Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2012 - XII ZR 164/09

bei uns veröffentlicht am14.03.2012
vorgehend
Amtsgericht Leipzig, 336 F 1929/05, 30.04.2009
Oberlandesgericht Dresden, 20 UF 331/09, 18.09.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 164/09 Verkündet am:
14. März 2012
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen Klageanspruch
nicht wenigstens teilweise weiter verfolgt und damit die Richtigkeit des angefochtenen
Urteils in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen
neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Eine bloße
Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht das alleinige Ziel des Rechtsmittels
sein (im Anschluss an BGH Urteile vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99 - NJW
2001, 226 und vom 9. Juli 2002 - KZR 13/01 - veröffentlicht bei juris).
BGH, Urteil vom 14. März 2012 - XII ZR 164/09 - OLG Dresden
AG Leipzig
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. März 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin
Weber-Monecke und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer und Dr. Günter

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 18. September 2009 wird auf Kosten der Klägerin zu 2 verworfen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Kindesunterhalt.
2
Die Beklagte ist die Großmutter der am 10. Juli 1998 geborenen Klägerin zu 2. Die Eltern sind, wie auch die übrigen Großeltern, leistungsunfähig. Die Mutter, bei der die Klägerin zu 2 lebt, erhält für sie das staatliche Kindergeld und hat in der Zeit von August 2004 bis einschließlich Juli 2010 für sie Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezogen.
3
Mit ihrer Klage hatte die Klägerin zu 2 ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie monatlichen Kindesunterhalt ab dem 1. Mai 2005 in Höhe von 147 % des Regelbetrags gemäß § 2 der Regelbetrag-Verordnung und ab dem 1. Januar 2008 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts zu zahlen. Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin zu 2 ab Rechtskraft des Urteils 21 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe und ab dem 1. August 2010 21 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe zu zahlen.
4
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin zu 2 zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes bis Juni 2010 97 % und ab Juli 2010 108 % des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612 a BGB zu zahlen. Auf einen Hinweis der Vorsitzenden, "ab wann sie Unterhalt von der Großmutter" verlange und ob weiterhin Unterhalt ab dem 1. Mai 2005 geltend gemacht werde, teilte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 2 mit, dass Unterhalt für die Zukunft geltend gemacht werde. Im Verhandlungstermin vor dem Oberlandesgericht stellte die Prozessbevollmächtigte den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2 "ab Rechtskraft der Entscheidung 100 % Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftiges Kindergeld zu zahlen".
5
Das Oberlandesgericht hat dem Antrag für die Zeit bis zum 31. Juli 2010 teilweise und im Übrigen in voller Höhe stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin zu 2 monatlichen Unterhalt ab Rechtskraft des Urteils in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes und der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und ab dem 1. August 2010 100 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe nur noch abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Klägerin zu 2, mit der sie einen nur durch das hälftige Kindergeld gekürzten Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe schon für die Zeit ab dem 1. Mai 2005 und nicht erst ab Rechtskraft des Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision ist unzulässig und deswegen nach § 552 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.
7
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100).

I.

8
Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2010, 736 veröffentlicht ist, hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Die Beklagte sei ihrer Enkelin dem Grunde nach zum Unterhalt verpflichtet, zumal beide Eltern und die übrigen Großeltern nicht leistungsfähig seien. Der Unterhaltsbedarf der minderjährigen Klägerin zu 2 richte sich nach ihrer von den Eltern abgeleiteten Lebensstellung, die beide nicht leistungsfähig seien. Die Klägerin zu 2 könne deswegen lediglich den Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB verlangen.
9
Der Bedarf sei durch das nach § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB anrechenbare hälftige Kindergeld gedeckt. Daneben seien auch die Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse bedarfsdeckend zu berücksichtigen. Unterhaltsvorschussleistungen seien nur im Verhältnis zum barunterhaltspflichtigen Elternteil subsidiär. Im Verhältnis zu den Großeltern seien sie anzurechnendes Einkommen des Kindes und minderten dessen Bedürftigkeit. Dies gelte sowohl für bereits gezahlte als auch für noch zu gewährende Unterhaltsvorschussleistungen. Der Klägerin zu 2 sei bis einschließlich Dezember 2009 ein monatlicher Unterhaltsvorschuss in Höhe von 158 € bewilligt; der Anspruch bestehe voraussichtlich auch darüber hinaus bis zum 31. Juli 2010. Im Juli 2010 werde die Klägerin zu 2 12 Jahre alt und könne Unterhalt nach der dritten Altersstufe verlangen. Das hälftige Kindergeld sei laufend auf ihren Unterhaltsbedarf anzurechnen, der monatliche Unterhaltsvorschuss noch bis Juli 2010.
10
Die Beklagte sei auf der Grundlage ihres um berufsbedingte Aufwendungen bereinigten monatlichen Nettoeinkommens von 2.690 € auch unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflichten gegenüber einem weiteren Enkelkind leistungsfähig. Eine Unterhaltspflicht für ihr drittes Enkelkind habe sie nicht hinreichend dargelegt.
11
Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen, da die Frage, "ob Unterhaltsvorschussleistungen im Verhältnis zu den Großeltern anrechenbare Einkünfte sind, die die Bedürftigkeit des Kindes mindern, in Rechtsprechung und Literatur teilweise - thesenhaft - anders beantwortet" werde.

II.

12
Die Revision der Klägerin zu 2 ist unzulässig, weil sie durch das angefochtene Urteil nicht beschwert ist.
13
1. Die Klägerin zu 2 hatte im Berufungsverfahren beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Entscheidung 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin zu 2 monatlichen Unterhalt für die Zeit zwischen Rechtskraft des Urteils und dem 31. Juli 2010 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes und abzüglich der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sowie für die Zeit ab dem 1. August 2010 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergelds zu zahlen.
14
Weil die Rechtskraft des Urteils nicht vor dem 31. Juli 2010 eingetreten ist, entfaltet der Tenor der angefochtenen Entscheidung nur für die Folgezeit Wirkung, für die die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin zu 2 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe nur abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Insoweit hat das Oberlandesgericht dem Berufungsantrag der Klägerin zu 2 in vollem Umfang stattgegeben. Die Klägerin zu 2 ist durch die angefochtene Entscheidung somit nicht beschwert.
15
2. Auch soweit die Klägerin zu 2 in ihrem Revisionsantrag den nur um das hälftige Kindergeld geminderten Mindestunterhalt nicht erst für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils, sondern bereits für die Zeit ab dem 1. Mai 2005 begehrt , führt dies nicht zur Zulässigkeit der Revision.
16
Mit diesem Antrag, mit dem sie jedenfalls für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis zum 31. Juli 2010 weiteren Unterhalt in Höhe der Unterhaltsvorschussleistungen begehrt, wäre im Verhältnis zum Berufungsantrag eine Klagerweiterung verbunden. Darauf, dass in der Revisionsinstanz grundsätzlich keine Klagerweiterung zulässig ist (vgl. insoweit BGH Urteile vom 4. Mai 1961 - III ZR 222/59 - NJW 1961, 1467 f. und vom 16. April 1962 - VII ZR 252/60 - MDR 1962, 562), kommt es hier allerdings nicht an.
17
Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt ein zulässiges Rechtsmittel voraus, dass der Rechtsmittelführer damit die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Ein Rechtsmittel ist daher unzulässig, wenn es den in der Vorinstanz erhobenen und abgewiesenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiter verfolgt und damit die Richtigkeit des angefochtenen Urteils in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Eine bloße Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht das alleinige Ziel des Rechtsmittels sein; sie setzen vielmehr ein bereits zulässiges Rechtsmittel voraus (vgl. zur Berufung BGH Urteile vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99 - NJW 2001, 226 und vom 9. Juli 2002 - KZR 13/01 - veröffentlicht bei juris).
18
3. Der Senat hat die von der Revision gerügten Verfahrensmängel geprüft , aber nicht für durchgreifend erachtet.
19
a) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin zu 2 begründet der Hinweis des Oberlandesgerichts zu sachdienlichen Berufungsanträgen keinen revisionsrechtlich relevanten Verfahrensmangel. Nachdem die Klägerin zu 2 in ihrem schriftlich angekündigten Berufungsantrag keinen Beginn für die laufenden Unterhaltsleistungen genannt hatte, hatte das Berufungsgericht sie darauf hingewiesen, dass den Berufungsanträgen nicht zu entnehmen sei, ab wann sie Unterhalt von der Großmutter verlange und ob weiterhin ab dem 1. Mai 2005 Unterhalt geltend gemacht werden solle. Dies entspricht der Verpflichtung des Gerichts aus § 139 Abs. 1 ZPO auf sachdienliche Anträge hinzuwirken. Darauf hatte die Klägerin zu 2 schon vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 10. Juli 2009 reagiert und angekündigt, Unterhalt "für die Zukunft" geltend machen zu wollen. Dem lag die Rechtsauffassung zugrunde, dass bereits geleistete Zahlungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bedarfsdeckend anzurechnen sind und nach Anrechnung des hälftigen Kindergeldes sowie der Unterhaltsvorschussleistungen kein ungedeckter Unterhaltsbedarf mehr verblieb. Entsprechend hat sie in der mündlichen Verhandlung lediglich Unterhalt "ab Rechtskraft der Entscheidung" begehrt. An diese Anträge war das Berufungsgericht gemäß § 528 Satz 1 ZPO gebunden.
20
b) Der weitergehende Hinweis des Oberlandesgerichts, der Bedarf der Klägerin zu 2 "dürfte" durch Anrechnung des hälftigen Kindergeldes und Zahlung des Unterhaltsvorschusses gedeckt sein, ist zwar unzutreffend. Denn ein Unterhaltsvorschuss wird nach § 2 Abs. 1, 2 UVG grundsätzlich in Höhe des Mindestunterhalts abzüglich des vollen Kindergeldes gezahlt. Wenn zusätzlich das auf den Barunterhalt entfallende hälftige Kindergeld nach § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB auf den Unterhaltsbedarf angerechnet wird, verbleibt jedenfalls ein ungedeckter Unterhaltsbedarf in Höhe des hälftigen Kindergeldes.
21
Der fehlerhafte rechtliche Hinweis des Berufungsgerichts kann allerdings unabhängig von den Auswirkungen auf die Berufungsanträge keinen revisionsrechtlich relevanten Mangel des Berufungsverfahrens begründen. Die Frage, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann vom Standpunkt des Vorderrichters aus zu beurteilen, wenn der Hinweis unzutreffend ist (BGHZ 18, 107, 109 f. = NJW 1955, 1358; 31, 358, 362 = NJW 1960, 669, 670; 86, 218, 221 = NJW 1983, 822, 823). Es ist schon im Ansatz verfehlt, eine unrichtige Rechtsansicht des Richters der Vorinstanz auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien in einen Verfahrensmangel umzudeuten. § 139 Abs. 1 ZPO begründet richterliche Aufklärungs- und Hinweispflichten ausschließlich mit dem Ziel, die Parteien zur vollständigen Erklärung über alle erheblichen Tatsachen, zur Bezeichnung der Beweismittel und zur Stellung sachdienlicher Anträge zu veranlassen (BGH Urteile vom 30. Oktober 1990 - XI ZR 173/89 - NJW 1991, 704 und vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 36/08 - NJW 2009, 355,

356).

22
Hier hatten die Parteien schon in erster Instanz darüber gestritten, ob und in welchem Umfang die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bedarfsdeckend auf den Unterhaltsbedarf der Klägerin zu 2 anzurechnen sind.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung somit nicht auf einen Gesichtspunkt gestützt, den die Klägerin zu 2 erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO). In welchem Umfang bei Anrechnung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz noch ein ungedeckter Unterhaltsanspruch verbleibt, musste die Klägerin zu 2 im eigenen Interesse selbst prüfen. Dem Oberlandesgericht waren insoweit wegen der Bindung an den Berufungsantrag und der Pflicht zur Unparteilichkeit Grenzen gesetzt.
23
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 564 ZPO ab.
24
4. Weil die Revision bereits unzulässig ist, kommt es nicht mehr auf die Zulassungsfrage an, in der sich das Oberlandesgericht der weit überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung angeschlossen hat, wonach Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs des minderjährigen Kindes gegen seine Großeltern bedarfsdeckend sind (vgl. OLG Dresden FamRZ 2006, 569 ff.; Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 8 Rn. 267; Scholz/ Kleffmann/Motzer/Soyka, Praxishandbuch Familienrecht Stand: Oktober 2011 J 81; FAKomm-FamR/Klein 4. Aufl. § 1602 BGB Rn. 33).
25
Die Revision ist vielmehr bereits nach § 552 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Hahne Weber-Monecke Dose Klinkhammer Günter
Vorinstanzen:
AG Leipzig, Entscheidung vom 30.04.2009 - 336 F 1929/05 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 18.09.2009 - 20 UF 331/09 -

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(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Revision an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen.

(2) Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 197/10
vom
3. November 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG ist nicht nur das Verfahren
bis zum Abschluss einer Instanz, sondern bei Einlegung eines
Rechtsmittels auch die mehrere Instanzen umfassende gerichtliche Tätigkeit
in einer Sache (im Anschluss an BGH Beschluss vom 1. März 2010
- II ZB 1/10 - FamRZ 2010, 639 sowie Senatsurteil vom 25. November 2009
- XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192).

b) Auch bei einer in zulässiger Weise erhobenen Widerklage richtet sich das
nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG anwendbare Verfahrensrecht einheitlich nach
dem durch die Klage eingeleiteten Verfahren.

c) Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über das nach dem FGGReformgesetz
in Übergangsfällen anwendbare Verfahrensrecht ist jedenfalls
dann nicht unverschuldet, wenn er entgegen einer von der Mehrheit in der Literatur
und einer ersten veröffentlichten Entscheidung eines Oberlandesgerichts
vertretenen Rechtsansicht von der Anwendbarkeit des neuen Rechts
ausgeht.
BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - OLG Nürnberg
AG Nürnberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke,
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. Januar 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Wert: 6.918 €

Gründe:


I.

1
Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. Der Kläger hat vor dem Amtsgericht Klage auf Abänderung (Herabsetzung) von Jugendamtsurkunden erhoben, die für den Unterhalt der gemeinsamen Kinder in Höhe von monatlich 61,2 % des Mindestunterhalts errichtet wurden. Die Beklagte hat als Prozessstandschafterin der Kinder Widerklage auf Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts monatlich erhoben.
2
Das Amtsgericht hat durch das dem Kläger am 19. Oktober 2009 zugestellte Urteil die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Dagegen hat der Kläger "Beschwerde" eingelegt, die er beim Amtsgericht eingereicht hat. Das Rechtsmittel ist am 19. November 2009 (16.41 Uhr) beim Amtsgericht per Fax eingegangen und von diesem durch Verfügung vom 20. November 2009 an das Oberlandesgericht zuständigkeitshalber weitergeleitet worden, wo es am 24. November 2009 eingegangen ist.
3
Mit Verfügung vom 1. Dezember 2009 hat das Oberlandesgericht die Rechtsanwältin des Klägers auf die Statthaftigkeit der Berufung (statt der Beschwerde ) und die Versäumung der Berufungsfrist hingewiesen. Die auf den Hinweis zunächst gewährte Stellungnahmefrist hat es später bis zum 30. Dezember 2009 verlängert. Der Kläger hat sodann die Auffassung vertreten, dass das Rechtsmittelverfahren ein eigenständiges Verfahren sei und darauf das seit dem 1. September 2009 geltende neue Verfahrensrecht Anwendung finde. Das statthafte Rechtsmittel sei daher die Beschwerde, die rechtzeitig beim Amtsgericht eingelegt worden sei.
4
Das Oberlandesgericht hat das als Berufung umgedeutete Rechtsmittel des Klägers als unzulässig verworfen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Dagegen richtet sich die vom Kläger eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.

5
Die statthafte und wegen Grundsätzlichkeit zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
6
1. Das Oberlandesgericht hat die Auffassung vertreten, auf das Rechtsmittel sei nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis August 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden. Das richtige Rechtsmittel sei die Berufung gewesen und habe beim Oberlandesgericht eingelegt werden müssen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht bewilligt werden, weil die sie begrün- denden Tatsachen weder akten- oder offenkundig noch innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO dargelegt worden seien. Allein die Tatsache, dass das Rechtsmittel falsch bezeichnet und beim falschen Gericht eingereicht worden sei, reiche hierfür noch nicht aus.
7
2. Das hält hinsichtlich der Verwerfung der Berufung in vollem Umfang und im Hinblick auf die abgelehnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
8
a) Das Rechtsmittel war nur als Berufung statthaft und ist beim Oberlandesgericht erst nach Ablauf der Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO eingegangen.
9
Auf das Rechtsmittel findet das bis zum 31. August 2009 geltende Verfahrensrecht Anwendung, was die Rechtsbeschwerde nicht verkennt. Für ein vor Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2009 eingeleitetes Verfahren ist nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG auf das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss das seinerzeit geltende Verfahrensrecht anzuwenden. Aus der Sondervorschrift des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG ergibt sich nichts Abweichendes (BGH Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10 - FamRZ 2010, 639 Rn. 8 mwN; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192 Rn. 5 mwN).
10
aa) Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG ist nicht nur das Verfahren bis zum Abschluss einer Instanz. Vielmehr bezeichnet der Begriff die gesamte, bei Einlegung entsprechender Rechtsmittel auch mehrere Instanzen umfassende gerichtliche Tätigkeit in einer Sache (BGH Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10 - FamRZ 2010, 639 Rn. 8). Zwar könnte der Wortlaut des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG, der auf das Vorhandensein einer Endentscheidung verweist, zu der Fehldeutung verleiten, gerichtliches Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG sei das Verfahren innerhalb eines Rechts- zugs, nicht das gerichtliche Verfahren über den Instanzenzug hinweg, weil nach der Legaldefinition in § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Endentscheidung als instanzbeendende Entscheidung konzipiert sei. Dass der Gesetzgeber das Verfahren jedoch instanzübergreifend verstanden hat, ergibt sich eindeutig sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Gesetzesvorschrift als auch aus deren Sinn und Zweck, während die Regelung in Art. 111 Abs. 2 FGG-RG nur der Klarstellung in Bestandsverfahren wie Betreuung oder Vormundschaft dienen sollte (BGH Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10 - FamRZ 2010, 639 Rn. 9 ff. mwN).
11
bb) Der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Umstand, dass die Widerklage erst nach dem 31. August 2009 rechtshängig geworden ist, steht dem nicht entgegen. Denn durch die Widerklage ist zwar der Streitgegenstand des Verfahrens geändert worden. Dadurch ändert sich die Rechtsnatur des bereits durch die Klage eingeleiteten Verfahrens aber nicht. Das Verfahren ist einheitlich zu behandeln und kann insbesondere im Hinblick auf Rechtsmittel nicht sinnvoll in Klage- und Widerklage-Verfahren aufgeteilt werden (ebenso OLG Frankfurt - 4. Zivilsenat - FamRZ 2010, 1581; aA für den Fall der Klageerweiterung OLG Frankfurt - 19. Zivilsenat - FamRZ 2010, 481). Entsprechend hat das Familiengericht die Widerklage auch als solche bezeichnet, nicht etwa als Widerantrag (vgl. § 113 Abs. 5 FamFG), und seine Entscheidung als - einheitliches - Urteil erlassen. Auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob für die Verfahrenseinleitung auf die Einreichung des Prozesskostenhilfe -Antrags oder auf die Anhängigkeit oder Rechtshängigkeit des Hauptsacheantrags abzustellen ist, kommt es demnach hier nicht an.
12
b) Das Oberlandesgericht hat über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zutreffend von Amts wegen entschieden und diese im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
13
aa) Allerdings kann dem Oberlandesgericht nicht darin gefolgt werden, dass die Wiedereinsetzung bereits aus formellen Gründen scheitere, weil die die Fristversäumung begründenden Tatsachen nicht innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht worden seien. Denn das Oberlandesgericht war gehalten, ihm bereits bekannte und offenkundige Tatsachen in die Würdigung einzubeziehen und dem Kläger bei einer lückenhaften und ersichtlich ergänzungsbedürftigen Glaubhaftmachung Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag zu geben (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06 - NJW 2007, 3212).
14
Dass die Verspätung auf einem Rechtsirrtum der Rechtsanwältin des Klägers beruhte, war bereits bei Einlegung der Beschwerde offenkundig. Es kommt demnach darauf an, ob es sich um einen verschuldeten oder - ausnahmsweise - unverschuldeten Rechtsirrtum handelt. Zwar ist es richtig, dass hierfür konkrete Umstände dargelegt werden müssen, weil der Rechtsirrtum für einen Rechtsanwalt nur in Ausnahmefällen unverschuldet ist. Es ist zunächst auch nicht ohne weiteres klar geworden, worauf der Rechtsirrtum beruhte und wie die Rechtsanwältin zu der Ansicht gekommen war, das richtige Rechtsmittel sei die beim Amtsgericht einzulegende Beschwerde. Hinzu kommt allerdings der wiederum offenkundige Umstand, dass zum 1. September 2009 mit dem FamFG neues Verfahrensrecht in Kraft getreten ist und bei Anwendung des neuen Rechts (§§ 58, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG) das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel das richtige gewesen wäre. Daher liegt es nahe, dass die Rechtsanwältin sich auf die Geltung des neuen Verfahrensrechts verlassen und die Übergangsregelung des Art. 111 Abs. 1, Abs. 2 FGG-RG missverstanden hatte.
15
Unter diesen besonderen Umständen war dem Kläger im Hinblick auf die bei Nachholung der versäumten Prozesshandlung gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO von Amts wegen zu prüfende Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Gelegenheit zur Ergänzung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen zu geben. Dem hat die vom Oberlandesgericht gewährte und verlängerte Stellungnahmefrist auch Rechnung getragen. Die Fristverlängerung hatte vorwiegend im Hinblick auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Bedeutung, weil zur Einlegung des Rechtsmittels und Wahrung der Rechtsmittelfrist die wesentlichen Umstände offenkundig waren. Die Fristverlängerung war aber jedenfalls geboten, um dem Kläger zur Begründung einer unverschuldeten Fristversäumung infolge des Rechtsirrtums eine ergänzende Stellungnahme zu ermöglichen.
16
Der Kläger hat sich zwar auch in seiner innerhalb der verlängerten Frist abgegebenen Stellungnahme nicht auf eine Wiedereinsetzung berufen, sondern die Ansicht vertreten, die Frist gewahrt und mit der Beschwerde das richtige Rechtsmittel eingelegt zu haben. Die für seine Rechtsansicht vom Kläger gegebene Begründung hätte das Oberlandesgericht aber im Hinblick auf die von Amts wegen zu prüfende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ebenfalls berücksichtigen müssen, soweit sich daraus eine unverschuldete Fristversäumung ergeben konnte.
17
bb) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO). Die Beurteilung, ob die Fristversäumung unverschuldet ist, kann wegen des insoweit erschöpfend aufgeklärten Sachverhalts vom Senat nachgeholt werden. Sie führt zu dem Ergebnis, dass der Rechtsirrtum nicht unverschuldet war. Der Kläger muss sich ein Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
18
Der Kläger hat sich für seine Rechtsansicht auf die Regelung in Art. 111 Abs. 2 FGG-RG berufen, wonach jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ein selbständiges Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG ist. Seine Rechtsanwältin hat das Rechtsmittelverfahren als eigenständiges Verfahren angesehen, nachdem das erstinstanzliche Verfahren durch Endurteil abgeschlossen worden sei. Wie oben (II.2.a) ausgeführt worden ist, ist diese Auffassung rechtsirrig.
19
Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist regelmäßig nicht unverschuldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Prozessbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die Partei, die dem Anwalt die Prozessführung überträgt, vertraut zu Recht darauf, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist (BGH Beschluss vom 9. Juli 1993 - V ZB 20/93 - NJW 1993, 2538, 2539). Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen (BGH Beschluss vom 9. Juli 1993 - V ZB 20/93 - NJW 1993, 2538, 2539 mwN). Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur (vor allem Fachzeitschriften und Kommentare) über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung , wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt.
20
Nach diesen Maßstäben hätte die Rechtsanwältin des Klägers bei sorgfältiger Auswertung der vorliegenden Rechtsprechung und Literatur - zumindest auch - eine fristwahrende Berufung beim Oberlandesgericht einlegen müssen.
21
Allerdings haben einzelne Autoren die Auffassung vertreten, dass auf ein nach dem 1. September 2009 eingeleitetes Rechtsmittelverfahren das neue Verfahrensrecht Anwendung finde (Prütting in Prütting/Helms FamFG Art. 111 FGG-RG Rn. 5; Geimer in Zöller ZPO 28. Aufl. FamFG Einl. Rn. 54; ders. FamRB 2009, 386). Hierbei handelte es sich aber selbst in der früh veröffentlichten Literatur zum neuen Verfahrensrecht um eine Minderheit. Die weit überwiegende Auffassung der Literatur zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) und zum FGG-Reformgesetz (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. vor § 606 Rn. 3; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn FamFG vor § 151 Rn. 19; Schlünder/ Nickel Das familiengerichtliche Verfahren Rn. 840; Horndasch in Horndasch/ Viefhues FamFG Art. 111 FGG-RG Rn. 3) hat zutreffend herausgestellt, dass es auf die Einleitung des Verfahrens in erster Instanz ankommt und das alte Verfahrensrecht auch in den weiteren Instanzen fortgilt.
22
Die Rechtsanwältin des Klägers hatte überdies schon im Hinblick auf die von ihr zur Begründung ihrer Auffassung angeführte Kommentarstelle (Geimer in Zöller aaO) Anlass zu einer näheren rechtlichen Nachprüfung. Denn dort befindet sich nicht nur ein Hinweis darauf, dass die Frage streitig sei, sondern ist insbesondere auch eine - bei Kommentierung noch nicht veröffentlichte - Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 21. September 2009 zitiert, die von der Fortgeltung des alten Verfahrensrechts ausgegangen ist. Abgesehen davon, dass jedenfalls dieser Hinweis die Rechtsanwältin hätte veranlassen müssen, nähere Informationen zu der Entscheidung einzuholen, ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln im Heft 21 der Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) veröffentlicht worden (FamRZ 2009, 1852). Dieses Heft erschien Anfang November 2009 und somit rund zwei Wochen vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist. In den Entscheidungsgründen ist nicht nur auf die weitaus überwiegende Literaturansicht hingewiesen, sondern auch auf eine übereinstimmende weitere Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln. Außerdem sind der Entscheidung ergänzende Hinweise der Zeitschriftenredaktion angefügt, mit denen auf weitere Literaturstimmen aufmerksam gemacht worden ist, die ebenfalls mit der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln übereinstimmen. Demnach konnte die Rechtsanwältin sich nicht darauf verlassen, dass das richtige Rechtsmittel die beim Amtsgericht einzulegende Beschwerde sei.
23
Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts zwar in einem Ausnahmefall als unverschuldet angesehen, wenn dessen fehlerhafte Rechtsansicht (zur Berechnung der Berufungsbegründungsfrist) mit der veröffentlichten Entscheidung eines Oberlandesgerichts übereinstimmte, der sich die gängigen Handkommentare zur Zivilprozessordnung angeschlossen hatten (BGH Beschluss vom 18. Oktober 1984 - III ZB 22/84 - NJW 1985, 495, 496). Damit ist der vorliegende Fall indessen nicht vergleichbar, weil sowohl die Mehrheit der veröffentlichten Literatur als auch erste obergerichtliche Entscheidungen der vereinzelt gebliebenen Rechtsauffassung der genannten Autoren - mit überzeugenden Gründen - widersprachen. Schließlich bedarf die anderslautende Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLGR 2009, 872) keiner Erörterung, weil diese für einen Fall ergangen ist, in dem noch keine veröffentlichte obergerichtliche Rechtsprechung vorlag.
Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 15.10.2009 - 105 F 1568/09 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 11.01.2010 - 7 UF 1471/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 13/01 Verkündet am:
9. Juli 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2002 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. Juni 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Werbeagentur, befaßt sich mit der Vermittlung von Verträgen über den Abdruck von Werbeanzeigen in Telefonbüchern. Die Beklagte (ursprünglich: Beklagte zu 1), ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, gibt teils im Eigenverlag, teils in Kooperation mit anderen Verlagen - unter ihnen die früheren Beklagten zu 2 bis 6 - regionale und örtliche Telefonbücher sowie das Telefonverzeichnis "Gelbe Seiten" heraus.
Die Klägerin arbeitet mit einer Firma W. gesellschaft mbH zusammen, die gegen Erfolgshonorar eine sogenannte Bedarfsoptimierung für solche Kunden durchführt, die bereits in einem der von der Beklagten (mit-)herausgegebenen Telefonverzeichnisse inseriert haben. Ziel dieser Beratungstätigkeit ist eine Senkung der Insertionskosten, die zu entsprechenden Mindereinnahmen der Beklagten und ihrer Kooperationspartner führt. Mit zwei Schreiben vom 3. und 8. März 2000 lehnte die Beklagte im einzelnen bezeichnete Anzeigenaufträge der Klägerin "für die kommende Ausgabe - 2000/2001 -" der örtlichen Telefonbücher für Berlin und einige weitere Städte ab. Schreiben entsprechenden Inhalts erhielt die Klägerin Mitte Dezember 1999 sowie im Zeitraum März bis Mai 2000 auch von den früheren Beklagten zu 2 bis 6. Mit der daraufhin im Mai 2000 eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte und die mit dieser kooperierenden Telefonbuchverlage auf die Annahme im einzelnen aufgelisteter Anzeigenaufträge bestimmter Kunden für jeweils im einzelnen bezeichnete Telefonverzeichnisse in Anspruch genommen. Hilfsweise hat sie beantragt festzustellen, daß die Beklagte - alleine bzw. gemeinsam mit dem jeweiligen Kooperationspartner - verpflichtet ist, "die von der Klägerin vermittelten Anzeigenaufträge ihrer Kunden zu den jeweils geltenden Vertragsbedingungen anzunehmen und zum Druck aufzunehmen und zwar in den von ihr herausgegebenen Örtlichen Telefonbüchern, Telefonbüchern und Gelben Seiten für die Bücher und Buchnamen wie aus dem Klageantrag Ziff. ... [es folgt die Bezeichnung des auf die jeweilige(n) Beklagte(n) bezogenen Leistungsantrags ] ersichtlich". Die Klägerin stützte dieses Begehren auf §§ 20, 33 GWB und § 826 BGB. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der im Dezember 2000 eingelegten und zugleich begründeten Berufung hat die Klägerin die Wieder-
holung ihrer erstinstanzlichen Anträge angekündigt und die vom Landgericht vorgenommene Interessenabwägung im einzelnen angegriffen. Die Beklagte und die früheren Beklagten zu 2 bis 6 haben in ihren Berufungserwiderungen unter anderem die Auffassung vertreten, für eine Weiterverfolgung der erstinstanzlichen Klageanträge bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil die betreffenden Ausgaben der Telefonverzeichnisse zwischenzeitlich erschienen und verteilt worden seien, so daß dort ein Abdruck der von der Klägerin vermittelten Werbeanzeigen nicht mehr möglich sei. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29. März 2001 nurmehr Feststellungsanträge angekündigt, die inhaltlich im wesentlichen mit dem zunächst hilfsweise verfolgten Feststellungsbegehren übereinstimmen, und die Klage um einen auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Antrag erweitert. Nach Rücknahme der Klage gegen die ursprünglichen Beklagten zu 2 bis 6 hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz die angekündigten Feststellungsanträge allein hinsichtlich der Beklagten gestellt und hilfsweise den insoweit in der Berufungsbegründung angekündigten Leistungsantrag für erledigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 547 ZPO (in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung , § 26 Nr. 7 EGZPO) statthafte Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei eine Berufung unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolge, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stelle. Die Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz könne nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein, setze vielmehr eine zulässige Berufung voraus. Nach diesen Maûstäben sei die Berufung der Klägerin unzulässig, denn sie wende sich nicht - auch nicht teilweise - gegen die in dem erstinstanzlichen Urteil liegende Beschwer. Der in erster Instanz verfolgte Leistungsantrag sei darauf gerichtet gewesen, die Beklagte zum Abdruck ganz bestimmter Eintragungen in der aus damaliger Sicht nächsten Ausgabe für die Jahre 2000/2001 der von der Beklagten (mit-)verlegten Telefonbücher zu verpflichten. Diese konkrete Zielrichtung ergebe sich schon aus der in den Leistungsantrag aufgenommenen Angabe bestimmter Auftrags- und Kundennummern. Auch die der Klageerhebung vorausgegangenen Ablehnungsschreiben der Beklagten bezögen sich ausdrücklich auf die "kommende Ausgabe - 2000/2001 -" der jeweils näher bezeichneten Telefonbücher. Für den in erster Instanz hilfsweise gestellten Feststellungsantrag gelte nichts anderes. Die darin enthaltene ausdrückliche Bezugnahme auf die im Leistungsantrag bezeichneten Telefonverzeichnisse spreche dagegen, dem Feststellungsantrag eine zeitlich weiterreichende Zielrichtung zu entnehmen. Ausweislich der von der Klägerin in erster Instanz gegebenen Begründung sei der Feststellungsantrag vorsorglich für den Fall gestellt worden, daû das Landge-
richt den Leistungsantrag als zu unbestimmt ansehen werde. Weder in der Klageschrift noch im weiteren schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin vor dem Landgericht fänden sich Anhaltspunkte dafür, daû der Feststellungsantrag darüber hinaus auch dem Zweck habe dienen sollen, die Pflicht der Beklagten zum Abdruck von Eintragungen in den von ihr herausgegebenen Telefonverzeichnissen schlechthin festzustellen. Daû die Klägerin dies rückblickend anders darstelle, sei für die Auslegung ihres erstinstanzlichen Klagebegehrens ohne Belang. Der in zweiter Instanz gestellte Feststellungsantrag diene demgegenüber allein dem Ziel, die Verpflichtung der Beklagten zur Annahme und zum Druck der von der Klägerin vermittelten Insertionsaufträge für die Zukunft festzustellen. Die von den erstinstanzlichen Anträgen betroffenen Telefonverzeichnisse für die Jahre 2000/2001 seien bei Einlegung und Begründung der Berufung längst erschienen gewesen und könnten deshalb nicht mehr Ziel der Berufung sein. In ihrem Schriftsatz vom 29. März 2001 habe die Klägerin die Änderung ihrer Anträge gerade mit der zeitlichen Überholung ihres ursprünglichen Begehrens begründet. Nach alledem verfolge die Klägerin mit dem in der Berufung gestellten Feststellungshauptantrag ausschlieûlich ein neues Prozeûziel, das in ihrem erstinstanzlichen Feststellungshilfsantrag auch nicht teilweise enthalten gewesen sei. Dasselbe gelte für den in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten. Auch der hilfsweise gestellte Erledigungsantrag mache die Berufung nicht zulässig.

II.

Diese Beurteilung greift die Revision mit Erfolg an. 1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Berufung nur dann zulässig, wenn der Berufungskläger mit ihr die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Unzulässig ist die Berufung daher, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt und damit die Richtigkeit des angefochtenen Urteils gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die bloûe Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein; vielmehr setzt ein derartiges Prozeûziel eine zulässige Berufung voraus (st. Rspr.; z.B. BGH, Urt. v. 11.10.2000 - VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226 unter II 1 m. w. N.). 2. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht dagegen, soweit es die Berufung der Klägerin nach diesen Maûstäben für unzulässig hält.
a) Das Berufungsgericht stellt für die Frage, ob die Klägerin mit der Berufung die in dem angefochtenen Urteil liegende Beschwer geltend macht oder einen neuen Klageanspruch verfolgt, nicht auf den Inhalt der Berufungsbegründung , sondern auf die in der Berufungsverhandlung gestellten Klageanträge ab (ebenso BGH, Urt. v. 15.3.2002 - V ZR 39/01, z. V. b.). Der Senat hat hiergegen zwar Bedenken (s. dazu i. e. Gaier, NJW 2001, 3289, 3291 m.w.N.). Einer Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen bedarf es jedoch nicht, weil die Frage im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist.

b) Mit Erfolg wendet sich die Revision nämlich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, das in erster Instanz hilfsweise geltend gemachte Feststellungsbegehren sei mit dem im wesentlichen gleichlautenden Hauptantrag der Klägerin in der Berufungsinstanz deswegen nicht - auch nicht teilweise - identisch , weil das Feststellungsbegehren erster Instanz sich auf die Verpflichtung der Beklagten zur Annahme und Ausführung von Anzeigenaufträgen für die Ausgabe 2000/2001 der von ihr (mit-)verlegten Telefonverzeichnisse beschränke , während der zweitinstanzliche Antrag sich auf künftig erscheinende Ausgaben beziehe. Die dem zugrundeliegende Auslegung des erstinstanzlichen Feststellungsbegehrens der Klägerin bindet den Senat nicht. Das Revisionsgericht kann Prozeûerklärungen vielmehr in freier Würdigung selbst auslegen (st. Rspr.; z.B. BGHZ 115, 286, 290; BGH, Urt. v. 18.6.1996 - VI ZR 325/95, NJWRR 1996, 1210 unter II 2 m. w. N.). Die Auslegung durch den Senat ergibt, daû das erstinstanzliche Feststellungsbegehren der Klägerin sich nicht auf die Ausgabe 2000/2001 der von der Beklagten (mit-)verlegten Telefonverzeichnisse beschränkt. aa) Dem Wortlaut des Feststellungsantrags ist für eine derartige Beschränkung kein Anhaltspunkt zu entnehmen. Er bezieht sich ohne erkennbare Beschränkung auf "die", d.h. im Zweifel alle "von der Klägerin vermittelten Anzeigenaufträge ihrer Kunden". Erstrebt wird der Ausspruch der Verpflichtung der Beklagten, derartige Anzeigenaufträge zu den "jeweils geltenden" Vertragsbedingungen anzunehmen; dieser Teil der Antragsfassung, mit dem sich das Berufungsgericht nicht auseinandersetzt, spricht deutlich gegen eine Beschränkung auf eine einzige Ausgabe der Telefonverzeichnisse. Die Bezugnahme auf den Klageantrag zu I 1 (Leistungsantrag) bietet gleichfalls keine tragfähige Grundlage für die einschränkende Auslegung des Berufungsgerichts. Ausdrücklich findet sich auch dort kein Hinweis auf eine
zeitliche Beschränkung des Leistungsbegehrens; allenfalls mittelbar läût sich eine solche daraus herleiten, daû die Klägerin bei der Formulierung ihres Leistungsantrags - anders als bei ihrem Feststellungsbegehren - zusätzlich zu der Bezeichnung der jeweiligen Telefonverzeichnisse einzelne Auftragsnummern aufgeführt hat, die sich, so die Argumentation des Berufungsgerichts, jeweils nur auf eine, nämlich die bei der Erteilung des Auftrags nächst anstehende Ausgabe des betreffenden Telefonbuchs bezogen haben dürften. Selbst wenn man dem Berufungsgericht darin folgt, daû der Leistungsantrag durch die Verknüpfung mit bestimmten Auftragsnummern auf die Ausgabe 2000/2001 der Telefonverzeichnisse beschränkt war, rechtfertigt dies nicht die Annahme, die Klägerin habe eine solche zeitliche Beschränkung durch den bloûen Verweis auf "die Bücher und Buchnamen wie aus dem Klageantrag Ziff. I 1 ersichtlich" auch für ihr Feststellungsbegehren, das sich gerade nicht auf einzelne Aufträge bestimmter Kunden beschränkt, übernehmen wollen. bb) Vor allem aber verstöût die restriktive Auslegung des Berufungsgerichts gegen den Auslegungsgrundsatz, wonach im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maûstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (s. dazu z. B. BGH, Urt. v. 8.11.1988 - VI ZR 117/88, NJW-RR 1989, 254 unter II 2 a; BGH NJW-RR 1996, 1210 unter II 2 m. w. N.). Es mag zutreffen, daû der Feststellungsantrag, wie das Berufungsgericht annimmt, "für den Fall gedacht" war, daû das Landgericht den korrespondierenden - vorrangigen - Leistungsantrag als zu unbestimmt ansehen würde. Das schlieût jedoch keineswegs aus, daû der Feststellungsantrag daneben und darüber hinaus auch dem Ziel dienen sollte, die Pflicht der Beklagten zur Annahme und Ausführung der von der Klägerin vermittelten Anzeigenaufträge in den von ihr (mit-)herausgegebenen Telefonbüchern schlechthin festzustellen. Daû der Feststellungsantrag in erster Instanz nur hilfsweise gestellt worden ist, besagt nicht, daû sein Geltungsbereich nicht über den des
primären Leistungsantrags hinausreichen könnte. Daû ein nicht auf die Ausgabe 2000/2001 begrenzter Geltungsbereich des Feststellungsbegehrens nach den Maûstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage auf seiten der Klägerin entspricht, liegt auf der Hand. Das gilt um so mehr, als das Berufungsgericht - in anderem Zusammenhang - annimmt, die angestrebte Eintragung in den Ausgaben 2000/2001 der Telefonverzeichnisse sei schon vor Einreichung der Klage beim Landgericht, spätestens aber ab Zustellung der Klage an die Beklagte nicht mehr möglich gewesen. Geht man mit dem Berufungsgericht davon aus, daû aus diesem Grund das auf die Ausgabe 2000/2001 der Telefonverzeichnisse beschränkte Leistungsbegehren der Klägerin von vornherein zum Scheitern verurteilt war, so machte - auch aus der Sicht des Berufungsgerichts - der Prozeû vor dem Hintergrund der recht verstandenen Interessen der Klägerin überhaupt nur dann Sinn, wenn wenigstens das Feststellungsbegehren eine Möglichkeit bot, die unter den Parteien strittigen Fragen für die Zukunft zu klären. cc) Bei richtiger Auslegung des erstinstanzlichen Hilfsfeststellungsantrags ist die Berufung der Klägerin selbst dann zulässig, wenn man auf die in der Berufungsverhandlung gestellten Anträge abstellen wollte. Mit dem in zweiter Instanz primär verfolgten Feststellungsbegehren macht die Klägerin die in der Abweisung ihres erstinstanzlichen Hilfsfeststellungsantrags liegende Beschwer zumindest insoweit geltend, als dieser Antrag künftige, auf die Ausgabe 2000/2001 folgende Ausgaben der von der Beklagten (mit-)verlegten Telefonverzeichnisse zum Gegenstand hatte. Ist die Berufung mithin insoweit zulässig, so begegnet auch die Erweiterung der Klage in zweiter Instanz um den Antrag, die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festzustellen, im Hinblick auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels keinen Bedenken. Über den zweitinstanzlichen Hilfsantrag, die Erledigung des zunächst angekündigten Leistungsantrags festzustellen, ist nicht zu entscheiden, da dieser Antrag unter der nicht
eingetretenen prozessualen Bedingung steht, daû in dem Übergang zu dem in der Berufungsverhandlung gestellten Feststellungsantrag eine unwirksame Klageänderung zu sehen sein sollte.

III.

Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a. F.). Eine abschlieûende Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil es an den hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz fehlt. Die Sache ist daher zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO a. F.).
Hirsch Goette Ball
Bornkamm Meier-Beck

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 36/08 Verkündet am:
14. Oktober 2008
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Macht ein Unternehmen nach einem Verkehrsunfall keinen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz
übergegangenen Anspruch seines verletzten Fahrers
auf Ersatz von dessen Verdienstausfallschaden geltend, sondern einen eigenen
Schadensersatzanspruch wegen der ihm für den Einsatz eines Ersatzfahrers
entstandenen Kosten, scheidet eine eigene Rechtsgutverletzung, die
Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs im Sinne des § 823 BGB
sein könnte, grundsätzlich aus. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb kommt wegen Fehlens eines betriebsbezogenen Eingriffs
insoweit regelmäßig nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom
10. Dezember 2002 - VI ZR 171/02 - VersR 2003, 466).

b) Eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters (hier: über die Schlüssigkeit
der Klage) lässt sich nicht auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht
gegenüber den Parteien im Sinne des § 139 ZPO in einen Verfahrensmangel
umdeuten (im Anschluss an BGH, Urteil vom 30. Oktober 1990
- XI ZR 173/89 - NJW 1991, 704).
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 36/08 - LG München I
AG München
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 31. Juli 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und
die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 20. Dezember 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall vom 17. Juni 2004 geltend, bei dem die Beklagte zu 1 mit ihrem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW in einem Kreuzungsbereich auf ein Fahrzeug der Klägerin aufgefahren ist. Sie begehrt die Kosten für einen Ersatzfahrer mit der Behauptung, dass der Fahrer ihres Fahrzeuges durch den Aufprall verletzt worden und infolge dieser Verletzung in der Zeit vom 18. Juni bis 10. Juli 2004 ausgefallen sei.
2
Das Amtsgericht hat die Klage nach Einholung eines biomechanischen Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat ebenso wie die Vorinstanz das von dieser eingeholte unfallanalytische-biomechanische Sachverständigengutachten für ausreichend erachtet, um die Klage abzuweisen. Der Sachverständige sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Differenzgeschwindigkeit zum Kollisionszeitpunkt bei weitem unterhalb einer Toleranzgrenze gelegen habe, bei der die auf den Fahrer wirkende Belastung nicht mit beginnender Wahrscheinlichkeit die behaupteten Beschwerden verursacht haben könne. Die Erhebung weiterer, von der Klägerin angebotener Beweise wie die Vernehmung der behandelnden Ärzte oder die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens hat das Landgericht ebenso wie das Amtsgericht nicht für erforderlich erachtet.

II.

4
Das Berufungsurteil hält in seinem Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision der Klägerin gegen das angefochtene Urteil ist bereits deshalb zurückzuweisen, weil die Klage unschlüssig ist.
5
1. Die Klägerin macht keinen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz auf sie übergegangenen Anspruch ihres angeblich verletzten Fahrers auf Ersatz seines Verdienstausfallschadens geltend, sondern einen eigenen Schadensersatzanspruch wegen der ihr für den Einsatz eines Ersatzfahrers entstandenen Kosten.
Insoweit ist jedoch eine eigene Rechtsgutverletzung der Klägerin nicht ersichtlich , die Voraussetzung eines eigenen Schadensersatzanspruchs im Sinne des § 823 BGB sein könnte. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kommt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats wegen Fehlens eines betriebsbezogenen Eingriffs nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2002 - VI ZR 171/02 - VersR 2003, 466). Zu einer Änderung dieser Rechtsprechung - wie sie die Revision nahe legt - sieht sich der Senat nicht veranlasst.
6
2. Soweit die Revision meint, die Instanzgerichte hätten durch einen unterlassenen Hinweis auf diese Rechtslage ihre Aufklärungspflicht im Sinne des § 139 ZPO verletzt und dadurch die Klägerin davon abgehalten, ihren Anspruch auch auf einen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz auf sie übergegangenen Anspruch oder auf vorsorglich an sie abgetretene Ansprüche des verletzten Fahrers zu stützen, kann dem nicht gefolgt werden.
7
Maßgeblich für eine etwaige Verletzung der Aufklärungspflicht ist nämlich der materiell-rechtliche Standpunkt des Gerichts ohne Rücksicht auf seine Richtigkeit. Schon im Ansatz verfehlt ist es, eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien in einen Verfahrensmangel umzudeuten (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1990 - XI ZR 173/89 - NJW 1991, 704). Die Revision weist insoweit selbst darauf hin, dass eine Haftung der Beklagten in den Tatsacheninstanzen außer Streit war. Die Vorinstanzen haben somit ihre klageabweisenden Urteile gerade nicht auf einen Gesichtspunkt gestützt, den die Klägerin erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, oder auf einen Gesichtspunkt, den die Gerichte anders beurteilt haben als beide Parteien (vgl. § 139 Abs. 2 ZPO). Sie haben lediglich eine HWS-Verletzung des Fahrers durch den Verkehrsunfall nicht als erwiesen erachtet. Da die Vorinstanzen mithin von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens ausgegangen sind, bestand für sie keine Verpflichtung, über deren Unschlüssigkeit aufzuklären.

III.

8
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 23.03.2007 - 345 C 34903/05 -
LG München I, Entscheidung vom 20.12.2007 - 17 S 8188/07 -

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Revision an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen.

(2) Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen.