beschäftigung, in der sie durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf die Versicherungsfreiheit verzichten. Der Verzicht kann nur mit Wirkung für die Zukunft erklärt werden und ist für die Dauer der Beschäftigung bindend. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für selbständig Tätige, die den Verzicht gegenüber dem zuständigen Träger der Rentenversicherung erklären.

(1) Es wird eine Patentanwaltskammer gebildet. Ihr Sitz wird durch ihre Satzung bestimmt.

(2) Mitglieder der Patentanwaltskammer sind

1.
Personen, die von ihr zur Patentanwaltschaft zugelassen oder von ihr aufgenommen wurden,
2.
Berufsausübungsgesellschaften, die von ihr zugelassen wurden, und
3.
Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von Berufsausübungsgesellschaften nach Nummer 2, die nicht schon nach Nummer 1 Mitglied der Patentanwaltskammer sind.

(3) Die Mitgliedschaft in der Patentanwaltskammer erlischt

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, wenn die Voraussetzungen des § 20 vorliegen,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Nummer 2, wenn die Voraussetzungen des § 52h Absatz 1 bis 3 vorliegen,
3.
in den Fällen des Absatzes 2 Nummer 3, wenn bei der Berufsausübungsgesellschaft
a)
die Voraussetzungen der Nummer 2 vorliegen,
b)
gegen das Mitglied des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans eine bestandskräftige Entscheidung im Sinne des § 52j Absatz 5 Satz 3 ergangen ist oder
c)
die Geschäftsführungstätigkeit für die Berufsausübungsgesellschaft oder die Mitgliedschaft im Aufsichtsorgan beendet ist.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin ab dem 18.9.2009 für die Beschäftigung, die sie bei der Beigeladenen zu 1. ausübt, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

2

Die 1972 geborene Klägerin ist Volljuristin. Die Beigeladene zu 1. betreibt ein Beratungsunternehmen für betriebliche Altersversorgung und Vergütung; ihre Rechtsabteilung besteht ausschließlich aus Volljuristen. Die Beigeladene zu 2. leistet ihren Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten Versorgung nach Maßgabe ihrer Satzung (Bekanntmachung des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.7.1985, JMBl NW 172) und des Gesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung (RAVG NW) vom 6.11.1984 (GVBI NW 684).

3

Im Herbst 1999 bewarb sich die Klägerin erfolgreich bei der Beigeladenen zu 1. auf die Stelle einer "Jurist/in in dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung" und nahm am 1.2.2000 in der Rechtsabteilung eine Beschäftigung als "juristische Mitarbeiterin" gegen Entgelt auf (Anstellungsvertrag vom 26.1.2000). Als solche ist sie weisungsgebunden, fachlich jedoch unabhängig. Sie betreut und berät versicherungsrechtliche Fragestellungen (Einrichtung, Durchführung und Änderung) der Versorgungs- und Vergütungssysteme rechtlich umfassend, beantwortet sämtliche steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen, verhandelt selbständig mit Geschäftspartnern, tritt als Referentin bei Vorträgen auf, bearbeitet anspruchsvolle Grundsatz- und Projektarbeit im Bereich "Betriebliche Altersversorgung und Vergütung" und nimmt an wesentlichen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen bei steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen teil (Stellenbeschreibung vom 7.4.2009 und Stellungnahme der Beigeladenen zu 1. vom 17.3.2011). Ihrer rechtlichen Bewertung wird im Unternehmen der Beigeladenen zu 1. hohes Gewicht beigemessen. Allerdings trifft sie - wegen des im Unternehmen praktizierten Vier-Augen-Prinzips - Entscheidungen nicht allein, sondern nur im Einvernehmen mit den Vorgesetzten, insbesondere mit ihrem Abteilungsleiter, der zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist. Nach § 6 des Anstellungsvertrags vom 26.1.2000 benötigt sie für entgeltliche oder unentgeltliche Nebenbeschäftigungen sowie Veröffentlichungen und Vorträge die vorherige schriftliche Zustimmung der Beigeladenen zu 1. Die Klägerin betrieb ihre Zulassung zur Rechtsanwältin zunächst nicht, weil die Beigeladene zu 1. dies nicht wünschte.

4

Anfang 2009 übernahm die Klägerin den Kundenstamm und die Aufgaben einer Kollegin, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen war. In einer Freistellungserklärung vom 5.3.2009 erklärte sich die Beigeladene zu 1. unwiderruflich damit einverstanden, dass die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als juristische Mitarbeiterin als Rechtsanwältin arbeiten und während der Dienststunden anwaltliche Termine wahrnehmen dürfe. Denn aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung der Firmenpolitik sollten auf Wunsch der Beigeladenen zu 1. nunmehr alle in der Rechtsabteilung tätigen Volljuristen (ohne Änderung des Anstellungsvertrags) zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein.

5

Am 8.7.2009 beantragte die Klägerin bei der Rechtsanwaltskammer (RAK) D. ihre Zulassung als Rechtsanwältin, fügte die Freistellungserklärung vom 5.3.2009 sowie die Stellenbeschreibung vom 7.4.2009 bei und gab an, sie werde ihre Kanzlei in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1. einrichten. Der Vorstand der RAK teilte ihr mit, er habe ihren Antrag "bezüglich der Syndikustätigkeit" bei der Beigeladenen zu 1. geprüft und keine Bedenken geltend gemacht (Schreiben vom 8.9.2009). Am 18.9.2009 wurde die Klägerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, gleichzeitig Mitglied der RAK D. und damit nach § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung der Beigeladenen zu 2. deren Pflichtmitglied. Ab diesem Zeitpunkt schloss sie bei der A. Versicherung AG eine Berufshaftpflichtversicherung für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin zu einem Sonderjahresbeitrag von 97 EUR ab, der ihr wegen einer nur nebenberuflich ausgeübten freien Anwaltstätigkeit gewährt wurde. Die Klägerin teilt ihre Büroräume bei der Beigeladenen zu 1. mit einem weiteren Mitarbeiter ("Doppelbüro"), hat dort kein Kanzleischild, das auf ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin hinweist, und führt auch keine eigenen, der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Rechtsanwaltsakten. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit hat sie nicht erzielt.

6

Am 25.11.2009 beantragte die Klägerin, sie wegen ihrer berufsspezifischen anwaltlichen Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Die Beigeladene zu 1. erklärte dazu, die Klägerin werde "in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig", fertige Entscheidungsvorlagen für die Geschäftsführung und für andere Abteilungen und sei im Abstimmungsprozess für die zu treffenden Entscheidungen beteiligt. Nebenberufliche Beschäftigungen bedürften keiner "vorherigen Genehmigung". Die Klägerin dürfe unwiderruflich neben ihrer Tätigkeit als Angestellte eine Anwaltspraxis ausüben und sich zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine ohne Erlaubnis im Einzelfall jederzeit von ihrem Dienstplatz entfernen (Schreiben der Beigeladenen zu 1. vom 11.6.2010). Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Klägerin für die Beigeladene zu 1. nicht rechtsentscheidend tätig sei und deshalb keine anwaltliche Tätigkeit ausübe (Bescheid vom 20.7.2010 und Widerspruchsbescheid vom 24.11.2010).

7

Das SG Duisburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.2.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 7.5.2013): Sie habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn die Klägerin sei nicht "wegen" ihrer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung als "juristische Mitarbeiterin" bei der Beigeladenen zu 1. Mitglied der RAK D. und diese Beschäftigung verpflichte sie auch nicht kraft Gesetzes, Mitglied der RAK D. zu sein oder zu werden. Da sie aufgrund der restriktiven Zulassungspraxis und der Rechtsprechung des BGH damit gerechnet habe, dass ihr die RAK die Rechtsanwaltszulassung gerade wegen der abhängigen Beschäftigung bei einer nichtanwaltlichen Arbeitgeberin versagen würde, habe sie im Zulassungsverfahren lediglich angegeben, den Rechtsanwaltsberuf neben ihrer abhängigen Beschäftigung auszuüben. Damit sei die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen im vorgesehenen Rechtsweg umgangen und de facto versucht worden, die Zulassungsentscheidung auf die Beklagte und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu verlagern. Dies verletze das Prinzip von Treu und Glauben und verstoße gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Im Befreiungsverfahren habe sie dagegen behauptet, in ihrer abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwältin tätig zu sein, obwohl sie dort keine Kanzlei oder Zweigstelle eingerichtet habe (§ 27 BRAO), keine Anwaltsakten führe (§ 50 BRAO), keine Maßnahmen zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht ergriffen (§ 43a BRAO) und die hauptberufliche Tätigkeit nicht haftpflichtversichert habe (§ 51 Abs 1 BRAO). Damit erfülle sie weder die Berufspflichten noch die Rahmenbedingungen, die der Deutsche Anwaltsverein (DAV) im Merkblatt für sog "Syndikusanwälte" aufgestellt habe. Berücksichtige man schließlich, dass die Klägerin mit der Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin offenbar keine Einnahmen erziele, so liege die Annahme nahe, dass der Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht rechtsmissbräuchlich auf eine Pro-Forma-Zulassung gestützt werde. Dieses Vorgehen werde in der juristischen Literatur als "Mogelpackung" bezeichnet, wobei "Phantasieerklärungen" wie die der Beigeladenen zu 1., die Klägerin werde "in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig", zum "Top" der "Zulassungsmogelei" gehörten.

8

Zudem sei die Klägerin nicht "wegen der" abhängigen Beschäftigung "kraft gesetzlicher Verpflichtung" Mitglied einer berufsständischen Kammer. Diese setze eine Tätigkeit voraus, deren rechtmäßige Ausübung gesetzlich zwingend die Zulassung zur Anwaltschaft und damit zugleich zwingend die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer nach sich ziehe. Als "juristische Mitarbeiterin" benötige die Klägerin keine besondere Zulassung iS von § 3 RDG, weil sie keine "fremden Angelegenheiten" iS von § 2 Abs 1 RDG besorge; in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin dürfe sie nicht für die Beigeladene zu 1. tätig werden (§ 46 Abs 1 BRAO).

9

Der enge Wortlaut der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI könne nicht mit Hilfe der sog "Vier-Kriterien-Theorie" erweiternd ausgelegt werden, wonach die zu befreiende Tätigkeit kumulativ rechtsberatende, -entscheidende, -vermittelnde und -gestaltende Elemente enthalten müsse. Denn diese vagen und praxisuntauglichen Kriterien, die erhebliche Abgrenzungs- und Definitionsprobleme schüfen und zu unvorhersehbaren Entscheidungen führten, erfüllten auch viele Steuerberater, Rentenberater, Mitarbeiter von Inkassodiensten etc, während sie angestellte Rechtsanwälte bei anwaltlichen Arbeitgebern häufig verfehlten. Das SGB VI koordiniere mit der Befreiungsmöglichkeit die selbständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung und vermeide eine doppelte Beitragspflicht zu zwei weitgehend funktionsgleichen Sicherungssystemen, auch wenn dies weder primäres Ziel des Gesetzes noch des historischen Gesetzgebers sei, wie bereits aus § 6 Abs 1 S 3 SGB VI folge. Jedenfalls müsse zwischen der berufsspezifischen Tätigkeit, für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung beansprucht werde, und dem Schutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung ein innerer Zusammenhang bestehen. Aus der Notwendigkeit einer "berufsspezifischen Tätigkeit" folge aber nicht im Umkehrschluss, dass jede "berufsspezifische" Tätigkeit allein bereits für die Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI genüge. Dessen ungeachtet sei die Klägerin aber auch nicht "rechtsentscheidend" tätig, weil sie für Entscheidungen das Einvernehmen ihrer Vorgesetzten benötige.

10

Die Befreiung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die abhängige Beschäftigung der Klägerin für die Beigeladene zu 1. gemeinsam mit der nebenberuflichen selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit eine einheitliche anwaltliche Berufsausübung darstelle. Da die selbständige Rechtsanwaltstätigkeit von vornherein rentenversicherungsfrei sei, strahle sie weder auf die abhängige Hauptbeschäftigung aus noch könnten beide zu einem einheitlichen Anwaltsberuf verschmelzen, der insgesamt zu einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führe. Vielmehr handele es sich bei der nebenberuflichen selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit und der Beschäftigung als angestellte juristische Mitarbeiterin um zwei zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten, die voneinander unabhängig durch das Berufsausübungsrecht (BRAO einerseits und arbeitsrechtliche Vorschriften andererseits) mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet seien, steuerrechtlich unterschiedlich behandelt würden (Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung einerseits und aus selbständiger Erwerbstätigkeit andererseits) und deshalb eine getrennte Betrachtung erforderten (sog Doppelberufstheorie). Gerade deshalb strebe der DAV eine Änderung des § 46 BRAO an. Dass die Beigeladene zu 1. nunmehr (unverständlicherweise) wünsche, dass alle in ihrer Rechtsabteilung tätigen Volljuristen als Rechtsanwälte zugelassen seien, könne daran nichts ändern, weil die Frage, ob ein angestellter Jurist die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht erfülle, nicht der Disposition des Arbeitgebers unterliegen könne. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als sich der Charakter der abhängigen Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. nach und durch die Zulassung zur Anwaltschaft nicht verändert habe. Die Klägerin sei seit ihrer Zulassung als Rechtsanwältin keine sog "Syndikusanwältin" iS des § 46 BRAO und als solche auch nicht per se von der Versicherungspflicht zu befreien. Denn es stehe weder fest noch sei festzustellen, was unter dem (operationalen) Begriff "Syndikusanwalt" überhaupt zu verstehen sei. Jedenfalls werde die Klägerin für die Beigeladene zu 1. nicht als Rechtsanwältin tätig, wie dies § 46 BRAO erfordere, weil sie diese Tätigkeit bis heute nicht entsprechend den zwingenden Formvorschriften der BRAO ausübe. Folgerichtig habe die Beigeladene zu 1. die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch nicht zur Einstellungsvoraussetzung gemacht. Aber selbst wenn man die Klägerin als "Syndikusanwältin" ansähe, könnte sie für ihre Tätigkeit als "juristische Mitarbeiterin" nicht befreit werden. Dieses Ergebnis stehe mit der Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG und des BGH in Einklang.

11

Schließlich könne die Klägerin einen Befreiungsanspruch auch nicht aus den Verwaltungsrichtlinien der Beklagten iVm Art 3 Abs 1 GG herleiten. Selbst wenn zahlreiche andere Versicherte bei vergleichbarer Sach- und Rechtslage von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung - rechtswidrig - befreit worden seien, ergebe sich daraus kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Soweit sie beantragt habe, den Präsidenten der RAK D. dazu als Zeugen zu vernehmen, dass sie wegen ihrer Tätigkeit in Diensten der Beigeladenen zu 1. als Rechtsanwältin zugelassen worden sei, sei dies nicht entscheidungserheblich und stelle einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.

12

Dagegen hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 und S 3 SGB VI) und formellen (§§ 103, 202 SGG, § 548 ZPO)Rechts: Zu Unrecht interpretiere die angefochtene Entscheidung - die in der bisherigen Rechtsprechung eine absolute Alleinstellung aufweise - das Tatbestandsmerkmal "wegen" wortlautgetreu in einem konditionalen Sinn. Ein solches Verständnis sei jedoch nicht zwingend. Bei historischer und teleologischer Interpretation solle die Präposition vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog Vier-Kriterien-Theorie, die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte habe die Vierkriterienformel in ihr Merkblatt für nichtanwaltliche Arbeitgeber übernommen; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer, letztlich undefinierbarer Berufsstand. Wende man die Vier-Kriterien-Theorie an, so könne das Kriterium "rechtsentscheidend" vorliegend nicht verneint werden. Denn Unternehmensentscheidungen treffe immer nur der Unternehmer und nicht sein Anwalt. Dieser könne nur durch den richtigen Rat dazu beitragen, dass der Mandant die richtige Entscheidung treffe. Insofern sei jeder Anwalt - wie auch die Klägerin - lediglich in den unternehmerischen Entscheidungsprozess eingebunden. Kein Mandant sei gezwungen, dem anwaltlichen Rechtsrat zu folgen. Dass er beratungsresistent sei, weil andere Gründe (Opportunität, Subjektivität, außerrechtliche Gründe, Starrsinn, Dummheit etc) mehr Gewicht hätten, gehöre zum anwaltlichen Alltag. Auch selbständige Anwälte hätten auf Weisung des Mandanten in einer Weise zu agieren, die ihrem eigenen Vorschlag widerspreche, wenn nur der Mandant hinreichend belehrt und das Tätigwerden nicht gegen Berufsregeln oder Berufsethik verstoße. Denselben Kautelen unterliege der Syndikusanwalt.

13

Aus systematischer Sicht sei § 6 SGB VI keine Ausnahmevorschrift, sondern Kollisionsnorm, die einer extensiven Auslegung zugänglich sei. Andernfalls wären die Anwaltschaft und alle verkammerten freien Berufe von jeglicher Fortbildung ihrer Berufsbilder abgeschnitten, was den Regelungsbereich des Art 12 GG berühre. Verfassungsrechtlich sei eine Gleichstellung der Syndikusanwälte geboten. Soweit sich das LSG auf die sog Doppelberufstheorie des BGH berufe, betreffe sie nur das anwaltliche Berufsrecht, nicht jedoch das Sozialversicherungsrecht. Dasselbe gelte für die Reformüberlegungen des DAV. Etwaige berufsrechtliche Defizite seien sozialrechtlich bedeutungslos. Denn sozialversicherungsrechtlich sei allein die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend, sodass weite Strecken der Bezugnahme auf Berufsrecht (Haftpflicht, Verschwiegenheit, Kanzleischild) im angefochtenen Urteil an der Sache vorbeigingen. Vor diesem Hintergrund seien die Vorhaltungen und Unterstellungen des LSG mit Nachdruck zurückzuweisen, die Klägerin habe im Wege einer Mogelpackung in kollusivem Zusammenwirken mit der Arbeitgeberin den Weg in die Anwaltschaft und das Befreiungsrecht erschlichen und sei nur eine Art Scheinanwältin. Das LSG übersehe, dass die Beigeladene zu 1. von der erstrebten Befreiung beitragsrechtlich nicht profitiere und angestellte Anwälte für sie nicht "bequemer" als bloße Volljuristen seien. Vielmehr wolle die Beigeladene zu 1. ihre Juristen durch die Anwaltszulassung "auf gleiche Augenhöhe" mit externen Anwälten, aber auch mit Behörden stellen und von der "Reputation" profitieren, die ein Anwalt als Organ der Rechtspflege habe. Vor allem aber habe der unabhängige Rechtsrat unabhängiger Anwälte (§ 3 BRAO) mit vollständiger fachlicher Autonomie für den Arbeitgeber besonderen Wert. Vor diesem Hintergrund sei es unschädlich, dass die Klägerin schon früher für die Beigeladene zu 1. als juristische Mitarbeiterin ohne Anwaltszulassung gearbeitet habe. Denn zwischenzeitlich habe sich die Firmenpolitik der Beigeladenen zu 1. insoweit grundlegend geändert, dass nunmehr alle in der Rechtsabteilung tätigen Volljuristen zur Anwaltschaft zugelassen werden sollten, nebenberufliche Beschäftigungen nicht mehr genehmigungspflichtig seien und die Klägerin (auch inhaltlich) nicht mehr "am engen Direktionszügel geführt" werde. Zu Unrecht habe das LSG schließlich den Beweisantrag übergangen, weil der Präsident der RAK D. bestätigt hätte, dass die Klägerin (auch) "wegen" ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. als Rechtsanwältin in dem vom LSG für richtig gehaltenen Sinne zugelassen worden sei. Ferner sei die Fünf-Monats-Frist zur Übergabe der Entscheidungsgründe an die Geschäftsstelle überschritten und das Urteil deshalb nicht mit Gründen versehen.

14

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 7. Februar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 24. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie ab dem 18. September 2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

15

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

16

Sie meint, das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI sei keine Kollisionsregelung, sondern räume dem Mitglied des berufsständischen Versorgungswerks im Falle einer Doppelversicherung das Gestaltungsrecht ein, sich durch einen Antrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen, um sich die doppelte Beitragspflicht zu ersparen. Für den befreiungsnotwendigen Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit einerseits und den Pflichtmitgliedschaften in der Berufskammer und im berufsständischen Versorgungswerk anderseits komme es entscheidend auf die inhaltliche Ausgestaltung der konkret ausgeübten Tätigkeit an. Diese müsse einem Volljuristen vorbehalten sein und kumulativ rechtsberatende, -gestaltende, -entscheidende und -vermittelnde Merkmale aufweisen. Die Klägerin sei jedoch nicht rechtsentscheidend tätig. Soweit sie dies bestreite, fehle eine substantielle Begründung. Stattdessen rüge sie lediglich, dass das LSG auf eine Anhörung von Repräsentanten der Anwaltschaft verzichtet und sich daher keinen hinreichenden Einblick in die vielfältige betriebliche Praxis von mehr als 20 000 Unternehmensanwälten verschafft habe. Welche Erkenntnisse aus der vielfältigen Praxis für die Beurteilung der konkreten Beschäftigung der Klägerin zu gewinnen gewesen wären, bleibe aber offen. Für die Ausübung der konkreten Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. sei die Zulassung zur Anwaltschaft keine notwendige Voraussetzung gewesen, denn vor und nach der Zulassung seien dieselben Arbeiten ausgeführt worden. Dabei sei unbeachtlich, dass die Beigeladene zu 1. erst keine und später dann doch zugelassene Rechtsanwälte beschäftigen wollte. Denn die Qualifizierung einer Tätigkeit könne nicht von der Disposition des Arbeitgebers abhängen. Das von der Klägerin betriebene Zulassungsverfahren dürfte daher einzig und allein dem Zweck gedient haben, die Altersvorsorge für die von ihr ausgeübte abhängige Beschäftigung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung gestalten zu können. Fehle aber eine berufsrechtlich überwachte und qualitätsgesicherte Berufstätigkeit im Kammerberuf, dann sei der von der Klägerin zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "wegen" in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für ausreichend gehaltene sachliche Zusammenhang zwischen der ausgeübten Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und der kammerberuflichen Tätigkeit nicht herzustellen.

17

Die Beigeladene zu 2., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das angefochtene Urteil sei bereits im Ansatz verfehlt, weil die BRAO keine Beschäftigung definiere, "wegen der" Kammerzugehörigkeit in einer RAK bestehen müsse. Vielmehr stelle jeder Rechtsanwalt seinen Zulassungsantrag ausschließlich für sich selbst. Soweit das LSG rüge, die Klägerin habe ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht wegen ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. betrieben, sei einzuwenden, dass das anwaltliche Berufsrecht eine derartige "Spezialzulassung" überhaupt nicht kenne. Die Klägerin sei richtigerweise zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden; ob ihre Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber als anwaltliche Tätigkeit einzustufen sei, prüfe die RAK nicht. Die Freistellungserklärung stelle lediglich ihre Unabhängigkeit in der Mandatswahrnehmung außerhalb ihres Dienstverhältnisses sicher. Der notwendige Ursachenzusammenhang zwischen der konkreten Tätigkeit und den Pflichtmitgliedschaften in Kammer und berufsständischer Versorgung sei mit Hilfe der Vier-Kriterien-Theorie zu beurteilen, die die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis anwende, in der Literatur zustimmend aufgenommen worden sei und auch in der sozialgerichtlichen Instanzrechtsprechung Gefolgschaft gefunden habe. BRAK und DAV hätten ebenfalls zustimmende Beschlüsse gefasst. Lehne man die Vier-Kriterien-Theorie ab, müsse die Negativabgrenzung über das Merkmal "berufsfremd" erfolgen. Nach der Rechtsprechung des BSG liege eine berufsfremde Tätigkeit vor, wenn die konkrete Beschäftigung nicht durch schwerpunktmäßig in Ausbildung und Beruf typischerweise gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen geprägt sei. Im Übrigen sei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI keine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, sondern eine Kollisions- oder Koordinationsnorm. Sie solle verhindern, dass die betroffenen Berufsgruppen mit einer doppelten Beitragszahlungspflicht belastet werden, und damit zugleich verfassungsrechtlich (Art 12 Abs 1 GG) gewährleisten, dass Volljuristen nicht von der Wahl des Rechtsanwaltsberufes abgehalten werden. Art 12 GG erlaube jedem Rechtsanwalt, Rechtsrat auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages zu erteilen. Wenn dieser "Zweitberuf" die vier Kriterien (Rechtsberatung, -gestaltung, -vermittlung und -entscheidung) erfülle, sei der Rechtsanwalt auch insoweit Rechtsanwalt und nicht in sonstiger Weise tätig. Dagegen sei die Doppelberufstheorie mit einer tätigkeitsbezogenen Betrachtung im Einzelfall, wie sie § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gebiete, unvereinbar, zumal der Syndikusanwalt einen einheitlichen Beruf ausübe, nämlich den des Rechtsanwalts an zwei Arbeitsstellen. Folglich handele es sich nicht um eine "eigene Berufsgruppe", sondern um einen integralen Teil der Anwaltschaft. Damit sei auch die Behauptung des LSG widerlegt, bei den Syndikusanwälten handele es sich um eine die Sperrwirkung des § 6 Abs 1 S 3 SGB VI auslösende neu entstandene Berufsgruppe. Denn Syndikus-"Anwälte" gebe es schon seit über 125 Jahren. Dass sie ebenso "unabhängig" seien wie "freie" Rechtsanwälte, könne nicht ernsthaft bestritten werden. Denn beide unterlägen dem anwaltlichen Berufsrecht, das als öffentliches Recht zwingend und damit der Disposition durch die Parteien des Mandats- und Anstellungsvertrags entzogen sei. Mit der unbedingten rechtlichen Verpflichtung auf die Vertretung der wohlverstandenen Interessen ihrer Mandanten, der Verpflichtung zur Verschwiegenheit, der Vermeidung der Verfolgung widerstreitender Interessen und der unbedingten Verpflichtung auf das Recht unterlägen Syndikusanwälte außerökonomischen Normen, sodass sie ihrer Funktion als "rechtliches Gewissen" des Unternehmens gerecht werden könnten.

18

Die Beigeladene zu 1. ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts bestätigt und die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum ab dem 18.9.2009 gegen die Beklagte kein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.

20

1. Allerdings hat die Klägerin die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 15; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN).

21

a) Bei einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist darzulegen, warum sich das LSG von seiner Rechtsauffassung her zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und ggf zu welchen (Leitherer aaO RdNr 12a). Das erfordert neben der Benennung des nach Auffassung des Revisionsführers ungenutzt gebliebenen Beweismittels die konkrete Darlegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, in deren Licht der Beweisgegenstand rechtliche Bedeutung erlangt hätte und regelmäßig die Angabe, zu welchem Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme geführt hätte. Eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Passagen des angegriffenen Urteils fehlt. Die Revisionsbegründung legt auch nicht dar, warum gerade aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts eine Kenntnis der allgemeinen betrieblichen Praxis bzw der Vorstellungen hiermit vertrauter Amtswalter hiervon unabdingbar der Entscheidungsfindung hätte zugrunde gelegt werden müssen. Ebenso wird ein voraussichtliches Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gerade nicht behauptet; vielmehr trägt der Prozessvertreter der Klägerin ausdrücklich vor, er wisse nicht, was der Zeuge "wirklich" gesagt hätte.

22

b) Mit ihrer sinngemäß erhobenen Behauptung, das angefochtene Urteil sei bereits deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen, weil es erst unmittelbar vor bzw erst nach Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung abgefasst worden und mit den Unterschriften der Richter zur Geschäftsstelle gelangt sei, rügt die Klägerin sinngemäß das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG), also das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO(idF der Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5.12.2005, BGBl I 3202). Ihr Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um einen solchen Mangel hinreichend darzutun. Wird mit der Revision geltend gemacht, ein Urteil sei nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist verspätet abgesetzt und daher nicht mit Gründen versehen, so ist dieser Verfahrensmangel nur dann ausreichend bezeichnet, wenn in der Begründung der Zeitpunkt der Niederlegung des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle angegeben ist (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 5 S 7 und SozR 1750 § 551 Nr 8). Ist dieser Zeitpunkt dem Revisionsführer unbekannt, muss zumindest dargelegt werden, dass und mit welchem Ergebnis versucht worden ist, den Inhalt des amtlichen Vermerks über den Zeitpunkt der Urteilsübergabe zu erfahren (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 6 S 12 und SozR 1750 § 551 Nr 9). Daran fehlt es. Folglich kann die Klägerin ihre Rüge eines Fehlens von Gründen nicht allein auf die zwischen Verkündung und Absetzung des Berufungsurteils verstrichene Zeit stützen. Ebenso wenig zeigt die Revisionsbegründung auf, dass ausnahmsweise trotz Einhaltung der maßgeblichen Fünfmonatsgrenze ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, weil sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass infolge der verzögerten Absetzung der Entscheidungsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist (Keller, aaO, § 134 RdNr 4). Hierfür enthält das Revisionsvorbringen keine konkreten fallbezogenen Anhaltspunkte, wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwändigen Beweisaufnahme (BSG Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 17).

23

2. Materiell-rechtlich einschlägig ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824), der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

        

a)    

am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

        

b)    

für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

        

c)    

aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

24

3. Die Klägerin ist abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbringt die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. als juristische Mitarbeiterin nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Ob sie aufgrund ihrer entgeltlichen Beschäftigung auch (renten-)versicherungspflichtig ist (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI), kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, weil insbesondere Feststellungen des Berufungsgerichts zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) fehlen.

25

Dessen ungeachtet war eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachaufklärung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG) nicht geboten. Für das Ergebnis des Verfahrens ist unerheblich, ob die begehrte Befreiung bereits deshalb zu versagen ist, weil die Klägerin möglicherweise nicht versicherungspflichtig ist und es damit schon am notwendigen Interesse für die Stellung eines zulässigen Befreiungsantrags fehlt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts genügen jedenfalls zur abschließenden Entscheidung über das Fehlen sonstiger notwendiger Tatbestandsvoraussetzungen des Befreiungsrechts.

26

4. Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 18.9.2009 durch die RAK D. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am selben Tag der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt(§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde die Klägerin damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK D. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat derartige Aufhebungs- oder Erledigungstatbestände nicht festgestellt, sodass der Zulassungsverwaltungsakt ungeachtet einer möglichen Rechtswidrigkeit weiterhin wirksam ist. Seine rechtsgestaltenden Wirkungen sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung). Unter anderem ist deshalb unerheblich, ob die Klägerin im Zulassungsverfahren Falschangaben gemacht hat, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung im Einzelnen vorgelegen haben und welche (Fehl-)Vorstellungen Amtswalter der RAK ggf bei Erlass des Zulassungsverwaltungsaktes hatten. Schon aufgrund der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes kann es zudem nicht zu einer vom LSG - und Teilen der Anwaltschaft - befürchteten treuwidrigen (§ 242 BGB) und widersprüchlichen (venire contra factum proprium) "Umgehung des Rechtswegs" zu den ordentlichen Gerichten und ggf zum BVerfG und/oder EuGH kommen. Die Sozialgerichtsbarkeit entscheidet rechtlich grundsätzlich - mit Ausnahme der Fälle der Nichtigkeit - nicht, wer seinem Status nach Rechtsanwalt ist.

27

5. Das LSG hat zudem festgestellt, dass die Klägerin zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 2. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde die Klägerin auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung der Beigeladenen zu 2. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK D.

28

6. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen erfolgt, sondern mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet ist, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert jedoch zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.

29

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.

30

Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

31

7. Die Klägerin erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Ihre Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Ihre anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es - worauf bereits das LSG zutreffend hingewiesen hat - mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für ihre Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende Status begründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.

32

Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).

33

Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es entgegen der Revision nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.

34

Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revision der anwaltlich vertretenen und ihrerseits zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägerin mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).

35

Entgegen der Revision ist ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).

36

Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:

        

"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: 'Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben'."

37

Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:

        

"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"

38

In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:

        

"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "

39

Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN, insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.

40

Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):

        

"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.

        

Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."

41

Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.

42

8. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände der Revision greifen nicht durch.

43

a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).

44

b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.

45

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.

46

c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann erst recht nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).

47

d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschlüsse vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).

48

e) Der von der Revision mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch führt die Revision nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts auf.

49

f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Die Klägerin gehört als abhängig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem die Klägerin zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).

50

Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.

51

Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und entgegen der Behauptung der Klägerin allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich damit entgegen dem Einwand der Beigeladenen zu 2. nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.

52

g) Ebenfalls entgegen der Revision ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013 , 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.

53

Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:

"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.    

Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"

54

Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den von der Klägerin repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).

55

h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - von der Klägerin im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in ihr Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).

56

Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).

57

Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.

58

i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der von der Klägerin repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger für seine Tätigkeit als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter bei der Beigeladenen zu 2., einem Reiseversicherungsunternehmen, ab dem 1.1.2010 bis zum 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

2

Der 1980 geborene Kläger ist seit Februar 2008 Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer (RAK) K. und der Beigeladenen zu 1. Im Oktober 2008 nahm er eine zeitlich befristete Tätigkeit als Volljurist/Mitarbeiter bei der Beigeladenen zu 2. auf (Anstellungsvertrag vom 5.9.2008), für die ihn die Beklagte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreite (Bescheid vom 25.11.2008, mit Wirkung ab 1.8.2009 aufgehoben durch Bescheid vom 10.12.2010). Ab Juni 2009 wechselte er firmenintern in die Funktion des "Vorstandsreferenten", wofür nach der Stellenausschreibung "ein erfolgreich abgeschlossenes Studium und mehrere Jahre Berufserfahrung" erforderlich waren. Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2. habe der Kläger jedoch das Zweite Juristische Staatsexamen benötigt, weil er für die Gestaltung und Verhandlung von übergeordneten Unternehmensverträgen verantwortlich gewesen sei. Dies habe die Fähigkeit erfordert, selbständig Verhandlungen zu führen und unabhängig Entscheidungen zu treffen (schriftliche Zeugenaussage vom 28.10.2010). In der Stellenausschreibung hieß es weiter: "Das Aufgabengebiet umfasst die Beratung, Unterstützung und Entlastung des Vorstandsvorsitzenden bei seinen Aufgaben im Konzern, in Verbänden, Gremien und im politischen Umfeld. Sie erstellen Referate, Präsentationen, Publikationen sowie Berichte und Analysen. Zu Ihren weiteren Aufgaben gehört das eigenverantwortliche Vor- und Nachbereiten von Aufsichtsratssitzungen und Besprechungen. Außerdem erledigen Sie die Korrespondenz und unterstützen den Vorstandsvorsitzenden bei der Budgeterstellung." Daneben übernahm der Kläger die Funktion des "Compliance-Beauftragten", die nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2. das Zweite Juristische Staatsexamen voraussetzte, weil die Tätigkeit weit über eine lediglich gutachterliche Stellungnahme oder Beurteilung durch einen Diplom-Juristen hinausgehe. Die Aufgabe des "Compliance-Beauftragten" bestehe ua darin, persönliche Strafbarkeitsrisiken für Mitarbeiter und Organmitglieder sowie Haftungsrisiken für das Unternehmen und den Vorstand zu vermeiden (Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 2.9.2009 und schriftliche Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden vom 28.10.2010). Ab dem 1.8.2009 wurde der Anstellungsvertrag vom 5.9.2008 entfristet und die monatlichen Bruttobezüge angehoben (Nachtrag vom 9.3.2009 zum Anstellungsvertrag). Seit dem 1.7.2012 ist der Kläger für "International Business Compliance" bei der Beigeladenen zu 2. zuständig.

3

Am 25.5.2009 beantragte der Kläger, ihn weiterhin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Er wies darauf hin, nach wie vor als Volljurist bei der Beigeladenen zu 2. angestellt zu sein und eine rechtsanwaltstypische Tätigkeit auszuüben. Der Schwerpunkt seiner rechtlichen Arbeit liege nunmehr ua bei Vorstandsangelegenheiten. Die Beigeladene zu 2. bestätigte, dass der Kläger mit eigenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet und wesentlich an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt sei. Viele Aufgaben könne nur ein Volljurist/Rechtsanwalt umfassend erledigen. Die Ernennung zum Compliance-Beauftragten setze den Abschluss zweier juristischer Staatsexamina voraus; die Zulassung als Rechtsanwalt sei wünschenswert (Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 9.11.2009). Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Beschäftigung als Vorstandsreferent keine Befähigung zum Richteramt erfordere und die Beschäftigung als Jurist/Compliance-Beauftragter nicht zwingend von einem Rechtsanwalt ausgeübt werden müsse (Bescheid vom 21.10.2009 und Widerspruchsbescheid vom 10.3.2010).

4

Das SG Karlsruhe hat die Klage abgewiesen, ohne die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 10.12.2010, die Befreiung im Bescheid vom 25.11.2008 aufzuheben, gemäß § 96 SGG in das Klageverfahren einzubeziehen(Urteil vom 23.3.2011). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das erstinstanzliche Urteil vom 23.3.2011 sowie den Bescheid vom 21.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.3.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien (Urteil vom 19.2.2013): Der gegen Entgelt abhängig beschäftige und rentenversicherungspflichtige Kläger sei Pflichtmitglied der RAK und der Beigeladenen zu 1. Diese Pflichtmitgliedschaften bestünden auch "wegen der" Beschäftigung als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter. Eine kausale Beziehung sei indes nicht erforderlich, weil § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ansonsten - jedenfalls für Rechtsanwälte - weitgehend leer laufe. Die Auffassung, dass bei einer abhängigen Beschäftigung von Juristen mit der Befähigung zum Richteramt bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Unternehmensjuristen oder Syndikusanwälte) eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die abhängige versicherungspflichtige Beschäftigung nur dann in Betracht komme, wenn es sich dabei um eine anwaltliche Tätigkeit handele, dh um die Ausübung einer dem Kammerberuf entsprechenden berufsspezifischen Tätigkeit, finde im Gesetz keine Stütze. Auch die sog "Vier-Kriterien-Theorie", wonach Syndikusanwälte nur befreit werden könnten, wenn ihre Tätigkeit die Rechtsberatung, -entscheidung, -gestaltung und -vermittlung umfasse, sei als Abgrenzungsformel ungeeignet. Vielmehr sei ein Befreiungsanspruch bereits dann gegeben, wenn die jeweilige Beschäftigung weder die Versagung oder Rücknahme der Rechtsanwaltszulassung noch ihren Widerruf rechtfertige (§ 7 Nr 8, § 14 Abs 1 und Abs 2 Nr 8 BRAO). Insoweit komme der Zulassungsentscheidung der RAK Tatbestandswirkung gegenüber dem Rentenversicherungsträger (und den Gerichten) zu.

5

Dagegen hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI): Das LSG habe durch seinen personenbezogenen Ansatz weder den Wortlaut der Norm noch die Intention des Gesetzgebers rechtlich zutreffend gewürdigt. Nach dem Berufungsurteil seien alle Tätigkeiten eines Rechtsanwalts, die mit seiner Zulassung vereinbar seien, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, und zwar unabhängig davon, ob es sich überhaupt um juristisch-anwaltliche Tätigkeiten handele. Der erstmalige Befreiungsbescheid habe dann faktisch Dauerwirkung, die erst mit der Rücknahme oder dem Widerruf der Rechtsanwaltszulassung ende, sodass die Bescheidung weiterer Befreiungsanträge nutzlose Verwaltungsarbeit sei. Im Ergebnis würden der Solidargemeinschaft - in Abhängigkeit von der Zulassungspraxis der RAK - Rentenversicherungsbeiträge in erheblicher Höhe entzogen. Um dies zu verhindern, müsse der Rentenversicherungsträger den Zusammenhang zwischen der konkret ausgeübten anwaltlichen Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und den Pflichtmitgliedschaften in RAK und Versorgungswerk positiv feststellen. Dies sei der Fall, wenn die jeweilige Beschäftigung inhaltlich durch Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit gekennzeichnet sei und nur von Personen ausgeübt werden könne, die zum Richteramt befähigt seien. Darüber hinaus müsse die jeweilige Beschäftigung alle Merkmale der "Vier-Kriterien-Theorie" kumulativ erfüllen. Die Stellenausschreibung, auf die sich der Kläger beworben habe, spreche Absolventen der verschiedensten Fachrichtungen an, wobei weder ein juristisches Studium noch die Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung Einstellungsvoraussetzung gewesen sei. Schon deshalb könne keine anwaltliche Tätigkeit vorliegen. Auch bei der Betätigung als Compliance-Beauftragter stünden rechtliche Fragen nicht im Mittelpunkt.

6

 

Die Beklagte beantragt,
        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter habe er eine berufsspezifisch-anwaltliche Tätigkeit im Rahmen seiner Rechtsanwaltszulassung ausgeübt. Zur Vermeidung einer doppelten Beitragspflicht sei er daher gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Doppelberufstheorie des BGH, die die Beklagte erwähne, und die Vier-Kriterien-Theorie, die sie heranziehe, seien rechts- bzw verfassungswidrig.

9

Die Beigeladene zu 1., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das Tatbestandsmerkmal "wegen" solle zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog "Vier-Kriterien-Theorie", die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte wende die "Vier-Kriterien-Formel" an; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer Berufsstand. Ob die Tätigkeit des Klägers als anwaltliche Tätigkeit zu klassifizieren sei, könne nach den bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen wiesen stark in die Richtung, dass die vier Kriterien für eine Rechtsanwaltstätigkeit erfüllt seien. Am besten sei es jedoch, wenn die RAK - wie es das LSG befürworte - mit Bindungswirkung für das Befreiungsverfahren darüber entscheide, ob das Kammermitglied berufsspezifisch tätig sei.

10

Die Beigeladene zu 2. beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Wie aus ihrer Stellen- und Funktionsbeschreibung sowie der Zeugenaussage ihres Vorstandsvorsitzenden hervorgehe, sei der Kläger bei ihr als Rechtsanwalt tätig, dem sie mit der unwiderruflichen Freistellungserklärung ihr besonderes Vertrauen ausgesprochen habe. Zudem habe sie im Befreiungsverfahren ausdrücklich bestätigt, dass eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt werde, wobei diese Einschätzung gemäß Art 12 GG in ihrem Ermessen stehe. § 6 SGB VI sei keine Ausnahmevorschrift, sondern eine Kollisions- bzw Konfliktlösungsnorm, für die es auf die konkrete berufsspezifische Tätigkeit ankomme, die den jeweiligen Antragsteller kammerpflichtig mache, was anhand der BRAO zu prüfen sei. Diese definiere aber keine Beschäftigung, "wegen der" eine Mitgliedschaft in einer RAK bestehe. Sozialversicherungsrechtlich sei die Doppelberufstheorie ebenso unbeachtlich wie die Frage, ob sich die Berufshaftpflicht auch auf die angestellte Tätigkeit beziehe. Stattdessen habe sich in der Rechtspraxis die "Vier-Kriterien-Theorie" durchgesetzt, wie aus der Liste entsprechender erstinstanzlicher Entscheidungen hervorgehe. Syndikusanwälte seien seit über 125 Jahren integraler Bestandteil der deutschen Anwaltschaft und deshalb keine "neue Berufsgruppe". Der Beklagten sei schließlich entgegenzuhalten, dass sie selbst die Tätigkeiten als Vorstandsreferent und auch im Compliancebereich in aller Regel als befreiungsfähig ansehe.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist begründet.

13

Zu Unrecht hat das LSG auf die Berufung des Klägers das klageabweisende Urteil des SG vom 23.3.2011 sowie den Bescheid vom 21.10.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 10.3.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, ihn für seine Tätigkeit als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter bei der Beigeladenen zu 2. im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Das Urteil des Berufungsgerichts vom 19.2.2013 verletzt Bundesrecht (§ 162 SGG). Dem Kläger steht kein Befreiungsrecht zu.

14

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in Betracht, der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

        

a)    

am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

        

b)    

für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

        

c)    

aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

15

1. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbrachte der Kläger bei der Beigeladenen zu 2. als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Aufgrund der Bruttovergütung iH von monatlich 3681,00 Euro, die deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) lag, war er auch (renten-)versicherungspflichtig (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI).

16

2. Der Kläger ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 22.2.2008 durch die RAK K. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am selben Tag der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt(§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde der Kläger damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK K. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat derartige Aufhebungs- oder Erledigungstatbestände nicht festgestellt. Die rechtsgestaltenden Wirkungen des Zulassungsverwaltungsakts sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung). Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus.

17

3. Das LSG hat zudem festgestellt, dass der Kläger zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 1. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde der Kläger, der damals das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 5 Abs 2 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Rechtsanwaltsversorgungsgesetz - RAVG) vom 10.12.1984 iVm § 10 Abs 1 S 1, § 5 Abs 2 der Satzung der Beigeladenen zu 1. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK K.

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4. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfolgt allerdings weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen. Vielmehr ist mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden, worauf auch das LSG hinweist. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert deshalb zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.

19

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.

20

Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

21

5. Der Kläger erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Seine Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Denn die anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für seine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende statusbegründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.

22

Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).

23

Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.

24

Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revisionserwiderung des anwaltlich vertretenen und seinerseits zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägers mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst und lediglich behauptet, die sog Doppelberufstheorie sei verfassungswidrig, ohne dies jedoch unter Benennung einer angeblich verletzten Verfassungsnorm auch nur ansatzweise zu begründen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).

25

Ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung ist zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).

26

Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:

        

"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: `Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben´."

27

Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:

        

"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"

28

In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:

        

"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "

29

Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN, insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.

30

Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):

        

"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.

        

Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."

31

Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.

32

6. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

33

a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).

34

b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.

35

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.

36

c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann entgegen der Ansicht des LSG nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).

37

d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschluss vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).

38

e) Der mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch existieren nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts.

39

f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Der Kläger gehört als abhängig Beschäftigter iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem der Kläger zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).

40

Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.

41

Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.

42

g) Darüber hinaus ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013, 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.

43

Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:

"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.    

Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"

44

Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den vom Kläger repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).

45

h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - vom Kläger im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in sein Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).

46

Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).

47

Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.

48

i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der vom Kläger repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

                          
                          

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger für seine Beschäftigung als angestellter Jurist bei der Beigeladenen zu 2., einem Chemieunternehmen, ab dem 5.7.2010 bis zum 4.10.2011 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

2

Der 1983 geborene Kläger ist Volljurist und bewarb sich bei der Beigeladenen zu 2. erfolgreich auf die Stelle eines "Juristen mit abgeschlossenem Studium der Rechtswissenschaften mit Prädikatsexamen und Schwerpunkt Arbeitsrecht". In dieser Funktion war er ab dem 1.3.2010 gegen Entgelt in der Abteilung "Concepts and Coordination Benefits" (Konzeption und Koordination betrieblicher Sozialleistungen) beschäftigt und hatte dort insbesondere Grundsatzfragen der betrieblichen Sozialpolitik - Schwerpunkt Altersversorgung - mit nationalen und internationalen Bezügen zu klären. Die Beigeladene zu 2. bescheinigte ihm später, die Qualifikation als Volljurist sei Einstellungsvoraussetzung gewesen, und bestätigte in einer Freistellungserklärung ihr unwiderrufliches Einverständnis, dass der Kläger neben seiner Tätigkeit als Angestellter den Beruf als Rechtsanwalt ausüben könne mit der Erlaubnis, sich auch während der Dienstzeit zur Wahrnehmung anwaltlicher Tätigkeiten jederzeit von seinem Dienstplatz entfernen zu dürfen.

3

Am 5.7.2010 wurde der Kläger als Rechtsanwalt zugelassen und in das Anwaltsverzeichnis der Rechtsanwaltskammer (RAK) K. eingetragen. Seitdem war er gemäß § 5 Abs 2 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg(Rechtsanwaltsversorgungsgesetz - RAVG vom 10.12.1984) Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1., die einkommensbezogene Beiträge erhob. Seine Zulassung als Rechtsanwalt wurde am 4.10.2011 widerrufen; zeitgleich erfolgte die Löschung im Anwaltsverzeichnis der RAK K. Am 30.11.2011 beendete er seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2; seither ist er als Richter versicherungsfrei.

4

Unter dem 23.9.2010 beantragte der Kläger, ihn für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, fügte die Freistellungserklärung der Beigeladenen zu 2. bei und legte eine Tätigkeitsbeschreibung vom 23.9.2010 sowie ein ergänzendes Schreiben vom 15.12.2010 vor, die der Kaufmann K. als Vorgesetzter seines direkten Vorgesetzen, eines Psychologen, ausgestellt bzw unterschrieben hatte. Danach sei der Kläger als Rechtsanwalt tätig. Die Bearbeitung und Bewertung von Rechtsfragen, die Herausarbeitung von Lösungsmöglichkeiten und deren Umsetzung erfolge eigenständig und unabhängig. Seine Aufgaben umfassten die unabhängige und selbständige Beratung der Unternehmenseinheiten und der Konzerngesellschaften. Daneben erstelle er Gutachten in juristischen - insbesondere sozial- und arbeitsrechtlichen - Fragen und vertrete die Beigeladene zu 2. in diesem Bereich sowohl außergerichtlich als auch vor Arbeits- und Sozialgerichten sowie ordentlichen Gerichten. Hinsichtlich rechtlicher Fragen habe er eine eigene Entscheidungskompetenz und vertrete seine Ansicht im Namen der Beigeladenen zu 2., insbesondere gegenüber Aufsichtsbehörden, nach außen. Daneben habe er wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung von betrieblichen Regelungen wie Betriebsvereinbarungen und Satzungen. Bei der Konzeption und Umsetzung von personalpolitischen Instrumenten sei er insbesondere im Hinblick auf die juristische Prüfung und Bewertung in eigener Verantwortung beteiligt. Ferner stelle er rechtliche Änderungen im Bereich des Sozialrechts und deren Auswirkungen auf das Unternehmen dar und präsentiere Lösungs- und Umsetzungsvorschläge. Darüber hinaus vertrete er die jeweils rechtlich selbständigen VVaG B. Pensionskasse und B. Sterbekasse. Als Berater nehme er daneben bei rechtlichen, insbesondere datenschutzrechtlichen Fragestellungen an den Sitzungen des Vorstandes der B. Pensionskasse VVaG teil. In juristisch-fachlicher Hinsicht entscheide er unabhängig und selbständig. Bei Entscheidungen mit unternehmenspolitischer Bedeutung erfolge die Beratung mit seinem direkten Vorgesetzten oder dem nächsthöheren Vorgesetzten. Die juristisch-fachliche Entscheidungskompetenz verbleibe aber beim ihm. In seiner Einheit seien derzeit noch sechs weitere, ihm gleich geordnete Referenten beschäftigt, von denen einer ebenfalls als Rechtsanwalt tätig sei.

5

Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Befähigung zum Richteramt nach der Stellenausschreibung nicht unabdingbare Einstellungsvoraussetzung gewesen sei und der Kläger deshalb keine anwaltliche Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. ausübe (Bescheid vom 21.3.2011 und Widerspruchsbescheid vom 6.7.2011).

6

Das SG Mannheim hat den Kaufmann K. als Zeugen vernommen und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21.3.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2011 verurteilt, den Kläger für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. in der Zeit vom 5.7.2010 bis 4.10.2011 von der Versicherungspflicht zu befreien (Gerichtsbescheid vom 30.5.2012). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.1.2013): Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung lägen für die vom Kläger bei der Beigeladenen zu 2. ausgeübte Tätigkeit nicht vor. Hierfür sei erforderlich, dass die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung auf genau jener Beschäftigung ("wegen der") beruhe, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht begehrt werde. Dies setzte voraus, dass eine dem Kammerberuf vergleichbare berufsspezifische Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung ausgeübt werde. Die Tätigkeit eines Syndikusanwalts bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber sei berufsspezifisch, wenn sie dem typischen, durch Hochschulausbildung und Referendariat geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich entspreche, sich also im Kernbereich der anwaltlichen Tätigkeit bewege und nicht nur dessen Randbereiche berühre. Folglich sei auch die Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens erforderlich, weil ansonsten weder eine Mitgliedschaft in der RAK noch im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Frage komme.

7

Um zu beurteilen, ob die Tätigkeit berufsspezifisch sei, müsse auf das Anforderungsprofil abgestellt werden, das sich aus Anstellungsvertrag und Stellenausschreibung ergebe. Daraus sei abzuleiten, dass für die Beschäftigung des Klägers nur ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften mit Prädikatsexamen, Schwerpunkt Arbeitsrecht, nicht jedoch die Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens Eingangsvoraussetzung gewesen sei. Demzufolge sei er auch nicht als Rechtsanwalt, wie bei einem Syndikusanwalt üblich, sondern lediglich als Jurist eingestellt worden. Ob die Beigeladene zu 2. gleichwohl einen Volljuristen zwingend habe beschäftigen wollen, wie das SG auf der Grundlage der Zeugenaussage angenommen habe, könne dahinstehen. Denn sie habe jedenfalls keinen Rechtsanwalt gesucht und eingestellt, wie bereits aus dem Umstand folge, dass der Kläger seine berufliche Tätigkeit bereits am 1.3.2010 aufgenommen habe, obwohl er erst am 5.7.2010 als Rechtsanwalt zugelassen worden sei. Damit korrespondiere, dass die Beigeladene zu 2. auf dieser Stelle auch Juristen ohne Anwaltszulassung weiterbeschäftige. Eine Anwaltszulassung sei zwar erwünscht, aber nicht Voraussetzung für die Tätigkeit als Jurist gewesen, die nicht dadurch zu einem typischen Kammerberuf mit Pflichtmitgliedschaft werde, weil sie ein Rechtsanwalt ausübe. Wende man ungeachtet dessen die "Vier-Kriterien-Theorie" an, so sei der Kläger zwar rechtsberatend und -vermittelnd, nicht jedoch rechtsentscheidend und -gestaltend tätig gewesen. Denn er sei in die Unternehmenshierarchie bestehend aus einer Arbeitsgruppe, Gruppenleiter und weiteren Vorgesetzten eingebunden gewesen und habe weder an richtungsweisenden internen Entscheidungsvorgängen gleichberechtigt teilgenommen noch die von ihm erarbeitete Position nach außen namentlich vertreten. Unternehmerische Entscheidungen hätten seine Vorgesetzten getroffen; als Berufsanfänger habe seine Stellung der eines Justiziars oder Referenten, nicht jedoch der eines Syndikusanwalts geähnelt.

8

Dagegen hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung formellen (§§ 103, 157 SGG) und materiellen Rechts (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI): Das LSG sei von der Aussage des Zeugen K., die Qualifikation als Volljurist sei zwingende Einstellungsvoraussetzung gewesen, verfahrensfehlerhaft abgewichen, weil es dessen Zeugenvernehmung im Berufungsverfahren nicht wiederholt und die außertarifliche Entlohnung des Klägers nicht berücksichtigt habe. Die Zeugenaussage, wonach die Stellenausschreibung mit den Wörtern "Jurist" und "erfolgreich abgeschlossenes Studium" unbedacht formuliert sei, wische das LSG zu Unrecht mit der durch nichts belegten Begründung beiseite, dies sei in einem Großkonzern mit spezialisierter Personalabteilung nur schwer vorstellbar. Soweit das LSG die Zeugenaussage im Lichte der Arbeitgeberhaftung für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28e SGB IV) würdige, sei darauf hinzuweisen, dass der Zeuge K. Rentner und die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe abgeführt worden seien. Entgegen der Ansicht des LSG setze die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht voraus, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zwingende Voraussetzung für die ausgeübte Tätigkeit sei. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI sei verfassungskonform weit auszulegen und der Befreiungsanspruch schon dann gegeben, wenn die jeweilige Beschäftigung weder die Versagung oder Rücknahme der Rechtsanwaltszulassung noch ihren Widerruf rechtfertige(§ 7 Nr 8 BRAO, § 14 Abs 1 und Abs 2 Nr 8 BRAO). Jedenfalls müssten die "vier Kriterien" nicht kumulativ erfüllt sein. Soweit das LSG in diesem Zusammenhang fordere, der Syndikusanwalt müsse in wirtschaftlichen, politischen und unternehmerischen Fragen entscheidungsbefugt sein sowie Vertrags- und Einigungsverhandlungen eigenständig führen, stelle es für die Merkmale der Rechtsentscheidung und -gestaltung überzogene Anforderungen auf. Mit Schriftsatz vom 21.3.2014 hat der Kläger seine Ausführungen ergänzt und vertieft.

9

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Januar 2013 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30. Mai 2012 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie meint, das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger mangelnde Sachverhaltsermittlung und eine Verletzung von § 157 SGG geltend mache, rüge er im Kern die Beweiswürdigung des LSG, ohne jedoch Verstöße gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze aufzuzeigen. Da der Kläger nach den Feststellungen des LSG für die Ausübung seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. noch nicht einmal die Befähigung zum Richteramt benötigt habe, sei von vornherein ausgeschlossen, dass er wegen dieser Beschäftigung Pflichtmitglied der RAK und der Beigeladenen zu 1. gewesen sei. Ob die konkrete Beschäftigung inhaltlich als anwaltliche zu beurteilen sei, richte sich nach der "Vier-Kriterien-Theorie", die auch bei kumulativer Umsetzung weder den Schutzbereich von Art 12 GG berühre noch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) oder gar die Eigentumsgarantie (Art 14 GG) verletze. Zu Recht habe das LSG eine dem Berufsbild des Rechtsanwalts entsprechende Rechtsentscheidungskompetenz des Klägers verneint, weil er weder nach außen eine eigenständige rechtliche Entscheidungskompetenz besessen noch nach innen eine wesentliche Teilhabe an den entsprechenden innerbetrieblichen Entscheidungsprozessen gehabt habe. Auch das Kriterium der Rechtsgestaltung sei nicht erfüllt, weil dem Kläger beim Führen von Vertrags- und Einigungsverhandlungen die erforderliche Eigenständigkeit gefehlt habe.

12

Die Beigeladene zu 1., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das Tatbestandsmerkmal "wegen" solle zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog "Vier-Kriterien-Theorie", die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte wende die "Vier-Kriterien-Formel" an; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer Berufsstand. Wende man die "Vier-Kriterien-Theorie" an, so könnten die Merkmale "Rechtsgestaltung" und "Rechtsentscheidung" vorliegend nicht verneint werden. Denn Unternehmensentscheidungen treffe immer nur der Unternehmer und nicht sein Anwalt. Soweit das LSG eine rechtsgestaltende Tätigkeit unter Hinweis auf die "arbeitsorganisatorische Hierarchie" verneine, in die der Kläger eingebunden gewesen sei, verkenne es, dass dies bei allen abhängig Beschäftigten der Fall sei und deshalb als Differenzierungskriterium ausscheide.

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Die Beigeladene zu 2. ist im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG auf die Berufung der Beklagten den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.5.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum ab dem 5.7.2010 bis zum 4.10.2011 gegen die Beklagte kein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2.

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1. Allerdings hat der Kläger die von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 15; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN).

16

a) Bei einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist darzulegen, warum sich das LSG von seiner Rechtsauffassung her zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und ggf zu welchen (Leitherer aaO RdNr 12a). Das erfordert neben der Benennung des nach Auffassung des Revisionsführers ungenutzt gebliebenen Beweismittels die konkrete Darlegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, in deren Licht der Beweisgegenstand rechtliche Bedeutung erlangt hätte und regelmäßig die Angabe, zu welchem Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme geführt hätte. Der Kläger versäumt es bereits darzulegen, warum sich das LSG im Hinblick auf das angebliche Erfordernis der "Qualifikation als Volljurist" zu weiterer Sachaufklärung gedrängt fühlen musste, obwohl die Revisionsbegründung selbst einräumt, dass diese Frage nach der insoweit allein maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts "im Ergebnis dahinstehen könne" bzw "es hierauf ohnehin nicht ankomme". Dasselbe gilt, soweit der Kläger in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Verletzung von § 157 SGG und der Sache nach einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme(§ 117 iVm § 153 Abs 1 SGG) rügt, weil das LSG die Glaubwürdigkeit des Zeugen K. und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage anders als das SG bewerte, ohne die Zeugenvernehmung im Berufungsverfahren wiederholt zu haben. Soweit die Revisionsbegründung schließlich geltend macht, das LSG scheine "im Hinblick auf die tatsächliche Tätigkeit des Klägers … einer Fehlvorstellung zu unterliegen", benennt sie bereits kein Beweismittel, das insofern ungenutzt geblieben sein könnte und die vermeintlichen Fehlvorstellungen des Berufungsgerichts im Sinne des Klagevorbringens hätte korrigieren können.

17

b) Im Kern greift die Revision - ohne § 128 Abs 1 S 1 SGG ausdrücklich zu benennen - die "Beweiswürdigung" des LSG an. Eine zulässige Verfahrensrüge hat der Kläger auch insoweit nicht erhoben. Das Tatsachengericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; es ist in seiner Beweiswürdigung frei und lediglich an die Regeln der Logik und der Erfahrung gebunden. § 128 Abs 1 S 1 SGG ist erst verletzt, wenn die Beweiswürdigung gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt. Von einem Verstoß gegen Denkgesetze kann nur gesprochen werden, wenn der festgestellte Sachverhalt nur eine Folgerung erlaubt, jede andere nicht denkbar ist und das Gericht gerade die einzig denkbare Schlussfolgerung nicht gezogen hat. Gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt das Gericht, wenn es einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt oder einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz anwendet (BSGE 94, 133 RdNr 18 = SozR 4-3200 § 81 Nr 2). Das Vorliegen derartiger Verstöße gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung muss im Einzelnen von dem Beteiligten dargelegt werden, der sich darauf beruft. Der Kläger hat indes mit seinem Revisionsvorbringen weder ein Denkgesetz noch einen Erfahrungssatz bezeichnet, gegen den das Gericht verstoßen haben soll, noch nennt er eine nicht ausreichende Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Er setzt lediglich seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG bzw hält die eigene Beweiswürdigung gegenüber der vom LSG vorgenommenen für vorzugswürdig. Dies reicht für eine formgerechte Rüge der Verletzung des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung nicht aus (Senatsbeschluss vom 11.9.2012 - B 5 RS 4/11 R - BeckRS 2012, 74406; BSG Urteil vom 7.12.2004 - B 1 KR 10/03 R - Juris RdNr 18; BSG SozR 4-2700 § 63 Nr 3 RdNr 24). Soweit der Kläger nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 4.4.2013 mit Schriftsatz vom 21.3.2014 einen Erfahrungssatz herausgearbeitet hat, konnte dieser nachgeschobene Vortrag aufgrund des Fristablaufs nicht mehr berücksichtigt werden.

18

2. Materiell-rechtlich einschlägig ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824), der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

        

a)    

am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

        

b)    

für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

        

c)    

aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

19

3. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbrachte der Kläger bei der Beigeladenen zu 2. als angestellter Jurist nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Ob er aufgrund seiner entgeltlichen Beschäftigung auch (renten-)versicherungspflichtig war (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI), kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, weil insbesondere Feststellungen des Berufungsgerichts zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) fehlen.

20

Dessen ungeachtet war eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachaufklärung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG) nicht geboten. Für das Ergebnis des Verfahrens ist unerheblich, ob die begehrte Befreiung bereits deshalb zu versagen ist, weil der Kläger möglicherweise nicht versicherungspflichtig war und es damit schon am notwendigen Interesse für die Stellung eines zulässigen Befreiungsantrags fehlte. Die Feststellungen des Berufungsgerichts genügen jedenfalls zur abschließenden Entscheidung über das Fehlen sonstiger notwendiger Tatbestandsvoraussetzungen des Befreiungsrechts.

21

4. Der Kläger war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts vom 5.7.2010 bis zum 4.10.2011 durch die RAK K. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am 5.7.2010 der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt (§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde der Kläger damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK K. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat festgestellt, dass der Zulassungsverwaltungsakt am 4.10.2011 widerrufen worden ist. Die rechtsgestaltenden Wirkungen des Zulassungsverwaltungsakts und seines Widerrufs sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung).

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5. Das LSG hat zudem festgestellt, dass der Kläger zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 1. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde der Kläger, der damals das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 5 Abs 2 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg(Rechtsanwaltsversorgungsgesetz - RAVG) vom 10.12.1984 iVm § 10 Abs 1 S 1, § 5 Abs 2 der Satzung der Beigeladenen zu 1. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK K.

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6. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfolgt allerdings weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen. Vielmehr ist mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden, worauf auch das LSG hinweist. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert deshalb zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.

24

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.

25

Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

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7. Der Kläger erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Seine Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Denn die anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für seine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende statusbegründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.

27

Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).

28

Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.

29

Der Senat legt - anders als das LSG - seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revision des anwaltlich vertretenen und ehemals zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägers mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).

30

Ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung ist zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).

31

Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:

        

"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: `Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben´."

32

Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:

        

"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"

33

In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:

        

"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "

34

Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.

35

Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):

        

"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.

        

Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."

36

Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.

37

8. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

38

a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt iS einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).

39

b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.

40

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.

41

c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).

42

d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschluss vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).

43

e) Der mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch existieren nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts.

44

f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Der Kläger gehört als abhängig Beschäftigter iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem der Kläger zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).

45

Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.

46

Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.

47

g) Darüber hinaus ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in: Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013, 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.

48

Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:

"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

        

1.    

Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"

49

Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den vom Kläger repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).

50

h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - vom Kläger im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in sein Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).

51

Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).

52

Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.

53

i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der vom Kläger repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

                          
        


        

        

(1) Wählbar sind alle Wahlberechtigten nach § 5.

(2) Nicht wählbar sind

1.
die Kommandeurinnen und Kommandeure, die Stellvertretenden Kommandeurinnen und Kommandeure sowie die Chefs der Stäbe,
2.
die Kompaniechefs und Offiziere in vergleichbarer Dienststellung, die örtliche Vorgesetzte der Wählergruppe der Offiziere im Sinne des § 4 Absatz 1 sind,
3.
die Kompaniefeldwebel sowie die Inhaberinnen und Inhaber entsprechender Dienststellungen,
4.
Soldatinnen und Soldaten, die infolge Richterspruchs nicht die Fähigkeit besitzen, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen und
5.
Soldatinnen und Soldaten, die innerhalb eines Jahres vor dem Tag der Stimmabgabe durch Entscheidung des Truppendienstgerichts als Vertrauensperson abberufen worden sind.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Der Patentanwalt ist in dem ihm durch dieses Gesetz zugewiesenen Aufgabenbereich ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.

(1) Der Patentanwalt leistet nach Maßgabe dieses Gesetzes unabhängige Beratung und Vertretung.

(2) Der Patentanwalt hat die berufliche Aufgabe,

1.
in Angelegenheiten der Erlangung, Aufrechterhaltung, Verteidigung und Anfechtung eines Patents, eines ergänzenden Schutzzertifikats, eines Gebrauchsmusters, eines eingetragenen Designs, des Schutzes einer Topographie, einer Marke, eines anderen nach dem Markengesetz geschützten Kennzeichens oder eines Sortenschutzrechts (gewerbliche Schutzrechte) andere zu beraten und Dritten gegenüber zu vertreten;
2.
in Angelegenheiten, die zum Geschäftskreis des Deutschen Patent- und Markenamts oder des Bundespatentgerichts gehören, andere vor diesen Stellen zu vertreten;
3.
in Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit oder Zurücknahme des Patents oder ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung einer Zwangslizenz andere vor dem Bundesgerichtshof zu vertreten;
4.
in Angelegenheiten des Sortenschutzes andere vor dem Bundessortenamt zu vertreten.

(3) Der Patentanwalt ist ferner befugt, in Angelegenheiten, für die eine Frage von Bedeutung ist, die ein gewerbliches Schutzrecht, ein Datenverarbeitungsprogramm, eine nicht geschützte Erfindung oder eine sonstige die Technik bereichernde Leistung oder eine nicht geschützte, den Pflanzenbau bereichernde Leistung auf dem Gebiet der Pflanzenzüchtung betrifft oder für die eine mit einer solchen Frage zusammenhängende Rechtsfrage von Bedeutung ist,

1.
andere zu beraten und Dritten gegenüber zu vertreten, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nummer 1 nicht vorliegen;
2.
andere vor Schiedsgerichten und vor anderen als den in Absatz 2 bezeichneten Verwaltungsbehörden zu vertreten.

(4) Jede Person hat das Recht, sich von einem Patentanwalt ihrer Wahl nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften beraten und vertreten zu lassen.

(5) Das Recht der Rechtsanwälte zur Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung) bleibt unberührt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger für seine Tätigkeit als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter bei der Beigeladenen zu 2., einem Reiseversicherungsunternehmen, ab dem 1.1.2010 bis zum 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

2

Der 1980 geborene Kläger ist seit Februar 2008 Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer (RAK) K. und der Beigeladenen zu 1. Im Oktober 2008 nahm er eine zeitlich befristete Tätigkeit als Volljurist/Mitarbeiter bei der Beigeladenen zu 2. auf (Anstellungsvertrag vom 5.9.2008), für die ihn die Beklagte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreite (Bescheid vom 25.11.2008, mit Wirkung ab 1.8.2009 aufgehoben durch Bescheid vom 10.12.2010). Ab Juni 2009 wechselte er firmenintern in die Funktion des "Vorstandsreferenten", wofür nach der Stellenausschreibung "ein erfolgreich abgeschlossenes Studium und mehrere Jahre Berufserfahrung" erforderlich waren. Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2. habe der Kläger jedoch das Zweite Juristische Staatsexamen benötigt, weil er für die Gestaltung und Verhandlung von übergeordneten Unternehmensverträgen verantwortlich gewesen sei. Dies habe die Fähigkeit erfordert, selbständig Verhandlungen zu führen und unabhängig Entscheidungen zu treffen (schriftliche Zeugenaussage vom 28.10.2010). In der Stellenausschreibung hieß es weiter: "Das Aufgabengebiet umfasst die Beratung, Unterstützung und Entlastung des Vorstandsvorsitzenden bei seinen Aufgaben im Konzern, in Verbänden, Gremien und im politischen Umfeld. Sie erstellen Referate, Präsentationen, Publikationen sowie Berichte und Analysen. Zu Ihren weiteren Aufgaben gehört das eigenverantwortliche Vor- und Nachbereiten von Aufsichtsratssitzungen und Besprechungen. Außerdem erledigen Sie die Korrespondenz und unterstützen den Vorstandsvorsitzenden bei der Budgeterstellung." Daneben übernahm der Kläger die Funktion des "Compliance-Beauftragten", die nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2. das Zweite Juristische Staatsexamen voraussetzte, weil die Tätigkeit weit über eine lediglich gutachterliche Stellungnahme oder Beurteilung durch einen Diplom-Juristen hinausgehe. Die Aufgabe des "Compliance-Beauftragten" bestehe ua darin, persönliche Strafbarkeitsrisiken für Mitarbeiter und Organmitglieder sowie Haftungsrisiken für das Unternehmen und den Vorstand zu vermeiden (Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 2.9.2009 und schriftliche Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden vom 28.10.2010). Ab dem 1.8.2009 wurde der Anstellungsvertrag vom 5.9.2008 entfristet und die monatlichen Bruttobezüge angehoben (Nachtrag vom 9.3.2009 zum Anstellungsvertrag). Seit dem 1.7.2012 ist der Kläger für "International Business Compliance" bei der Beigeladenen zu 2. zuständig.

3

Am 25.5.2009 beantragte der Kläger, ihn weiterhin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Er wies darauf hin, nach wie vor als Volljurist bei der Beigeladenen zu 2. angestellt zu sein und eine rechtsanwaltstypische Tätigkeit auszuüben. Der Schwerpunkt seiner rechtlichen Arbeit liege nunmehr ua bei Vorstandsangelegenheiten. Die Beigeladene zu 2. bestätigte, dass der Kläger mit eigenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet und wesentlich an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt sei. Viele Aufgaben könne nur ein Volljurist/Rechtsanwalt umfassend erledigen. Die Ernennung zum Compliance-Beauftragten setze den Abschluss zweier juristischer Staatsexamina voraus; die Zulassung als Rechtsanwalt sei wünschenswert (Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 9.11.2009). Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Beschäftigung als Vorstandsreferent keine Befähigung zum Richteramt erfordere und die Beschäftigung als Jurist/Compliance-Beauftragter nicht zwingend von einem Rechtsanwalt ausgeübt werden müsse (Bescheid vom 21.10.2009 und Widerspruchsbescheid vom 10.3.2010).

4

Das SG Karlsruhe hat die Klage abgewiesen, ohne die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 10.12.2010, die Befreiung im Bescheid vom 25.11.2008 aufzuheben, gemäß § 96 SGG in das Klageverfahren einzubeziehen(Urteil vom 23.3.2011). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das erstinstanzliche Urteil vom 23.3.2011 sowie den Bescheid vom 21.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.3.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien (Urteil vom 19.2.2013): Der gegen Entgelt abhängig beschäftige und rentenversicherungspflichtige Kläger sei Pflichtmitglied der RAK und der Beigeladenen zu 1. Diese Pflichtmitgliedschaften bestünden auch "wegen der" Beschäftigung als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter. Eine kausale Beziehung sei indes nicht erforderlich, weil § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ansonsten - jedenfalls für Rechtsanwälte - weitgehend leer laufe. Die Auffassung, dass bei einer abhängigen Beschäftigung von Juristen mit der Befähigung zum Richteramt bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Unternehmensjuristen oder Syndikusanwälte) eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die abhängige versicherungspflichtige Beschäftigung nur dann in Betracht komme, wenn es sich dabei um eine anwaltliche Tätigkeit handele, dh um die Ausübung einer dem Kammerberuf entsprechenden berufsspezifischen Tätigkeit, finde im Gesetz keine Stütze. Auch die sog "Vier-Kriterien-Theorie", wonach Syndikusanwälte nur befreit werden könnten, wenn ihre Tätigkeit die Rechtsberatung, -entscheidung, -gestaltung und -vermittlung umfasse, sei als Abgrenzungsformel ungeeignet. Vielmehr sei ein Befreiungsanspruch bereits dann gegeben, wenn die jeweilige Beschäftigung weder die Versagung oder Rücknahme der Rechtsanwaltszulassung noch ihren Widerruf rechtfertige (§ 7 Nr 8, § 14 Abs 1 und Abs 2 Nr 8 BRAO). Insoweit komme der Zulassungsentscheidung der RAK Tatbestandswirkung gegenüber dem Rentenversicherungsträger (und den Gerichten) zu.

5

Dagegen hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI): Das LSG habe durch seinen personenbezogenen Ansatz weder den Wortlaut der Norm noch die Intention des Gesetzgebers rechtlich zutreffend gewürdigt. Nach dem Berufungsurteil seien alle Tätigkeiten eines Rechtsanwalts, die mit seiner Zulassung vereinbar seien, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, und zwar unabhängig davon, ob es sich überhaupt um juristisch-anwaltliche Tätigkeiten handele. Der erstmalige Befreiungsbescheid habe dann faktisch Dauerwirkung, die erst mit der Rücknahme oder dem Widerruf der Rechtsanwaltszulassung ende, sodass die Bescheidung weiterer Befreiungsanträge nutzlose Verwaltungsarbeit sei. Im Ergebnis würden der Solidargemeinschaft - in Abhängigkeit von der Zulassungspraxis der RAK - Rentenversicherungsbeiträge in erheblicher Höhe entzogen. Um dies zu verhindern, müsse der Rentenversicherungsträger den Zusammenhang zwischen der konkret ausgeübten anwaltlichen Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und den Pflichtmitgliedschaften in RAK und Versorgungswerk positiv feststellen. Dies sei der Fall, wenn die jeweilige Beschäftigung inhaltlich durch Merkmale einer anwaltlichen Tätigkeit gekennzeichnet sei und nur von Personen ausgeübt werden könne, die zum Richteramt befähigt seien. Darüber hinaus müsse die jeweilige Beschäftigung alle Merkmale der "Vier-Kriterien-Theorie" kumulativ erfüllen. Die Stellenausschreibung, auf die sich der Kläger beworben habe, spreche Absolventen der verschiedensten Fachrichtungen an, wobei weder ein juristisches Studium noch die Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung Einstellungsvoraussetzung gewesen sei. Schon deshalb könne keine anwaltliche Tätigkeit vorliegen. Auch bei der Betätigung als Compliance-Beauftragter stünden rechtliche Fragen nicht im Mittelpunkt.

6

 

Die Beklagte beantragt,
        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. März 2011 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter habe er eine berufsspezifisch-anwaltliche Tätigkeit im Rahmen seiner Rechtsanwaltszulassung ausgeübt. Zur Vermeidung einer doppelten Beitragspflicht sei er daher gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Doppelberufstheorie des BGH, die die Beklagte erwähne, und die Vier-Kriterien-Theorie, die sie heranziehe, seien rechts- bzw verfassungswidrig.

9

Die Beigeladene zu 1., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das Tatbestandsmerkmal "wegen" solle zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog "Vier-Kriterien-Theorie", die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte wende die "Vier-Kriterien-Formel" an; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer Berufsstand. Ob die Tätigkeit des Klägers als anwaltliche Tätigkeit zu klassifizieren sei, könne nach den bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen wiesen stark in die Richtung, dass die vier Kriterien für eine Rechtsanwaltstätigkeit erfüllt seien. Am besten sei es jedoch, wenn die RAK - wie es das LSG befürworte - mit Bindungswirkung für das Befreiungsverfahren darüber entscheide, ob das Kammermitglied berufsspezifisch tätig sei.

10

Die Beigeladene zu 2. beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Wie aus ihrer Stellen- und Funktionsbeschreibung sowie der Zeugenaussage ihres Vorstandsvorsitzenden hervorgehe, sei der Kläger bei ihr als Rechtsanwalt tätig, dem sie mit der unwiderruflichen Freistellungserklärung ihr besonderes Vertrauen ausgesprochen habe. Zudem habe sie im Befreiungsverfahren ausdrücklich bestätigt, dass eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt werde, wobei diese Einschätzung gemäß Art 12 GG in ihrem Ermessen stehe. § 6 SGB VI sei keine Ausnahmevorschrift, sondern eine Kollisions- bzw Konfliktlösungsnorm, für die es auf die konkrete berufsspezifische Tätigkeit ankomme, die den jeweiligen Antragsteller kammerpflichtig mache, was anhand der BRAO zu prüfen sei. Diese definiere aber keine Beschäftigung, "wegen der" eine Mitgliedschaft in einer RAK bestehe. Sozialversicherungsrechtlich sei die Doppelberufstheorie ebenso unbeachtlich wie die Frage, ob sich die Berufshaftpflicht auch auf die angestellte Tätigkeit beziehe. Stattdessen habe sich in der Rechtspraxis die "Vier-Kriterien-Theorie" durchgesetzt, wie aus der Liste entsprechender erstinstanzlicher Entscheidungen hervorgehe. Syndikusanwälte seien seit über 125 Jahren integraler Bestandteil der deutschen Anwaltschaft und deshalb keine "neue Berufsgruppe". Der Beklagten sei schließlich entgegenzuhalten, dass sie selbst die Tätigkeiten als Vorstandsreferent und auch im Compliancebereich in aller Regel als befreiungsfähig ansehe.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist begründet.

13

Zu Unrecht hat das LSG auf die Berufung des Klägers das klageabweisende Urteil des SG vom 23.3.2011 sowie den Bescheid vom 21.10.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 10.3.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, ihn für seine Tätigkeit als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter bei der Beigeladenen zu 2. im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 30.6.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Das Urteil des Berufungsgerichts vom 19.2.2013 verletzt Bundesrecht (§ 162 SGG). Dem Kläger steht kein Befreiungsrecht zu.

14

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in Betracht, der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

        

a)    

am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

        

b)    

für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

        

c)    

aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

15

1. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbrachte der Kläger bei der Beigeladenen zu 2. als Vorstandsreferent und Compliance-Beauftragter nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Aufgrund der Bruttovergütung iH von monatlich 3681,00 Euro, die deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) lag, war er auch (renten-)versicherungspflichtig (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI).

16

2. Der Kläger ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 22.2.2008 durch die RAK K. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am selben Tag der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt(§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde der Kläger damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK K. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat derartige Aufhebungs- oder Erledigungstatbestände nicht festgestellt. Die rechtsgestaltenden Wirkungen des Zulassungsverwaltungsakts sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung). Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus.

17

3. Das LSG hat zudem festgestellt, dass der Kläger zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 1. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde der Kläger, der damals das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 5 Abs 2 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Rechtsanwaltsversorgungsgesetz - RAVG) vom 10.12.1984 iVm § 10 Abs 1 S 1, § 5 Abs 2 der Satzung der Beigeladenen zu 1. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK K.

18

4. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfolgt allerdings weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen. Vielmehr ist mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden, worauf auch das LSG hinweist. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert deshalb zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.

19

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.

20

Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

21

5. Der Kläger erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Seine Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 2. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Denn die anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für seine Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende statusbegründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.

22

Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).

23

Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.

24

Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revisionserwiderung des anwaltlich vertretenen und seinerseits zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägers mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst und lediglich behauptet, die sog Doppelberufstheorie sei verfassungswidrig, ohne dies jedoch unter Benennung einer angeblich verletzten Verfassungsnorm auch nur ansatzweise zu begründen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).

25

Ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung ist zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).

26

Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:

        

"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: `Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben´."

27

Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:

        

"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"

28

In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:

        

"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "

29

Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN, insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.

30

Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):

        

"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.

        

Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."

31

Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.

32

6. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

33

a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).

34

b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.

35

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.

36

c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann entgegen der Ansicht des LSG nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).

37

d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschluss vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).

38

e) Der mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch existieren nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts.

39

f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Der Kläger gehört als abhängig Beschäftigter iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem der Kläger zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).

40

Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.

41

Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.

42

g) Darüber hinaus ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013, 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.

43

Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:

"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.    

Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"

44

Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den vom Kläger repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).

45

h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - vom Kläger im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in sein Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).

46

Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).

47

Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.

48

i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der vom Kläger repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

                          
                          

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin ab dem 18.9.2009 für die Beschäftigung, die sie bei der Beigeladenen zu 1. ausübt, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

2

Die 1972 geborene Klägerin ist Volljuristin. Die Beigeladene zu 1. betreibt ein Beratungsunternehmen für betriebliche Altersversorgung und Vergütung; ihre Rechtsabteilung besteht ausschließlich aus Volljuristen. Die Beigeladene zu 2. leistet ihren Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten Versorgung nach Maßgabe ihrer Satzung (Bekanntmachung des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.7.1985, JMBl NW 172) und des Gesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung (RAVG NW) vom 6.11.1984 (GVBI NW 684).

3

Im Herbst 1999 bewarb sich die Klägerin erfolgreich bei der Beigeladenen zu 1. auf die Stelle einer "Jurist/in in dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung" und nahm am 1.2.2000 in der Rechtsabteilung eine Beschäftigung als "juristische Mitarbeiterin" gegen Entgelt auf (Anstellungsvertrag vom 26.1.2000). Als solche ist sie weisungsgebunden, fachlich jedoch unabhängig. Sie betreut und berät versicherungsrechtliche Fragestellungen (Einrichtung, Durchführung und Änderung) der Versorgungs- und Vergütungssysteme rechtlich umfassend, beantwortet sämtliche steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen, verhandelt selbständig mit Geschäftspartnern, tritt als Referentin bei Vorträgen auf, bearbeitet anspruchsvolle Grundsatz- und Projektarbeit im Bereich "Betriebliche Altersversorgung und Vergütung" und nimmt an wesentlichen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen bei steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen teil (Stellenbeschreibung vom 7.4.2009 und Stellungnahme der Beigeladenen zu 1. vom 17.3.2011). Ihrer rechtlichen Bewertung wird im Unternehmen der Beigeladenen zu 1. hohes Gewicht beigemessen. Allerdings trifft sie - wegen des im Unternehmen praktizierten Vier-Augen-Prinzips - Entscheidungen nicht allein, sondern nur im Einvernehmen mit den Vorgesetzten, insbesondere mit ihrem Abteilungsleiter, der zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist. Nach § 6 des Anstellungsvertrags vom 26.1.2000 benötigt sie für entgeltliche oder unentgeltliche Nebenbeschäftigungen sowie Veröffentlichungen und Vorträge die vorherige schriftliche Zustimmung der Beigeladenen zu 1. Die Klägerin betrieb ihre Zulassung zur Rechtsanwältin zunächst nicht, weil die Beigeladene zu 1. dies nicht wünschte.

4

Anfang 2009 übernahm die Klägerin den Kundenstamm und die Aufgaben einer Kollegin, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen war. In einer Freistellungserklärung vom 5.3.2009 erklärte sich die Beigeladene zu 1. unwiderruflich damit einverstanden, dass die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als juristische Mitarbeiterin als Rechtsanwältin arbeiten und während der Dienststunden anwaltliche Termine wahrnehmen dürfe. Denn aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung der Firmenpolitik sollten auf Wunsch der Beigeladenen zu 1. nunmehr alle in der Rechtsabteilung tätigen Volljuristen (ohne Änderung des Anstellungsvertrags) zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein.

5

Am 8.7.2009 beantragte die Klägerin bei der Rechtsanwaltskammer (RAK) D. ihre Zulassung als Rechtsanwältin, fügte die Freistellungserklärung vom 5.3.2009 sowie die Stellenbeschreibung vom 7.4.2009 bei und gab an, sie werde ihre Kanzlei in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1. einrichten. Der Vorstand der RAK teilte ihr mit, er habe ihren Antrag "bezüglich der Syndikustätigkeit" bei der Beigeladenen zu 1. geprüft und keine Bedenken geltend gemacht (Schreiben vom 8.9.2009). Am 18.9.2009 wurde die Klägerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, gleichzeitig Mitglied der RAK D. und damit nach § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung der Beigeladenen zu 2. deren Pflichtmitglied. Ab diesem Zeitpunkt schloss sie bei der A. Versicherung AG eine Berufshaftpflichtversicherung für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin zu einem Sonderjahresbeitrag von 97 EUR ab, der ihr wegen einer nur nebenberuflich ausgeübten freien Anwaltstätigkeit gewährt wurde. Die Klägerin teilt ihre Büroräume bei der Beigeladenen zu 1. mit einem weiteren Mitarbeiter ("Doppelbüro"), hat dort kein Kanzleischild, das auf ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin hinweist, und führt auch keine eigenen, der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Rechtsanwaltsakten. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit hat sie nicht erzielt.

6

Am 25.11.2009 beantragte die Klägerin, sie wegen ihrer berufsspezifischen anwaltlichen Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Die Beigeladene zu 1. erklärte dazu, die Klägerin werde "in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig", fertige Entscheidungsvorlagen für die Geschäftsführung und für andere Abteilungen und sei im Abstimmungsprozess für die zu treffenden Entscheidungen beteiligt. Nebenberufliche Beschäftigungen bedürften keiner "vorherigen Genehmigung". Die Klägerin dürfe unwiderruflich neben ihrer Tätigkeit als Angestellte eine Anwaltspraxis ausüben und sich zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine ohne Erlaubnis im Einzelfall jederzeit von ihrem Dienstplatz entfernen (Schreiben der Beigeladenen zu 1. vom 11.6.2010). Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Klägerin für die Beigeladene zu 1. nicht rechtsentscheidend tätig sei und deshalb keine anwaltliche Tätigkeit ausübe (Bescheid vom 20.7.2010 und Widerspruchsbescheid vom 24.11.2010).

7

Das SG Duisburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.2.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 7.5.2013): Sie habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn die Klägerin sei nicht "wegen" ihrer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung als "juristische Mitarbeiterin" bei der Beigeladenen zu 1. Mitglied der RAK D. und diese Beschäftigung verpflichte sie auch nicht kraft Gesetzes, Mitglied der RAK D. zu sein oder zu werden. Da sie aufgrund der restriktiven Zulassungspraxis und der Rechtsprechung des BGH damit gerechnet habe, dass ihr die RAK die Rechtsanwaltszulassung gerade wegen der abhängigen Beschäftigung bei einer nichtanwaltlichen Arbeitgeberin versagen würde, habe sie im Zulassungsverfahren lediglich angegeben, den Rechtsanwaltsberuf neben ihrer abhängigen Beschäftigung auszuüben. Damit sei die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen im vorgesehenen Rechtsweg umgangen und de facto versucht worden, die Zulassungsentscheidung auf die Beklagte und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu verlagern. Dies verletze das Prinzip von Treu und Glauben und verstoße gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Im Befreiungsverfahren habe sie dagegen behauptet, in ihrer abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwältin tätig zu sein, obwohl sie dort keine Kanzlei oder Zweigstelle eingerichtet habe (§ 27 BRAO), keine Anwaltsakten führe (§ 50 BRAO), keine Maßnahmen zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht ergriffen (§ 43a BRAO) und die hauptberufliche Tätigkeit nicht haftpflichtversichert habe (§ 51 Abs 1 BRAO). Damit erfülle sie weder die Berufspflichten noch die Rahmenbedingungen, die der Deutsche Anwaltsverein (DAV) im Merkblatt für sog "Syndikusanwälte" aufgestellt habe. Berücksichtige man schließlich, dass die Klägerin mit der Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin offenbar keine Einnahmen erziele, so liege die Annahme nahe, dass der Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht rechtsmissbräuchlich auf eine Pro-Forma-Zulassung gestützt werde. Dieses Vorgehen werde in der juristischen Literatur als "Mogelpackung" bezeichnet, wobei "Phantasieerklärungen" wie die der Beigeladenen zu 1., die Klägerin werde "in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig", zum "Top" der "Zulassungsmogelei" gehörten.

8

Zudem sei die Klägerin nicht "wegen der" abhängigen Beschäftigung "kraft gesetzlicher Verpflichtung" Mitglied einer berufsständischen Kammer. Diese setze eine Tätigkeit voraus, deren rechtmäßige Ausübung gesetzlich zwingend die Zulassung zur Anwaltschaft und damit zugleich zwingend die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer nach sich ziehe. Als "juristische Mitarbeiterin" benötige die Klägerin keine besondere Zulassung iS von § 3 RDG, weil sie keine "fremden Angelegenheiten" iS von § 2 Abs 1 RDG besorge; in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin dürfe sie nicht für die Beigeladene zu 1. tätig werden (§ 46 Abs 1 BRAO).

9

Der enge Wortlaut der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI könne nicht mit Hilfe der sog "Vier-Kriterien-Theorie" erweiternd ausgelegt werden, wonach die zu befreiende Tätigkeit kumulativ rechtsberatende, -entscheidende, -vermittelnde und -gestaltende Elemente enthalten müsse. Denn diese vagen und praxisuntauglichen Kriterien, die erhebliche Abgrenzungs- und Definitionsprobleme schüfen und zu unvorhersehbaren Entscheidungen führten, erfüllten auch viele Steuerberater, Rentenberater, Mitarbeiter von Inkassodiensten etc, während sie angestellte Rechtsanwälte bei anwaltlichen Arbeitgebern häufig verfehlten. Das SGB VI koordiniere mit der Befreiungsmöglichkeit die selbständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung und vermeide eine doppelte Beitragspflicht zu zwei weitgehend funktionsgleichen Sicherungssystemen, auch wenn dies weder primäres Ziel des Gesetzes noch des historischen Gesetzgebers sei, wie bereits aus § 6 Abs 1 S 3 SGB VI folge. Jedenfalls müsse zwischen der berufsspezifischen Tätigkeit, für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung beansprucht werde, und dem Schutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung ein innerer Zusammenhang bestehen. Aus der Notwendigkeit einer "berufsspezifischen Tätigkeit" folge aber nicht im Umkehrschluss, dass jede "berufsspezifische" Tätigkeit allein bereits für die Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI genüge. Dessen ungeachtet sei die Klägerin aber auch nicht "rechtsentscheidend" tätig, weil sie für Entscheidungen das Einvernehmen ihrer Vorgesetzten benötige.

10

Die Befreiung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die abhängige Beschäftigung der Klägerin für die Beigeladene zu 1. gemeinsam mit der nebenberuflichen selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit eine einheitliche anwaltliche Berufsausübung darstelle. Da die selbständige Rechtsanwaltstätigkeit von vornherein rentenversicherungsfrei sei, strahle sie weder auf die abhängige Hauptbeschäftigung aus noch könnten beide zu einem einheitlichen Anwaltsberuf verschmelzen, der insgesamt zu einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führe. Vielmehr handele es sich bei der nebenberuflichen selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit und der Beschäftigung als angestellte juristische Mitarbeiterin um zwei zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten, die voneinander unabhängig durch das Berufsausübungsrecht (BRAO einerseits und arbeitsrechtliche Vorschriften andererseits) mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet seien, steuerrechtlich unterschiedlich behandelt würden (Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung einerseits und aus selbständiger Erwerbstätigkeit andererseits) und deshalb eine getrennte Betrachtung erforderten (sog Doppelberufstheorie). Gerade deshalb strebe der DAV eine Änderung des § 46 BRAO an. Dass die Beigeladene zu 1. nunmehr (unverständlicherweise) wünsche, dass alle in ihrer Rechtsabteilung tätigen Volljuristen als Rechtsanwälte zugelassen seien, könne daran nichts ändern, weil die Frage, ob ein angestellter Jurist die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht erfülle, nicht der Disposition des Arbeitgebers unterliegen könne. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als sich der Charakter der abhängigen Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. nach und durch die Zulassung zur Anwaltschaft nicht verändert habe. Die Klägerin sei seit ihrer Zulassung als Rechtsanwältin keine sog "Syndikusanwältin" iS des § 46 BRAO und als solche auch nicht per se von der Versicherungspflicht zu befreien. Denn es stehe weder fest noch sei festzustellen, was unter dem (operationalen) Begriff "Syndikusanwalt" überhaupt zu verstehen sei. Jedenfalls werde die Klägerin für die Beigeladene zu 1. nicht als Rechtsanwältin tätig, wie dies § 46 BRAO erfordere, weil sie diese Tätigkeit bis heute nicht entsprechend den zwingenden Formvorschriften der BRAO ausübe. Folgerichtig habe die Beigeladene zu 1. die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch nicht zur Einstellungsvoraussetzung gemacht. Aber selbst wenn man die Klägerin als "Syndikusanwältin" ansähe, könnte sie für ihre Tätigkeit als "juristische Mitarbeiterin" nicht befreit werden. Dieses Ergebnis stehe mit der Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG und des BGH in Einklang.

11

Schließlich könne die Klägerin einen Befreiungsanspruch auch nicht aus den Verwaltungsrichtlinien der Beklagten iVm Art 3 Abs 1 GG herleiten. Selbst wenn zahlreiche andere Versicherte bei vergleichbarer Sach- und Rechtslage von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung - rechtswidrig - befreit worden seien, ergebe sich daraus kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Soweit sie beantragt habe, den Präsidenten der RAK D. dazu als Zeugen zu vernehmen, dass sie wegen ihrer Tätigkeit in Diensten der Beigeladenen zu 1. als Rechtsanwältin zugelassen worden sei, sei dies nicht entscheidungserheblich und stelle einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.

12

Dagegen hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 und S 3 SGB VI) und formellen (§§ 103, 202 SGG, § 548 ZPO)Rechts: Zu Unrecht interpretiere die angefochtene Entscheidung - die in der bisherigen Rechtsprechung eine absolute Alleinstellung aufweise - das Tatbestandsmerkmal "wegen" wortlautgetreu in einem konditionalen Sinn. Ein solches Verständnis sei jedoch nicht zwingend. Bei historischer und teleologischer Interpretation solle die Präposition vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog Vier-Kriterien-Theorie, die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte habe die Vierkriterienformel in ihr Merkblatt für nichtanwaltliche Arbeitgeber übernommen; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer, letztlich undefinierbarer Berufsstand. Wende man die Vier-Kriterien-Theorie an, so könne das Kriterium "rechtsentscheidend" vorliegend nicht verneint werden. Denn Unternehmensentscheidungen treffe immer nur der Unternehmer und nicht sein Anwalt. Dieser könne nur durch den richtigen Rat dazu beitragen, dass der Mandant die richtige Entscheidung treffe. Insofern sei jeder Anwalt - wie auch die Klägerin - lediglich in den unternehmerischen Entscheidungsprozess eingebunden. Kein Mandant sei gezwungen, dem anwaltlichen Rechtsrat zu folgen. Dass er beratungsresistent sei, weil andere Gründe (Opportunität, Subjektivität, außerrechtliche Gründe, Starrsinn, Dummheit etc) mehr Gewicht hätten, gehöre zum anwaltlichen Alltag. Auch selbständige Anwälte hätten auf Weisung des Mandanten in einer Weise zu agieren, die ihrem eigenen Vorschlag widerspreche, wenn nur der Mandant hinreichend belehrt und das Tätigwerden nicht gegen Berufsregeln oder Berufsethik verstoße. Denselben Kautelen unterliege der Syndikusanwalt.

13

Aus systematischer Sicht sei § 6 SGB VI keine Ausnahmevorschrift, sondern Kollisionsnorm, die einer extensiven Auslegung zugänglich sei. Andernfalls wären die Anwaltschaft und alle verkammerten freien Berufe von jeglicher Fortbildung ihrer Berufsbilder abgeschnitten, was den Regelungsbereich des Art 12 GG berühre. Verfassungsrechtlich sei eine Gleichstellung der Syndikusanwälte geboten. Soweit sich das LSG auf die sog Doppelberufstheorie des BGH berufe, betreffe sie nur das anwaltliche Berufsrecht, nicht jedoch das Sozialversicherungsrecht. Dasselbe gelte für die Reformüberlegungen des DAV. Etwaige berufsrechtliche Defizite seien sozialrechtlich bedeutungslos. Denn sozialversicherungsrechtlich sei allein die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend, sodass weite Strecken der Bezugnahme auf Berufsrecht (Haftpflicht, Verschwiegenheit, Kanzleischild) im angefochtenen Urteil an der Sache vorbeigingen. Vor diesem Hintergrund seien die Vorhaltungen und Unterstellungen des LSG mit Nachdruck zurückzuweisen, die Klägerin habe im Wege einer Mogelpackung in kollusivem Zusammenwirken mit der Arbeitgeberin den Weg in die Anwaltschaft und das Befreiungsrecht erschlichen und sei nur eine Art Scheinanwältin. Das LSG übersehe, dass die Beigeladene zu 1. von der erstrebten Befreiung beitragsrechtlich nicht profitiere und angestellte Anwälte für sie nicht "bequemer" als bloße Volljuristen seien. Vielmehr wolle die Beigeladene zu 1. ihre Juristen durch die Anwaltszulassung "auf gleiche Augenhöhe" mit externen Anwälten, aber auch mit Behörden stellen und von der "Reputation" profitieren, die ein Anwalt als Organ der Rechtspflege habe. Vor allem aber habe der unabhängige Rechtsrat unabhängiger Anwälte (§ 3 BRAO) mit vollständiger fachlicher Autonomie für den Arbeitgeber besonderen Wert. Vor diesem Hintergrund sei es unschädlich, dass die Klägerin schon früher für die Beigeladene zu 1. als juristische Mitarbeiterin ohne Anwaltszulassung gearbeitet habe. Denn zwischenzeitlich habe sich die Firmenpolitik der Beigeladenen zu 1. insoweit grundlegend geändert, dass nunmehr alle in der Rechtsabteilung tätigen Volljuristen zur Anwaltschaft zugelassen werden sollten, nebenberufliche Beschäftigungen nicht mehr genehmigungspflichtig seien und die Klägerin (auch inhaltlich) nicht mehr "am engen Direktionszügel geführt" werde. Zu Unrecht habe das LSG schließlich den Beweisantrag übergangen, weil der Präsident der RAK D. bestätigt hätte, dass die Klägerin (auch) "wegen" ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. als Rechtsanwältin in dem vom LSG für richtig gehaltenen Sinne zugelassen worden sei. Ferner sei die Fünf-Monats-Frist zur Übergabe der Entscheidungsgründe an die Geschäftsstelle überschritten und das Urteil deshalb nicht mit Gründen versehen.

14

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 7. Februar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 24. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie ab dem 18. September 2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

15

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

16

Sie meint, das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI sei keine Kollisionsregelung, sondern räume dem Mitglied des berufsständischen Versorgungswerks im Falle einer Doppelversicherung das Gestaltungsrecht ein, sich durch einen Antrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen, um sich die doppelte Beitragspflicht zu ersparen. Für den befreiungsnotwendigen Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit einerseits und den Pflichtmitgliedschaften in der Berufskammer und im berufsständischen Versorgungswerk anderseits komme es entscheidend auf die inhaltliche Ausgestaltung der konkret ausgeübten Tätigkeit an. Diese müsse einem Volljuristen vorbehalten sein und kumulativ rechtsberatende, -gestaltende, -entscheidende und -vermittelnde Merkmale aufweisen. Die Klägerin sei jedoch nicht rechtsentscheidend tätig. Soweit sie dies bestreite, fehle eine substantielle Begründung. Stattdessen rüge sie lediglich, dass das LSG auf eine Anhörung von Repräsentanten der Anwaltschaft verzichtet und sich daher keinen hinreichenden Einblick in die vielfältige betriebliche Praxis von mehr als 20 000 Unternehmensanwälten verschafft habe. Welche Erkenntnisse aus der vielfältigen Praxis für die Beurteilung der konkreten Beschäftigung der Klägerin zu gewinnen gewesen wären, bleibe aber offen. Für die Ausübung der konkreten Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. sei die Zulassung zur Anwaltschaft keine notwendige Voraussetzung gewesen, denn vor und nach der Zulassung seien dieselben Arbeiten ausgeführt worden. Dabei sei unbeachtlich, dass die Beigeladene zu 1. erst keine und später dann doch zugelassene Rechtsanwälte beschäftigen wollte. Denn die Qualifizierung einer Tätigkeit könne nicht von der Disposition des Arbeitgebers abhängen. Das von der Klägerin betriebene Zulassungsverfahren dürfte daher einzig und allein dem Zweck gedient haben, die Altersvorsorge für die von ihr ausgeübte abhängige Beschäftigung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung gestalten zu können. Fehle aber eine berufsrechtlich überwachte und qualitätsgesicherte Berufstätigkeit im Kammerberuf, dann sei der von der Klägerin zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "wegen" in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für ausreichend gehaltene sachliche Zusammenhang zwischen der ausgeübten Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und der kammerberuflichen Tätigkeit nicht herzustellen.

17

Die Beigeladene zu 2., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das angefochtene Urteil sei bereits im Ansatz verfehlt, weil die BRAO keine Beschäftigung definiere, "wegen der" Kammerzugehörigkeit in einer RAK bestehen müsse. Vielmehr stelle jeder Rechtsanwalt seinen Zulassungsantrag ausschließlich für sich selbst. Soweit das LSG rüge, die Klägerin habe ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht wegen ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. betrieben, sei einzuwenden, dass das anwaltliche Berufsrecht eine derartige "Spezialzulassung" überhaupt nicht kenne. Die Klägerin sei richtigerweise zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden; ob ihre Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber als anwaltliche Tätigkeit einzustufen sei, prüfe die RAK nicht. Die Freistellungserklärung stelle lediglich ihre Unabhängigkeit in der Mandatswahrnehmung außerhalb ihres Dienstverhältnisses sicher. Der notwendige Ursachenzusammenhang zwischen der konkreten Tätigkeit und den Pflichtmitgliedschaften in Kammer und berufsständischer Versorgung sei mit Hilfe der Vier-Kriterien-Theorie zu beurteilen, die die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis anwende, in der Literatur zustimmend aufgenommen worden sei und auch in der sozialgerichtlichen Instanzrechtsprechung Gefolgschaft gefunden habe. BRAK und DAV hätten ebenfalls zustimmende Beschlüsse gefasst. Lehne man die Vier-Kriterien-Theorie ab, müsse die Negativabgrenzung über das Merkmal "berufsfremd" erfolgen. Nach der Rechtsprechung des BSG liege eine berufsfremde Tätigkeit vor, wenn die konkrete Beschäftigung nicht durch schwerpunktmäßig in Ausbildung und Beruf typischerweise gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen geprägt sei. Im Übrigen sei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI keine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, sondern eine Kollisions- oder Koordinationsnorm. Sie solle verhindern, dass die betroffenen Berufsgruppen mit einer doppelten Beitragszahlungspflicht belastet werden, und damit zugleich verfassungsrechtlich (Art 12 Abs 1 GG) gewährleisten, dass Volljuristen nicht von der Wahl des Rechtsanwaltsberufes abgehalten werden. Art 12 GG erlaube jedem Rechtsanwalt, Rechtsrat auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages zu erteilen. Wenn dieser "Zweitberuf" die vier Kriterien (Rechtsberatung, -gestaltung, -vermittlung und -entscheidung) erfülle, sei der Rechtsanwalt auch insoweit Rechtsanwalt und nicht in sonstiger Weise tätig. Dagegen sei die Doppelberufstheorie mit einer tätigkeitsbezogenen Betrachtung im Einzelfall, wie sie § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gebiete, unvereinbar, zumal der Syndikusanwalt einen einheitlichen Beruf ausübe, nämlich den des Rechtsanwalts an zwei Arbeitsstellen. Folglich handele es sich nicht um eine "eigene Berufsgruppe", sondern um einen integralen Teil der Anwaltschaft. Damit sei auch die Behauptung des LSG widerlegt, bei den Syndikusanwälten handele es sich um eine die Sperrwirkung des § 6 Abs 1 S 3 SGB VI auslösende neu entstandene Berufsgruppe. Denn Syndikus-"Anwälte" gebe es schon seit über 125 Jahren. Dass sie ebenso "unabhängig" seien wie "freie" Rechtsanwälte, könne nicht ernsthaft bestritten werden. Denn beide unterlägen dem anwaltlichen Berufsrecht, das als öffentliches Recht zwingend und damit der Disposition durch die Parteien des Mandats- und Anstellungsvertrags entzogen sei. Mit der unbedingten rechtlichen Verpflichtung auf die Vertretung der wohlverstandenen Interessen ihrer Mandanten, der Verpflichtung zur Verschwiegenheit, der Vermeidung der Verfolgung widerstreitender Interessen und der unbedingten Verpflichtung auf das Recht unterlägen Syndikusanwälte außerökonomischen Normen, sodass sie ihrer Funktion als "rechtliches Gewissen" des Unternehmens gerecht werden könnten.

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Die Beigeladene zu 1. ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts bestätigt und die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum ab dem 18.9.2009 gegen die Beklagte kein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.

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1. Allerdings hat die Klägerin die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 15; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN).

21

a) Bei einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist darzulegen, warum sich das LSG von seiner Rechtsauffassung her zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und ggf zu welchen (Leitherer aaO RdNr 12a). Das erfordert neben der Benennung des nach Auffassung des Revisionsführers ungenutzt gebliebenen Beweismittels die konkrete Darlegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, in deren Licht der Beweisgegenstand rechtliche Bedeutung erlangt hätte und regelmäßig die Angabe, zu welchem Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme geführt hätte. Eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Passagen des angegriffenen Urteils fehlt. Die Revisionsbegründung legt auch nicht dar, warum gerade aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts eine Kenntnis der allgemeinen betrieblichen Praxis bzw der Vorstellungen hiermit vertrauter Amtswalter hiervon unabdingbar der Entscheidungsfindung hätte zugrunde gelegt werden müssen. Ebenso wird ein voraussichtliches Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gerade nicht behauptet; vielmehr trägt der Prozessvertreter der Klägerin ausdrücklich vor, er wisse nicht, was der Zeuge "wirklich" gesagt hätte.

22

b) Mit ihrer sinngemäß erhobenen Behauptung, das angefochtene Urteil sei bereits deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen, weil es erst unmittelbar vor bzw erst nach Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung abgefasst worden und mit den Unterschriften der Richter zur Geschäftsstelle gelangt sei, rügt die Klägerin sinngemäß das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG), also das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO(idF der Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5.12.2005, BGBl I 3202). Ihr Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um einen solchen Mangel hinreichend darzutun. Wird mit der Revision geltend gemacht, ein Urteil sei nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist verspätet abgesetzt und daher nicht mit Gründen versehen, so ist dieser Verfahrensmangel nur dann ausreichend bezeichnet, wenn in der Begründung der Zeitpunkt der Niederlegung des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle angegeben ist (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 5 S 7 und SozR 1750 § 551 Nr 8). Ist dieser Zeitpunkt dem Revisionsführer unbekannt, muss zumindest dargelegt werden, dass und mit welchem Ergebnis versucht worden ist, den Inhalt des amtlichen Vermerks über den Zeitpunkt der Urteilsübergabe zu erfahren (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 6 S 12 und SozR 1750 § 551 Nr 9). Daran fehlt es. Folglich kann die Klägerin ihre Rüge eines Fehlens von Gründen nicht allein auf die zwischen Verkündung und Absetzung des Berufungsurteils verstrichene Zeit stützen. Ebenso wenig zeigt die Revisionsbegründung auf, dass ausnahmsweise trotz Einhaltung der maßgeblichen Fünfmonatsgrenze ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, weil sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass infolge der verzögerten Absetzung der Entscheidungsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist (Keller, aaO, § 134 RdNr 4). Hierfür enthält das Revisionsvorbringen keine konkreten fallbezogenen Anhaltspunkte, wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwändigen Beweisaufnahme (BSG Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 17).

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2. Materiell-rechtlich einschlägig ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824), der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

        

a)    

am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

        

b)    

für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

        

c)    

aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

24

3. Die Klägerin ist abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbringt die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. als juristische Mitarbeiterin nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Ob sie aufgrund ihrer entgeltlichen Beschäftigung auch (renten-)versicherungspflichtig ist (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI), kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, weil insbesondere Feststellungen des Berufungsgerichts zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) fehlen.

25

Dessen ungeachtet war eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachaufklärung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG) nicht geboten. Für das Ergebnis des Verfahrens ist unerheblich, ob die begehrte Befreiung bereits deshalb zu versagen ist, weil die Klägerin möglicherweise nicht versicherungspflichtig ist und es damit schon am notwendigen Interesse für die Stellung eines zulässigen Befreiungsantrags fehlt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts genügen jedenfalls zur abschließenden Entscheidung über das Fehlen sonstiger notwendiger Tatbestandsvoraussetzungen des Befreiungsrechts.

26

4. Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 18.9.2009 durch die RAK D. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am selben Tag der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt(§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde die Klägerin damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK D. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat derartige Aufhebungs- oder Erledigungstatbestände nicht festgestellt, sodass der Zulassungsverwaltungsakt ungeachtet einer möglichen Rechtswidrigkeit weiterhin wirksam ist. Seine rechtsgestaltenden Wirkungen sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung). Unter anderem ist deshalb unerheblich, ob die Klägerin im Zulassungsverfahren Falschangaben gemacht hat, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung im Einzelnen vorgelegen haben und welche (Fehl-)Vorstellungen Amtswalter der RAK ggf bei Erlass des Zulassungsverwaltungsaktes hatten. Schon aufgrund der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes kann es zudem nicht zu einer vom LSG - und Teilen der Anwaltschaft - befürchteten treuwidrigen (§ 242 BGB) und widersprüchlichen (venire contra factum proprium) "Umgehung des Rechtswegs" zu den ordentlichen Gerichten und ggf zum BVerfG und/oder EuGH kommen. Die Sozialgerichtsbarkeit entscheidet rechtlich grundsätzlich - mit Ausnahme der Fälle der Nichtigkeit - nicht, wer seinem Status nach Rechtsanwalt ist.

27

5. Das LSG hat zudem festgestellt, dass die Klägerin zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 2. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde die Klägerin auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung der Beigeladenen zu 2. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK D.

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6. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen erfolgt, sondern mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet ist, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert jedoch zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.

29

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.

30

Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

31

7. Die Klägerin erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Ihre Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Ihre anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es - worauf bereits das LSG zutreffend hingewiesen hat - mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für ihre Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende Status begründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.

32

Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).

33

Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es entgegen der Revision nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.

34

Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revision der anwaltlich vertretenen und ihrerseits zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägerin mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).

35

Entgegen der Revision ist ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).

36

Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:

        

"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: 'Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben'."

37

Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:

        

"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"

38

In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:

        

"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "

39

Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN, insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.

40

Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):

        

"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.

        

Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."

41

Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.

42

8. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände der Revision greifen nicht durch.

43

a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).

44

b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.

45

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.

46

c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann erst recht nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).

47

d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschlüsse vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).

48

e) Der von der Revision mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch führt die Revision nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts auf.

49

f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Die Klägerin gehört als abhängig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem die Klägerin zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).

50

Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.

51

Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und entgegen der Behauptung der Klägerin allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich damit entgegen dem Einwand der Beigeladenen zu 2. nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.

52

g) Ebenfalls entgegen der Revision ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013 , 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.

53

Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:

"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.    

Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"

54

Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den von der Klägerin repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).

55

h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - von der Klägerin im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in ihr Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).

56

Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).

57

Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.

58

i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der von der Klägerin repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 100.000 € (in Worten: einhunderttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Syndikusrechtsanwältin und wendet sich gegen die Ablehnung ihrer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, die in letzter Instanz durch das angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 bestätigt worden ist.

2

1. Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde ist am 1. Januar 2016 das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl I S. 2517) in Kraft getreten. Syndikusrechtsanwälte können nunmehr nach § 46a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) bei der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragen. Nach § 46c Abs. 1 BRAO gelten für sie die für Rechtsanwälte geltenden Vorschriften, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Zu den demnach anzuwendenden Vorschriften gehört auch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI), wonach Rechtsanwälte, wenn und solange sie Pflichtmitglieder der Versorgungswerke sind, auf Antrag von der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien sind.

3

Für die Frage der Rückwirkung eines entsprechenden Befreiungsantrags hat der Gesetzgeber in § 231 Abs. 4b und 4c SGB VI folgende Regelungen getroffen:

(4b) 1Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. 2Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. 3Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. 4Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. 5Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt aufgrund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. 6Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden.

(4c) 1Eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt als gegeben für Personen, die

1. …

2. bis zum Ablauf des 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung beantragen. 2Satz 1 gilt nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. …

4

2. Die Beschwerdeführerin hat bis zum 1. April 2016 ihre Zulassung als Syndikusrechtsanwältin beantragt und einen Antrag auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b Satz 6 SGB VI gestellt. Aufgrund der in § 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI getroffenen Regelung geht sie jedoch davon aus, dass sie eine Rückwirkung ihres Befreiungsantrags nur durch Fortsetzung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens erreichen kann.

5

Wenn sie ihre Verfassungsbeschwerde zurücknähme oder eine Erledigungserklärung abgäbe, würde sie von diesem Ausnahmetatbestand erfasst mit der Folge, dass eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht ausgeschlossen wäre. Ihr im Ausgangsverfahren gestellter Befreiungsantrag sei durch das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014, also am Tag vor dem gesetzlich normierten Stichtag, bestandskräftig abgelehnt worden. Ihre Verfassungsbeschwerde entfaltete keine aufschiebende Wirkung. Wenn sie sich auf eine Rücknahme einließe, verzichtete sie demnach auf einen möglichen rückwirkenden Erfolg ihrer Rechtsmittel. Im Falle einer stattgebenden Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht würde die Befreiung nicht erst ab dem 1. April 2014 (vgl. § 231 Abs. 4b Satz 3 SGB VI), sondern bereits ab Beginn der Beschäftigung gelten, auf den sich ihr im Ausgangsverfahren gestellter Befreiungsantrag bezogen habe. Es könne nicht von ihr verlangt werden, auf mehrere Jahre Befreiungszeit zu verzichten. Auch dürfe sie nicht auf einen langwierigen fachgerichtlichen Rechtsstreit verwiesen werden, der erforderlich werden könnte, wenn die Deutsche Rentenversicherung (DRV) eine Rückwirkung ablehne.

II.

6

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

7

a) Nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung kommt der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Für außer Kraft getretenes oder geändertes Recht besteht im Regelfall kein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse seine Verfassungsmäßigkeit zu klären, auch wenn die strittigen verfassungsrechtlichen Fragen noch nicht durch das Bundesverfassungsgericht entschieden worden sind (vgl. BVerfGE 91, 186 <200>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2015 - 1 BvR 2120/10 -, NVwZ 2016, S. 381).

8

Eine grundsätzliche Bedeutung kommt auch nicht wegen einer möglicherweise für die Beschwerdeführerin nachteilhaften Anwendung der Übergangsbestimmung des § 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI in Betracht. Dies folgt zum einen daraus, dass die Auslegung dieser Vorschrift und ihre Verfassungsmäßigkeit nicht Gegenstand des Ausgangsverfahrens waren. Darüber hinaus handelt es sich um eine Norm des einfachen Rechts, dessen Auslegung und Anwendung zunächst den Fachgerichten obliegt (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 72, 122 <138>; 89, 1 <9 f.>; 97, 12 <27>; 99, 145 <160>; BVerfGK 6, 46 <50>; 10, 13 <15>; 10, 159 <163>; stRspr).

9

b) Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b, 1. Halbsatz BVerfGG zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde unter Berücksichtigung der nunmehr geltenden Sach- und Rechtslage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg mehr hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <26>; 96, 245 <250>; 108, 129 <136>; BVerfGK 12, 189 <196>; stRspr). Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das schutzwürdige Interesse der Beschwerdeführerin, die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen, ist infolge der zum 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Rechtsänderung entfallen.

10

aa) Gründe für ein trotz Erledigung in der Hauptsache fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis sind insbesondere eine Wiederholungsgefahr, eine fortdauernde Beeinträchtigung oder eine tiefgreifende, anderweitig nicht zu beseitigende Grundrechtsbeeinträchtigung (vgl. BVerfGE 33, 247 <257 f.>; 69, 161 <168>; 81, 138 <140>; 103, 44 <58 f.>; 116, 69 <79>; BVerfGK 6, 260 <263>; stRspr). Wenn eine mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffene Rechtsnorm gegenstandslos geworden oder ein für verfassungswidrig gehaltenes Gesetz aufgehoben worden ist, ist eine fortdauernde Beschwer dagegen im Regelfall zu verneinen (vgl. BVerfGE 9, 89 <92 ff.>; 100, 271 <281>; 108, 370 <383>; 109, 64 <84>; stRspr). Dies gilt insbesondere dann, wenn auf Grundlage der geänderten Rechtslage auch im Falle einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer aufgrund des nun geltenden Gesetzesrechts keinen Erfolg haben kann (vgl. BVerfGE 110, 304 <320>).

11

bb) Aus dem nunmehr von der Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde einzig noch verfolgten Ziel, einer in zeitlicher Hinsicht möglichst weitgehenden Anerkennung ihres Befreiungsantrags, ergibt sich kein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis. Die Beschwerdeführerin ist unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde vielmehr gehalten, im fachgerichtlichen Verfahren eine rückwirkende Befreiung gemäß § 231 Abs. 4b Sätze 1 und 2 SGB VI geltend zu machen. Das ist ihr auch zuzumuten, obgleich sie nach dem Wortlaut der Norm unter den Ausschlusstatbestand des § 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI fällt. Denn die Auslegung von § 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI wirft keine spezifisch verfassungsrechtlichen Fragen auf, die nur das Bundesverfassungsgericht beantworten kann. Die vornehmlich veranlasste Prüfung des einfachen Rechts lässt eine verbesserte Entscheidungsgrundlage für eine später erneut zu erhebende Verfassungsbeschwerde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten, so dass eine Vorabentscheidung durch das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 102, 197 <210>; 123, 148 <173>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. Juli 2015 - 1 BvR 1014/13 -, NVwZ-RR 2016, S. 1 ; stRspr).

12

(1) Die Sozialgerichte werden im Rahmen der Auslegung von § 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI den vom Gesetzgeber mit dieser Ausnahmebestimmung verfolgten Zweck zu berücksichtigen haben, einer bestimmten Gruppe von Syndikusrechtsanwälten einen Vertrauens- und Bestandsschutz zu versagen (vgl. BTDrucks 18/5201, S. 46 f.). Von der Rückwirkung ausgenommen werden sollen Beschäftigungszeiten, "in denen eine Befreiung von der Versicherungspflicht (auch) auf der Grundlage der vor der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus April 2014 geübten Rechtspraxis von der Verwaltung abgelehnt wurde und bestandskräftig geworden ist und in der Folge in der Regel Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werden mussten" (BTDrucks 18/5201, S. 47; BRDrucks 278/15, S. 55). Ein umfassender Vertrauens- und Bestandsschutz soll nur denjenigen zukommen, die über einen wirksamen Befreiungsbescheid verfügen oder auch nach den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 weiterhin von der Rentenversicherung befreit waren (vgl. Junker/Scharnke, BB 2016, S. 195 <201>). Dagegen wird er jenen "Alt-Syndizi" verwehrt, die ihre Ablehnungsbescheide nicht angefochten und stattdessen Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt haben, weil sie damit zu erkennen gegeben haben, dass sie die von der Deutschen Rentenversicherung verfügte Eingruppierung in die gesetzliche Rentenversicherung hingenommen haben (vgl. Schafhausen, in: Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen/Schuster , Das neue Syndikusrecht, 2016, § 3 Rn. 61 m.w.N.). Mit Blick auf diesen Schutzzweck wird zu erwägen sein, ob ein Ausschluss der Beschwerdeführerin vom personellen Anwendungsbereich im Wege der teleologischen Reduktion in Betracht kommt.

13

Dafür spricht auch ein Vergleich mit einer anderen Fallgruppe, für die unter dem Gesichtspunkt eines "sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs" über eine solche tatbestandliche Exklusion nachgedacht wird. Jene betroffenen Rechtsanwälte, die auf ein Rundschreiben der Deutschen Rentenversicherung vom 12. Dezember 2014 zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 (veröffentlicht unter anderem in NZA 2015, S. 29 f.) reagiert und im Vertrauen darauf, dass ihnen dadurch keine Rechtsnachteile entstehen, ihre Befreiungsanträge zurückgenommen haben, sollen so zu behandeln sein, als wenn ihnen eine bestandskräftige Befreiung erteilt worden wäre (vgl. Schafhausen, a.a.O., Rn. 62). § 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI wird also im sozialrechtlichen Schrifttum nicht als starre Ausnahmeregelung begriffen, sondern in bestimmten Fallgestaltungen, in denen sachliche Gründe dafür vorliegen, werden Durchbrechungen erwogen. Auch unter diesem Aspekt besteht Grund zur Annahme, dass die für den Vollzug der Neuregelung zuständigen Behörden und Sozialgerichte bereits aus Gründen der Auslegung des einfachen Rechts im Sinne der Beschwerdeführerin entscheiden werden.

14

(2) Insbesondere werden die Fachgerichte mit Blick auf die prozessuale Situation der Beschwerdeführerin, die sämtliche ihr nachteilhaften, im Ausgangsverfahren getroffenen Entscheidungen mit den zu Gebote stehenden Rechtsbehelfen bis zum Bundesverfassungsgericht angegriffen hat, eine verfassungskonforme Auslegung von § 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI zu erwägen haben. Dabei sind nicht nur ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 bzw. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zu berücksichtigen, sondern auch der Gesichtspunkt der Effektivität des von ihr beschrittenen, verfassungsrechtlich durch Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG gewährleisteten Rechtsschutzes. Da sie rechtzeitig gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 Verfassungsbeschwerde erhoben hat, erscheint zumindest zweifelhaft, ob hier für das Kriterium einer "bestandskräftig abgelehnten" Befreiung von der Versicherungspflicht der Eintritt der Rechtskraft des Urteils im fachgerichtlichen Verfahren (vgl. dazu BVerfGE 93, 381 <385>) maßgeblich sein kann.

15

(3) Demnach bestehen keine Bedenken, die Beschwerdeführerin für den Fall, dass sie mit ihrem Antrag auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b Satz 6 SGB VI keinen Erfolg haben sollte, zunächst auf den fachgerichtlichen Rechtsweg zu verweisen. Dort kann sie zum einen geltend machen, dass sie nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 231 Abs. 4b Satz 5 SGB VI fällt. Zum anderen hat sie die Möglichkeit, auf Grundlage von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI eine über den 1. April 2014 hinausgehende Befreiung anzustreben. Besser stünde sie angesichts der zwischenzeitlichen Neuregelung auch im Falle einer ihrer Verfassungsbeschwerde stattgebenden Entscheidung nicht.

16

Nach der von der Kammer eingeholten Stellungnahme der Beschwerdeführerin ist kein Grund dafür erkennbar, dass sie nicht in der Lage sein könnte, die Voraussetzungen des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI darzulegen, zumal sie sich im Ausgangsverfahren stets auf den Standpunkt gestellt hat, gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit zu sein. Dem steht nicht entgegen, dass sie lediglich die nach § 30 Abs. 3 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen vom 16. Juli 1985 (JMBl 1985, S. 172) geschuldeten Mindestbeiträge in Höhe von 10 % des Regelpflichtbeitrags gezahlt hat, weil es sich auch dabei um einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI handelt (vgl. Hartmann/Horn, AnwBl Online 2016, S. 255 <257>; Schafhausen, a.a.O., Rn. 59; ders., AnwBl Online 2016, S. 175 <176>; vgl. auch Wein/Walter, BB 2016, S. 245 <248>). Davon geht die Beschwerdeführerin auch selbst aus. Dass sie dadurch nicht diejenigen Anwartschaften für ihre Altersversorgung erlangt hat, die sie hätte erwerben können, wenn sie von Anfang an Beiträge nur an das Versorgungswerk gezahlt hätte, kann durch den in § 286f Satz 1 SGB VI angeordneten internen Ausgleich zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem Versorgungswerk nachträglich ausgeglichen werden.

17

c) Von einer weitergehenden Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3, 1. Alternative BVerfGG. Die Kammer hat aus Gründen der Billigkeit von ihrer Befugnis zu einer Kostenentscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht.

19

a) Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das mit der Verfassungsbeschwerde verfolgte Begehren als berechtigt anerkennt. In diesem Fall entspricht die Auslagenerstattung durch die zuständige Gebietskörperschaft der Billigkeit, ohne dass es auf die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde ankommt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>; BVerfGK 5, 316 <327 f.>; stRspr).

20

b) Der Gesetzgeber hat durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte zu erkennen gegeben, dass er dem von der Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Anliegen aus rechtspolitischen Gründen folgt. Erklärtes Ziel des Gesetzesvorhabens war es, die Rechtsstellung von Syndikusrechtsanwälten weitgehend anzugleichen und speziell im Hinblick auf die Befreiung von der Versicherungspflicht den vor Verkündung des mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Urteils des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 bestehenden Rechtszustand aufrechtzuerhalten beziehungsweise wiederherzustellen (vgl. BTDrucks 18/6915, S. 1 f.). Durch die Rechtsänderung ist die Beschwerdeführerin - unbeschadet der Frage des Umfangs der Rückwirkung von der Befreiung von der Versicherungspflicht - unmittelbar begünstigt worden. Gründe, warum ihr dieser wirtschaftliche Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde nicht auch in kostenrechtlicher Hinsicht zugutekommen sollte, sind nicht zu erkennen.

21

3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>; stRspr).

22

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger ab dem 16.2.2013 für die Beschäftigung, die er bei der Beigeladenen zu 2. ausübt, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

2

Der 1961 geborene Kläger ist approbierter Tierarzt und bei der Beigeladenen zu 2. seit dem 16.2.2013 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst beschäftigt. Geschäftsinhalt des in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Unternehmens der Beigeladenen zu 2. ist der Vertrieb von Arzneimitteln, Futtermitteln, Pflege- und Hygieneprodukten, Zubehör für Intensivmedizin und Nahtmaterial für Tiere. Der Kläger berät die Kunden in Tierarztpraxen und Kliniken, präsentiert und verkauft die von der Beigeladenen zu 2. angebotenen Produkte. Wegen der für die Beratung der Kunden erforderlichen veterinärmedizinischen Fachkenntnisse waren das abgeschlossene Hochschulstudium der Veterinärmedizin und die Approbation als Tierarzt entscheidende Kriterien für die Einstellung des Klägers. Der Kläger ist für die Beigeladene zu 2. in einem Arbeitsverhältnis in mehr als geringfügigem Umfang tätig. Er erhält ein monatliches Gehalt in Höhe von 4750 Euro brutto. Der Kläger übt seinen Beruf in Baden-Württemberg aus.

3

Seit 16.2.2013 ist der Kläger Pflichtmitglied der Landestierärztekammer Baden-Württemberg (im Folgenden: Landestierärztekammer) und Pflichtmitglied der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (Beigeladene zu 1.), die ihren Teilnehmern und deren Hinterbliebenen Altersruhegeld, Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit sowie eine Hinterbliebenenversorgung gewährt. Es sind einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestand bereits vor dem 1.1.1995 in Baden-Württemberg. Das Versorgungsanstaltsgesetz stammt aus dem Jahr 1961. Die Bestätigung der zuständigen obersten Verwaltungsbehörde darüber, dass die Beigeladene zu 2. die rechtlichen Anforderungen an eine berufsständische Versorgungseinrichtung erfüllt, liegt vor.

4

Mit Schreiben vom 8.2.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag mit Bescheid vom 16.1.2014 mit der Begründung ab, es werde keine berufsspezifische Tätigkeit als Tierarzt ausgeübt. Typische tierärztliche Berufstätigkeiten seien nur solche, die dem Berufsbild von Tierärzten nach der Bundestierärzteordnung (BTÄO) entsprächen. Danach behandelten Tierärzte erkrankte oder verletzte Tiere, führten Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten durch, stellten den Tierschutz sicher und leisteten einen wichtigen Beitrag für den Verbraucherschutz. Anders als im Beitragsrecht der Kammern sei eine berufsspezifische Tätigkeit nicht bereits gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten einer veterinärmedizinischen Ausbildung mit verwendet würden. Vielmehr müsse es sich um eine approbationspflichtige Tätigkeit handeln. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2014 zurück. Bei der Tätigkeit des Klägers handele es sich nicht um eine berufsspezifische Tätigkeit als Tierarzt, die in der Ausübung der Heilkunde an Tieren bestehe.

5

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 25.3.2015 die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger übe im Wesentlichen die Tätigkeit eines Pharmareferenten und damit keine für die Berufsgruppe der Tierärzte spezifische Tätigkeit aus. Eine Approbation als Tierarzt sei dafür nicht erforderlich.

6

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG mit Urteil vom 9.11.2016 das erstinstanzliche Urteil sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger ab dem 16.2.2013 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Das LSG hat die versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des Baden-Württembergischen Landesrechts angewandt. Der Kläger gehöre als approbierter Tierarzt nach den Vorschriften des Gesetzes über das Berufsrecht und die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe Kammergesetz - HBKG) vom 16.3.1995 idF vom 15.6.2010 (GBl BW S 427, 431) der Landestierärztekammer an. Er sei nach dem Versorgungsanstaltsgesetz auch Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (der Beigeladenen zu 1.). Die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung knüpfe allein tätigkeitsbezogen an die Ausübung des Berufes eines Tierarztes an. Nach § 2 der Berufsordnung der Landestierärztekammer sei unter tierärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit zu verstehen, die Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt, die während des veterinärmedizinischen Studiums erworben werden, sofern die Bestimmungen der §§ 2, 3 BTÄO erfüllt seien. Damit sei im Wesentlichen die Approbation gemeint. Auf das in § 1 Abs 1 BTÄO beschriebene, dh approbationspflichtige Berufsbild komme es dagegen nicht an. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht lägen vor.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt, indem es die Prüfung einer tierärztlichen Berufsausübung allein an den landesrechtlichen kammer- und versorgungsrechtlichen Normen ausgerichtet und insbesondere § 1 Abs 1 BTÄO als nicht einschlägig erachtet habe. Die für die Auslegung des Kammerrechts zutreffenden Überlegungen stimmten nicht mit der Funktion des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI überein. Das LSG habe sich nicht mit der Gesetzeshistorie und der systematischen Stellung der Befreiungsregelung und der daraus folgenden Auslegung der Norm befasst. Die Vorschrift sei als abschließende Ausnahmevorschrift zu verstehen. Würden selbst Tätigkeiten, die auch ohne Approbation ausgeführt werden könnten, zur Befreiung berechtigen, solange die Betroffenen noch Tätigkeiten ausübten, in denen sie die im Studium erworbenen Kenntnisse noch mitverwendeten und ihre Approbation nicht zurückgäben, hätten diese es weitgehend in der Hand, welchem Alterssicherungssystem sie angehören wollten. Deshalb sei in einem zweiten Prüfungsschritt zu klären, ob die konkrete Tätigkeit dem sich aus der BTÄO ergebenden Berufsbild entspreche. Anders als im Beitragsrecht der Kammern sei eine berufsspezifische Tätigkeit danach nicht gegeben, wenn Kenntnisse und Fähigkeiten einer tierärztlichen Ausbildung verwendet würden, vielmehr müsse es sich um eine approbationspflichtige Tätigkeit handeln. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. November 2016 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2015 zurückzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Der Kläger und die Beigeladene zu 1. halten die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Entscheidung des LSG, die Verwaltungsentscheidungen der Beklagten aufzuheben und diese zu verpflichten, den Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2. ab 16.2.2013 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

12

Nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI(idF von Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004 - BGBl I 3242) werden unter den weiteren Voraussetzungen der Buchst a bis c von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.

13

A. Der Kläger ist seit dem 16.2.2013 für die Beigeladene zu 2. als wissenschaftlicher Mitarbeiter im veterinärmedizinischen Außendienst im Rahmen einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV tätig und deshalb versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung(§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI). Nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Kläger für die Beigeladene zu 2. in einem Arbeitsverhältnis in mehr als in geringfügigem Umfang tätig. Eine Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI besteht nicht.

14

B. Das LSG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass der Kläger wegen seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. aufgrund auf Gesetz beruhender Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer ist.

15

Die konkret ausgeübte Tätigkeit des Klägers ist zu beurteilen anhand des Prüfungsmaßstabs der hier einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des Baden-Württembergischen Landesrechts. Der Senat ist an deren Auslegung durch das LSG gebunden (dazu I.). Ein von der Beklagten gefordertes weiteres (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal, wonach die Tätigkeit, für die eine Befreiung zu erteilen ist, auch approbationspflichtig sein muss, ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht zu entnehmen (dazu II.). Auch sind die weiteren Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a bis c iVm Abs 3 S 1 Nr 1 SGB VI erfüllt(dazu III.).

16

I. Der Kläger war nach den vom LSG festgestellten Tatsachen wegen der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. aufgrund auf Gesetz beruhender Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer.

17

Der Senat ist insoweit an die unter Anwendung des Baden-Württembergischen Landesrechts getroffene Entscheidung des LSG gebunden (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO). Anders als in früheren vom Senat entschiedenen Verfahren über die Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung von Syndikusanwälten, deren Zulassung als Rechtsanwälte und die damit einhergehende Pflichtmitgliedschaft in der zulassenden Rechtsanwaltskammer sich nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und damit nach Bundesrecht bestimmt (vgl dazu BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 26), ist vorliegend die sozialrechtliche (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit der tierärztlichen Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, allein nach nicht revisiblem Landesrecht zu beantworten.

18

Es ist zu beurteilen die konkret ausgeübte Tätigkeit des Klägers. Prüfungsmaßstab sind die versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des Baden-Württembergischen Landesrechts (dazu 1.). Ob das LSG gegen Landesrecht als ausnahmsweise revisibles Recht oder ob das LSG bei der Anwendung von Landesrecht gegen allgemein geltende Auslegungsgrundsätze, die dem Bundesrecht angehören, verstoßen hat, ist nicht Gegenstand der rechtlichen Überprüfung im Revisionsverfahren. Die Beklagte hat einen solchen Revisionsgrund nach § 162 SGG nicht geltend gemacht(dazu 2.). Unbeschadet der fehlenden Revisionsgründe steht die Auslegung des LSG im Einklang mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Kammerrecht (dazu 3.).

19

1. Die Beurteilung, ob ein Beschäftigter oder selbstständig Tätiger wegen der streitigen Beschäftigung bzw Tätigkeit Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständigen Kammer ist, erfolgt im Wesentlichen tätigkeitsbezogen.

20

Nach dem Wortlaut von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI wird die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung "für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit" erteilt. Dabei ist unter "derselben Beschäftigung" im Sinne der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" zu verstehen (vgl dazu im Einzelnen BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 28 f). Die Befreiung ist zudem ausdrücklich beschränkt "auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit" (§ 6 Abs 5 S 1 SGB VI). Der Gesetzeswortlaut definiert die Reichweite einer Befreiung von der Versicherungspflicht damit nicht über die konkreten inhaltlichen Merkmale der ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, wie etwa Berufsbezeichnung, berufliche Qualifikation oder beruflichen Status (BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 18). Maßgeblich ist vielmehr die Klassifikation konkret der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird. Auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten bzw Selbstständigen kommt es nicht an (BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 34).

21

Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Landestierärztekammer und der Versorgungsanstalt wird hier anders als bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, die nach § 4 BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts verbunden sind, erteilt wird(vgl BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 28), im Wesentlichen tätigkeitsbezogen beurteilt.

22

Dass der Kläger als approbierter Tierarzt eine tierärztliche Berufstätigkeit in Baden-Württemberg ausübt und deshalb Pflichtmitglied in der Landestierärztekammer und damit in der weiteren Folge auch Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1. ist, bestimmte das LSG zutreffend anhand von Landesrecht.

23

Rechtsgrundlage für eine Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. sind § 7 Abs 1 Gesetz über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte in Baden-Württemberg (VersAnstG) idF vom 11.10.2007 (GBl BW S 473) und § 17 der Satzung der Beigeladenen zu 1. Nach § 7 Abs 1 VersAnstG nehmen an der Versorgungsanstalt diejenigen Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Dentisten teil, die die in § 2 Abs 1 Nr 1 bis 3 HBKG genannten Voraussetzungen erfüllen und im Land ihren Beruf ausüben, soweit sie nicht als Beamte einen gesetzlichen Anspruch auf Ruhegehalt oder Hinterbliebenenversorgung haben. Gemäß § 17 der Satzung richtet sich die Teilnahme an der Versorgungsanstalt nach § 7 des Gesetzes (gemeint ist das VersAnstG).

24

Nach § 2 Abs 1 Nr 3 HBKG gehören der Landestierärztekammer alle Tierärztinnen und Tierärzte an, die bestallt oder approbiert sind oder eine Erlaubnis zur Ausübung des tierärztlichen Berufs besitzen, und die im Land ihren Beruf ausüben oder, falls sie ihren Beruf nicht ausüben, im Land ihren Wohnsitz haben. Eine Erfassung nicht Approbierter oder ausnahmsweise Gleichgestellter scheidet damit entgegen der Revisionsbegründung aus.

25

Weder das HBKG noch das VersAnstG enthalten eine Legaldefinition der "tierärztlichen Berufsausübung". Eine solche enthält die aufgrund von § 10 Nr 15 HBKG als Satzung erlassene Berufsordnung der Landestierärztekammer. Nach § 2 Berufsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg vom 20.12.2001, idF vom 25.6.2015 (Berufsordnung - BerufsO) ist unter tierärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit zu verstehen, die Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt, die während des veterinärmedizinischen Studiums erworben werden, sofern die Bestimmungen der §§ 2, 3 BTÄO erfüllt sind.

26

Das LSG hat dem folgend und für den Senat bindend (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO) entschieden, dass die vom Kläger verrichtete Arbeit einer tierärztlichen Berufsausübung iS von § 2 BerufsO entspricht. Bereits die Anstellung des Klägers als "wissenschaftlicher Mitarbeiter" lasse darauf schließen, dass eine besondere Sachkunde und Ausbildung erforderlich sei. Veterinärmedizinische Fachkenntnisse seien für die Beratung der Kunden zwingend erforderlich und das abgeschlossene Hochschulstudium der Veterinärmedizin und die Approbation als Tierarzt das entscheidende Kriterium für die Einstellung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2. gewesen. Auch sei der Kläger approbierter Tierarzt und dürfe deshalb den tierärztlichen Beruf ausüben und die Berufsbezeichnung "Tierarzt" führen (§ 2 Abs 1 BTÄO).

27

2. Ob das LSG gegen Landesrecht als ausnahmsweise revisibles Recht oder ob das LSG bei der Anwendung von Landesrecht gegen allgemein geltende Auslegungsgrundsätze, die dem Bundesrecht angehören, verstoßen hat, ist nicht Gegenstand der rechtlichen Überprüfung des vorliegenden Revisionsverfahrens.

28

Eine für ein einzelnes Bundesland geltende Rechtsvorschrift ist nur ausnahmsweise revisibel, wenn für andere Bundesländer inhaltlich übereinstimmende Vorschriften geschaffen worden sind und dies bewusst und gewollt um der Rechtseinheit willen geschehen ist (vgl BSG Urteil vom 17.3.1982 - 9a/9 RVs 6/81 - BSGE 53, 175, 176 f = SozR 3870 § 3 Nr 15 S 39; BSG Urteil vom 20.3.1996 - 6 RKa 34/95 - SozR 3-2500 § 95 Nr 9 S 36; BSG Urteil vom 12.9.2001 - B 6 KA 64/00 R - SozR 3-2500 § 135 Nr 20 = SozR 3-5541 § 2 Nr 1, RdNr 16; BSG Urteil vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 26). Die Beklagte macht einen solchen Revisionsgrund nach § 162 SGG nicht geltend. Auch enthält die Revisionsbegründung keinen Vortrag dahingehend, dass das LSG möglicherweise aufgrund einer willkürlichen und deshalb vom Senat zu korrigierenden Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Landesrechts gegen allgemein geltende Auslegungsgrundsätze, die dem Bundesrecht angehören, verstoßen hat (vgl BSG Urteil vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 28 mwN). Die Beklagte beruft sich in ihrer Revisionsbegründung ausschließlich auf eine Verletzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI.

29

3. Unbeschadet der fehlenden Revisionsgründe steht die Auslegung des LSG im Einklang mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Kammerrecht.

30

Der kammerrechtliche Begriff der Berufsausübung im Bereich des Heilberufsrechts wird regelmäßig weiter ausgelegt als derjenige im Sinne des Approbationsrechts (vgl OVG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 24.4.2008 - 5 A 4699/05 - RdNr 7 mwN). Unter ärztlicher, zahnärztlicher oder tierärztlicher Tätigkeit werden nicht nur diejenigen Tätigkeiten verstanden, für die die ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Approbation oder Erlaubnis Voraussetzung ist, sondern auch jene Tätigkeiten, bei welchen Kenntnisse verwertet werden, die aufgrund einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Tätigkeit erworben wurden oder die nach den jeweils geltenden Vorschriften Gegenstand der ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Ausbildung, Fort- oder Weiterbildung sind (vgl BayVGH Beschluss vom 19.6.2007 - 21 ZB 06.1853 - RdNr 4; OVG Schleswig-Holstein Urteil vom 23.1.2014 - 3 LB 6/12). Danach umfasst der Begriff der ärztlichen Tätigkeit auch solche Tätigkeiten eines Mitglieds, bei denen es seine im Medizinstudium erlangten Fachkenntnisse einsetzt, selbst wenn sie nur mitverwendet werden. Ausgenommen sind nur berufsfremde Tätigkeiten, die in keinerlei Zusammenhang mit der ärztlichen Ausbildung und den medizinischen Fachkenntnissen stehen (vgl BVerwG Urteil vom 26.1.1993 - 1 C 33/89 - BVerwGE 92, 24-29, RdNr 15; OVG Lüneburg Urteil vom 26.4.2007 - 8 LC 13/05 - RdNr 37 und OVG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 24.4.2008 - 5 A 4699/05 - RdNr 8). Auch eine Tätigkeit "in einem Randbereich" wird als eine die Zwangsmitgliedschaft begründende Berufsausübung gewertet (vgl BVerwG Urteil vom 30.1.1996 - 1 C 9/93 - RdNr 24; VG München Urteil vom 3.6.2008 - M 16 K 07.876 - RdNr 20).

31

§ 2 BerufsO nimmt lediglich Bezug auf die Vorschriften der §§ 2 und 3 BTÄO. Dagegen kann § 1 BTÄO, wonach der Tierarzt berufen ist, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken, nicht als norminterpretierende Vorschrift zur Konkretisierung der "tierärztlichen Berufsausübung" iS des § 7 Abs 1 VersAnstG und § 2 Abs 1 Nr 3 HBKG herangezogen werden.

32

Aufgrund der verschiedenen Gesetzgebungskompetenzen zum einen des Bundes für den Bereich der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum anderen der Länder für die Regelungen berufsständischer Art im Kammerrecht ist nach der Rechtsprechung des BVerwG der Landesgesetzgeber bei der Bestimmung dessen, wann Berufsangehörige im Sinne des Kammerrechts ihren Beruf ausüben, auch nicht an die bundesrechtlichen Approbationsregelungen gebunden. Er kann die Abgrenzung vielmehr eigenständig vornehmen (vgl BVerwG Urteil vom 30.1.1996 - 1 C 9/93 - RdNr 17) unabhängig von dem bundesrechtlichen Ärztebegriff der Bundesärzteordnung (BVerwG Urteil vom 25.11.1971 - I C 48.65 - BVerwGE 39, 100, RdNr 14).

33

II. Ein von der Beklagten gefordertes weiteres (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal, wonach die Tätigkeit, für die eine Befreiung zu erteilen ist, dem in § 1 Abs 1 BTÄO beschriebenen Berufsbild eines approbierten Tierarztes entsprechen muss, ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht zu entnehmen. Der Bundesgesetzgeber durfte sich bei der Ausübung seiner entsprechenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG auf die Inkorporation der landesrechtlichen Normen zum Kammer- und Versorgungsrecht beschränken.

34

1. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 1 S 1 SGB VI werden(unter den weiteren Voraussetzungen der Nr 1 Buchst a bis c aaO) von der Versicherungspflicht befreite Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Dies bestimmt sich vorliegend - wie bereits ausgeführt - anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des Baden-Württembergischen Landesrechts (s o die Ausführungen unter I.).

35

Dass die Tätigkeit, für die eine Befreiung zu erteilen ist, dem in § 1 Abs 1 BTÄO beschriebenen Berufsbild eines approbierten Tierarztes entsprechen muss, kann entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten dem Gesetzestext nicht entnommen werden. Eine Bezugnahme auf die BTÄO enthält § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht. Auch kann dies nicht - wie von der Beklagten vorgetragen - als eine weitere Voraussetzung, unter der erst ein Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Pflichtmitgliedschaft zu bejahen ist, aus der Verwendung der Präposition "wegen" entnommen werden. Wie der Senat bereits entschieden hat, beschreibt "… für die Beschäftigung, wegen der …" das Tatbestandsmerkmal "derselben Beschäftigung" (vgl BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 28). Die Bedeutung von "wegen" erschöpft sich damit in der Herstellung eines ursächlichen Verhältnisses. Sie dient der Klarstellung, auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22).

36

2. Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzeshistorie. Auch daraus kann nicht geschlossen werden, dass - wie die Beklagte meint - die Bestimmungen der landes- und kammergesetzlichen Regelungen nur als "Einstiegsnormen" zu verstehen sind, die durch weitere Anforderungen des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im Sinne der Beklagten zu ergänzen wären.

37

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) mit Wirkung vom 1.1.1996 die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht verschärft und auf Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer beschränkt (unter der weiteren Voraussetzung, dass bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft bestanden hat). Allein die Pflichtmitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung sollte nicht mehr ausreichen, um von der Rentenversicherungspflicht befreit zu werden. Der Gesetzgeber reagierte auf die Gründung von neuen Versorgungseinrichtungen, in denen eine Pflichtmitgliedschaft bereits mit einer freiwilligen Mitgliedschaft in der Berufskammer begründet werden konnte.

38

Der Gesetzgeber hätte bei der Neubestimmung der sog "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1), die der Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und der Vermeidung einer befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung diente (vgl BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 54)unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der berufsständischen Versorgung einerseits und den Interessen der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits, weitere zusätzliche Anforderungen in den Befreiungstatbestand des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit aufnehmen können. Dies hat er jedoch nicht getan.

39

Durch das Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) sollte die Grenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme gefestigt werden. Die Beschränkung des Befreiungsrechts diente nach der Gesetzesbegründung im Ergebnis der "seit langem akzeptierten Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung" (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 13/2590 S 22). Der Gesetzgeber beschränkte sich dabei wie bislang bei der Formulierung des Befreiungstatbestandes auf die Bezugnahme auf eine Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung" und ergänzte für die neue Voraussetzung einer zugleich bestehenden Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer entsprechend "kraft gesetzlicher Verpflichtung". Dies erfolgte auch vor dem Hintergrund der damals bereits begründeten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ausgehend von einem weiten Verständnis der ausgeübten Berufstätigkeit zur Begründung einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer. Danach genügten für die Annahme einer ärztlichen Tätigkeit auch solche Tätigkeiten, bei denen im Medizinstudium erlangte Fachkenntnisse eingesetzt, selbst wenn sie nur mitverwendet wurden. Ausgenommen wurden ausdrücklich nur berufsfremde Tätigkeiten, die in keinerlei Zusammenhang mit der ärztlichen Ausbildung und den medizinischen Fachkenntnissen standen (vgl BVerwG Urteil vom 26.1.1993 - 1 C 33/89 - BVerwGE 92, 24-29, RdNr 15). Hintergrund dieses weiten Begriffsverständnisses sind Sinn und Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung (vgl Gutmann/Walter/Wiese, Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Ärztinnen und Ärzte, NZS 2015, 361, 363). Das BVerwG ging bereits früher davon aus, dass die Ärztekammer die ihr übertragene Aufgabe nur dann voll erfüllen kann, "wenn sie sich die Erfahrungen der Ärzte aus allen Tätigkeitsbereichen […] nutzbar machen kann" (BVerwG Urteil vom 25.11.1971 - I C 48.65 - BVerwGE 39, 100, RdNr 16). Der Gesetzgeber beließ es dennoch bei den Änderungen durch Gesetz vom 15.12.1995 (BGBl I 1824).

40

Auch ging der Gesetzentwurf zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze ganz offenkundig davon aus, dass einzelne Voraussetzungen im Landesrecht zu klären sind. So wird zu § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a SGB VI ausgeführt: "Für die Beurteilung der Frage, ob für die jeweilige Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 die Verpflichtung bestand, zur Ausübung des Berufs der jeweiligen berufsständischen Kammer anzugehören, sind die rechtlichen Verhältnisse des Ortes maßgebend, an dem der Beruf jeweils ausgeübt wird. Hat daher in einem Bundesland für Angehörige einer Berufsgruppe vor dem 1. Januar 1995 eine Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer nicht bestanden, steht diesen Angehörigen im Falle einer nach dem Stichtag erfolgenden Pflichtverkammerung mit anschließender Errichtung eines Versorgungswerks das Recht zur Befreiung von der Versicherungspflicht nicht zu" (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 13/2590 S 22). Die letzte Gesetzesänderung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erfolgte damit bewusst in Kenntnis des Gesetzgebers von der Maßgeblichkeit von Landesrecht für die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer.

41

3. Der Forderung der Beklagten nach einem "zweiten Prüfungsschritt" zur Bestimmung, ob die konkrete Tätigkeit dem sich aus der BTÄO ergebenden Berufsbild entspricht, dh ob es sich um eine approbationspflichtige Tätigkeit handelt, lässt sich auch nicht damit begründen, der Beteiligte hätte es andernfalls "weitgehend in der Hand, welchem Alterssicherungssystem er angehören will" und allein die Anwendung des Landesrechts widerspreche der Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI.

42

Der Anwendungsbereich der Norm ist über ihren Wortlaut hinaus nicht weiter einzuschränken. Dies folgt aus der Gesetzesbindung aus Art 20 Abs 3 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG überschreitet richterliche Rechtsfortbildung die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (vgl BVerfGE 126, 286 <306>). Zwar ist eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation von Verfassungs wegen nicht vorgesehen (vgl BVerfGE 88, 145 <166 f>). Der Wortlaut des Gesetzes zieht im Regelfall auch keine starre Auslegungsgrenze (vgl BVerfGE 118, 212 <243>). Bei einer Auslegung gegen den Wortlaut einer Norm müssen jedoch andere Indizien deutlich belegen, dass ihr Sinn im Text unzureichend Ausdruck gefunden hat (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 25.4.2016 - 1 BvR 1147/12 - Juris RdNr 7).

43

Nach dem Wortlaut werden (unter den weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a bis c SGB VI) von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Dies bestimmt sich - wie bereits ausgeführt - anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des Landesrechts. Indizien dafür, dass darüber hinaus § 1 Abs 1 BTÄO zu prüfen ist, fehlen.

44

Solche Indizien für eine zusätzliche Prüfung von § 1 Abs 1 BTÄO ergeben sich insbesondere nicht aus der Gesetzeshistorie(vgl dazu bereits die Ausführungen unter 2.) und sind auch sonst nicht ersichtlich. Woraus die Beklagte folgert, der Betroffene habe es "weitgehend in der Hand, welchem Alterssicherungssystem er angehören will", lässt die Revisionsbegründung offen. Sowohl die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer als auch (in der Folge) die Mitgliedschaft in der Versorgungsanstalt stehen nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften nicht zur Disposition des Betroffenen (vgl dazu bereits die Ausführungen unter I. 1.).

45

Auch dass bei Anwendung desselben Prüfungsmaßstabs für die Beurteilung der Kammerzugehörigkeit und der Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk die Verwaltungsgerichte zu anderen Ergebnissen als die Sozialgerichte kommen können, ist entgegen der Auffassung der Beklagten kein "starkes Indiz dafür, dass allein die kammerrechtlichen Normen nicht der zutreffende Beurteilungsmaßstab sind". Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass es im Fall der Syndikusanwälte nach den für diesen Personenkreis mit Wirkung ab 18.5.2017 neu geschaffenen Regelungen zu einer unterschiedlichen Beurteilung hinsichtlich Berufszulassung und Kammerzugehörigkeit nicht kommen kann. Der Träger der Rentenversicherung ist nämlich als stets notwendiger Adressat von derartigen Zulassungsentscheidungen (§ 46a Abs 2 S 2 BRAO)kraft Gesetzes an den bestandskräftigen Verwaltungsakt über die tätigkeitsgebundene (vgl § 46b Abs 3 BRAO) Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gebunden (§ 32 Abs 1 S 1 BRAO, § 43 Abs 1 S 1 1. Alt VwVfG). Aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung in § 46a Abs 2 S 4 BRAO gilt diese Bindung ausdrücklich auch, soweit der Rentenversicherungsträger im Rahmen der Befreiungsentscheidung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 und Abs 3 SGB VI die Zulassung zur Anwaltschaft als Syndikusanwalt und deren Umfang als Vorfrage zu prüfen hat. Schließlich kann es auch hinsichtlich der Frage der Kammerzugehörigkeit dieses Personenkreises nicht zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, weil diese allein von der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt abhängt (§ 60 Abs 2 Nr 1 BRAO) und die Beklagte auch diesbezüglich der unmittelbaren Bindung an den an sie gerichteten Verwaltungsakt unterliegt.

46

Entgegen dem Revisionsvorbringen kann aus diesen besonderen Regelungen zur Zulassung von Syndikusanwälten jedoch rechtlich nicht geschlossen werden, dass es im Fall des Klägers über die Erfüllung der kammerrechtlichen Voraussetzungen hinaus notwendig der Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 BTÄO bedürfte, um ein Auseinanderfallen von "berufsrechtlicher" und "sozialversicherungsrechtlicher" Beurteilung zu vermeiden. Insofern fehlt es bereits an einem Rechtssatz, aus dem sich die verbindliche Anordnung eines derartigen allgemeinen Auslegungsziels ergeben könnte. Jeder Träger öffentlicher Verwaltung beurteilt innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs die Voraussetzungen der für ihn maßgeblichen Normen grundsätzlich auch dann, wenn diese "fachfremd" sind. Ebenso entscheidet die für diesen Träger zuständige Gerichtsbarkeit im Streitfall Vorfragen in eigener Zuständigkeit, auch wenn sie für deren Beantwortung in einem Hauptsacheverfahren nicht zuständig wäre (vgl exemplarisch für die Sozialgerichtsbarkeit Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 51 RdNr 44).

47

4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Senats in anderem Zusammenhang.

48

Der Senat hatte die Voraussetzungen einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für Syndikusanwälte verneint, weil die Erwerbstätigkeit als Syndikus dem Berufsfeld des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden konnte (vgl BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, RdNr 31). Aus dieser Entscheidung geht jedoch nicht hervor, dass es sich bei der Frage, ob die Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und zugleich zu einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung führt, nur um einen - wie von der Beklagten vorgetragen - "ersten Prüfungsschritt" in dem von ihr verstandenen Sinne handelt, mit der Folge eines "zweiten Prüfungsschritts" über das Vorliegen einer approbationspflichtigen Tätigkeit.

49

Ein anderer als der vom LSG herangezogene Prüfungsmaßstab unter Anwendung weiterer Vorschriften des Bundesrechts folgt entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht aus einem Beschluss des Senats, in dem die Revision gegen ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23.1.2013 (L 5 R 4971/10) als unzulässig verworfen wurde (Senatsbeschluss vom 6.2.2014 - B 5 RE 10/14 R). Der Senat prüfte ausschließlich die Zulässigkeit der Revision (§ 164 Abs 2 SGG)und nahm Bezug auf die Ausführungen des Berufungsgerichts. Rückschlüsse auf das anzuwendende materielle Recht, insbesondere darauf, welcher Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung einer Pflichtmitgliedschaft nach dem Kammerrecht gilt, ergeben sich daraus nicht.

50

III. Die weiteren Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a bis c iVm Abs 3 S 1 SGB VI sind ebenfalls erfüllt. Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hat die gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bereits vor dem 1.1.1995 bestanden, es sind einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen und aufgrund dieser Beiträge werden Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht. Nach § 6 Abs 3 S 1 SGB VI hat die für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständige oberste Verwaltungsbehörde die rechtlichen Anforderungen an die berufsständische Versorgungseinrichtung vor Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung zu bestätigen(vgl BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36). Auch diese Bestätigung lag nach den Feststellungen des LSG vor.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Anordnung des Verfalls gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3, § 73a, § 73c StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung.

I.

2

1. Das Landgericht Hamburg verwarnte mit seinem Urteil vom 11. April 2016 den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, K., wegen Marktmanipulation in Tateinheit mit unrichtiger Darstellung und vorsätzlichen Insiderhandels. Grundlage der Verwarnung wegen Insiderhandels war das Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) in der bis zum 1. Juli 2016 gültigen Fassung. Zwei weitere Mitangeklagte, R. und P., verurteilte das Landgericht jeweils wegen leichtfertiger Marktmanipulation zu Geldbußen. Gegen die Beschwerdeführerin als Nebenbeteiligte wurde gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3, § 73a, § 73c StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung der Verfall von Wertersatz in Höhe von 390.000 Euro angeordnet. Hierdurch wurde das aus dem Insiderhandel Erlangte abgeschöpft, weil K. als deren Geschäftsführer in Vertretung der Beschwerdeführerin gehandelt hatte.

3

Die Beschwerdeführerin legte als Nebenbeteiligte ebenso wie der Verurteilte R. gegen das Urteil des Landgerichts Revision ein. Das Urteil gegen den damaligen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, K., wurde rechtskräftig.

4

Durch das Erste Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz - 1. FiMaNoG) vom 30. Juni 2016 (BGBl I S. 1514) wurde das zuvor in § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 14 WpHG normierte Verbot des Insiderhandels durch § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG ersetzt. Die Vorschrift lautete:

(3) Ebenso wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1) verstößt, indem er

1. entgegen Artikel 14 Buchstabe a ein Insidergeschäft tätigt […]

5

Die entsprechende Änderung der Rechtslage trat gemäß Art. 17 Abs. 1 des 1. FiMaNoG am 2. Juli 2016 in Kraft. Für die in Bezug genommene Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung - MAR) regelt Art. 39 MAR folgende Zeitpunkte für Inkrafttreten und Geltung:

(1) Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung [am 12. Juni 2014] im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

(2) Sie gilt ab dem 3. Juli 2016 mit Ausnahme von Artikel 4 Absätze 4 und 5, Artikel 5 Absatz 6, Artikel 6 Absätze 5 und 6, Artikel 7 Absatz 5, Artikel 11 Absätze 9, 10 und 11, Artikel 12 Absatz 5, Artikel 13 Absätze 7 und 11, Artikel 16 Absatz 5, Artikel 17 Absatz 2 Unterabsatz 3, Artikel 17 Absätze 3, 10 und 11, Artikel 18 Absatz 9, Artikel 19 Absätze 13, 14 und 15, Artikel 20 Absatz 3, Artikel 24 Absatz 3, Artikel 25 Absatz 9, Artikel 26 Absatz 2 Unterabsätze 2, 3 und 4, Artikel 32 Absatz 5 und Artikel 33 Absatz 5, die ab dem 2. Juli 2014 gelten.

6

Unter dem 7. Juli 2016 veröffentlichte der Rechtsanwalt Rothenfußer in der Börsenzeitung einen Beitrag unter der Überschrift "Generalamnestie im Kapitalmarktrecht?". Darin wies er darauf hin, dass für den 2. Juli 2016 eine "Ahndungslücke" für nach dem Wertpapierhandelsgesetz begangene Straftaten bestanden habe, die über § 2 Abs. 3 StGB zu einer Straflosigkeit aller vor dem 3. Juli 2016 begangenen und nicht rechtskräftig abgeurteilten Taten führe. In der Literatur wurde diese Position in der Folgezeit gestützt (vgl. etwa Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, S. 2689; Rossi, ZIP 2016, S. 2437; derselbe, NJW 2017, S. 969; Gaede, wistra 2017, S. 41; Szesny, BB 2017, S. 515; Bülte/Müller, NZG 2017, S. 205). Auch die Beschwerdeführerin berief sich später auf diese "Ahndungslücke".

7

Der Generalbundesanwalt beantragte unter dem 30. November 2016, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Zur Revision des Angeklagten R. führte er aus, dass eine Ahndungslücke nicht bestanden habe. Die Bezugnahme auf die Marktmissbrauchsverordnung habe dazu geführt, dass diese bereits vor ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit ab dem 2. Juli 2016 durch den Bundesgesetzgeber für (mit)anwendbar erklärt worden sei. Es habe ein klarer gesetzgeberischer Wille für eine ununterbrochene Strafbarkeit bestanden. Darüber hinaus würde eine Ahndungslücke nicht zur Straffreiheit führen, da in diesem Fall eine nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässige gesetzliche Abweichung von § 2 Abs. 3 StGB anzunehmen sei.

8

In ihrer Gegenerklärung vom 19. Dezember 2016 vertrat die Beschwerdeführerin unter anderem den Standpunkt, die "Ahndungslücke" im Wertpapierhandelsgesetz habe auch der Verwarnung des Angeklagten K. wegen Insiderhandels und damit der Verfallsanordnung entgegengestanden. Daneben rügte sie die angeordnete Höhe des Verfalls.

9

Der Bundesgerichtshof verwarf mit Beschluss vom 10. Januar 2017 die Revisionen gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Die mit dem Inkrafttreten des Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes eingetretene Rechtslage sei gegenüber der bei der Urteilsverkündung geltenden Rechtslage nicht günstiger für die Beschwerdeführerin. Insbesondere habe es keine Ahndungslücke gegeben, da die in § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung enthaltene Bezugnahme auf Art. 14 MAR dazu geführt habe, dass diese Vorschrift der Marktmissbrauchsverordnung bereits vor ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit durch den Bundesgesetzgeber im Inland ab dem 2. Juli 2016 für (mit)anwendbar erklärt worden sei. Es handele sich bei § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung um eine Blankettnorm, die sich auf anderweitig geregelte Verhaltenspflichten beziehe. Diese Verweisung bedeute rechtlich den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschrift in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen. Dabei ergebe eine Auslegung des § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung, dass es auf die europarechtliche Gültigkeit der in Bezug genommenen Normen der Marktmissbrauchsverordnung nicht ankomme. Der nationale Gesetzgeber habe eine lückenlose Ahndung des Insiderhandels erreichen wollen, wozu er auch vor dem 3. Juli 2016 durch die Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (ABl. L 96 vom 12. April 2003, S. 16) verpflichtet gewesen sei. Der Wortlaut des § 38 Abs. 3 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Mit der Formulierung "wer gegen die Verordnung […] verstößt, indem er […]" habe der Gesetzgeber lediglich in üblicher Weise die Bezeichnung der Verordnung "vor die Klammer gezogen", so dass in den folgenden Verbotsregelungen keine Vollzitate mehr erforderlich seien. Ein "Verstoß" könne im Übrigen auch dann vorliegen, wenn die in Bezug genommenen Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung bereits ab dem 2. Juli 2016 durch den Bundesgesetzgeber in Deutschland für (mit)anwendbar erklärt worden seien. Es handele sich um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche statische Verweisung auf die Marktmissbrauchsverordnung, die dem Bestimmtheitsgebot genüge. Auch aus europarechtlicher Perspektive sei der nationale Gesetzgeber nicht gehindert, einzelne Teile der Marktmissbrauchsverordnung vor ihrer europarechtlichen Geltung für in Deutschland anwendbar zu erklären. Es widerspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot, dass Art. 14 MAR, auf den § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG verweise, seinerseits das verbotene Verhalten nicht tatbestandlich beschreibe, sondern lediglich den Begriff "Insidergeschäft" (Art. 14 Buchst. a MAR) verwende, dessen Verständnis er voraussetze.

10

Unter dem 30. Dezember 2016 (BRDrucks 813/16) wurde der Regierungsentwurf zu einem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) veröffentlicht, das am 23. Juni 2017 verkündet wurde (BGBl I S. 1693). Mit dem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz wurde als Reaktion auf die behauptete Ahndungslücke § 52 WpHG mit folgendem Wortlaut neu eingefügt:

Übergangsvorschrift für Verstöße gegen die §§ 38, 39

(1) Straftaten nach § 38 in der bis zum Ablauf des 1. Juli 2016 geltenden Fassung werden abweichend von § 2 Absatz 3 des Strafgesetzbuches nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet.

(2) Ordnungswidrigkeiten nach § 39 in der bis zum Ablauf des 1. Juli 2016 geltenden Fassung können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

11

In der Entwurfsbegründung (BRDrucks 813/16, S. 258 ff.) heißt es hierzu:

Mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz wurden die Straf- und Bußgeldvorschriften in §§ 38, 39 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) geändert, um die erforderlichen Sanktionsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie) zu schaffen. Diese Straf- und Bußgeldtatbestände enthalten Verweisungen auf die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und wurden am 2. Juli 2016 und damit einen Tag vor Geltung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 in Kraft gesetzt, damit die entsprechenden Bußgeldvorschriften die Voraussetzungen der Bestandschutzregelung in Art. 30 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung […] erfüllen.

Zwar kann gegen Straf- und Bußgeldvorschriften, deren Tatbestände auf europäische Bestimmungen verweisen (Blankettnormen), in der Regel erst mit Geltung der entsprechenden europarechtlichen Vorschriften verstoßen werden. In dem besonderen Fall der Sanktionierung von Verstößen gegen die Verordnung […] wurden jedoch die straf- oder bußgeldbewehrten Vorschriften der Verordnung […] durch das Inkrafttreten der Sanktionsvorschriften vor dem Anwendungszeitpunkt der bewehrten EU-Verordnung bereits ab dem 2. Juli 2016 in Deutschland für anwendbar erklärt.

Die Absicht des Gesetzgebers, die straf- oder bußgeldbewehrten Vorschriften der Verordnung […] mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz vorzeitig für anwendbar zu erklären, geht aus der Gesetzesbegründung nicht hinreichend deutlich hervor. Vor diesem Hintergrund sind Zweifel aufgekommen, ob durch das vorgezogene Inkrafttreten am 2. Juli 2016 eine Sanktionslücke entstanden sei. Eine entsprechende Sanktionslücke am 2. Juli 2016 könnte auf Grund der Regelungen in § 2 Absatz 3 des Strafgesetzbuches (StGB) und § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) auch über den 2. Juli 2016 hinaus für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten Bedeutung haben, die vor dem 2. Juli 2016 begangen wurden.

Es sollte jedoch aus rechtsstaatlichen Gründen keine Unsicherheit darüber bestehen, ob Verstöße gegen Handlungsge- und -verbote aus Sicht des Gesetzgebers den Tatbestand einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit erfüllen. Mit der Übergangsvorschrift in § 51 WpHG soll diese Rechtssicherheit nunmehr für Straftaten nach § 38 WpHG und Ordnungswidrigkeiten nach § 39 WpHG, die unter Geltung der §§ 38, 39 WpHG in der bis zum Ablauf des 1.7.2016 geltenden Fassung begangen wurden, in der Weise hergestellt werden, indem für diese Verstöße ausdrücklich das Tatzeitrecht für anwendbar erklärt wird. Dadurch werden § 2 Absatz 3 StGB und § 4 Absatz 3 OWiG abbedungen.

Der Ausschluss des Prinzips der Meistbegünstigung in § 2 Absatz 3 StGB und § 4 Absatz 3 OWiG stellt keinen Verstoß gegen Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes dar, da das Prinzip der Meistbegünstigung verfassungsrechtlich nicht geboten ist und daher durch einfachgesetzliche Regelung abbedungen werden kann (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. September 2008 - 2 BvR 1817/08). Ebenso steht Artikel 49 Absatz 1 Satz 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) der Regelung nicht entgegen, da dieser nach Maßgabe des Artikels 52 Absatz 1 GR-Charta eingeschränkt werden kann. Für die hier vorgenommene Einschränkung von Artikel 49 Absatz 1 Satz 3 GR-Charta ist nicht ersichtlich, dass der unionsrechtliche Grundrechtsschutz strengere Anforderungen aufstellen würde als der grundgesetzliche Grundrechtsschutz für eine Einschränkung der einfachgesetzlichen Regelungen in § 2 Absatz 3 StGB und § 4 Absatz 3 OWiG.

12

2. Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer am 20. Februar 2017 fristgerecht gegen die angegriffenen Entscheidungen eingelegten Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Der Straftatbestand des Insiderhandels sei eine Blankettstraftat, und die ausfüllende Verbotsnorm habe im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung noch nicht existiert. Damit könnten auch Altfälle nach § 2 Abs. 3 StGB nicht mehr strafrechtlich belangt werden. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift lasse keine Differenzierung danach zu, aus welchen Gründen die Änderung der Rechtslage erfolgt sei. Da das Urteil, das eine Vermögensabschöpfung zum Gegenstand habe, somit verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge, sei außerdem Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.

14

1. Die Vorschriften über die Anordnung des Verfalls sind verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2004 - 2 BvR 1136/03 -, juris, Rn. 41).

15

2. Der gegen die Beschwerdeführerin gemäß §§ 73 Abs. 1, Abs. 3, 73a Satz 1 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung angeordnete Verfall ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob - wie die Beschwerdeführerin geltend macht - jede auf einer verfassungswidrigen Verurteilung beruhende Verfallsanordnung eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts darstellt. Denn die der Verfallsanordnung zugrundeliegende Verwarnung des damaligen Geschäftsführers der Beschwerdeführerin wegen vorsätzlichen Insiderhandels verstößt ihrerseits nicht gegen Verfassungsrecht.

16

a) Die Verwarnung durch das Landgericht stützte sich auf den zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils gültigen Tatbestand des vorsätzlichen Insiderhandels (§ 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in der bis zum 1. Juli 2016 geltenden Fassung). Sie erging damit jedenfalls vor Eintritt der geltend gemachten Ahndungslücke. Ein in der Anwendung der zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung statt der zum Tatzeitpunkt geltenden Gesetzesfassung liegender Verstoß gegen § 2 Abs. 1, 2 und 5 StGB wird durch die Verfassungsbeschwerde nicht gerügt und wäre auch ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Die im Tatzeitpunkt und im Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltenden Gesetzesfassungen weisen keine wesentlichen Unterschiede auf.

17

b) Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Bezugnahme in § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung auf Art. 14 der MAR habe dazu geführt, dass diese Vorschrift der Marktmissbrauchsverordnung bereits vor ihrer in Art. 39 Abs. 2 MAR bestimmten Anwendbarkeit ab dem 3. Juli 2016 durch den Bundesgesetzgeber im Inland bereits ab dem 2. Juli 2016 für (mit)anwendbar erklärt wurde und eine Ahndungslücke deshalb nicht eingetreten sei, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

18

aa) Das Bundesverfassungsgericht beanstandet nur die Verletzung von Verfassungsrecht (stRspr; vgl. etwa BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts ist aus funktionell-rechtlichen Erwägungen daher erst dann gerechtfertigt, wenn die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts mit Bedeutung und Tragweite von Grundrechten oder grundrechtgleichen Rechten nicht zu vereinbaren ist oder sich als objektiv willkürlich erweist (vgl. BVerfGE 65, 317 <322>).

19

bb) Die Auslegung des Bundesgerichtshofs verstößt nicht gegen das aus Art. 103 Abs. 2 GG folgende Analogieverbot.

20

(1) Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Bedeutung dieser Verfassungsnorm erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein striktes Bestimmtheitsgebot für die Gesetzgebung sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie (vgl. BVerfGE 14, 174 <185>; 73, 206 <234>; 75, 329 <340>; 126, 170 <194>; 130, 1 <43>; 143, 38 <52 f.>).

21

Aus Art. 103 Abs. 2 GG ergeben sich für die Strafgerichte Verpflichtungen in mehrfacher Hinsicht. Der Gesetzgeber und nicht der Richter ist zur Entscheidung über die Strafbarkeit berufen (vgl. BVerfGE 71, 108 <116>; 92, 1 <19>; 126, 170 <197>). Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ein bestimmtes Rechtsgut mit den Mitteln des Strafrechts verteidigt werden muss. Den Strafgerichten ist es verwehrt, seine Entscheidungen zu korrigieren (vgl. BVerfGE 92, 1 <13>; 126, 170 <197>). Sie müssen in Fällen, die vom Wortlaut einer Strafnorm nicht mehr gedeckt sind, daher zum Freispruch gelangen und dürfen nicht korrigierend eingreifen (vgl. BVerfGE 64, 389 <393>; 126, 170 <197>). Aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit folgt ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist "Analogie" nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die - tatbestandsausweitend - über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>; 82, 236 <269>; 92, 1 <12>; 126, 170 <197 f.>). Dementsprechend darf die Auslegung und Anwendung der Tatbestandsmerkmale, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten bezeichnet hat, nicht dazu führen, dass die dadurch bewirkte Eingrenzung der Strafbarkeit im Ergebnis wieder aufgehoben wird (BVerfGE 130, 1 <43 f.>).

22

Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung, ob die Strafgerichte diesen aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Vorgaben gerecht geworden sind, ist das Bundesverfassungsgericht nicht auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt. Der in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommende strenge Gesetzesvorbehalt erhöht die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Die Bestimmung der äußersten Grenzen des Strafgesetzes betrifft die Entscheidung über die Strafbarkeit und damit die Abgrenzung der Kompetenzen von Judikative und Legislative. Für die Klärung der insoweit aufgeworfenen Fragen ist das Bundesverfassungsgericht zuständig (vgl. BVerfGE 126, 170 <199>; 130, 1 <44>).

23

(2) Diesen Maßstäben wird der angegriffene Beschluss des Bundesgerichtshofs gerecht.

24

Verweisungen in sogenannten Blankettgesetzen - hierunter fällt § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung - sind regelmäßig ein bloßer Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen (vgl. BVerfGE 47, 285 <312>; 143, 38 <55>); der in Bezug genommene Normtext wird in die Verweisungsnorm inkorporiert, so dass letztere autonom und unabhängig von der Bezugsnorm die Rechtsfolge bestimmt. Auf die Frage, ob die Bezugsnorm ihrerseits eine Rechtsfolge ausspricht und bereits oder noch "gilt", kommt es dann nicht an (vgl. BVerfGE 8, 274 <302 f.>; 11, 203 <218>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 1991 - 2 BvR 836/85 -, juris, Rn. 39 und 42 f.). Voraussetzung einer wirksamen Inbezugnahme ist dabei lediglich, dass die in Bezug genommenen Vorschriften dem Normadressaten durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sind (vgl. BVerfGE 47, 285 <311>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 1991 - 2 BvR 836/85 -, juris, Rn. 39); die Strafbarkeit seines Verhaltens ist für den Normunterworfenen dann in gleicher Weise vorhersehbar, als wäre der Normtext in die Blankettnorm aufgenommen worden. Dies war hier aufgrund der bereits im Jahre 2014 erfolgten Veröffentlichung der Marktmissbrauchsverordnung im Amtsblatt der Europäischen Union der Fall.

25

Die von den Fachgerichten vorzunehmende Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts schließt dabei die Frage ein, ob eine Blankettnorm ihre Bezugsnorm unabhängig von deren unmittelbarer Geltung in Bezug nimmt (vgl. Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, S. 2689 <2691 und Fußnote 31>). Die dies für § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung bejahende Auslegung des Bundesgerichtshofs überschreitet die unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Blankettstraftatbeständen zu ermittelnde (so zutreffend LG Frankfurt, Beschluss vom 31. Oktober 2016 - 5/12 KLs 9/16 -, juris, Rn. 27) Wortlautgrenze nicht. Dem stehen der kategoriale Unterschied zwischen dem Inkrafttreten und der Anwendbarkeit europäischen Rechts und die Tatsache, dass die Marktmissbrauchsverordnung am 2. Juli 2016 zwar bereits in Kraft war, Art. 14 MAR ausweislich des Art. 39 Abs. 2 MAR aber europarechtlich noch nicht in anwendbar war, nicht entgegen. Der Wortlaut des § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG in der ab dem 2. Juli 2016 geltenden Fassung

(3) Ebenso wird bestraft, wer gegen die Verordnung […] verstößt, indem er

1. entgegen Artikel 14 Buchstabe a ein Insidergeschäft tätigt, […]

setzt nicht voraus, dass Art. 14 Buchstabe a der Marktmissbrauchsverordnung auf europäischer Ebene bereits anwendbar war. Dem Begriff des "Verstoßes" lässt sich nicht entnehmen, dass die Verhaltensregel, gegen die verstoßen wird, bereits in dem Sinne Anwendbarkeit beanspruchen muss, dass sie ihrerseits - unabhängig von einer Bezugnahme im Rahmen einer Blankettnorm - bestimmte Rechtsfolgen zeitigt (vgl. auch LG Frankfurt, Beschluss vom 31. Oktober 2016 - 5/12 KLs 9/16 -, juris, Rn. 29). Die Marktmissbrauchsverordnung spricht ihrerseits in ihrem Art. 30 Abs. 1 UAbs. 2 von "Verstößen" gegen einzelne Artikel der Marktmissbrauchsverordnung vor dem 3. Juli 2016. Sie geht demnach selbst davon aus, dass gegen einzelne Artikel noch vor ihrem eigentlichen Anwendbarkeitszeitpunkt "verstoßen" werden konnte.

26

An diesem Ergebnis ändert die Entwurfsbegründung zum Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz (BRDrucks 813/16, S. 258 ff.) nichts, in der die Auffassung vertreten wird, die Absicht des Gesetzgebers, die straf- oder bußgeldbewehrten Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz vorzeitig für anwendbar zu erklären, gehe aus der Gesetzesbegründung nicht hinreichend deutlich hervor. Die Wortlautgrenze ist aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 71, 108 <115>; 82, 236 <269>; 92, 1 <12>; 126, 170 <197 f.>; 130, 1 <43>). Wenn sich die Bundesregierung und ihr folgend der Gesetzgeber entschließen, in der Literatur vorgebrachte Zweifel an der Wahrung des Analogieverbotes klarstellend auszuräumen, lässt sich allein hieraus nicht der Schluss ziehen, dass dieses tatsächlich missachtet wurde.

27

cc) Die sich innerhalb der Wortlautgrenze bewegende Auslegung durch den Bundesgerichtshof erweist sich zudem nicht als objektiv willkürlich. Sie entspricht dem gesetzgeberischen Willen zur durchgängigen Ahndung des Insiderhandels und verkennt auch nicht europäisches Recht.

28

(1) Die Annahme des Bundesgerichtshofs, der nationale Gesetzgeber habe seine Kompetenz nicht überschritten, indem er den nationalen Anwendbarkeitszeitpunkt des Art. 14 MAR vorverlagerte, begegnet von Verfassungs wegen keinen Bedenken. Der Bundesgerichtshof ist mit seiner angegriffenen Entscheidung weder von bestehender Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abgewichen, noch hat er europarechtliche Vorgaben willkürlich verkannt. Er hat sich vielmehr ausdrücklich mit der Frage der europarechtlichen Zulässigkeit der von ihm angenommenen Vorverlagerung des nationalen Anwendbarkeitszeitpunktes des Art. 14 MAR auseinandergesetzt und ist nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, der Verordnungsgeber habe gleich einem "umgekehrten Anwendungsvorrang" durch die Bestimmung des Anwendbarkeitszeitpunktes den Mitgliedstaaten zugleich eine vorzeitige Anwendung verwehren wollen.

29

(2) Der Bundesgerichtshof ist zudem zu recht davon ausgegangen, dass der nationale Gesetzgeber den europarechtlichen Ursprung der Marktmissbrauchsverordnung nicht verschleiert hat. Dem nationalen Gesetzgeber mag es zwar grundsätzlich verschlossen sein, im Anwendungsbereich einer Verordnung inhaltsgleiches nationales Recht zu setzen (EuGH, Urteil vom 10. Oktober 1973, Variola, C-34/73, Slg. 1973, S. 981 <990>; vgl. auch BVerfGE 143, 38 <57>). Hierdurch soll in erster Linie verhindert werden, dass durch eine nationale Normwiederholung Rechtsmaterien dem rein innerstaatlichen Recht unterworfen werden und die Mitgliedstaaten so die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs gleichsam umgehen (EuGH, Urteil vom 10. Oktober 1973, Variola, C-34/73, Slg. 1973, S. 981 <990>). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

30

dd) Eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist weder gerügt, noch ist hierfür substantiiert (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) vorgetragen.

31

c) Es kann schließlich dahinstehen, ob der durch das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz eingefügte § 52 WpHG, mit dem der Gesetzgeber die Geltung des lex-mitior-Grundsatzes (§ 2 Abs. 3 StGB) für vorliegende Fallgestaltungen ausschließen wollte, mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar ist. Auf diesem Gesetz beruhen die - zeitlich vorher ergangenen - angegriffenen Entscheidungen nicht.

32

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

33

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der Patentanwalt muss im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Kanzlei einrichten und unterhalten.

(2) Verlegt der Patentanwalt seine Kanzlei, errichtet er eine weitere Kanzlei oder eine Zweigstelle oder gibt er eine weitere Kanzlei oder eine Zweigstelle auf, hat er dies der Patentanwaltskammer unverzüglich anzuzeigen.

(3) Im Interesse der Rechtspflege oder zur Vermeidung von Härten kann die Patentanwaltskammer einen Patentanwalt von der Pflicht des Absatzes 1 befreien. Die Befreiung kann widerrufen werden, wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist.

(1) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, gelten für Syndikuspatentanwälte die Vorschriften über Patentanwälte.

(2) § 4 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass Syndikuspatentanwälte nur für ihren Arbeitgeber auftreten. In Straf- oder Bußgeldverfahren, die sich gegen den Arbeitgeber oder dessen Mitarbeiter richten, dürfen Syndikuspatentanwälte nicht als deren Verteidiger oder Vertreter tätig werden; dies gilt, wenn Gegenstand des Straf- oder Bußgeldverfahrens ein unternehmensbezogener Tatvorwurf ist, auch in Bezug auf eine Tätigkeit als Patentanwalt im Sinne des § 5 oder als Rechtsanwalt.

(3) Auf die Tätigkeit von Syndikuspatentanwälten finden die §§ 40, 43 und 44 Absatz 2 und 3 sowie die §§ 45 bis 48 keine Anwendung.

(4) § 26 findet auf Syndikuspatentanwälte mit der Maßgabe Anwendung, dass die regelmäßige Arbeitsstätte als Kanzlei gilt. Ist der Syndikuspatentanwalt zugleich als Patentanwalt gemäß § 5 Absatz 1 zugelassen oder ist er im Rahmen mehrerer Arbeitsverhältnisse als Syndikuspatentanwalt tätig, ist für jede Tätigkeit eine weitere Kanzlei zu errichten und zu unterhalten.

(5) In die Verzeichnisse nach § 29 ist ergänzend zu den in § 29 Absatz 3 genannten Angaben aufzunehmen, dass die Zulassung zur Patentanwaltschaft als Syndikuspatentanwalt erfolgt ist. Ist der Syndikuspatentanwalt zugleich als Patentanwalt gemäß § 5 Absatz 1 zugelassen oder ist er im Rahmen mehrerer Arbeitsverhältnisse als Syndikuspatentanwalt tätig, hat eine gesonderte Eintragung für jede der Tätigkeiten zu erfolgen.

(6) Der Syndikuspatentanwalt hat einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, wenn er länger als zwei Wochen daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben. § 28 gilt entsprechend.

(7) Die Kosten und Auslagen für die Hinzuziehung eines Syndikuspatentanwalts sind durch das in dessen Anstellungsverhältnis gezahlte Gehalt abgegolten.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin ab dem 18.9.2009 für die Beschäftigung, die sie bei der Beigeladenen zu 1. ausübt, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien muss.

2

Die 1972 geborene Klägerin ist Volljuristin. Die Beigeladene zu 1. betreibt ein Beratungsunternehmen für betriebliche Altersversorgung und Vergütung; ihre Rechtsabteilung besteht ausschließlich aus Volljuristen. Die Beigeladene zu 2. leistet ihren Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten Versorgung nach Maßgabe ihrer Satzung (Bekanntmachung des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.7.1985, JMBl NW 172) und des Gesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung (RAVG NW) vom 6.11.1984 (GVBI NW 684).

3

Im Herbst 1999 bewarb sich die Klägerin erfolgreich bei der Beigeladenen zu 1. auf die Stelle einer "Jurist/in in dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung" und nahm am 1.2.2000 in der Rechtsabteilung eine Beschäftigung als "juristische Mitarbeiterin" gegen Entgelt auf (Anstellungsvertrag vom 26.1.2000). Als solche ist sie weisungsgebunden, fachlich jedoch unabhängig. Sie betreut und berät versicherungsrechtliche Fragestellungen (Einrichtung, Durchführung und Änderung) der Versorgungs- und Vergütungssysteme rechtlich umfassend, beantwortet sämtliche steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen, verhandelt selbständig mit Geschäftspartnern, tritt als Referentin bei Vorträgen auf, bearbeitet anspruchsvolle Grundsatz- und Projektarbeit im Bereich "Betriebliche Altersversorgung und Vergütung" und nimmt an wesentlichen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen bei steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen teil (Stellenbeschreibung vom 7.4.2009 und Stellungnahme der Beigeladenen zu 1. vom 17.3.2011). Ihrer rechtlichen Bewertung wird im Unternehmen der Beigeladenen zu 1. hohes Gewicht beigemessen. Allerdings trifft sie - wegen des im Unternehmen praktizierten Vier-Augen-Prinzips - Entscheidungen nicht allein, sondern nur im Einvernehmen mit den Vorgesetzten, insbesondere mit ihrem Abteilungsleiter, der zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist. Nach § 6 des Anstellungsvertrags vom 26.1.2000 benötigt sie für entgeltliche oder unentgeltliche Nebenbeschäftigungen sowie Veröffentlichungen und Vorträge die vorherige schriftliche Zustimmung der Beigeladenen zu 1. Die Klägerin betrieb ihre Zulassung zur Rechtsanwältin zunächst nicht, weil die Beigeladene zu 1. dies nicht wünschte.

4

Anfang 2009 übernahm die Klägerin den Kundenstamm und die Aufgaben einer Kollegin, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen war. In einer Freistellungserklärung vom 5.3.2009 erklärte sich die Beigeladene zu 1. unwiderruflich damit einverstanden, dass die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als juristische Mitarbeiterin als Rechtsanwältin arbeiten und während der Dienststunden anwaltliche Termine wahrnehmen dürfe. Denn aufgrund einer zwischenzeitlichen Änderung der Firmenpolitik sollten auf Wunsch der Beigeladenen zu 1. nunmehr alle in der Rechtsabteilung tätigen Volljuristen (ohne Änderung des Anstellungsvertrags) zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein.

5

Am 8.7.2009 beantragte die Klägerin bei der Rechtsanwaltskammer (RAK) D. ihre Zulassung als Rechtsanwältin, fügte die Freistellungserklärung vom 5.3.2009 sowie die Stellenbeschreibung vom 7.4.2009 bei und gab an, sie werde ihre Kanzlei in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1. einrichten. Der Vorstand der RAK teilte ihr mit, er habe ihren Antrag "bezüglich der Syndikustätigkeit" bei der Beigeladenen zu 1. geprüft und keine Bedenken geltend gemacht (Schreiben vom 8.9.2009). Am 18.9.2009 wurde die Klägerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, gleichzeitig Mitglied der RAK D. und damit nach § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung der Beigeladenen zu 2. deren Pflichtmitglied. Ab diesem Zeitpunkt schloss sie bei der A. Versicherung AG eine Berufshaftpflichtversicherung für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin zu einem Sonderjahresbeitrag von 97 EUR ab, der ihr wegen einer nur nebenberuflich ausgeübten freien Anwaltstätigkeit gewährt wurde. Die Klägerin teilt ihre Büroräume bei der Beigeladenen zu 1. mit einem weiteren Mitarbeiter ("Doppelbüro"), hat dort kein Kanzleischild, das auf ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin hinweist, und führt auch keine eigenen, der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Rechtsanwaltsakten. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit hat sie nicht erzielt.

6

Am 25.11.2009 beantragte die Klägerin, sie wegen ihrer berufsspezifischen anwaltlichen Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Die Beigeladene zu 1. erklärte dazu, die Klägerin werde "in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig", fertige Entscheidungsvorlagen für die Geschäftsführung und für andere Abteilungen und sei im Abstimmungsprozess für die zu treffenden Entscheidungen beteiligt. Nebenberufliche Beschäftigungen bedürften keiner "vorherigen Genehmigung". Die Klägerin dürfe unwiderruflich neben ihrer Tätigkeit als Angestellte eine Anwaltspraxis ausüben und sich zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine ohne Erlaubnis im Einzelfall jederzeit von ihrem Dienstplatz entfernen (Schreiben der Beigeladenen zu 1. vom 11.6.2010). Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Klägerin für die Beigeladene zu 1. nicht rechtsentscheidend tätig sei und deshalb keine anwaltliche Tätigkeit ausübe (Bescheid vom 20.7.2010 und Widerspruchsbescheid vom 24.11.2010).

7

Das SG Duisburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.2.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 7.5.2013): Sie habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn die Klägerin sei nicht "wegen" ihrer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung als "juristische Mitarbeiterin" bei der Beigeladenen zu 1. Mitglied der RAK D. und diese Beschäftigung verpflichte sie auch nicht kraft Gesetzes, Mitglied der RAK D. zu sein oder zu werden. Da sie aufgrund der restriktiven Zulassungspraxis und der Rechtsprechung des BGH damit gerechnet habe, dass ihr die RAK die Rechtsanwaltszulassung gerade wegen der abhängigen Beschäftigung bei einer nichtanwaltlichen Arbeitgeberin versagen würde, habe sie im Zulassungsverfahren lediglich angegeben, den Rechtsanwaltsberuf neben ihrer abhängigen Beschäftigung auszuüben. Damit sei die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen im vorgesehenen Rechtsweg umgangen und de facto versucht worden, die Zulassungsentscheidung auf die Beklagte und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu verlagern. Dies verletze das Prinzip von Treu und Glauben und verstoße gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Im Befreiungsverfahren habe sie dagegen behauptet, in ihrer abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwältin tätig zu sein, obwohl sie dort keine Kanzlei oder Zweigstelle eingerichtet habe (§ 27 BRAO), keine Anwaltsakten führe (§ 50 BRAO), keine Maßnahmen zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht ergriffen (§ 43a BRAO) und die hauptberufliche Tätigkeit nicht haftpflichtversichert habe (§ 51 Abs 1 BRAO). Damit erfülle sie weder die Berufspflichten noch die Rahmenbedingungen, die der Deutsche Anwaltsverein (DAV) im Merkblatt für sog "Syndikusanwälte" aufgestellt habe. Berücksichtige man schließlich, dass die Klägerin mit der Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin offenbar keine Einnahmen erziele, so liege die Annahme nahe, dass der Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht rechtsmissbräuchlich auf eine Pro-Forma-Zulassung gestützt werde. Dieses Vorgehen werde in der juristischen Literatur als "Mogelpackung" bezeichnet, wobei "Phantasieerklärungen" wie die der Beigeladenen zu 1., die Klägerin werde "in unserer Kanzlei als Rechtsanwalt tätig", zum "Top" der "Zulassungsmogelei" gehörten.

8

Zudem sei die Klägerin nicht "wegen der" abhängigen Beschäftigung "kraft gesetzlicher Verpflichtung" Mitglied einer berufsständischen Kammer. Diese setze eine Tätigkeit voraus, deren rechtmäßige Ausübung gesetzlich zwingend die Zulassung zur Anwaltschaft und damit zugleich zwingend die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer nach sich ziehe. Als "juristische Mitarbeiterin" benötige die Klägerin keine besondere Zulassung iS von § 3 RDG, weil sie keine "fremden Angelegenheiten" iS von § 2 Abs 1 RDG besorge; in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin dürfe sie nicht für die Beigeladene zu 1. tätig werden (§ 46 Abs 1 BRAO).

9

Der enge Wortlaut der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI könne nicht mit Hilfe der sog "Vier-Kriterien-Theorie" erweiternd ausgelegt werden, wonach die zu befreiende Tätigkeit kumulativ rechtsberatende, -entscheidende, -vermittelnde und -gestaltende Elemente enthalten müsse. Denn diese vagen und praxisuntauglichen Kriterien, die erhebliche Abgrenzungs- und Definitionsprobleme schüfen und zu unvorhersehbaren Entscheidungen führten, erfüllten auch viele Steuerberater, Rentenberater, Mitarbeiter von Inkassodiensten etc, während sie angestellte Rechtsanwälte bei anwaltlichen Arbeitgebern häufig verfehlten. Das SGB VI koordiniere mit der Befreiungsmöglichkeit die selbständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung und vermeide eine doppelte Beitragspflicht zu zwei weitgehend funktionsgleichen Sicherungssystemen, auch wenn dies weder primäres Ziel des Gesetzes noch des historischen Gesetzgebers sei, wie bereits aus § 6 Abs 1 S 3 SGB VI folge. Jedenfalls müsse zwischen der berufsspezifischen Tätigkeit, für die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung beansprucht werde, und dem Schutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung ein innerer Zusammenhang bestehen. Aus der Notwendigkeit einer "berufsspezifischen Tätigkeit" folge aber nicht im Umkehrschluss, dass jede "berufsspezifische" Tätigkeit allein bereits für die Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI genüge. Dessen ungeachtet sei die Klägerin aber auch nicht "rechtsentscheidend" tätig, weil sie für Entscheidungen das Einvernehmen ihrer Vorgesetzten benötige.

10

Die Befreiung komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die abhängige Beschäftigung der Klägerin für die Beigeladene zu 1. gemeinsam mit der nebenberuflichen selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit eine einheitliche anwaltliche Berufsausübung darstelle. Da die selbständige Rechtsanwaltstätigkeit von vornherein rentenversicherungsfrei sei, strahle sie weder auf die abhängige Hauptbeschäftigung aus noch könnten beide zu einem einheitlichen Anwaltsberuf verschmelzen, der insgesamt zu einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führe. Vielmehr handele es sich bei der nebenberuflichen selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit und der Beschäftigung als angestellte juristische Mitarbeiterin um zwei zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten, die voneinander unabhängig durch das Berufsausübungsrecht (BRAO einerseits und arbeitsrechtliche Vorschriften andererseits) mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet seien, steuerrechtlich unterschiedlich behandelt würden (Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung einerseits und aus selbständiger Erwerbstätigkeit andererseits) und deshalb eine getrennte Betrachtung erforderten (sog Doppelberufstheorie). Gerade deshalb strebe der DAV eine Änderung des § 46 BRAO an. Dass die Beigeladene zu 1. nunmehr (unverständlicherweise) wünsche, dass alle in ihrer Rechtsabteilung tätigen Volljuristen als Rechtsanwälte zugelassen seien, könne daran nichts ändern, weil die Frage, ob ein angestellter Jurist die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht erfülle, nicht der Disposition des Arbeitgebers unterliegen könne. Dies gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als sich der Charakter der abhängigen Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. nach und durch die Zulassung zur Anwaltschaft nicht verändert habe. Die Klägerin sei seit ihrer Zulassung als Rechtsanwältin keine sog "Syndikusanwältin" iS des § 46 BRAO und als solche auch nicht per se von der Versicherungspflicht zu befreien. Denn es stehe weder fest noch sei festzustellen, was unter dem (operationalen) Begriff "Syndikusanwalt" überhaupt zu verstehen sei. Jedenfalls werde die Klägerin für die Beigeladene zu 1. nicht als Rechtsanwältin tätig, wie dies § 46 BRAO erfordere, weil sie diese Tätigkeit bis heute nicht entsprechend den zwingenden Formvorschriften der BRAO ausübe. Folgerichtig habe die Beigeladene zu 1. die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch nicht zur Einstellungsvoraussetzung gemacht. Aber selbst wenn man die Klägerin als "Syndikusanwältin" ansähe, könnte sie für ihre Tätigkeit als "juristische Mitarbeiterin" nicht befreit werden. Dieses Ergebnis stehe mit der Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG und des BGH in Einklang.

11

Schließlich könne die Klägerin einen Befreiungsanspruch auch nicht aus den Verwaltungsrichtlinien der Beklagten iVm Art 3 Abs 1 GG herleiten. Selbst wenn zahlreiche andere Versicherte bei vergleichbarer Sach- und Rechtslage von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung - rechtswidrig - befreit worden seien, ergebe sich daraus kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Soweit sie beantragt habe, den Präsidenten der RAK D. dazu als Zeugen zu vernehmen, dass sie wegen ihrer Tätigkeit in Diensten der Beigeladenen zu 1. als Rechtsanwältin zugelassen worden sei, sei dies nicht entscheidungserheblich und stelle einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.

12

Dagegen hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 und S 3 SGB VI) und formellen (§§ 103, 202 SGG, § 548 ZPO)Rechts: Zu Unrecht interpretiere die angefochtene Entscheidung - die in der bisherigen Rechtsprechung eine absolute Alleinstellung aufweise - das Tatbestandsmerkmal "wegen" wortlautgetreu in einem konditionalen Sinn. Ein solches Verständnis sei jedoch nicht zwingend. Bei historischer und teleologischer Interpretation solle die Präposition vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die ins Auge gefasste Beschäftigung in einem sachlichen Zusammenhang mit einer berufsspezifischen Anwaltstätigkeit stehen müsse, die durch Kammermitgliedschaft der besonderen berufsrechtlichen Überwachung und Qualitätssicherung unterliege. Es sei daher nach einer Kriterienformel zu suchen, mit deren Hilfe zwischen anwaltsspezifischer und -unspezifischer, anwaltlicher und nichtanwaltlicher Tätigkeit unterschieden werden könne. Dies leiste die sog Vier-Kriterien-Theorie, die die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung ziehe, sich in langjähriger Verwaltungspraxis bewährt habe und inhaltlich beschreibe, was das Berufsbild des Anwalts iS der §§ 1 bis 3 BRAO ausmache. Selbst die Beklagte habe die Vierkriterienformel in ihr Merkblatt für nichtanwaltliche Arbeitgeber übernommen; sie sei weder durch eine zwischenzeitliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen überholt noch sei der "Syndikusanwalt" ein neuer, letztlich undefinierbarer Berufsstand. Wende man die Vier-Kriterien-Theorie an, so könne das Kriterium "rechtsentscheidend" vorliegend nicht verneint werden. Denn Unternehmensentscheidungen treffe immer nur der Unternehmer und nicht sein Anwalt. Dieser könne nur durch den richtigen Rat dazu beitragen, dass der Mandant die richtige Entscheidung treffe. Insofern sei jeder Anwalt - wie auch die Klägerin - lediglich in den unternehmerischen Entscheidungsprozess eingebunden. Kein Mandant sei gezwungen, dem anwaltlichen Rechtsrat zu folgen. Dass er beratungsresistent sei, weil andere Gründe (Opportunität, Subjektivität, außerrechtliche Gründe, Starrsinn, Dummheit etc) mehr Gewicht hätten, gehöre zum anwaltlichen Alltag. Auch selbständige Anwälte hätten auf Weisung des Mandanten in einer Weise zu agieren, die ihrem eigenen Vorschlag widerspreche, wenn nur der Mandant hinreichend belehrt und das Tätigwerden nicht gegen Berufsregeln oder Berufsethik verstoße. Denselben Kautelen unterliege der Syndikusanwalt.

13

Aus systematischer Sicht sei § 6 SGB VI keine Ausnahmevorschrift, sondern Kollisionsnorm, die einer extensiven Auslegung zugänglich sei. Andernfalls wären die Anwaltschaft und alle verkammerten freien Berufe von jeglicher Fortbildung ihrer Berufsbilder abgeschnitten, was den Regelungsbereich des Art 12 GG berühre. Verfassungsrechtlich sei eine Gleichstellung der Syndikusanwälte geboten. Soweit sich das LSG auf die sog Doppelberufstheorie des BGH berufe, betreffe sie nur das anwaltliche Berufsrecht, nicht jedoch das Sozialversicherungsrecht. Dasselbe gelte für die Reformüberlegungen des DAV. Etwaige berufsrechtliche Defizite seien sozialrechtlich bedeutungslos. Denn sozialversicherungsrechtlich sei allein die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend, sodass weite Strecken der Bezugnahme auf Berufsrecht (Haftpflicht, Verschwiegenheit, Kanzleischild) im angefochtenen Urteil an der Sache vorbeigingen. Vor diesem Hintergrund seien die Vorhaltungen und Unterstellungen des LSG mit Nachdruck zurückzuweisen, die Klägerin habe im Wege einer Mogelpackung in kollusivem Zusammenwirken mit der Arbeitgeberin den Weg in die Anwaltschaft und das Befreiungsrecht erschlichen und sei nur eine Art Scheinanwältin. Das LSG übersehe, dass die Beigeladene zu 1. von der erstrebten Befreiung beitragsrechtlich nicht profitiere und angestellte Anwälte für sie nicht "bequemer" als bloße Volljuristen seien. Vielmehr wolle die Beigeladene zu 1. ihre Juristen durch die Anwaltszulassung "auf gleiche Augenhöhe" mit externen Anwälten, aber auch mit Behörden stellen und von der "Reputation" profitieren, die ein Anwalt als Organ der Rechtspflege habe. Vor allem aber habe der unabhängige Rechtsrat unabhängiger Anwälte (§ 3 BRAO) mit vollständiger fachlicher Autonomie für den Arbeitgeber besonderen Wert. Vor diesem Hintergrund sei es unschädlich, dass die Klägerin schon früher für die Beigeladene zu 1. als juristische Mitarbeiterin ohne Anwaltszulassung gearbeitet habe. Denn zwischenzeitlich habe sich die Firmenpolitik der Beigeladenen zu 1. insoweit grundlegend geändert, dass nunmehr alle in der Rechtsabteilung tätigen Volljuristen zur Anwaltschaft zugelassen werden sollten, nebenberufliche Beschäftigungen nicht mehr genehmigungspflichtig seien und die Klägerin (auch inhaltlich) nicht mehr "am engen Direktionszügel geführt" werde. Zu Unrecht habe das LSG schließlich den Beweisantrag übergangen, weil der Präsident der RAK D. bestätigt hätte, dass die Klägerin (auch) "wegen" ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. als Rechtsanwältin in dem vom LSG für richtig gehaltenen Sinne zugelassen worden sei. Ferner sei die Fünf-Monats-Frist zur Übergabe der Entscheidungsgründe an die Geschäftsstelle überschritten und das Urteil deshalb nicht mit Gründen versehen.

14

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 7. Februar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 24. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie ab dem 18. September 2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

15

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

16

Sie meint, das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI sei keine Kollisionsregelung, sondern räume dem Mitglied des berufsständischen Versorgungswerks im Falle einer Doppelversicherung das Gestaltungsrecht ein, sich durch einen Antrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen, um sich die doppelte Beitragspflicht zu ersparen. Für den befreiungsnotwendigen Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit einerseits und den Pflichtmitgliedschaften in der Berufskammer und im berufsständischen Versorgungswerk anderseits komme es entscheidend auf die inhaltliche Ausgestaltung der konkret ausgeübten Tätigkeit an. Diese müsse einem Volljuristen vorbehalten sein und kumulativ rechtsberatende, -gestaltende, -entscheidende und -vermittelnde Merkmale aufweisen. Die Klägerin sei jedoch nicht rechtsentscheidend tätig. Soweit sie dies bestreite, fehle eine substantielle Begründung. Stattdessen rüge sie lediglich, dass das LSG auf eine Anhörung von Repräsentanten der Anwaltschaft verzichtet und sich daher keinen hinreichenden Einblick in die vielfältige betriebliche Praxis von mehr als 20 000 Unternehmensanwälten verschafft habe. Welche Erkenntnisse aus der vielfältigen Praxis für die Beurteilung der konkreten Beschäftigung der Klägerin zu gewinnen gewesen wären, bleibe aber offen. Für die Ausübung der konkreten Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. sei die Zulassung zur Anwaltschaft keine notwendige Voraussetzung gewesen, denn vor und nach der Zulassung seien dieselben Arbeiten ausgeführt worden. Dabei sei unbeachtlich, dass die Beigeladene zu 1. erst keine und später dann doch zugelassene Rechtsanwälte beschäftigen wollte. Denn die Qualifizierung einer Tätigkeit könne nicht von der Disposition des Arbeitgebers abhängen. Das von der Klägerin betriebene Zulassungsverfahren dürfte daher einzig und allein dem Zweck gedient haben, die Altersvorsorge für die von ihr ausgeübte abhängige Beschäftigung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung gestalten zu können. Fehle aber eine berufsrechtlich überwachte und qualitätsgesicherte Berufstätigkeit im Kammerberuf, dann sei der von der Klägerin zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "wegen" in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für ausreichend gehaltene sachliche Zusammenhang zwischen der ausgeübten Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und der kammerberuflichen Tätigkeit nicht herzustellen.

17

Die Beigeladene zu 2., die keinen Antrag stellt, trägt vor, das angefochtene Urteil sei bereits im Ansatz verfehlt, weil die BRAO keine Beschäftigung definiere, "wegen der" Kammerzugehörigkeit in einer RAK bestehen müsse. Vielmehr stelle jeder Rechtsanwalt seinen Zulassungsantrag ausschließlich für sich selbst. Soweit das LSG rüge, die Klägerin habe ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht wegen ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. betrieben, sei einzuwenden, dass das anwaltliche Berufsrecht eine derartige "Spezialzulassung" überhaupt nicht kenne. Die Klägerin sei richtigerweise zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden; ob ihre Beschäftigung bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber als anwaltliche Tätigkeit einzustufen sei, prüfe die RAK nicht. Die Freistellungserklärung stelle lediglich ihre Unabhängigkeit in der Mandatswahrnehmung außerhalb ihres Dienstverhältnisses sicher. Der notwendige Ursachenzusammenhang zwischen der konkreten Tätigkeit und den Pflichtmitgliedschaften in Kammer und berufsständischer Versorgung sei mit Hilfe der Vier-Kriterien-Theorie zu beurteilen, die die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis anwende, in der Literatur zustimmend aufgenommen worden sei und auch in der sozialgerichtlichen Instanzrechtsprechung Gefolgschaft gefunden habe. BRAK und DAV hätten ebenfalls zustimmende Beschlüsse gefasst. Lehne man die Vier-Kriterien-Theorie ab, müsse die Negativabgrenzung über das Merkmal "berufsfremd" erfolgen. Nach der Rechtsprechung des BSG liege eine berufsfremde Tätigkeit vor, wenn die konkrete Beschäftigung nicht durch schwerpunktmäßig in Ausbildung und Beruf typischerweise gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen geprägt sei. Im Übrigen sei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI keine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, sondern eine Kollisions- oder Koordinationsnorm. Sie solle verhindern, dass die betroffenen Berufsgruppen mit einer doppelten Beitragszahlungspflicht belastet werden, und damit zugleich verfassungsrechtlich (Art 12 Abs 1 GG) gewährleisten, dass Volljuristen nicht von der Wahl des Rechtsanwaltsberufes abgehalten werden. Art 12 GG erlaube jedem Rechtsanwalt, Rechtsrat auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages zu erteilen. Wenn dieser "Zweitberuf" die vier Kriterien (Rechtsberatung, -gestaltung, -vermittlung und -entscheidung) erfülle, sei der Rechtsanwalt auch insoweit Rechtsanwalt und nicht in sonstiger Weise tätig. Dagegen sei die Doppelberufstheorie mit einer tätigkeitsbezogenen Betrachtung im Einzelfall, wie sie § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gebiete, unvereinbar, zumal der Syndikusanwalt einen einheitlichen Beruf ausübe, nämlich den des Rechtsanwalts an zwei Arbeitsstellen. Folglich handele es sich nicht um eine "eigene Berufsgruppe", sondern um einen integralen Teil der Anwaltschaft. Damit sei auch die Behauptung des LSG widerlegt, bei den Syndikusanwälten handele es sich um eine die Sperrwirkung des § 6 Abs 1 S 3 SGB VI auslösende neu entstandene Berufsgruppe. Denn Syndikus-"Anwälte" gebe es schon seit über 125 Jahren. Dass sie ebenso "unabhängig" seien wie "freie" Rechtsanwälte, könne nicht ernsthaft bestritten werden. Denn beide unterlägen dem anwaltlichen Berufsrecht, das als öffentliches Recht zwingend und damit der Disposition durch die Parteien des Mandats- und Anstellungsvertrags entzogen sei. Mit der unbedingten rechtlichen Verpflichtung auf die Vertretung der wohlverstandenen Interessen ihrer Mandanten, der Verpflichtung zur Verschwiegenheit, der Vermeidung der Verfolgung widerstreitender Interessen und der unbedingten Verpflichtung auf das Recht unterlägen Syndikusanwälte außerökonomischen Normen, sodass sie ihrer Funktion als "rechtliches Gewissen" des Unternehmens gerecht werden könnten.

18

Die Beigeladene zu 1. ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts bestätigt und die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum ab dem 18.9.2009 gegen die Beklagte kein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.

20

1. Allerdings hat die Klägerin die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 15; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN).

21

a) Bei einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist darzulegen, warum sich das LSG von seiner Rechtsauffassung her zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und ggf zu welchen (Leitherer aaO RdNr 12a). Das erfordert neben der Benennung des nach Auffassung des Revisionsführers ungenutzt gebliebenen Beweismittels die konkrete Darlegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, in deren Licht der Beweisgegenstand rechtliche Bedeutung erlangt hätte und regelmäßig die Angabe, zu welchem Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme geführt hätte. Eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Passagen des angegriffenen Urteils fehlt. Die Revisionsbegründung legt auch nicht dar, warum gerade aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts eine Kenntnis der allgemeinen betrieblichen Praxis bzw der Vorstellungen hiermit vertrauter Amtswalter hiervon unabdingbar der Entscheidungsfindung hätte zugrunde gelegt werden müssen. Ebenso wird ein voraussichtliches Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gerade nicht behauptet; vielmehr trägt der Prozessvertreter der Klägerin ausdrücklich vor, er wisse nicht, was der Zeuge "wirklich" gesagt hätte.

22

b) Mit ihrer sinngemäß erhobenen Behauptung, das angefochtene Urteil sei bereits deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen, weil es erst unmittelbar vor bzw erst nach Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung abgefasst worden und mit den Unterschriften der Richter zur Geschäftsstelle gelangt sei, rügt die Klägerin sinngemäß das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG), also das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO(idF der Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5.12.2005, BGBl I 3202). Ihr Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um einen solchen Mangel hinreichend darzutun. Wird mit der Revision geltend gemacht, ein Urteil sei nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist verspätet abgesetzt und daher nicht mit Gründen versehen, so ist dieser Verfahrensmangel nur dann ausreichend bezeichnet, wenn in der Begründung der Zeitpunkt der Niederlegung des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle angegeben ist (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 5 S 7 und SozR 1750 § 551 Nr 8). Ist dieser Zeitpunkt dem Revisionsführer unbekannt, muss zumindest dargelegt werden, dass und mit welchem Ergebnis versucht worden ist, den Inhalt des amtlichen Vermerks über den Zeitpunkt der Urteilsübergabe zu erfahren (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 6 S 12 und SozR 1750 § 551 Nr 9). Daran fehlt es. Folglich kann die Klägerin ihre Rüge eines Fehlens von Gründen nicht allein auf die zwischen Verkündung und Absetzung des Berufungsurteils verstrichene Zeit stützen. Ebenso wenig zeigt die Revisionsbegründung auf, dass ausnahmsweise trotz Einhaltung der maßgeblichen Fünfmonatsgrenze ein Verfahrensmangel vorliegen könnte, weil sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass infolge der verzögerten Absetzung der Entscheidungsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist (Keller, aaO, § 134 RdNr 4). Hierfür enthält das Revisionsvorbringen keine konkreten fallbezogenen Anhaltspunkte, wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwändigen Beweisaufnahme (BSG Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 17).

23

2. Materiell-rechtlich einschlägig ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in der Neufassung von Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB6uaÄndG) vom 15.12.1995 (BGBl I 1824), der am 1.1.1996 in Kraft getreten und durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) ab dem 1.1.2005 (Art 86 Abs 1 aaO) geringfügig modifiziert worden ist. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

        

a)    

am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

        

b)    

für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

        

c)    

aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

24

3. Die Klägerin ist abhängig beschäftigt, weil die konstituierenden Merkmale des entsprechenden sozialrechtlichen Anknüpfungssachverhalts (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) nach den unangefochtenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vorliegen. Hiernach erbringt die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. als juristische Mitarbeiterin nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff BGB). Ob sie aufgrund ihrer entgeltlichen Beschäftigung auch (renten-)versicherungspflichtig ist (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI), kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, weil insbesondere Feststellungen des Berufungsgerichts zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 8 Abs 1 SGB IV) fehlen.

25

Dessen ungeachtet war eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachaufklärung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG) nicht geboten. Für das Ergebnis des Verfahrens ist unerheblich, ob die begehrte Befreiung bereits deshalb zu versagen ist, weil die Klägerin möglicherweise nicht versicherungspflichtig ist und es damit schon am notwendigen Interesse für die Stellung eines zulässigen Befreiungsantrags fehlt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts genügen jedenfalls zur abschließenden Entscheidung über das Fehlen sonstiger notwendiger Tatbestandsvoraussetzungen des Befreiungsrechts.

26

4. Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab dem 18.9.2009 durch die RAK D. zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Noch hinreichend deutlich ist damit vor dem Hintergrund von § 12 Abs 1, § 34 BRAO gleichzeitig festgestellt, dass am selben Tag der entsprechende (begünstigende) Verwaltungsakt(§ 35 S 1 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO), verkörpert in einer von der RAK ausgestellten Urkunde, durch Aushändigung wirksam geworden ist (§ 12 Abs 1 BRAO). Gemäß § 12 Abs 3 BRAO wurde die Klägerin damit kraft gesetzlicher Verpflichtung (eo ipso) obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK D. (§ 60 Abs 1 S 2 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der ua für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt (vgl BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 15.10.2012 - AnwZ (BrfG) 45/12 - NJW-RR 2013, 303, 304 RdNr 7) bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 35 ff VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs 2 VwVfG iVm § 32 Abs 1 S 1 BRAO). Das LSG hat derartige Aufhebungs- oder Erledigungstatbestände nicht festgestellt, sodass der Zulassungsverwaltungsakt ungeachtet einer möglichen Rechtswidrigkeit weiterhin wirksam ist. Seine rechtsgestaltenden Wirkungen sind damit auch von den mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Behörden und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in der Weise zu beachten, dass die dort getroffenen Regelungen auch ihnen gegenüber als verbindlich anzusehen sind (sog Tatbestandswirkung). Unter anderem ist deshalb unerheblich, ob die Klägerin im Zulassungsverfahren Falschangaben gemacht hat, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung im Einzelnen vorgelegen haben und welche (Fehl-)Vorstellungen Amtswalter der RAK ggf bei Erlass des Zulassungsverwaltungsaktes hatten. Schon aufgrund der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes kann es zudem nicht zu einer vom LSG - und Teilen der Anwaltschaft - befürchteten treuwidrigen (§ 242 BGB) und widersprüchlichen (venire contra factum proprium) "Umgehung des Rechtswegs" zu den ordentlichen Gerichten und ggf zum BVerfG und/oder EuGH kommen. Die Sozialgerichtsbarkeit entscheidet rechtlich grundsätzlich - mit Ausnahme der Fälle der Nichtigkeit - nicht, wer seinem Status nach Rechtsanwalt ist.

27

5. Das LSG hat zudem festgestellt, dass die Klägerin zugleich "aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden ist. Die Beigeladene zu 2. ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde die Klägerin auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen des nichtrevisiblen Landesrechts in § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung der Beigeladenen zu 2. ipso iure (ohne Erlass eines weiteren Verwaltungs- oder eines anderen konstitutiven Rechtsakts) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2. und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der RAK D.

28

6. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gibt indessen versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft weder im Blick auf eine "Beschäftigung" noch auf einen bestimmten Kreis anwaltlicher Betätigungen erfolgt, sondern mit der statusbegründenden Zulassung stets der volle Umfang anwaltlicher Berufsausübung eröffnet ist, der damit auch zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nämlich unter den tatbestandlichen Voraussetzungen insbesondere der §§ 4 ff BRAO unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO) und als berufener unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs 1 BRAO) verbunden sind. Im Blick hierauf könnten bei einem strikt Wortlaut getreuen Normverständnis die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen bei Rechtsanwälten zumindest grundsätzlich nicht erfüllt werden. Die rentenrechtliche Funktion des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erlaubt und fordert jedoch zwingend ein den Gegebenheiten des anwaltlichen Berufs- und Versorgungsrechts angepasstes Verständnis des Tatbestandselements derselben Beschäftigung ("… für die Beschäftigung, wegen der …"), wenn und soweit es gerade in diesem Kontext Anwendung findet. Diese auch in der Literatur erörterten Schwierigkeiten schließen indessen die Anwendbarkeit nicht grundsätzlich aus. Im vorliegenden Zusammenhang kann unter "derselben Beschäftigung" iS der Norm die "von der Beschäftigung erfasste Erwerbstätigkeit" verstanden werden.

29

§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI betrifft die Koexistenz von jeweils aufgrund öffentlich-rechtlichen Zwangs angeordneten Versorgungen für die Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod(sog "doppelte Pflichtmitgliedschaft", Prossliner, NZA 2013, 1384, 1389). Er überlässt es dem hiernach gesetzlich Ermächtigten, es nach jeweils eigener Willensentscheidung entweder durch Untätigkeit bei der Parallelität als gesetzlich stillschweigend angelegtem Regelfall zu belassen oder unter den gesetzlich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen durch einen hierauf gerichteten materiell-rechtlichen Antrag (§ 6 Abs 2 SGB VI) sein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Verbleib in der berufsständischen Versorgungseinrichtung geltend zu machen. Mit einem Gebrauchmachen von der gesetzlich eröffneten positiven Gestaltungsmöglichkeit kann im Ergebnis eine Doppelbelastung mit Beiträgen und eine mehrfache Absicherung vergleichbarer Risiken vermieden werden. Das Verständnis von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat sich an dieser systemübergreifenden Koordinierungsfunktion zu orientieren und darf daher nicht bereits die Schnittmenge beider Bereiche allein nach Kriterien der gesetzlichen Rentenversicherung ("Beschäftigung") bestimmen, die für die Zugehörigkeit zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen grundsätzlich ohne Bedeutung sind.

30

Maßgeblich für die Einbeziehung in die berufsständische Versorgung ist grundsätzlich nämlich weder die inhaltliche Beschränkung auf einzelne Verrichtungen innerhalb eines Berufsbildes noch die Form von deren Erbringung in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber, sondern der durch Zulassungsakt eröffnete Zugang zu einer Berufstätigkeit in ihrer Gesamtheit. Beide Sicherungsformen (gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgung) stimmen jedoch - als Minus gegenüber der "Beschäftigung", die § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf beide Sicherungssysteme anzuwenden scheint - jedenfalls darin überein, dass sie inhaltlich jeweils an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit anknüpfen und Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen gerade hiermit verbundener Risiken gewährleisten. Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst.

31

7. Die Klägerin erfüllt indessen auch die Voraussetzungen der in dieser Weise modifiziert verstandenen Norm nicht. Ihre Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Ihre anwaltliche Berufsausübung ist in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich. Umgekehrt bedarf es - worauf bereits das LSG zutreffend hingewiesen hat - mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 2 Abs 1, § 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG). Die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für ihre Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2. und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fehlt und sich eine weitergehende inhaltliche Prüfung erübrigt. Der erkennende Senat kann dies ungeachtet der Tatbestandswirkung der Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem einschlägigen Bundesrecht selbst abschließend beurteilen. Entsprechende Status begründende Verwaltungsakte umfassen ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Zuordnung einzelner Tätigkeiten und sind insofern im konkreten Zusammenhang notwendig der eigenständigen Auslegung und Anwendung bedürftig.

32

Die angegriffenen Verwaltungsakte sind bereits deshalb rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Auf das Fehlen von Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen von § 6 Abs 3 Nr 1 SGB VI und auf die rechtliche Bedeutung der dort als Voraussetzung einer Entscheidung der Beklagten über die Befreiung geforderten Bestätigung des "Vorliegens der Voraussetzungen" kommt es unter diesen Umständen vorliegend nicht an(vgl hierzu BSG vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 36).

33

Die scheinbare Unvereinbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit "kammerrechtlichen Normen" erlaubt es entgegen der Revision nicht, seinen Wortlaut weitergehend hintanzustellen. Eines systemübergreifenden Verständnisses der Vorschrift bedarf es allein, wenn und soweit das Gesetz notwendig einen identischen Ausgangssachverhalt ("dieselbe Beschäftigung" im Sinne einer potenziell doppelrelevanten Erwerbstätigkeit) erfordert. Kommt es dagegen auf die Voraussetzungen der sich aus dieser Erwerbstätigkeit ergebenden Versicherungspflicht nach dem spezifischen Binnenrecht der jeweiligen Sicherungsform an, beruht die Anwendbarkeit von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht etwa auf der Erfüllung eines einzigen, sondern auf dem kumulativen Vorliegen mehrerer einschlägiger und gesondert zu prüfender Tatbestände. Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann daher ua nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Sie ist zwar stets notwendig, doch ist sie ggf rechtlich - wie in Fällen der vorliegenden Art - nicht hinreichend. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI überhaupt verlassen. Prüfungstechnisch erübrigt sich jedes Eingehen auf inhaltliche Aspekte einer in Frage stehenden Erwerbstätigkeit, wenn bereits aufgrund ihrer äußeren Form ausscheidet, dass sie mehrfach Versicherungspflicht begründen könnte.

34

Der Senat legt seiner Beurteilung der sozialrechtlichen (Vor-)Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obwohl sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, die ständige übereinstimmende Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Er sieht auch nach eigener Prüfung keinen Rechtsgrund, hiervon abzuweichen, was grundsätzlich ohnehin erst nach Vorlage an den EuGH (Art 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV), das BVerfG (Art 100 Abs 1 GG) und/oder durch Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG) möglich gewesen wäre. Es fällt auf, dass sich die Revision der anwaltlich vertretenen und ihrerseits zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Klägerin mit diesem überkommenen und gefestigten Bestand des anwaltlichen Berufsrechts allenfalls am Rande befasst. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, dessen Senat für Anwaltssachen neben dem Präsidenten des BGH sowie zwei Mitgliedern des BGH gerade aus Gründen der berufsspezifischen Sachkunde mit zwei Rechtsanwälten als Beisitzern besetzt ist (§ 106 Abs 2 S 1 BRAO).

35

Entgegen der Revision ist ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Umschreibung zunächst der rechtliche Sprachgebrauch in der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, dem sich der erkennende Senat auch insofern anschließt, geklärt. Hiernach ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Der "Syndikusanwalt" ist gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (vgl exemplarisch BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71 mit Hinweis auf BT-Drucks III/120 S 77 und Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6).

36

Inhaltlich entnimmt der BGH dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts in "gefestigter Rechtsprechung" und unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, dass der Syndikus in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig ist. Bereits in der Entscheidung vom 7.11.1960 (AnwZ (B) 4/60 - BGHZ 33, 276, 279 f) heißt es insofern:

        

"Der Syndikusanwalt hat eine Doppelstellung inne: Er ist einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Soweit es um das Anstellungsverhältnis geht, kann er allerdings seine Eigenschaft als Rechtsanwalt nicht abstreifen, aber diese Eigenschaft ändert nichts daran, daß das Arbeitsverhältnis von dem Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht wird. Die Bundesrechtsanwaltsordnung vermochte nicht in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen und schreibt auch für nach ihrem Erlaß abgeschlossene Verträge keinen neuen Arbeitsvertragstypus vor, der den Syndikusanwalt und seinen Dienstherrn etwa gleichgeordnet stellt. Wenn man, wie das die Bundesrechtsanwaltsordnung getan hat, die Institution des Syndikusanwalts bejaht, muß man auch dem gerecht werden, daß der Syndikusanwalt zwei Arbeitsbereiche hat, nämlich einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Die Amtliche Begründung (zu § 59 S. 77) sagt ganz mit Recht: 'Der Syndikusanwalt entspricht bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht. In das Berufsbild des Anwalts, das sich von ihm als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege geformt hat, läßt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der Syndikus als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Dagegen sind bei der Tätigkeit, die er als Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmen, nicht gegeben'."

37

Hieran wird im Rahmen einer kontinuierlichen Verweisungskette bis heute festgehalten (vgl exemplarisch BGH Beschluss vom 25.4.1988 - AnwZ (B) 2/88 - BRAK-Mitt 1988, 271 f; Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69, 71; Beschluss vom 13.3.2000 - AnwZ (B) 25/99 - NJW 2000, 1645; Beschluss vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17, insofern in BGHZ 183, 73 ff nicht abgedruckt; Beschluss vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1518 RdNr 6; ebenso BAG Beschluss vom 19.3.1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239, 241). Im genannten Beschluss vom 7.2.2011 formuliert der BGH - unter ausdrücklicher Erweiterung dieser Rechtsprechung auf das Berufsbild des europäischen Rechtsanwalts (§ 2 Abs 1 EuRAG) - aktuell wie folgt:

        

"Nach gefestigter Rechtsprechung zu dem Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BVerfGE 87, 287; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130; Beschluss vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, NJW 2010, 377 Rn. 17). Die mit dem Dienst- oder Anstellungsverhältnis verbundenen Bindungen und Abhängigkeiten stehen nicht im Einklang mit dem in §§ 1 bis 3 BRAO normierten Berufsbild des Rechtsanwalts als freiem und unabhängigem Berater und Vertreter aller Rechtsuchenden. …"

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In Übereinstimmung hiermit zitiert das BVerfG (Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 294 f) aus der BT-Drucks III/120, S 56 f:

        

"Bei der Prüfung im Einzelfall wird der Maßstab anzulegen sein, der sich aus dem allgemeinen Berufsbild des Rechtsanwalts ergibt. Der Rechtsanwalt muß als solcher in der Beratung und Vertretung unabhängig und objektiv sein. Will der Bewerber z.B. eine Tätigkeit beibehalten, die seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nimmt und in der er streng an fremde Weisungen gebunden ist, so bleibt für eine Ausübung des Berufes als Anwalt, an den sich jeder Rechtsuchende wenden könnte, kein Raum mehr. Die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt würde in einem solchem Fall zu einem inhaltsleeren Titel werden. - Unter ähnlichen Gesichtspunkten lassen sich die Grenzen für den sogen. Syndikusanwalt bestimmen, der in einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht. Zwar wird ein Bewerber, der Syndikus und Rechtsanwalt zugleich sein will, in seiner Eigenschaft als S y n d i k u s eine juristische Tätigkeit ausüben, wenn er seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewährt; diese Tätigkeit kann, rein fachlich betrachtet, der beratenden Tätigkeit eines Rechtsanwalts durchaus entsprechen; seine Stellung als Syndikus mag auch so bedeutend sein, daß er seinem Arbeitgeber gegenüber selbständig und eigenverantwortlich zu handeln vermag. Jedoch würde eine ausschließliche Tätigkeit für ein Unternehmen nicht dem Bild entsprechen, das bei dem Beruf des Rechtsanwalts, von der Allgemeinheit der Rechtsuchenden her gesehen, in seiner Stellung innerhalb der Rechtspflege gegeben sein muß. Das Berufsbild des Rechtsanwalts kann nur dann vorhanden sein, wenn der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben seiner Tätigkeit in dem Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so wäre einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen. … "

39

Damit ist insbesondere geklärt, dass ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar ist. Das für die Zulassung unverzichtbare Berufsbild des Rechtsanwalts kann sich damit nur daraus ergeben, dass der Syndikus rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, neben (!) seiner Tätigkeit im Unternehmen Rechtsuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten. Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus ist, sondern weil er sich aufgrund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten sind grundsätzlich getrennt zu betrachten (vgl BGH Beschluss vom 22.3.1999 - PatAnwZ 10/98 - EBE/BGH 1999, 150 f, zum Erfordernis einer mindestens halbjährigen Tätigkeit "bei einem Patentanwalt", das nur dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller auf dem Gebiet eines Patentanwalts tätig geworden ist und nicht lediglich im Rahmen eines "Beschäftigungsverhältnisses in einem Unternehmen" bei einem dort ebenfalls angestellten Syndikusanwalt). Soweit der BGH hinsichtlich der Voraussetzungen für den Erwerb von Fachanwaltsbezeichnungen in begrenztem Umfang Ausnahmen zulässt (vgl BGH Beschluss vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 mwN, insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt; vgl zur Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Fachgerichte, wenn sie Nachweise des Bewerbers über die in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewerten, BVerfG Beschluss vom 20.3.2007 - 1 BvR 142/07 - NJW 2007, 1945), ist dies für den vorliegenden Zusammenhang erkennbar ohne Bedeutung; im Übrigen sieht der BGH hierdurch seine sonstige Rechtsprechung ausdrücklich als nicht betroffen an.

40

Die Rechtsprechung des BGH wird durch die Materialien zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks 12/4993) bestätigt. Der Rechtsausschuss (6. Ausschuss) vermerkt in der Drucks 12/7656 (Beschlussempfehlung und Bericht) auf S 49 zu Nummer 18a (§ 46 BRAO):

        

"… Nicht aufgegriffen hat der Ausschuß den in der Anhörung am 1. Dezember 1993 von Vertretern der Syndikusanwälte im Deutschen Anwaltverein vorgebrachten Vorschlag, durch eine Änderung des § 46 BRAO dem Syndikusanwalt einzuräumen, daß er auch im Angestelltenverhältnis als Anwalt tätig wird.

        

Eine solche Änderung hätte zur Folge gehabt, daß der Syndikusanwalt, der jetzt im Nebenberuf Rechtsanwalt ist und im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, auch in seiner Eigenschaft als rechtlicher Berater seines Arbeitgebers Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten ist. Der Ausschuß ist in seinen Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das in den §§ 1 bis 3 BRAO normierte Berufsbild des Rechtsanwalts, wie es sich auch in der Allgemeinheit von ihm als unabhängigem Organ der Rechtspflege gebildet hat, mit der Tätigkeit unvereinbar ist, wenn der Syndikus im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Anwalt auftritt. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leistet, sind dann, wenn der Syndikus persönlich mit der Materie des Einzelfalls befaßt gewesen ist, die durch das Gesetz der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmen, nicht gegeben. Seine freie und unreglementierte Selbstbestimmung wäre im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, in dem er grundsätzlich dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt, nicht gewährleistet. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1992 zum anwaltlichen Zweitberuf (1 BvR 79/85 u. a.) spricht zwar einerseits für eine weitgehende Öffnung zum Zweitberuf, wenn durch Berufsausübungsregelungen die Gefahr von Interessenkollisionen vermieden wird. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang aber auch erneut die Gemeinschaftsgüter der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anerkannt. Beides steht nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses einer Änderung des § 46 BRAO in dem gewünschten Sinn entgegen."

41

Ebenso hat schließlich der EuGH (Urteil vom 14.9.2010 - C-550/07 P - NJW 2010, 3557) entschieden, dass die Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt einer gemeinsamen Tradition der Mitgliedsstaaten entsprechend nur für Schriftwechsel gilt, der von "unabhängigen Rechtsanwälten" ausgeht, dh von Anwälten, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.

42

8. Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände der Revision greifen nicht durch.

43

a) Ungeachtet möglicher inhaltlicher Übereinstimmungen kommt für das Deckungsverhältnis der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht, abhängige Beschäftigung und eine daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne einer einheitlichen Betrachtung "zusammenzuziehen". Die isolierte Fragestellung, ob eine anwaltliche Tätigkeit in Gestalt einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und damit grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet ist, würde damit gerade verlassen. Die beiden (einzigen) Formen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, die selbständige Tätigkeit und die abhängige Beschäftigung, schließen sich im Übrigen wechselseitig aus. Wo - wie vorliegend - die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in Frage steht, können Gesichtspunkte der selbständigen Erwerbstätigkeit keine Rolle spielen. Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des BSG im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann (vgl BSG Urteile vom 4.11.2009 - B 12 R 7/08 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 13 RdNr 19 mit Hinweis auf die Rechtslage bereits vor Inkrafttreten des SGB VI, vom 13.9.1979 - 12 RK 26/77 - BSGE 49, 38, 39 f = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 67, 68 f, mwN und vom 2.6.1982 - 12 RK 66/80 - SozR 5800 § 2 Nr 3; s auch - hieran anknüpfend - die Begründung zum Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 148).

44

b) Rechtlich ist auch unerheblich, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI fordert - wie dargelegt - nach Normwortlaut und Funktion stets zusätzlich, dass die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung führt, gleichzeitig in der Form der Beschäftigung ausgeübt wird und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ist dies - wie vorliegend für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei einem nicht dem Standesrecht unterworfenen Arbeitgeber - von vornherein ausgeschlossen, sind mögliche Sachbezüge der ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Berufsbild des Rechtsanwalts ohne rechtliche Bedeutung. Ihr Vorliegen könnte nicht mehr zu einem Lebenssachverhalt führen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI in vollem Umfang erfüllt.

45

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI können auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein innerer (sachlicher) Zusammenhang der behaupteten Art "theorie-"gestützt begründet wird. Was für den inneren Zusammenhang als solchen gilt, betrifft notwendig auch alle zum Beleg seines Vorliegens benannten Einzelkriterien und "Kriterienformeln", damit auch die sog Vier-Kriterien-Theorie ("rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend") und jedes ihrer Elemente. Erst recht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage, die "Vier-Kriterien-Theorie" an Stelle des gesetzlichen Tatbestands der Rechtsanwendung zugrunde zu legen und damit die Rechtsfolge des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgruppe zu verbinden, für die sie der hierzu einzig berufene Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Unterschiedliche Absicherungen in unterschiedlichen Systemen sind Konsequenz des Umstandes, dass synchron und diachron eine Vielzahl von Erwerbstätigkeiten betrieben werden kann, und deren hieran anknüpfende Absicherung nicht ihrerseits im Sinne eines einheitlichen Gesamtkonzepts durch zwingendes Recht koordiniert ist. Es gibt deshalb auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass stets nur die Zugehörigkeit zu einem einzigen Sicherungssystem in Betracht kommen könnte oder es ungeachtet einer Änderung der hierfür rechtlich maßgeblichen Umstände stets bei der einmal begründeten Zuständigkeit eines Systems zu verbleiben habe. Nur soweit der Gesetzgeber hierfür im Einzelfall Anlass gesehen hat und im Anwendungsbereich der jeweiligen Koordinierungsregelung, kann hiervon ausnahmsweise abgesehen werden. Auch insofern bedarf es schließlich keines näheren Eingehens auf den Theorie-Charakter der "Vier-Kriterien-Theorie" im Sinne der Wissenschaftstheorie bzw einer wissenschaftlich betriebenen Jurisprudenz.

46

c) Die gesetzlich geforderte positive Feststellung, dass dieselbe Erwerbstätigkeit, die die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet hat, wegen ihrer Ausübung in der Form der Beschäftigung zugleich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann erst recht nicht durch diejenige ersetzt werden, dass die in der Form der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ursprünglich oder nachträglich entgegensteht. Zwar stellt sich aus der Sicht der allein auf einer arbeitsrechtlichen Nebentätigkeit gründenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft umgekehrt die Frage, ob eine daneben ausgeübte Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf vereinbar ist und daher ihrer Erteilung nicht entgegensteht (§ 7 Nr 8 BRAO)bzw ihren Widerruf nicht fordert (§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO). Indessen ist die hierzu vorliegend umfangreiche - und seit dem Beschluss des BVerfG vom 4.11.1992 (1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287) im Sinne der Liberalisierung nachhaltig geänderte - Rechtsprechung soweit ersichtlich zu keinem Zeitpunkt - selbstwidersprüchlich - auf den Gedanken gekommen, dass eine Unvereinbarkeit schon deshalb nicht vorliegen könnte, weil es sich bei der im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit um einen genuinen Teil des anwaltlichen Berufsbildes handeln könnte. Die oft zitierte Beschäftigung als Taxi-Fahrer steht der anwaltlichen Berufsausübung nicht entgegen, gehört ihr aber evident nicht zu. Dasselbe gilt insbesondere für den Inhalt solcher Beschäftigungen, die Rechtsberatung gegenüber dritten Personen (vgl BGH Beschlüsse vom 3.3.1986 - AnwZ (B) 1/86 - BGHZ 97, 204, 206 und vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084 und die Nachweise bei BGH Beschluss vom 27.5.1991 - AnwZ (B) 4/91 - NJW 1991, 2289) oder die juristische Sachbearbeitung bei einer Rechtsschutzversicherung (BGH Beschluss vom 21.11.1994 - AnwZ (B) 44/94 - NJW 1995, 1031) zum Inhalt haben. Die Vereinbarkeit von Anwaltsberuf und daneben ausgeübter Tätigkeit ist damit zwar notwendig, weil andernfalls eine Zulassung zur Anwaltschaft nicht erfolgen könnte, zur Begründung der für die Anwendung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI notwendig erforderlichen Doppelrelevanz aber nicht hinreichend. Auch alle sonst von § 7 Nr 8, § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO erfassten Tätigkeiten sind gerade solche außerhalb des anwaltlichen Berufsfelds in einem Zweitberuf(vgl exemplarisch BGH vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084).

47

d) Hinweise für eine fehlende Anwendbarkeit von § 46 BRAO auf Fälle der vorliegenden Art fehlen vollständig. Die Vorschrift gehört zu den Berufsausübungsregelungen, die als gegenüber Berufszugangsregelungen (Art 12 Abs 1 GG) der vorstehend erörterten Art weniger schwer wiegender Eingriff das Verhältnis der durch Zulassung eröffneten anwaltlichen Berufstätigkeit zu einer daneben ausgeübten Beschäftigung betreffen. Insofern begründet § 46 BRAO besondere Berufspflichten der Syndikusanwälte und bestätigt im Rückschluss gleichzeitig, dass die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung der Rechtsstellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege selbst dann nicht von vornherein entgegensteht, wenn sie anwaltlichen Standespflichten nicht unterworfen und die Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt(vgl BVerfG Beschluss vom 4.11.1992 - 1 BvR 79/85 ua - BVerfGE 87, 287, 297; zur fehlenden Anwendbarkeit von § 46 BRAO bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat s im Übrigen BGH Beschlüsse vom 6.3.2006 - AnwZ (B) 37/05 - BGHZ 166, 299 und vom 4.11.2009 - AnwZ (B) 16/09 - NJW 2010, 377, 379 RdNr 17 insofern in BGHZ 183, 73 nicht abgedruckt). Auch insofern geht es jedoch stets um die Abgrenzung verschiedener rechtsberatender und -besorgender Tätigkeiten (vgl BGH Beschluss vom 19.6.1995 - AnwZ (B) 4/95 - NJW-RR 1995, 1083, 1084) und insbesondere um die Unterscheidung zwischen dem weisungsfreien, unabhängigen Rechtsanwalt und dem Syndikusanwalt, der im Rahmen eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss (BGH Urteil vom 25.2.1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; BGH Beschlüsse vom 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00 - NJW 2001, 3130 und vom 7.2.2011 - AnwZ (B) 20/10 - NJW 2011, 1517, 1520 RdNr 27; Anwaltsgerichtshof Hamburg Beschluss vom 3.9.2002 - II ZU 11/01 - BRAK-Mitt 2002, 283).

48

e) Der von der Revision mit der verbreiteten Bezeichnung "Doppelberufstheorie" bezeichnete rechtliche Umstand gibt unter diesen Umständen der Sache nach die von BGH, BAG, BVerfG und EuGH übereinstimmend gegebene und fortlaufend bestätigte negative Antwort auf die Rechtsfrage wieder, ob der Syndikusanwalt auch in seiner abhängigen Beschäftigung als Rechtsanwalt anzusehen ist. Soweit mit der Wortwahl eine geringere Verbindlichkeit im Sinne einer interpretativen "Kleintheorie" (vgl zur Klassifikation in Anlehnung an Ralf Dreier Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl, Köln/München 2008, S 163, 165) behauptet werden soll, steht dem "die fundamentale objektive Bedeutung der seit einem Jahrhundert durchgesetzten freien Advokatur" (BVerfG Beschluss vom 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80 - BVerfGE 63, 266, 282) und das Gewicht einer über Jahrzehnte fortgeführten einhelligen Auffassung der Rechtsprechung und von deren Bindungswirkung entgegen, die ein formloses Abweichen zugunsten eines anderen gedanklichen Konstrukts zumindest nicht ohne Weiteres erlauben. Weder wird mit einem derartigen Verständnis der BRAO ein "einheitlicher Beruf künstlich aufgespalten" noch führt die Revision nachvollziehbare Hinweise auf eine "Aufweichung" oder "Aufhebung" des mit der Bezeichnung "Doppelberufs- oder Zweitberufstheorie" benannten rechtlichen Sachverhalts auf.

49

f) § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI ist als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig. Die Klägerin gehört als abhängig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Kernbereich der typisiert Schutzbedürftigen und deshalb grundsätzlich in allen Zweigen der Sozialversicherung(vgl § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV) und insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 SGB VI) Zwangsversicherten. Diese einfachgesetzliche Leitentscheidung wird für den Personenkreis, dem die Klägerin zugehört, auch nicht unmittelbar spezialgesetzlich modifiziert oder revoziert. Umstände, die - ihrerseits typisierend - trotz Ausübung einer Beschäftigung der Annahme der Schutzbedürftigkeit entgegenstehen und daher Anlass zu einer Tatbestandsreduktion geben könnten, sind gesetzlich nicht umschrieben. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tatbestandsreduktion, die Anlass gegeben hätten, von vornherein von der Anordnung der Rechtsfolge Versicherungspflicht abzusehen (zB § 1 S 3 SGB VI) oder trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Beschäftigtenversicherung ausnahmsweise unmittelbar kraft Gesetzes Versicherungsfreiheit anzuordnen (§ 5 Abs 1 S 1 Nr 1 - Nr 3 SGB VI), sind erkennbar nicht erfüllt. Die vorliegend allein in Frage stehende Regelung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gehört zu einem Kreis von Bestimmungen, die den betroffenen Pflichtversicherten unter den im Gesetz jeweils im Einzelnen umschriebenen Voraussetzungen nach eigenem "Entschließungsermessen" einen Anspruch auf eine konstitutive Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen gebundenen Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers mit grundsätzlich auf die in Frage stehende Beschäftigung begrenzter Wirkung(§ 6 Abs 5 SGB VI) gewähren, um nachfolgend allein im berufsständischen Versorgungswerk mit günstigeren Bedingungen zu verbleiben. Eine vollständige Entlassung aus der öffentlichen Sozialversicherung ist dagegen nicht möglich (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16).

50

Nur ausnahmsweise gewinnen daher die von beiden Systemen Erfassten ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) durch Befreiungsregelungen begrenzt zurück. Bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI handelt es sich dem Konzept der abgestuften Schutzbedürftigkeit folgend bereits innerhalb der Beschäftigtenversicherung um eine abschließende Ausnahmeregelung, die einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung nicht zugänglich ist(vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 9733). Sein Ausnahmecharakter wird zudem dadurch weiter bestätigt, dass er auch innerhalb seines Anwendungsbereichs ein Befreiungsrecht keineswegs für alle Fälle der Doppelzugehörigkeit vorsieht. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei ihm um eine "Kollisionsnorm" handele, deren Aufgabe darin liege, zugunsten der berufsständischen Versorgungseinrichtungen die Anwendbarkeit jeweils nur einer (einzigen) Rechtsmasse sicherzustellen.

51

Kollisionsnormen betreffen die Frage, welches Recht als sog Sachnorm zur Anwendung kommt, wenn der Regelungsgegenstand gleichzeitig von mehreren Rechtsmassen erfasst ist. Sie bestimmen entweder beschränkt auf die Binnensicht nur einer Menge von Rechtssätzen, ob diese Anwendbarkeit beanspruchen, obwohl gleichzeitig andere Normbestände als einschlägig in Betracht kommen (einseitige Kollisionsnorm) oder legen für die Gesamtheit der einschlägigen Rechtsmassen umfassend fest, nach welcher von ihnen sich die rechtliche Beurteilung des Regelungsgegenstandes richtet (mehrseitige Kollisionsnorm). Nur soweit umfassend für alle Fälle des Zusammentreffens einschlägiger Rechtssätze die Anwendbarkeit wenigstens einer der in Frage stehenden Rechtsmassen abschließend abstrakt-generell bestimmt wird, kann ohne Weiteres von einer Kollisionsnorm in diesem Sinne gesprochen werden. Im Blick hierauf handelt es sich bei § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI im umfassenden Sinne um eine Koordinationsregelung und entgegen der Behauptung der Klägerin allenfalls in einem sehr beschränkten Sinne um den Sonderfall einer Koordinierung von Systemen durch eine Kollisionsnorm mit Ausschlusswirkung zugunsten der berufsständischen Versorgung. Beides schließt sich damit entgegen dem Einwand der Beigeladenen zu 2. nicht aus. Nur wenn nämlich kumulativ alle objektiven Elemente des umfangreichen mehrgliedrigen Tatbestandes erfüllt sind, insbesondere allen Anforderungen an die Art der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, an die Gleichartigkeit der Beitragserhebung sowie an die Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes genügt ist, und die hiernach Berechtigten positiv von dem ihnen eingeräumten "Entschließungsermessen" Gebrauch gemacht haben, kommt es (mittelbar) zum Ausschluss der Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich insofern typisierend auf Fallkonstellationen, bei denen insbesondere gleichermaßen das Bestandsinteresse und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wie der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Betroffenen durch die berufsständische Versorgungseinrichtung berücksichtigt und gegeneinander abgewogen sind. Handelt es sich demgegenüber um Sachverhalte außerhalb des objektiven Anwendungsbereichs oder betätigt ein Berechtigter sein "Entschließungsermessen" nicht, fehlt es vollständig an einer kollisionsrechtlichen Rechtsfolgenanordnung und belässt es das Gesetz mit der Folge der Doppelversicherung bei der parallelen Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Rechtssätze. Keineswegs besteht damit nach dem zugrunde liegenden Regelungskonzept für jeden Kollisionsfall auch Bedarf nach einer eindeutigen (Nicht-)Anwendungsregelung und damit ggf einem weiten Verständnis des gesetzlichen Tatbestands.

52

g) Ebenfalls entgegen der Revision ist § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezweckt er in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke. Im Rahmen seines positiven Anwendungsbereichs bestimmt § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI aus der Binnenperspektive der gesetzlichen Rentenversicherung einseitig, ob es bei der normativen Anordnung von Versicherungspflicht aus § 1 S 1 Nr 1 SGB VI verbleibt oder ob hiervon ausnahmsweise wegen einer aus ihrer Sicht ausreichenden anderweitigen Absicherung abgesehen werden kann(vgl BT-Drucks 13/2590, S 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 6 RdNr 22; Horn/Jung, AnwBl 2013 , 420, 421; Horn, NJW 2012, 966, 971; Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 6 RdNr 4; Kilger/Prossliner, NJW 2004, 821, 823; Offermann-Burckart, MDR 2013, 1197; Rid, BB-Special 3/2008, 10, 14). Er kann schon deshalb keine "magna charta" der berufsständischen Versorgungseinrichtungen repräsentieren, die allenfalls im Sinne eines Rechtsreflexes betroffen sind.

53

Die Entstehungsgeschichte bestätigt dieses Ergebnis. § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI hatte bis zum 31.12.1995 folgenden Wortlaut:

"(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.    

Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, …"

54

Soweit die Materialien zum Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.12.1995 (BGBl I 1824) in ihrem "Allgemeinen Teil" metaphorisch von einer "Friedensgrenze" (BT-Drucks 13/2590 S 1) unter "Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme" (BT-Drucks 13/2590 S 18) sprechen, geschieht dies allein im Kontext der beabsichtigten Verschärfung der rentenversicherungsrechtlichen Befreiungsregelung und zur Vermeidung der befürchteten Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung. Belange der Versorgungsträger finden demgegenüber nur insofern Erwähnung, als mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts "im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird." Insbesondere ergibt sich aus den in BT-Drucks 13/2590 niedergelegten Erwägungen nicht andeutungsweise, dass mit der Schaffung der derzeit geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für bestimmte Personengruppen von der Doppelrelevanz einer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigung ausgeübten Erwerbstätigkeit abgesehen bzw die Alterssicherung für eine lediglich parallel hierzu ausgeübte freiberufliche Tätigkeit als eigenständiger Befreiungsgrund ausgestaltet werden sollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach neuem (insofern seit 1.1.1996 geltendem) Recht erfolgende Befreiungen für alle erfassten Berufsgruppen in gleicher Weise ausgestaltet. Die "Klarstellung", auf welche Tätigkeit oder Beschäftigung sich das Befreiungsrecht beschränkt (BT-Drucks 13/2590 S 22), erfasst daher die Gesamtheit der Normbetroffenen und damit selbstverständlich auch den von der Klägerin repräsentierten Personenkreis. Ob das bis dahin geltende Recht möglicherweise anders verstanden werden konnte und daher die seit dem 1.1.1996 geltende Neufassung über eine bloße Klarstellung hinaus die Setzung neuen Rechts verkörpert, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung (vgl zur Bedeutung einer gesetzgeberischen "Klarstellung" für die Vergangenheit zuletzt BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - DB 2014, 634 = NVwZ 2014, 577).

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h) Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die einschlägigen Fragen sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der Gesetzgeber darf zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG Beschlüsse vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f und vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - SozR Nr 8 zu Art 2 GG; vgl im Übrigen die Nachweise bei BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 29). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (vgl BVerfG Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00, 1 BvR 11 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 25) und berührt mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 27). Ein - von der Klägerin im Übrigen auch nicht gerügter - Eingriff in ihr Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber insbesondere mit der Einführung einer grundsätzlichen Versicherungspflicht für Beschäftigte von seinem weiten Gestaltungsspielraum im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung (BVerfG vom 26.6.2007 aaO RdNr 28) in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere verletzen die Pflichtmitgliedschaft und die damit ggf einhergehende Pflicht zur Beitragstragung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auch bei Höherverdienenden, die anderweitig für ihre Alterssicherung Sorge tragen könnten, nicht Art 2 Abs 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher - auch im Hinblick auf die Alterssicherung - sozial schutzbedürftig sind (vgl BVerfG Beschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 13 mwN).

56

Bei der ausnahmsweisen Eröffnung von Befreiungsmöglichkeiten zur Beseitigung eines unmittelbar gesetzlich angeordneten Versicherungszwangs darf der Gesetzgeber, der die Vorsorgefreiheit Beschäftigter aus Art 2 Abs 1 GG verfassungsrechtlich bedenkenfrei begrenzt hat, erst recht die Leistungsfähigkeit der verbleibenden Versichertengemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen und insbesondere dem Anliegen, Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) erhebliche Bedeutung beimessen; insofern kommt es auf die möglicherweise geringe Zahl der Betroffenen nicht an (vgl BVerfG Beschluss vom 5.5.2008 - 1 BvR 1060/05 ua - SozR 4-2600 § 6 Nr 7 RdNr 16 ff, 19). Die gesetzliche Rentenversicherung kennt unter Berücksichtigung dieser Vorgaben weder ein allgemeines Befreiungsrecht noch im Blick auf die gleichzeitige Absicherung in anderen Systemen einen allgemeinen Grundsatz der Vermeidung von "Doppelversicherungen". Auch gibt es von Verfassung wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl insgesamt die Nachweise bei BSG Urteil vom 9.3.2005 - B 12 RA 8/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 3 RdNr 6). Umgekehrt ist für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (vgl BVerwG Beschluss vom 23.3.2000 - 1 B 15/00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr 42 und die dortigen Nachweise).

57

Der verfassungsrechtlich damit unbedenkliche öffentlich-rechtliche Eingriff in die Vorsorgefreiheit der betroffenen Versicherten steht umgekehrt für seinen Anwendungsbereich eigenen individuellen Gestaltungen durch privatrechtlichen Vertragsschluss entgegen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 und die dortigen Nachweise). Das gilt ohne Weiteres auch für die Wahl unter mehreren öffentlich-rechtlich ausgestalteten Sicherungssystemen nach Maßgabe individueller Günstigkeitserwägungen des Beschäftigten bzw der Arbeitsvertragsparteien. Diesen bleibt es im Übrigen zwar grundsätzlich unbenommen, Anknüpfungssachverhalte des Privatrechts, auf die das Gesetz öffentlich-rechtliche Normbefehle tatbestandlich stützt, selbst zu gestalten (vgl exemplarisch BSG Urteil vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 95 ff: Ausgestaltung der Übungsleitertätigkeit wahlweise als Beschäftigung oder als Ausdruck der Mitgliedschaftspflicht). Auch derartige Möglichkeiten der autonomen Gestaltung von Anknüpfungssachverhalten sind indessen versperrt, wo der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Anordnung von Versicherungspflicht auch tatbestandlich auf zwingendes öffentliches Recht stützt. Soweit er daher in Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 1 GG die "Rechtsanwaltschaft" ausgestaltet hat, ist weder für einzelne Normbetroffene - ggf im Zusammenwirken mit ihren Arbeitgebern - noch für berufsständische Organisationen die Möglichkeit eröffnet, selbst über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu disponieren oder das Berufsrecht "fortzuentwickeln". Mangels privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeit scheidet insofern auch eine mikroökonomische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der "win-win-Situation" von vornherein aus. Hiervon unabhängig können die Arbeitsvertragsparteien indessen - wenn auch ohne versorgungsrechtliche Auswirkungen - die Grundlagen für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft neben dem Arbeitsverhältnis schaffen, dem Arbeitnehmer auf diese Weise ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnen und den Arbeitgeber am Sozialprestige der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft teilhaben lassen.

58

i) Auf eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich der von der Klägerin repräsentierte Personenkreis nicht berufen (vgl BVerfG Beschluss vom 17.6.2004 - 2 BvR 383/03 - BVerfGE 111, 54). Außerhalb der vorliegend zur Entscheidung stehenden Fälle, bei denen es jeweils um die erstmalige Befreiung für einen bestimmten Zeitraum geht, weist der Senat hinsichtlich der derzeitigen Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung auf Folgendes hin: Sie haben - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff SGB X hinausgehen dürfte. Insbesondere haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (wenn auch ohne gesetzliche Grundlage) die "Vier-Kriterien-Theorie" selbst mit befördert und angewandt. Schon weil damit bei der gebotenen typisierenden Betrachtung Lebensentscheidungen über die persönliche Vorsorge nachhaltig mit beeinflusst wurden, kann einer Änderung der Rechtsauffassung hinsichtlich ergangener Befreiungsentscheidungen grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Demgegenüber ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass der 12. Senat des BSG bereits in seiner Sitzung vom 9.3.2005 eine der vorliegenden Entscheidung entsprechende Rechtsauffassung angedeutet hatte. Damals war es in den Verfahren B 12 RA 3/04 R, B 12 RA 4/04 R und B 12 RA 11/04 R (Presse-Vorbericht Nr 12/05 vom 23.2.2005) jeweils um die Frage gegangen, ob die Kläger, die jeweils als Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein zugelassen waren und bei unterschiedlichen in Hamburg residierenden Unternehmen beschäftigt waren, für ihre Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien waren. Die Revisionen wurden damals in allen drei Verfahren zurückgenommen (vgl Presse-Mitteilung Nr 12/05 vom 10.3.2005).

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.