Bundessozialgericht Urteil, 02. Nov. 2010 - B 1 KR 11/10 R

bei uns veröffentlicht am02.11.2010

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 71 322,88 Euro festgesetzt.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Einbehaltung von Rechnungsteilbeträgen im Zusammenhang mit der Anschubfinanzierung für Maßnahmen der integrierten Versorgung.

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Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zur Behandlung der Versicherten zugelassenen Krankenhauses. Unter dem 7.4.2004 schrieb die beklagte AOK der Klägerin, sie habe nunmehr "die technischen Voraussetzungen für den Abschlag für die integrierte Versorgung im Einsatz". Sie habe seit Beginn des Jahres Verträge zur integrierten Versorgung nach § 140a SGB V abgeschlossen und sei somit berechtigt, den Abschlag in Höhe von 1 % einzubehalten. Um der Klägerin die Möglichkeit der Umstellung zu geben, werde sie gebeten, ihre Systeme kurzfristig bis spätestens 1.5.2004 umzustellen. Andernfalls würden entsprechende Beträge automatisch gekürzt. Sie werde die bereits bezahlten Rechnungen betreffend Krankenhausaufnahmen ab 1.1.2004 maschinell zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend kürzen und über ihr Vorgehen noch informieren.

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Die Beklagte hielt sich mit Blick auf ihre Verträge über integrierte Versorgung mit der Saaleklinik/Diakoniekrankenhaus, der Saaleklinik/Elisabeth-Krankenhaus, der Praxisklinik Sudenburg, dem Diakonissenkrankenhaus Dessau, Hausärzten und Fachärzten für berechtigt, 71 322,88 Euro von einer unstreitig zu bezahlenden Rechnung der Klägerin aus dem Monat Februar 2005 abzuziehen. Der Betrag entsprach 1 % der Rechnungssumme der mit der Beklagten abgerechneten Krankenhausfälle der Klägerin aus dem Zeitraum von Januar bis Ende April 2004 (Schreiben vom 11.2.2005 nebst Einzelaufstellung). Die Beklagte bezahlte deshalb die Sammelrechnung der Klägerin nur in gekürztem Umfang. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 71 322,88 Euro nebst 4 % Zinsen verurteilt (Urteil vom 28.2.2007). Das LSG hat die Berufung der Beklagten unter Verschiebung des Verzinsungsbeginns auf die Zeit ab Rechtshängigkeit (21.4.2005) zurückgewiesen: Die Beklagte habe den Zahlbetrag nicht von Rechnungen der Klägerin "einbehalten", wozu sie allein berechtigt gewesen sei, sondern die Rechnungen zunächst vollständig beglichen und die Kürzung erst später ohne Rechtsgrundlage geltend gemacht. Sie habe zudem ermessensfehlerhaft Abzüge in Bezug auf Verträge über integrierte Versorgung vorgenommen, die sie noch gar nicht abgeschlossen, sondern deren Abschluss sie bloß geplant habe. Eine Teilung der einheitlichen Ermessensentscheidung komme nicht in Betracht (Urteil vom 17.3.2010).

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Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 140d SGB V und der Rechtsgedanken des § 812 BGB. Sie (die Beklagte) habe die zunächst unterlassenen Rechnungseinbehalte für Behandlungen ab Anfang 2004 noch im Februar 2005 geltend machen dürfen. Dass die einschlägigen Verträge erst zum 1.7.2004 geschlossen worden seien, sei unschädlich. Es genüge, dass sie (die Beklagte) überhaupt im Jahr 2004 Verträge über eine integrierte Versorgung abgeschlossen habe, die im Rahmen eines Dreijahreszeitraums die Höhe des Einbehalts von 1 % der Abrechnungen rechtfertigten.

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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. März 2010 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der beklagten AOK ist nicht begründet. Der Beklagten stand keine Gegenforderung aus der Einbehaltung von Mitteln zwecks Anschubfinanzierung von Maßnahmen der integrierten Versorgung im Zeitraum Januar bis Ende April 2004 zu, die sie gegenüber der unstreitigen Forderung der klagenden Krankenhausträgerin auf Vergütung von Krankenhausbehandlung gemäß ihrer Sammelrechnung aus Februar 2005 mit Erfolg geltend machen konnte.

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1. Der erkennende Senat ist geschäftsplanmäßig für die Sache zuständig, da es sich um einen Leistungserbringerstreit der gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Streitbefangen ist der Anspruch der klagenden Trägerin des Krankenhauses auf Vergütung für Krankenhausbehandlung, dem die Beklagte angebliche Rechte aus § 140d SGB V entgegenhält. Das unterscheidet den Rechtsstreit von Sachen im Zuständigkeitsbereich des Senats für Vertragsarztrecht, in denen es um Ansprüche gegen eine Krankenkasse (KK) auf Zahlung einbehaltener Gesamtvergütungsanteile geht (vgl dazu zB BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 § 140d Nr 1).

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Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht den Anspruch auf weitere Vergütung für die Krankenhausbehandlung zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend(vgl allgemein: BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSG Urteil vom 20.4.2010 - B 1 KR 19/09 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4-5562 § 8 Nr 1 vorgesehen, mwN). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl zur Notwendigkeit BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2).

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2. Gegen den unstreitigen, mit der Sammelrechnung von Februar 2005 geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Krankenhausvergütung aus § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V stehen der Beklagten keine Gegenrechte aus der Anschubfinanzierung für Verträge über integrierte Versorgung für den Zeitraum Januar bis Ende April 2004 zu. Einzig in Betracht kommt ein Recht auf "Einbehaltung von Mitteln". Teilweise hat die Beklagte Mittel zur Anschubfinanzierung für Verträge der integrierten Versorgung schon gar nicht "einbehalten" (dazu a). Soweit spätere Einbehalte erfolgt sind, sind diese als abtrennbarer Entscheidungsteil eigenständig auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen (dazu b). Im Ergebnis war die Beklagte zu den vorgenommenen Einbehaltungen in der Sache nicht berechtigt (dazu c).

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a) Die Beklagte kann sich bis zum Zugang ihres Schreibens vom 7.4.2004 bei der Klägerin schon deshalb nicht auf Rechte aus Anschubfinanzierung zur integrierten Versorgung berufen, weil das Gesetz sie lediglich zum "Zahlungseinbehalt" von Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser ermächtigt. Die Beklagte hat von diesem Recht auf Einbehaltung keinen Gebrauch gemacht, sondern die Forderungen der Klägerin nach den unangegriffenen und damit für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)zunächst erfüllt. Die Beklagte kann nachträglich, nach Erfüllung der Forderungen, eine Einbehaltung nicht mehr wirksam geltend machen.

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Nach § 140d Abs 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190) hat jede KK zur Förderung der integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2006 jeweils Mittel bis zu 1 vH von der nach § 85 Abs 2 SGB V an die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich sind.

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Das "Einbehalten" von Mitteln umschreibt den Vorgang, dass die KK einen gegen sie gerichteten Anspruch - sei es aus nach § 85 Abs 2 SGB V an die KÄV zu entrichtender Gesamtvergütung, sei es aus abgerechneter Krankenhausbehandlungsvergütung(vgl etwa § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V) - als berechtigt ansieht, die hierfür geschuldeten Mittel in Höhe des Einbehalts aber nicht leistet, sondern mit einem Gegenrecht auf Mitteleinbehaltung zur Anschubfinanzierung aufrechnet und die auf diese Art und Weise "einbehaltenen Mittel" zur zweckgebundenen Verwendung verbucht (zur Buchung der Mittel siehe Gesetzentwurf eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 131 zu Nr 116 <§ 140d>). Das Gesetz benennt mit dem "Einbehalten" von Mitteln nur abgekürzt einen äußeren Vorgang, qualifiziert aber nicht ausdrücklich die dahinter stehenden rechtlichen Vorgänge. Die Aufrechnung von KKn zur Erfüllung von Ansprüchen auf Vergütung von Krankenhausbehandlung erfolgt analog §§ 387 ff BGB(vgl BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 11)durch Aufrechnungserklärung.

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Ein Verwaltungsakt hat dagegen zwischen den gleichgeordneten KKn und Krankenhäusern zwecks Einbehaltung nicht zu ergehen (aA Einbehalt als Verwaltungsakt - Dahm MedR 2005, 121, 122; str dagegen für die Verrechnungserklärung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern nach § 52 SGB I, vgl hierzu Vorlagebeschluss an den Großen Senat BSG vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - und BSG Beschluss vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S -, anhängiges Verfahren GS 2/10). Entgegen der Auffassung des LSG war die Beklagte nicht etwa gehalten, eine Ermessensentscheidung über die Aufrechnung gegenüber dem Anspruch der Klägerin aus Krankenhausbehandlung zu treffen. Vielmehr handelt es sich bei der Einbehaltung um eine gebundene Entscheidung: Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut "hat" die betroffene KK Mittel im gesetzlich vorgegebenen Rahmen "einzubehalten", soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Im Rahmen dieser gebundenen Entscheidung muss die KK allerdings eine Prognose hinsichtlich der künftigen Erforderlichkeit der Mittel aufstellen. Allein der prognostische Inhalt einer Entscheidung macht diese aber noch nicht zu einer Ermessensentscheidung.

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Die Ausübung des Einbehaltungsrechts steht der KK nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt frei. Vielmehr muss sie entscheiden, ob sie eine ihr zugegangene, nach ihrer Überprüfung zu erfüllende Krankenhaus-Rechnung voll begleichen oder stattdessen hiervon Mittel zur Anschubfinanzierung für eine Maßnahme der integrierten Versorgung einbehalten will. Zur Einbehaltung ist sie zeitlich nur bis zur vorbehaltlosen Erfüllung der Krankenhausforderung befähigt. Spätere Aufrechnungserklärungen sind unwirksam, denn sie gehen bei bereits erfolgter Zahlung ins Leere. Will die KK Mittel einbehalten, tritt im Rechtssinne an die Stelle der eigentlich gebotenen Zahlung zur Schuldtilgung die Erklärung gegenüber dem Gläubiger, die geltend gemachte Forderung in Höhe der Einbehaltung durch Aufrechnung zu erfüllen. Bezahlt die KK stattdessen die Rechnung vorbehaltlos, macht sie von ihrem Einbehaltungsrecht gerade keinen Gebrauch. Der betroffene Gläubiger braucht in einem solchen Fall nicht mehr damit zu rechnen, später noch mit einem Gegenrecht aus der Anschubfinanzierung konfrontiert zu werden. Denn die KK hat bei vorbehaltloser Zahlung ihr evtl bestehendes Recht auf Einbehaltung nicht ausgeübt. Der Gläubiger darf diese Erfüllung der Schuld durch die KK so verstehen, dass sie keinen Zahlbetrag zur Anschubfinanzierung einbehalten will. In einem solchen Fall ist es für die KK rechtlich ausgeschlossen, hinsichtlich der beglichenen Rechnungsposition nachträglich dennoch ein Gegenrecht aus der Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung geltend zu machen. Die KK hat sich dann entschieden, keine Mittel einzubehalten und ihre Schuld erfüllt, ohne dass ihr Einbehaltungsrechte aus Anschubfinanzierung verblieben sind.

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Anders liegt es dagegen, wenn eine KK den mit der Rechnung geforderten Betrag zwar begleicht, dies aber mit dem Vorbehalt verknüpft, einen Rechnungsteil zur Anschubfinanzierung wieder zurückzufordern. In einem solchen Fall, der etwa auf den Schwierigkeiten der Umstellung eines automatischen Buchungsprogramms beruhen kann, weiß der betroffene Gläubiger nämlich im voraus, dass die KK ihr Einbehaltungsrecht ausüben will, aber - etwa aufgrund technischer Schwierigkeiten - dennoch zunächst den vollständigen Rechnungsbetrag zahlt. In einem solchen Fall ist die KK berechtigt, im Umfang ihres Einbehaltungsrechts den zunächst gezahlten Betrag zurückzufordern. Denn sie macht damit von ihrem zuvor erklärten Vorbehalt Gebrauch.

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Nach diesen Grundsätzen kann die Revision der Beklagten hinsichtlich desjenigen Zahlbetrags keinen Erfolg haben, der Rechnungen wegen Krankenhausbehandlung durch die Klägerin betrifft, die die Beklagte vor Zugang ihres Schreibens vom 7.4.2004 bei der Klägerin bereits beglichen hatte. Denn in diesem Zeitraum hatte die Beklagte nicht von einem Einbehaltungsrecht Gebrauch gemacht mit der Folge, dass sich die Klägerin auf die ungeschmälerte Erfüllung ihrer Forderungen verlassen durfte. Zu einer späteren Aufrechnung oder Rückforderung ermächtigt § 140d SGB V indessen nicht, wie dargelegt.

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b) Entgegen der Auffassung des LSG darf sich die gerichtliche Prüfung ausgehend davon, dass ein Teil der Aufrechnung schon mangels "Einbehaltung" im Rechtssinne unwirksam war, nicht auf diesen Teilaspekt beschränken. Die Beklagte traf mit dem Rechnungsabzug keine unteilbare Entscheidung, sondern erklärte sinngemäß hinsichtlich des gesamten von ihr geforderten Betrages die Aufrechnung. Das schließt es nicht aus, dass die Aufrechnungserklärung hinsichtlich eines weiteren Teilbetrags wirksam sein kann. Die Absetzungsbeträge von den Rechnungen der Klägerin, die vor und nach Zugang des Schreibens vom 7.4.2004 erfolgten, können ohne Weiteres unterschieden werden. Deshalb ist zu prüfen, ob hinsichtlich des Aufrechnungsteils, der Absetzungen von Rechnungen nach Zugang des Schreibens vom 7.4.2004 bei der Klägerin betrifft, "Einbehaltungen" im Rechtssinne erfolgten und die Voraussetzungen hierfür vorlagen.

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Die Beklagte behielt in der Zeit ab Zugang ihres Schreibens vom 7.4.2004 bei der Klägerin - anders als bezogen auf den vorangegangenen Zeitraum - im Rechtssinne Mittel ein, da sie der Klägerin auf ihre Rechnungen nur unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung leistete. Die Äußerungen der Beklagten waren für die Klägerin nur in diesem Sinne zu verstehen: Sie erklärte der Klägerin nämlich in dem Schreiben vom 7.4.2004, sie sei zu einem Abschlag von den Krankenhausrechnungen in Höhe von 1 vH wegen der seit Jahresbeginn geschlossenen Verträge zur integrierten Versorgung berechtigt, bitte um eine Umstellung der Rechnungen bis spätestens 1.5.2004 und werde bereits bezahlte Rechnungen zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend kürzen. Damit machte die Beklagte der Klägerin unmissverständlich deutlich, dass sie ab sofort zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung 1 % von Rechnungen der Klägerin einbehalten wollte und die tatsächliche Umsetzung lediglich an der praktischen Umstellung des Buchungsprogramms scheiterte. Das genügt nach den dargelegten Grundsätzen, um von einer "Einbehaltung" von Mitteln durch die Beklagte auszugehen. Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Einbehaltung waren indes bis zum Ablauf des Monats April 2004 nicht erfüllt.

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c) Die Beklagte war in der Zeit nach Zugang ihres Schreibens vom 7.4.2004 bei der Klägerin nicht berechtigt, Rechnungseinbehalte vorzunehmen. Anders als § 140d Abs 1 Satz 1 SGB V für die Einbehaltung voraussetzt, waren die von der Beklagten ab Zugang des Schreibens vom 7.4.2004 bis zum Ablauf des 30.4.2004 einbehaltenen Mittel nicht zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen "erforderlich". Teilweise waren die zugrunde liegenden Verträge nämlich noch gar nicht geschlossen, teilweise handelte es sich inhaltlich nicht um Verträge über integrierte Versorgung.

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§ 140d Abs 1 Satz 1 SGB V verlangt schon nach seinem klaren Wortlaut, dass die Mittel für die Umsetzung "geschlossener" Verträge erforderlich sein sollen, nicht etwa aber auch für Verträge, die sich erst noch im Planungs- oder Verhandlungsstadium befinden. Dem entspricht auch der Regelungszweck des § 140d SGB V, Einbehaltungen nur zur Umsetzung von Vorhaben der integrierten Versorgung zu gestatten, die auf rechtlich gesicherter Grundlage stehen. Es bedarf hierfür nämlich mehr als einer bloßen konkreten Planung künftig abzuschließender Verträge (ebenso BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 § 140d Nr 1 RdNr 11 mwN; aA Beule GesR 2004, 209, 213; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Band 4, Stand August 2010, K § 140d RdNr 10 f). Denn die in der Einbehaltung liegende Aufrechnung lässt die geltend gemachte Forderung im aufrechenbaren Umfang erlöschen und bewirkt insoweit, dass die zur Tilgung vorgesehenen Mittel nicht dem Gläubiger zufließen. Die den Gläubiger mit der Einbehaltung treffende und ihn finanziell belastende Erfüllungswirkung erfordert eine hinreichende Berechenbarkeit und Rechtsklarheit der Aktivitäten der betroffenen KK in Bezug auf Maßnahmen der integrierten Versorgung. Beides ist nur gewährleistet, wenn bereits unzweifelhaft feststeht, wofür konkret der Mitteleinsatz auf KKn-Seite erfolgen soll.

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Anders als vom Gesetz vorausgesetzt, waren hier der Vertrag "Hausärzte", der Vertrag "Fachärzte" und der Vertrag "Praxisklinik Sudenburg" bis Ende April 2004 noch nicht geschlossen. Der Hausärzte- und der Fachärztevertrag sehen vielmehr als Datum für die Unterzeichnung erst den 25.6.2004 vor, ohne dass das LSG festgestellt hat, dass diese Verträge tatsächlich abgeschlossen worden sind. Die Beklagte hat dem LSG diesbezüglich sogar überhaupt keinen unterschriebenen Vertrag vorgelegt. Der Vertrag mit der Praxisklinik Sudenburg, der ausweislich der übersandten Vertragsurkunde erst am 27.4.2004 unterzeichnet wurde, war ebenfalls im Rechtssinne nicht bis zum Ablauf des April 2004 geschlossen. Nach § 9 dieses Vertrages vereinbarten die Vertragspartner nämlich erst bis zum 30.4.2004 ein Dokumentationskonzept. Die darin enthaltene Dokumentation ist nach dem Vertragsinhalt gemäß § 140b Abs 3 SGB V jedem Beteiligten im jeweils erforderlichen Umfang zugänglich. Die Regelung verdeutlicht, dass das Dokumentationskonzept als gesetzlich vorgesehener, zwingender integraler Bestandteil eines Vertrags zur integrierten Versorgung auch am 27.4.2004 noch nicht existierte, sodass unter Berücksichtigung des selbst gesetzten Datums erst frühestens für die Zeit ab 1.5.2004 Einbehaltungen hätten stattfinden dürfen. Das LSG hat im Übrigen nicht festgestellt, dass später ein Dokumentationskonzept vereinbart worden ist. Auf eine weitere Prüfung dieser Verträge kommt es nicht an. Eine rückwirkende Inkraftsetzung der Verträge, wie sie der Vertrag vom 27.4.2004 mit der Regelung über sein Inkrafttreten zum 1.4.2004 vorsieht, ist rechtlich nicht zulässig. Denn es handelt sich um Verträge, die einen Status begründen, insoweit vergleichbar etwa dem Abschluss eines Versorgungsvertrags mit einem Krankenhaus (vgl zur fehlenden Rückwirkung der Genehmigung eines Krankenhaus-Versorgungsvertrags zB BSG GesR 2006, 368 = USK 2006-14).

24

Die weiteren von der Beklagten vorgelegten Verträge sind zwar im Rechtssinne "geschlossen", aber keine Verträge "nach § 140b SGB V", die eine Einbehaltung rechtfertigen konnten. Der erkennende Senat sieht insoweit eine bloß überschlägige, die Grundvoraussetzungen eines Vertrags über integrierte Versorgung einbeziehende Prüfung als ausreichend an. Andernfalls würde jeder einzelne Rechtsstreit über die Einbehaltung von Mitteln zur Anschubfinanzierung einen Anreiz für Konkurrenten der integrierten Versorgung bieten, Verträge über die integrierte Versorgung im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung von Einbehaltungen zu Fall zu bringen. Um dies zu verhindern, begnügt sich § 140d Abs 1 Satz 1 SGB V damit, für Einbehaltungen lediglich zu verlangen, dass die einbehaltenen Mittel "zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen" erforderlich sind. Eine weitergehende Detailprüfung verlangt das Gesetz dagegen nicht.

25

Auch unter Berücksichtigung dieses reduzierten Prüfmaßstabs erfüllt der Vertrag der Beklagten mit dem Diakonissenkrankenhaus Dessau gGmbH nicht die Grundvoraussetzungen eines Vertrags über integrierte Versorgung. § 140b Abs 1 SGB V erläutert im Einzelnen, mit wem KKn Verträge nach § 140a Abs 1 SGB V abschließen können. Nach § 140a Abs 1 Satz 1 SGB V können die KKn abweichend von den übrigen Regelungen dieses Kapitels Verträge über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung der Versicherten oder eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung mit den in § 140b Abs 1 SGB V genannten Vertragspartnern abschließen.

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Der Vertrag "Diakonissenkrankenhaus" zielt insoweit zwar auf eine sektorenübergreifende Versorgung ab. Nach seiner Präambel regelt der Vertrag eine integrierte Versorgung auf der Grundlage der §§ 140a ff SGB V. Ziel der Vereinbarung ist die integrative Zusammenarbeit von niedergelassenen Vertragsärzten mit dem Krankenhaus. Gegenstand ist die Behandlung der als Anlage 1 dieser Vereinbarung aufgeführten Indikationen in Form einer interventionellen Versorgung mit postoperativer Nachsorge im überwachten Bett. Teilnehmende Ärzte sind nach § 1 des Vertrages zuweisende und nachbehandelnde Ärzte gemäß § 3 der Vereinbarung und kooperierende Ärzte gemäß § 2 der Vereinbarung. Zu den zuweisenden und/oder nachbehandelnden Ärzten soll nach § 3 des Vertrages "jeder zugelassene Vertragsarzt" gehören. Eine solche vertragliche Ausgestaltung deutet durchaus die Zielrichtung an, eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung zu schaffen.

27

Gleichwohl sind die Voraussetzungen des § 140b iVm § 140a SGB V nicht erfüllt. Die KK muss einen Vertrag über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung der Versicherten mit solchen Vertragspartnern aus dem Kreis der abschließend in § 140b Abs 1 SGB V Aufgeführten "geschlossen" haben, dh auf einer vertraglichen Grundlage sichergestellt haben, dass die Vertragspartner eine integrierte Versorgung auch rechtlich leisten können. Soll - wie hier - die integrative Zusammenarbeit von niedergelassenen Vertragsärzten mit einem Krankenhaus stattfinden, ist ein Vertrag von hinreichender Qualität daher erst "abgeschlossen", wenn tatsächlich auch die als potenzielle Vertragsteilnehmer angesprochenen Vertragsärzte vertraglich einbezogen worden sind. Daran fehlt es beim Vertrag "Diakonissenkrankenhaus". Eine Einbeziehungsvereinbarung mit Vertragsärzten, wie sie § 3 des Vertrages anspricht, liegt nicht vor, nicht einmal in Form eines - hierfür aber auch nicht ausreichenden - Musters. Dass tatsächlich in der Zeit, in der die Beklagte im dargelegten Rechtssinne Mittel einbehalten hat, Einbeziehungsvereinbarungen mit Vertragsärzten bereits geschlossen worden waren, hat das LSG nicht festgestellt, auch die Beklagte hat dies nicht dargelegt, obwohl die Klägerin das Fehlen einer solchen Vereinbarung bei dem LSG gerügt hat. Unter diesen Umständen kann der erkennende Senat nicht von einem "nach § 140b geschlossenen Vertrag" ausgehen.

28

Gleiches gilt für den Vertrag mit dem Krankenhaus Sankt Elisabeth und der Saale-Klinik Halle, Praxisklinik für operative Medizin, bei dem im Klage- und Berufungsverfahren allerdings schon der Vertragstext nicht in unterzeichneter Form vorgelegt worden ist. Auch dieser Vertrag enthält eine Präambel wie der Vertrag mit dem Diakonissenkrankenhaus Dessau gGmbH, sieht eine Regelung über zuweisende und/oder nachbehandelnde Ärzte in seinem § 3 vor und will insoweit allgemein "jeden" zugelassenen Vertragsarzt einbeziehen. Der Vertragstext enthält sich aber einer vertraglichen Einbeziehung von konkreten Vertragsärzten, die von dieser ihnen eingeräumten Option auch Gebrauch machten. Auch insoweit hat das LSG keine Einbeziehungsvereinbarungen für den betroffenen Zeitraum festgestellt noch sind diese sonst aktenkundig. Im Übrigen werden nach § 6 dieses Vertrages im Rahmen einer Übergangsregelung bis zur Bereitstellung von geeigneten Räumlichkeiten im Krankenhaus Operationen übergangsweise nach der dargelegten Vertragslage lediglich von den Ärzten der Praxisklinik(§ 115 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) nur an den - dafür vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung abgenommenen - drei Standorten der Praxisklinik erbracht, sodass nicht von einer verschiedene Leistungssektoren übergreifenden Versorgung der Versicherten auszugehen ist. Eine interdisziplinär/fachübergreifende Versorgung ist mit dem Vertrag weder beabsichtigt noch ergibt sie sich aus dem beigefügten OP-Katalog.

29

Entsprechendes gilt schließlich für den Vertrag mit dem Diakoniekrankenhaus. Auch dieser Vertrag, der nach seiner Präambel auf die integrative Zusammenarbeit von niedergelassenen Vertragsärzten in der Region mit dem Diakoniekrankenhaus abzielt, sieht in der Übergangsregelung (§ 3 des Vertrags) lediglich Operationen in der Praxisklinik vor. Eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung findet dagegen nicht statt. Auch insoweit kann der erkennende Senat nicht von einem geschlossenen Vertrag über integrierte Versorgung ausgehen.

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3. Die vom LSG zuerkannte Forderung von Prozesszinsen ist entsprechend der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14; vgl auch BSGE 96, 133 = SozR 4-7610 § 291 Nr 3) nicht zu beanstanden, zumal die Klägerin lediglich einen an der Pflegesatzvereinbarung orientierten Zinssatz von 4 % geltend macht.

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

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Bundessozialgericht Urteil, 02. Nov. 2010 - B 1 KR 11/10 R zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 02. Nov. 2010 - B 1 KR 11/10 R zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2011 - GS 2/10

bei uns veröffentlicht am 31.08.2011

Tenor Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegend

Bundessozialgericht Urteil, 20. Apr. 2010 - B 1 KR 19/09 R

bei uns veröffentlicht am 20.04.2010

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf weitere Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von 94,84 Euro hat, weil die B

Bundessozialgericht Vorlagebeschluss, 25. Feb. 2010 - B 13 R 76/09 R

bei uns veröffentlicht am 25.02.2010

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des beklagten Rentenversicherungsträgers, Ansprüche der beigeladenen Bundesagentur
11 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 02. Nov. 2010 - B 1 KR 11/10 R.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. März 2019 - L 20 KR 148/18

bei uns veröffentlicht am 19.03.2019

Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.11.2017 wird zurückgewiesen. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren. III. Der Streitwert wird fü

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Jan. 2014 - L 12 KA 57/12

bei uns veröffentlicht am 15.01.2014

Tatbestand Die Beteiligten streiten um einen Einbehalt von Gesamtvergütungsanteilen des Quartals 4/04 in Höhe von 39.734,21 Euro. Der Einbehalt basiert auf dem als „Vertrag über eine integrierte Versorgung nach § 140a SGB V für

Sozialgericht Nürnberg Urteil, 13. März 2018 - S 21 KR 333/14

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

Tenor I. Die Beklagte wird verurteilt 3.308,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2014 zu zahlen. II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Die Beklagte trägt die Kosten

Sozialgericht Düsseldorf Urteil, 08. Sept. 2016 - S 27 KR 629/16

bei uns veröffentlicht am 08.09.2016

Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 45.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2015 zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte 1Tatbestand: 2Zwischen den Beteiligten ist d

Referenzen

Die Krankenkassen dürfen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen:

1.
Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind,
2.
Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser), oder
3.
Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben.

(1) Die Krankenkassen können Verträge mit den in Absatz 3 genannten Leistungserbringern über eine besondere Versorgung der Versicherten abschließen. Die Verträge ermöglichen eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende oder eine interdisziplinär fachübergreifende Versorgung (integrierte Versorgung) sowie besondere Versorgungsaufträge unter Beteiligung der Leistungserbringer oder deren Gemeinschaften. Die Verträge können auch Regelungen enthalten, die die besondere Versorgung regional beschränken. Verträge, die nach den §§ 73a, 73c und 140a in der am 22. Juli 2015 geltenden Fassung geschlossen wurden, sind spätestens bis zum 31. Dezember 2024 durch Verträge nach dieser Vorschrift zu ersetzen oder zu beenden. Soweit die Versorgung der Versicherten nach diesen Verträgen durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Absatz 1 eingeschränkt. Satz 4 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(2) Die Verträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels, des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen beinhalten. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 27b, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen. Die Sätze 1 und 2 gelten insoweit, als über die Eignung der Vertragsinhalte als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 oder im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c Absatz 1 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die abweichende Regelung muss dem Sinn und der Eigenart der besonderen Versorgung entsprechen, sie muss insbesondere darauf ausgerichtet sein, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu verbessern. Wenn Verträge über eine besondere Versorgung zur Durchführung von nach § 92a Absatz 1 Satz 1 und 2 geförderten neuen Versorgungsformen abgeschlossen werden, gelten die Anforderungen an eine besondere Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 und 2 und die Anforderungen nach Satz 4 als erfüllt. Das gilt auch für Verträge zur Fortführung von nach § 92a Absatz 1 Satz 1 und 2 geförderten neuen Versorgungsformen oder wesentlicher Teile daraus sowie für Verträge zur Übertragung solcher Versorgungsformen in andere Regionen. Für die Qualitätsanforderungen zur Durchführung der Verträge gelten die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie die in den Bundesmantelverträgen für die Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung beschlossenen Anforderungen als Mindestvoraussetzungen entsprechend. Gegenstand der Verträge dürfen auch Vereinbarungen sein, die allein die Organisation der Versorgung betreffen. Die Partner eines Vertrages nach Absatz 1 können sich darauf verständigen, dass Beratungs-, Koordinierungs- und Managementleistungen der Leistungserbringer und der Krankenkassen zur Versorgung der Versicherten im Rahmen der besonderen Versorgung durch die Vertragspartner oder Dritte erbracht werden; § 11 Absatz 4 Satz 5 gilt entsprechend. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(3) Die Krankenkassen können nach Maßgabe von Absatz 1 Satz 2 Verträge abschließen mit:

1.
nach diesem Kapitel zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften,
2.
Trägern von Einrichtungen, die eine besondere Versorgung durch zur Versorgung der Versicherten nach dem Vierten Kapitel berechtigte Leistungserbringer anbieten,
3.
Pflegekassen und zugelassenen Pflegeeinrichtungen auf der Grundlage des § 92b des Elften Buches,
3a.
anderen Leistungsträgern nach § 12 des Ersten Buches und den Leistungserbringern, die nach den für diese Leistungsträger geltenden Bestimmungen zur Versorgung berechtigt sind,
3b.
privaten Kranken- und Pflegeversicherungen, um Angebote der besonderen Versorgung für Versicherte in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung zu ermöglichen,
4.
Praxiskliniken nach § 115 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1,
5.
pharmazeutischen Unternehmern,
6.
Herstellern von Medizinprodukten im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745,
7.
Kassenärztlichen Vereinigungen oder Berufs- und Interessenverbänden der Leistungserbringer nach Nummer 1 zur Unterstützung von Mitgliedern, die an der besonderen Versorgung teilnehmen,
8.
Anbietern von digitalen Diensten und Anwendungen nach § 68a Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 und 3.
Die Partner eines Vertrages über eine besondere Versorgung nach Absatz 1 können sich auf der Grundlage ihres jeweiligen Zulassungsstatus für die Durchführung der besonderen Versorgung darauf verständigen, dass Leistungen auch dann erbracht werden können, wenn die Erbringung dieser Leistungen vom Zulassungs-, Ermächtigungs- oder Berechtigungsstatus des jeweiligen Leistungserbringers nicht gedeckt ist. Bei Verträgen mit Anbietern von digitalen Diensten und Anwendungen nach Nummer 8 sind die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.

(3a) Gegenstand der Verträge kann sein

1.
die Förderung einer besonderen Versorgung, die von den in Absatz 3 genannten Leistungserbringern selbständig durchgeführt wird, oder
2.
die Beteiligung an Versorgungsaufträgen anderer Leistungsträger nach § 12 des Ersten Buches.
Die Förderung und Beteiligung nach Satz 1 dürfen erfolgen, soweit sie dem Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung dienen.

(3b) Gegenstand der Verträge kann eine besondere Versorgung im Wege der Sach- oder Dienstleistung sein

1.
im Einzelfall, wenn medizinische oder soziale Gründe dies rechtfertigen, oder
2.
in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung der vom Versicherten selbst beschafften Leistungen vorliegen.
Verträge nach Satz 1 können auch mit nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern geschlossen werden, wenn eine dem Versorgungsniveau in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichwertige Versorgung gewährleistet ist.

(4) Die Versicherten erklären ihre freiwillige Teilnahme an der besonderen Versorgung schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur zeitlichen Bindung an die Teilnahmeerklärung, zur Bindung an die vertraglich gebundenen Leistungserbringer und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärungen zu enthalten. Die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4a) Krankenkassen können Verträge auch mit Herstellern von Medizinprodukten nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 6 über die besondere Versorgung der Versicherten mit digitalen Versorgungsangeboten schließen. Absatz 1 Satz 2 ist nicht anzuwenden. In den Verträgen ist sicherzustellen, dass über eine individualisierte medizinische Beratung einschließlich von Therapievorschlägen hinausgehende diagnostische Feststellungen durch einen Arzt zu treffen sind. Bei dem einzubeziehenden Arzt muss es sich in der Regel um einen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt handeln.

(5) Die Verarbeitung der für die Durchführung der Verträge nach Absatz 1 erforderlichen personenbezogenen Daten durch die Vertragspartner nach Absatz 1 darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information der Versicherten erfolgen.

(6) Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Absatz 3 Satz 2 gilt § 73b Absatz 7 entsprechend; falls eine Vorabeinschreibung der teilnehmenden Versicherten nicht möglich ist, kann eine rückwirkende Bereinigung vereinbart werden. Die Krankenkasse kann bei Verträgen nach Absatz 1 auf die Bereinigung verzichten, wenn das voraussichtliche Bereinigungsvolumen einer Krankenkasse für einen Vertrag nach Absatz 1 geringer ist als der Aufwand für die Durchführung dieser Bereinigung. Der Bewertungsausschuss hat in seinen Vorgaben gemäß § 87a Absatz 5 Satz 7 zur Bereinigung und zur Ermittlung der kassenspezifischen Aufsatzwerte des Behandlungsbedarfs auch Vorgaben zur Höhe des Schwellenwertes für das voraussichtliche Bereinigungsvolumen, unterhalb dessen von einer basiswirksamen Bereinigung abgesehen werden kann, zu der pauschalen Ermittlung und Übermittlung des voraussichtlichen Bereinigungsvolumens an die Vertragspartner nach § 73b Absatz 7 Satz 1 sowie zu dessen Anrechnung beim Aufsatzwert der betroffenen Krankenkasse zu machen.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf weitere Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von 94,84 Euro hat, weil die Beklagte die Abrechnung um einen Abschlag in Höhe von 0,5 % des Rechnungsbetrages (sog "Krankenhaus-Sanierungsbeitrag") gekürzt hat.

2

Die Klägerin - als gGmbH Betreiberin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses - ist Mitglied der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), die wiederum Mitglied der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ist. Mit Wirkung vom 1.1.2007 war nach § 8 Abs 9 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz(KHEntgG - idF des Art 19 Nr 2 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007 - GKV-WSG - BGBl I 378) bis zum Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung zur Finanzierung der Krankenhäuser ein Abschlag in Höhe von 0,5 % des Rechnungsbetrages vorzunehmen und auf der Rechnung auszuweisen. Die DKG vereinbarte mit den Verbänden der Krankenkassen (KKn) ua, dass die Kürzung der Rechnungen für Patienten, die nach dem 30.6.2007 entlassen werden, im Rahmen des maschinellen Abrechnungsverfahrens mit der Rechnungslegung ab dem 1.7.2007 beginnt (§ 1 Abs 2 "Empfehlungsvereinbarung zur Umsetzung der Abschlagsregelung nach § 8 Abs. 9 KHEntgG", Stand: 4.4.2007; vgl https://www.gkv-spitzenverband.de/upload/0,5_Prozent-Abschlag_2007_844.pdf). Da die Klägerin - ebenso wie die DKG und die KGNW - § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG für verfassungswidrig hält, erkannte sie gegenüber der Beklagten Rechnungskürzungen nach dieser Vorschrift generell nur vorläufig unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Klärung an und behielt sich "alle weiteren Rechte", insbesondere "die Geltendmachung der Rückerstattung der einbehaltenen bzw. zu Unrecht gekürzten Mittel" vor (Schreiben vom 27.6.2007). Der Abschlag von 0,5 % des jeweiligen Rechnungsbetrages von 30 Schlussrechnungen für von der Klägerin erbrachte stationäre Krankenhausbehandlungen an Versicherte der Beklagten, die vom 9.7. bis 14.11.2007 aus dem Krankenhaus entlassen wurden, betrug insgesamt 409,15 Euro; die Beklagte zahlte die um diesen Betrag gekürzte Vergütung des ursprünglichen Rechnungsbetrages an die Klägerin aus.

3

Das SG hat die am 18.12.2007 erhobene Klage auf Zahlung weiterer Vergütung in Höhe von 409,15 Euro abgewiesen (Urteil vom 22.4.2008). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin nach Abschluss eines gerichtlichen Teilvergleichs nur noch die Zahlung von 94,84 Euro restlicher Vergütung geltend gemacht, nämlich für stationäre Krankenhausbehandlungen der bei der Beklagten versicherten B. vom 15.7. bis 28.7.2007 (29,39 Euro), Z. vom 25.7. bis 8.8.2007 (36,40 Euro) und W. vom 12.8. bis 27.8.2007 (29,05 Euro).

4

Das LSG hat die (zugelassene) Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Beklagte habe die notwendigen, richtig abgerechneten stationären Krankenhausbehandlungen vollständig bezahlt. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf weitere Vergütung in Höhe von 94,84 Euro zu, denn die Beklagte habe zu Recht einen Abschlag von 0,5 % des Rechnungsbetrages nach der verfassungsgemäßen Regelung des § 8 Abs 9 Satz 1 KHEntgG vorgenommen(Urteil vom 26.3.2009).

5

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art 74 Abs 1 Nr 12 und Nr 19a GG iVm Art 72 Abs 2 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14, Art 3 Abs 1 GG, des Rückwirkungsverbots (Art 20 GG bzw Art 14 GG iVm Art 20 GG) sowie einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben für Sonderabgaben. Sie beruft sich auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Sodan (Juni 2007) und führt im Wesentlichen aus: Die Regelung sei schon formell verfassungswidrig. Auf Art 74 Abs 1 Nr 19a GG könne sich der Bund dafür nicht stützen, da der Abschlag keine Regelung der Krankenhauspflegesätze sei. Auch seien die Voraussetzungen des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG nicht erfüllt: Die Verlagerung der Beitragslast auf Dritte sei nur dann nicht zu beanstanden, sofern - anders als vorliegend - sachorientierte Anknüpfungspunkte für eine fremdnützige Sozialversicherungslast Dritter bestünden. § 8 Abs 9 KHEntgG sei auch materiell verfassungswidrig, denn die Regelung verstoße zumindest gegen den objektiv-rechtlichen Gehalt von Verfassungsrecht. Nicht die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems, sondern lediglich der Schuldenabbau bei einigen KKn sei das gesetzgeberische Ziel gewesen, um den Gesundheitsfond einführen zu können. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) habe nämlich in dem maßgeblichen Zeitraum insgesamt Einnahmeüberschüsse erzielt. Die Verschuldung einzelner KKn habe auf ihrem rechtswidrigen Verhalten beruht, Kredite aufzunehmen statt die Beiträge zu erhöhen. Die Entschuldung der KKn hätte deshalb durch Beitragserhöhungen und nicht durch Belastungen der Krankenhäuser erfolgen dürfen. Der Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser verstoße zudem als unzulässige Sonderabgabe gegen Art 14, Art 12 Abs 1 iVm Art 105 und Art 110 GG und Art 3 Abs 1 GG. Es fehle an einem von der Rechtsprechung des BVerfG geforderten besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrund: Das Krankenhaus stehe als Leistungserbringer insbesondere nicht in einer besonderen Sachnähe zu dem Zweck der Schuldentilgung. Der Rechnungsabschlag greife zudem nachträglich rückwirkend für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum Inkrafttreten des GKV-WSG am 26.3.2007 in bereits entstandene Zahlungsansprüche der Krankenhausträger ein. Die für die Krankenhäuser sich durch das GKV-WSG ergebenden Belastungen seien nach den Grundsätzen des additiven Grundrechtseingriffs in einer Gesamtschau als Paket verfassungsrechtlich zu bewerten, nicht nur isoliert bezogen auf den Rechnungsabschlag von 0,5 %. Als Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser trete die Streichung der Rückzahlungsverpflichtung nicht verbrauchter Mittel zur Anschubfinanzierung der Jahre 2004 bis 2006 und die Verringerung des Mindererlösausgleichs von 40 % auf 20 % hinzu. Die Gesamtbelastung sei durch die im Gesetzgebungsverfahren verwendeten Zahlen ausreichend belegt.

6

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. März 2009 und des Sozialgerichts Aachen vom 22. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 94,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz ab dem 18. Dezember 2007 zu zahlen,

hilfsweise, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, ob § 8 Abs 9 KHEntgG formell und materiell verfassungswidrig ist.

7

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der klagenden Krankenhausträgerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG ihre Berufung gegen das die Klage abweisende SG-Urteil zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere 94,84 Euro Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlungen der bei der beklagten KK versichert gewesenen B., Z. und W. in der Zeit vom 15.7. bis 28.7.2007, 25.7. bis 8.8.2007 und 12.8. bis 27.8.2007.

10

Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Das klagende Krankenhaus macht den Anspruch auf weitere Vergütung für die Krankenhausbehandlung zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend(vgl allgemein: BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl zur Notwendigkeit BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2).

11

Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf weitere Vergütung in Höhe des gesetzlichen Rechnungsabschlags sind nicht erfüllt. Die Klägerin könnte die geltend gemachte weitere Vergütung nur beanspruchen, wenn das BVerfG aufgrund einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG die Regelung des § 8 Abs 9 KHEntgG(in der vom 1.1.2007 bis 31.12.2008 geltenden Fassung des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378; aufgehoben mit Wirkung vom 1.1.2009 durch das Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 vom 17.3.2009, BGBl I 534) für nichtig erklären würde. Denn die Beteiligten streiten ausschließlich darüber, ob § 8 Abs 9 KHEntgG verfassungsgemäß ist. Im Einklang mit den Feststellungen des LSG besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, dass die Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs nach § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm §§ 7 ff KHEntgG sowie nach dem Krankenhausbehandlungsvertrag NRW vom 6.12.1996 idF vom 19.8.1998 gemäß § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V erfüllt sind: Die Versicherten bedurften danach der Krankenhausbehandlung(§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die erbrachten Behandlungsleistungen der Klägerin erfüllten die Voraussetzungen der abgerechneten Positionen. Die Beklagte berechnete auch die Höhe des Rechnungsabschlags zutreffend nach § 8 Abs 9 KHEntgG. Der erkennende Senat sieht sich jedoch nicht veranlasst, den Rechtsstreit auszusetzen und das BVerfG anzurufen, weil § 8 Abs 9 KHEntgG formell (dazu 1.) und materiell (dazu 2.) verfassungsgemäß ist.

12

1. § 8 Abs 9 KHEntgG ist formell verfassungsgemäß. Die Norm ist nach den Regelungen des Grundgesetzes zustande gekommen.

13

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt jedenfalls aus Art 74 Abs 1 Nr 19a iVm Art 72 Abs 2 GG. Danach erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung ua auf die Regelung der Krankenhauspflegesätze, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Der Abschlag nach § 8 Abs 9 KHEntgG stellt als Vergütungsregulierung eine Regelung der Krankenhauspflegesätze im Sinne dieser Vorschrift (dazu a) dar, für die eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist (dazu b).

14

a) Zu den Regelungen der Krankenhauspflegesätze iS von Art 74 Abs 1 Nr 19a GG gehören Bestimmungen über Entgelte für teilstationäre und stationäre Krankenbehandlung Erfasst werden - entgegen der Ansicht der Klägerin - alle Regelungen, die diese Entgelte in ihrer Struktur oder Höhe beeinflussen. So liegt es bei § 8 Abs 9 KHEntgG idF des GKV-WSG, der wie folgt lautet:
        
"Bei gesetzlich krankenversicherten Patienten, die nach dem 31. Dezember 2006 entlassen werden, ist ein Abschlag in Höhe von 0,5 vom Hundert des Rechnungsbetrags vorzunehmen und auf der Rechnung des Krankenhauses auszuweisen; der Abschlag gilt bis zum Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung zur Finanzierung der Krankenhäuser für den Zeitraum nach dem Jahr 2008. Haben Krankenkassen Rechnungen nach Satz 1 ohne Abschlag bezahlt, ist der Krankenhausträger verpflichtet, jeweils einen Betrag in Höhe von 0,5 vom Hundert des Rechnungsbetrags an die jeweilige Krankenkasse zu erstatten. Bemessungsgrundlage für den Abschlag nach Satz 1 und 2 ist die Höhe der abgerechneten Entgelte nach § 6 Abs. 2a und § 7 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5 einschließlich der Abschläge bei Verlegungen. Bei der Ermittlung des Erlösausgleichs nach § 4 Abs. 9 und § 6 Abs. 3 Satz 6 wird die Erlösminderung infolge des Abschlags nicht berücksichtigt."
15

Keiner Vertiefung bedarf, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zudem aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG zusteht. Hiernach erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auf die Sozialversicherung. Diese Kompetenzregelung umfasst auch Regelungen der Finanzierung der Sozialversicherung (BVerfGE 14, 312, 318 = SozR Nr 1 zu Art 108 GG; BVerfGE 75, 108, 146 = SozR 5425 § 1 Nr 1; BVerfGE 81, 156, 185 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 3; BVerfGE 99, 202, 212 = SozR 3-4100 § 128a Nr 9 S 53). Dazu gehören Regelungen nicht nur zur Aufbringung der Beiträge im engeren Sinne, sondern auch zur finanziellen Entlastung der Sozialversicherungssysteme. Beides dient gleichermaßen dem Erhalt ihrer Leistungsfähigkeit (BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 49).

16

b) Eine bundesgesetzliche Regelung war auch erforderlich. Die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftsordnung gebietet es, das System der GKV für ganz Deutschland einheitlich zu regeln. Erforderlich sind eine einheitliche Berechnungsmethode und daher auch eine einheitliche Regelung der Berechnungsgrundlagen und, wenn auf diese Berechnungsgrundlagen durch Gesetz Einfluss genommen werden soll, eine einheitliche Reglementierung. Wollte man die Reglementierung der Kosten für Waren und Dienstleistungen im Gesundheitswesen und damit das wesentliche Instrument zur Begrenzung der Beitragssätze der Regelung durch die Landesgesetzgeber überlassen, so müsste ein bundesweiter Wettbewerb hingenommen werden, der aus unterschiedlichen Preisreglementierungen entstünde. Anbieter mit ausreichender Wirtschaftskraft könnten die Märkte meiden, die durch strenge Preisbeschränkungen gekennzeichnet sind. Hier würden nur noch Anbieter auftreten, die den stark reglementierten Preis halten können, dies aber mit Qualitätsabstrichen erreichen. Eine Versorgung der Versicherten auf gleichmäßig hohem Niveau könnte nicht mehr gewährleistet werden (BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 53). Da das Vergütungssystem für die Krankenhäuser in diesem Sinne bundesweit einheitlich ist, müssen auch - wie es zutreffend in der Gesetzesbegründung zum GKV-WSG heißt - die für alle Krankenhäuser geltenden Rahmenbedingungen (hier: der Vergütungsabschlag) im Interesse eines einheitlichen Standards der stationären Versorgung der Bevölkerung bundesweit einheitlich geändert werden (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - BT-Drucks 16/3100, S 93 zur Begründung A. Allgemeiner Teil III).

17

2. § 8 Abs 9 KHEntgG ist auch materiell verfassungsgemäß. Der Senat unterstellt zugunsten der Klägerin, dass sie sich auf die Grundrechte der Art 12 Abs 1 GG (dazu a und c), Art 14 GG - ggf iVm Art 2 Abs 1 GG (dazu b und c) sowie Art 3 Abs 1 GG (dazu d) berufen kann, obwohl nicht feststeht, dass sie sich als juristische Personen des Privatrechts nicht überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand befindet (zum Problem der Grundrechtsfähigkeit gemäß Art 19 Abs 3 GG in solchen Fällen vgl zB: BVerfG SozR 4-3300 § 9 Nr 3 RdNr 77 f; BVerfGE 45, 63, 79 f; BVerfGE 68, 193, 212 f = SozR 5495 Art 5 Nr 1; BVerfGE 70, 1, 15 = SozR 2200 § 376d Nr 1; zu einem mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen Stromversorgungsunternehmen vgl BVerfG, Beschluss vom 16.5.1989 - 1 BvR 705/88 -, NJW 1990, 1783; vgl insgesamt BVerfG, Beschluss vom 18.5.2009 - 1 BvR 1731/05 - NVwZ 2009, 1282). Denn die in Frage kommenden Grundrechte sind jedenfalls nicht verletzt.

18

a) Der Sanierungsbeitrag in Form eines Rechnungsabschlags von 0,5 % verletzt nicht Art 12 Abs 1 GG. Die Norm schützt die Erwerbszwecken dienende Tätigkeit (vgl BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 129). Jede Preisreglementierung - wie auch der Rechnungsabschlag - enthält eine Berufausübungsregelung (vgl BVerfGE 68, 193, 216 = SozR 5495 Art 5 Nr 1; BVerfGE 106, 275, 298 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 22; BVerfG, Beschluss vom 1.9.1999 - 1 BvR 264/95 ua -, SozR 3-5407 Art 30 Nr 1 S 3 f; BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 129). Berufsausübungsregelungen müssen durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Dazu gehört die Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV (vgl BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3). Diesen Zweck verfolgte auch das GKV-WSG mit der Einführung des Krankenhaussanierungsbeitrags (dazu aa), einem gemessen am gesetzgeberischen Ziel geeigneten (dazu bb), erforderlichen (dazu cc), angemessenen und zumutbarem Mittel (dazu dd) auch unter Einbeziehung einer möglichen additiven Grundrechtsverletzung (dazu ee).

19

aa) Der Gesetzgeber verfolgte mit dem GKV-WSG ua das Ziel, in die Sicherung der Nachhaltigkeit der Finanzierung der GKV einzusteigen (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, BT-Drucks 16/3100 S 1 f, 85 f). Die finanzielle Stabilisierung bzw "Konsolidierung" der GKV gehört zu den vernünftigen Gründen des Gemeinwohls. Dies hat das BVerfG bereits mehrfach entschieden (vgl BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1; BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 131). Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht (vgl BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4; BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27; s auch BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, jeweils RdNr 14 mwN).

20

Ein vernünftiger Grund des Gemeinwohls ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht etwa deshalb zu verneinen, weil es dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund einer sich stabilisierenden Finanzlage der KKn auch um die Entschuldung der KKn mit Blick auf andere Ziele ging. Folgende Erwägungen des Gesetzgebers waren ua für die Einführung des Rechnungsabschlags maßgeblich: Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) habe einen wesentlichen Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der GKV geleistet; die Nettoverschuldung, die Ende 2003 saldiert bei über 6 Mrd Euro gelegen habe, habe saldiert bis Ende 2005 nahezu vollständig abgebaut werden können; allerdings seien noch immer 81 KKn mit mehr als der Hälfte aller Versicherten verschuldet; diese Schulden müssten bis Ende 2007 vollständig abgetragen werden (so Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, BT-Drucks 16/3100 S 85 zu 2.). Dem Ziel der weiteren Konsolidierung der GKV widerspricht es nicht, dass eine große Anzahl der KKn nicht mehr verschuldet gewesen ist und die KKn in den Jahren 2004 bis 2006 bereinigte Einnahmenüberschüsse von 4,020 Mrd, 1,671 Mrd und 1,731 Mrd verzeichneten. Denn angesichts der Bedeutung der GKV für die Gesundheitsversorgung von ca 90 % der Bevölkerung bewegt es sich auch im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, das Ziel der Entschuldung aller KKn als Zwischenziel anzustreben. Dies gilt - entgegen der Ansicht der Klägerin - unabhängig davon, wie die Verschuldung zustande gekommen ist und ob sie die KKn selbst durch rechtswidriges Verhalten verursacht haben; denn weitere Beitragserhöhungen - die die Klägerin als vorrangige Mittel zur Sanierung ansieht - sollten gerade vermieden werden (vgl dazu auch cc).

21

bb) Die den KKn zugute kommenden Abschläge bei Rechnungen der Leistungserbringer - wie hier der Krankenhäuser - sind ein geeignetes Mittel, die Ausgabenseite der GKV zu verbessern und damit zu deren finanziellen Stabilisierung beizutragen (vgl etwa zu den Rabatten nach § 130a SGB V: BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 132). Da die Abschläge die Einzelheiten des Vergütungsgefüges nicht beeinflussen, sind sie besonders tauglich, wenn - wie hier - ein zeitlich befristeter Beitrag zur Ausgabensenkung geleistet werden soll.

22

cc) Der Rechnungsabschlag durfte auch als erforderlich angesehen werden. Im Rahmen seines Gestaltungsermessens hat der Gesetzgeber zu Recht auch eine Beteiligung der Krankenhäuser an der Konsolidierung der GKV für notwendig erachtet. Es ist nicht erkennbar, dass die Höhe und Dauer des Sanierungsbeitrags das Maß des Erforderlichen überschreitet. Vielmehr ist der Beitrag im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens von ursprünglich vorgesehenen 0,7 % auf 0,5 % abgesenkt worden. Zudem war der Rechnungsabschlag von vornherein eine auf ca zwei Jahre befristete Maßnahme, die nur bis zum Inkrafttreten des ordnungspolitischen Rahmens zum DRG-System im Jahr 2009 angewandt werden sollte (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, BT-Drucks 16/3100 S 194 zu Nr 2). Andere Wege zur weiteren finanziellen Konsolidierung der GKV hat der Gesetzgeber ausreichend berücksichtigt.

23

Die von der Klägerin angeführte - aus ihrer Sicht vorrangige - Inanspruchnahme der Versicherten oder anderer Leistungserbringer hat der Gesetzgeber ausreichend erwogen und teilweise gleichzeitig im GKV-WSG umgesetzt. Es entsprach seinem weiten wirtschafts- und sozialpolitischen Gestaltungsspielraum, dass er nach der Einführung des Gesundheitsfonds weitere Beitragssatzsteigerungen möglichst vermeiden und damit auch die Kosten für die Wirtschaft und die Unternehmen stabilisieren wollte. Die Einnahmenseite wurde zudem insofern berücksichtigt, als der Beitragssatz durch Rechtsverordnung festgelegt und den KKn, die mit den Mitteln des Gesundheitsfonds nicht auskommen, die Möglichkeit eingeräumt wurde, von ihren Mitgliedern - bei einer Begrenzung auf 1 % des beitragspflichtigen Einkommens - einen prozentualen oder pauschalen Zusatzbeitrag zu erheben (vgl § 242 SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378). Dass die Versicherten nicht unmittelbar weitergehend belastet wurden, ist vor allem vor dem Hintergrund zu verstehen, dass diesen bereits wesentliche Beiträge zur Stabilisierung der GKV durch die Maßnahmen des GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) auferlegt worden waren (vgl insbesondere Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung -, BT-Drucks 15/1525, Begründung zum Allgemeinen Teil S 76 f zu Nr 8).

24

Auch hat der Gesetzgeber im Rahmen des GKV-WSG nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch andere Leistungserbringer etwa durch Regelungen in der Arznei- und Hilfsmittelversorgung an der "Sanierung" der GKV beteiligt. Unter Hinweis auf den starken Anstieg der Kosten für die Arzneimittelversorgung und die bereits getroffenen, nicht ausreichenden Maßnahmen durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung nahm er weitere Regelungen im Bereiche der Festsetzung der Arzneimittelpreise vor (vgl nur Übersicht in Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, BT-Drucks 16/3100, S 88 f zu Nr 4). Zudem wurden etwa die Vorschriften zur Festsetzung von Festbeträgen für Hilfsmittel weiterentwickelt und eine Ausgabensenkung bei den Fahrkosten durch Ausgabenabschläge in Höhe von 3 % vorgenommen, in die auch die Rettungsfahrten einbezogen wurden (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, BT-Drucks 16/3100, S 89 zu Nr 5 und 6). Vor diesem Hintergrund ist es unter dem Aspekt verfassungsrechtlich zulässiger Gestaltung nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die besondere finanzielle Bedeutung des Krankenhaussektors für die Ausgaben der GKV in Verbindung mit seinen überproportionalen Ausgabensteigerungen auch die Belastung der Krankenhäuser für erforderlich angesehen hat.

25

dd) Der Vergütungsabschlag und seine Ausgestaltung ist auch angemessen und den Krankenhäusern zuzumuten. Auf der Grundlage der bindenden, mit Revisionsgründen nicht beanstandeten Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) ergibt sich nichts dafür, dass die Klägerin oder die Krankenhäuser drohten, durch den Abschlag in Höhe von 0,5 % in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten oder geraten sind. Die Abwicklung im Rahmen des maschinellen Abrechnungsverfahrens mit der Rechnungslegung verursachte zudem (jedenfalls für die Zeit ab 1.7.2007) auf Seiten der Krankenhäuser keinen nennenswerten zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Entgegen der Ansicht der Klägerin führt der Abschlag auch nicht notwendig zu einer unangemessenen Vergütung im Einzelfall, denn die Vergütung der Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen orientiert sich nicht mehr an dem Kostendeckungsprinzip. Vielmehr hat der Wandel des Krankenhausfinanzierungsrechts den Krankenhäusern die Möglichkeit eröffnet, Gewinne oder Verluste zu machen (vgl BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 41). Dementsprechend schränkt ein geringfügiger Rechnungsabschlag lediglich die Spanne ein, in dessen Rahmen das Krankenhaus wirtschaften kann.

26

ee) Die Rechtsänderungen durch das GKV-WSG begründen auch nicht in ihrer Gesamtheit einen mit der Berufsfreiheit der Klägerin unvereinbaren "additiven" Grundrechtseingriff. Grundsätzlich ist es zwar denkbar, dass verschiedene einzelne, für sich betrachtet geringfügige Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche in ihrer Gesamtwirkung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen, die das Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschreitet (vgl BVerfGE 112, 304, 319 f; BVerfGE 114, 196, 247 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 S 136 f; BVerfGE 123, 186, 265 f). Jedoch lässt sich eine derartige Wirkung der die Krankenhäuser betreffenden gesetzlichen Regelungen durch das GKV-WSG nicht feststellen. Weder die Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), noch die Ausführungen der Klägerin ergeben hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der befristete Rechnungsabschlag zusammen mit der Absenkung der Mindererlösquote der Krankenhäuser von bisher 40 % auf 20 % (§ 4 Abs 9 KHEntgG idF des GKV-WSG, aaO) sowie der Streichung der Rückzahlungspflicht der KKn für nicht verwendete Mittel der Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung (§ 140d Abs 1 Satz 5 SGB V idF des GKV-WSG, aaO) in ihrem kumulativen Zusammenwirken die Klägerin in ihrer Funktionsfähigkeit ernsthaft bedroht hätten. Insoweit macht die Klägerin lediglich im Wesentlichen pauschal unter Hinweis auf die im Gesetzesverfahren genannten Angaben zum finanziellen Umfang geltend, in materieller Hinsicht erreiche die (einseitige) Gesamtbelastung der Krankenhäuser mit den drei belastenden Maßnahmen des GKV-WSG ein Ausmaß, das auch durch den Gemeinwohlbelang der finanziellen Stabilität der GKV nicht hinreichend gerechtfertigt werden könne. Diese insofern nur allgemein gehaltenen Ausführungen begründen nicht die Verfassungswidrigkeit eines "additiven" Grundrechtseingriffs. Die Klägerin macht schon nicht hinreichend deutlich, inwieweit die weiteren gesetzlichen Regelungen sie unmittelbar im Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG betreffen. Soweit sie darauf hinweist, dass die finanziellen Auswirkungen der beiden anderen Maßnahmen - ohne Inanspruchnahme der KKn - nicht zur Verfügung stünden, entlastet dies die Klägerin nicht davon, zumindest ihre eigene wirtschaftliche Situation konkret zu schildern.

27

b) § 8 Abs 9 KHEntgG ist mit Art 14 Abs 1 GG vereinbar. Art 14 Abs 1 GG schützt nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen (vgl BVerfGE 20, 31, 34; BVerfGE 30, 292, 334 f), umfasst also grundsätzlich nicht in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten (vgl BVerfGE 30, 292, 335; BVerfGE 45, 272, 296; BVerfGE 68, 193, 223; BVerfGE 95, 173, 187 f mwN; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, jeweils RdNr 30). Es fehlt vorliegend bereits an einem Eingriff in ein konkretes vermögenswertes Recht der Klägerin. Entgegen der Ansicht der Klägerin greift § 8 Abs 9 KHEntgG im Streitfall nicht in eine ihr bereits zustehende vergütungsrechtliche Position ein.

28

Die verfassungsrechtliche Beurteilung des ab 1.1.2007 in Kraft getretenen § 8 Abs 9 KHEntgG richtet sich insoweit nach den Regeln über die Rückwirkung von Rechtsnormen in der Ausprägung, die sie durch Art 14 Abs 1 GG erfahren haben(vgl dazu zB BVerfGE 95, 64, 86 f). Diese Regeln enthalten für verschiedene Fallgruppen unterschiedliche Anforderungen. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (vgl BVerfGE 30, 392, 402 f, stRspr). Jedoch können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Das ist dann der Fall, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen.

29

Eine echte Rückwirkung ist dagegen verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl BVerfGE 11, 139, 145 f, stRspr). Auch in diesem Fall tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, aber zurück, wenn sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Der Schutz des Vertrauens in den Bestand des alten Rechts endet in jedem Fall mit dem Beschluss des neuen Rechts (vgl BVerfGE 13, 206, 213 f, stRspr).

30

So liegt es hier. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - wenn die Versorgung wie vorliegend in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten(stRspr, vgl nur BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11 mwN). Da die in diesem Rechtsstreit betroffenen Krankenhausbehandlungen erst im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2007 durchgeführt wurden, entstanden die Vergütungsansprüche der Klägerin auch erst in diesem Zeitraum, also nach dem Inkrafttreten der Regelung am 1.1.2007, nach dem Gesetzesbeschluss vom 26.3.2007 und auch nach der Verkündung des Gesetzes am 30.3.2007. Ein Besitzstand derart, dass die Chance erhalten bleiben müsste, alle Leistungen weiterhin im bisherigen Umfang honoriert zu erhalten, kommt Niemandem, auch keinem Krankenhausträger zu.

31

c) Der Sanierungsbeitrag verletzt auch kein Verfassungsrecht aus dem Zusammenspiel von Art 12 Abs 1 GG, Art 14 GG und Art 2 Abs 1 GG, weil es sich nicht um eine unzulässige Sonderabgabe handelt. Der Beitrag ist vielmehr begrifflich und nach dem Sinn und Zweck der hierfür aufgestellten Regeln weder Sonderabgabe noch wegen seiner Wirkungen den Regelungen über Sonderabgaben zu unterstellen. Eine Sonderabgabe ist eine hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht, der keine unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht (BVerfGE 81, 156, 186 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BVerfGE 78, 249, 267; BVerfGE 75, 108, 147 = SozR 5425 § 1 Nr 1). Sie unterscheidet sich von der Steuer dadurch, dass sie die Abgabenschuldner über die allgemeine Steuerpflicht hinaus belastet, ihre Kompetenzgrundlage in einer Sachgesetzgebungszuständigkeit sucht und ihr Abgabeaufkommen einem Sonderfonds vorbehalten ist (BVerfGE 101, 141, 148). Bei dem Rechnungsabschlag fehlt es schon an den Grundvoraussetzungen einer Sonderabgabe. Ihm liegt nämlich eine Rechtsbeziehung zugrunde, in der eine erbrachte Gegenleistung vergütet wird. Auch führt er lediglich zu einer Reduktion der Aufwendungen der KK für ihre allgemeine Aufgabenerfüllung; die ersparten Mittel fließen nicht etwa (ebenso wenig wie die Praxisgebühr nach § 28 Abs 4 SGB V) einem staatlichen Sonderfonds zu (vgl BSGE 103, 275 = SozR 4-2500 § 28 Nr 3, jeweils RdNr 23 - Praxisgebühr).

32

Die Maßstäbe, die von der Rechtsprechung für die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben entwickelt wurden, sind nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf staatliche Preisreglementierungen wie Mindestvergütungen oder Zwangsrabatte anwendbar (BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 144). Sie sollen eine Umgehung der Finanzverfassung des GG in den Fällen verhindern, in denen der Gesetzgeber unter Rückgriff auf seine Kompetenzen aus Art 70 ff GG den Bürger jenseits der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln mit nichtsteuerlichen Abgaben belegt (vgl BVerfGE 110, 370, 387 f mwN) und die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen und den Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans (Art 110 Abs 1 GG) gewährleisten. In den Fällen, in denen der Gesetzgeber auf eine Abgabepflicht und entsprechende Finanzierungsinstrumente verzichtet, sondern durch Preisregulierungen in den Bereich (privatautonom) vereinbarter Leistungsbeziehungen eingreift, ist nicht die Finanzverfassung der entscheidende Prüfungsmaßstab. Es genügt vielmehr, wenn die entsprechenden Preisinterventionen den übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen des GG entsprechen, das durch die Grundrechte aus Art 14, Art 12 und ggf Art 2 Abs 1 GG hinreichenden Schutz bietet (vgl zum Ganzen BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 144 - Beitragssatzsicherungsgesetz). Der Sanierungsbeitrag in Form des Rechnungsabschlags unterscheidet sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht wesentlich von dem Rabatt nach § 130a SGB V, den das BVerfG ausdrücklich als Preisreglementierung und nicht als Sonderabgabe eingestuft hat (BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 144). In beiden Fällen wird nämlich in die Preisgestaltung für Leistungen der GKV, die sowohl durch gesetzliche Regelungen als auch durch Vereinbarungen der Vertragspartner beeinflusst wird (vgl etwa die Vereinbarungen der Selbstverwaltungspartner auf Bundes- und Landesebene nach §§ 9, 10 KHEntgG), durch einen Abschlag oder Rabatt eingegriffen und das Vergütungsniveau gesenkt.

33

d) § 8 Abs 9 KHEntgG verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Nur dort, wo sich sachlich gerechtfertigte Unterschiede vom Gericht nicht feststellen lassen, sind die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens überschritten (vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55 mwN; BVerfGE 117, 316, 325 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 31; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 RdNr 9 mwN; stRspr). Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt ist, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, und insofern ein weites Gestaltungsermessen besitzt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es daher nicht, eine gesetzliche Regelung daraufhin zu überprüfen, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gewählt hat (BSGE 103, 275 = SozR 4-2500 § 28 Nr 3, jeweils RdNr 27 - Praxisgebühr; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl 2009, Art 3 RdNr 15, 54 mwN).

34

Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht in der unterschiedlichen Behandlung von Krankenhäusern und Versicherten. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob Krankenhäuser als Leistungserbringer mit den Versicherten als den Leistungsberechtigten überhaupt eine geeignete Vergleichsgruppe bilden. Jedenfalls bestehen zwischen Krankenhäusern und Versicherten Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Während die Versicherten durch ihre Beiträge und Eigenbeteiligungen (vgl etwa die durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 - BGBl I 2190 - mit Wirkung vom 1.1.2004 in § 28 Abs 4 SGB V eingeführte Praxisgebühr) die GKV mittragen, gehören die Krankenhäuser zu den Leistungserbringern im Auftrag der KKn. Mit der Inanspruchnahme der Krankenhäuser als Leistungserbringer der GKV wird - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht etwa der Bereich der sachlich gerechtfertigten Differenzierung verlassen und an "eine systemwidrige, fremdnützige Inanspruchnahme" angeknüpft, sondern zu Recht dem Umstand Rechnung getragen, dass die GKV eine wesentliche Grundlage für die wirtschaftliche Betätigung der Leistungserbringer bildet, diese also von einer stabilen GKV in hohem Maße profitieren. Die Versicherten tragen auf andere Art - nämlich durch ihre Beiträge und Eigenbeteiligungen - zur Sicherstellung der finanziellen Stabilität der GKV bei und sind im Übrigen auch durch Maßnahmen des GKV-WSG weiter belastet worden (Zusatzbeitrag). Zudem ist das Interesse des Gesetzgebers, Beitragserhöhungen zu vermeiden, wiederum ein verfassungsrechtlich anerkanntes Ziel.

35

Auch in Bezug auf die Leistungserbringer außerhalb des Krankenhausbereichs scheidet eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots aus. Auch insoweit bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die übrigen Leistungserbringer in Bezug auf den Rechnungsabschlag zusammen mit den Krankenhäusern eine gemeinsame geeignete Vergleichsgruppe bilden. Die Ungleichbehandlung ist jedenfalls gerechtfertigt. Gemessen an dem Ziel der Konsolidierung der GKV war ihre Heranziehung zu einem Sanierungsbeitrag von den sachlichen Überlegungen des Gesetzgebers getragen, die Versorgung im Krankenhaus stelle den größten Ausgabenfaktor der GKV dar und habe zu überproportionalen Ausgabenzuwächsen geführt (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, BT-Drucks 16/3100 S 89 zu Nr 7). Der Gesetzgeber hat damit - rechtlich zulässig - auch berücksichtigt, dass die Ausgaben der GKV in besonderem Umfang den Krankenhäusern als Leistungserbringer zu Gute gekommen sind und diese deshalb an der Konsolidierung selbst auch in besonderem Maße Interesse haben dürften. Er hat sein Gestaltungsermessen nicht überschritten.

36

Die Beschränkung des Rechnungsabschlages schließlich auf Krankenhäuser, die nach dem KHEntgG abrechnen, führt zwar zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den übrigen Krankenhäusern, deren Vergütung sich nach tagesgleichen Pflegesätzen bemisst. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt. Im Gesetzgebungsverfahren wurde auf die ursprünglich in § 14 Abs 7 Bundespflegesatzverordnung entsprechend vorgesehene Regelung(vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, BT-Drucks 16/3100 S 195 zu Nr 3) verzichtet, weil die Personalkostenintensität im Bereich der Psychiatrie besonders hoch sei (Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu ua dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 16/3100 -, BT-Drucks 16/4247 S 64 f zu Art 20 Nr 3). Auch wenn der Hinweis der Klägerin zutreffend sein sollte, dass allenfalls ein Personalkostenunterschied von nur 15 % bis maximal 20 % gegeben sei, hindert dies den Gesetzgeber nicht, die Ungleichbehandlung mit diesem sachlichen Unterschied zu begründen. Die Klägerin hat jedenfalls keine besonderen Auswirkungen des Rechnungsabschlags auf die nach dem KHEntgG abrechnenden Krankenhäuser dargelegt, die für eine Überschreitung der Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens sprechen. Hinzu kommt, dass das Gewicht der Ungleichbehandlung von vornherein eingeschränkt ist, da der Gesetzgeber die zeitliche Geltung der Regelung bis Ende 2008 begrenzt hat, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen ordnungspolitischen Rahmens für das DRG-System (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, BT-Drucks 16/3100 S 194 zu Nr 2).

37

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

(1) Der Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 kommt durch Einigung zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und dem Krankenhausträger zustande; er bedarf der Schriftform. Bei den Hochschulkliniken gilt die Anerkennung nach den landesrechtlichen Vorschriften, bei den Plankrankenhäusern die Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan nach § 8 Abs. 1 Satz 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes als Abschluss des Versorgungsvertrages. Dieser ist für alle Krankenkassen im Inland unmittelbar verbindlich. Die Vertragsparteien nach Satz 1 können im Einvernehmen mit der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde eine gegenüber dem Krankenhausplan geringere Bettenzahl vereinbaren, soweit die Leistungsstruktur des Krankenhauses nicht verändert wird; die Vereinbarung kann befristet werden. Enthält der Krankenhausplan keine oder keine abschließende Festlegung der Bettenzahl oder der Leistungsstruktur des Krankenhauses, werden diese durch die Vertragsparteien nach Satz 1 im Benehmen mit der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde ergänzend vereinbart.

(2) Ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrags nach § 108 Nr. 3 besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Krankenhäusern, die sich um den Abschluß eines Versorgungsvertrags bewerben, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Erfordernissen einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten sowie leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhausbehandlung am besten gerecht wird.

(3) Ein Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 darf nicht abgeschlossen werden, wenn das Krankenhaus

1.
nicht die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung bietet,
2.
bei den maßgeblichen planungsrelevanten Qualitätsindikatoren nach § 6 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes auf der Grundlage der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 136c Absatz 2 übermittelten Maßstäbe und Bewertungskriterien nicht nur vorübergehend eine in einem erheblichen Maß unzureichende Qualität aufweist, die im jeweiligen Landesrecht vorgesehenen Qualitätsanforderungen nicht nur vorübergehend und in einem erheblichen Maß nicht erfüllt, höchstens drei Jahre in Folge Qualitätsabschlägen nach § 5 Absatz 3a des Krankenhausentgeltgesetzes unterliegt oder
3.
für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht erforderlich ist.
Abschluß und Ablehnung des Versorgungsvertrags werden mit der Genehmigung durch die zuständigen Landesbehörden wirksam. Verträge, die vor dem 1. Januar 1989 nach § 371 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung abgeschlossen worden sind, gelten bis zu ihrer Kündigung nach § 110 weiter.

(4) Mit einem Versorgungsvertrag nach Absatz 1 wird das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39) der Versicherten verpflichtet. Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zu führen.

(5) Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

(6) Gegen Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 1. Januar 2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, können Krankenkassen nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen. Die Aufrechnung ist abweichend von Satz 1 möglich, wenn die Forderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird oder rechtskräftig festgestellt wurde. In der Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes können abweichende Regelungen vorgesehen werden.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamtvertrag vereinbart; die Landesverbände der Krankenkassen treffen die Vereinbarung mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart. Die Gesamtvergütung ist das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann als Festbetrag oder auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen, nach einer Kopfpauschale, nach einer Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt. Die Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungen für die Versorgung verschiedener Gruppen von Versicherten ist nicht zulässig. Die Vertragsparteien haben auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für eine besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren; das Nähere ist jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Die Vergütungen der Untersuchungen nach den §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, § 26 werden als Pauschalen vereinbart. Beim Zahnersatz sind Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans nicht zulässig. Soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, ist der Betrag des Ausgabenvolumens nach Satz 2 zu bestimmen. Ausgaben für Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 und nach § 53 Abs. 4 mit Ausnahme der Kostenerstattungsleistungen nach § 13 Abs. 2 Satz 6 und Ausgaben auf Grund der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 3 sind auf das Ausgabenvolumen nach Satz 2 anzurechnen.

(2a) (weggefallen)

(2b) (weggefallen)

(2c) Die Vertragspartner nach § 82 Abs. 1 können vereinbaren, daß für die Gesamtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden; sie können auch die Grundlagen für die Bemessung der Vergütungsanteile regeln. § 89 Abs. 1 gilt nicht.

(2d) Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Punktwerte nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(3) In der vertragszahnärztlichen Versorgung vereinbaren die Vertragsparteien des Gesamtvertrages die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter Berücksichtigung der Zahl und Struktur der Versicherten, der Morbiditätsentwicklung, der Kosten- und Versorgungsstruktur, der für die vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der Art und des Umfangs der zahnärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen. Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragszahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz neben den Kriterien nach Satz 1 zu berücksichtigen. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. Die Krankenkassen haben den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen die Zahl ihrer Versicherten vom 1. Juli eines Jahres, die ihren Wohnsitz im Bezirk der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung haben, gegliedert nach den Altersgruppen des Vordrucks KM 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 1. Oktober des Jahres mitzuteilen.

(3a) Die Gesamtvergütungen nach Absatz 3 dürfen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Im Jahr 2024 dürfen die Gesamtvergütungen für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz gegenüber dem Vorjahr höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte durchschnittliche Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 angehoben werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Leistungen nach den §§ 22, 22a, 26 Absatz 1 Satz 5, § 87 Absatz 2i und 2j sowie Leistungen zur Behandlung von Parodontitis für Versicherte, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind oder in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind. Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.

(4) Die Kassenzahnärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Sie wendet dabei in der vertragszahnärztlichen Versorgung den im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragszahnärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragszahnarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 Satz 1 vorzusehen. Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Der Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 kommt durch Einigung zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und dem Krankenhausträger zustande; er bedarf der Schriftform. Bei den Hochschulkliniken gilt die Anerkennung nach den landesrechtlichen Vorschriften, bei den Plankrankenhäusern die Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan nach § 8 Abs. 1 Satz 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes als Abschluss des Versorgungsvertrages. Dieser ist für alle Krankenkassen im Inland unmittelbar verbindlich. Die Vertragsparteien nach Satz 1 können im Einvernehmen mit der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde eine gegenüber dem Krankenhausplan geringere Bettenzahl vereinbaren, soweit die Leistungsstruktur des Krankenhauses nicht verändert wird; die Vereinbarung kann befristet werden. Enthält der Krankenhausplan keine oder keine abschließende Festlegung der Bettenzahl oder der Leistungsstruktur des Krankenhauses, werden diese durch die Vertragsparteien nach Satz 1 im Benehmen mit der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde ergänzend vereinbart.

(2) Ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrags nach § 108 Nr. 3 besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Krankenhäusern, die sich um den Abschluß eines Versorgungsvertrags bewerben, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Erfordernissen einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten sowie leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhausbehandlung am besten gerecht wird.

(3) Ein Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 darf nicht abgeschlossen werden, wenn das Krankenhaus

1.
nicht die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung bietet,
2.
bei den maßgeblichen planungsrelevanten Qualitätsindikatoren nach § 6 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes auf der Grundlage der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 136c Absatz 2 übermittelten Maßstäbe und Bewertungskriterien nicht nur vorübergehend eine in einem erheblichen Maß unzureichende Qualität aufweist, die im jeweiligen Landesrecht vorgesehenen Qualitätsanforderungen nicht nur vorübergehend und in einem erheblichen Maß nicht erfüllt, höchstens drei Jahre in Folge Qualitätsabschlägen nach § 5 Absatz 3a des Krankenhausentgeltgesetzes unterliegt oder
3.
für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht erforderlich ist.
Abschluß und Ablehnung des Versorgungsvertrags werden mit der Genehmigung durch die zuständigen Landesbehörden wirksam. Verträge, die vor dem 1. Januar 1989 nach § 371 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung abgeschlossen worden sind, gelten bis zu ihrer Kündigung nach § 110 weiter.

(4) Mit einem Versorgungsvertrag nach Absatz 1 wird das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39) der Versicherten verpflichtet. Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften dieses Gesetzbuchs mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zu führen.

(5) Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Satz 1 gilt nicht für Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

(6) Gegen Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 1. Januar 2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, können Krankenkassen nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen. Die Aufrechnung ist abweichend von Satz 1 möglich, wenn die Forderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird oder rechtskräftig festgestellt wurde. In der Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes können abweichende Regelungen vorgesehen werden.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des beklagten Rentenversicherungsträgers, Ansprüche der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit mit der Altersrente des Klägers zu verrechnen. Streitig ist insbesondere, ob die Verrechnung durch Verwaltungsakt erfolgen durfte.

2

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit Oktober 2003 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Der monatliche Zahlbetrag dieser Rente betrug im Oktober/November 2005 873,83 Euro. Mit Schreiben vom 21.10.2005 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung einer Forderung in Höhe von 53.012,27 Euro aus Überzahlung von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowie Mahnkosten mit Leistungsansprüchen des Klägers gegen die Beklagte. Nach Anhörung des Klägers erklärte diese durch Bescheid vom 21.11.2005, der Anspruch der Beigeladenen werde mit seinem Anspruch auf Rente derart verrechnet, dass ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt monatlich 436 Euro von der Rentenzahlung einbehalten und an die Beigeladene bis zur Tilgung der Forderung gezahlt würden. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos, weil der Kläger eine von der Beklagten angeforderte Grundsicherungsbedarfsberechnung zum Nachweis, dass er bei einer Verrechnung sozialhilfebedürftig werde, nicht vorgelegt habe (Widerspruchsbescheid vom 13.6.2006) .

3

Mit Urteil vom 27.7.2007 hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid der Beklagten vom 21.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, weil eine Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt habe vorgenommen werden dürfen. Die in dem Verwaltungsakt enthaltene öffentlich-rechtliche Willenserklärung in Form der Verrechnungserklärung stehe nicht zur Überprüfung, weil der Kläger (der durch einen Rechtsanwalt vertreten war) eine hierfür erforderliche Leistungsklage auf Auszahlung der bereits einbehaltenen Beträge hätte erheben müssen. Dies habe er trotz eines Hinweises des Gerichts aber nicht getan. Deshalb beschränke sich die Prüfung des Gerichts darauf, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Verrechnungserklärung in Form eines Verwaltungsakts abzugeben. Hierfür fehle es jedoch an einer gesetzlichen Ermächtigung (Hinweis auf Bundessozialgericht vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1). Obwohl es sich bei der Verrechnungserklärung mittels "Bescheids" nicht um einen Verwaltungsakt handele, müsse dieser "Schein-Verwaltungsakt" aufgehoben werden, weil der Betroffene dadurch beschwert sei.

4

Der Kläger hat im Oktober 2006 geheiratet und während des Verfahrens über die Berufung der Beklagten seinen Wohnsitz nach Thailand verlegt. Mit Urteil vom 7.2.2008 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung im Wesentlichen aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils zurückgewiesen.

5

Sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Beide haben sich zur Begründung im Wesentlichen darauf bezogen, dass sie dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 (aaO) nicht folgten und eine Verrechnung durch Verwaltungsakt für zulässig hielten. Die Beklagte hat erklärt, sie sei nach wie vor an einer Verrechnung gegenüber dem Kläger interessiert.

6

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 7.2.2008 und des Sozialgerichts Hildesheim vom 27.7.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

8

Auf Anfragebeschluss des vorlegenden Senats vom 5.2.2009 - B 13 R 31/08 R - hat der 4. Senat mit Beschluss vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - erklärt, er halte an seiner Auffassung fest, dass die Verrechnung nach § 52 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch (SGB I) nicht durch Verwaltungsakt erfolge.

Entscheidungsgründe

9

Der 13. Senat beabsichtigt, auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen das Berufungsurteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (hierzu im Folgenden unter 1.) . Er sieht sich hieran durch das Urteil des 4. Senats vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1) gehindert; würde er der Rechtsauffassung, auf der dieses Urteil beruht, im vorliegenden Fall folgen, wären die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen (hierzu im Folgenden unter 2.; dort auch zu weiterer Rechtsprechung des 4. Senats) . Dies macht die aus dem Entscheidungssatz ersichtliche Vorlage gemäß § 41 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erforderlich(hierzu im Folgenden unter 3.) .

10

1. Die vom vorlegenden Senat beabsichtigte Zurückverweisung ist erforderlich, weil auf der Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht entschieden werden kann, ob der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtmäßig ist.

11

a) Die Revision ist aufgrund der - den Senat bindenden (vgl § 160 Abs 3 SGG) - Zulassung im Urteil des LSG statthaft und auch sonst zulässig. Der Senat hat keine Bedenken hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses der Beklagten und der Beigeladenen. Bei einem Rechtsmittelführer besteht ein solches in aller Regel, wenn er - wie hier die Beklagte und die Beigeladene - durch die Entscheidung der Vorinstanz formell beschwert ist (BSG vom 10.5.2000, BSGE 86, 126, 129 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 289 mwN) . Einer der Ausnahmefälle (vgl BSG vom 8.5.2007, SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 13) liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat nach wie vor ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, in welcher Form sie die Verrechnung gegenüber dem Kläger zu erklären hatte oder in Zukunft hat; sie ist jedenfalls nicht durch Verwirkung an der Durchführung der streitigen oder an einer neuen Verrechnung gegenüber dem Kläger gehindert. Die Forderung der Beigeladenen gegenüber dem Kläger besteht weiterhin.

12

b) Eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht ist nicht schon deshalb zwingend erforderlich, weil das Verfahren vor dem LSG an einem absoluten, die Wirksamkeit des Verfahrens als Ganzes berührenden und somit auch ohne Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu beachtenden Mangel leidet. Zwar hat der Vorsitzende des LSG-Senats als Berichterstatter des Verfahrens mit Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats entschieden und hierbei die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Dies ist nach der Rechtsmeinung des 9. Senats des BSG "regelmäßig" verfahrensfehlerhaft und führt - wenn nicht ausnahmsweise Gründe erkennbar sind, warum die Sache doch durch den Berichterstatter allein entschieden werden konnte - als absoluter Revisionsgrund von Amts wegen gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das LSG(Urteil vom 8.11.2007 - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 11 ff, 22 f; sich hiervon abgrenzend 6. Senat, Urteil vom 6.5.2009 - BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 31; zudem weist der 3. Senat darauf hin, dass auch bei Fehlen von Gründen, die ausnahmsweise eine Entscheidung samt Revisionszulassung wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung durch den Berichterstatter rechtfertigen, nicht stets eine Zurückverweisung zu erfolgen habe: Urteil vom 25.6.2009 - B 3 KR 2/08 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 12 ff).

13

Im hier zu entscheidenden Fall liegen besondere Gründe vor, die eine Alleinentscheidung durch den Berichterstatter bzw den Vorsitzenden samt Revisionszulassung als ermessensfehlerfreie Handhabung von § 155 Abs 3 und 4 SGG erscheinen lassen, sodass kein zur Zurückverweisung berechtigender Verfahrensmangel festgestellt werden kann(zu solchen Gründen vgl auch BSG vom 25.6.2009, aaO RdNr 11, sowie BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 11 AL 38/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Zum einen ist in der Anfrage an die Beteiligten, ob einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter zugestimmt werde, bereits ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass in dem die Rechtsfrage einer Verrechnung durch Verwaltungsakt betreffenden Urteil "aller Voraussicht nach die Revision zuzulassen sein wird". Zum anderen hat der allein für den Senat entscheidende Vorsitzende nicht "am Senat in voller Besetzung vorbei" eine eigenständige Rechtsprechung begründet, sondern ist vielmehr der bisherigen Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen und des 4. Senats des BSG ausdrücklich gefolgt. Die Revision hat er lediglich mit der Erwägung zugelassen, angesichts der zwischen dem 4. und dem 13. Senat des BSG zu Tage getretenen Unterschiede in der Bewertung der Verrechnungserklärung (Hinweis auf das Urteil des 13. Senats vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 18) rasch eine höchstrichterliche Klärung der Streitfrage zu ermöglichen. Dies ist auch im Lichte der verfassungsrechtlichen Garantie des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ) ermessensfehlerfrei, denn es entzieht den Beteiligten nicht den für die letztverbindliche Entscheidung der Streitfrage zuständigen Richtern des BSG, sondern öffnet den Weg zu ihnen in Übereinstimmung mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung (vgl hierzu BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 21).

14

c) Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits bedarf es auch nicht in jedem Fall im Hinblick darauf, dass das LSG bei zutreffender Auslegung des Rechtsschutzbegehrens des Klägers (§ 123 SGG) auch dessen Vorbringen in der Sache hätte prüfen müssen, dies aber unterlassen hat. In diese Richtung weist allerdings der Antwortbeschluss des 4. Senats vom 22.9.2009 (B 4 SF 1/09 S, RdNr 3) , wenn dort ausdrücklich offen gelassen wird, ob der Rechtsstreit nicht auch dann zurückzuverweisen wäre, wenn der vorlegende Senat der Rechtsmeinung des 4. Senats folgte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn der Kläger hat das nach Einschätzung des 4. Senats möglicherweise unvollständige Urteil des SG selbst nicht angefochten; somit war für die auf Berufung der Beklagten ergangene Entscheidung des LSG eine mögliche Verletzung des § 123 SGG zu Lasten des Klägers ohne Belang.

15

d) Der angefochtene Bescheid war nicht allein deswegen - als sog "formeller Verwaltungsakt" - aufzuheben, weil die durch ihn - nach dem Empfängerhorizont objektiv in der Gestalt eines Verwaltungsakts (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Kommentar zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 31) - ausgesprochene Verrechnungserklärung nicht in dieser Handlungsform hätte ergehen dürfen. Denn mit dem Verwaltungsakt hat die Beklagte die zutreffende Handlungsform gewählt (wie hier in neuerer Zeit zB vom Rath, DÖV 2010, 180) .

16

Nach § 31 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) ist "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist".

17

Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei dem hier streitbefangenen Verrechnungsbescheid vom 21.11.2005 darin, dass die in ihm enthaltene Verrechnungserklärung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten hat, diesen nämlich - soweit die Verrechnungserklärung reicht und sofern sie wirksam ist - zum Erlöschen bringt (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 8) . Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Regelung des öffentlichen Rechts zur Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern darstellt. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach nicht zusteht(vgl zu diesem Merkmal U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 104 mwN; Wolff/Brink, aaO, § 35 RdNr 72 ff; nach Krasney in Kasseler Komm, § 31 SGB X RdNr 6, Stand: Dezember 2003, kommt diesem Gesichtspunkt gegenüber den anderen Voraussetzungen kein eigenes Gewicht zu) .

18

Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I auch die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der Aufrechnungsberechtigte (die Behörde) hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist - das Gleiche gilt wegen der Verweisung in § 52 SGB I für die Verrechnung - die Erklärung an das pflichtgemäße Ermessen(§ 51 Abs 1 Halbsatz 1, Abs 2 Halbsatz 1 SGB I) und an die Pfändbarkeit der Geldleistungen (Abs 1 Halbsatz 2 aaO) gebunden bzw (nach § 51 Abs 2 SGB I) an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte) sowie die fehlende Hilfebedürftigkeit des Berechtigten nach der Aufrechnung.

19

Auch der Gesetzgeber sieht in einer Verrechnungserklärung einen Verwaltungsakt. Dies folgt aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Nach Abs 1 der Vorschrift ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären ist(vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw. Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können) .

20

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Aufrechnung und die Verrechnung jedenfalls für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen. Hieran sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink, aaO RdNr 28 f; U. Stelkens, aaO RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in dieser Entscheidung veranlasst gesehen, nach einer Rechtsänderung seine frühere Rechtsprechung zur Einordnung einer Schutzbereichanordnung als Rechtsverordnung aufzugeben) . Bei Beachtung des Vorrangs des Gesetzes kann der Regelungsgehalt von § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X auch nicht mit dem Hinweis darauf ausgeblendet werden, dass diese Regelung nur "beiläufig" und "vordergründig" erfolgt sei und deshalb keine Geltung beanspruchen könne(so aber U. Stelkens, aaO RdNr 139, unter Bezugnahme auf Weber, SGb 1999, 225, 229, der sich in nicht näher belegte Spekulationen über die Regelungsabsichten des Gesetzgebers verliert und sich sogar zu der Wendung versteigt, die "eindeutig" in § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X erfolgte Beimessung von Verwaltungsaktqualität an die Aufrechung/Verrechnung im Sozialrecht sei "legales Unrecht"; s hierzu treffend Günther, SGb 1999, 609 sowie Wehrhahn, SGb 2007, 468).

21

Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht(zu der jeder Eingriffsermächtigung immanenten "Verwaltungsakt-Befugnis" vgl Wolff/Brink, aaO RdNr 63) . Ganz generell regelt § 8 SGB X, dass das Verwaltungsverfahren des SGB "auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist". Da die Verrechnung im SGB geregelt ist, kann und darf ein Verwaltungsverfahren zur Verrechnung mit dem Erlass eines Verwaltungsakts enden.

22

Die Verrechnung ist schließlich von der Beklagten auch in der Form eines Verwaltungsakts erklärt worden (unter dieser Voraussetzung sieht die ausführliche Darstellung der Problematik bei Kresser, Die Bedeutung der Form für Begriff und Rechtsfolgen des Verwaltungsakts, 2009 , selbst eine im allgemeinen Verwaltungsrecht erklärte Aufrechnung als materiellen Verwaltungsakt mit einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage an: aaO S 226 ff; dort - passim - auch weitere eingehende Darlegungen).

23

e) Hat aber die Beklagte zu Recht durch Verwaltungsakt entschieden, durfte das SG ihren Bescheid vom 21.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.6.2006 nicht als rein "formellen" oder "Schein-Verwaltungsakt" aufheben. Es hätte vielmehr prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die von der Beklagten erklärte Verrechnung vorlagen, nämlich

-       

das Bestehen der von der Beigeladenen gegen den Kläger geltend gemachten Forderung,

-       

das Vorliegen einer Ermächtigung der Beklagten durch die Beigeladene,

-       

die Pfändbarkeit der Rentenansprüche des Klägers gegen die Beklagte (§ 52 iVm § 51 Abs 1 SGB I) ,

-       

die Voraussetzungen des § 51 Abs 2 SGB I (höchstens zur Hälfte; kein Hervorrufen von Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften oder dem Zweiten Buch des SGB) und schließlich

-       

die ordnungsgemäße Ausübung des der Beklagten zustehenden Ermessens sowie die erforderliche Bestimmtheit des Verwaltungsakts.

24

Da insoweit auch in dem das SG-Urteil bestätigenden Berufungsurteil keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen vorliegen, ist der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen. Dieses wird sich auch damit auseinanderzusetzen haben, ob sich die Beurteilungsgrundlage durch die Heirat des Klägers und seinen nachfolgenden Umzug nach Thailand geändert hat.

25

2. Eine Entscheidung in diesem Sinne ist dem vorlegenden Senat jedoch nicht ohne Abweichung von dem Urteil des 4. Senats vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1; s unten zu weiterer Rechtsprechung des 4. Senats) möglich, auch wenn sich der vorlegende Senat in Übereinstimmung mit weiteren Senaten des BSG befindet.

26

a) Das BSG hat unter Geltung des SGB I zunächst sowohl die Erklärung über eine Aufrechnung (§ 51 SGB I)

        

BSG 4. Senat vom 19.1.1978 - BSGE 45, 271 = SozR 1200 § 51 Nr 3
- dass es sich hier um einen Verwaltungsakt handelte, ergibt sich aus dem nicht abgedruckten Volltext, vgl Juris RdNr 2 -;

        

BSG 3. Senat vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 8;

        

BSG 1. Senat vom 12.11.1980 - SozR 1200 § 51 Nr 8 S 18;

        

BSG 4. Senat vom 16.9.1981 - BSGE 52, 98,101 = SozR 1200 § 51 Nr 11;

        

BSG 4. Senat vom 17.9.1981 - SozR 1200 § 51 Nr 12 S 30;

        

BSG 10. Senat vom 25.3.1982 - BSGE 53, 208, 209 = SozR 1200 § 52 Nr 6;

        

BSG 7. Senat vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13;

        

BSG 10. Senat vom 15.12.1992 - SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 5;

        

BSG 14. Senat vom 27.3.1996 - BSGE 78, 132, 134 = SozR 3-1200 § 51 Nr 5

 als auch die Erklärung über eine Verrechnung (§ 52 SGB I)

        

BSG 8a. Senat vom 18.12.1980 - BSGE 51, 98 = SozR 1200 § 51 Nr 9
- dass es sich hier um einen Verwaltungsakt handelte, ergibt sich aus dem nicht abgedruckten Volltext, vgl Juris RdNr 2 -;

        

BSG 10. Senat vom 25.3.1982 - BSGE 53, 208, 209 = SozR 1200 § 52 Nr 6;

        

BSG 7. Senat vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13;

        

BSG 11. Senat vom 9.11.1989 - BSGE 66, 63 = SozR 1200 § 51 Nr 17;

        

BSG 13. Senat vom 18.2.1992 - SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32, 34, 36

in Form eines Verwaltungsakts entweder nicht beanstandet (so die zitierten Entscheidungen bis einschließlich 1981 und die des 14. Senats vom 27.3.1996) oder aber (so die übrigen Entscheidungen, zT als obiter dictum) ausgeführt, dass Aufrechnung und/oder Verrechnung durch Verwaltungsakt zu erklären seien.

27

Erstmals ausdrücklich offen blieb die Frage im Urteil

        

BSG 4. Senat vom 12.7.1990 - BSGE 67, 143, 146 = SozR 3-1200 § 52 Nr 1:

Die Rechtsnatur der Auf- oder Verrechnung sei noch nicht abschließend geklärt (Hinweis auf die Rspr von BVerwG und Bundesfinanzhof einerseits und BSG andererseits) ; möglicherweise müsse unterschieden werden zwischen der Aufrechnung als Willenserklärung, die die Gegenforderung zum Erlöschen bringe (§ 389 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) , und der verwaltungsverfahrensrechtlichen Folge hieraus, nämlich dem Erlass eines Bescheids gemäß § 48 SGB X wegen der notwendig gewordenen Änderung des eine Dauerleistung bewilligenden Verwaltungsakts.

28

Diesem Urteil wiederum folgte tendenziell

        

BSG 12. Senat vom 15.12.1994 - BSGE 75, 283, 288 = SozR 3-2400 § 28 Nr 2;

hiernach ist eine Aufrechnung bei erstmaliger Entscheidung über einen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge (außerhalb § 51 SGB I) nicht durch Verwaltungsakt zu erklären. Werde jedoch gegen einen durch Verwaltungsakt bindend bewilligten Anspruch aufgerechnet, sei hierfür zwar keine Ermächtigung erforderlich; jedoch möge dies eine Änderung jenes Verwaltungsakts nach sich ziehen, die der verwaltungsverfahrensrechtlichen Umsetzung nach den §§ 45, 48 SGB X bedürfe.

29

Das Urteil

        

BSG 4. Senat vom 24.7.2003 - SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 7 ff - im Rentenbewilligungsbescheid wurde die Entscheidung über die Nachzahlung ausdrücklich vorbehalten -

schließlich qualifizierte den "Bescheid", die Beklagte verrechne die (nach dem zuvor ergangenen Rentenbescheid vorläufig einbehaltene) Nachzahlung, als lediglich formellen (und daher aufzuhebenden) Verwaltungsakt, weil die Verrechnung rechtskonform durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung auszuüben sei. Diese Erklärung enthalte keine Regelung iS des § 31 SGB X; das im Rentenbescheid festgesetzte Recht werde dadurch nicht aufgehoben oder geändert. Selbst wenn man der Erklärung "(auch) die Rechtswirkung entsprechend einer Regelung iS eines Verwaltungsakts beimessen" wollte, so fehlte es insoweit an der "für die Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts erforderlichen (parlaments-)gesetzlichen Ermächtigung". Eine Auseinandersetzung mit der am 18.6.1994 in Kraft getretenen Regelung in § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X erfolgt in dieser Entscheidung nicht.

30

Im zeitlichen Anschluss hieran ließ das Urteil

        

BSG 5. Senat vom 10.12.2003 - BSGE 92, 1 = SozR 4-1200 § 52 Nr 2, RdNr 6

dahingestellt, ob die Verrechnung nach § 52 SGB I lediglich als rechtsgeschäftliche Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts zu qualifizieren sei oder sich in der Form eines Verwaltungsakts zu vollziehen habe (ohne zu prüfen, ob dann nicht jedenfalls die Anfechtungsklage hätte Erfolg haben müssen).

31

In den Urteilen

        

BSG 4. Senat vom 5.9.2006 - B 4 R 71/06 R - SozR 4-2500 § 255 Nr 1 - sowie B 4 R 75/06 R, jeweils RdNr 15 - 27

sah der 4. Senat (unter Hinweis ua auf sein Urteil vom 24.7.2003, ohne weitere Begründung) die in einem Bescheid enthaltenen "Erklärungen behalte aus der Rente Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 vH ein und zahle deshalb den 'Rentenbetrag' nicht aus ('abzüglich')", als Verrechnung an; der insoweit keinen materiellen Verwaltungsakt verlautbarende Bescheid sei als formeller Verwaltungsakt ("Anscheins-Verwaltungsakt") aufzuheben (in ähnlich gelagerten Verfahren des 12. Senats hat dieser entsprechende Formulierungen als zulässige feststellende Verwaltungsakte über die Höhe des Auszahlungsbetrags bzw als Festsetzung der Pflege- und Krankenversicherungsbeiträge durch Verwaltungsakt angesehen: BSG 12. Senat vom 29.11.2006 - BSGE 97, 292 = SozR 4-3300 § 59 Nr 1, RdNr 9 und 11; vom 21.1.2009 - B 12 R 11/06 R - SozR 4-2500 § 241a Nr 2 RdNr 13 ff).

32

Im Urteil

        

BSG 13. Senat vom 27.3.2007 - B 13 RJ 43/05 R, Juris RdNr 13 ff, 18

konnte der vorlegende Senat die Rechtsnatur der Verrechnung offen lassen, weil das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die allein zu entscheidende Anfechtungsklage nach Abschluss der Verrechnung entfallen war.

33

Im Rahmen seiner Hinweise für die Sachbehandlung nach Zurückverweisung hat das Urteil

        

BSG 7. Senat vom 16.12.2009 - B 7 AL 43/07 R, Juris RdNr 15 f

im Zusammenhang mit der entschiedenen Fallgestaltung die "rein formale" Frage offen gelassen, ob die Aufrechnung als Verwaltungsakt zu erfolgen hat "oder - wofür mehr spricht - durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung".

34

b) In der für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblichen Rechtsfrage der Rechtsnatur der Verrechnungserklärung vermag der vorlegende Senat sich der Rechtsmeinung des 4. Senats nicht anzuschließen.
Unter Weglassung der Klammerzusätze mit Rechtsprechungs- oder Literaturnachweisen lautet die einschlägige Argumentation des 4. Senats wie folgt (Urteil vom 24.7.2003 - SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 8; die Urteile vom 5.9.2006 bringen insoweit keinen weiteren Aufschluss) :

        

"Die Wirkungen der Verrechnung ebenso wie die der Aufrechnung beurteilen sich, soweit die §§ 51, 52, 57 Abs 2 SGB I nichts anderes vorgeben und soweit sie mit dem öffentlichen Sozialverwaltungsrecht vereinbar sind, nach den zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 387 ff BGB. In diesem Rahmen und auf dieser Grundlage sind sie entsprechend (lückenfüllend) anwendbar. Dies hat zur Folge, dass bei wirksamer Ausübung des öffentlich-rechtlichen Gestaltungsrechts (verwaltungsrechtliche Willenserklärung) die Rechtsfolgen aus § 389 BGB direkt kraft Gesetzes eintreten. Diese setzen folglich gerade voraus, dass das Recht zu diesem Zeitpunkt noch erfüllbar bestanden hat. Nach Erfüllung bleibt es als Rechtsgrund der Leistung solange bestehen, bis der Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert wird oder sich auf andere Weise erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X). Eine wirksame Verrechnung führt mithin allein zum Erlöschen von Ansprüchen, ohne dass das im Verwaltungsakt festgesetzte Recht - etwa im Wege des Selbstvollzuges - verändert oder sonst geregelt wird. Würde man dennoch der Aufrechnungs- bzw Verrechnungserklärung (auch) die Rechtswirkung entsprechend einer Regelung iS eines Verwaltungsaktes beimessen wollen, so fehlte es insoweit an der für die Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes erforderlichen (parlaments-)gesetzlichen Ermächtigung."

35

Hier werden zwei Argumente gegen die Rechtsform des Verwaltungsakts vorgebracht:

(1) Die Verrechnung wolle nichts am durch Verwaltungsakt bewilligten Rentenanspruch ändern.

(2) Die Verwaltung sei nicht gesetzlich ermächtigt, die Verrechnung durch Verwaltungsakt zu erklären.

36

Zu (1): Hierin kann der Senat keinen Grund sehen, die Verwaltungsaktqualität der Verrechnung zu verneinen. Gemeint scheint die "auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen" gerichtete Regelung eines Einzelfalls iS des § 31 Satz 1 SGB X zu sein, die jedoch nicht davon abhängen kann, ob die Verrechnung am Rentenanspruch selbst etwas ändert(s ferner oben bei 1d). Es genügt, dass der Adressat des Rentenbescheids aufgrund einer wirksam verfügten Verrechnung in dem in ihr festgelegten zeitlichen und betragsmäßigen Umfang das Recht verliert, vom Rentenversicherungsträger monatliche Rentenzahlungen zu verlangen und gegebenenfalls gerichtlich im Wege der Leistungsklage durchzusetzen.

37

Zu (2): Insoweit kann ebenso auf die Ausführungen zu 1d) verwiesen werden.

38

c) Auch sonst sind keine Argumente erkennbar, die den vorlegenden Senat davon überzeugen könnten, von der (mit Ausnahme des 4. Senats) gefestigten Rechtsprechung des BSG zur Verwaltungsaktqualität einer Verrechnungsentscheidung abzugehen (zu den Ausführungen des Antwortbeschlusses des 4. Senats vom 22.9.2009 im Zusammenhang s unter 3.) .

39

Insbesondere besteht keine Rechtsprechung des BVerwG und des BFH zur Rechtsnatur der Verrechnung; deshalb kann die Rechtsauffassung des vorlegenden Senats nicht von einer solchen abweichen. Die Verrechnung stellt ein spezifisch sozialrechtliches Institut dar; sie ist weder im (allgemeinen) Verwaltungs- noch im Steuer- (-verfahrens-) recht bekannt (die "Verrechnung" nach § 10 Abs 3 Satz 1 Abwasserabgabengesetz meint eine vom Gläubiger vorzunehmende Absetzung von der Abgabeschuld) .

40

Auch zum Rechtscharakter der Aufrechnung ist im Übrigen eine sozialrechtliche Lösung ohne Abweichung von anderen obersten Gerichtshöfen des Bundes möglich. Denn es bestehen unterschiedliche Rechtsgrundlagen. Die eigenständige Regelung in § 51 SGB I findet anderswo keine Entsprechung: Im allgemeinen Verwaltungsrecht werden auch ohne einschlägige Regelung die Vorschriften der §§ 387 ff BGB über die Aufrechnung für entsprechend anwendbar gehalten; § 226 der Abgabenordnung 1977 verweist insoweit ausdrücklich auf das bürgerliche Recht. Auch ist keine Rechtsprechung des BVerwG zur Rechtsnatur einer Aufrechnung nach § 51 SGB X ersichtlich(das Urteil vom 19.6.1980 - BVerwGE 60, 240 - geht hierauf nicht ein; der Beschluss vom 6.11.1995 - 5 B 154/95, Buchholz 435.11 § 55 SGB I Nr 2 - hat die Nichtzulassungsbeschwerde mangels Entscheidungserheblichkeit der einschlägigen Rechtsfrage zurückgewiesen) .

41

Zudem lässt sich aus der Möglichkeit der Abtretung oder Pfändung eines Anspruchs auf Sozialleistungen nichts anderes herleiten. Zwar ist der Abtretungsgläubiger (Zessionar) oder Pfändungspfandgläubiger nicht am Sozialversicherungsverhältnis beteiligt; durch Abtretung oder Pfändung werden jedoch weder die Natur des Anspruchs geändert (BSG vom 11.6.1987 - SozR 1300 § 50 Nr 17 S 37) noch in die Rechte des zahlenden oder eines anderen Leistungsträgers (auf Aufrechnung bzw Verrechnung) eingegriffen. Auf- oder Verrechnung gegen Ansprüche auf Sozialleistungen bleiben damit weiter möglich; die entsprechenden Bescheide sind dann jedoch (auch) dem Abtretungs- oder Pfändungspfandgläubiger bekannt zu geben (BSG vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 22 f = SozR 1200 § 54 Nr 13) .

42

Schließlich ist es auch nicht unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Sicherung der Funktionsfähigkeit - insbesondere der Finanzierungsgrundlagen- der Sozialversicherungsträger geboten, die Verrechnung (ebenso die Aufrechnung) im Sozialrecht als öffentlich-rechtliche Willenserklärung ohne Verwaltungsaktcharakter zu qualifizieren, weil nur auf diese Weise die beabsichtigte Wirkung einer vom Versicherungsträger erklärten Verrechnung - die Befriedigung des von dem (anderen) Versicherungsträger gegen den Leistungsempfänger geltend gemachten Anspruchs (Erfüllungswirkung - vgl BSGE 75, 283, 284 f = SozR 3-2400 § 28 Nr 2 S 9 f; s auch BVerwGE 66, 218, 222 sowie BVerwGE 132, 250 RdNr 8, 10) - sofort im Zeitpunkt ihrer Erklärung eintrete und nicht aufgrund eines möglicherweise zeitaufwändigen Verwaltungsverfahrens oder infolge von Rechtsbehelfen des Leistungsempfängers verzögert oder vereitelt werden könne. Der Durchführung eines im Einzelfall gegebenenfalls ermittlungsintensiven Verwaltungsverfahrens bedarf es im Anwendungsbereich der §§ 51, 52 SGB I vor Erklärung einer Verrechnung (Aufrechnung) unabhängig von ihrer Qualifizierung als Verwaltungsakt oder Willenserklärung in jedem Fall. Denn hier erfordert - anders als im allgemeinen Verwaltungsrecht - die Verrechnung (Aufrechnung) nicht nur die Existenz einer gleichartigen und fälligen Gegenforderung, sondern ist durch weitere Voraussetzungen eingeschränkt, die an die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers anknüpfen und nicht zuletzt der Vermeidung des Eintritts von dessen Sozialhilfebedürftigkeit infolge der Verrechnung (Aufrechnung) dienen. Soweit die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen einen Verrechnungsbescheid (Aufrechnungsbescheid) für problematisch erachtet und es - über die bestehende Möglichkeit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 86a Abs 2 Nr 5 SGG hinaus - für erforderlich gehalten wird, im Zusammenhang mit Verrechnungen (Aufrechnungen) die bestehende verfahrensrechtliche Stellung der Sozialleistungsempfänger zugunsten der Versicherungsträger zu beschneiden, obläge es dem Gesetzgeber, durch eine entsprechende Ergänzung von § 86a Abs 2 SGG Abhilfe zu schaffen. Die Außerachtlassung der vom Gesetzgeber selbst in § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X vorgenommenen Zuordnung legitimiert dieses Anliegen jedoch nicht.

43

d) Da der vorlegende Senat der Auffassung ist, dass bereits die Verrechnung selbst durch Verwaltungsakt zu erklären ist, bedarf es beim gegenwärtigen Streitstand keiner Prüfung, ob der angefochtene Bescheid weitere Regelungen (zB über die Höhe des Auszahlungsbetrags) enthält, die als Verwaltungsakt zu qualifizieren sein könnten (s ua hierzu Wehrhahn, SGb 2007, 468; Gabbert, RVaktuell 2008, 192, 195 f) .

44

3. Der 4. Senat hat den Anfragebeschluss des vorlegenden Senats vom 5.2.2009 - B 13 R 31/08 R - mit Beschluss vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - abschlägig beantwortet.

45

a) Die Anfrage war gemäß § 41 Abs 3 Satz 1 SGG an den 4. Senat und nicht etwa an einen Nachfolgesenat zu richten (hierzu BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 69/08 B, BeckRS 2009-53032 RdNr 4 f) . Ein Fall des Satzes 2 der Vorschrift liegt nicht vor. Denn der 4. Senat kann nach wie vor mit der aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Rechtsfrage zur Auslegung des § 52 SGB I befasst werden(zB trotz § 52 letzter Teilsatz iVm § 51 Abs 2 letzter Teilsatz SGB I bei Empfängern des Zuschlags nach § 24 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch) .

46

b) Der vorlegende Senat vermag sich der Argumentation im Antwortbeschluss des 4. Senats aus folgenden Erwägungen nicht anzuschließen:

47

aa) Zu RdNr 6, 7 des Antwortbeschlusses:

Zu den hier angesprochenen Fragen (Bestimmtheit der - in welcher Form auch immer zu äußernden - Verrechnungserklärung/keine Änderung des - wie auch immer zu bestimmenden - "Stammrechts" durch eine Verrechnung) besteht zwischen dem 4. und dem vorlegenden Senat keine unterschiedliche Auffassung.

48

bb) Zu RdNr 8 des Antwortbeschlusses:

Soweit der 4. Senat an der Rechtsmeinung festhält, eine Verrechnung müsse nicht durch Verwaltungsakt erfolgen (die Formulierung hier und am Ende von RdNr 5 erweckt den Eindruck, sie dürfe jedoch fakultativ auch durch Verwaltungsakt erfolgen; hingegen schließt der Entscheidungssatz des Antwortbeschlusses dies aus), fehlt erneut jegliche Auseinandersetzung mit dem zentralen Argument, der Gesetzgeber selbst habe dies für den Bereich des Sozialrechts in § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X ausdrücklich und unzweifelhaft so vorgegeben (s oben unter 1d sowie Anfragebeschluss vom 5.2.2009 - B 13 R 31/08 R, RdNr 16).

49

cc) Zu RdNr 10 f des Antwortbeschlusses:

Die Argumentation des 4. Senats zur Verrechnung mit Ansprüchen nach § 116 SGB X läuft ins Leere. Denn nach der ua vom 4. Senat (Urteil vom 17.9.1981 - SozR 1200 § 51 Nr 12; ebenso BSG 5b. Senat vom 10.3.1982 - SozR aaO Nr 13) begründeten Rechtsprechung des BSG sind Verwaltungsakte über die Aufrechnung mit einer weder anerkannten noch rechtskräftig festgestellten zivilrechtlichen Forderung ohne weitere Prüfung aufzuheben. Entsprechend hat der 4. Senat (unter RdNr 6 des Antwortbeschlusses vom 22.9.2009) - in Übereinstimmung mit dem 13. Senat - selbst daran festgehalten, dass die Rechtmäßigkeit einer Verrechnungserklärung die Bezeichnung einer bestands- oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderung des ermächtigenden Leistungsträgers voraussetze. Existiert die - nach Anhörung des Betroffenen gemäß § 24 SGB X - in einem Verrechnungsbescheid als rechtskräftig festgestellt benannte Gegenforderung in Wirklichkeit nicht, kann ein gleichwohl bestandskräftig gewordener Verrechnungsbescheid gemäß § 44 SGB X auch noch nachträglich korrigiert werden (wobei die praktische Relevanz einer solchen Konstellation fraglich erscheint).

50

dd) Zu RdNr 12 des Antwortbeschlusses:

Soweit der 4. Senat eine "Umdrehung der Rollenverteilung" durch Aufdrängen der "Angreiferrolle" hinsichtlich der zur Verrechnung gestellten Gegenforderung an den Sozialleistungsempfänger/Rentner beklagt, ist nicht erkennbar, inwiefern dies bei der vom 4. Senat vertretenen Konzeption der Verrechnung als öffentlich-rechtlicher Willenserklärung anders sein soll. Unterschiede bestehen allerdings im Hinblick darauf, dass die Umsetzung einer Verrechnung in der verwaltungsverfahrensrechtlichen Handlungsform eines Verwaltungsakts regelmäßig (abgesehen von den Fällen des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X) eine vorherige Anhörung des Betroffenen erfordert und diesem auch noch eine verwaltungsinterne Überprüfung im Widerspruchsverfahren eröffnet, bevor sie ihn in das gerichtliche Klageverfahren zur Geltendmachung seiner Rechte zwingt. In Wirklichkeit verstärkt somit eine als Verwaltungsakt zu erklärende Verrechnung die verfahrensrechtliche Position des Sozialleistungsempfängers.

51

ee) Zu RdNr 13 des Antwortbeschlusses (Abweichung von Rechtsprechung des BVerwG oder BFH) sei auf die einschlägigen, großteils bereits im Anfragebeschluss enthaltenen Hinweise (s oben bei 2 c) Bezug genommen.

52

ff) Zu RdNr 15 des Antwortbeschlusses:

Soweit der 4. Senat meint, er sei mit seinem Urteil vom 24.7.2003 (SozR 4-1200 § 52 Nr 1) nicht von anderen Senaten des BSG (Bezug genommen wird lediglich auf die Entscheidung des 7. Senats vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13) iS des § 41 Abs 2 SGG abgewichen, beruft er sich ausschließlich darauf, dass entgegenstehende Ausführungen in den Entscheidungen anderer Senate nicht "näher begründet" gewesen seien. Allerdings kann auch dann eine zur Vorlage an den Großen Senat verpflichtende Abweichung in den tragenden Gründen vorliegen (deutlich zB bei BSG - 11. Senat - vom 9.11.1989 - BSGE 66, 63, 68 f = SozR 1200 § 51 Nr 17) . Im Übrigen findet sich in der im Antwortbeschluss allein zitierten Entscheidung des 7. Senats (aaO) die nähere Begründung in der Gestalt von vier Literaturnachweisen und ist die bewusste Abweichung hiervon im Urteil des 4. Senats vom 24.7.2003 deutlich ausgewiesen (s BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 8 am Ende: "Aufrechnungs- bzw Verrechnungserklärung als Verwaltungsakt: … BSGE 53, 208, 209 = SozR 1200 § 52 Nr 6; BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13; BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32").

Tenor

Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Berechtigung der Beklagten, Ansprüche der Beigeladenen mit der Altersrente des Klägers durch Verwaltungsakt zu verrechnen.

2

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit Oktober 2003 Altersrente. Nachdem die Beigeladene die Beklagte im Oktober 2005 schriftlich zur Verrechnung einer Forderung in Höhe von damals über 53 000 Euro (Erstattung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie Ersatz von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nebst Mahnkosten) mit Leistungsansprüchen des Klägers gegen die Beklagte ermächtigt hatte, erklärte diese gegenüber dem Kläger nach dessen Anhörung, der Anspruch der Beigeladenen werde "mit dem Anspruch auf Rente in der Weise verrechnet, dass ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt monatlich 436 Euro von der Rentenzahlung einbehalten und an die Beigeladene bis zur Tilgung der Forderung gezahlt" würden (Bescheid vom 21.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 13.6.2006).

3

Die Klage hiergegen hatte erst- und zweitinstanzlich insoweit Erfolg, als der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben wurde, weil eine Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt habe vorgenommen werden dürfen (Urteil des SG vom 27.7.2007; Urteil des LSG vom 7.2.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Prüfung beschränke sich darauf, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Verrechnungserklärung in Form eines Verwaltungsakts abzugeben. Hierfür fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigung; weil es sich bei der Verrechnungserklärung in der Sache nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung handele, müsse diese als rechtswidriger "formeller Verwaltungsakt" aufgehoben werden.

4

Der im Revisionsverfahren mit der Sache befasste 13. Senat des BSG beabsichtigt, das Berufungsurteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, sieht sich jedoch hieran durch das Urteil des 4. Senats vom 24.7.2003 (SozR 4-1200 § 52 Nr 1)gehindert, weil er, wenn er seiner Entscheidung die Rechtsauffassung dieses Urteils zugrunde legen würde, die Verrechnung nach § 52 SGB I erfolge nicht durch Verwaltungsakt, die Revision zurückweisen müsse.

5

Auf Anfrage hat der 4. Senat an seiner Rechtsprechung festgehalten (Beschluss vom 22.9.2009); der 13. Senat hat deshalb dem Großen Senat die Rechtsfrage vorgelegt (Beschluss vom 25.2.2010),

        

ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären sei.

6

II. Die Vorlage ist zulässig (§ 41 Abs 2 und 3 SGG); insbesondere ist die vom 13. Senat aufgeworfene Frage bei sachgerechter Auslegung im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich.

7

Unabhängig von der Formulierung der Anfrage des 13. Senats scheitert die Bejahung der Entscheidungserheblichkeit nicht bereits daran, dass das Urteil des LSG wegen Verstoßes gegen § 155 Abs 3 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen wäre, weil in der Berufungsinstanz der Vorsitzende als Einzelrichter entschieden, gleichzeitig aber die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt hierin zwar regelmäßig ein absoluter Revisionsgrund (BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, jeweils RdNr 11 ff und 22 f); jedoch rechtfertigen vorliegend besondere Umstände die Entscheidung des Vorsitzenden, sodass die Handhabung des § 155 Abs 3 SGG nicht ermessensfehlerhaft ist(vgl zu solchen Gründen: BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 11 f; SozR 4-4300 § 53 Nr 4 RdNr 14).

8

Zum einen ist in der vorausgegangenen Anfrage an die Beteiligten, ob einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter zugestimmt werde, bereits ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass "aller Voraussicht nach die Revision zuzulassen sein" werde. Zum anderen hat der für den Senat entscheidende Vorsitzende keine von der Rechtsprechung seines Senats abweichende eigenständige Rechtsprechung begründet, sondern ist vielmehr ausdrücklich jener und der des 4. Senats des BSG gefolgt; die Revision wurde lediglich mit der Erwägung zugelassen, angesichts der zwischen dem 4. und 13. Senat des BSG zu Tage getretenen Unterschiede in der Bewertung der Rechtsnatur der Verrechnungserklärung rasch eine höchstrichterliche Klärung der Streitfrage ermöglichen zu wollen. Dies entzieht den Beteiligten jedenfalls nicht die für die letztverbindliche Entscheidung der Streitfrage zuständigen Richter des BSG, sondern öffnet den Weg zu ihnen in Übereinstimmung mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung (vgl hierzu: BSG SozR 4-4300 § 53 Nr 4 RdNr 14; BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, jeweils RdNr 21).

9

Der Klage kann auch nicht das Rechtsschutzinteresse abgesprochen werden (vgl dazu BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 43/07 R - RdNr 16). Im Hinblick darauf, dass die Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen noch nicht insgesamt beglichen ist, haben alle Beteiligten ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob ein Verwaltungsakt hat ergehen dürfen.

10

Die Entscheidung des Großen Senats erfordert indes eine Auslegung der Anfrage des 13. Senats. Sie kann bereits vom Ansatz her und unter Beachtung des Erfordernisses der Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren nicht so umfassend gemeint sein, wie der Wortlaut nahelegen könnte. Eine Divergenz misst sich immer an der zugrundeliegenden Fallgestaltung; darauf fußend kann der 13. Senat nur geklärt wissen wollen, ob bei der konkreten Konstellation für die Verrechnung die Handlungsform des Verwaltungsakts rechtmäßig gewählt wurde. Seine in der Anfrage gewählte Formulierung ("ob eine Verrechnung nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären ist") ist vor diesem Hintergrund streitgegenständlich zu konkretisieren.

11

Dies bedeutet, dass eine Antwort bezogen auf den Verrechnenden nur für die einseitige, nicht für die vertraglich zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungsempfänger geregelte, Verrechnung verlangt wird; erfasst wird auch nur die Verrechnung mit einer öffentlich-rechtlichen, nicht mit einer privatrechtlichen, Forderung. Auszuklammern sind - bezogen auf den Verrechnungsgegner - zudem die Sachverhaltsvarianten,

        

- dass dieser nicht Inhaber eines Sozialleistungsanspruchs (§ 11 SGB I) ist

        

- oder den Sozialleistungsanspruch im Wege einer Rechtsnachfolge erworben hat.

Es kann deshalb offen bleiben, ob bzw inwieweit die bezeichneten Konstellationen überhaupt von § 52 SGB I erfasst werden. Nicht entscheidungserheblich für das Ausgangsverfahren - deshalb vom 13. Senat zu Recht nicht angefragt - ist außerdem die Rechtsnatur einer Aufrechnung im Sinne des § 51 SGB I bzw sonstiger sozialrechtlicher Vorschriften.

12

Wie der Tenor des Anfragebeschlusses des 13. Senats vom 5.2.2009 gegenüber dem 4. Senat zeigt (nicht Erklärung durch Verwaltungsakt, sondern Ausübung durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung), ist das Anliegen des 13. Senats dabei nicht isoliert die Klärung der rechtlichen Qualität der bloßen Erklärung "zu verrechnen", sondern die des Gesamtaktes der Verrechnung. Diese ist in der Praxis nämlich regelmäßig mit (notwendigen) Konkretisierungen der Rechtsfolge (zB Umfang und Beginn) verbunden. Was im Einzelnen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Empfängerhorizonts (vgl dazu: BSGE 67, 104, 110 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; vgl auch BSG, Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - RdNr 18) zu verlangen ist, bzw ob die gewählte Formulierung hinreichend bestimmt ist (§ 33 Abs 1 SGB X), um überhaupt einen Verwaltungsakt bzw einen rechtmäßigen Verwaltungsakt annehmen zu können, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall und unterliegt nicht der Beurteilung des Großen Senats.

13

Es ist auch nicht darüber zu befinden, ob das gegenseitige Erlöschen der verrechneten Forderungen ausdrücklich erklärt werden muss oder ob es genügt, dass sich diese Rechtsfolge in entsprechender Anwendung des § 389 BGB aus dem Gesetz ergibt. Ebenso wenig ist zu entscheiden, ob bzw inwieweit trotz ggf rechtswidrigen Verwaltungsakts eine darin enthaltene wirksame Verrechnung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung zu sehen sein kann (vgl zum Form-Verwaltungsakt: BSG, Urteil vom 16.12.2009 - B 7 AL 43/07 R - RdNr 16; BFHE 157, 8 ff) oder ob sich die Annahme einer Verwaltungsaktqualität und die einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung nicht gegenseitig ausschließen, weil auch die Willenserklärung eine hinreichend konkrete Angabe der gewollten Rechtsfolgen enthalten muss. Die Vorlagefrage ist schließlich unter dem Blickwinkel der Entscheidungserheblichkeit nur dahin zu verstehen, ob eine Verrechnung erklärt werden darf; denn im Ausgangsfall ist die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt worden.

14

Unter diesen Vorgaben und mit den beschriebenen Einschränkungen ist die Anfrage an den Großen Senat im Ausgangsverfahren des 13. Senats entscheidungserheblich. Wäre der Entscheidung des 4. Senats zu folgen, wären die Revisionen der Beklagten und Beigeladenen zurückzuweisen; wäre die Rechtsfrage im Sinne der Anfrage zu entscheiden, müsste der 13. Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, weil es zumindest an erforderlichen Tatsachenfeststellungen für die Beantwortung folgender Rechtsfragen fehlt:

        

-       

Bestehen der von der Beigeladenen gegen den Kläger geltend gemachten Forderungen,

        
        

-       

Pfändbarkeit der Rentenansprüche des Klägers gegen die Beklagte (§ 52 SGB I iVm § 51 Abs 1 SGB I),

        
        

-       

Voraussetzungen des § 51 Abs 2 SGB I (Verrechnung höchstens zur Hälfte; keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII oder dem SGB II),

        
        

-       

ordnungsgemäße Ausübung des der Beklagten zustehenden Ermessens.

        
15

Geht man vom umschriebenen Verständnis zur Durchführung der einseitigen Verrechnung aus, so kann diese alle Voraussetzungen eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X erfüllen. Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt schon darin, dass die im Bescheid enthaltene (konkretisierte) Verrechnungserklärung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten hat, indem sie diesen, soweit die Verrechnungserklärung reicht, erlöschen lässt (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 17 f). Dass sich dies bereits aus dem Gesetz (entsprechend § 389 BGB) ergibt, ändert hieran nichts; die Rechtsfolge tritt jedenfalls ohne weiteren Umsetzungsakt ein (vgl zu dieser Voraussetzung BSGE 75, 97, 107 = SozR 3-4100 § 116 Nr 2 S 56; vgl auch BSG SozR 3-2200 § 306 Nr 2 S 7). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl zu diesem Merkmal nur U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 104 mwN); dahinstehen kann, ob diesem Gesichtspunkt gegenüber den anderen Voraussetzungen überhaupt ein eigenes Gewicht zukommt.

16

Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes keiner über § 52 SGB I hinausgehenden Ermächtigung. Wie für die Aufrechnung (vgl nur: BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 78, 132, 134 = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 16) hat das BSG für die Verrechnung (vgl nur: BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32) als besonderer Form der Aufrechnung (BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 38; BSGE 67, 143, 155 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 14) lange Zeit mehr oder minder selbstverständlich angenommen, dass die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt werden darf (vgl dazu auch den Vorlagebeschluss des 13. Senats unter RdNr 26); es hat dabei eine unmittelbare Anwendung der §§ 387 ff BGB, die eine Durchführung der Aufrechnung oder der Verrechnung durch (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung nahelegen könnten, abgelehnt und stattdessen formuliert, die Vorschriften bzw Grundsätze des BGB seien (nur) entsprechend anwendbar(BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, jeweils RdNr 17; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, jeweils RdNr 11; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 11 S 55 f; SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15; SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32; SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 8 mwN).

17

Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eines SGB I (BT-Drucks 7/868, S 22) ist von demselben Verständnis getragen. Darin wird hervorgehoben, die Vorschriften des Dritten Abschnitts des SGB I gingen davon aus, dass die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, die durch Konkretisierung von Verfassungsnormen und durch entsprechende Anwendung von Regelungen anderer Rechtsgebiete, insbesondere des Bürgerlichen Rechts, von Wissenschaft und Rechtsprechung erarbeitet worden seien, auch in das Sozialrecht (nur) ausstrahlten. Die zivilrechtlichen Normen sind aber von § 52 SGB I die Rechtsnatur der Verrechnung gestaltend überlagert. § 52 SGB I enthält ein spezifisches "Sonderrecht"; eine vergleichbare Regelung, mit der das Erfordernis der Personenidentität für die Gegenseitigkeit der Forderungen aufgehoben wird, ist im öffentlichen Recht ansonsten bzw im Zivilrecht nicht ersichtlich. § 52 SGB I beseitigt damit eine für die Aufrechnung nach §§ 387 ff BGB strukturwesentliche Voraussetzung. Es kann dahinstehen, ob § 52 SGB I allein schon deshalb als Ermächtigungsnorm zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu verstehen ist; jedenfalls bedarf die Verwaltung über § 52 SGB I hinaus für ein Handeln durch Verwaltungsakt keiner weiteren (ausdrücklichen) Ermächtigungsgrundlage, weil sich die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts zumindest aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses ergibt(vgl dazu in anderem Zusammenhang: BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 S 16 mwN; BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 - 3 C 19/10).

18

Dies sieht der Gesetzgeber in § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X ebenso; dort ist ein Verzicht auf die Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsaktes vorgesehen, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes wird mithin stillschweigend vorausgesetzt. Dem widerspricht nicht, dass der Gesetzgeber in § 42a Abs 2, § 43 Abs 4 SGB II mit Wirkung ab 1.4.2011 expressis verbis den Erlass eines (schriftlichen) Verwaltungsakts für die Aufrechnung vorgeschrieben hat. Abgesehen davon, dass diese Vorschriften inhaltlich für eine Verrechnung keine Bedeutung gewinnen können, sind diese Neuregelungen des SGB II kein Beleg dafür, dass für die Verrechnung eine über § 52 SGB I hinausgehende Ermächtigung erforderlich sein soll.

19

Mit seiner Entscheidung weicht der Große Senat des BSG schließlich nicht von Entscheidungen des BGH (Beschluss vom 22.3.2004 - NotZ 16/03 -, NJW-RR 2004, 1432 ff), des BVerwG (BVerwGE 66, 218 ff; 132, 250 ff) oder des BFH (BFHE 149, 482, 489 f; 178, 306 ff) ab, die bei der einseitigen Ausübung der hier ohnedies nicht streitgegenständlichen Aufrechnung die Rechtsnatur als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bestimmen. Die bezeichneten Entscheidungen beruhen auf anderen Rechtsgrundlagen und sind nicht zu den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften, insbesondere nicht zur Verrechnung nach § 52 SGB I, ergangen.

(1) Die Krankenkassen können Verträge mit den in Absatz 3 genannten Leistungserbringern über eine besondere Versorgung der Versicherten abschließen. Die Verträge ermöglichen eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende oder eine interdisziplinär fachübergreifende Versorgung (integrierte Versorgung) sowie besondere Versorgungsaufträge unter Beteiligung der Leistungserbringer oder deren Gemeinschaften. Die Verträge können auch Regelungen enthalten, die die besondere Versorgung regional beschränken. Verträge, die nach den §§ 73a, 73c und 140a in der am 22. Juli 2015 geltenden Fassung geschlossen wurden, sind spätestens bis zum 31. Dezember 2024 durch Verträge nach dieser Vorschrift zu ersetzen oder zu beenden. Soweit die Versorgung der Versicherten nach diesen Verträgen durchgeführt wird, ist der Sicherstellungsauftrag nach § 75 Absatz 1 eingeschränkt. Satz 4 gilt nicht für die Organisation der vertragsärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten.

(2) Die Verträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels, des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen beinhalten. Die Verträge können auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20i, 25, 26, 27b, 37a und 37b sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen. Die Sätze 1 und 2 gelten insoweit, als über die Eignung der Vertragsinhalte als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 oder im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c Absatz 1 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die abweichende Regelung muss dem Sinn und der Eigenart der besonderen Versorgung entsprechen, sie muss insbesondere darauf ausgerichtet sein, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu verbessern. Wenn Verträge über eine besondere Versorgung zur Durchführung von nach § 92a Absatz 1 Satz 1 und 2 geförderten neuen Versorgungsformen abgeschlossen werden, gelten die Anforderungen an eine besondere Versorgung nach Absatz 1 Satz 1 und 2 und die Anforderungen nach Satz 4 als erfüllt. Das gilt auch für Verträge zur Fortführung von nach § 92a Absatz 1 Satz 1 und 2 geförderten neuen Versorgungsformen oder wesentlicher Teile daraus sowie für Verträge zur Übertragung solcher Versorgungsformen in andere Regionen. Für die Qualitätsanforderungen zur Durchführung der Verträge gelten die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie die in den Bundesmantelverträgen für die Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung beschlossenen Anforderungen als Mindestvoraussetzungen entsprechend. Gegenstand der Verträge dürfen auch Vereinbarungen sein, die allein die Organisation der Versorgung betreffen. Die Partner eines Vertrages nach Absatz 1 können sich darauf verständigen, dass Beratungs-, Koordinierungs- und Managementleistungen der Leistungserbringer und der Krankenkassen zur Versorgung der Versicherten im Rahmen der besonderen Versorgung durch die Vertragspartner oder Dritte erbracht werden; § 11 Absatz 4 Satz 5 gilt entsprechend. Vereinbarungen über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein.

(3) Die Krankenkassen können nach Maßgabe von Absatz 1 Satz 2 Verträge abschließen mit:

1.
nach diesem Kapitel zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder deren Gemeinschaften,
2.
Trägern von Einrichtungen, die eine besondere Versorgung durch zur Versorgung der Versicherten nach dem Vierten Kapitel berechtigte Leistungserbringer anbieten,
3.
Pflegekassen und zugelassenen Pflegeeinrichtungen auf der Grundlage des § 92b des Elften Buches,
3a.
anderen Leistungsträgern nach § 12 des Ersten Buches und den Leistungserbringern, die nach den für diese Leistungsträger geltenden Bestimmungen zur Versorgung berechtigt sind,
3b.
privaten Kranken- und Pflegeversicherungen, um Angebote der besonderen Versorgung für Versicherte in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung zu ermöglichen,
4.
Praxiskliniken nach § 115 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1,
5.
pharmazeutischen Unternehmern,
6.
Herstellern von Medizinprodukten im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745,
7.
Kassenärztlichen Vereinigungen oder Berufs- und Interessenverbänden der Leistungserbringer nach Nummer 1 zur Unterstützung von Mitgliedern, die an der besonderen Versorgung teilnehmen,
8.
Anbietern von digitalen Diensten und Anwendungen nach § 68a Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 und 3.
Die Partner eines Vertrages über eine besondere Versorgung nach Absatz 1 können sich auf der Grundlage ihres jeweiligen Zulassungsstatus für die Durchführung der besonderen Versorgung darauf verständigen, dass Leistungen auch dann erbracht werden können, wenn die Erbringung dieser Leistungen vom Zulassungs-, Ermächtigungs- oder Berechtigungsstatus des jeweiligen Leistungserbringers nicht gedeckt ist. Bei Verträgen mit Anbietern von digitalen Diensten und Anwendungen nach Nummer 8 sind die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.

(3a) Gegenstand der Verträge kann sein

1.
die Förderung einer besonderen Versorgung, die von den in Absatz 3 genannten Leistungserbringern selbständig durchgeführt wird, oder
2.
die Beteiligung an Versorgungsaufträgen anderer Leistungsträger nach § 12 des Ersten Buches.
Die Förderung und Beteiligung nach Satz 1 dürfen erfolgen, soweit sie dem Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung dienen.

(3b) Gegenstand der Verträge kann eine besondere Versorgung im Wege der Sach- oder Dienstleistung sein

1.
im Einzelfall, wenn medizinische oder soziale Gründe dies rechtfertigen, oder
2.
in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung der vom Versicherten selbst beschafften Leistungen vorliegen.
Verträge nach Satz 1 können auch mit nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern geschlossen werden, wenn eine dem Versorgungsniveau in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichwertige Versorgung gewährleistet ist.

(4) Die Versicherten erklären ihre freiwillige Teilnahme an der besonderen Versorgung schriftlich oder elektronisch gegenüber ihrer Krankenkasse. Die Versicherten können die Teilnahmeerklärung innerhalb von zwei Wochen nach deren Abgabe schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung an die Krankenkasse. Die Widerrufsfrist beginnt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten eine Belehrung über sein Widerrufsrecht schriftlich oder elektronisch mitgeteilt hat, frühestens jedoch mit der Abgabe der Teilnahmeerklärung. Das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten, insbesondere zur zeitlichen Bindung an die Teilnahmeerklärung, zur Bindung an die vertraglich gebundenen Leistungserbringer und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten, regeln die Krankenkassen in den Teilnahmeerklärungen. Die Satzung der Krankenkasse hat Regelungen zur Abgabe der Teilnahmeerklärungen zu enthalten. Die Regelungen sind auf der Grundlage der Richtlinie nach § 217f Absatz 4a zu treffen.

(4a) Krankenkassen können Verträge auch mit Herstellern von Medizinprodukten nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 6 über die besondere Versorgung der Versicherten mit digitalen Versorgungsangeboten schließen. Absatz 1 Satz 2 ist nicht anzuwenden. In den Verträgen ist sicherzustellen, dass über eine individualisierte medizinische Beratung einschließlich von Therapievorschlägen hinausgehende diagnostische Feststellungen durch einen Arzt zu treffen sind. Bei dem einzubeziehenden Arzt muss es sich in der Regel um einen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt handeln.

(5) Die Verarbeitung der für die Durchführung der Verträge nach Absatz 1 erforderlichen personenbezogenen Daten durch die Vertragspartner nach Absatz 1 darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information der Versicherten erfolgen.

(6) Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Absatz 3 Satz 2 gilt § 73b Absatz 7 entsprechend; falls eine Vorabeinschreibung der teilnehmenden Versicherten nicht möglich ist, kann eine rückwirkende Bereinigung vereinbart werden. Die Krankenkasse kann bei Verträgen nach Absatz 1 auf die Bereinigung verzichten, wenn das voraussichtliche Bereinigungsvolumen einer Krankenkasse für einen Vertrag nach Absatz 1 geringer ist als der Aufwand für die Durchführung dieser Bereinigung. Der Bewertungsausschuss hat in seinen Vorgaben gemäß § 87a Absatz 5 Satz 7 zur Bereinigung und zur Ermittlung der kassenspezifischen Aufsatzwerte des Behandlungsbedarfs auch Vorgaben zur Höhe des Schwellenwertes für das voraussichtliche Bereinigungsvolumen, unterhalb dessen von einer basiswirksamen Bereinigung abgesehen werden kann, zu der pauschalen Ermittlung und Übermittlung des voraussichtlichen Bereinigungsvolumens an die Vertragspartner nach § 73b Absatz 7 Satz 1 sowie zu dessen Anrechnung beim Aufsatzwert der betroffenen Krankenkasse zu machen.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge mit dem Ziel, durch enge Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten zu gewährleisten.

(2) Die Verträge regeln insbesondere

1.
die Förderung des Belegarztwesens und der Behandlung in Einrichtungen, in denen die Versicherten durch Zusammenarbeit mehrerer Vertragsärzte ambulant und stationär versorgt werden (Praxiskliniken),
2.
die gegenseitige Unterrichtung über die Behandlung der Patienten sowie über die Überlassung und Verwendung von Krankenunterlagen,
3.
die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes; darüber hinaus können auf Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ergänzende Regelungen zur Vergütung vereinbart werden,
4.
die Durchführung einer vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus nach § 115a einschließlich der Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Verhinderung von Mißbrauch; in den Verträgen können von § 115a Abs. 2 Satz 1 bis 3 abweichende Regelungen vereinbart werden,
5.
die allgemeinen Bedingungen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus,
6.
ergänzende Vereinbarungen zu Voraussetzungen, Art und Umfang des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a.
Sie sind für die Krankenkassen, die Vertragsärzte und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar verbindlich.

(3) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das zuständige sektorenübergreifende Schiedsgremium gemäß § 89a.

(3a) (weggefallen)

(4) Kommt eine Regelung nach Absatz 1 bis 3 bis zum 31. Dezember 1990 ganz oder teilweise nicht zustande, wird ihr Inhalt durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmt. Eine Regelung nach den Absätzen 1 bis 3 ist zulässig, solange und soweit die Landesregierung eine Rechtsverordnung nicht erlassen hat.

(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam sollen Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.