Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2012 - 3 StR 208/12

bei uns veröffentlicht am18.10.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 208/12
vom
18. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Bestechung u.a.
zu 2.: Bestechlichkeit u.a.
Nebenbeteiligte:
Baugesellschaft mbH,
vertreten durch die Geschäftsführer
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 18. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten P. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 6. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Göttingen zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Die Anklageschrift hatte dem Angeklagten D. Bestechung in Tateinheit mit Anstiftung zur Untreue und zum Betrug, Bestechung in zwei Fällen sowie Betrug und dem Angeklagten P. Bestechlichkeit in Tateinheit mit Untreue , Bestechlichkeit in zwei Fällen sowie ebenfalls Betrug zur Last gelegt. Das Landgericht hatte die Anklage mit einer abweichenden rechtlichen Bewertung zugelassen und dabei lediglich zwei - statt wie die Anklageschrift vier - prozessuale Taten angenommen. Es hatte die Angeklagten mit Urteil vom 23. April 2007 aus Rechtsgründen und aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dieses Urteil hat der Senat - soweit es die beiden Angeklagten betraf - auf Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 19. Juni 2008 (3 StR 490/07, BGHSt 52, 290) mit den Feststellungen aufgehoben, da das Landgericht die Amtsträgerschaft des Angeklagten P. rechtsfehlerhaft verneint hatte. Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr abermals freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich gegen den erneuten Freispruch mit ihrer auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel führt bereits aufgrund der Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils. Auf die sachlichrechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.

I.

2
Die von der Staatsanwaltschaft erhobene Verfahrensrüge, bei dem Urteil habe ein Richter mitgewirkt, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden ist (§ 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO), hat Erfolg.
3
1. Der Rüge liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde:
4
Nach Aufhebung des ersten Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht kam es am 1. Oktober 2010 vor Terminierung der Hauptverhandlung zu einer Vorbesprechung der Kammer mit der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern unter anderem mit dem Ziel, den erforderlichen Umfang einer erneuten Beweisaufnahme zu klären. Daran nahmen die gesamte Kammer, drei Verteidiger und drei Vertreter der Staatsanwaltschaft teil, zu denen der Anklageverfasser Oberstaatsanwalt E. zählte. Zwischen diesem und dem Verteidiger des Angeklagten D. kam es zu einem Zwiegespräch über den Nachweis der subjektiven Tatseite. Als Oberstaatsanwalt E. zur Stützung seiner Ansicht auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Celle verwies, der ausdrücklich einen dringenden Tatverdacht bezüglich der subjekti- ven Tatseite angenommen habe, unterbrach ihn der Vorsitzende und verlangte, ihm diesen Beschluss zu zeigen. Diese Aufforderung wiederholte er mehrfach, auch nachdem der Oberstaatsanwalt erklärt hatte, dass ihm die Akten aktuell nicht vorlägen. Schließlich wies Oberstaatsanwalt E. die Aufforderung des Vorsitzenden als "Unverschämtheit" zurück. Hierauf verließ der Vorsitzende den Besprechungsraum und kehrte nicht mehr in diesen zurück.
5
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 lehnte die Staatsanwaltschaft den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da es ihm angesichts seines Verhaltens ausschließlich um die Bloßstellung des Vertreters der Staatsanwaltschaft gegangen und er nicht bereit sei, seine Vorstellungen anhand von Gegenargumenten zu hinterfragen. Der Vorsitzende führte in seiner dienstlichen Äußerung dazu unter anderem aus, dass er auch die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung habe erörtern wollen und er auf die Vorbesprechung verzichtet hätte, wenn ihm zuvor die Teilnahme von Oberstaatsanwalt E. bekannt gewesen wäre. "Wie befürchtet" sei dieser nicht bereit gewesen, andere Möglichkeiten als eine Verurteilung der Angeklagten zu diskutieren. Im Übrigen halte er - der Vorsitzende - den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle für unerheblich. Er räume ein, dass er dies den Vertretern der Staatsanwaltschaft "in anderer Form hätte darlegen müssen".
6
In einem Telefonat am 26. Januar 2011 wies Oberstaatsanwalt Dr. G. den Vorsitzenden darauf hin, dass dieser vor dem Vorgespräch Oberstaatsanwalt E. noch gar nicht gekannt habe. Hierauf erklärte der Vorsitzende, er habe seinen Eindruck von jenem aus den Akten gewonnen und das reiche.
7
Mit Schreiben vom 28. Januar 2011 lehnte die Staatsanwaltschaft den Vorsitzenden erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da er durch seine dienstliche Äußerung den Eindruck der Voreingenommenheit verstärkt habe. In der hierzu abgegebenen weiteren dienstlichen Erklärung vom 10. Februar 2011 äußerte der Vorsitzende unter anderem, er habe sich nicht auf die Person von Oberstaatsanwalt E. bezogen, sondern auf dessen Tätigkeit im Verfahren, in dem dieser "seiner Aufgabe, 'den Sachverhalt zu erforschen' (§ 160 Abs. 1 StPO), nicht gerecht geworden" sei. "Wie sonst" sei "es zu erklären , dass er während der Hauptverhandlung insgesamt acht Beweisanträge auf Vernehmung von Zeugen sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens stellte". Es entstehe "der Eindruck, die Staatsanwaltschaft mache sich zum Sprachrohr der Deutschen Bahn AG und vernachlässige dabei ihre aus § 160 Abs. 2 StPO resultierenden Pflichten".
8
Mit Beschluss vom 1. März 2011 wies die Kammer - ohne Mitwirkung des Vorsitzenden - das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück.
9
2. Der Rüge bleibt der Erfolg nicht versagt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft lag bei objektiver Beurteilung ein Grund vor, der geeignet war, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
10
a) Der Senat hat entgegen der Ansicht der Revision eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die Prüfung, ob das Ablehnungsgesuch sachlich gerechtfertigt war, auch wenn der das Gesuch zurückweisende Beschluss den Verlauf der Besprechung am 1. Oktober 2010 nicht mitteilt. Weil die Rüge im Revisionsverfahren nach Beschwerdegesichtspunkten zu behandeln ist, kann der Senat die im ersten Rechtszug vorgebrachten und glaubhaft gemachten Ablehnungsgründe in tatsächlicher Hinsicht würdigen und prüfen, ohne auf eine rechtliche Nachprüfung des tatrichterlichen Verwerfungsbeschlusses beschränkt zu sein (BGH, Urteil vom 26. Mai 1970 - 1 StR 132/70, BGHSt 23, 265, 266). Hierzu sind in den Ablehnungsgesuchen die für diese maßgeblichen Tatsachen hinreichend dargelegt.
11
Da der abgelehnte Richter sich über die Ablehnungsgründe dienstlich geäußert hat (§ 26 Abs. 3 StPO) und dienstliche Erklärungen der an der Besprechung teilnehmenden Staatsanwälte sowie die Stellungnahme eines Verteidigers vorliegen, bedarf hier keiner Entscheidung, inwieweit das Revisionsgericht das Urteil aufheben oder Ermittlungen im Freibeweisverfahren anstellen muss, wenn es aufgrund von Versäumnissen des Tatgerichts mangels ausreichender tatsächlicher Beurteilungsgrundlagen die Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nicht ohne Weiteres prüfen kann (vgl. einerseits BGH, Urteil vom 16. Dezember 1969 - 5 StR 468/69, BGHSt 23, 200, 203; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 338 Rn. 27; KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 338 Rn. 63; andererseits LK/Hanack, StPO, 25. Aufl., § 338 Rn. 64). Eine solche Sachlage ist hier nicht gegeben.
12
b) In der Sache bestand für die Staatsanwaltschaft bei vernünftiger Würdigung aller Umstände begründeter Anlass zu der Sorge, der Vorsitzende nehme eine innere Haltung ein, die seine Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit gegenüber den Verfahrensbeteiligten störend beeinflusst (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 24 Rn. 8 mwN).
13
aa) Die Besorgnis einer Voreingenommenheit des Vorsitzenden war allerdings nicht schon deswegen begründet, weil dieser in der Besprechung vom 1. Oktober 2010 nachdrücklich verlangte, die vom Oberstaatsanwalt zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts zu sehen. Hierin konnte der Wunsch zum Ausdruck kommen, den Beschluss und dessen Argumentation zur Kenntnis nehmen zu können und so die Gelegenheit zu erhalten, sich mit den - dem Richter zu dem Zeitpunkt nicht präsenten - Argumenten der oberlandesgericht- lichen Entscheidung auseinanderzusetzen. Jedenfalls lässt sich dem Geschehen nicht entnehmen, dass der Vorsitzende sich in der Sache bereits eine abschließende Meinung gebildet hatte oder dass es ihm "ausschließlich um die Bloßstellung des Vertreters der Staatsanwaltschaft" ging. Zwar kann die insistierende , sachlich nicht veranlasste Aufforderung durchaus als Unmutsäußerung gegenüber dem Oberstaatsanwalt verstanden werden. Jedoch deutet dieser Unmut eher auf eine spontane Verärgerung darüber, dass der Beschluss nicht vorlag, als auf eine grundsätzliche Voreingenommenheit des Vorsitzenden in der Sache hin.
14
bb) Gleiches gilt - bei isolierter Betrachtung - auch für den Umstand, dass sich der Vorsitzende kurze Zeit später entfernte. Dies ergibt für sich ebenfalls noch nicht, dass er sich in der Sache den Argumenten der Staatsanwaltschaft entziehen und deren Verfahrensrechte beschränken wollte. Zum einen bestand in der konkreten Lage keine Möglichkeit, die angesprochene Sichtweise des Oberlandesgerichts näher zu erörtern, weil der entsprechende Beschluss nicht vorlag. Zum anderen handelte es sich lediglich um ein Vorgespräch zur weiteren Gestaltung des Verfahrens.
15
Dass das Verhalten des Vorsitzenden in der Besprechung - wie von ihm letztlich selbst in der dienstlichen Äußerung eingeräumt - nicht den üblichen Umgangsformen entsprach, lässt bei ruhiger Prüfung der Sachlage noch nicht auf eine inhaltliche Vorfestlegung schließen. Dies gilt zumal vor dem zu berücksichtigenden Gesamtzusammenhang (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. Januar 2000 - 3 StR 106/99, NStZ 2000, 325) und der Tatsache, dass Oberstaatsanwalt E. - aus seiner Sicht allerdings nachvollziehbar - das Vorgehen des Vorsitzenden als "Unverschämtheit" bezeichnet hatte, bevor dieser den Raum verließ.
16
Im Übrigen begründen etwaige Spannungen zwischen einem Richter und einem bestimmten Staatsanwalt ebenso wenig ohne weiteres Misstrauen der Staatsanwaltschaft gegen die Unparteilichkeit des Richters wie Spannungen zwischen einem Richter und einem Verteidiger oder einem Sachverständigen zu berechtigtem Misstrauen des Angeklagten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2005 - 2 StR 118/05, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 15; vom 4. März 1993 - 1 StR 895/92, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8; Urteil vom 12. Februar 1998 - 1 StR 588/97, NJW 1998, 2458, 2459, in BGHSt 44, 26 insoweit nicht abgedruckt) führen. Allen Fällen ist gemeinsam, dass regelmäßig Belastungen auf persönlicher Ebene - jedenfalls soweit es nicht um den Angeklagten selbst geht - nicht allgemein Rückschlüsse auf eine Voreingenommenheit in der Sache zulassen, falls keine besonderen Umstände hinzutreten. Daher rechtfertigen die gegen einen bestimmten Oberstaatsanwalt gerichteten Vorbehalte des Vorsitzenden, wie sie in seiner dienstlichen Äußerung zum ersten Befangenheitsgesuch deutlich geworden sind, allein nicht die Besorgnis der Befangenheit.
17
cc) Eine solche Besorgnis ergibt sich letztlich auch nicht allein daraus, dass der Vorsitzende die Beweislage zur subjektiven Tatseite anders einschätzte als die Staatsanwaltschaft. Eine bereits erfolgte Festlegung auf ein bestimmtes Beweisergebnis ist seinen Äußerungen nicht zu entnehmen; eine vorläufige Bewertung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 571/10, NStZ 2011, 590, 591 mwN).
18
dd) Es kann dahinstehen, ob die vorgenannten Umstände - zumindest in ihrer Gesamtheit - zu einer berechtigten Besorgnis der Staatsanwaltschaft führten , der Vorsitzende sei befangen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 3 StR 400/11, StraFo 2012, 134, 136); jedenfalls in Verbindung mit der Stel- lungnahme, die der Vorsitzende zu dem zweiten Befangenheitsgesuch abgegeben hat, ist diese Besorgnis gegeben.
19
So wie ein zunächst berechtigtes Misstrauen eines Verfahrensbeteiligten gegen die Unbefangenheit eines Richters durch dessen ihm bekannt gemachte dienstliche Äußerung ausgeräumt werden kann mit dem Ergebnis, dass eine auf § 338 Nr. 3 StPO gestützte Rüge erfolglos bleibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, NStZ 2009, 159, 160; vom 4. März 2009 - 1 StR 27/09, NStZ 2009, 701 und vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72), kann eine solche Stellungnahme dazu führen, dass einem schon durch frühere Einzelumstände genährten Misstrauen des Ablehnenden gegen den abgelehnten Richter die Berechtigung nicht mehr abzusprechen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Inhalt der Stellungnahme in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit den bereits geltend gemachten Ablehnungsgründen steht und nicht einen davon deutlich abgehobenen neuen Anknüpfungspunkt für die Besorgnis fehlender Unparteilichkeit liefert, der nur durch ein hierauf bezogenes neues Ablehnungsgesuch verfahrensrechtlich zur Geltung gebracht werden könnte.
20
In der Stellungnahme des Vorsitzenden wird der Vorwurf erhoben, die Staatsanwaltschaft sei ihrer Aufgabe, den Sachverhalt zu erforschen, nicht gerecht geworden, und habe einseitig ermittelt, ohne ihr Aufklärungsbemühen auch auf die Angeklagten entlastende Umstände zu erstrecken. Dies wird durch die in hohem Maße unsachliche Bemerkung verschärft, die Staatsanwaltschaft erwecke den Eindruck, sie mache sich zum Sprachrohr der Deutschen Bahn AG, was letztlich nichts anderes bedeutet, als dass sich die Staatsanwaltschaft von einem am Verfahren nicht beteiligten, aber an dessen Ausgang interessierten Dritten für dessen Zwecke habe instrumentalisieren lassen. Damit verstärk- te der Vorsitzende die schon in seinem vorangegangenen Verhalten angedeuteten Vorbehalte gegen die Tätigkeit der Anklagebehörde in einer Weise, die zumindest jetzt aus deren Sicht bei objektiver Betrachtung die Besorgnis begründete , er werde das Verfahren nicht unparteilich führen und in der Sache nicht mehr unbefangen entscheiden.

II.

21
1. Für das weitere Verfahren sieht der Senat im Hinblick auf die Begründung , mit der das Landgericht den Vorsatz beider Angeklagter hinsichtlich der Amtsträgerstellung des Angeklagten P. verneint hat, Anlass zu folgendem Hinweis:
22
Es steht zu besorgen, dass das Landgericht an den Vorsatz hinsichtlich des tatbestandlichen Elements der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bei einer sonstigen Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zu hohe Anforderungen gestellt hat, indem es eine ins Einzelne gehende Kenntnis von den rechtlichen Grundlagen für erforderlich gehalten hat, aus denen sich die Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten des Staates auf die PB DE ergeben. Indes genügt - wie auch vom Landgericht angenommen - grundsätzlich bedingter Vorsatz (vgl. LK/Hilgendorf, StGB, 12. Aufl., § 11 Rn. 60), der gegeben ist, wenn der Täter das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals als möglich sowie nicht ganz fernliegend erkennt und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest damit abfindet (s. etwa BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525 mwN). Da nach der Beweiswürdigung des Landgerichts jedenfalls der Angeklagte P. wusste, dass die Aufgabe der PGS und der PB DE der Ausbau des Schienennetzes war, es in diesem Aufgabenbereich keine Wettbewerber gab, die Aufträge der PB DE aufgrund öffentlicher Ausschreibungen erteilt wurden und das Geld für den Schienen- ausbau "vom Bund" kam, kann ein zumindest bedingter Vorsatz selbst dann in Betracht kommen, wenn dem Angeklagten die dahinter stehenden gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen nicht im Einzelnen bekannt waren (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 2 StR 521/97, NJW 1998, 1874, 1877).
23
2. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch und verweist das Verfahren an das Landgericht Göttingen.
Becker Pfister Hubert Gericke Spaniol

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 490/07
vom
19. Juni 2008
Nachschlagewerk: ja nur zu I.
BGHSt: ja nur zu I.
Veröffentlichung: ja nur zu I.
___________________________________
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c; §§ 331 - 334
Zur Amtsträgereigenschaft eines selbständigen Ingenieurs, der aufgrund eines
Dienstvertrages langfristig bei einer 100-prozentigen Tochter der Deutsche Bahn AG
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1.
2.
3.
wegen zu 1. Bestechlichkeit u. a.
zu 2. Bestechung u. a.
zu 3. Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
29. Mai 2008 in der Sitzung am 19. Juni 2008, an denen teilgenommen haben:
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Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Vertreter des Angeklagten R.,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Vertreter der Nebenbeteiligten,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. April 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Angeklagten P. und D. betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten R. fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Mit der Anklageschrift ist den Angeklagten P. und D. der Vorwurf der Bestechlichkeit bzw. Bestechung in drei Fällen, bei dem Angeklagten D. in einem Fall in Tateinheit stehend mit Anstiftung zur Untreue und zum Betrug, sowie allen drei Angeklagten der Vorwurf des Betruges, bei dem Angeklagten P. in Tateinheit stehend mit Untreue, gemacht worden. Das Landgericht hat den Sachverhalt im Eröffnungsbeschluss abweichend gewertet und die Anklage im Fall 1 der Anklageschrift (B. VIII. der Urteilsgründe) wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr durch die Angeklagten D. und P. und in den Fällen 2-4 der Anklageschrift (B. IX. der Urteilsgründe ) wegen einer prozessualen Tat des Betruges durch alle drei Angeklagten, hinsichtlich des Angeklagten P. darüber hinaus wegen einer tateinheitlich hierzu begangenen Untreue zugelassen. Durch das angefochtene Urteil hat es die Angeklagten aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat bezüglich der Angeklagten P. und D. Erfolg, hinsichtlich des Angeklagten R. ist es unbegründet.

I.


2
Die Revision dringt mit der Sachrüge durch, soweit das Landgericht eine Strafbarkeit der Angeklagten P. und D. nach den §§ 331 ff. StGB mit der Begründung abgelehnt hat, der Angeklagte P. sei zur Tatzeit kein Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gewesen.
3
1. Die Strafkammer hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte P. , ein ehemaliger, auf eigenen Wunsch aus dem Beamtenverhältnis ausgeschiedener Bundesbahnbeamter, war ab Februar 1996 als selbständiger Ingenieur bei der Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit GmbH (im Folgenden: PBDE), einer 100-prozentigen Tochter der Deutschen Bahn AG (im Folgenden: DB AG) beschäftigt. Unternehmensgegenstand der innerhalb der DB AG dem Bereich Fahrweg zugeordneten Gesellschaft war die Vorbereitung und Steuerung von Planung, Bauvorbereitung, Baudurchführung und Bauüberwachung insbesondere der Schienenverkehrsprojekte "Deutsche Einheit" einschließlich der Vergabe, der Koordinierung und der Abwicklung aller Arbeiten auf der Grundlage von zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DB AG geschlossenen Finanzierungsvereinbarungen. Mit Wirkung zum 1. Juli 1999 wurde die PBDE aus dem Vermögen der DB AG ausgegliedert und mit sämtlichen bestehenden Vertragsverhältnissen in das Vermögen der DB Netz AG überführt.
5
Dem Angeklagten P. war durch den "im Namen und für Rechnung der Deutschen Bahn AG" geschlossenen Ingenieurvertrag mit der PBDE eine zuvor vakante Stelle übertragen worden. Er erbrachte zunächst Leistungen im Bereich Streckenplanung/Baulenkung/Abrechnung beim Bau der Schnellbahnstrecke Hannover-Berlin im Planungsabschnitt 01 und war u. a. für die Vorbereitung von Vergaben zuständig. Nach einer internen Bekanntmachung hatte er alle Befugnisse wie ein interner Mitarbeiter und arbeitete unter der Stellenbezeichnung "S 142". Anfang Juli 1999 wurde der Vertrag rückwirkend zum 1. Mai 1999 auf die Nachtragsbearbeitung auch im Planungsabschnitt 02 der Strecke erweitert.
6
Der Angeklagte D. war Geschäftsführer der GP Baugesellschaft mbH & Co. KG (später GP Baugesellschaft mbH, im Folgenden: GP), die unter seiner Leitung ihr Umsatzvolumen im Bereich Erd- und Tiefbauarbeiten wesentlich steigerte und Aufträge öffentlicher und privater Auftraggeber abwickelte , darunter mehrere Projekte für die DB AG.
7
Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Erweiterung eines Auftrags zur Durchführung von Erdarbeiten im Planungsabschnitt 01 um 13,5 Mio. DM, für die die PBDE der GP als Mitglied einer aus mehreren Unternehmen bestehenden Arbeitsgemeinschaft (ARGE) den Zuschlag erteilt hatte, erhielt der Angeklagte P. von der GP einen Scheck über 130.000 DM mit einem unzutreffenden Verwendungszweck. Einige Monate später erstellte er über diesen Betrag eine rückdatierte Scheinrechnung an die GP. Im Planungsabschnitt 02, in dem die GP als Mitglied einer anderen ARGE ebenfalls mit Erdarbeiten betraut war, meldete sie mehrere Nachträge an, unter anderem wegen Baubehinderung durch Sperrung einer Ortsdurchfahrt in Höhe von über 3 Mio. DM. Nachdem der Nachtrag mehrfach - auf Seiten der PBDE koordiniert durch den Angeklagten P. - verhandelt und die Forderung auf ca. 1,9 Mio. DM reduziert worden war, verfasste der Angeklagte P. einen befürwortenden Vergabevermerk und stellte an dem Tag, an dem auch alle anderen Verantwortlichen bei der PBDE diesen unterzeichnet hatten, der GP eine Rechnung über 90.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer, die er mit einem unzutreffenden Rechnungstext versah. Die GP überwies etwa einen Monat später an den Angeklagten P. 90.000 DM; am selben Tag stellte sie der PBDE die abgesprochene Rechnung für den Nachtrag über ca. 1,9 Mio. DM.
8
2. Die Auffassung des Landgerichts, auf Grundlage dieser Feststellungen komme eine Verurteilung der Angeklagten P. und D. wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung (§§ 332, 334 StGB) nicht in Betracht, weil es sich bei dem Angeklagten P. nicht um einen Amtsträger gehandelt habe, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte P. war Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, denn er war bei der PBDE als einer sonstigen Stelle im Sinne der Vorschrift zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt.
9
a) Bei den von der PBDE ausgeschriebenen und unter ihrer Leitung durchgeführten Gleisbaumaßnahmen handelte es sich um Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Der Ausbau und die Erhaltung des Schienennetzes gehören zu den Aufgaben der Leistungsverwaltung einschließlich der Daseinsvorsorge, die nach ständiger Rechtsprechung zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gezählt werden (BGHSt 31, 264, 268; 38, 199, 201 f.; 43, 370, 375; 49, 214, 220 ff.). Trotz der (teilweisen) Privatisierung der deutschen Eisenbahnen stellt das Eisenbahnwesen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 49, 214, 221 ff.) und der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur (Rudolphi/Stein in SK-StGB § 11 Rdn. 27; Radtke in MünchKomm-StGB § 11 Rdn. 41; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht S. 637 f.; Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR 160 [1996] 521, 537; jew. m. w. N.; aA Cantzler, Strafrechtliche Auswirkungen der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben S. 14 f., 114) eine öffentliche Aufgabe dar. Dies gilt insbesondere für die von der PBDE nach ihrem Unternehmensgegenstand entfalteten Tätigkeiten der Planung, Bauvorbereitung, Baudurchführung und Bauüberwachung von Schienenverkehrsprojekten. Nach der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung in Art. 87e Abs. 4 GG gewährleistet der Bund beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes die Berücksichtigung des Allgemeinwohls. Gesellschaften, die den Bau, das Unterhalten und das Betreiben von Schienenwegen zum Geschäftszweck haben, verbleiben dauerhaft zumindest mehrheitlich im Eigentum des Bundes (Art. 87e Abs. 3 Satz 2, 3 GG). Durch diese Regelungen, die erst im Gesetzgebungsverfahren Aufnahme in den Gesetzentwurf fanden, sollte ein Ausgleich zu der Forderung der Länder, das Schienennetz im unmittelbaren Bundeseigentum zu belassen, geschaffen und die politische Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur sichergestellt werden (BTDrucks. 12/6280 S. 8). Sie zeigen, dass ein vollständiger Rückzug des Bundes aus dem Eisenbahnwesen trotz der Überführung des Eisenbahn- vermögens in Wirtschaftsunternehmen nicht gewollt war und insbesondere die hier in Rede stehenden Neubaumaßnahmen von Schienenwegen als Teil des Ausbaus der Infrastruktur vorrangig dem Allgemeinwohl dienen und damit eine öffentliche Aufgabe darstellen.

10
b) Bei der PBDE handelte es sich um eine sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.
11
Unter einer sonstigen Stelle versteht man eine behördenähnliche Institution , die unabhängig von ihrer Organisationsform befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen mitzuwirken, ohne dabei eine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein. Ist eine Einrichtung der Öffentlichen Hand in der Form einer juristischen Person des Privatrechts organisiert, müssen bei ihr Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen; sie muss nach ständiger Rechtsprechung bei einer Gesamtbetrachtung "als verlängerter Arm des Staates erscheinen" (BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; 49, 214, 219; 50, 299, 303; BGH NStZ 2006, 628, 630). In die Gesamtbetrachtung sind alle wesentlichen Merkmale der Gesellschaft einzubeziehen, namentlich, ob diese gewerblich tätig ist und mit anderen im Wettbewerb steht (BGHSt 38, 199, 204), ob im Gesellschaftsvertrag eine öffentliche Zwecksetzung festgeschrieben ist (BGHSt 43, 370, 372 f.), ob sie im Eigentum der Öffentlichen Hand steht und ihre Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln finanziert wird (BGHSt 45, 16, 20) sowie in welchem Umfang staatliche Steuerungs- und Einflussnahmemöglichkeiten bestehen (BGHSt 43, 370, 378 f.; 45, 16, 20 f.; 49, 214, 224 f.).
12
Bei einer Gesamtbetrachtung aller die PBDE prägenden Merkmale ergibt sich, dass sie als "verlängerter Arm des Staates" zu werten, damit einer Behör- de gleichzustellen ist und deshalb eine sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB darstellt:
13
Die Gesellschaft stand im Tatzeitraum im alleinigen (mittelbaren) Bundeseigentum , weil die Bundesrepublik sämtliche Anteile an der DB AG hielt, die zunächst unmittelbar und ab Juli 1999 mittelbar über die DB Netz AG zu 100 % Muttergesellschaft der PBDE war. Dementsprechend verfügte der Bund über Aufsichtsbefugnisse sowohl gegenüber der DB AG als auch unmittelbar im Aufsichtsrat der PBDE.
14
Zwar ist die alleinige Inhaberschaft sowie eine Rahmen- und Globalsteuerung der Gesellschaft durch den Staat für die Annahme einer "sonstigen Stelle" noch nicht ausreichend (BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; 49, 214, 226). Jedoch ergibt die gebotene Gesamtschau der folgenden besonderen Umstände, dass die PBDE einer Behörde gleichsteht:
15
aa) Die finanziellen Mittel zur Durchführung der Schienenverkehrsprojekte wurden nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils der PBDE über die DB AG aufgrund der zwischen dieser und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Rahmen- und Einzelfinanzierungsvereinbarungen in Form von zinslosen Darlehen oder nicht rückzahlbaren Baukostenzuschüssen vollständig durch den Bund zur Verfügung gestellt.
16
bb) Die PBDE wurde nicht gewerblich tätig und stand zu anderen Unternehmen nicht im Wettbewerb. Sie erwirtschaftete - anders als dies ein privatwirtschaftliches Konkurrenzunternehmen hätte tun müssen - mit ihrer Planungsund Koordinierungstätigkeit keine Erträge, sondern setzte die ihr zur Verfügung gestellten Mittel zur Realisierung der Schienenprojekte und damit zur Erfüllung der dem Bund gemäß Art. 87e GG obliegenden und von diesem finanzierten Gemeinwohlaufgabe ein. Auf dem Gebiet des Ausbaus der Schieneninfrastruktur bestand - und besteht bis heute - kein Wettbewerb, weil es an konkurrierenden Auftraggebern fehlt. Aus diesem Grund wird die im Zuge der Umsetzung der zweiten Stufe der Bahnreform gegründete DB Netz AG vergaberechtlich als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Satz 1 Nr. 2 GWB angesehen, weil ihr Unternehmensbereich der klassischen Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand zuzuordnen ist und sie nicht gewerblich tätig wird (Vergabekammer des Bundes, VergabeR 2004, 365, 367; Battis/Kersten, WuW 2005, 493, 497 ff.). Die für die Muttergesellschaft der PBDE maßgeblichen Grundsätze gelten für die PBDE entsprechend.
17
cc) Aus dem Gesellschaftsvertrag der PBDE ergibt sich zudem eine öffentliche Zwecksetzung, weil darin die Umsetzung der vom Bund zu gewährleistenden und zu finanzierenden Schienenverkehrsprojekte als (alleiniger) Unternehmensgegenstand festgeschrieben ist. Soweit darüber hinaus als Unternehmensgegenstand die Realisierung der Projekte "Deutsche Einheit" genannt werden, dienten diese in besonderem Maße der Erfüllung des Gemeinwohlauftrages des Bundes: Die Forderung nach einer technischen und organisatorischen Angleichung der beiden Deutschen Bahnen nach der Wiedervereinigung (Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn) geht auf Art. 26 Abs. 3 des Einigungsvertrages zurück. Dementsprechend ist nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) der Ausbaustand der Schienenwege in den neuen Bundesländern an den in den alten Bundesländern anzupassen. Der Bedarfsplan gemäß § 1 Abs. 1 BSWAG in der zur Tatzeit gültigen Fassung vom 15. November 1993 (BGBl 1993 I S. 1875 f.) wies das von der PBDE ausgeführte Projekt der Ausbau- / Neubaustrecke Hannover-Berlin als vordringlichen Bedarf aus.
18
dd) Aus der engen Verzahnung von öffentlicher Aufgabe, öffentlicher Finanzierung und öffentlichem Gesellschaftszweck ergeben sich im Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben des BSWAG umfangreiche Einflussmöglichkeiten und Steuerungsmechanismen des Staates gegenüber der PBDE: Welche Strecken neu bzw. ausgebaut werden, legt der Bund durch den Bedarfsplan zum BSWAG fest. Eine Konkretisierung dieses Bedarfsplanes erfolgt durch vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aufgestellte Fünfjahrespläne, die die Grundlage der Aufstellung von Ausbauplänen für die Bundesschienenwege bilden (§ 5 Abs. 1 BSWAG). Nicht darin aufgeführte Strecken können gemäß § 6 BSWAG nur in Ausnahmefällen aufgrund eines unvorhergesehenen Verkehrsbedarfs in die Ausbaupläne aufgenommen werden. Der Bedarfsplan ist alle fünf Jahre nach einer Prüfung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegebenenfalls anzupassen , wobei die Aufstellung und Anpassung des Bedarfsplanes durch Gesetz vorgenommen werden (§ 4 Abs. 1 BSWAG).
19
Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BSWAG finanziert der Bund den Bau, den Ausbau sowie Ersatzinvestitionen, die DB AG trägt gemäß § 8 Abs. 4 BSWAG lediglich die Kosten der Unterhaltung und Instandhaltung ihrer Schienenwege. Die Durchführung und die Finanzierung der in den Bedarfsplan aufgenommenen Baumaßnahmen geschieht gemäß § 9 BSWAG auf der Grundlage von öffentlich -rechtlichen Verträgen zwischen der DB AG und der den Neu- oder Ausbau finanzierenden Gebietskörperschaft, d. h. in aller Regel dem Bund, in denen konkrete Vorgaben für die Verwendung der Gelder gemacht werden (BGHSt 49, 214, 224). Durch die grundsätzliche Befugnis zur Festlegung der von der PBDE durchzuführenden Baumaßnahmen war eine weitere Einflussnahme des Staates damit auch über die Mittelvergabe gegeben, ohne die der PBDE kein Kapital zur Durchführung ihrer Geschäftstätigkeit verblieb.
20
Auch der Gesellschaftsvertrag der PBDE sah Einflussmöglichkeiten des Bundes vor. In den aus mindestens fünf Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat konnten sowohl das Bundesministerium für Verkehr als auch das Bundesministerium für Finanzen jeweils ein Aufsichtsratsmitglied entsenden. Nach § 14 Abs. 2 bzw. § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages oblag es dem Aufsichtsrat, "den von der Geschäftsführung aufgestellten Wirtschaftsplan (…) und einen davon abhängigen Plan, der die vom Eisenbahn-Bundesamt der DB AG zugewiesenen Haushaltsmittel des Bundes sowie deren Verwendung für das kommende Geschäftsjahr ausweist", zu beschließen. Im Aufsichtsrat konnten "Maßnahmen von grundsätzlicher und finanzieller Bedeutung" nicht gegen die Stimmen des Bundes beschlossen werden (§ 7 Abs. 3 bzw. § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages ). Zu den Einflussmöglichkeiten aufgrund der Regelungen des BSWAG und der Steuerung über die Mittelvergabe bestand damit zumindest eine Sperrminorität des Bundes im Aufsichtsrat der PBDE, durch die er die Einhaltung seiner Vorgaben kontrollieren konnte.
21
ee) Nach alledem ist es ohne Bedeutung, dass die beiden Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat in der Minderheit waren und deshalb - wie das Landgericht ausführt - keine Wünsche und Vorstellungen gegen den Willen der Geschäftsführung durchsetzen konnten. Die aufgezeigten Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten bereits weit im Vorfeld einer etwaigen Entscheidung des Aufsichtsrats belegen für den Geschäftsbereich der PBDE eine hinreichend konkrete staatliche Steuerung, die im Zusammenhang mit der ausschließlich staatlichen Mittelherkunft, der fehlenden Wettbewerbssituation und der im Vordergrund stehenden öffentlichen Aufgabe der Gewährleistung der Schieneninfrastruktur die Einordnung der PBDE als sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB tragen. Schon diese Umstände unterscheiden den hier zu beurteilenden Sachverhalt wesentlich von dem vom Landgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht herangezogenen Fall, dass sich ein Privater mit einer Sperrminorität an einer Gesellschaft beteiligt, die auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge tätig wird und mehrheitlich im staatlichen oder kommunalen Eigentum steht (vgl. BGHSt 50, 299). Es kommt hinzu, dass zwar nur zwei Aufsichtsratsmitglieder unmittelbar vom Bund entsandt wurden, jedoch aufgrund des alleinigen Anteilseigentums des Bundes an der DB AG und damit mittelbar auch an der PBDE die nicht unmittelbar vom Bund bestimmte Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder nicht einem privaten Dritten, der vom Staat völlig unabhängig ist, gleichgesetzt werden kann.
22
c) Das Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2004 (BGHSt 49, 214), mit dem er für die DB AG als Ganzes die Eigenschaft einer "sonstigen Stelle" verneint hat, steht nicht entgegen. In dieser Entscheidung ist für die mit der zweiten Stufe der Bahnreform im Jahr 1999 als Konzerntochter der DB AG gegründete, ausschließlich für den Bereich Fahrweg zuständige DB Netz AG ausdrücklich offen gelassen worden, ob diese einer derartigen staatlichen Steuerung unterliegt, dass sie als "sonstige Stelle" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB einzustufen ist (BGHSt aaO S. 226 f.). Daraus wird deutlich, dass in diesem Urteil auch keine Festlegungen für die Einordnung solcher - nicht in den Blick genommener - selbständiger Tochterunternehmen der DB AG getroffen werden sollten, die schon vor der zweiten Stufe der Bahnreform ausschließlich im Teilbereich Fahrweg tätig waren.
23
Auch das vom Landgericht aus dem genannten Urteil herangezogene Argument, die DB AG sei bis zur zweiten Stufe der Bahnreform als einheitliches Unternehmen aufgetreten, müsse daher als Ganzes beurteilt werden und könne als Unternehmenseinheit nicht als "sonstige Stelle" nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB angesehen werden, führt für die PBDE nicht weiter. Denn unabhängig davon, ob § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB mit dem Begriff der "sonstigen Stelle" bei privatrechtlichen Einrichtungen tatsächlich ausschließlich Unternehmen oder Gesellschaften als Ganzes bezeichnet oder nicht doch auch deren abgrenzbare Untereinheiten umfasst, handelte es sich bei der PBDE um eine eigene Rechtspersönlichkeit, die daher nicht allein deshalb - jedenfalls bis zum Inkrafttreten der zweiten Stufe der Bahnreform - derselben rechtlichen Einordnung wie die DB AG unterliegen kann oder gar muss, weil sie eine 100-prozentige Tochter der DB AG war (dies trifft im Übrigen jetzt auch auf die DB Netz AG zu) und diese als einheitliches Unternehmen auftrat.
24
Es bedarf nach alledem auch keiner weiteren Erörterung, ob der in einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes geforderte weitergehende, insbesondere gesellschaftsrechtlich verankerte Einfluss der Öffentlichen Hand auf die laufenden Geschäfte und Einzelentscheidungen (BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; 49, 214, 226) stets maßgeblich für die Gleichstellung einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft mit einer Behörde ist. Der Senat hätte Bedenken, diesem Kriterium ein solch entscheidendes Gewicht beizumessen. Dem steht zunächst entgegen, dass der Gesetzgeber mit der Ergänzung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB durch die Worte "unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform" durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) klargestellt hat, dass die Wahl der Organisationsform - privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich - für sich gesehen nicht zur Abgrenzung einer "sonstigen Stelle" von nichtstaatlichen Einrichtungen herangezogen werden kann. Dann verbietet sich aber auch ein vorrangiges Abstellen auf die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung von Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten. Darüber hinaus sind Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages bereits für den bei einer solchen Gesellschaft Angestellten oftmals nicht zu überblicken; erst recht gilt das für einen außenstehenden Dritten. Damit ist aber für die möglichen Täter eines Bestechungsdelikts ein - nach der zitierten Rechtsprechung maßgebliches - Kriterium, das die Amtsträgerschaft und damit gegebenenfalls die Strafbarkeit begründet, nicht oder nur schwer erkennbar. Nicht zuletzt im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG neigt der Senat deshalb dazu, hinsichtlich der Steuerungsmöglichkeiten des Staates nicht zu verlangen, dass sich aus gesellschaftsrechtlichen Regelungen ein Einfluss der Öffentlichen Hand auf konkrete Einzelentscheidungen im Tagesgeschäft ergeben muss (vgl. dazu Radtke in MünchKomm-StGB § 11 Rdn. 55; Heinrich NStZ 2005, 197, 201; kritisch zum Erfordernis der staatlichen Steuerung auch Rudolphi/Stein in SK-StGB § 11 Rdn. 30 a).
25
d) Der Angeklagte P. war nach den Feststellungen des Landgerichts auch zum Amtsträger bestellt. Die öffentlich-rechtliche Bestellung ist von der rein privatrechtlichen Beauftragung abzugrenzen und muss zu einer über den einzelnen Auftrag hinausgehenden längerfristigen Tätigkeit oder einer organisatorischen Eingliederung in die Behördenstruktur führen, ohne dass es freilich eines förmlichen Bestellungsaktes bedarf (BGHSt 43, 96, 102; Fischer, StGB 55. Aufl. § 11 Rdn. 20 m. w. N.). Bei dem Angeklagten P. lag sowohl eine längerfristige Tätigkeit über mehrere Jahre als auch eine Eingliederung in die Struktur der PBDE vor, in der er die Stelle "S 142" bekleidete. Dies wurde durch die interne Mitteilung, dass er über die gleichen Befugnisse wie ein Mitarbeiter verfügte, auch schriftlich dokumentiert.
26
Die Auffassung des Landgerichts, dass es eines Bestellungsaktes mit Warnfunktion bedurft hätte, beruht auf der rechtsfehlerhaften Annahme, bei der PBDE habe es sich jedenfalls bis zur Eingliederung in die DB Netz AG nicht um eine sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gehandelt; sie trifft deshalb ebenfalls nicht zu.
27
3. Aufgrund der rechtsfehlerhaften Verneinung der Amtsträgerschaft des Angeklagten P. war das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben, soweit es die Angeklagten P. und D. betrifft. Dies gilt auch hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes, in dem das Landgericht an sich rechtsfehlerfrei (s. dazu unten II.) auch diese beiden Angeklagten vom Vorwurf des Betruges bzw. der Untreue freigesprochen hat. Es hat aber insoweit den festgestellten Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Bestechlichkeit bzw. Bestechung rechtlich unzutreffend gewürdigt. Um dem neuen Tatrichter eine unabhängige und widerspruchsfreie Beurteilung zu ermöglichen, hat der Senat deshalb die Feststellungen insgesamt aufgehoben, soweit sie die Angeklagten P. und D. betreffen.

II.


28
Das Urteil hat hingegen Bestand, soweit das Landgericht den Angeklagten R. im zweiten Tatkomplex vom Vorwurf des Betruges aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat.
29
Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Auch die Sachrüge dringt nicht durch:
30
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beweiswürdigung weder lückenhaft, noch weist sie sonstige Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat aufgrund einer umfassenden Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Indizien eingehend begründet, warum es sich insbesondere von einer vorsätzlichen Täuschungshandlung nicht hat überzeugen können. Maßgeblich hat es dabei darauf abgestellt, dass die Umstände, die für und gegen die Berechtigung der geltend gemachten Nachtragsforderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach sprachen, den maßgeblichen Entscheidungsträgern innerhalb der PBDE aufgrund der Vielzahl von Verhandlungen über diese Forderung und des umfangreichen Schriftwechsels darüber bekannt waren. Rechtsfehlerfrei hat es zudem berücksichtigt, dass für die Beurteilung der Frage , ob die Forderung dem Grunde nach berechtigt war, seitens der PBDE eine Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet worden und eine bewusste Falschinformation dieser Kanzlei nicht feststellbar war. Zur Höhe der Forderung hat sich die Strafkammer auf das Gutachten des in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen berufen und in rechtsfehlerfreier Weise berücksichtigt, dass auch dem Rechnungsprüfer der PBDE die offensichtlichen Rechenfehler des Angeklagten R. sowie die fehlende Nachvollziehbarkeit der Forderung in Bezug zu der Urkalkulation nicht aufgefallen waren. Angesichts dieser Umstände kam es auf die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Forderung der GP tatsächlich bestand oder zivilgerichtlich durchsetzbar gewesen wäre, nicht mehr entscheidend an. Aus diesem Grund genügen auch die Ausführungen der Strafkammer, mit denen sie die wesentlichen Ausführungen des Sachverständigengutachtens wiedergegeben hat, den revisionsrechtlichen Anforderungen.
31
Soweit die Staatsanwaltschaft einzelne Indizien herausgreift und stärker zu Lasten des Angeklagten wertet oder sich gegen Feststellungen wendet, die das Landgericht aus dem Sachverständigengutachten herleitet, handelt es sich um den im Revisionsverfahren unbehelflichen Versuch, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
Becker Pfister von Lienen
RiBGH Hubert und RiBGH Dr. Schäfer befinden sich im Urlaub und sind daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.

(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.

(4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann dem Antragsteller aufgeben, ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Ablehnungsgesuch innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich zu begründen.

(2) Der Ablehnungsgrund und in den Fällen des § 25 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens sind glaubhaft zu machen. Der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.

(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 118/05
vom
8. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Juni 2005 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10. November 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in einem Fall und schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Seine Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die auf § 338 Nr. 3 StPO gestützte, zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet, weil der den Vorsitzenden der Jugendschutzkammer betreffende zweite Befangenheitsantrag des Angeklagten zu Unrecht verworfen worden ist. 1. Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die beiden ersten Hauptverhandlungstage waren auf Dienstag, 2. November 2004 und Montag, 8. November 2004 terminiert. Am Freitag,
29. Oktober 2004, teilte der Vorsitzende dem Wahlverteidiger des Angeklagten mit, ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin S.B. sei eingegangen. Von der Beauftragung der Sachverständigen erfuhr der Verteidiger erstmals durch diese Mitteilung; das 61 Seiten umfassende Gutachten lag ihm im Laufe des Vormittags des 29. Oktober 2004 vor. In einem um die Mittagszeit desselben Tags geführten Telefongespräch teilte der Verteidiger dem Vorsitzenden mit, er müsse das Gutachten mit seinem - bestreitenden - Mandanten besprechen. Am 29. und 30. Oktober 2004 müsse er an einem auswärtigen Fachlehrgang teilnehmen. Im Hinblick darauf, daß Montag, 1. November 2004, ein Feiertag und eine Besprechung nicht mehr möglich sei, beantragte er, den Beginn der Hauptverhandlung vom 2. November 2004 um sechs Tage auf den (als Verhandlungstermin bereits vorgesehenen) 8. November 2004 zu verschieben. Dies lehnte der Vorsitzende unter Hinweis auf die Terminierung der Kammer ab, bot aber an, den Beginn der Sitzung am 2. November um 30 Minuten zu verschieben, um dem Angeklagten Gelegenheit zur Besprechung mit seinem Verteidiger zu geben. Der Verteidiger beantragte daraufhin mit Telefax vom 29. Oktober 2004 nochmals die Aussetzung der Hauptverhandlung "gem. § 265 Abs. 4 StPO bis zum 8. November 2004". In der am 2. November 2004 begonnenen Hauptverhandlung wies die Strafkammer den Aussetzungsantrag zurück. In der Beschlußbegründung führte sie aus, es sei bereits vor der Terminierung mit dem Verteidiger über die mögliche Straferwartung nach einem Geständnis des Angeklagten gesprochen worden. In der Folge habe dieser die Tatvorwürfe bestritten; sein Verteidiger habe die Einholung eines Gutachtens über die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin S.B. beantragt. Der Angeklagte habe daher mit dem kurzfristigen Eingang des vorbereitenden Gutachtens rechnen und sich darauf einstellen müssen.
Der Verteidiger habe das Gutachten wie die Berufsrichter am 1. November 2004 lesen können. Die Vernehmung der Sachverständigen sei nicht für den ersten Verhandlungstag vorgesehen. Eine Aussetzung der Hauptverhandlung sei daher nicht geboten. Rechtsanwalt K. als Verteidiger des Angeklagten beantragte daraufhin, ihm Gelegenheit zu geben, ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden und der beisitzenden Berufsrichterin vorzubringen , welches bereits vorbereitet sei. Er wurde vom Vorsitzenden darauf verwiesen , daß das Ablehnungsgesuch in einer Sitzungspause bei der Geschäftsstelle abzugeben sei; aus der Verzögerung würden dem Angeklagten keine Nachteile entstehen. Der Verteidiger beantragte eine kurze Unterbrechung der Hauptverhandlung , um das Ablehnungsgesuch zur Geschäftsstelle zu bringen, und machte Anstalten, die Robe abzulegen und den Sitzungssaal zu verlassen. Hierauf verfügte der Vorsitzende, der Unterbrechungsantrag werde abgelehnt. Er ordnete dem Angeklagten Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger bei und belehrte diesen über die mögliche Kostenfolge gemäß § 145 Abs. 4 StPO. Rechtsanwalt K. beantragte nun erneut eine Unterbrechung der Hauptverhandlung , um ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden vorzubereiten. Hierauf verfügte der Vorsitzende: "Auch dieses Gesuch wird abgelehnt. Ablehnungsgründe sind ohnehin zusammenfassend vorzutragen, und das Ablehnungsverfahren findet außerhalb der Hauptverhandlung statt." Der Vorsitzende erklärte überdies an den Verteidiger gewandt, dieser wolle mit dem Ablehnungsgesuch "offenbar nur Sand ins Getriebe streuen".
Sodann entzog er dem Verteidiger das Wort; die Hauptverhandlung nahm ihren Fortgang. Der Angeklagte äußerte sich zur Sache nicht. In einer um 12.00 Uhr verfügten 10-minütigen Sitzungspause reichte Rechtsanwalt K. das vorbereitete erste Ablehnungsgesuch gegen beide Berufsrichter der Kammer sowie ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden bei der Geschäftsstelle ein. Die Begründung des letzteren führte aus, die Äuße rung des Vorsitzenden, der Verteidiger wolle mit dem Befangenheitsantrag ohnehin nur Sand ins Getriebe streuen, sei unsachlich und unangemessen gewesen. Sie gebe zu erkennen , daß der Vorsitzende der Wahrnehmung prozessualer Rechte des Angeklagten grundsätzlich ablehnend gegenüberstehe. Die Ablehnungsgesuche wurden durch Beschlüsse vom 5. November 2004 zurückgewiesen, die ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter ergingen. In den Gründen des das erste Gesuch zurückweisenden Beschlusses führte das Landgericht aus, das Befangenheitsgesuch sei offenbar vorgefertigt, auf sieben Seiten begründet und maschinenschriftlich abgefaßt gewesen. Es richte sich gegen eine Sachentscheidung der Kammer, was regelmäßig eine Besorgnis der Befangenheit nicht begründen könne. Die Aussetzung der Hauptverhandlung sei zu Recht abgelehnt worden; der Angeklagte habe ausreichend Zeit gehabt, sich bis zur Vernehmung der Sachverständigen mit dem vorläufigen Gutachten auseinander zu setzen. Die Gründe des Beschlusses, durch den das zweite Ablehnungsgesuch zurückgewiesen wurde, führten aus, nach dem Verfahrensablauf sei für den Angeklagten ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sich die Äußerung des Vorsitzenden, der Verteidiger wolle "nur Sand ins Getriebe streuen", allein auf das prozeßordnungswidrige Verhalten des Verteidigers bezog.
2. Jedenfalls das zweite Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Kammer ist, wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat ausgeführt hat, zu Unrecht verworfen worden.
a) Das Prozeßverhalten des Verteidigers zu Beginn der Hauptverhandlung am 2. November 2004 war weder rechtsmißbräuchlich noch lag es objektiv aus Sicht des Angeklagten fern. Hierzu zählte namentlich auch die Anbringung des ersten Ablehnungsgesuchs in Form eines vorbereiteten Schriftsatzes. Der wiederholte Hinweis hierauf in den Entscheidungen des Kammervorsitzenden und der über seine Ablehnung entscheidenden Kammer legt die Annahme nahe , die Vorbereitung des Ablehnungsgesuchs sei als mißbräuchlich angesehen worden. Das trifft aber nicht zu. Nach der bereits am 29. Oktober 2004 mündlich erklärten Weigerung des Vorsitzenden, den Hauptverhandlungstermin vom 2. November 2004 aufzuheben, und angesichts des Umstands, daß die beantragte Terminsaufhebung tatsächlich auch nicht erfolgt war, konnte der Verteidiger davon ausgehen, daß sein schriftlich gestellter Antrag in der Hauptverhandlung zurückgewiesen werden würde. Es stand ihm frei, für diesen - zutreffend erwarteten - Fall vorsorglich einen Antrag gemäß §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 1 StPO vorzubereiten.
b) Der Versuch des Verteidigers, eine Unterbrechung der Hauptverhandlung durch Verlassen des Sitzungssaals zu erzwingen, war zwar nicht prozeßordnungsgemäß. Bei der Beurteilung waren aber Zweck und Anlaß dieses Verhaltens zu berücksichtigen. Vorangegangen war die Weigerung des Vorsitzenden , ein Ablehnungsgesuch in der Hauptverhandlung entgegenzunehmen. Die von ihm hierfür gegebene Begründung verkannte die Rechtslage. Dies wird auch durch den Hinweis der Nebenklägervertreterin im Revisionsverfahren bestätigt, wonach es "mehrjährige Praxis" bei Strafkammern des Landgerichts
Bonn sei, die Stellung von Befangenheitsgesuchen in der Hauptverhandlung nur im Einzelfall nach Ermessen zuzulassen. Eine solche Praxis verstößt aber gegen § 26 Abs. 1 StPO. Es gehört, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, zu den grundlegenden Rechten eines Angeklagten, in einer laufenden Hauptverhandlung sachdienliche Anträge zu seiner Verteidigung zu stellen. Das Recht, Befangenheitsgesuche in der Hauptverhandlung zu stellen, ist zwar im Rahmen der Sachleitung des Vorsitzenden auszuüben, kann dem Angeklagten aber nicht durch Verweis auf die Möglichkeit des § 26 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz, gänzlich genommen werden. Es steht dem Angeklagten vielmehr frei zu entscheiden, ob er das Gesuch in der Hauptverhandlung vorbringen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären will.
c) Der Vorwurf des Vorsitzenden an den Verteidiger, dieser wolle mit der Stellung des Befangenheitsantrags ohnehin "nur Sand ins Getriebe streuen", war daher sachlich nicht veranlaßt. Hierdurch konnte bei dem Angeklagten die Befürchtung entstehen, die Ausübung seines Verteidigungsrechts werde von dem Vorsitzenden als mißbräuchliche Behinderung des erwarteten Verfahrensgangs angesehen. Zwar begründen bloße Verfahrensverstöße oder unzutreffende Rechtsansichten in der Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit ; auch nicht erst im Verfahren entstandene Spannungen zwischen Richtern und Verteidigern (BGH NJW 1998, 2458, 2459 - in BGHSt 44, 26 ff. nicht abgedruckt ; BGH, Beschluß vom 9. November 2004 - 5 StR 380/04). Anders ist es aber, wenn ein in Verteidigungsrechte des Angeklagten eingreifendes Verhalten des Richters einer gesetzlichen Grundlage entbehrt (vgl. Pfeiffer in KKStPO 5. Aufl. § 24 Rdn. 7; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 24 Rdn. 17) oder wenn ein Richter auf berechtigte Anliegen eines Verteidigers unangemessen reagiert (vgl.
etwa BGH StV 1993, 339; 1995, 396). So lag es hier. Auf die subjektive Überzeugung des Richters von seiner Unparteilichkeit kommt es hierbei nicht an (st. Rspr.; vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 6 m.w.N.). Bode Rothfuß Fischer Roggenbuck Appl

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 571/10
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen zu 1. und 2.: schweren Bandendiebstahls u. a.
zu 3.: Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl u. a.
zu 4.: Wohnungseinbruchsdiebstahls u. a.
zu 5.: Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl u. a.
zu 6.: gewerbsmäßiger Hehlerei
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. April
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 3.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 4.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 5.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 6.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 20. Mai 2010 wird
a) das Verfahren im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Fall 27 der Anklageschrift ) eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten P. , K. und Ka. der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass aa) der Angeklagte P. neben seiner Verurteilung im Übrigen wegen schweren Bandendiebstahls in 23 Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, Hehlerei in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der (weiteren) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt ist, bb) der Ausspruch über die Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft des Angeklagten P. auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten entfällt, cc) der Angeklagte K. des schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen schuldig ist, dd) der Angeklagte Ka. der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in 25 Fällen und der Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in sechs Fällen schuldig ist. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B. wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit festgestellt worden ist, dass bei dem Angeklagten B. der Anordnung des Verfalls Ansprüche Verletzter nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen und der Wert des Erlangten 149.650 € beträgt. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über den Verfall oder eine Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO bei dem Angeklagten A. unterblieben ist. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel des Angeklagten B. und der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten B. und A. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten P. und B. werden verworfen. 6. Die Staatskasse hat die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten P. , K. , Ka. und Pi. und die dadurch diesen Angeklagten in der Revisionsinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 7. Der Angeklagte P. trägt die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen schweren Bandendiebstahls in neun Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen sowie versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 29. Oktober 2008 – rechtskräftig seit dem 13. Mai 2009 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und wegen schweren Bandendiebstahls in 23 Fällen , versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, Hehlerei in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und zwei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten angeordnet. Ferner hat es ausgesprochen, dass die erlittene Untersuchungshaft auf diese Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist und die Verwaltungsbehörde an- gewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2
Der Angeklagte K. wurde wegen schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen und versuchten schweren Bandendiebstahls in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und der Angeklagte Ka. wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in 25 Fällen und Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Den Angeklagten A. hat das Landgericht des Wohnungseinbruchsdiebstahls in sechs Fällen und des versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 24. August 2009 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Der Angeklagte Pi. wurde wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in acht Fällen sowie Beihilfe zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben hat das Landgericht auf eine gesonderte Gesamtgeldstrafe aus den einzubeziehenden Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Aibling vom 9. Juli 2009 und aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Brakel vom 6. November 2009 in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 10 € erkannt.
3
Der Angeklagte B. wurde unter Freispruch im Übrigen wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls gegen diesen Angeklagten Ansprüche Verletzter entgegenstehen und dass die Summe des Erlangten 149.650 € beträgt.
4
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie erstrebt beim Angeklagten Ka. eine Verurteilung wegen Mittäterschaft, beim Angeklagten A. eine solche wegen schweren Bandendiebstahls und bei den Angeklagten P. , K. und Ka. eine Feststellung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in Verbindung mit einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO. Bei allen Angeklagten beanstandet sie die Strafzumessung. Die Angeklagten P. und B. wenden sich mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung.
5
2. Nach den Feststellungen begingen die Angeklagten P. und K. unter Beteiligung der Angeklagten Ka. , A. und Pi. Tageswohnungseinbrüche in Wohnhäuser. Die Angeklagten P. , K. und Ka. waren spätestens Ende März 2009 übereingekommen, künftig für eine unabsehbare Zeit zur Erzielung eines gewissen Einkommens eine Mehrzahl von Einbruchsdiebstählen zu begehen. Der Angeklagte K. recherchierte im Internet Anschriften von Personen, die im Telefonbuch mit akademischen Titeln oder der Berufsbezeichnung Kapitän verzeichnet waren, da man sich bei diesen Personen größere Beute versprach. Der Angeklagte P. rief dann mehrfach mit einem eigens angeschafften „Testhandy“ auf den zuvor ermittelten Festnetzanschlüssen der Wohnungsinhaber an, um sicherzustellen, dass sie sich nicht zu Hause aufhielten. Wenn sich niemand meldete, fuhr der Angeklagte Ka. die Angeklagten P. und K. werktags in den Vormittagsstunden zu den Einbruchsobjekten. Um sicherzustellen, dass sich niemand zu Hause aufhielt, wurde nochmals an den Haustüren geklingelt. Diese Aufgabe übernahm zunächst der Angeklagte Ka. , wegen seiner Unsicherheit und Orientierungsschwierigkeiten wurde er jedoch alsbald vom Angeklagten P. abgelöst. Während dann der Angeklagte Ka. im Fahrzeug wartete, hebelten die Angeklagten P. und K. ein Fenster oder eine Terrassentür auf oder öffne- ten die Haustür mit einem Rollgabelschlüssel. In den Wohnungen suchten sie gezielt nach Schmuck und Bargeld. Den erbeuteten Schmuck brachten sie in einigen Fällen zu dem An- und Verkaufsgeschäft des Angeklagten B. . Den Erlös aus dem Verkauf des Diebesgutes teilten sich die Angeklagten P. und K. hälftig; der Angeklagte Ka. erhielt einen Anteil von 20 bis 200 €. Während eines einwöchigen Urlaubs des Angeklagten Ka. sprang der Angeklagte A. als Fahrer ein, der auch „Schmiere stand“. Der Angeklagte A. , dem ein gleicher Anteil an der Beute versprochen worden war, erhielt für seine Tätigkeit eine Gesamtsumme von 500 €. An mehreren Tagen nahmen die Angeklagten auf Wunsch des Angeklagten Ka. den Angeklagten Pi. auf ihren Einbruchstouren mit. Der Angeklagte Pi. wusste, dass der Angeklagte Ka. die Angeklagten P. und K. zu Wohnungseinbrüchen fuhr. Er leistete dem Angeklagten Ka. Gesellschaft und behielt auch die nähere Umgebung im Blick.

II.

6
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben überwiegend erfolglos.
7
1. Die Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) greift nicht durch.
8
a) Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Die Hauptverhandlung am ersten Verhandlungstag, dem 18. Februar 2010, wurde nach der Vereidigung des Schöffen W. und der Verlesung der Anklageschrift von 10.17 Uhr bis 10.30 Uhr unterbrochen. Nach der Belehrung der Angeklagten gemäß § 243 Abs. 5 StPO teilte der Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten mit, dass der Kammer im Rahmen einer Verständigung im Falle glaubhafter geständiger Einlassungen folgende Strafobergrenzen angemessen erschienen: bei dem Angeklagten P. unter Berücksichtigung einer verminderten Schuldfähigkeit sechs Jahre drei Monate, bei dem Angeklagten K. sechs Jahre, bei dem An- geklagten Ka. vier Jahre drei Monate, bei den Angeklagten A. und Pi. jeweils unter Berücksichtigung der einzubeziehenden Strafen zwei Jahre, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnten, und beim Angeklagten B. drei Jahre zwei Monate. Anschließend wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 2. März 2010, gab die Staatsanwaltschaft eine ablehnende Stellungnahme zu dem Verständigungsvorschlag ab. Sie äußerte die Vermutung, dass eine Beratung über den Vorschlag bereits vor Vereidigung des Schöffen W. stattgefunden habe. Der Schöffe W. erklärte dienstlich, dass die Strafmaßvorschläge während der Unterbrechung der Hauptverhandlung nach Verlesung der Anklageschrift beraten worden seien. Der Vorsitzende stellte fest, dass keine Verständigung unter Einbeziehung der Staatsanwaltschaft möglich sei und leitete die Befragung der Angeklagten zur Sache mit den Worten ein, dass ″die Kammer grundsätzlich dazu steht, was sie gesagt hat“.
9
Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin eine längere Unterbrechung zur Prüfung der Stellung eines unaufschiebbaren Antrags. Auf Anregung der Verteidiger fand zwischen 10.50 Uhr und 11.15 Uhr eine Erörterung zwischen den Verfahrensbeteiligten statt, die nicht zu einem Einvernehmen führte. Nach Unterbrechung der Sitzung von 12.06 Uhr bis 14.04 Uhr stellte der Vertreter der Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter und die beiden Schöffen. Die Schöffen hätten sich in einer nur zehnminütigen Beratung auf Strafmaßobergrenzen eingelassen, ohne den konkreten Sachverhalt zu kennen. Die Äußerung des Vorsitzenden, dass „die Kammer grundsätzlich dazu steht, was sie gesagt hat“, erwecke die Befürchtung, die Kammermitglieder würden sich am Ende der Beweisaufnahme an die in Aussicht gestellten Strafmaßobergrenzen gebunden fühlen, auch wenn sie zu der Überzeugung gelangten, dass diese nicht mehr tat- und schuldangemessen seien. Der Vorsitzende erklärte in seiner dienstlichen Äußerung, die Strafvorstellungen seien im Zusammenhang mit der Beratung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Aufrechterhaltung der Haftbefehle sowie bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung von den Berufsrichtern entwickelt worden. Der Vorschlag sei mit den Schöffen nach Verlesung der Anklageschrift erörtert worden. Der Befangenheitsantrag wurde – ohne Mitwirkung der betroffenen Richter – als unbegründet zurückgewiesen.
10
b) Die Rüge ist unbegründet, soweit die Voreingenommenheit beider Schöffen aus der kurzen Beratungszeit vor der Bekanntgabe der möglichen Strafobergrenzen hergeleitet wird. Den Schöffen war bei der Beratung der zur Anklage gebrachte Sachverhalt bekannt, denn in dem verlesenen Anklagesatz sind alle Taten konkret geschildert. Anhaltspunkte dafür, dass die Schöffen nicht in der Lage gewesen wären, sich während der Beratung eine eigene Meinung über die Angemessenheit der von den Berufsrichtern für sachgerecht erachteten Strafobergrenzen zu bilden, bestehen nicht.
11
c) Auf die Bekanntgabe der nach Einschätzung der Strafkammer angemessenen Strafobergrenzen kann die Rüge der Befangenheit nicht gestützt werden. Dass die Berufsrichter die Sach- und Rechtslage vor der Eröffnung des Hauptverfahrens und bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung geprüft und eine vorläufige Prognose zu den Strafhöhen im Falle eines Geständnisses gestellt , mit den Schöffen abgestimmt und den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt haben, rechtfertigt nicht die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit (BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 313/99, BGHSt 45, 312, 315 f.; vgl. auch BGH, Urteile vom 15. Februar 2005 – 5 StR 536/04, NStZ 2005, 395, 396; vom 13. Juli 2006 – 4 StR 87/06 Rn. 7, NStZ 2006, 708 und vom 12. September 2007 – 5 StR 227/07 Rn. 11, NStZ 2008, 172, 173). Die schon nach früherer Rechtslage als zulässig angesehene Mitteilung der Strafobergrenze im Falle eines Geständnisses hat der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Rege- lung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353) ausdrücklich gebilligt. § 257b StPO erlaubt es dem Gericht, in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, um eine Verständigung vorzubereiten (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 257b Rn. 2). Gegenstand einer solchen Erörterung kann die Angabe einer Ober- und Untergrenze der nach gegenwärtigem Verfahrensstand zu erwartenden Strafe durch das Gericht sein. Mit dieser Vorschrift wird klargestellt, dass sich das Gericht durch die Bekanntgabe seiner Einschätzung des Verfahrensstandes nicht dem Vorwurf der Befangenheit aussetzt (BT-Drucks. 16/11736 S. 10 f.).
12
d) Auch die Äußerung des Vorsitzenden, ″die Kammer stehe grundsätzlich dazu, was sie gesagt hat“, gibt keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der Strafkammer zu zweifeln. Schon aus der Formulierung mit dem Wort ″grundsätzlich“ folgt, dass sich die Äußerung auf die vorläufige rechtliche und tatsächliche Bewertung der Anklagevorwürfe durch die Strafkammer bezog. Allen Verfahrensbeteiligten war zu diesem Zeitpunkt klar, dass eine verbindliche Absprache gemäß § 257c StPO gescheitert war und eine rechtliche Bindung der Strafkammer an die mitgeteilten Strafrahmenobergrenzen nicht bestand. In Verbindung mit der vom Vorsitzenden gewählten Formulierung konnte bei einem verständigen Verfahrensbeteiligten nicht der Eindruck entstehen, dass sie sich vorbehaltlos und endgültig auf die Strafen festgelegt haben könnte. Die Strafkammer durfte zulässigerweise die nach ihrer vorläufigen rechtlichen und tatsächlichen Bewertung des Akteninhalts in Aussicht genommenen Strafobergrenzen weiterhin für angemessen halten, nachdem die Staatsanwaltschaft widersprochen hatte, und dies gegenüber den Verfahrensbeteiligten zum Ausdruck bringen. Sie wollte damit ersichtlich nicht ankündigen, dass sie sich unabhängig von den noch ausstehenden Einlassungen der Angeklagten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf eine Strafe festgelegt hätte; vielmehr wurde klargestellt, dass die Argumente der Staatsanwaltschaft die (vorläufige) Einschätzung der Strafkammer nicht verändert hatten.
13
e) Auch durch die Gesamtschau mit weiteren Umständen wird eine Voreingenommenheit der Strafkammer nicht belegt. Anhaltspunkte für die Vermutung , dass die Strafkammer die Beweisaufnahme ungeachtet des Aufklärungsinteresses der Verfahrensbeteiligten verkürzen wollte, werden von der Revisionsführerin nicht aufgezeigt. Die Berufsrichter sind ersichtlich nicht vorschnell auf eine Urteilsabsprache ausgewichen, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich anhand der Akten und insbesondere auch rechtlich überprüft zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40, 49 m.w.N.). Die Revision behauptet selbst nicht, dass sich aus der Verfahrensvorbereitung oder der Durchführung der Hauptverhandlung ableiten ließe, dass die Berufsrichter auf das Zustandekommen einer verfahrensverkürzenden Absprache vertraut haben. Die vom Vorsitzenden bekannt gegebenen Strafobergrenzen im Falle eines Geständnisses missachteten nicht bereits das Gebot eines gerechten Schuldausgleichs (BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 313/99, BGHSt 45, 312, 318 f.). Die Urteilsgründe enthalten keinen Beleg dafür, dass sich die Strafkammer an die den Angeklagten angekündigten Strafobergrenzen für gebunden gehalten und diese Strafen deshalb trotz erkannter Schuldunangemessenheit verhängt hat.
14
2. Die Aufklärungsrüge, mit der beanstandet wird, dass das Landgericht es unterlassen habe, durch Befragung des Angeklagten Ka. und Vernehmung des Zeugen Ulrich S. den Verbleib des durch die Taten erlangten Diebesgutes und des von den Angeklagten P. und K. aus dessen Verkauf erzielten Erlöses aufzuklären, ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revisionsführerin hat schon nicht mitgeteilt, dass der Zeuge S. in der Hauptverhandlung vom 11. Mai 2010 vernommen worden ist.
Der Angeklagte Ka. hat sich umfassend eingelassen. Eine unterbliebene vollständige Ausschöpfung erhobener Beweise kann aber nicht Gegenstand einer Aufklärungsrüge sein, weil sich das Revisionsgericht nicht über das Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinwegsetzen darf (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 412/08 Rn. 12, NStZ 2009, 468, 469; MeyerGoßner , StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 82 jeweils m.w.N.).
15
3. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat nur bei dem Angeklagten A. einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten dieses Angeklagten ergeben.
16
a) Die Auslegung der Revision der Staatsanwaltschaft ergibt trotz des umfassend gestellten Aufhebungsantrags und der Formulierung, dass die allgemeine Sachrüge durch die Bemerkungen zur Begründung nicht eingeschränkt werden soll, dass sie auf die Verurteilungsfälle beschränkt ist. Der Freispruch des Angeklagten B. im Fall 51 der Anklage wird von der Revisionsführerin mit keinem Wort angriffen. Im Übrigen weist die Beweiswürdigung des Landgerichts in diesem Fall keinen Rechtsfehler auf.
17
b) Die von der Revisionsführerin beanstandete rechtliche Würdigung der Taten des Angeklagten Ka. als Beihilfe (nachstehend unter aa) und die Verneinung der Bandenmitgliedschaft des Angeklagten A. (nachstehend unter bb) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Schuldsprüche im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Ziff. 27 der Anklageschrift) zu Lasten der betroffenen Angeklagten rechtsfehlerhaft sind (nachstehend unter cc), hat der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
18
aa) Die vom Landgericht in wertender Betrachtung der maßgeblichen Umstände vorgenommene Würdigung des Verhaltens des Angeklagten Ka. als Beihilfe und nicht als Mittäterschaft hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter dieses enge Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür können gefunden werden im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. September 2005 – 4 StR 420/05, NStZ 2006, 94 und vom 24. Juli 2008 – 3 StR 243/08, StV 2008, 575 jeweils m.w.N.). Der vom Angeklagten Ka. geleistete Tatbeitrag, der Anhaltspunkt für den Grad seines Tatinteresses sein könnte, war im Vergleich zu den Beiträgen der Angeklagten P. und K. , wenn auch wichtig, so doch gering. Während der Angeklagte K. die Einbruchsorte recherchierte und gemeinsam mit dem Angeklagten P. die Einbrüche ausführte, beschränkte sich der Beitrag des Angeklagten Ka. darauf, die beiden anderen zum Tatort und zurück zu fahren. Er war weder in die Tatplanung eingebunden noch an der unmittelbaren Tatausführung beteiligt. Die untergeordnete Bedeutung seines Tatbeitrags wird nicht zuletzt durch den ihm versprochenen und überlassenen lediglich geringfügigen Anteil aus dem Erlös des Verkaufs der Beute belegt.
19
bb) Die Verneinung der Bandenmitgliedschaft des Angeklagten A. hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
20
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Bande im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer noch unbestimm- ten Zahl von Diebstählen verbunden haben (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325). Erforderlich ist eine – ausdrücklich oder konkludent getroffene – Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164). Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt (BGH, Beschluss vom 16. März 2010 – 4 StR 497/09, wistra 2010, 347).
21
Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte A. habe sich der Bande nicht angeschlossen, weil er von vornherein lediglich für einen Zeitraum von fünf Tagen an den Fahrten teilgenommen hat und auch nur für die Zeit der Abwesenheit des Angeklagten Ka. (UA S. 82 f.), ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Nach den Feststellungen fehlte die enge Bindung des Angeklagten A. zu den Bandenmitgliedern P. , K. und Ka. . Diese haben den Angeklagten A. nicht dauerhaft in ihre Organisation eingebunden. Die Bandenmitglieder haben vielmehr ihre Straftaten unmittelbar nach der Urlaubsrückkehr des Angeklagten Ka. ohne ihn fortgesetzt.
22
cc) Im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Fall 27 der Anklageschrift) hat der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, weil nach den insoweit getroffenen Feststellungen die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nicht ausgeschlossen ist. Dies führt zur entsprechenden Änderung der Schuldsprüche bei den Angeklagten P. , K. und Ka. und zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafen. Die gegen die Angeklagten P. , K. und Ka. erkannten Gesamtfreiheitsstrafen können bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne die im Fall 27 der Anklageschrift verhängten Einzelstrafen jeweils eine (noch) niedrigere Gesamtstrafe gebildet hätte.
23
c) Ohne Erfolg bleibt auch die Beanstandung der Bemessung der gegen die Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Taten verhängten Freiheitsstrafen.
24
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn die tatrichterliche Strafzumessung Rechtsfehler enthält, insbesondere wenn sie lückenhaft oder widersprüchlich ist oder sie gegen anerkannte Strafzwecke verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Derartige Rechtsfehler zeigen die Revisionen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich keines der Angeklagten auf. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass die gegen die Angeklagten erkannten Einzel- und Gesamtstrafen angesichts des Umfangs der Tatserie vergleichsweise milde sind; hinzu kommt, dass bis auf den Angeklagten A. alle Angeklagten erheblich, auch einschlägig vorbelastet sind. Die Strafen entfernen sich aber noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs. Zwar hätten die von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Umstände auch anders gewertet werden und deshalb bei allen Angeklagten Anlass geben können, höhere Strafen zu verhängen. Die Staatsanwaltschaft versucht aber lediglich, diese Gesichtspunkte anders als der Tatrichter zu gewichten. Damit kann sie jedoch im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
25
Die Verhängung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gegen den Angeklagten Pi. hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei begründet. Zwar fehlen Ausführungen zur Begründung der Höhe der Gesamt- geldstrafe und der Tagessatzhöhe. Angesichts der zur Person des Angeklagten Pi. getroffenen Feststellungen schließt der Senat aus, dass sich der Rechtsfehler zu dessen Gunsten ausgewirkt hat.
26
d) Die Urteilsfeststellungen tragen die Entscheidung der Strafkammer, von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO bei den Angeklagten P. , K. und Ka. abzusehen. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10 Rn. 15 und 30, NJW 2011, 624, 625 m.w.N.). Nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 96, 99 f., 103) ist bei den Angeklagten P. , K. und Ka. kein Vermögen mehr vorhanden. Im Rahmen der von der Strafkammer nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu treffenden Ermessensentscheidung hat sie tragfähig darauf abgestellt, die Resozialisierung der Angeklagten nach Haftentlassung solle nicht durch zu hohe finanzielle Belastungen gefährdet werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 – 1 StR 22/03, StV 2003, 616).
27
e) Rechtsfehlerhaft hat die Strafkammer jedoch die Anordnung des Verfalls bei dem Angeklagten A. nicht erörtert. Der Angeklagte A. hat für seine Teilnahme an den ausgeurteilten Straftaten eine Gesamtentlohnung von 500 € erhalten. Wenn die Voraussetzungen des Verfalls oder des Wertersatzverfalls vorliegen, ist deren Anordnung in §§ 73, 73a StGB zwingend vorgeschrieben. Nur unter den Voraussetzungen des § 73c StGB muss (Absatz 1 Satz 1) oder kann (Absatz 1 Satz 2) die Anordnung unterbleiben. Diese Voraussetzungen sind in den Urteilsgründen so darzulegen, dass die Entscheidung für das Revisionsgericht nachvollziehbar und auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1993 – 2 StR 468/93). Soweit möglicherweise Ansprüche der Verletzten einer Verfallsanordnung entgegenstünden (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB), wäre eine Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO zu prüfen.
28
f) Hinsichtlich des Angeklagten B. führt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO zu dessen Gunsten zur Aufhebung der Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO (unten unter III. 2.).

III.

29
Die Revisionen des Angeklagten P. (nachfolgend unter 1.) und B. (nachfolgend unter 2.) haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
30
1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten P. hat zum Schuldspruch – nach Teileinstellung des Verfahrens im Fall 27 der Anklageschrift – keinen beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Rechtsfolgenausspruch hat – mit Ausnahme der Anrechnung der Untersuchungshaft – Bestand.
31
a) Die Schadenshöhe im Fall 36 der Anklageschrift ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Der Schaden in den beiden Fällen 36 und 37 der Anklageschrift betrug zusammen 44.800 € (UA S. 48); im Fall 37 war der Wert der Beute 9.800 € (UA S. 41), so dass sich für den Fall 36 unschwer ein Schadensbetrag in Höhe von 35.000 € errechnet.
32
b) Soweit die Strafkammer die Fälle 22, 28 und 36 der Anklageschrift, für die sie Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren festgesetzt hat, nochmals bei den Fällen aufgeführt hat, für die sie Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verhängt hat, handelt es sich um ein offensichtliches Fassungsversehen. Der Senat schließt aus, dass sich das Versehen auf die Bemessung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hat.
33
c) Bei der vom Landgericht vorgenommenen Anordnung über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel hat es sich allerdings, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 29. November 2010 zutreffend ausgeführt hat, um zwei Wochen verrechnet. Da der Angeklagte P. indes seit seiner Inhaftierung am 15. Juni 2009 nunmehr ein Jahr und zehn Monate auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10 Rn. 3) erlitten hat, ist er jetzt ohnehin wegen des hieraus folgenden Ablaufs des angeordneten Vorwegvollzugs unverzüglich in den Vollzug der Unterbringung nach § 64 StGB zu überführen. Eine Korrektur – oder auch die Anordnung des Wegfalls – des angeordneten Teilvorwegvollzugs ist bei dieser Sachlage entbehrlich (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 5 StR 22/09 Rn. 5).
34
d) Der Ausspruch über die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten hat zu entfallen. Die Anordnung der Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB im Urteil ist überflüssig (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2000 – 4 StR 471/00, BGHR StGB § 51 Abs. 1 Anrechnung 2; Fischer, StGB, 58. Aufl. § 51 Rn. 4). Im vorliegenden Fall ist angesichts der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft nicht auszuschließen, dass der Angeklagte durch die Anrechnung allein auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Nachteile erleidet, etwa bei Erreichen der Mindestverbüßungszeiten des § 57 StGB.
35
e) Zwar hat das Landgericht die Anordnung einer Sperrfrist von einem Jahr für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht begründet. Angesichts der einschlägigen Vorstrafen und des Bewährungsversagens des Angeklagten schließt der Senat aus, dass der Angeklagte durch den Rechtsfehler beschwert ist.
36
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten B. hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. November 2010.
37
Der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO hat allerdings keinen Bestand. Dem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, ob das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO die Härtevorschrift des § 73c StGB geprüft hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – 3 StR 460/08, wistra 2009, 241, 242; Beschlüsse vom 7. September 2010 – 4 StR 393/10 und vom 15. November 2010 – 4 StR 413/10). Hierfür hätte es tatsächlicher Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten bedurft. Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 400/11
vom
10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 10. Januar 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 5. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei weiteren Fällen sowie der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen, gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verhängt sowie Wertersatz in Höhe von 26.100 € für verfallen erklärt. Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall freigesprochen. Außerdem hat es "die Einziehung der beschlagnahmten Betäubungsmittel und der beschlagnahmten Handys" angeordnet.
2
Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Verfahrensrüge nach § 24 Abs. 2, § 338 Nr. 3 StPO Erfolg, weil ihr Befangenheitsantrag vom 23. März 2011 gegen die erkennenden Berufsrichter und Schöffen zu Unrecht zurückgewiesen worden ist.
3
1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
4
a) Im vorliegenden Verfahren angeklagt waren die Angeklagten H. und S. sowie der frühere Mitangeklagte B. , u.a. wegen des Vorwurfs einer von ihnen am 11. Februar 2008 als Bande begangenen Betäubungsmittelstraftat. Im Hauptverhandlungsprotokoll des ersten Verhandlungstages vom 8. Dezember 2010 ist zu Gesprächen über eine Verständigung Folgendes festgehalten:
5
"Es hat ein ausführliches Rechtsgespräch gegeben. Hinsichtlich des Angeklagten B. wurde seitens der Verteidigung eine Erklärung angekündigt. Es bestand zwischen den Verfahrensbeteiligten Einigkeit, dass bei einer Aussage - auch zu den hier anwesenden weiteren Angeklagten - eine Einstellung des Verfahrens gem. § 154 StPO in Betracht kommt. Im Übrigen ist im Rahmen des Rechtsgesprächs zuvor für den Angeklagten B. eine Straferhöhung der bisherigen Verurteilung (Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren) von bis zu einem Jahr einverständlich erörtert worden im Hinblick auf ein entsprechendes Aussageverhalten. Für den Angeklagten H. hat es keine Verständigung gegeben. Die Kammer hatte bei einem umfassenden Geständnis eine Strafobergrenze von bis zu fünf Jahren und sechs Monaten vorgeschlagen.
Hinsichtlich des Angeklagten S. wurde Einigkeit erzielt, dass bei einem umfassenden Geständnis eine Strafe bis zu vier Jahren in Betracht kommt."
6
Im Hauptverhandlungstermin vom 15. Dezember 2010 erklärten die Angeklagten H. und S. , sich derzeit zur Sache nicht äußern zu wollen. Der Verteidiger des Angeklagten B. gab für seinen Mandanten mündlich Erklärungen zur Sache ab, zu denen sich dieser auf Befragen äußerte.
7
Mit Beschluss vom 16. Dezember, der außerhalb der Hauptverhandlung erging, trennte die Strafkammer das Verfahren gegen den Angeklagten B. gemäß § 4 Abs. 1 StPO mit der Begründung ab, die Sache sei insoweit entscheidungsreif. Am 22. Dezember 2010 wurde die Beweisaufnahme im Verfahren gegen die Angeklagten H. und S. fortgesetzt, am 5. Januar 2011 die Hauptverhandlung im Verfahren gegen den Angeklagten B. .
8
Mit Urteil vom 5. Januar 2011 wurde der frühere Mitangeklagten B. wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem rechtskräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt.
9
In der am 12. Januar 2011 fortgesetzten Hauptverhandlung gegen die Angeklagten H. und S. wurden auf Beschluss der Strafkammer aus dem Protokoll vom 5. Januar 2011 Angaben des Angeklagten B. zur Sache verlesen, die dieser in seinem Verfahren gemacht hatte und durch die er die Angeklagten H. und S. belastete.
10
b) Anschließend stellten die Verteidiger der Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen die Berufsrichter und die Schöffen. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus: Aus Sicht der Angeklagten sei an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der erkennenden Richter zu zweifeln, weil die Besorgnis bestehe, sie hätten sich bereits eine vom Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme nicht mehr beeinflussbare Meinung gebildet. Bei der mündlichen Begründung des gegen den Angeklagten B. ergangenen Urteils habe der Vorsitzende die Überzeugung der Strafkammer dargelegt, dieser habe am 11. Februar 2008 vom Angeklagten H. gekauftes, zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmtes Kokain im bandenmäßigen Zusammenwirken mit den Angeklagten H. und S. aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Für die Angeklagten müsse hieraus der Eindruck erwachsen, die Kammer habe sich allein aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten B. von einem bandenmäßigen Zusammenwirken überzeugt und sich insoweit vor Abschluss der Beweisaufnahme im hiesigen Verfahren festgelegt.
11
Alle Mitglieder des erkennenden Gerichts gaben daraufhin dienstliche Erklärungen mit dem Inhalt ab, es sei ausdrücklich erörtert worden, dass im Verfahren gegen die Angeklagten allein auf der Grundlage der in diesem Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme zu entscheiden sei, und zwar unabhängig vom Beweisergebnis des gegen den Angeklagten B. gerichteten Verfahrens.
12
In der folgenden Hauptverhandlung vom 2. Februar 2011 wurde ein - ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter gefasster - Beschluss des Landgerichts vom 28. Januar 2011 verkündet, durch den die Befangenheitsanträge im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen wurden: Es bestehe kein vernünftiger Grund, an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Der Angeklagte B. habe vor der Abtrennung seines Verfahrens keine die früheren Mitangeklagten belastenden Angaben gemacht. Seine Einlassung nach der Abtrennung sei im Verfahren gegen die Angeklagten H. und S. nicht der Urteilsfindung zugrunde zu legen, wie die Berufsrichter den Schöffen verdeutlicht hätten.
13
c) In der Hauptverhandlung vom 16. März 2011 wurde den Verteidigern der Angeklagten eine Kopie des gegen den früheren Mitangeklagten B. ergangenen Urteils vom 5. Januar 2011 ausgehändigt. In den Urteilsgründen ist zur Tat vom 11. Februar 2008 Folgendes feststellt: "Der Angeklagte (B. ) sowie H. und S. schlossen sich spätestens Ende 2007 zusammen, um arbeitsteilig regelmäßig Betäubungsmittel aus den Niederlanden nach Deutschland zu schmuggeln und hier gewinnbringend zu verkaufen. ... Es wurde geplant, dass H. alleine oder zusammen mit S. die Drogen in den Niederlanden beschafft und dass der Angeklagte B. diese vor der Grenze zum Zwecke der Einfuhr in seinem Pkw übernimmt. ... am 11. Februar 2008 erwarb H. zum Zwecke des Handeltreibens in Rotterdam eine nicht geringe Menge Kokain, zumindest 40 - 250 Gramm. S. begleitete und unterstützte ihn bei dieser Fahrt. Gegen 18.40 Uhr übergaben sie in der Nähe von Hoogeveen/Niederlande wie zuvor vereinbart das erworbene Rauschgift an den Angeklagten B. , der planmäßig das Rauschgift in seinem Fahrzeug deponierte und es unter Absicherung des Grenzübertritts und des weiteren Transportes durch H. und S. über die grüne Grenze nach Deutschland einführte. ..."
14
d) Im folgenden Hauptverhandlungstermin vom 23. März 2011 lehnten die Verteidiger der Angeklagten die Berufsrichter und die Schöffen erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führten sie im Wesentli- chen aus: Bei verständiger Würdigung der Gründe des gegen den früheren Mitangeklagten B. ergangenen Urteils müssten die Angeklagten besorgen, die erkennenden Richter hätten sich zumindest hinsichtlich der Tat vom 11. Februar 2008 eine abschließende Meinung gebildet, obwohl die Beweisaufnahme in dem gegen sie geführten Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. In der Beweiswürdigung habe die Strafkammer die geständige Einlassung des Angeklagten B. , die in Widerspruch zu den schriftlichen Einlassungen der Angeklagten stehe, als glaubhaft und das Ermittlungsergebnis der Polizei als plausibel und keine andere Deutung zulassend bezeichnet. Sie habe dabei fehlerhaft auf die angebliche Aussage der Zeugin KHK'in He. abgestellt, die nicht in dem abgetrennten Verfahren gegen den Angeklagten B. , sondern erst nach Abtrennung im hiesigen Verfahren vernommen worden sei. Deshalb müsse von den Angeklagten besorgt werden, die Kammer differenziere nicht zwischen den in beiden Verfahren erhobenen Beweisen. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände müssten die Angeklagten den Eindruck gewinnen, die Verfahrensabtrennung habe nur dazu gedient, den Angeklagten B. durch einen geringen Strafaufschlag zu konkreten, die Angeklagten H. und S. belastenden Aussagen zu bewegen.
15
Die abgelehnten Richter erklärten in ihren dienstlichen Stellungnahmen, sie fühlten sie nicht befangen, sie würden zwischen den Beweisaufnahmen in beiden Verfahren differenzieren.
16
In der Hauptverhandlung vom 31. März 2011 wurde ein - wiederum ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter gefasster - Beschluss des Landgerichts vom 29. März 2011 verkündet, durch den die Befangenheitsanträge im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen wurden: Die bloße Mitwirkung der abgelehnten Richter in dem abgetrennten Verfahren reiche nicht aus, um eine Befangenheit anzunehmen. Auch die weiteren aufgeführten Umstände könnten aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht die Annahme begründen , die Richter würden nicht mit der gebotenen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit urteilen. Die Feststellungen sowie die Beweiswürdigung in dem Urteil gegen den Angeklagten B. ließen keine Rückschlüsse auf eine festgelegte Überzeugung der Kammer im Verfahren gegen die Angeklagten H. und S. zu. Diese habe durch die Fortsetzung der Beweisaufnahme an acht weiteren Verhandlungstagen für die Angeklagten deutlich gemacht, dass sie ihre Aufgabe, zu einer von dem abgetrennten Verfahren losgelösten, unabhängigen Entscheidung zu finden, sehr ernst nehme. An dieser Einschätzung könne auch nichts der Umstand ändern, dass die Kammer in dem gegen den Angeklagten B. ergangenen Urteil ihre Überzeugung rechtsfehlerhaft auch auf die Vernehmung der tatsächlich in dem Verfahren gegen B. nicht vernommenen Zeugin KHK'in He. gestützt habe. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass sie im hiesigen Verfahren Beweismittel berücksichtigen könnte, die allein im abgetrennten Verfahren erhoben worden seien. Die Abtrennung des Verfahrens habe ausschließlich der Beschleunigung des gegen B. geführten, entscheidungsreifen Verfahrens gedient, eine Absprache mit ihm, dass er ein geringeres Strafmaß erwarten dürfe, wenn er die Angeklagten H. und S. belaste, habe es nicht gegeben. Auch die Gesamtschau aller Umstände rechtfertige nicht die Besorgnis der Befangenheit.
17
2. Die zulässige Verfahrensrüge ist begründet.
18
Bei der gebotenen objektiven Beurteilung aus der Sicht eines verständigen Angeklagten konnten die Angeklagten H. und S. durch die Verfahrensweise des Gerichts den Eindruck gewinnen, die abgelehnten Richter stünden ihnen bei der Entscheidung über die Vorwürfe der Anklage, insbesondere zu der entscheidenden Frage einer Bandenbildung bei der Tat vom 11. Februar 2008 nicht mehr mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenüber (§ 24 Abs. 2 StPO).
19
a) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrundes gemäß § 23 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht geeignet , die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 1966 - 4 StR 261/66, BGHSt 21, 142; BGH, Urteil vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334; BGH, Beschluss vom 27. April 1972 - 4 StR 149/72, BGHSt 24, 336, 337; BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 24 Rn. 12 f. mwN). Das betrifft nicht nur die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern auch die Mitwirkung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat.
20
Nach diesen Kriterien grundsätzlich unbedenklich ist auch die Mitwirkung an einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren. Dies gilt auch dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch wegen einer Tat ergeht, zu der sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen den oder die früheren Angeklagten später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat (BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866). Da eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen oder in einem anderen damit zusammenhängenden Verfahren von Strafprozessordnung und Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die Vorbefassung als solche - abgesehen von den in § 22 Nr. 4 und 5, § 23 und § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO genannten Ausschließungstatbeständen - die Besorgnis der Befangenheit aus normativen Erwägungen im Allgemeinen nicht begründen. Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies wird etwa angenommen, wenn Äußerungen in früheren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221; BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44).
21
b) Vorliegend waren solche besonderen Umstände gegeben. Es lag eine Vielzahl von Faktoren vor, die zwar isoliert für sich betrachtet noch nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigte aber in ihrer Kumulation waren die Einzelaspekte geeignet, aus der Sicht der Angeklagten bei der gebotenen objektiven Beurteilung Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu begründen. Denn für ihre Befürchtung, die Strafkammer differenziere nicht ausreichend zwischen den getrennt geführten Verfahren und sei hinsichtlich der Tat vom 11. Februar 2008 auf eine bandenmäßige Begehung festgelegt , bestanden nachvollziehbare Gründe.
22
Bereits das protokollierte, formell rechtsfehlerfreie Rechtsgespräch über eine Verständigung am ersten Hauptverhandlungstag konnte bei den Angeklagten den Eindruck erwecken, die Strafkammer sage dem früheren Mitangeklagten B. eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO oder eine nur moderate Erhöhung der bereits rechtskräftigen Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren nur zu, um ihn zu einer die Angeklagten H. und S. belastenden Aussage zu veranlassen. Gegenstand der Vereinbarung mit dem Angeklagten B. war ausdrücklich eine Aussage auch zu den Mitangeklagten , während bei diesen die vorgeschlagene Strafobergrenze nur von einem umfassenden Geständnis abhängig gemacht wurde.
23
In der hier gegebenen Verfahrenssituation, in der der frühere Mitangeklagte B. entsprechend der getroffenen, für ihn günstigen Absprache in erster Linie über seinen Verteidiger Angaben zur Sache gemacht hatte, während sich die Angeklagten in der Hauptverhandlung noch nicht eingelassen hatten , war die Abtrennungsentscheidung mit der Begründung, das Verfahren gegen B. sei entscheidungsreif, für sich betrachtet zwar noch nicht ermessensfehlerhaft , bewegte sich jedoch im Grenzbereich zu einem Ermessensfehler. Wenn mehrere Personen angeklagt sind, als Mitglieder einer Bande eine Betäubungsmittelstraftat begangen zu haben, ist es im Hinblick auf die Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) regelmäßig sachgerecht und erforderlich , gegen alle Angeklagten aufgrund einer einheitlichen, alle Beweismittel umfassenden Beweisaufnahme zu entscheiden. Denn es ist nicht fernliegend, dass der aussagebereite Angeklagte zu Lasten der Mitangeklagten seine eigenen Tatbeiträge beschönigende Angaben macht, die anschließend das Gericht nach einer nur rudimentären Beweisaufnahme dem Urteil gegen diesen zugrunde legt. Unter Berücksichtigung der Pflicht zur Amtsaufklärung kann die Abtrennungsentscheidung mit der Begründung, das Verfahren sei insoweit entscheidungsreif , aus der Sicht der schweigenden Angeklagten den Eindruck erwecken , das Gericht werde auch in ihrem Verfahren von dem Tathergang ausgehen , den der aussagebereite Angeklagte geschildert hatte.
24
Die weitere Gestaltung beider Verfahren sowie der Inhalt des gegen den Angeklagten B. ergangenen Urteils waren geeignet, die dargestellten Befürchtungen der Angeklagten von einer Befangenheit der erkennenden Richter zu verstärken. In dem abgetrennten Verfahren gegen B. stellte die Strafkammer zwei angeklagte Taten gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein und verurteilte diesen nach einer kurzen Beweisaufnahme unter Einbeziehung der Strafen aus seiner rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten und damit zu einer um lediglich drei Monate erhöhten Gesamtfreiheitsstrafe. In den schriftlichen Gründen des Urteils vom 5. Januar 2011 stellte die Kammer zu der Tat vom 11. Februar 2008 nicht nur eine bandenmäßige Begehung fest, sondern ging entsprechend der Einlassung des Angeklagten B. davon aus, dass dieser lediglich als Kurier vom Angeklagten H. gekauftes, für dessen Betäubungsmittelhandel bestimmtes Kokain nach Deutschland einführte. In der Beweiswürdigung bezeichnete sie die Einlassung des Angeklagten B. , die im Gegensatz zu den späteren Einlassungen der Angeklagten H. und S. stand, als glaubhaft sowie das Ermittlungsergebnis der Polizei als plausibel und keine andere Deutung zulassend, obwohl die Beweisaufnahme in dem gegen die Angeklagten geführten Verfahren noch andauerte. Dadurch, dass in der Beweiswürdigung darüber hinaus KHK'in He. als Zeugin angeführt wird, obwohl diese nach der Abtrennung des Verfahrens gegen B. ausschließlich in dem Verfahren gegen die Angeklagten vernommen worden war, verstärkten die erkennenden Richter letztlich in entscheidender Weise die Besorgnis, sie vermischten die Beweisergebnisse der beiden getrennt geführten Verfahren und behandelten diese entgegen ihren Beteuerungen als eine Einheit. Dieser Eindruck war auch schon zuvor hervorgerufen worden, weil in der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten H. und S. die protokollierte, die Angeklagten H. und S. belastende Einlassung des Angeklagten B. aus dessen Verfahren gemäß § 251 Abs. 1 StPO verlesen worden war, ohne dass hierfür die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlagen oder eine andere Rechtsgrundlage erkennbar ist.
25
Über die Anklagevorwürfe ist daher neu zu verhandeln und zu entscheiden.
26
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
27
a) Sollen nach § 154 StPO eingestellte Straftaten bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, ist in der Regel der Angeklagte zuvor darauf hinzuweisen (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 154 Rn. 25, § 154a Rn. 2).
28
b) Die Ausübung eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO muss ausdrücklich erklärt werden. Das bloße Nichterscheinen eines geladenen Zeugen kann daher regelmäßig nicht als Ausübung dieses Rechts gewertet werden (BGH, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 326/88, StV 1989, 140).
29
c) In Fällen, in denen der Täter Betäubungsmittel zum Teil zum Eigenverbrauch und zum Teil zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwirbt, besteht zwischen dem Erwerb und dem Handel Tateinheit (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 726). Erwirbt ein Betäubungsmittelkonsument Rauschgift, liegt es nicht fern, dass ein Teil davon zum Eigenkonsum bestimmt ist.
30
d) Bei Verurteilung wegen Beihilfe drängt sich regelmäßig die ausdrückliche Prüfung auf, ob dieser vertypte Strafmilderungsgrund geeignet ist, im Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen einen minder schweren Fall zu begründen.
31
e) Einzuziehende Gegenstände sind in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (Fischer, StGB, 54. Aufl., § 74 Rn. 4). Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 301/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2006 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge schuldig ist;
b) im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten K. aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieses Rechtsmittels - an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der auf die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen das Urteil. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Sie wird vom Generalbundesanwalt vertreten und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge. Während das Rechtsmittel des Angeklagten keinen Erfolg hat, ist das Urteil, soweit es den Angeklagten K. betrifft, auf die Revision der Staatsanwaltschaft im Schuldspruch zu ändern und im Strafausspruch aufzuheben.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am Nachmittag des 29. Oktober 2005 überfielen die Angeklagten S. und K. den 62-jährigen W. in seinem Schrebergarten, um dessen Fahrzeug gewaltsam zu entwenden. Die beiden Angeklagten hatten sich zuvor darauf verständigt, das Opfer niederzuschlagen, um ihm die Autoschlüssel abzunehmen und die Zeit der Ohnmacht oder Benommenheit zur Wegnahme des Autos und zur Flucht zu nutzen. Der Angeklagte K. sollte dazu W. nach Wasser und Arbeit fragen; währenddessen sollte sich der Angeklagte S. unbemerkt von hinten anschleichen und das Opfer niederschlagen. Die Mitangeklagte D. hatte diese Absprache mitbekommen und war damit einverstanden, in der Nähe des Fahrzeugs zu warten und gegebenenfalls vor herannahenden Personen zu warnen. K. und D. wussten, dass der Angeklagte S. ein Fahrtenmesser in der Lederscheide am Gürtel bei sich trug.
4
Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend verwickelte der Angeklagte K. W. in ein Gespräch. Der Angeklagte S. hatte sich zunächst im Hintergrund gehalten. In ihm war plötzlich der Gedanke gereift, W. mit seinem mitgeführten Messer zu erstechen, um ungestört und ohne Angst vor späteren Folgen mit dem entwendeten Pkw weiterreisen zu können. Er zog deshalb mit der rechten Hand sein Fahrtenmesser aus der Lederscheide und schlich sich - ansonsten absprachegemäß - von hinten an den völlig ahnungslosen W. heran. Als er dicht hinter ihm angekommen war, schlug er W. nicht - wie vom Angeklagten K. dem Tatplan gemäß erwartet - nieder, sondern umschlang ihn mit dem linken Arm von hinten im Schulterbereich und zog ihn zu sich her. Gleichzeitig führte er mit der rechten Hand mit dem gezückten Messer in Tötungsabsicht zwei heftige Stiche tief in die linke Halsseite, wodurch die Halsschlagader durchtrennt wurde. W. sank zu Boden, versuchte aber in höchster Lebensangst zu schreien und sich durch Arm- und Beinbewegungen zu wehren. Der Angeklagte S. stürzte sich auf ihn und stach weitere neun Mal schnell und heftig vor allem auf die linke Brustseite des Opfers ein. Der nun wehrlose, tödlich getroffene W. gab nur noch schwache Lebenszeichen von sich.
5
Um der Gefahr der zufälligen Entdeckung durch Passanten auf dem nur wenige Meter entfernten Weg zu entgehen, begann der Angeklagte S. W. nach hinten in das Grundstück zu ziehen. Da ihm dies alleine zu schwer und zu langsam ging, forderte er den Angeklagten K. auf, ihm zu helfen. K. hatte, als er die wahre Absicht des Angeklagten S. erkannte, versucht wegzulaufen, war aber an den Spalierdrähten der Sträucher gescheitert. Als er auf die Aufforderung nicht gleich reagierte, drohte ihm der Angeklagte S. , dass ihm dasselbe geschehe. Da es dem Angeklagten K. vor dem Hintergrund ihrer bedrängten Lage (keine finanziellen Mittel, keine Bleibe) und wegen seines angeschlagenen körperlichen Zustandes (Blasen an den Füßen) nach wie vor darum ging, in den Besitz des Fahrzeugs zu gelangen, um damit gemeinsam schnell und bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite und entschloss sich, diesem zu helfen. Er nahm die rechte Hand von W. , dessen Tod auch er alsbald erwartete, und schleifte gemeinsam mit dem Angeklagte S. das bereits bewusstlos gewordene Opfer rund zehn Meter Richtung Grundstücksmitte, um es zu verstecken.
6
Während der Angeklagte K. sich nun auf Anweisung des Angeklagten S. auf den Weg zum Auto machte, nahm der Angeklagte S. den Schlüsselbund, an dem sich unter anderem der Autoschlüssel befand, aus der Hosentasche des Opfers. Die Angeklagte D. war während des Geschehens absprachegemäß in der Nähe des Fahrzeugs geblieben, um den Weg zu beobachten und gegebenenfalls rechtzeitig zu warnen. Die drei Angeklagten flüchteten anschließend mit dem Auto des Opfers. W. verstarb an den ihm zugefügten Verletzungen.
7
II. Die Revision des Angeklagten K. ist unbegründet, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Sachrüge geltend macht, das Landgericht habe § 35 Abs. 2 StGB übersehen, dringt er nicht durch. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 StGB liegen nach den getroffenen Feststellungen offensichtlich nicht vor, so dass die Kammer in den Urteilsgründen auch nicht darauf eingehen musste. http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/jit/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE004118042&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 -
8
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge erstrebt, hat Erfolg. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen diesen Schuldspruch.
9
1. Zwar sind dann, wenn lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht hat, die übrigen nach § 251 StGB grundsätzlich nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist. Ein Beteiligter haftet somit gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für die Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hat.
10
Nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan beziehungsweise von den Vorstellungen des Mittäters begründet die Annahme eines Exzesses. Vielmehr liegt sukzessive Mittäterschaft vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen - auch wenn dieses in wesentlichen Punkten von dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht - in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eintritt. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm das gesamte Verbrechen strafrechtlich zugerechnet wird. "Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis ... die strafbare Verantwortlichkeit nicht zu begründen" (BGHSt 2, 344, 346). Der die Mittäterschaft begründende Eintritt ist demnach noch möglich, solange der zunächst allein Handelnde die Tat noch nicht beendet hat, selbst wenn sie strafrechtlich schon vorher vollendet war (BGH JZ 1981, 596).

11
2. Von diesen Grundsätzen ausgehend tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge.
12
Der Angeklagte K. hat in Verfolgung des gemeinsamen Tatplanes die tödlich verlaufenden Körperverletzungen, die sein Mittäter - im Rahmen verabredeter Gewaltausübung - dem Opfer beigebracht hatte, dazu ausgenutzt, sich und seine Tatgenossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen. Dass die tatsächliche Tatausführung von der ursprünglich geplanten abwich, ist dabei unerheblich. Der Angeklagte K. hatte nach den Feststellungen das Geschehen unmittelbar mitverfolgt und trat in Kenntnis und Billigung dieser Umstände in die bereits begonnene, von der ursprünglichen Absprache abweichende Ausführungshandlung ein, indem er mit dem Angeklagten S. das Opfer, "dessen Tod auch er alsbald erwartete" (UA S. 19), versteckte. Um bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite. Dadurch sowie durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten und durch das folgende Entwenden des Fahrzeugs hat sich sein Vorsatz sukzessiv auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters S. erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; BGH, Beschl. vom 1. Februar 2007 - 5 StR 494/06; Fischer, StGB 55. Aufl. § 251 Rdn. 10). Der Angeklagte K. handelte im Hinblick auf die von ihm gebilligten Tathandlungen des Angeklagten S. und durch die eigene Mithilfe beim Verstecken des tödlich verletzten Opfers bezüglich des Todeseintritts jedenfalls leichtfertig. Dies bedarf aufgrund der Art des Messereinsatzes durch den Angeklagten S. keiner näheren Ausführung.
13
Somit hat er sich als Mittäter des Raubes mit Todesfolge gemäß §§ 251, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Gleichzeitig wurde er Gehilfe des Mörders mit den eigenen Mordmerkmalen "aus Habgier" und "zur Ermöglichung einer Straftat" nach §§ 211, 27 StGB.
14
3. Da weitere Feststellungen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
15
IV. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die dazu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen hierzu kann der neue Tatrichter treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
16
Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, hat der Senat die Sache zur Bemessung einer neuen Strafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Nack Wahl Kolz Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 323/08
vom
22. September 2008
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
_________________________
Leistet der Gehilfe zu mehreren Taten der Steuerhinterziehung durch jeweils
selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB,
steht der Umstand, dass der Angeklagte bereits bei der Anbahnung des Gesamtgeschäfts
, auf das die einzelnen Haupttaten zurückgehen, beteiligt war,
der Annahme von mehreren im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB)
zueinander stehenden Taten der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht entgegen.
BGH, Beschl. vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2008 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 20. November 2007 wird mit der Maßgabe als unbegründet
verworfen, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung
in sieben Fällen schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerverkürzung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, berichtigt der Senat den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes :

I.


2
Die Verfahrensrüge, die gegen die Berufsrichter der Strafkammer gerichteten Befangenheitsanträge seien zu Unrecht zurückgewiesen worden (§ 338 Nr. 3 StPO), bleibt ohne Erfolg.
3
1. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
4
Im Laufe der knapp ein Jahr dauernden Hauptverhandlung legte ein Verteidiger des Angeklagten nach dem 16. Hauptverhandlungstag Haftbeschwerde gegen die Haftfortdauerentscheidung des Landgerichts ein, die mit dem Eröffnungsbeschluss ergangen war. Begründet wurde die Beschwerde insbesondere mit der Behauptung, die Strafkammer habe bei der Terminierung der Hauptverhandlung gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen. Der Beschwerde half das Landgericht nicht ab. Da nach Auffassung des Angeklagten die Abhilfeentscheidung mit objektiv unwahren Tatsachen begründet worden war, erhob er Gegenvorstellung und erstrebte die Richtigstellung der behaupteten Tatsachen. Diesem Antrag kam die Strafkammer nicht nach und wies die Gegenvorstellung zurück. Mit der Begründung, dass die wiederholten, nach seiner Ansicht objektiv falschen Behauptungen in den vorgenannten Beschlüssen der Strafkammer Misstrauen in die Unparteilichkeit der Berufsrichter der Strafkammer begründen würden, lehnte der Angeklagte sodann am 19. Hauptver-handlungstag die Berufsrichter wegen Befangenheit ab. Dieses Ablehnungsgesuch wurde von der Strafkammer ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter als unbegründet zurückgewiesen ; die Hauptverhandlung wurde dann von der Strafkammer in der ursprünglichen Besetzung fortgeführt. Am 25. Verhandlungstag kam es zwischen den Verfahrensbeteiligten zu einer verfahrensbeendenden Absprache. Auf die Zusage einer Strafobergrenze von vier Jahren Freiheitsstrafe hin legte der Angeklagte ein von seinem Verteidiger vorgetragenes Geständnis ab. Staatsanwaltschaft und Verteidigung nahmen alle noch nicht erledigten Beweisanträge zurück; einen Rügeverzicht im Hinblick auf die am 19. Hauptverhandlungstag geltend gemachte Befangenheit der Berufsrichter erklärte der Angeklagte nicht.
5
2. Die Befangenheitsrüge ist bereits unzulässig (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 5; BGH, Beschl. vom 17. September 2008 - 5 StR 404/08). Der Angeklagte hat nach sachlicher Bescheidung des Befangenheitsantrags mit den zuvor als befangen abgelehnten Richtern eine Urteilsabsprache getroffen; Umstände, die trotz dieser Absprache ein Fortbestehen der von dem Angeklagten mit seinem Befangenheitsantrag geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage beruht die Erhebung der Befangenheitsrüge auf einem widersprüchlichen Verhalten des Beschwerdeführers; für sie besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis.
6
a) Ein vorhandenes und fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist eine allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung (BVerfG - Kammer - NJW 2003, 1514, 1515 m.w.N.). Das Rechtsschutzinteresse kann fehlen, wenn die Ausübung eines an sich gegebenen Rechts zu früherem Prozessverhalten in einem unauflösbaren Selbstwiderspruch steht (BGH StV 2001, 100 und StV 2001, 101). Die Rechtsausübung kann dann auch mit dem auch im Strafprozess bestehenden Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. Einl. Rdn. 111; vgl. auch Art. 35 Abs. 3 Var. 3 EMRK) sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2003, 1514, 1515) nicht zu vereinbaren sein. Sie ist dann unzulässig.

7
b) Auch die Mitwirkung an einer Urteilsabsprache kann dazu führen, dass sich daran anschließende Prozesshandlungen als selbstwidersprüchlich erweisen , so dass sie unzulässig sind. Auf die Notwendigkeit der Klärung der Frage, ob und in welchem Maße im Revisionsverfahren etwa unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens bestimmte Verfahrensrügen ausgeschlossen sein können (vgl. dazu auch BGH, Beschl. vom 17. September 2008 - 5 StR 404/08), hat bereits der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs ausdrücklich hingewiesen (BGHSt 50, 40, 52).
8
c) Mit der hier nach einer Urteilsabsprache erhobenen Befangenheitsrüge , mit der die Befangenheit der Richter vor einer Urteilsabsprache beanstandet wird, setzt sich der Beschwerdeführer in diesem Sinne zu seinem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch. Denn bei der einvernehmlichen Beendigung des Strafverfahrens aufgrund einer Absprache bringen die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich zum Ausdruck, dass für sie ein Grund für ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters nicht (mehr) besteht. Besondere Umstände, die hier eine andere Wertung und damit einen Ausnahmefall rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
9
aa) Maßstab für die Besorgnis der Befangenheit ist, ob der Richter den Eindruck erweckt, er habe sich in der Schuld- und Straffrage bereits festgelegt. Dies ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten aus zu beurteilen. Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass zunächst berechtigt erscheinendes Misstrauen nach umfassender Information über den zugrunde liegenden Vorgang gegenstandslos we rden kann (vgl. BGHSt 4, 264, 269 f.; BGH wistra 2002, 267; NStZ-RR 2004, 208, 209; NJW 2006, 3290, 3295; jeweils m.w.N.). Die Besorgnis der Befangenheit kann demnach auch durch die dem Ablehnenden bekannt gemachte dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters ausgeräumt werden (BGH, Beschl. vom 3. Juli 1996 - 5 StR 107/96; vgl. auch BGHSt 45, 312, 320; BGH NStZ 1999, 629, 630).
10
bb) Für die Beurteilung, ob ein Befangenheitsantrag begründet ist, ist dabei auf den Zeitpunkt der Entscheidung des nach § 27 StPO zuständigen Gerichts abzustellen. Nur die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Tatsachen und Beweismittel dürfen auch bei der Entscheidung des Revisionsgerichts, das die Befangenheitsrüge nach Beschwerdegesichtspunkten behandelt, berücksichtigt werden (BGHSt 21, 85, 88; BGH NJW 1960, 2106, 2108).
11
cc) Indes gilt der Grundsatz, dass zunächst erscheinendes Misstrauen wieder ausgeräumt werden kann, auch für eine Urteilsabsprache. Wird - wie hier - eine den Grundsätzen von BGHSt 50, 40 entsprechende Urteilsabsprache getroffen, die zur Folge hat, dass der Angeklagte ein Geständnis ablegt und das Gericht dafür eine Strafobergrenze zusagt, so ist dieses Verhalten des Angeklagten grundsätzlich dahin zu verstehen, dass er die zuvor geäußerte Besorgnis in die Unparteilichkeit des Gerichts nicht mehr hegt (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 4).
12
dd) Lässt sich der Angeklagte auf ein solches Vorgehen ein und legt er im - rechtlich geschützten - Vertrauen auf die Zusage des Gerichts ein Geständnis ab, so belegt das seine veränderte Einschätzung. Jetzt besorgt er nicht mehr, und muss auch nicht mehr besorgen, das Gericht habe sich - zu seinem Nachteil vorschnell - in der Schuld- und Straffrage festgelegt. Diese hat er nunmehr vielmehr mit dem Gericht im Wesentlichen „abgesprochen“ und das zu erwartende Urteil entspricht seiner Verteidigungsstrategie. Ist die Urteilsabsprache fair und ordnungsgemäß zustande gekommen, so vermag auch ein dabei geäußerter Vorbehalt, auf eine Befangenheitsrüge wegen des zuvor gestellten Befangenheitsantrages nicht zu verzichten, nichts daran ändern, dass der Angeklagte mit dem Eingehen auf die Absprache zu erkennen gegeben hat, dass seine Besorgnis entfallen ist.
13
ee) Hegt aber der Angeklagte keine Besorgnis der Befangenheit mehr und geht er deshalb von einer unvoreingenommenen Haltung des Gerichts zum Urteilszeitpunkt aus, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis für die Beanstandung einer Zwischenentscheidung, welche die Frage der Besorgnis der Befangenheit der erkennenden Richter in einem früheren Verfahrensstadium zu Gegenstand hatte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Grundrechts des Angeklagten, wonach das Rechtsmittelgericht ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und „leer laufen“ lassen darf (BVerfGE 78, 88, 98 f.).
14
ff) Der Senat verkennt nicht, dass bei besonderen Umständen trotz vorheriger Urteilsabsprache ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer Befangenheitsrüge gegeben sein kann. Dies ist etwa der Fall, wenn sich eine neue Sachlage ergibt, die dazu führt, dass das Gericht seine Zusage nicht mehr aufrechterhält. In einem solchen Fall ist auch die Besorgnis des Angeklagten neu zu bewerten. Dasselbe gilt, wenn besondere Umstände vorhanden sind, die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts trotz der Urteilsabsprache ein fortbestehendes Misstrauen in die Unparteilichkeit des Gerichts rechtfertigen. Solche Umstände sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Soweit die Revision vorträgt, der Angeklagte habe bei Abgabe des Geständnisses bekundet, dass ein Rechtsmittelverzicht ebenso wenig beabsichtigt gewesen sei wie ein Ausschluss von Verfahrensrügen, ist dies nicht geeignet, eine nach der Urteilsabsprache fortbestehende Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Denn mit dieser Erklärung brachte der Beschwerdeführer lediglich zum Ausdruck, dass er trotz der Verständigung mit dem Gericht vor der Absprache liegende Verfahrensverstöße mit dem Rechtsmittel der Revision beanstanden will. Dass er - auch angesichts der Verständigung - nach wie vor die Voreingenommenheit der Richter besorgte, kann der Erklärung indes nicht entnommen werden.
15
d) Der Unzulässigkeit der Erhebung einer Befangenheitsrüge, mit der die vor einer einvernehmlichen verfahrensbeendenden Absprache erfolgte Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs beanstandet wird, steht nicht entgegen, dass nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 3. März 2005 (BGHSt 50, 40 ff.) das Tatgericht im Rahmen einer Urteilsabsprache an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken darf. Denn der in einem solchen Fall eintretende Rügeverlust ist nicht etwa Folge eines Rechtsmittelverzichts , sondern des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses nach einer Urteilsabsprache für die Beanstandung bestimmter Verfahrensverstöße vor der verfahrensbeendenden Absprache. Die Rechtsmittelbefugnis als solche besteht bei einer Urteilsabsprache uneingeschränkt fort.
16
3. Die Befangenheitsrüge wäre - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet.
17
a) Unter Berücksichtigung der dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter hat sich der Senat nicht von der Richtigkeit der Behauptung der Revision überzeugt, die in der Haftbeschwerdeentscheidung zur Terminierung angegebenen Tatsachen seien unwahr. Vielmehr wurden die für die Terminierung bedeutsamen Umstände in den diesbezüglichen Entscheidungen der Kammer einerseits und der Haftbeschwerde sowie der Gegenvorstellung des Angeklagten andererseits von den Verfahrensbeteiligten ersichtlich unterschiedlich interpretiert. Dies wurde durch die dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter auch dem Angeklagten deutlich. Schließlich konnte der Senat auch keine Anhaltspunkte für bewusste Falschangaben der abgelehnten Richter zu den Umständen der Terminierung feststellen. Bei dieser Sachlage liegen keine Umstände vor, die geeignet sind, in den Augen eines vernünftigen Angeklagten Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter zu rechtfertigen.

II.


18
Auch die Sachrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Ergebnis ohne Erfolg. Ergänzend bemerkt der Senat:
19
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unterstützte der Angeklagte eine international tätige Organisation, die Tabakfeinschnitt, der unter Steueraussetzung aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Gemeinschaft ausgeführt werden sollte (§ 17 TabStG), während der Beförderung dem Steueraussetzungsverfahren entzog und hiermit in nicht zugelassenen Herstellungsbetrieben in der Bundesrepublik Zigaretten herstellte, die sodann unter der Marke „Marlboro“ in Deutschland vertrieben wurden. Die insoweit nach § 11 Abs. 3, § 18 Abs. 1 Satz 1 TabStG entstandenen Steuern wurden nicht entrichtet. Der Tatbeitrag des Angeklagten bestand nach den Urteilsfest- stellungen einerseits darin, dass er bei der Beschaffung des Tabakfeinschnitts in Argentinien beteiligt war, wo er für den vorgeblichen Endempfänger auftrat. Bei diesem handelte es sich um eine in Kroatien, das zur Tatzeit noch nicht Mitglied der Europäischen Union war, ansässige Firma. Nachdem der Tabakfeinschnitt aus Argentinien ordnungsgemäß an die belgische Firma T. , die Inhaberin eines Steuerlagers war, geliefert worden war, veranlasste der Angeklagte nacheinander sieben Einzeltransporte mit Tabakfeinschnitt an die von ihm vertretene kroatische Firma im Steueraussetzungsverfahren, aus dem die Transporte dann jeweils entzogen wurden.
20
2. Entgegen der Auffassung der Revision hält der Schuldspruch auch zur Frage des Konkurrenzverhältnisses der Taten rechtlicher Nachprüfung stand. Den Urteilsgründen ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Angeklagte an jedem der sieben verfahrensgegenständlichen Tabaktransporte, die jeweils aus dem Steueraussetzungsverfahren entzogen wurden, unterstützend mitwirkte (UA S. 5). Er leistete zu jeder der Haupttaten durch selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB. Die Beihilfehandlungen stehen daher zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB; vgl. BGH wistra 2008, 217). Der Umstand, dass der Angeklagte bereits bei der Anbahnung des Gesamtgeschäfts und an der Beschaffung des Tabaks durch die belgische Firma T. in Argentinien beteiligt war, welche den Tabak zunächst in einem Steuerlager zwischenlagerte, bevor das Steueraussetzungsverfahren eröffnet wurde, führt angesichts seiner Mitwirkung an den einzelnen Tabaktransporten zu keiner anderen Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses. Zur Klarstellung berichtigt der Senat das offensichtliche Schreibversehen der Strafkammer „Beihilfe zur Steuerverkürzung“ im Urteilstenor in „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 33).

21
3. Der Strafausspruch hat ebenfalls Bestand.
22
Zwar setzt die Annahme eines besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 AO beim Gehilfen eine eigenständige Bewertung aller Umstände einschließlich seines Tatbeitrages voraus (vgl. BGH NStZ 1983, 217; wistra 2007, 461; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 267). Das Landgericht durfte daher beim Angeklagten nicht allein deshalb vom - gemäß §§ 27, 49 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO ausgehen, weil die Taten bei den Haupttätern als besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung zu qualifizieren waren. Gleichwohl ist die Strafrahmenwahl des Landgerichts nicht zu beanstanden. Angesichts der Einbindung des Angeklagten in die Aktivitäten einer international operierenden Tätergruppe, die im großen Stil und mit großer krimineller Energie in illegal eingerichteten Fabrikationsstätten Zigaretten herstellte und unversteuert unter Markenbezeichnungen veräußerte (UA S. 3, 13), kam bei dem hier vorliegenden Tatbild mit einem Gesamtsteuerschaden von weit mehr als 10 Mio. Euro auch bei den Unterstützungshandlungen des Angeklagten nur die Annahme besonders schwerer Fälle im Sinne des § 370 Abs. 3 AO in Betracht. Dass der Angeklagte auf eine seiner Stellung und seiner Aufgabe im Tatgeschehen entsprechende Entlohnung verzichtet haben könnte, ist weder festgestellt, noch wird dies vom Angeklagten behauptet. Der Senat schließt zudem aus, dass sich in den Fällen fünf bis sieben der Urteilsgründe die geringfügige Überschreitung des gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c TabStG in der Fassung vom 23. Dezember 2003 maßgeblichen Tabaksteuersatzes für Zigaretten durch die Strafkammer um knapp 0,13 Cent pro Zigarette auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 27/09
vom
4. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. März 2009 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 1. August 2008 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. Januar 2009 verweist der Senat zur Fassung der Urteilsgründe und im Hinblick auf das Geschehen, das der bereits unzulässigen Befangenheitsrüge gemäß § 338 Nr. 3 StPO betreffend das Ablehnungsgesuch des Mitangeklagten S. vom 23. Oktober 2007 zugrunde liegt, auf den auf die Revision des Mitangeklagten ergangenen Beschluss vom heutigen Tag. Nack Wahl Elf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 287/10
vom
5. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2010 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 5. Januar 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Zu der Befangenheitsrüge nach § 338 Nr. 3 StPO bemerkt der Senat ergänzend : 1. Hintergrund der gegen alle Mitglieder der Strafkammer gerichteten Befangenheitsanträge vom 18. und 21. August sowie vom 22. Dezember 2009 ist der Umstand, dass die Strafkammer im Anschluss an den Hauptverhandlungstermin vom 17. August 2009 in Abwesenheit der Verteidiger des Beschwerdeführers unter Beteiligung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft mit den beiden Verteidigern des Mitangeklagten A. ein Gespräch über die Möglichkeit einer verfahrensbeendenden Absprache für den Fall einer qualifiziert geständigen Einlassung des Mitangeklagten geführt hat, ohne die übrigen Verfahrensbeteiligten bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit in öffentlicher Hauptverhandlung nachträglich über den Gesprächsinhalt zu unterrichten.

a) Die Rüge ist, soweit sie die Befangenheitsanträge vom 18. und 21. August 2009 für sich genommen betrifft, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Das zunächst berechtigte Misstrauen des Beschwerdeführers, bei dem unter Ausschluss seiner Verteidiger geführten Gespräch seien ihm zum Nachteil gereichende Umstände erörtert worden, ist jedenfalls durch die ihm bekannt gemachten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter ausgeräumt worden (BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, NStZ 2009, 159, 160 und vom 4. März 2009 - 1 StR 27/09, NStZ 2009, 701). Danach wurde bei dem beanstandeten Gespräch eine Verständigung mit dem Mitangeklagten nicht erzielt, sondern es wurden für den Fall eines qualifizierten Geständnisses lediglich mögliche Strafvorstellungen erörtert, die bereits Gegenstand eines schon am 28. Juli 2009 - ebenfalls erfolglos - außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgesprächs waren , bei dem auch die Verteidiger des Beschwerdeführers anwesend waren. Die dem Ablehnungsgesuch vom 21. August 2009 zugrunde liegende Behauptung, die Strafkammer habe bei dem Gespräch am 17. August 2009 dem Mitangeklagten weitergehende Zugeständnisse in Aussicht gestellt, falls er im Rahmen seiner Einlassung den Beschwerdeführer belaste, hat sich nach dem Inhalt der übereinstimmenden dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter und der Staatsanwältin nicht bestätigt. Hinzu kommt, dass die Vorsitzende noch vor Anbringung des zweiten Ablehnungsgesuchs am 21. August 2009 in der Hauptverhandlung die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit über Inhalt, Verlauf und Ergebnisse beider außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgespräche unterrichtet hat.

b) Soweit in dem weiteren Ablehnungsgesuch vom 22. Dezember 2009 die Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder der Strafkammer darüber hinaus - unter Bezug auf ein Schreiben des Verteidigers des Mitangeklagten vom 18. August 2009 und die darin enthaltene Darstellung des Gesprächs vom 17. August 2009 - auch darauf gestützt wird, die abgelehnten Richter hätten die Verfahrensbeteiligten über den Inhalt des beanstandeten Gesprächs falsch bzw. unvollständig informiert, dringt die Rüge im Ergebnis ebenfalls nicht durch. Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass sich die dienstlichen Erklärungen der Richter (und der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft) nicht zu der Behauptung des Beschwerdeführers verhalten, die Staatsanwältin habe bei dem beanstandeten Gespräch als Reaktion auf den Strafvorschlag der Verteidiger des Mitangeklagten (zwei Jahre elf Monate Freiheitsstrafe) abweichend von ihrer am 28. Juli 2009 geäußerten Strafvorstellung (drei Jahre elf Monate Freiheitsstrafe) erklärt, "für sie [sei] auf jeden Fall keine Strafe unter drei Jahren akzeptabel". Träfe diese Behauptung zu, stünde sie im Widerspruch zu der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden vom 18. August 2009, wonach auch am Vortag mit den Verteidigern des Mitangeklagten nur die bereits am 28. Juli 2009 gegenüber allen Verfahrensbeteiligten geäußerten Strafvorstellungen der Staatsanwaltschaft und der Strafkammer (für den Mitangeklagten drei Jahre elf Monate Freiheitsstrafe) besprochen worden seien. Aber selbst wenn die dienstliche Äußerung der Vorsitzenden in diesem Punkt unzutreffend oder zumindest unvollständig wäre, wäre dies aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht geeignet gewesen, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter bzw. die Vorsitzende der Strafkammer zu rechtfertigen. Denn die abgelehnten Richter und die Staatsanwältin haben in ihren dienstlichen Stellungnahmen übereinstimmend dargelegt, dass jedenfalls seitens der Strafkammer in dem Gespräch vom 17. August 2009 keine Bereitschaft erklärt worden ist, von den ursprünglich geäußerten Strafvorstellungen abzuweichen und sich etwaigen niedrigeren Strafvorschlägen der Staatsanwältin anzuschließen. Auch aus dem Schreiben des Verteidigers des Mitangeklagten vom 18. August 2009 ergibt sich lediglich, dass er die Bitte an die Strafkammer herangetragen habe "zu prüfen , ob eine Freiheitsstrafe von glatt drei Jahren seitens des Gerichts akzeptiert würde", nicht aber, dass sich die Mitglieder der Strafkammer zu diesem Strafvorschlag auch verhalten haben. Dass diese - wie in dem genannten Schreiben anklingt - bereits in eine Beratung darüber eingetreten seien, ob eine Strafe von drei Jahren nun doch "akzeptabel" sei, ist unter Berücksichtigung der dienstlichen Erklärungen nicht erwiesen. 2. Der Senat sieht sich veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen: Zwar ist es einem Richter auch nach den Vorschriften des am 4. August 2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBI I S. 2353) grundsätzlich nicht verwehrt, zur Förderung des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt aufzunehmen. Dabei hat er jedoch die gebotene Zurückhaltung zu wahren, um jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Dies gilt mit Blick auf einen möglichen Interessenwiderstreit in besonderem Maße, wenn Gespräche über eine verfahrensbeendende Absprache mit einem Angeklagten unter Ausschluss eines vom selben Tatkomplex betroffenen, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machenden oder die Tatvorwürfe bestreitenden Mitangeklagten geführt werden. In solchen Fallkonstellationen liegt es nahe, dass bei dem an dem Gespräch nicht beteiligten Mitangeklagten berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter aufkommen können , da aus seiner Sicht zu befürchten steht, dass auch auf Betreiben des Gerichts seine Tatbeteiligung hinter verschlossenen Türen und ohne seine Kenntnis mitverhandelt wird. Dieser verständlichen Besorgnis kann zuverlässig nur dadurch begegnet werden, dass Gespräche, die die Möglichkeit einer Verstän- digung zum Inhalt haben, auch außerhalb der Hauptverhandlung nur in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten oder offen in der Hauptverhandlung geführt werden. Gleichwohl sieht das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren keine Vorschrift vor, die Gespräche mit einzelnen Verfahrensbeteiligten außerhalb der Hauptverhandlung untersagt. Haben solche Erörterungen jedoch stattgefunden, muss der Vorsitzende auch bei einem ergebnislosen Verlauf und unabhängig davon, ob neue Aspekte im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO zur Sprache gekommen sind, hierüber in der Hauptverhandlung umfassend und unverzüglich unter Darlegung der Standpunkte aller beim Gespräch anwesenden Verfahrensbeteiligten informieren, da nur auf diese Weise von vorneherein jedem Anschein der Heimlichkeit und der hieraus entstehenden Besorgnis der Befangenheit vorgebeugt und dem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren Rechnung getragen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 1990 - 3 StR 121/89, BGHSt 37, 99, 104; Schlothauer in N/Sch/W, VerstG, 2010, § 243 Abs. 4 Rn. 12 f.).
Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 558/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur "Hemmschwellentheorie" bei Tötungsdelikten.
BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 - LG Saarbrücken
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafe, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe vor der Unterbringung.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) im gesamten Ausspruch über die verhängten Maßnahmen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Einzelausführungen zur Verneinung des Tötungsvorsatzes und zur Anordnung der Unterbringung in dem angefochtenen Urteil näher begründet; im danach verbleibenden Umfang hat ihre Revision Erfolg. Der Angeklagte erzielt mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg.

A.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
I. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten u.a. bereits wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: Am 8. Juni 2009 ordnete das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eine Erziehungsmaßregel und ein Zuchtmittel an. Der Angeklagte hatte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zweimal mit einem Schraubenzieher in den linken Mittelbauch des Geschädigten gestochen. Wegen einer etwa sechs Wochen nach dieser Ahndung begangenen (ersichtlich: vorsätzlichen) Körperverletzung verhängte das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn mit Strafbefehl vom 2. Oktober 2009 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Er hatte seine damalige Lebensgefährtin so lange gewürgt, bis diese Angst hatte zu ersticken; von ihr hatte er erst abgelassen, als sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sechs Tage vor dem hier abgeurteilten Angriff auf den Nebenkläger (nachfolgend zu Ziff. III.) stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein gegen den Angeklagten geführtes Ermittlungsverfahren mangels öffentlichen Interesses ein; der Angeklagte hatte einem Besucher der Saarbrücker Diskothek „ “ angedroht, er werde ihn „abstechen, wenn er herauskomme“.
4
Bei der konkreten Strafzumessung teilt das Landgericht mit, dass der Angeklagte sich darauf berufen habe, in sämtlichen Fällen von den Zeugen bewusst der Wahrheit zuwider belastet worden zu sein.
5
II. Am 12. Oktober 2010 befuhr der Angeklagte mit einem entliehenen und abredewidrig weiter genutzten Pkw Smart gegen 5.45 Uhr öffentliche Straßen in Saarbrücken, u.a. die Straße in Saarbrücken-St. Johann. Infolge seiner alkoholischen Beeinflussung – er wies bei der Tat einen Blutalko- holgehalt von mindestens 1,35 ‰ auf – verkannteer den Straßenverlauf und überfuhr ein Stopp-Schild. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Kleinbus des V. , der die vorfahrtberechtigte straße befuhr. An der Kreuzung Straße/ straße stieß der Angeklagte an ei- nen eisernen Begrenzungspfosten und riss diesen um; er kam mit dem von ihm gefahrenen, schwer beschädigten Fahrzeug erst auf einem angrenzenden Schulhof zum Stehen. Seine Fahrunsicherheit hätte er bei gewissenhafter Prüfung vor Antritt der Fahrt erkennen können.
6
III. In der Nacht zum 18. November 2010 beobachtete der Angeklagte in der Saarbrücker Diskothek „ “ einen Streit zwischen zwei ihm nicht näher bekannten Personen. Als der Nebenkläger diesen Streit schlichten wollte, mischte sich auch der Angeklagte in die Auseinandersetzung ein und geriet mit dem Nebenkläger in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beleidigungen; der Angeklagte schlug dem Nebenkläger ins Gesicht. Anschließend trennten die Türsteher die Streitenden. Etwa 20 Minuten später lebte die Auseinandersetzung vor der Diskothek erneut auf; nach weiteren wechselseitigen Beleidigungen schlug nunmehr der Nebenkläger dem Angeklagten ins Gesicht. Auch dieses Mal trennten die Türsteher die Streitenden. Nachdem man sich kurzzeitig in unterschiedliche Richtungen entfernt hatte, setzte der Nebenkläger dem Angeklagten nach und schlug ihm ein weiteres Mal ins Gesicht; im Rahmen der sich anschließenden Rangelei blieb der Angeklagte der körperlich Unterlegene. Ein drittes Mal trennten die herbeigeeilten Türsteher die Streitenden. Der Angeklagte entfernte sich. Der Nebenkläger begab sich in Begleitung eines Freundes zu einem Taxistand, an dem sich eine Gruppe von „Nachtschwärmern“ ver- sammelt hatte.
7
Nach etwa 15 Minuten kam der Angeklagte plötzlich hinter einer Ecke hervor. Er lief unmittelbar auf den Nebenkläger zu und stach seinem nichts ahnenden Opfer sofort von seitlich hinten kommend in den Rücken. Mit den Wor- ten „Verreck‘, du Hurensohn“ rammte er ihm ein 22 cm langesdoppelklingiges Messer mit einer Klingenlänge von 11 cm derart heftig in den Rücken, dass die achte Rippe des Opfers durchtrennt wurde und die Klinge anschließend noch in die Lunge eindrang. Der Nebenkläger sackte auf dem Boden zusammen. Es entwickelten sich tumultartige Zustände; der Begleiter des Nebenklägers brachte den Angeklagten zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug beim Angeklagten maximal 1,58 ‰.
8
Der Nebenkläger erlitt einen Hämatopneumothorax; es bestand akute Lebensgefahr. Ohne eine sofort durchgeführte Notoperation wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verstorben. Er leidet nach wie vor unter erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen.

B.


9
Die Revision des Angeklagten
10
I. Der Angeklagte hat mit seinem Revisionsangriff Erfolg, soweit er sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet.
11
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen die für die Annahme einer Tat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach all- gemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f., zu § 315 c StGB, und vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315 b StGB; vgl. weiter SSW-Ernemann, StGB, § 315 c Rn. 22 ff.).
12
Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angeklagten geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351), auch der Verkehrswert und die Höhe des Schadens an dem Begrenzungspfosten nicht festgestellt sind (vgl. OLG Stuttgart DAR 1974, 106, 107; OLG Jena OLGSt § 315 c StGB Nr. 16; zur maßgeblichen Wertgrenze s. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215), kommt es auf die Begegnung mit dem Kleinbus des V. an. Nach den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäben genügen die hierauf bezogenen Feststellungen des Landgerichts den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr nicht. Einen Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen wäre - also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen" (Senat, Urteile vom 30. März 1995 und vom 4. September 1995, jew. aaO) -, hat das Schwurgericht nicht mit Tatsachen belegt. Dass sich beide Fahrzeuge beim Querverkehr in enger räumlicher Nähe zueinander befunden haben, genügt für sich allein nicht. Insbesondere ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, dass es dem Angeklagten und V. etwa nur auf Grund überdurchschnittlich guter Re- aktion sozusagen im allerletzten Moment gelungen ist, einer sonst drohenden Kollision durch Ausweichen zu begegnen.
13
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs entzieht der hierwegen verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und den Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB die Grundlage.
14
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist „vollumfänglich“ der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, welche die negative Gefahrenprognose mit „seiner (des Angeklagten) offenkundigen sich steigernden Neigung zu körperlichen Übergriffen“ begründet hat.Im Rahmen der konkreten Strafzumessung teilt das Schwurgericht mit, dass es, nachdem der Angeklagte behauptet hatte, früherer Aggressionsdelikte bewusst wahrheitswidrig beschuldigt worden zu sein, „die Anträge der Verteidigung auf Sachverhaltsaufklärung aller vorheriger Verfahren zurückgewiesen“ und „lediglich die Warn- funktion der beiden Vorstrafen“ berücksichtigt hat. Danach findet die die Prog- nose tragende Erwägung in den getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
15
II. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
16
III. 1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zunächst die Verkehrssituation, in der sich die beiden beteiligten Fahrzeuge bei ihrer Annäherung im Vorfallszeitpunkt befanden, näher aufzuklären haben. Auch wenn an die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senat, Urteil vom 30. März 1995, aaO), wird sich der Tatrichter um nähere Ermittlung der von beiden Fahrzeugen im Vorfallszeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeiten, ihrer Entfernung zueinander, zur Beschaffenheit des Straßenverlaufs und der Kreuzung sowie der am Vorfallsort bestehenden Ausweichmöglichkeiten zu bemühen und das Ergebnis in einer Weise im Urteil darzulegen haben, die dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglicht, ob eine - wie beschrieben - konkrete Gefahr im Sinne eines "Beinahe -Unfalls" bereits vorlag.
17
2. Der neue Tatrichter wird auch die Einwendungen der revisionsführenden Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts gegen die Unterbringungsanordnung zu berücksichtigen haben.

C.


18
Die Revision der Staatsanwaltschaft
19
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
20
I. Das Rechtsmittel ist zulässig.
21
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) keinen Revisionsantrag gestellt. Sie hat bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die bereits in ihrer Einlegungsschrift vorgebrachte allgemeine Sachrüge erhoben. Diese – auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV widersprechende – Verfahrensweise ist in dem hier gegebenen Einzelfall aber unschädlich. Freilich hat der Bundesgerichtshof wie- derholt Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ohne Antragstellung lediglich mit der allgemeinen Sachrüge begründet waren, für unzulässig gehalten. Dies betraf jedoch Strafverfahren, in denen einem (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, bei Becker NStZ-RR 2004, 228) oder mehreren Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt oder in denen der Angeklagte teilweise freigesprochen worden war und die Angriffsrichtung des Rechtsmittels bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist unklar blieb (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288). So verhält es sich hier nicht: Gegenstand des von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Urteils sind lediglich zwei Taten; in der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist daher die Erklärung der revisionsführenden Staatsanwaltschaft zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 344 Rn. 3 m.w.N.).
22
2. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 12. September 2011 einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Mit ihren Einzelausführungen hat sie sodann jedoch lediglich gerügt, dass das Landgericht in dem oben unter A. III. geschilderten Fall zu Unrecht den Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat; außerdem hat sie die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beanstandet. Dies ist als Teilrücknahme gemäß § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 und vom 6. Juli 2005 – 2 StR 131/05) und führt dazu, dass der Schuldspruch wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, die dieserhalb verhängte Einzelstrafe und die Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB nicht (mehr) auf Revision der Staatsanwaltschaft zu überprüfen sind.
23
II. In dem vorgenannten Umfang erweist sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
24
1. Nach Auffassung des Schwurgerichts sprechen zwar nicht unerhebliche Gesichtspunkte für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz, nämlich insbesondere die erhebliche Wucht des von dem Ausspruch „Verreck‘, du Hurensohn“ begleiteten Messerstichs. Dagegenstehe indes die Tatsache, dass der Angeklagte lediglich einen Stich ausgeführt habe und darüber hinaus auch nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sei. „Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Hemmschwellentheorie sieht die Kammer im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an.“
25
2. Diese Beweiserwägungen halten – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, m.w.N.) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das Landgericht meinte, dem Angeklagten nicht wenigstens bedingten Tötungsvorsatz nachweisen zu können, ist lückenhaft und teilweise widersprüchlich.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
27
b) Diese Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Seinen knappen Ausführungen kann der Senat schon nicht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände entnehmen. Es wird darüber hinaus nicht erkennbar, ob das Schwurgericht bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
28
aa) Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel des Landgerichts auch am Wissenselement sprechen. Abgesehen davon jedoch, dass eine maximale Alkoholkonzentration von 1,58 ‰ bei dem zur Tatzeit trinkgewohnten Angeklagten keinen Anhalt für solche Zweifel begründet, leidet das angefochtene Urteil an dieser Stelle – wie der Generalstaatsanwalt in Saarbrücken zu Recht geltend macht – an einem inneren Widerspruch: Während die Alkoholisierung bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes als „nicht unerheblich“ bezeichnet wird, geht das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 64 StGB – in Übereinstimmung mit der gehörten Sachverständigen – von einer „lediglich geringe(n) Beeinträchtigung durch Alkohol“ aus. Auch bei der Prüfung verminderter Schuldfähigkeit gelangt das sachverständig beratene Landgericht „nicht zu der Annahme einer erheblichen Beeinflussung“ des Angeklagten. Es legt auch nicht dar, wieso die den Stich begleitende Bemerkung überhaupt Raum für Zweifel daran lässt, dass der Angeklagte, dem die Lebensgefährlichkeit des Messerstichs bewusst war (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs erkannt hat. Insgesamt ergeben sich aus den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, eine psychische Beeinträchtigung habe dem Angeklagten die Erkenntnis einer möglichen tödlichen Wirkung seines in den oberen Rückenbereich zielenden, in hohem Maße lebensgefährlichen Angriffs verstellt (vgl. zur Allgemeinkundigkeit dieses Umstands BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08 und zur Entbehrlichkeit medizinischen Detailwissens BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NStZ 2006, 444, 445).
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bb) Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 – 4 StR 109/05, NStZ-RR 2005, 372; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.). Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise –, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Mo- tivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, NStZ 2005, 92, vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11).
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Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der Lebensgefährlichkeit des Messerstichs ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1990 – 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24) darauf vertraut haben könnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1991 – 2 StR 333/90, NStE Nr. 27 zu § 212 StGB, und vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151). Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht insbesondere das Unterlassen weiterer Angriffe nicht gegen die Billigung des Todes. Nach dem Messerstich sackte der – nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen konkret lebensbedrohlich verletzte – Nebenkläger zu Boden; es ist schon nicht festgestellt, ob der Angeklagte davon ausging, ihn bereits tödlich verletzt zu haben, so dass es aus seiner Sicht weiterer Stiche nicht bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Außerdem brachte der Begleiter des Nebenklägers den Angeklagten mit Gewalt zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest; auch brach infolge der Tat ein Tumult aus. Danach liegt es nicht nahe, dass der Angeklagte überhaupt noch die Gelegenheit zu einem weiteren Messerstich auf sein am Boden liegendes Opfer hatte.
31
cc) Soweit das Landgericht sich ergänzend auf eine „Hemmschwellentheorie“ berufen hat, hat es deren Bedeutung für die Beweiswürdigung verkannt.
32
Es hat schon nicht mitgeteilt, was es darunter im Einzelnen versteht und in welchem Bezug eine solche „Theorie“ zu dem von ihm zu beurteilenden Fall stehen soll. Die bloße Erwähnung dieses Schlagworts wird vom Generalstaatsanwalt in Saarbrücken und vom Generalbundesanwalt daher mit Recht als „pauschal“ bzw. „formelhaft“ bezeichnet. Zwarhat auch der Bundesgerichtshof immer wieder auf die „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ hin- gewiesen (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; abl. z.B. Brammsen JZ 1989, 71, 78; Fahl NStZ 1997, 392; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 212 Rn. 15 f.; Geppert Jura 2001, 55, 59; SSW-StGB/Momsen § 212 Rn. 12; Paeffgen, FS für Puppe, 791, 797 Fn. 25, 798 Fn. 30; NKStGB /Puppe, 3. Aufl., § 212 Rn. 97 ff.; Rissing-van Saan, FS für Geppert, 497, 505 f., 510; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, 4. Aufl., § 12 Rn. 79 ff.; MünchKommStGB /Schneider § 212 Rn. 48 f.; SK-StGB/Sinn § 212 Rn. 35; Trück NStZ 2005, 233, 234 f.; Verrel NStZ 2004, 233 ff.; vgl. auch Altvater NStZ 2005, 22, 23), allerdings auch gemeint, in Fällen des Unterlassens bestünden „generell keine psychologisch vergleichbaren Hemmschwellen vor einem Tötungs- vorsatz“ (BGH,Urteil vom 7. November 1991 – 4 StR 451/91, NJW 1992, 583, 584; dazu Puppe NStZ 1992, 576, 577: „Anfang vom Ende der Hemm- schwellentheorie“).Für Fälle des positiven Tuns hat er an das Postulat einer Hemmschwelle anknüpfend weiter ausgeführt, dass selbst die offen zutage tretende Lebensgefährlichkeit zugefügter Verletzungen ein zwar gewichtiges Indiz, nicht aber einen zwingenden Beweisgrund für einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Täters bedeute, der Tatrichter vielmehr gehalten sei, in seine Beweiserwägungen alle Umstände einzubeziehen, welche die Überzeugung von einem Handeln mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 – 3 StR 569/97, NStZ-RR 1998, 101, vom 8. Mai 2001 – 1 StR 137/01, NStZ 2001, 475, 476, und vom 2. Februar 2010 – 3 StR 558/09, NStZ 2010, 511, 512);sachlich vergleichbar fordern andere Entscheidungen vom Tatrichter, immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen , dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut habe, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 – 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91, und vom 22. April 2009 – 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503; Urteil vom 25. März 2010 – 4 StR 594/09 m.w.N.). Wieder andere Entscheidungen verlangen „eine eingehende Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalles“ (BGH, Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 477/00, StV 2001, 572; ähnlich bereits BGH, Beschluss vom 27. November 1975 – 4 StR 637/75, VRS 50, 94, 95).
33
An den rechtlichen Anforderungen ändert sich indessen nichts, wenn die zur Annahme oder Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes führende Beweiswürdigung ohne Rückgriff auf das Postulat einer Hemmschwelle überprüft wird (BGH, Urteile vom 3. Juli 1986 – 4 StR 258/86, NStZ 1986, 549, 550, und vom 7. August 1986 – 4 StR 308/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3 [jeweils: sorgfältige Prüfung], sowie vom 11. Dezember 2001 – 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541, 542 [Ausführungen zu einer Hemmschwelle bei stark alkoholisiertem Täter ohne Motiv nicht geboten]; ebenso für Fälle affektiv erregter, alkoholisierter , ohne Motiv, spontan oder unüberlegt handelnder Täter BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 563/86, StV 1987, 92, vom 7. Juli 1999 – 2 StR 177/99, NStZ 1999, 507, 508,und vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51; Urteil vom 14. November 2001 – 3 StR 276/01; Beschluss vom 2. Dezember 2003 – 4 StR 385/03, NStZ 2004, 329, 330; Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 465/04; Beschluss vom 20. September2005 – 3StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 30. August 2006 – 2 StR 198/06, NStZ-RR 2007, 43, 44 [zusätzlich gruppendynamischer Prozess], vom 18. Januar 2007 – 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142, und vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 3 StR 398/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369).
34
Im Verständnis des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die „Hemmschwellentheorie“ somit in einem Hinweis auf § 261 StPO (BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 2 StR 615/83, StV 1984, 187, Beschluss vom 27. Juni 1986 – 2 StR 312/86, StV 1986, 421, Urteile vom 22. November 2001 – 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315, vom 23. April 2003 – 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603, 604, und vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, NStZ 2009, 210, 211: jeweils sorgfältige Prüfung; vgl. weiter BGH, Urteil vom 25. November 1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; Beschlüsse vom 19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, NStZ 1994, 585, und vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339; Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 531/10, NStZ 2011, 210, 211; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 48: „prozessuale Selbstver- ständlichkeit“).Der Bundesgerichtshof hat demgemäß immer wieder hervorgehoben , dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 – 3 StR 493/90) in der praktischen Rechtsanwendung nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH, Urteile vom 24. März 1993 – 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, vom 12. Januar 1994 – 3 StR 636/93, NStE Nr. 33 zu § 212 StGB, vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51, und vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372), auch nicht bei Taten zum Nachteil des eigenen Kindes (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 305). Zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements bedarf es vielmehr in jedem Einzelfall tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (BGH, Urteile vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04, vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04, NStZ 2006, 98, 99, vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640, und vom 16. Oktober 2008 aaO; Trück aaO S. 239 f.). Daran fehlt es hier (vgl. vorstehend unter bb).
35
Der Hinweis des Landgerichts auf eine „Hemmschwellentheorie“ entbehrt somit jedes argumentativen Gewichts. Im Übrigen hätte das Schwurgericht sich – von seinem Standpunkt aus – damit auseinander setzen müssen, dass schon der festgestellte Handlungsablauf, nämlich das wuchtige und zielgerichtete Stechen eines Messers aus schnellem Lauf in den Rücken eines ahnungslosen Opfers, das Überwinden einer etwa vorhandenen Hemmschwelle voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Auch ist eine erhebliche Alkoholisierung (oder ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses) nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet, eine etwa vorhandene Hemmschwelle auch für äußerst gefährliche Gewalthandlungen herabzusetzen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ- RR 2010, 214, 215; NK-StGB/Puppe, 3. Aufl., § 15 Rn. 93; Rissing-van Saan, aaO, S. 515; Roxin, aaO, Rn. 81; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 50; Trück aaO S. 238; Verrel aaO S. 311).
36
dd) Nach alledem kann der Senat offen lassen, ob die zusammenfassende Bemerkung des Landgerichts, es sehe „einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an“, nicht auf eine Überspannung der Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung hindeutet. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob hier nicht – etwa im Blick auf die den Messerstich begleitende Äußerung des Angeklagten – die Annahme direkten Tötungsvorsatzes näher liegt.
37
3. Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers. Nach den bisherigen Feststellungen liegt die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch nicht nahe (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 536/10, NStZ 2011, 209).
38
III. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung , weil ein versuchtes Tötungsdelikt hierzu in Tateinheit stünde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; Beschluss vom 27. Juni 2000 – 4 StR 211/00). Dies entzieht der hierwegen verhängten Einzelfreiheitsstrafe , der Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst teilweisem Vorwegvollzug der Gesamtstrafe die Grundlage.
39
IV. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs zum Tötungsvorsatz ab. Er legt ihr vielmehr die sog. Hemmschwellentheorie in dem in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Verständnis zu Grunde (vgl. oben C. II. 2. b) cc).
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin