Bundesgerichtshof Urteil, 23. Apr. 2015 - III ZR 195/14

bei uns veröffentlicht am23.04.2015
vorgehend
Landgericht Stuttgart, 50 O 10/12, 19.07.2013
Oberlandesgericht Stuttgart, 102 U 2/13, 03.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 195/14
Verkündet am:
23. April 2015
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Baulandsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BauGB § 46 Abs. 1, § 221 Abs. 2; BadWürttGemO § 35 Abs. 1, § 38 Abs. 1

a) Im Rahmen der Anfechtung des Umlegungsbeschlusses ist die Rechtmäßigkeit
der Anordnung der Umlegung zu überprüfen (Fortführung der Senatsurteile
vom 12. März 1987 - III ZR 29/86, BGHZ 100, 148, 149 und 155 sowie
vom 2. April 1981 - III ZR 131/79, NJW 1981, 2124, 2125).

b) Zum Öffentlichkeitserfordernis nach § 35 Abs. 1 GemO BW bei einem Beschluss
des Gemeinderats über die Anordnung einer Umlegung nach § 46

c) Zur Amtsermittlung über den Inhalt eines (nichtöffentlichen) Teils einer Gemeinderatssitzung.

d) Die gemäß § 38 Abs. 1 GemO BW zu fertigende Niederschrift über die Gemeinderatssitzung
ist eine öffentliche Urkunde, bezüglich deren Inhalt der
Beweis der Unrichtigkeit zulässig ist (§§ 415, 418 Abs. 1 und 2 ZPO; Anschluss
an VGH Baden-Württemberg NVwZ-RR 1989, 153). Eine negative
Beweiskraft dergestalt, dass in der Niederschrift nicht aufgenommene Vorgänge
als nicht stattgefunden zu behandeln sind, ist ihr nicht beizumessen.
BGH, Urteil vom 23. April 2015 - III ZR 195/14 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. April 2015 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Wöstmann
, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beteiligten zu 5 und 6 wird das Urteil des 102. Senats für Baulandsachen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. Juni 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind Eigentümer von teilweise bebauten Grundstücken im Bereich des Umlegungsgebiets "M. Ö. " in G. . Diese Grundstücke liegen im Bereich des - mehrfach geänderten - Bebauungsplans "M. ", der im Mai 1983 in Kraft getreten ist.
2
In der öffentlichen Sitzung am 13. März 2012 beriet der Gemeinderat der Beteiligten zu 5 über den Beschluss zur Anordnung der Umlegung für ein Teilgebiet des Bebauungsplans "M. Ö. ". Im Protokoll ist vermerkt, dass der Bürgermeister der Beteiligten zu 5 um 20.45 Uhr für fünf Minuten die Nichtöffentlichkeit herstellte. Danach wurde die Öffentlichkeit wiederhergestellt, weiter beraten und der Beschluss über die Anordnung der Umlegung gefasst. Aufgrund dieses Anordnungsbeschlusses erließ der Beteiligte zu 6 am 30. April 2012 den Umlegungsbeschluss.
3
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
4
Dieser Antrag ist vom Landgericht, das die von den Beteiligten zu 1 bis 4 erhobenen Einwände gegen die Erforderlichkeit einer Umlegung für nicht durchgreifend erachtet hatte, zurückgewiesen worden.
5
Die Beteiligten zu 1 bis 4 haben gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Nachdem die Beteiligte zu 5 auf entsprechenden richterlichen Hinweis das Protokoll über die Sitzung des Gemeinderats vom 13. Februar 2012 vorgelegt hatte, haben die Beteiligten zu 1 bis 4 weiter die Unwirksamkeit der Anordnung der Umlegung wegen Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Sitzungen des Gemeinderats geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und den Umlegungsbeschluss der Beteiligten zu 6 vom 30. April 2012 aufgehoben.
6
Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 5 und 6 mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe


7
Die Revision hat Erfolg.

I.


8
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Umlegungsbeschluss sei rechtswidrig, da der Beschluss über die Anordnung der Umlegung, der inzident zu überprüfen sei, seinerseits rechtswidrig sei. Dieser habe nach § 35 GemO BW in öffentlicher Sitzung des Gemeinderats beraten und beschlossen werden müssen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls habe der Bürgermeister von 20 Uhr 45 bis 20 Uhr 50 die Nichtöffentlichkeit der Sitzung hergestellt, ohne dass der Anlass für diese Verfahrensweise in der Niederschrift festgehalten worden sei. Der Ausschluss der Öffentlichkeit sei nur zulässig, wenn persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse zur Sprache kämen, an deren Kenntnisnahme schlechthin kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit bestehen könne und deren Bekanntgabe dem Einzelnen nachteilig sein könne. Dies müsse im Einzelfall geprüft werden. Die Beteiligte zu 5 habe den Ausschluss der Öffentlichkeit in der Gemeinderatssitzung damit begründet, dass die Namen der einzelnen Eigentümer der Bestandsgrundstücke im geplanten Umlegungsgebiet hätten genannt werden sollen. Die bloße Nennung der Namen der Eigentümer verletze jedoch nicht deren rechtlich geschützten oder sonstigen schutzwürdigen Interessen. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit die Bekanntgabe dieser Namen dem Einzelnen nachteilig sein könne. Gleiches gelte, wenn über die Folgen der Umlegung für die einzelnen Bestandsgebäude und Grundstücke habe diskutiert werden sollen. Dabei kämen noch keine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zur Sprache, bezüglich deren Kenntnisnahme kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit bestehen könne. Die Auswirkungen einer Umlegung seien grundstücksbezogen und nicht personenbezogen.
9
Zuletzt habe der Bürgermeister der Beteiligten zu 5 erklärt, Anlass für das Herstellen der Nichtöffentlichkeit seien die Fragen zweier Gemeinderats- mitglieder gewesen, ob die Umlegung den einen oder anderen Eigentümer von Bestandsgrundstücken "kaputt mache". Wenn über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Personen gesprochen werden solle, rechtfertige dies allerdings den Ausschluss der Öffentlichkeit der Verhandlung nach § 35 GemO BW, weil an den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen einzelner Eigentümer kein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit bestehe. Auf das substantiierte Bestreiten eines solchen Anlasses für das Herstellen der Nichtöffentlichkeit könne jedoch nicht mit einer hinreichenden Sicherheit festgestellt werden, dass der Gemeinderat über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Eigentümer des künftigen Umlegungsgebiets habe sprechen wollen. Zwar komme der Sitzungsniederschrift nach § 38 Abs. 1 GemO BW, die einen solchen Vorgang nicht ausweise, keine negative Beweiskraft in dem Sinne zu, dass dort nicht aufgenommene Geschehnisse nicht stattgefunden hätten. Vielmehr könne der Anlass für das Herstellen der Nichtöffentlichkeit auch durch außerhalb der Sitzungsniederschrift liegende Umstände und Beweismittel festgestellt werden. Die Feststellung, dass ein ausreichender Anlass für das Herstellen der Nichtöffentlichkeit der Verhandlung des Gemeinderats zur Anordnung der Umlegung vorgelegen habe, lasse sich jedoch vorliegend nicht treffen: Die Beteiligten zu 1 bis 4, die teilweise an der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats teilgenommen hätten, hätten erklärt, vor der Herstellung der Nichtöffentlichkeit sei keine Frage zu den wirtschaftlichen Verhältnissen einzelner Beteiligter gestellt worden. Es sei auch kaum nachvollziehbar , dass in den fünf Minuten, in denen die Nichtöffentlichkeit der Sitzung hergestellt gewesen sei, über die wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Eigentümer von Bestandsgrundstücken gesprochen worden wäre. Auf ein entsprechendes Gesprächsthema ließen die protokollierten Erklärungen nach der Wiederherstellung der Öffentlichkeit der Verhandlung des Gemeinderats nicht ausreichend rückschließen. Die Beteiligte zu 5 habe bis zum Schluss der mündli- chen Verhandlung die Namen derjenigen Gemeinderatsmitglieder nicht nennen können, die Fragen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen einzelner Grundstückseigentümer gestellt haben sollen.
10
Eine Veranlassung, nach § 221 Abs. 2 BauGB von Amts wegen eine Beweisaufnahme durchzuführen, bestehe nicht. Wichtige öffentliche Interessen veranlassten hier eine Untersuchung von Amts wegen nicht. Die Beteiligte zu 5 könne bei einem entsprechenden politischen Willen des Gemeinderats ohne gravierende Nachteile durch einen damit einhergehenden Zeitablauf einen verfahrensfehlerfreien Anordnungsbeschluss noch herbeiführen. Der Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung begründe regelmäßig auch dann, wenn die Öffentlichkeit - wie hier - nur zeitweilig ausgeschlossen worden sei, eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung. Die Rechtswidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses führe auch zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Umlegungsbeschlusses. Die Voraussetzungen des § 46 LVwVfG BW, der auf die Umlegungsanordnung, die kein Verwaltungsakt sei, nur entsprechende Anwendung finde, seien hier nicht erfüllt; denn die Entscheidung des Gemeinderats darüber, ob eine Umlegung angeordnet werden solle, stelle eine Entscheidung mit Beurteilungsspielraum dar und hätte auch im verneinenden Sinne ergehen können. Es sei daher nicht offensichtlich, dass die Verletzung des Prinzips der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe.

II.


11
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht angeführten Begründung kann derzeit die Unwirksamkeit des Anordnungsbeschlusses für die Umlegung nach § 46 Abs. 1 BauGB durch den Gemeinderat der Beteiligten zu 5 und des daran anschließenden Umlegungsbeschlusses der Beteiligten zu 6 nicht festgestellt werden.
12
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass derangegriffene Umlegungsbeschluss nur dann rechtmäßig ist, wenn die Voraussetzungen für eine Umlegung vorliegen. Hierzu gehört auch die Beschlussfassung über die Anordnung der Umlegung nach § 46 Abs. 1 BauGB. Ein solcher Beschluss ist kein Verwaltungsakt und nach der Rechtsprechung des Senats nur zusammen mit dem Umlegungsbeschluss anfechtbar und kann nur so zur gerichtlichen Nachprüfung gestellt werden. Im Rahmen der Anfechtung des Umlegungsbeschlusses ist dann die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Umlegung zu überprüfen (vgl. Senatsurteile vom 12. März 1987 - III ZR 29/86, BGHZ 100, 148, 149 und 155 sowie vom 2. April 1981 - III ZR 131/79, NJW 1981, 2124, 2125).
13
2. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts kann derzeit nicht festgestellt werden, dass der Beschluss des Gemeinderats der Beteiligten zu 5 vom 13. März 2012 über die Anordnung der Umlegung wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Öffentlichkeit unwirksam ist.
14
Allerdings ist dem Berufungsgericht im Ausgangspunkt darin zuzustimmen , dass Anordnungs- und Umlegungsbeschluss gleichermaßen rechtswidrig sind, wenn bei der Beschlussfassung des Gemeinderats die Vorschriften der Gemeindeordnung über die Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen verletzt worden sind. Nicht zu folgen ist der Argumentation der Revision, der Anordnungsbeschluss beinhalte nur einen "internen Auftrag" des Gemeinderats an die Umlegungsstelle zur Durchführung der Umlegung, so dass es für die Rechtmäßigkeit des Umlegungsbeschlusses nur auf die materiellen Voraussetzungen für eine Umlegung nach § 46 Abs. 1 BauGB ankomme: Mangels Außenwirkung blieben Verfahrensmängel bei der Beschlussfassung des Gemeinderats "intern" und seien daher nicht geeignet, den später gefassten Umlegungsbeschluss gleichsam zu "infizieren". Der Anordnungsbeschluss des Gemeinderats kann, auch wenn es sich um einen internen Vorgang ohne Verwaltungsaktqualität handelt, grundsätzlich nur dann Grundlage eines rechtmäßigen Umlegungsbeschlusses sein, wenn die allgemein für Gemeinderatsbeschlüsse geltenden (Verfahrens-)Regelungen der jeweils anwendbaren Gemeindeordnung eingehalten sind (vgl. Kirchberg in Redeker/Uechtritz, AHB-Verwaltungsverfahren, 2. Aufl., Teil 2 C Rn. 29; s. auch Senatsurteil vom 11. Mai 1967 - III ZR 141/66, NJW 1967, 1662 zu der, soweit ersichtlich allein strittigen, Frage der Befangenheit von Ratsmitgliedern, denen im Umlegungsgebiet gelegene Grundstücke gehören, s. dazu Kirchberg aaO mwN).
15
a) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO BW sind die Sitzungen des Gemeinderats öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern; über Gegenstände , bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muss nichtöffentlich verhandelt werden. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung gehört zu den wesentlichen Verfahrensbestimmungen des Gemeinderechts. Er hat die Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaften und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie eine Willensbildung zu schaffen, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterziehen und dazu beizutragen, der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung des Gemeinderats vorzubeugen. Der Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung begründet regelmäßig eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung und führt daher zur Rechtswidrigkeit eines Gemeinderatsbeschlusses (vgl. VGH Baden-Württemberg , VBlBW 2013, 269, 270 mwN). Diese Grundsätze gelten auch, wenn der zu überprüfende Beschluss zwar in öffentlicher Sitzung gefasst wurde, jedoch ohne Beratung erfolgt ist und die Sachdiskussion in einer nichtöffentlichen vorangegangenen Sitzung durchgeführt wurde. Eine solche Verfahrensweise widerspricht dem Sinn und Zweck des Gebots der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen (vgl. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2001, 462, 463). Keinen Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung stellt es jedoch dar, wenn nur eine Einzelfrage in nichtöffentlicher Sitzung behandelt wird, die der Information der Gemeinderäte dient und nicht die Rede davon sein kann, dass die nichtöffentliche Vorberatung die in öffentlicher Sitzung zu führende Sach- und Abwägungsdiskussion ersetzt, vorweggenommen oder in sonstiger Weise der öffentlichen Wahrnehmung entzogen hat (vgl. VGH BadenWürttemberg VBlBW 2011, 393, 394).
16
Nichtöffentlich muss verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern. Berechtigte Interessen Einzelner im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO BW können rechtlich geschützte oder sonstige schutzwürdige Interessen sein. Sie erfordern den Ausschluss der Öffentlichkeit in der Gemeinderatssitzung, wenn im Verlauf einer öffentlichen Sitzung persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse zur Sprache kommen können, an deren Kenntnis schlechthin kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit bestehen kann und deren Bekanntgabe dem Einzelnen nachteilig sein könnte (VGH Baden-Württemberg, NVwZ 1992, 196, 197 f mwN; vgl. auch BVerwG, NVwZ 1995, 897). Zutreffend geht auch das Berufungsgericht davon aus, dass im Falle einer fehlenden generellen Regelung - wie hier - die Voraussetzungen im Einzelfall festgestellt werden müssen.
17
b) Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Berufungsgerichts nicht.
18
aa) Die gemäß § 38 Abs. 1 GemO BW zu fertigende Niederschrift über die Gemeinderatssitzung ist eine öffentliche Urkunde, bezüglich deren Inhalt der Beweis der Unrichtigkeit zulässig ist (§§ 415, 418 Abs. 1 und 2 ZPO; VGH Baden-Württemberg NVwZ-RR 1989, 153). Eine negative Beweiskraft dergestalt , dass in der Niederschrift nicht aufgenommene Vorgänge als nicht stattgefunden zu behandeln sind, hat das Berufungsgericht der Niederschrift zu Recht nicht beigemessen.
19
bb) Nicht tragfähig ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Nennung der Namen der Eigentümer von Grundstücken innerhalb eines beabsichtigten Umlegungsgebiets in öffentlicher Gemeinderatssitzung verletze keine rechtlich geschützten oder sonstigen Interessen dieser Personen.
20
Wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, sind die Auswirkungen einer Umlegung grundstücksbezogen und nicht personenbezogen. Die Namen der Eigentümer sind für die Voraussetzungen und die Zweckmäßigkeit einer Umlegung zunächst ohne Belang. Dementsprechend ist auch für die Öffentlichkeit regelmäßig kein anerkennenswertes Interesse ersichtlich, die Namen der Eigentümer der in einem Umlegungsgebiet liegenden Grundstücke zu erfahren. Gründe dafür, dass dies im konkreten Einzelfall anders zu bewerten ist, sind vom Berufungsgericht weder festgestellt noch von den Beteiligten vorgetragen worden.
21
Auf der anderen Seite haben die Eigentümer ein durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem daraus abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschütztes Recht, darüber zu entscheiden, wer die Information über ihre Eigentümerstellung erhält. Deshalb macht das Gesetz die Einsichtnahme in das Grundbuch, mit der der Rechtsverkehr typischerweise diesen Umstand in Erfahrung bringt, davon abhängig, dass ein berechtigtes Interesse dafür besteht (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GBO; siehe dazu BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - V ZB 47/11, NJW-RR 2011, 1651 Rn. 7; KG, RNotZ 2004, 464). Die Bekanntgabe dieser Tatsache in öffentlicher Sitzung des Gemeinderats stellt mithin einen Eingriff in die Rechte der Eigentümer dar.
22
cc) Der rechtlichen Nachprüfung nicht stand hält auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass der Gemeinderat in dem nichtöffentlichen Teil der Sitzung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Eigentümer des künftigen Umlegungsgebiets gesprochen habe. Insoweit geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass der Sitzungsniederschrift - die sich hierzu nicht verhält - keine negative Beweiskraft zukommt, vielmehr die tatsächlichen Umstände auch aufgrund anderer Beweismittel festgestellt werden können. Auch die Einbeziehung der Einlassung der Antragsteller, die an der öffentlichen Sitzung teilgenommen haben , ist geboten. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese nur Auskunft geben können über die in öffentlicher Sitzung gefallenen Äußerungen, die insoweit allenfalls ein Indiz dafür darstellen, was tatsächlich in der nichtöffentlichen Sitzung beraten worden ist.
23
Soweit das Berufungsgericht entscheidend darauf abgestellt hat, dass die Beteiligte zu 5 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung den Namen derjenigen Gemeinderatsmitglieder nicht habe nennen können, die Fragen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen einzelner Grundstückseigentümer gestellt haben sollen, hält dies einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Für die Über- prüfung der Frage, was tatsächlich Gegenstand der Beratung in der nichtöffentlichen Sitzung war, kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die konkreten Namen der Ratsmitglieder genannt werden, die bestimmte Fragen (in öffentlicher Sitzung) gestellt haben. Die Teilnehmer der (nichtöffentlichen) Sitzung, die über diesen Gesichtspunkt (nach Entbindung von ihrer Schweigepflicht durch den Bürgermeister, vgl. § 35 Abs. 2 Satz 1 GemO) Auskunft geben können, sind in der Niederschrift der Sitzung vermerkt. Insoweit hat sich das Berufungsgericht zu Unrecht allein auf die Würdigung der Einlassung des Bürgermeisters der Beteiligten zu 5 beschränkt. Nach § 221 Abs. 2 BauGB war das Berufungsgericht gehalten, von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anzuordnen und gegebenenfalls auch solche Tatsachen zu berücksichtigen, die von den Beteiligten nicht vorgebracht worden sind. Nach der Rechtsprechung des Senats vermag diese Vorschrift eine gerichtliche "Befugnis" im Sinne einer Verpflichtung des Gerichts zur Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes zu begründen. Die (begrenzte) Geltung des Untersuchungsgrundsatzes im baulandgerichtlichen Verfahren ist im Zusammenhang zu sehen mit den - auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird - zunehmend anerkannten Mitwirkungspflichten der Verfahrensbeteiligten. Dementsprechend findet die Pflicht der Tatsachengerichte zur Aufklärung des Sachverhalts ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Sachaufklärung bietet (vgl. Senatsurteil vom 16. März 2006 - III ZR 129/05, NJW 2006, 1729, 1731). Die Verpflichtung des Gerichts zur Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes besteht dann, wenn sonst eine Verletzung der Wahrheitspflicht zu befürchten wäre und wenn wichtige öffentliche Interessen im Spiel sind. Die Vorschrift macht es dem Gericht zur Pflicht, die von einem der Beteiligten in das gerichtliche Verfahren eingeführte Behauptung , soweit sie rechtserheblich ist, von Amts wegen zu klären (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2004 - III ZR 372/03, BGHZ 161, 38, 45; und vom 7. Fe- bruar 1974 - III ZR 13/73, NJW 1974, 947). Hiervon ausgehend hätte das Berufungsgericht Gemeinderatsmitglieder dazu befragen müssen, was Gegenstand der Beratung des nichtöffentlichen Teiles der hier in Rede stehenden Gemeinderatssitzung gewesen ist. Die Begründung des Berufungsgerichts, es bedürfe deshalb keiner Beweisaufnahme von Amts wegen, weil das gesamte - wie die Ausführungen des Landgerichts gezeigt haben, außerordentlich umstrittene und von einigen der beteiligten Grundstückseigentümern vehement angegriffene - Umlegungsverfahren erneut in Gang gesetzt werden könne, ist nicht tragfähig.
24
dd) Unzureichend ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts auch insoweit, als es keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob selbst bei einem angenommenen nicht hinreichenden Grund für die Herstellung der Nichtöffentlichkeit gleichwohl ein zur Nichtigkeit des Beschlusses führender Verfahrensfehler ausscheidet. Da die Beratung der Beschlussvorlage über die Anordnung der Umlegung und die Abstimmung in öffentlicher Sitzung durchgeführt wurden, und es hier nur eine kurze Unterbrechung dieser öffentlichen Beratung gegeben hat durch einen nichtöffentlichen Teil der Sitzung, hätte ausgehend vom Inhalt der nichtöffentlichen Beratung geprüft werden müssen, ob diese die Sach- und Abwägungsdiskussion ersetzen, vorwegnehmen oder in sonstiger Weise der öffentlichen Wahrnehmung entziehen sollte. Nur in einem solchen Fall bestünde bei der gegebenen Sachlage Anlass, einen zur Rechtswidrigkeit führenden wesentlichen Verfahrensfehler bei der Fassung des Beschlusses anzunehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg VBlBW 2011, 393, 394).
25
3. Aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts kann derzeit nicht angenommen werden, dass der Beschluss über die Anordnung der Umlegung durch den Gemeinderat der Beteiligten zu 5 wegen Verstoßes gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO BW bei der Beratung der Beschlussfassung in der Ge- meinderatssitzung vom 13. März 2012 unwirksam ist. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache selbst nicht entscheidungsreif ist (§ 221 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Schlick Wöstmann Tombrink
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 19.07.2013 - 50 O 10/12 Baul. -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 03.06.2014 - 102 U 2/13 -

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(2) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung bestimmen,

1.
dass von der Gemeinde Umlegungsausschüsse mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen für die Durchführung der Umlegung gebildet werden,
2.
in welcher Weise die Umlegungsausschüsse zusammenzusetzen und mit welchen Befugnissen sie auszustatten sind,
3.
dass der Umlegungsausschuss die Entscheidung über Vorgänge nach § 51 von geringer Bedeutung einer Stelle übertragen kann, die seine Entscheidungen vorbereitet,
4.
dass zur Entscheidung über einen Rechtsbehelf im Umlegungsverfahren Obere Umlegungsausschüsse gebildet werden und wie diese Ausschüsse zusammenzusetzen sind,
5.
dass die Flurbereinigungsbehörde oder eine andere geeignete Behörde verpflichtet ist, auf Antrag der Gemeinde (Umlegungsstelle) die im Umlegungsverfahren zu treffenden Entscheidungen vorzubereiten.

(3) Auf die Anordnung und Durchführung einer Umlegung besteht kein Anspruch.

(4) Die Gemeinde kann ihre Befugnis zur Durchführung der Umlegung auf die Flurbereinigungsbehörde oder eine andere geeignete Behörde für das Gemeindegebiet oder Teile des Gemeindegebiets übertragen. Die Einzelheiten der Übertragung einschließlich der Mitwirkungsrechte der Gemeinde können in einer Vereinbarung zwischen ihr und der die Umlegung durchführenden Behörde geregelt werden. Die Gemeinde kann die Vorbereitung der im Umlegungsverfahren zu treffenden Entscheidungen sowie die zur Durchführung der Umlegung erforderlichen vermessungs- und katastertechnischen Aufgaben öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren übertragen.

(5) Die Gemeinde kann dem Umlegungsausschuss für einzelne Fälle oder bestimmte Gebiete die Befugnis zur Ausübung eines ihr nach § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zustehenden Vorkaufsrechts übertragen; die Gemeinde kann die Übertragung jederzeit widerrufen. Das Recht der Gemeinde, nach der Übertragung ein Vorkaufsrecht zu anderen als Umlegungszwecken auszuüben, bleibt unberührt. Ansprüche Dritter werden durch die Sätze 1 und 2 nicht begründet.

(1) In den Sachen, die auf Grund eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung bei den Gerichten anhängig werden, sind die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich aus den §§ 217 bis 231 nichts anderes ergibt. § 227 Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.

(2) Das Gericht kann auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind.

(3) Sind gegen denselben Verwaltungsakt mehrere Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so wird über sie gleichzeitig verhandelt und entschieden.

(4) Die Vorschriften über die Vorauszahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes sind nicht anzuwenden.

(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges.

(2) Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) In den Sachen, die auf Grund eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung bei den Gerichten anhängig werden, sind die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich aus den §§ 217 bis 231 nichts anderes ergibt. § 227 Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.

(2) Das Gericht kann auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind.

(3) Sind gegen denselben Verwaltungsakt mehrere Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so wird über sie gleichzeitig verhandelt und entschieden.

(4) Die Vorschriften über die Vorauszahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes sind nicht anzuwenden.

(1) Die Umlegung ist von der Gemeinde (Umlegungsstelle) in eigener Verantwortung anzuordnen und durchzuführen, wenn und sobald sie zur Verwirklichung eines Bebauungsplans oder aus Gründen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zur Verwirklichung der innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässigen Nutzung erforderlich ist.

(2) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung bestimmen,

1.
dass von der Gemeinde Umlegungsausschüsse mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen für die Durchführung der Umlegung gebildet werden,
2.
in welcher Weise die Umlegungsausschüsse zusammenzusetzen und mit welchen Befugnissen sie auszustatten sind,
3.
dass der Umlegungsausschuss die Entscheidung über Vorgänge nach § 51 von geringer Bedeutung einer Stelle übertragen kann, die seine Entscheidungen vorbereitet,
4.
dass zur Entscheidung über einen Rechtsbehelf im Umlegungsverfahren Obere Umlegungsausschüsse gebildet werden und wie diese Ausschüsse zusammenzusetzen sind,
5.
dass die Flurbereinigungsbehörde oder eine andere geeignete Behörde verpflichtet ist, auf Antrag der Gemeinde (Umlegungsstelle) die im Umlegungsverfahren zu treffenden Entscheidungen vorzubereiten.

(3) Auf die Anordnung und Durchführung einer Umlegung besteht kein Anspruch.

(4) Die Gemeinde kann ihre Befugnis zur Durchführung der Umlegung auf die Flurbereinigungsbehörde oder eine andere geeignete Behörde für das Gemeindegebiet oder Teile des Gemeindegebiets übertragen. Die Einzelheiten der Übertragung einschließlich der Mitwirkungsrechte der Gemeinde können in einer Vereinbarung zwischen ihr und der die Umlegung durchführenden Behörde geregelt werden. Die Gemeinde kann die Vorbereitung der im Umlegungsverfahren zu treffenden Entscheidungen sowie die zur Durchführung der Umlegung erforderlichen vermessungs- und katastertechnischen Aufgaben öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren übertragen.

(5) Die Gemeinde kann dem Umlegungsausschuss für einzelne Fälle oder bestimmte Gebiete die Befugnis zur Ausübung eines ihr nach § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zustehenden Vorkaufsrechts übertragen; die Gemeinde kann die Übertragung jederzeit widerrufen. Das Recht der Gemeinde, nach der Übertragung ein Vorkaufsrecht zu anderen als Umlegungszwecken auszuüben, bleibt unberührt. Ansprüche Dritter werden durch die Sätze 1 und 2 nicht begründet.

(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges.

(2) Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Einsicht des Grundbuchs ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Das gleiche gilt von Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, sowie von den noch nicht erledigten Eintragungsanträgen.

(2) Soweit die Einsicht des Grundbuchs, der im Absatz 1 bezeichneten Urkunden und der noch nicht erledigten Eintragungsanträge gestattet ist, kann eine Abschrift gefordert werden; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass

1.
über die Absätze 1 und 2 hinaus die Einsicht in sonstige sich auf das Grundbuch beziehende Dokumente gestattet ist und Abschriften hiervon gefordert werden können;
2.
bei Behörden von der Darlegung des berechtigten Interesses abgesehen werden kann, ebenso bei solchen Personen, bei denen es auf Grund ihres Amtes oder ihrer Tätigkeit gerechtfertigt ist.

(4) Über Einsichten in Grundbücher und Grundakten sowie über die Erteilung von Abschriften aus Grundbüchern und Grundakten ist ein Protokoll zu führen. Dem Eigentümer des betroffenen Grundstücks oder dem Inhaber eines grundstücksgleichen Rechts ist auf Verlangen Auskunft aus diesem Protokoll zu geben, es sei denn, die Bekanntgabe würde den Erfolg strafrechtlicher Ermittlungen oder die Aufgabenwahrnehmung einer Verfassungsschutzbehörde, des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes, der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung oder die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen gefährden. Das Protokoll kann nach Ablauf von zwei Jahren vernichtet werden. Einer Protokollierung bedarf es nicht, wenn die Einsicht oder Abschrift dem Auskunftsberechtigten nach Satz 2 gewährt wird.

7
2. Schutzwürdige Belange der im Grundbuch - sei es als (Vor-)Eigentümer , sei es als (ehemalige) dinglich Berechtigte - Eingetragenen stehen einer Einsichtnahme durch die Antragstellerin nicht entgegen. Deren Rechtsposition genießt zwar ebenfalls grundrechtlichen Schutz, weil die Gestattung der Grundbucheinsicht durch einen Dritten auf Grund der im Grundbuch enthaltenen personenbezogenen Daten einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt (BVerfG, NJW 2001, 503, 505). Das Interesse der Eingetragenen an der Geheimhaltung ihrer Daten tritt jedoch hinter das Informationsinteresse der Antragstellerin zurück.

(1) In den Sachen, die auf Grund eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung bei den Gerichten anhängig werden, sind die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich aus den §§ 217 bis 231 nichts anderes ergibt. § 227 Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.

(2) Das Gericht kann auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind.

(3) Sind gegen denselben Verwaltungsakt mehrere Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so wird über sie gleichzeitig verhandelt und entschieden.

(4) Die Vorschriften über die Vorauszahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes sind nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 129/05
Verkündet am:
16. März 2006
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Baulandsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zu der dem Pächter durch Enteignung der Pachtfläche genommenen und zu
entschädigenden Rechtsposition kann auch ein Verwendungsersatzanspruch
gegen den Grundeigentümer im Falle der Kündigung des Pachtverhältnisses
durch diesen, gerichtet auf den vom Pächter geschaffenen "Mehrwert" des
Grundstücks (§ 591 Abs. 1 BGB), gehören.
Obergrenze des Ersatzanspruchs nach § 591 Abs. 1 BGB ist - wie beim Anspruch
des Besitzers gegen den Eigentümer auf Ersatz nützlicher Verwen-
dungen nach § 996 BGB - der Betrag der tatsächlich getätigten Aufwendungen.
BGH, Urteil vom 16. März 2006 - III ZR 129/05 - OLG Celle
LG Hannover
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beteiligten zu 2 wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle - Senat für Baulandsachen - vom 18. Mai 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil des Beteiligten zu 2 erkannt worden ist.
Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Beteiligte zu 2 beansprucht für von ihm angepachtete und zum Spargelanbau genutzte - jedoch von der Straßenbauverwaltung (Beteiligte zu 1) ab 1. Oktober 1997 in Anspruch genommene - Flächen (14.985 m² in der Gemarkung S. ) eine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen. Die Parteien streiten im baulandgerichtlichen Verfahren um die Höhe des festzusetzenden Betrages. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das erste Revisionsurteil des Senats vom 2. Oktober 2003 (III ZR 114/02 - BGHZ 156, 257 = NJW 2004, 281) Bezug genommen. Das Oberlandesgericht hat aufgrund der neuen Berufungsverhandlung die an den Beteiligten zu 2 zu leistende Entschädigung auf 22.947,30 DM (= 11.732,77 €) nebst Zinsen - unter Anrechnung einer bereits geleisteten Abschlagszahlung von 50.000 DM - herabgesetzt. Mit der hiergegen gerichteten, vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beteiligte zu 2 die Wiederherstellung der ursprünglichen Festsetzung der Beteiligten zu 3 (Flurbereinigungsbehörde) in Höhe von 170.880 DM nebst Zinsen.

Entscheidungsgründe


2
Die Revision des Beteiligten zu 2 führt in dem Umfang, in dem das Berufungsgericht zu seinem Nachteil erkannt hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur (erneuten) Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


3
1. Das Berufungsgericht ist nach einer neuen Würdigung der gesamten Umstände des von dem Beteiligten zu 2 eingegangenen und durch Spargelanbau verwirklichten Pachtverhältnisses an Hand der im ersten Revisionsurteil des Senats (BGHZ 156, 257, 265 ff) genannten Kriterien zu dem Ergebnis gelangt , dass die dem Beteiligten zu 2 - mit Wirkung vom 1. Oktober 1997 - genommene Rechtsposition nicht den gesamten Zeitraum bis zum Ende der Ertragsdauer der von ihm angelegten Spargelanlage (bis 2005) umfasste, sondern dass der von ihm mündlich abgeschlossene Pachtvertrag durch den Eigentümer zum Ende des Jahres 1999 hätte gekündigt werden können, ohne dass der Beteiligte zu 2 der Kündigung durchgreifende Einwände - etwa auch aus § 242 BGB - hätte entgegensetzen können. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
4
2. Bei seiner weiteren Prüfung geht das Berufungsgericht allerdings nicht näher auf die Frage ein, welcher Entschädigungsbetrag sich für den Beteiligten zu 2 aus dem Verlust seiner Rechtsposition als (Spargel anbauender) Pächter errechnet, die er immerhin auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ohne den enteignenden Zugriff der Straßenbauverwaltung in der Zeit vom 1. Oktober 1997 bis zum 31. Dezember 1999 unangefochten innegehabt hätte. Maßgeblich sind hierfür, wenn auch zeitlich begrenzt, die im ersten Revisionsurteil des Senats (BGHZ 156, 257, 260 ff) erörterten Grundsätze zur Entschädigung des am entgangenen Deckungsbeitrag ausgerichteten Erwerbsverlustes. Da das Berufungsurteil schon aus einem anderen Grund der Aufhebung unterliegt (unten zu II 3), hat der Tatrichter in der neuen Berufungsverhandlung Gelegenheit, die Prüfung der dem Beteiligten zu 2 insgesamt zustehenden - einheitlichen - Enteignungsentschädigung auch im Einzelnen auf diese Entschädigungsposition zu erstrecken.

II.


5
Ausgehend davon, dass der Pachtvertrag des Beteiligten zu 2 seitens des Eigentümers zum Ende des Jahres 1999, also fünf Jahre vor der "Erschöpfung" der Spargelanlage, kündbar war, prüft das Berufungsgericht als dem Beteiligten zu 2 genommene und zu entschädigende Rechtsposition einen Anspruch desselben gegen den Eigentümer für den Fall der Kündigung auf Ersatz wertverbessernder Verwendungen gemäß § 591 Abs. 1 BGB. Das Berufungsgericht zieht einen solchen Anspruch grundsätzlich in Betracht, wobei es davon ausgeht, dass die Bewirtschaftung des Pachtlandes durch den Beteiligten zu 2 unter Anlage von Spargelfeldern mit Zustimmung des Eigentümers erfolgt sei und der Grundbesitz durch die - noch nicht erschöpfte - Spargelanlage einen über die Pachtzeit hinaus erhöhten Wert ("Mehrwert") erlangt habe. Allerdings könne, so das Berufungsgericht weiter, der bloße Mehrwert einen Ersatzanspruch des Pächters nach § 591 BGB nicht begründen. Der Ersatzanspruch sei von vornherein auf die Höhe der Verwendungen des Pächters zuzüglich einer marktüblichen Verzinsung begrenzt. Dafür, dass der Beteiligte zu 2 an nützlichen Verwendungen mehr als 11.732,77 € - den von der Beteiligten zu 1 als Enteignungsentschädigung für den Beteiligten zu 2 errechneten Betrag - aufgewendet habe, sei jedoch nichts ersichtlich oder vorgetragen; das habe der Beteiligte zu 2 auch bei der Erörterung der Problematik des § 591 BGB in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht behauptet.
6
Diese Ausführungen halten zwar zum Grund, nicht aber zur Höhe der betreffenden Entschädigungsposition der rechtlichen Nachprüfung stand.
7
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass zu der dem Pächter durch Enteignung der Pachtfläche genommenen und zu entschädigenden Rechtsposition auch ein Verwendungsersatzanspruch gegen den Grundstückseigentümer für den Fall der Kündigung des Pachtverhältnisses durch diesen, gerichtet auf den vom Pächter geschaffenen "Mehrwert" des Grundstücks (§ 591 Abs. 1 BGB), gehören kann (vgl. Aust/Jacobs/Pasternak, Die Enteignungsentschädigung , 5. Aufl. Rn. 558; siehe auch die Senatsurteile BGHZ 59, 250, 253 f und vom 15. April 1957 - III ZR 249/55 - LM § 7 ErgG/RSiedlG Nr. 2 zu § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Reichssiedlungs- gesetzes vom 4. Juni 1935, RGBl. I S. 1). Des weiteren ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass die Herstellung einer Spargelanlage durch den Pächter auf gepachtetem Ackerland eine nützliche Verwendung im Sinne des § 591 Abs. 1 BGB darstellen kann (vgl. - für den Fall der Umwandlung von Ackerland in eine Weinbaufläche - BGH, Urteil vom 16. Juni 2000 - LwZR 22/99 - RdL 2000, 234, 235). Das wird von der Revision, als ihr günstig, nicht in Zweifel gezogen; auch die Revisionserwiderung nimmt dies hin.
8
2. Es ist entgegen den Angriffen der Revision auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Pächters gegen den Eigentümer aus § 591 Abs. 1 BGB als durch die getätigten Aufwendungen (zuzüglich marktüblicher Verzinsung) begrenzt angesehen hat.
9
Während der Verpächter verpflichtet ist, dem Pächter die notwendigen Verwendungen auf die Pachtsache zu ersetzen (§ 590b BGB), hat er nach § 591 Abs. 1 BGB andere als notwendige Verwendungen, denen er zugestimmt hat, dem Pächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses zu ersetzen, soweit die Verwendungen den Wert der Pachtsache über die Pachtzeit hinaus erhöhen (Mehrwert). Diese durch Gesetz vom 8. November 1985 (BGBl. I S. 2065) in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügte Vorschrift ist nach ihrem nächstliegenden Wortsinn und ihrem systematischen Zusammenhang nicht anders zu verstehen als die Regelung des § 996 BGB über den Ersatzanspruch des Besitzers für nützliche Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Für diese Regelung stand und steht außer Streit, dass Verwendungsersatz nur bis zur Höhe der der Sache jetzt noch anhaftenden Wertsteigerung, jedoch nicht über die tatsächlich aufgewendeten Kosten hinaus in Betracht kommt (RGZ 106, 147, 149; BGHZ 75, 288, 295). Auch für § 591 Abs. 1 BGB hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung ein (noch) vorhandener Mehrwert allein einen Ersatzanspruch des Pächters nicht begründen könne; der Mehrwert sei nicht Anspruchsgrund, sondern Maßstab des Verwendungsersatzanspruchs (BGHZ 115, 162, 166; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Juni 2000 aaO S. 235; Wenzel AgrarR 1995, 42, 43). Dieser Rechtsprechung, deren Standpunkt von der herrschenden Meinung in der Fachliteratur geteilt wird (MünchKommBGB/Harke 4. Aufl. § 591 Rn. 3; Soergel /Heintzmann BGB 12. Aufl. § 591 Rn. 25; Palandt/Weidenkaff BGB 65. Aufl. § 591 Rn. 4; Hk-BGB/Ebert 4. Aufl. § 591 Rn. 4; Erman/P. Jendrek BGB 11. Aufl. § 591 Rn. 1; so wohl auch Lukanow Landpachtrecht 3. Aufl. § 591 Rn. 46), schließt sich der erkennende Senat an. Die Gegenansicht, die darauf abstellt, dass der Pächter bezüglich der vom Verpächter genehmigten nützlichen Verwendungen besser stehen solle als bei den notwendigen Verwendungen , "weil der Verpächter in Kenntnis seiner Ersatz-Pflicht die Verwendungen erlaubt hat und im übrigen Abs. 3 Satz 3 ein Korrektiv zugunsten des Verpächters enthält" (Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht 4. Aufl. § 591 Rn. 17; ihm folgend Bauermeister in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth juris Praxiskommentar BGB § 591 Rn. 12; Staudinger/Pikalo/v. Jeinsen BGB 13. Bearb. § 591 Rn. 31), trägt weder dem Wortlaut noch dem Regelungszusammenhang der Vorschrift Rechnung, bei der der überkommene Begriff der "Verwendungen" inmitten steht (Vermögensaufwendungen, die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache dienen, vgl. BGHZ 131, 220, 222 f); sie findet auch in den Gesetzesmaterialien (siehe die Begründung zu § 591 BT-Drucks. 10/509 S. 22) keine Stütze.
10
3. Soweit das Berufungsgericht die Höhe der Verwendungen des Beteiligten zu 2, die möglicherweise per 31. Dezember 1999 beim Eigentümer zu einem Mehrwert geführt hätten, ungeklärt gelassen und den Beteiligten zu 2 an seinem mangelnden Vortrag zu diesem Punkt festgehalten hat, rügt jedoch die Revision mit Recht einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts (Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz, § 221 Abs. 2 BauGB).
11
Baulandsachen In sind grundsätzlich die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften, insbesondere also die Zivilprozessordnung , entsprechend anzuwenden (§ 221 Abs.1 Satz 1 BauGB). Die infolge dieser Verweisung mit in den Blick zu nehmenden Vorschriften der Zivilprozessordnung , etwa auch die über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens, stehen allerdings in einem Spannungsverhältnis zu der weiteren Regelung in § 221 Abs. 2 BauGB, wonach - während im Zivilprozess der Verhandlungsgrundsatz gilt - das Baulandgericht auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen kann, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind. Diese Regelung , die früher überwiegend als "Kann"-Vorschrift verstanden wurde, die es dem Gericht nach seinem Ermessen frei stelle, vom Verhandlungsgrundsatz zum Untersuchungsgrundsatz überzugehen, begründet nach dem heute vorherrschenden Verständnis eine gerichtliche "Befugnis" im Sinne gegebenenfalls einer Verpflichtung des Gerichts zur Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes (Senatsurteil vom 4. November 2004 - III ZR 372/03 - BGHZ 161, 38, 45 = NJW 2005, 898, 900). Die (begrenzte) Geltung des Untersuchungsgrundsatzes im baulandgerichtlichen Verfahren ist allerdings im Zusammenhang zu sehen mit den - auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird - zunehmend anerkannten Mitwirkungspflichten der Verfahrensbeteiligten. Dementsprechend findet die Pflicht der Tatsachengerichte zur Aufklärung des Sachverhalts (nach § 86 Abs. 1 VwGO wie auch gegebenenfalls nach § 221 Abs. 2 BauGB) ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Sachaufklärung bietet (Senatsurteil vom 4. November 2004 aaO m.w.N.). Im Streitfall hatte das Beru- fungsgericht es indessen, was die Höhe der von dem Beteiligten zu 2 für die Spargelanlage gemachten Verwendungen anging, nicht mit einem klaren Parteivorbringen zu tun, das es nicht hätte zu hinterfragen brauchen, sondern es fehlte offensichtlich an substantiiertem Vortrag des Beteiligten zu 2. Dabei war dieser Mangel an Parteivortrag erst in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zutage getreten. Die Entscheidungserheblichkeit der Höhe der von dem Beteiligten zu 2 für die Spargelanlage erbrachten Vermögensaufwendungen ergab sich erst aus der geänderten Rechtsauffassung des Berufungsgerichts , dessen vorausgegangene Beweiserhebung noch auf der Auffassung basierte, für einen Anspruch aus § 591 Abs. 1 BGB komme es nur auf den erzielten Mehrwert an. Andererseits gab es, worauf die Revision mit Recht hinweist , aus dem bisherigen Verfahren, insbesondere aus den Äußerungen der gerichtlichen Sachverständigen und den fachkundlichen Stellungnahmen des die Beteiligte zu 1 vertretenden Landesamts, Hinweise auf die "Investitionsaufwendungen" des Beteiligten zu 2 (vgl. nur GA V 454-460). Dieser bereits vorhandene Prüfungsstoff hätte das Berufungsgericht veranlassen müssen, durch Auflagen an den Beteiligten zu 2 zu weiterem Vortrag und gegebenenfalls durch zusätzliche sachverständige Erhebungen die Höhe des maßgeblichen Kostenaufwands des Beteiligten zu 2 nach landwirtschaftlichen Bewertungsgrundsätzen zu klären.

III.


12
Das angefochtene Urteil kann daher, soweit es zum Nachteil des Beteiligten zu 2 ergangen ist, keinen Bestand haben. Mangels Entscheidungsreife im Revisionsverfahren ist die Sache zur weiteren Prüfung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird die Aufgabe des Berufungsgerichts sein, die zutref- fende Enteignungsentschädigung des Beteiligten zu 2 aus einer "Kombination" - unter Vermeidung einer Doppelentschädigung und gegebenenfalls unter Abzinsung auf den Qualitätsstichtag 1. Oktober 1997 - des Ertragsverlustes (entgangener Deckungsbeitrag) für die Zeit vom 1. Oktober 1997 bis zum 31. Dezember 1999 mit einem entgangenen Verwendungsersatzanspruch gemäß § 591 Abs. 2 BGB gegen den Eigentümer wegen des am 31. Dezember 1999 für diesen noch gegebenen Mehrwerts zu ermitteln.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 13.12.2000 - 7 O 500/99 (Baul.) -
OLG Celle, Entscheidung vom 18.05.2005 - 4 U 12/01 (Baul.) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 372/03
Verkündet am:
4. November 2004
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BadWürtt LEntG § 9; WertV §§ 5 Abs. 5, 24
Besteht der begründete Verdacht, daß - enteignungsrechtlich zu entschädigende
- Baulichkeiten und Anlagen mit Altlasten befallen sind, so kann
sich daraus eine Wertminderung (Reduzierung der Entschädigung) nach
der Höhe der Sanierungskosten (einschließlich Untersuchungs- und Sicherungskosten
) ergeben.
Zur Anwendbarkeit der Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO im baulandgerichtlichen
Berufungsverfahren.
BGH, Urteil vom 4. November 2004 - III ZR 372/03 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision des Beteiligten zu 1 gegen das Urteil des Baulandsenatsdes Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1 hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Durch notariellen Kaufvertrag vom 29. August 1991 mit Änderungen vom 21. Oktober 1991 erwarb die Beteiligte zu 2 (Bundesstraßenverwaltung) von dem Beteiligten zu 1 für die Durchführung des Neubaus der Ortsumgehung A. nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses vom 21. Mai 1991 eine 8.270 m² große Teilfläche des Flurstücks 1813 der Gemarkung A. einschließlich der darauf befindlichen Gebäude und Anlagen. Die Übergabe erfolgte zum 1. Oktober 1991. Am 31. Oktober 1991 wurde die Beteiligte zu 2
im Grundbuch als Eigentümerin des neu gebildeten Flurstücks 1813/3 eingetragen.
Die Veräußerung des Kaufgegenstands erfolgte "in seine m gegenwärtigen Zustand, wie er von der Käuferin besichtigt worden ist bzw. besichtigt werden konnte" (§ 2). Zur "Mängelhaftung" hieß es in § 7:
"1. Der Verkäufer haftet bezüglich Sachmängeln, Beschaffenheit und Flächenmaß des Grundstückes nur insoweit, als er auch im Falle einer Enteignung haften würde. 2. Der Verkäufer versichert, daß ihm von Schadstoffen auf und in dem Grundstück nichts bekannt ist."
Der Kaufpreis war aufgeteilt in einen bereits zum Zei tpunkt des Vertragsabschlusses bezifferbaren Preisanteil für die Fläche des verkauften Grundstücks (100 DM/m² = 827.000 DM für 8.270 m²) und einen weiteren Kaufpreisanteil "für die auf der veräußerten Teilfläche aufstehenden Gebäude und die dort sich befindlichen Anlagen". Letzterer sollte durch ein Wertgutachten der Oberfinanzdirektion F. ermittelt werden. Für den Fall, daß das Ergebnis des Wertermittlungsgutachtens nicht von beiden Parteien akzeptiert wurde, hatte die Beteiligte zu 2 80 % des sich aus dem Gutachten ergebenden Betrages "als Abschlagszahlung auf den 2. Kaufpreisanteil" auszuzahlen (§ 3 Abs. 1b); beiden Parteien sollte es dann vorbehalten bleiben, "in einem Verfahren gem. § 27 Abs. 3 des Landesentschädigungsgesetzes (gemeint: Landesenteignungsgesetz ) die Enteignungsbehörde anzurufen zum Zwecke der Festsetzung des Gebäude-Anlagenwertes durch die Entschädigungsbehörde".
Nachdem die Oberfinanzdirektion F. unte r dem 11. Dezember 1991 ein Gutachten erstattet hatte, das für die Gebäude und Anlagen einen Wert von 334.000 DM ergab, aber weder von dem Beteiligten zu 1 noch von der Beteiligten zu 2 akzeptiert wurde, zahlte die Beteiligte zu 2 an den Beteiligten zu 1 80 % dieses Betrages (= 267.200 DM). Die Oberfinanzdirektion F. im nahm Einvernehmen beider Seiten ein e Überarbeitung ihres Gutachtens vor, die (unter dem 9. Juli 1992) einen Wert von 343.350 DM ergab. In der Folgezeit verweigerte jedoch der Beteiligte zu 2 weitere Zahlungen mit der Begründung, es bestehe der Verdacht von Altlasten.
Daraufhin erhob der Beteiligte zu 1 - mit der Behau ptung, es sei bereits eine bindende Einigung auf den Wert des überarbeitenden Gutachtens der Oberfinanzdirektion vom 9. Juli 1992 erfolgt - Klage gegen die Beteiligte zu 2 auf Zahlung von - soweit hier von Interesse - 66.800 DM. In jenem Prozeß, in dem die Beklagte zu 2 im Wege der Widerklage die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beteiligten zu 1 wegen arglistigen Verschweigens der Altlasten auf der betreffenden Teilfläche, hilfsweise die Berechtigung der Beteiligten zu 2 zur Minderung des Kaufpreises begehrte, wies letztinstanzlich das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 6. Juli 1994 die Klage (als derzeit unbegründet) und die Widerklage ab.
In dem von der Beteiligten zu 2 beantragten Verfahre n vor der Enteignungsbehörde hat der Beteiligte zu 3 mit Bescheid vom 6. April 2000 die Entschädigung für die ehemals auf der veräußerten Teilfläche des Flurstücks 1813 aufstehenden Gebäude und Anlagen "auf DM 0,00" festgesetzt und angeordnet , daß der Beteiligte zu 1 den an ihn bereits ausgezahlten Betrag von
267.200 DM zurückzuerstatten habe. Zur Begründung heißt es in diesem Bescheid , die Entschädigungshöhe berechne sich aus dem durch das ergänzte Gutachten der Oberfinanzdirektion ermittelten Gebäude- und Anlagenwert von 343.350 DM abzüglich folgender, in der Summe 401.116,29 DM ausmachender , Kosten einer - der Beteiligten zu 2 in der Abbruchgenehmigung wegen Verdachts einer Kontaminierung durch die frühere Nutzung als Stuhlfabrik zur Auflage gemachten - "begleitenden Altlastenermittlung":
- Entsorgung von kontaminiertem Material … 8.790,56 DM, - Ausbau von PAK-belastetem Betonboden … 3.359,95 DM, - Sanierung Kesselhaus II. … 144.891,76 DM, - Sanierung Baugelände … 55.041,15 DM, - Bausubstanzuntersuchung … 137.913,75 DM, - Untergrunduntersuchung nach Abschluß der Abbrucharbeiten … 17.797,63 DM, - Entsorgung von Sonderabfällen … (zwei Rechnungen) … 18.121,52 DM, 9.789,97 DM, - Gebührenbescheid Entsorgungsnachweis Landratsamt … 100,00 DM, - Abfallgebühren gemäß Bescheid des Landratsamtes … 5.310,00 DM.
Dem hiergegen gerichteten Antrag des Beteiligten zu 1 auf gerichtliche Entscheidung hat das Landgericht (Kammer für Baulandsachen) nur insoweit stattgegeben, als es die Rückzahlungsanordnung der Beteiligten zu 3 über den Betrag von 267.200 DM aufgehoben hat. Die von dem Beteiligten zu 1 gegen die Zurückweisung seines weitergehenden Antrags gerichtete Berufung - zuletzt mit dem Begehren auf Festsetzung der Entschädigung für die aufstehen-
den Gebäude und Anlagen auf 175.552,06 € (= 343.350 DM), hilfsweise auf Verurteilung des Beteiligten zu 2 zur Zahlung eines Entschädigungsbetrages von 38.934,88 € (= 76.150 DM) nebst Zinsen an den Beteiligten zu 1 - ist vom Oberlandesgericht (Senat für Baulandsachen) zurückgewiesen worden. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Beteiligte zu 1 seinen Antrag auf Festsetzung einer Entschädigung in Höhe des ungekürzten Betrages des überarbeiteten OFD-Gutachtens weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Für die Höhe der von der Enteignungsbehörde festzusetzenden Entschädigung für die aufstehenden Gebäude und Anlagen sei deren Verkehrswert zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom 29. August 1991 maßgebend. Es komme dabei auf den damaligen objektiven Zustand, nicht dagegen auf die subjektiven Kenntnisse und Vorstellungen der Vertragsbeteiligten an; damals vorhandene Schadstoffbelastungen seien deshalb zu berücksichtigen, ohne daß es darauf ankäme, ob eine oder beide Seiten Kenntnis hiervon hatten. Vorhandene Schadstoffbelastungen seien bei der Wertermittlung durch einen Abzug zu berücksichtigen, weil ihr Vorhandensein die Beschaffenheit und die tatsächlichen Eigenschaften des Grundstückes (§ 5 Abs. 5 WertV) mitpräge. Die Wertermittlung habe in diesen Fällen regelmäßig
in der Weise zu erfolgen, daß vom "fiktiven Wert ohne Kontaminationen" die Kosten der Erfassung, Gefährdungsabschätzung, Sanierung und Überwachung in Abzug gebracht würden. Nicht begründet sei in diesem Zusammenhang der Einwand des Beteiligten zu 1, daß er nach dem notariellen Kaufvertrag für das Risiko etwa vorhandener Altlasten nicht einzustehen habe. Die Vertragsparteien hätten nämlich eine Freizeichnung des Beteiligten zu 1 hinsichtlich der Sachmängel, insbesondere auch Schadstoffbelastungen, gerade nicht für den Fall der Entschädigungsfestsetzung vereinbart. Die Regelung in § 7 des Kaufvertrages , wonach der Verkäufer bezüglich Sachmängel, Beschaffenheit und Flächenmaß des Grundstückes nur insoweit hafte, "als er auch im Falle einer Enteignung haften würde", sei bei Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB dahin zu verstehen, daß die Rechte der Beteiligten zu 2 gerade nicht über die ihr bei Durchführung eines Enteignungsverfahrens zukommende Rechtsposition hinaus geschmälert werden sollten. Da eine Schadstoffbelastung auch bei Durchführung eines Enteignungsverfahrens entschädigungsmindernd zu berücksichtigen wäre, gelte dies ohne Einschränkung auch für das Entschädigungsfestsetzungsverfahren.
Im Streitfall sei auf dieser Grundlage (mit dem Bete iligten zu 3) der Verkehrswert der aufstehenden Gebäude und Anlagen mit "0,00 DM" anzunehmen. Es sei davon auszugehen, daß bei Abschluß des Kaufvertrages Schadstoffbelastungen der Gebäude und Anlagen vorlagen, deren späterer Erkundung und Beseitigung für die Beteiligte zu 2 Zusatzkosten in Höhe von 401.116,29 DM = 205.087,50 € verursacht habe. Beides - das Vorhandensein von Schadstoffbelastungen bei Vertragsschluß sowie die Angaben der Beteiligten zu 2 zur Höhe der Erkundungs- und Beseitigungskosten - sei in erster Instanz unstreitig gewesen. Das erstmalige Bestreiten des Beteiligten zu 1 in der
Berufungsinstanz müsse gemäß § 531 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 BauGB zurückgewiesen werden, ebenso wie das erstmalige Vorbringen des Beteiligten zu 1, es handele sich bei den von der Beteiligten zu 2 geltend gemachten Mehrkosten nicht um Sanierungskosten, wie sie im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei der Grundstücksbewertung zu berücksichtigen gewesen wären. Zwar seien die Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens im baulandgerichtlichen Verfahren, das in beschränktem Umfang dem Untersuchungsgrundsatz unterliege (§ 221 Abs. 2 BauGB), nicht uneingeschränkt anwendbar. Soweit aber selbst im Verfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung eine Zurückweisung zu erfolgen hätte, stehe der Untersuchungsgrundsatz einer Anwendung der Verspätungsvorschriften der ZPO im Baulandverfahren nicht entgegen. § 531 ZPO sei deshalb im Baulandverfahren jedenfalls dann anwendbar, wenn auch die Voraussetzungen für eine Zurückweisung im Verwaltungsprozeß gemäß § 128a VwGO vorlägen. Dies sei hier im Hinblick auf die bereits in erster Instanz durch Verfügung des Vorsitzenden der Kammer für Baulandsachen vom 15. August 2000 an den Beteiligten zu 1 erfolgte Fristsetzung zur Begründung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung der Fall. Die Zulassung des neuen Vortrags in der Berufungsinstanz würde im Hinblick auf erforderlichen Zeugenbeweis und die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens den Rechtsstreit verzögern, ohne daß diese Verzögerung durch zumutbare prozeßleitende Maßnahmen des Berufungsgerichts zu vermeiden gewesen wäre.
Somit sei weiterhin von den Feststellungen der Kammer für Baulandsachen auszugehen, daß die Gebäude und Anlagen mit Schadstoffen belastet waren und die hierdurch notwendigen Kosten der Sanierung (einschließlich Erkundung und Überwachung) 401.116,29 DM (= 205.087,50 €) betragen. Die-
se Sanierungskosten seien in Abzug zu bringen von dem in erster Instanz ebenfalls unstreitigen "fiktiven (ohne Schadstoffbelastungen gedachten)" Verkehrswert der Gebäude und Anlagen von 343.350 DM (= 175.552,06 €). Es sei offenkundig und ohne Sachverständigenhilfe festzustellen, daß Schadstoffbelastungen , deren Sanierung deutlich über dem fiktiven Verkehrswert läge, im Grundstücksverkehr einen Wertverlust auf "0" bewirkten. Daß die Sanierungskosten im vorliegenden Fall den Grundstückseigentümer träfen und nicht auf Dritte oder die öffentliche Hand verlagert gewesen seien, werde bereits im Entschädigungsfeststellungsbescheid der Beteiligten zu 3 zutreffend dargelegt.

II.


Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung st and.
1. a) Es ist nicht zu beanstanden, daß die von den Kaufvertragsparteien gemäß § 3 Abs. 1b des Vertrages vom 29. August 1991 i.V.m. § 27 Abs. 3 des baden-württembergischen Landesenteignungsgesetzes (LEntG) angerufene Enteignungsbehörde (Beteiligte zu 3) den Gebäude- und Anlagenwert nach objektiven Maßstäben, wie sie für die Enteignungsentschädigung gelten (vgl. § 9 LEntG) festgesetzt hat, und nicht - wie die Revision es befürwortet - im Sinne der Festlegung eines weiteren Kaufpreisanteils unter vorrangiger Berücksichtigung der subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien sowie der Kenntnisse derselben bei Abschluß des Kaufvertrages, mit der Maßgabe - nach der Vorstellung der Revision -, daß ein Abzug für die Kosten der Entsorgung von Altlasten nur berechtigt wäre, wenn der Beteiligte zu 1 als Verkäufer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Altlasten positiv gekannt hätte. Der von der
Revision vertretene Bewertungsansatz ("im Lichte des notariellen Kaufvertrages" ) scheitert schon an der tatrichterlich einwandfreien - im Revisionsverfahren verbindlichen - gegenteiligen Vertragsauslegung des Berufungsgerichts. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht insbesondere aus dem Zusammenspiel der Regelungen in den §§ 2 und 7 entnommen, daß die Rechtsposition der Beteiligten zu 2 als Käuferin, was den weiteren "Kaufpreisanteil" anging, nicht schlechter sein sollte, als sie sich bei Durchführung eines Enteignungsverfahrens dargestellt hätte. Diese Auslegung liegt schon deshalb nahe, weil es sich bei dem Kaufvertrag vom 29. August 1991 um einen Vertrag zur Vermeidung eines sonst nicht zu umgehenden Enteignungsverfahrens zur Verwirklichung des Planfeststellungsbeschlusses vom 21. Mai 1991 handelte.

b) Nach den sich insbesondere aus der Wertermittlungsveror dnung (WertV) ergebenden Grundsätzen für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken, die die Beteiligte zu 3 als Enteignungsbehörde und die Vorinstanzen im baulandgerichtlichen Verfahren auch für die hier vertraglich vorgesehene Festsetzung eines vom Bodenwert getrennten "Gebäude- und Anlagenwertes" sinngemäß heranziehen durften, gehören zur "Beschaffenheit" der in Rede stehenden Baulichkeiten und Anlagen auch Verunreinigungen derselben durch Ablagerungen (vgl. § 5 Abs. 5 WertV). Nicht anders als beim Grund und Boden selbst (vgl. dazu Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger BauGB § 5 WertV [Stand: November 1990] Rn. 110) kann sich aufgrund der Verunreinigung eine Wertminderung ergeben, die nach den Kosten bemessen werden kann, die für die Sanierung aufgebracht werden müssen; dabei setzen sich die Kosten aus den Untersuchungs-, Sicherungs- und den eigentlichen Sanierungskosten zusammen (Kleiber aaO).
aa) Der Bewertungsansatz des Berufungsgerichts (wie schon d er Enteignungsbehörde ), bei dem die Wertminderung auch zu einer Bewertung der Gebäude und Anlagen mit insgesamt "0" führen kann, ist daher nicht zu beanstanden. Nicht gefolgt werden kann der Revision, soweit sie rügt, die Vorinstanzen hätten mit dem Ansatz der Sanierungskosten wegen Altlasten neben einem 30 %igen pauschalen Abschlag u.a. wegen "wirtschaftlicher Überalterung" gegen das Verbot der doppelten Berücksichtigung eines und desselben Wertminderungsgesichtspunkts (vgl. Ziff. 3.6.3.2. Abs. 2 Satz 2 der Wertermittlungs -Richtlinien 1991 [WertR 91] vom 11. Juni 1991, BAnz. Nr. 182a) verstoßen. Es handelt sich vielmehr um unterschiedliche Minderungsgesichtspunkte. Der dem von der Revision zitierten Senatsurteil vom 14. März 2002 (III ZR 320/00 - NJW-RR 2002, 1240, 1242) zugrunde liegende Sachverhalt ist hiermit nicht vergleichbar: Dort ging es lediglich um die "Gefahr" von Bodenverunreinigungen und spezifischen Altlasten auf öffentlich genutzten Verkehrsflächen; hier geht es um konkret vorliegende Altlasten (Sanierungskosten pp.), denen bewertungsmäßig gegenüber den Gründen, die zu einem anderen Abschlag - etwa nach § 25 WertV - geführt haben, eigenständige Bedeutung zukommt.
bb) Die Revison verweist zwar zutreffend auf die Möglichke it, daß Belastungen eines Grundbesitzes durch Altlasten im Einzelfall einen - u.U. bei der Verkehrswertermittung zu berücksichtigenden - Ausgleich dadurch finden können , daß ein Anspruch gegen einen früheren Eigentümer auf Beseitigung der Altlasten besteht (vgl. Kleiber aaO). Das Berufungsgericht hat aber unter Bezugnahme auf den Entschädigungsfeststellungsbescheid der Beteiligten zu 3 im vorliegenden Fall eine Verlagerung der Sanierungslast auf einen Dritten verneint. Die Beteiligte zu 3 hat in ihrem Bescheid unter anderem darauf verwiesen , daß bei der zuständigen Behörde "nicht vorgesehen" sei, gegen den
Inhaber der ehemaligen Stuhlfabrik M. als Verursacher oder sonst einen Dritten vorzugehen. Ob diese Begründung ausreichend war, mag dahinstehen. Die Revison, die dies rügt, zeigt jedenfalls selbst nicht auf, welcher konkrete, auch realisierbare, Anspruch gegen welche Person insoweit bestand oder besteht.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, daß das Berufungsgericht das erstmalige Bestreiten des Beteiligten zu 1, sowohl was das Vorhandensein der Altlasten bei Abschluß des Kaufvertrages vom 29. August 1991, als auch was die Höhe der von der Beteiligten zu 2 behaupteten und im Entschädigungsfeststellungsbescheid der Beteiligten zu 3 aufgelisteten Sanierungskosten angeht, im Berufungsverfahren nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB).

a) Nach § 531 Abs. 2 ZPO sind im Berufungsverfahren neu e Angriffsund Verteidigungsmittel - abgesehen von den Tatbeständen der Nummern 1 und 2 dieses Absatzes, die hier ersichtlich nicht vorliegen - nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne daß dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Dem Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis darin b eizutreten, daß § 531 Abs. 2 ZPO auch im Berufungsrechtszug des vorliegenden baulandgerichtlichen Verfahrens anwendbar war.
aa) In Baulandsachen sind grundsätzlich die bei Klagen i n bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften, insbesondere also die Zivilprozeßordnung , entsprechend anzuwenden (§ 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die infolge
dieser Verweisung mit in den Blick zu nehmenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens (Präklusion; u.a.: § 531 Abs. 2 ZPO) stehen allerdings, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, in einem Spannungsverhältnis zu der weiteren Regelung in § 221 Abs. 2 BauGB, wonach - während im Zivilprozeß der Verhandlungsgrundsatz gilt - das Baulandgericht auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen kann, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind.
Diese Regelung, die früher überwiegend als "Kann"-Vo rschrift verstanden wurde, die es dem Gericht nach seinem Ermessen freistelle, vom Verhandlungsgrundsatz zum Untersuchungsgrundsatz überzugehen (vgl. Genrich, Rechtsschutz in Baulandsachen [Diss. 1973], S. 122 ff; Kalb, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, aaO § 221 BauGB [Stand: Februar 2000] Rn. 10), begründet nach dem heute vorherrschenden Verständnis eine gerichtliche "Befugnis" im Sinne gegebenenfalls einer Verpflichtung des Gerichts zur Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes, wenn nämlich sonst eine Verletzung der Wahrheitspflicht zu befürchten wäre und wenn wichtige öffentliche Interessen im Spiel sind (Kalb, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, aaO [Stand: Februar 2004] Rn. 10; Porger, in: Berliner Kommentar zum BauGB 2. Aufl. § 221 Rn. 8; Stang, in: Schrödter, BauGB 6. Aufl. § 221 Rn. 7; Battis, in: Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB 8. Aufl. § 221 Rn. 2). Der Senat hat in seinem Urteil vom 7. Februar 1974 - III ZR 13/73 - NJW 1974, 947 (zu § 161 Abs. 2 BBauG) ausgeführt, die Vorschrift mache es dem Gericht zur Pflicht, die von einem der Beteiligten in das gerichtliche Verfahren eingeführten Behauptungen, soweit sie rechtlich erheblich sind, von Amts wegen zu klären.
bb) Die (begrenzte) Geltung des Untersuchungsgrundsatzes i m baulandgerichtlichen Verfahren bedeutet jedoch nicht den generellen Ausschluß der Anwendung der Präklusionsvorschriften der Zivilprozeßordnung (so aber Kalb, aaO [Stand: Februar 2000] Rn. 11 bezüglich § 296 ZPO und § 528 ZPO a.F.; in seiner Kommentierung zu § 221 Abs. 2 BauGB in der neuesten Bearbeitung Februar 2004 Rn. 10 geht er allerdings hierauf nicht mehr ein). Dies wird insbesondere durch die neuere Entwicklung des Verfahrensrechts für den verwaltungsgerichtlichen Prozeß deutlich, der seit eh und je vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird (§ 86 VwGO). Während die Verwaltungsgerichtsordnung im Gegensatz zur Zivilprozeßordnung früher keine Regelungen kannte, die dem Gericht die Zurückweisung verspäteten Vorbringens erlaubten, wurden durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerich tsordnung vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) mit den §§ 87b und 128a VwGO solche - sich an § 296 ZPO und an § 528 ZPO a.F. anlehnende - Vorschriften eingeführt. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Fachliteratur stehen zwar der Untersuchungsgrundsatz und das gerichtliche Zurückweisungsrecht in einem gewissen Spannungsverhältnis, schließen sich aber keineswegs aus (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15. April 1998 - 2 B 26/98 - juris; Korthe, in: Redeker/von Oertzen, VwGO 13. Aufl. § 87b Rn. 2; Redeker aaO § 128a Rn. 1; Stelkens NVwZ 1991, 209, 213 f).
(1) Diese Rechtsentwicklung im verwaltungsgerichtlichen Ver fahren ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß unabhängig von Präklusionsregelungen anerkanntermaßen auch in diesem, vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten , Prozeß allgemeine Mitwirkungspflichten (Mitwirkungslasten) der Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts bestehen (vgl. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO 13. Aufl. § 86 Rn. 11 ff; § 87b Rn. 1). Kommen die Beteiligten dieser
Pflicht nicht nach, obwohl ihnen dies ohne weiteres möglich und zumutbar wäre , so hat dies grundsätzlich in gewissem Umfang eine Verringerung der Anforderungen an die Aufklärungspflicht des Gerichts zur Folge (Schenke aaO § 86 Rn. 12; BVerwG DVBl. 1994, 1407, 1408). Es ist nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen zunächst Sache des Betroffenen, nicht offenkundige oder naheliegende Tatsachen, die in seiner Sphäre liegen, vorzutragen (vgl. BVerwG aaO). Die Pflicht der Tatsachengerichte zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) findet ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen keinen tatsächlichen Anlaß zu weiterer Sachaufklärung bietet (BVerwG NVwZ-RR 1991, 587, 588 m.w.N.; BVerwG, Beschluß vom 15. April 1998 aaO). Ohne einen Anhalt für die Annahme, daß ein Kläger bei seiner Rechtsverfolgung von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist und deshalb einen zur Wahrnehmung seiner Rechte gebotenen Tatsachenvortrag unterlassen hat, kommt auch eine Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO nicht in Betracht (BVerwG, Beschluß vom 18. Dezember 1990 - 5 ER 625.90 - [Buchholz 310 § 86 Abs. 3 Nr. 42]; BVerwG, Beschluß vom 15. April 1998 aaO). Zu berücksichtigen ist auch, daß durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwalt ungsgerichtsordnung vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) die bisher im Regelfall zulassungsfreie Berufung durch eine allgemeine Zulassungsberufung ersetzt worden ist (vgl. § 124 Abs. 1, 2 VwGO). Dem liegt eine Zielvorstellung des Gesetzgebers zugrunde, wonach eine Tatsacheninstanz regelmäßig ausreichen und die zweite Tatsacheninstanz nur in solchen Verfahren zur Verfügung stehen soll, in denen eine Überprüfung der Entscheidung erster Instanz von der Sache her notwendig ist (vgl. Schenke aaO § 125 Rn 2 m.w.N.).
(2) Vor diesem Hintergrund ist es daher auch unbedenkli ch, im Baulandverfahren unbeschadet der (begrenzten) Geltung des Untersuchungsgrundsat-
zes aufgrund der sonstigen Verweisung des § 221 Abs. 1 BauGB auf die Zivilprozeßordnung auch die über die bisherigen Präklusionsvorschriften noch hinausgehende - von der Feststellung einer Verzögerung des Rechtsstreits unabhängige, neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren nur noch ausnahmsweise zulassende - Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO n.F. als grundsätzlich anwendbar anzusehen. Anders wäre es, wenn eine Regelung wie die in § 531 Abs. 2 ZPO in einer Verfahrensordnung, für die allgemein der Untersuchungsgrundsatz gilt, als "systemwidrig" angesehen werden müßte. Dies läßt sich jedoch mit Blick auf die im Verwaltungsprozeß bereits geltenden Präklusionsmöglichkeiten nicht sagen.
cc) Im Streitfall hätte danach das Berufungsgericht das n eue Vorbringen (Bestreiten) des Beteiligten zu 1 bezüglich des Vorhandenseins von Altlasten in den hier in Rede stehenden Gebäuden und Anlagen sowie bezüglich der Höhe der "Sanierungs"-Aufwendungen der Beteiligten zu 2 nur dann zulassen müssen, wenn aus seiner Sicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der diesbezüglichen Feststellungen der Kammer für Baulandsachen oder in dem zugrundeliegenden Entschädigungsfeststellungsbescheid der Beteiligten zu 3 nahegelegt hätten (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) bzw. sich insoweit das Vorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensfehlers (Aufklärungsmangel) aufgedrängt hätte. Weder unter dem einen noch unter dem anderen Blickwinkel hatte vorliegend das Berufungsgericht Anlaß, die erstinstanzlichen Entscheidungsgrundlagen in Frage zu stellen. Auch das Vorbringen der Revision des Beteiligten zu 1 führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung.
(1) Entgegen der Revision gab es für die Vorinstanzen n ach der vor Eingang des Berufungsvorbringens des Beteiligten zu 1 gegebenen Aktenlage keinen Grund, die in dem Entschädigungsfeststellungsbescheid der Beteiligten zu 3 mitgeteilten Ergebnisse des (ergänzten) Gutachtens der OFD F. vom 11. Dezember 1991/8. Juli 1992 näher ("auf Plausibilität") zu überprüfen, denn das Ergebnis der sachverständigen Begutachtung als solches war vor den Beteiligten im gerichtlichen Verfahren überhaupt nicht (mehr) in Frage gestellt worden.
(2) Dasselbe gilt hinsichtlich des Vorhandenseins (des begr ündeten Verdachts ) von Altlasten im Bereich der streitgegenständlichen Gebäude und Anlagen bei Kaufvertragsabschluß. Dieses war in erster Instanz unstreitig und brauchte daher vom Baulandgericht nicht hinterfragt zu werden.
(3) Der Revison kann schließlich auch nicht gefolgt werden , soweit sie meint, gegen die Höhe der von den Vorinstanzen berücksichtigten Sanierungskosten bestünden "offenkundige Bedenken", denen von Amts wegen nachzugehen gewesen wäre. Die Revision verweist insoweit nur auf Einwände, die der Beteiligte zu 1 erstmalig mit seiner Berufungsbegründung erhoben hat. Bis dahin waren die im Entschädigungsfeststellungsbescheid einzeln aufgeführten Rechnungsbeträge - als den Gebäuden und Anlagen, deren Entschädigung noch offen stand, zuzuordnende Sanierungskosten wegen Altlasten - unstreitig. Diese Rechnungsbeträge ließen weder aus sich heraus irgendwelche Unklarheiten erkennen, noch bedurften sie, solange der Beteiligte zu 1 sie nicht in Zweifel zog, einer weiteren "Spezifizierung".

b) Das Berufungsgericht hat den Tatbestand (auch) für e inen Ausschluß neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO rechtsfehlerfrei als gegeben angesehen. Darauf, ob - wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat, was die Revision jedoch in Abrede stellt - auch die Voraussetzungen für eine Zurückweisung im Verwaltungsprozeß (§ 128a Abs. 1 i.V.m. § 87b Abs. 1 und 2 VwGO) vorgelegen haben, kommt es nicht an.
aa) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, daß das Beru fungsgericht in diesem Zusammenhang Darlegungen dazu vermißt hat, daß das Unterlassen des in Rede stehenden Vorbringens im ersten Rechtszug nicht nachlässig war (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Ihr kann weder in ihrer Auffassung gefolgt werden, der Beteiligte zu 1 hätte im ersten Rechtszug angesichts seiner gegen die Anrechenbarkeit von Sanierungskosten gerichteten Argumentation keine Einwendungen gegen die Höhe der von der Beteiligten zu 2 geltend gemachten Kosten zu erheben brauchen, noch darin, daß die Kammer für Baulandsachen ihm einen Hinweis hätte geben müssen, daß sie seinen grundsätzlichen Standpunkt nicht teile. Die Möglichkeit, daß das Baulandgericht in diesem Sinne entscheiden könnte, lag klar auf der Hand.
bb) Die weitere Rüge der Revision, das Berufungsericht habe dem Beteiligten zu 1 nicht rechtzeitig rechtliches Gehör zu der in Betracht gezogenen Zurückweisung seines neuen Vorbringens gewährt, geht schon deshalb in Leere , weil unter dem 18. Juli 2003 mit der Ladung zum Verhandlungstermin ein entsprechender Hinweis des Vorsitzenden des Baulandsenats an die Beteiligten ergangen war.
3. Soweit das Berufungsgericht den auf Verurteilung der Beteiligten zu 2 (höchst vorsorglich: des Beteiligten zu 3) zur Zahlung eines (weiteren) Entschädigungsbetrages von 38.934,88 € (= 76.150 DM) gerichteten Hilfsantrag des Beteiligten zu 1 als unzulässig zurückgewiesen hat, verfolgt die Revision zwar auch dieses Hilfsbegehren weiter. Gegen die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts, daß in dem vorliegenden Verfahren auf Festsetzung einer Entschädigung - durch die gegebenenfalls auch ein Vollstreckungstitel begründet wird (vgl. § 36 LEntG) - keine unmittelbare Zahlungsklage erhoben werden kann, vermag sie jedoch nichts zu erinnern.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann

(1) In den Sachen, die auf Grund eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung bei den Gerichten anhängig werden, sind die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich aus den §§ 217 bis 231 nichts anderes ergibt. § 227 Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.

(2) Das Gericht kann auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind.

(3) Sind gegen denselben Verwaltungsakt mehrere Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so wird über sie gleichzeitig verhandelt und entschieden.

(4) Die Vorschriften über die Vorauszahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes sind nicht anzuwenden.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.