Bundesgerichtshof Urteil, 21. Feb. 2017 - 1 StR 296/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:210217U1STR296.16.1
bei uns veröffentlicht am21.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Bedeutung des kommunalrechtlichen Spekulationsverbots für die Pflichtwidrigkeit
im Sinne von § 266 StGB bei dem Umgang mit haushaltsrechtlichen Bindungen unterliegendem
Vermögen.
BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 - 1 StR 296/16 - LG Regensburg
ECLI:DE:BGH:2017:210217U1STR296.16.1
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 296/16
vom 21. Februar 2017 in der Strafsache gegen

1.

2.



wegen Steuerhinterziehung u.a.

ECLI:DE:BGH:2017:210217U1STR296.16.0
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 25. Januar 2017 in der Sitzung am 21. Februar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer, Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 -, Staatsanwältin - bei der Verkündung am 21. Februar 2017 - als Vertreter der Bundesanwaltschaft, der Angeklagte S. persönlich - in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 -, Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 - als Verteidiger des Angeklagten S. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 - als Verteidiger des Angeklagten G. , Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 20. Oktober 2015 wird das Verfahren eingestellt (§ 260 Abs. 3 StPO), soweit der Angeklagte G. wegen Steuerhinterziehung und der Angeklagte S. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt worden sind (Fall A.II. der Urteilsgründe); insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil werden der Angeklagte S. vom Vorwurf der Untreue und der Angeklagte G. vom Vorwurf der Beihilfe hierzu (Fall A.II. der Urteilsgründe) auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte S. vom Vorwurf der Untreue in 160 Fällen freigesprochen worden ist (Fall B.IV. der Urteilsgründe).
4. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden kostenpflichtig verworfen.
5. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Geld- strafe von 60 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt und ihn vom Vorwurf der Untreue in 160 Fällen freigesprochen.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
3
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer insoweit zugunsten der Angeklagten eingelegten Revision, dass die als Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung abgeurteilten Taten nicht Gegenstand der Anklage gewesen seien. Darüber hinaus begehrt sie mit ihrer Revision die Verurteilung des Angeklagten S. wegen Untreue und des Angeklagten G. wegen Beihilfe zur Untreue sowie die Aufhebung der Freisprechung des Angeklagten S. und dessen Verurteilung wegen Untreue in 160 Fällen.
4
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben teilweise, die der Angeklagten vollen Erfolg.

I.


5
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte S. bis zum Jahr 2003 Vorstandsvorsitzender der V. - und B.
(nachfolgend: V. ), einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Er führte deren Geschäfte und vertrat sie nach außen. Danach war er bis Mitte 2008 Vorsitzender des Verwaltungsrats. Der Verwaltungsrat war für die Überwachung der Tätigkeit des Vorstands und für die Entscheidung über bestimmte Grundlagengeschäfte zuständig. Der Angeklagte S. befasste sich auch als Verwaltungsratsvorsitzender weiter mit den finanziellen Angelegenheiten der V. .
6
2. Zu Fall A.II. der Urteilsgründe hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen.
7
a) Die BS. GmbH war ein Kommunalunternehmen des Zweckverbands. Geschäftsführer war der Angeklagte S. . Im Oktober 1998 schloss die BS. GmbH mit der K. GmbH, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Angeklagte G. war, einen Beratungsvertrag mit erfolgsabhängiger Bezahlung ab. Am 25. Februar 2003 vereinbarten die V. , die BS. GmbH und die K. GmbH, dass für im Rahmen des Beratungsvertrags abzuschließende Finanztermingeschäfte der V. bei der H. bank ein sich am Mindesttransaktionswert in Höhe von 5,133 Millionen € orientierendes Erfolgshonorar als vereinbart gilt.
8
Am 15. März 2005 wurden 118.620 € von einem Konto der V. bei der H. bank auf ein Konto des Angeklagten G. überwiesen. Dadurch wurde ein aus der Honorarvereinbarung vom 25. Februar 2005 resultierender Anspruch der K. GmbH befriedigt.
9
Am 23. März 2005 führte der Angeklagte G. mit dem Verwaltungsmitarbeiter F. ein Telefonat. Darin besprachen sie, dass die Zahlung der 118.620 € als Darlehen der V. an G. gewertet, als Forderung gegen Dritte in die Bilanz der V. eingestellt und Ende 2006/Anfang 2007 mit der Gesamtforderung der K. GmbH verrechnet werden solle, die V. aber von der K. GmbH keine Rechnung erhalten solle. Nach Rück- überweisung von 20 € wurden 118.600 € in der Bilanz der V. für das Jahr 2005 und für die Folgejahre als Darlehen erfasst.
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Um es dem Angeklagten G. zu ermöglichen, den Erhalt von 118.600 € vor dem Finanzamt zu verheimlichen und die bei der K. GmbH anfallende Umsatzsteuer für das von der V. bezahlte Honorar nicht abführen zu müssen, beschlossen die Angeklagten im Jahr 2006, zum Schein einen Vertrag zu schließen, mit dem auf die Rückzahlung des „Darlehens“ wegen Uneinbringlichkeit verzichtet wurde. In dem auf den 31. August 2006 datierten , von dem Angeklagten G. entworfenen und von beiden Angeklagten – vom Angeklagten S. im Namen der V. – unterzeichneten Vertrag wurde Stillschweigen über den Vertragsinhalt vereinbart. Im Jahr 2009 wurde das Darlehen in der Bilanz der V. als uneinbringlich ausgebucht.
11
Wie zwischen den Angeklagten vereinbart, stellte die K. GmbH keine Honorarforderung in Höhe der am 18. März 2005 überwiesenen 118.620 €.
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Um Steuern zu verkürzen, gab der Angeklagte G. bei der nach dem 5. September 2006 abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldung für den maßgeblichen Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum entweder überhaupt keinen Umsatz an, gab gar keine Erklärung ab oder aber einen um 118.600 € brutto niedrigeren Umsatz, obwohl ihm bekannt war, dass er auch diesen Um- satz in voller Höhe anzugeben hatte. Das zuständige Finanzamt setzte deshalb eine um 16.358,62 € zu niedrige Steuer fest.
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Dem Angeklagten S. war bei Zeichnung der Verträge vom 31. August 2006 und 5. September 2006 bewusst, dass diese Vorgehensweise dazu diente, den Umsatz in Höhe von 118.600 € brutto dem zuständigen Finanzamt nicht offen zu legen.
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b) Das Landgericht hat in seiner rechtlichen Würdigung ausgeführt, dieses Verhalten der Angeklagten erfülle nicht den Tatbestand der Untreue bzw. der Beihilfe zur Untreue (§§ 266, 27 StGB), sondern den der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 AO, § 27 StGB).
15
aa) Der Angeklagte S. habe zwar eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB für die Vermögensinteressen der V. gehabt, aber weder pflichtwidrig gehandelt noch sei bei der V. ein Vermögensnachteil eingetreten.
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Durch die Überweisung der 118.620 € sei die Forderung der K. GmbH in gleicher Höhe erloschen. Soweit auf den Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag verzichtet worden sei, läge bereits deshalb keine Untreue vor, da es sich nicht um ein Darlehen gehandelt habe. Der Verzicht sei somit ins Leere gegangen, so dass es an einem pflichtwidrigen Handeln des Angeklagten fehle. Die Deklarierung der Zahlung an die K. GmbH als Darlehen und auch der anfänglich gegenüber der V. nicht offen gelegte „Verzicht“ auf diese Forderung seien zwar pflichtwidrig gewesen, aber hierdurch sei kein Nachteil eingetreten. Eine falsche Buchführung allein begründe keinen Nachteil. Eine unberechtigte erneute Inanspruchnahme der V. durch die K. GmbH sei nicht zu befürchten gewesen; ihre Verteidi- gungsposition sei mit Blick auf die ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel – den Zeugen F. , den Darlehensvertrag und das Schreiben des Angeklagten G. an den Angeklagten S. vom 14. März 2015 – nicht erschwert worden.
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bb) Die Kammer hat den Angeklagten G. jedoch der Steuerhinterziehung und den Angeklagten S. der Beihilfe hierzu schuldig gesprochen.
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(1) Die Verfahrensvoraussetzung einer zugelassenen Anklage liege auch bei den Steuerdelikten vor.
19
Die hinsichtlich des Angeklagten G. angeklagte Beihilfe zur Untreue und die abgeurteilte Steuerhinterziehung bzw. die hinsichtlich des Angeklagten S. angeklagte Untreue und die abgeurteilte Beihilfe zur Steuerhinterziehung seien eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO. Zwar enthalte die unverändert zugelassene Anklage nichts zu den (unterlassenen) Angaben des Angeklagten G. bei der auf die Vereinbarung vom 5. September 2006 folgenden Umsatzsteuervoranmeldung. Das Unterlassen von Angaben gegenüber den zuständigen Finanzbehörden habe aber mit dem in der Anklage beschriebenen – nach Ort und Zeit konkretisierten – Abschluss des Verzichtsvertrags vom 31. August 2006 und dem Vertrag vom 5. September 2005 eine Tat im prozessualen Sinne gebildet; mit dem Abschluss dieser Verträge hätten die Angeklagten bezweckt, den Erhalt der Zahlung in Höhe von 118.620 € zu verheimlichen. Der Abschluss des Verzichtsvertrags sei für den Angeklagten S. die Beihilfehandlung zu der vom Angeklagten G. begangenen Steuerhinterziehung gewesen, so dass eine Verknüpfung des tatbestandsmäßigen Verhaltens gegeben sei. Eine solche liege auch hinsichtlich der abgeurteilten Steuerhinterziehung des Angeklagten G. vor, da die Feststellung der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht ohne Untersuchung der Umstände getroffen werden könne, die zur Auszahlung des vor den Finanzbehörden verheimlichten Betrags und in der Folge zum Abschluss der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Angeklagten geführt hätten, die Gegenstand der Anklage gewesen seien. Eine getrennte Würdigung erschiene als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs.
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(2) Die Strafverfolgung sei auch nicht verjährt, da die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 370 Abs. 1 AO, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB durch Anordnung der schriftlichen Vernehmung des Angeklagten S. am 9. Juli 2010 und des Angeklagten G. am 8. Februar 2011 gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB unterbrochen worden sei. Die Unterbrechungshandlung erfasse die Tat im prozessualen Sinne.
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3. In Fall B.IV. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten S. von dem Vorwurf der Untreue in 160 Fällen gemäß § 266, § 263 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 53 StGB freigesprochen. In der Anklageschrift war dem Angeklagten S. zur Last gelegt worden, in der Zeit vom 28. Juli 2005 bis zum 20. Oktober 2008 als Vorsitzender des Verwaltungsrats derV. 160 Wertpapiergeschäfte getätigt und dadurch insgesamt Vermögen der V. in Höhe von 82.638.662,70 € gefährdet zu haben. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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a) Im Jahr 1999 nahm die V. im Zusammenhang mit baulichen Investitionen Kredite bei der C. bank in Höhe von rund 25,6 Millionen € auf und investierte davon rund 23 Millionen € in den eigens von der C. bank aufgelegten V. -Cofonds. Dieser Fonds wurde von der C. invest verwaltet und setzte sich aus festverzinslichen Wertpapieren sowie Aktien deutscher Unternehmen zusammen. Ziel war es, eine über die Kreditzinsen hinausgehende Rendite zur Finanzierung insbesondere von Baumaßnahmen der V. zu erwirtschaften.
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Der Angeklagte war nicht nur Vorsitzender des Verwaltungsrats, sondern auch Mitglied eines anlässlich der Auflage des Cofonds gegründeten Anlageausschusses. Der Anlageausschuss war für die Verwaltung des Fonds nebst dessen Umschichtung eigenverantwortlich zuständig.
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Der Angeklagte traf alle wichtigen finanziellen Entscheidungen beim Abwasserzweckverband bzw. dessen Unternehmen einschließlich der Aktiengeschäfte und der Zinssicherungs- und Zinsoptimierungsgeschäfte, kümmerte sich um die finanziellen Angelegenheiten der V. und trat gegenüber der C. bank als deren einziger Ansprechpartner und Bevollmächtigter in Finanzangelegenheiten auf.
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Als die Renditeerwartungen nicht erreicht wurden, entnahm der Angeklagte im Jahr 2005 in zwei Tranchen Fondsanteile in Höhe von rund 5 Millio- nen € und investierte diesen Betrag je nach Marktlage in – zum Teil hochspeku- lative – Wertpapiere.
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Den Entnahmen ging ein Beratungsgespräch mit Mitgliedern des Anlagenausschusses und Mitarbeitern der C. bank voraus. Gesprächsgegenstand waren die Erhöhung der Rendite bei überschaubaren Risiken, eine Risikostreuung, Aktienanleihen und festverzinsliche Wertpapiere. Etwa einen Monat nach diesem Gespräch wurde das Depot eröffnet und wurden Anlagegeschäfte abgeschlossen, darunter Standardtitel, aber auch Aktien- bzw. Indexanleihen und Währungsoptionsgeschäfte.

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Die Aktienanleihen waren überwiegend hinsichtlich Laufzeit und Zinssatz individuell für die V. konzipierte Anlagen, die nicht an der Börse emittiert wurden. Die Gewinnmarge der C. bank betrug zwischen 0,25 und 0,5 % für die erbrachten Dienstleistungen. Der Angeklagte ließ sich jeweils vor der Kaufentscheidung von dem Anlageberater D. beraten und zeigte bei den Geschäften eine mittlere Risikobereitschaft.
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Im Zuge der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 kam es zu sinkenden Kursen. Im Jahr 2009 verkaufte die V. die noch vorhandenen Wertpapiere auf Druck des Landratsamts R. als zuständiger Aufsichtsbehörde.
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b) Das Landgericht hat in der rechtlichen Würdigung dargelegt, dass ein Missbrauch einer Verfügungs- bzw. Verpflichtungsbefugnis im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB ausscheide, weil das kommunale Unternehmen gemäß Art. 90 Abs. 1 Satz 2 BayGO und § 9 Abs. 4 der Unternehmenssatzung der V. vom Vorstand nach außen vertreten werde. Der Angeklagte sei lediglich Verwaltungsratsvorsitzender gewesen und habe damit zu den Tatzeitpunkten keine Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis gehabt. Er sei jedoch gegenüber der V. einer Vermögensbetreuungspflicht unterlegen, weil ihm alle wichtigen Entscheidungen in finanziellen Angelegenheiten anvertraut gewesen seien.
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Diese Treuepflicht habe der Angeklagte nicht verletzt; denn die Wertpapiergeschäfte hätten nicht gegen das allgemeine Spekulationsverbot der Kommunen verstoßen. Den Kommunen sei es durchaus erlaubt zu spekulieren, soweit sie kein unnötiges Risiko eingingen und ein Bezug zu gemeindlichen Aufgaben bestehe. Wann ein Finanzgeschäft gegen das Spekulationsverbot verstoße, könne nur für jedes Geschäft einzeln beantwortet werden und sei Ergebnis einer Abwägung aus den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Bei der Umsetzung dieser Verfahrensmaximen verfügten die Gemeinden über einen Handlungs- und Beurteilungsspielraum, den der Angeklagte nicht überschritten habe. Der Angeklagte habe nur einen Teil in Höhe von 5 Millionen € des in dem Cofonds befindlichen gesamten Volumens von 23 Millionen € verwendet. Er habe in Standardtitel wie Si. , Da. , I. , M. , De. Post, T. , A. , E. und Kr. investiert und die jeweilige Anlageentscheidung auf Empfehlung der C. bank getroffen. Die Wertpapiergeschäfte hätten einen Zusammenhang mit baulichen Investitionen des Zweckverbandes und der Verminderung der damit einhergehenden Schulden aufgewiesen.
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Durch den Abschluss der Wertpapiergeschäfte sei der V. kein Nachteil entstanden. Die Wertpapiere seien zu dem jeweiligen Börsenpreis, bei Fehlen eines solchen, zum Marktwert gekauft worden, so dass zum Verfügungszeitpunkt ein Gegenwert in Höhe des weggegebenen Vermögensbestandteils zurückgeflossen sei und es sich deshalb um ein wirtschaftlich ausgeglichenes Geschäft gehandelt habe.
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Da das Wertpapier zum Zeitpunkt des Kaufs auch problemlos sofort zum Kaufpreis wiederverkauft habe werden können, habe auch kein Gefährdungsschaden vorgelegen.
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Die von der C. bank erhobene Marge stelle ebenfalls keinen Nachteil dar. Das jeweilige Wertpapier sei speziell für die V. konzipiert worden. Es seien nicht vermeidbare und übliche Vermittlungsgebühren, weil solche Geschäfte bei einer Bank abgewickelt werden müssten. Die V. habe zudem in Form der Vermittlung der Wertpapiere eine Dienstleistung der Bank erhalten.
II. Verfahrenshindernis
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Die Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen auf die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Angeklagten führt zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses (§ 260 Abs. 3 StPO), soweit die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt worden sind. Diese Taten waren nicht Gegenstand der Anklage; eine Nachtragsanklage nach § 266 StPO wurde nicht erhoben.
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1. Die unverändert zugelassene Anklage legte dem Angeklagten S. Untreue zum Nachteil der V. zur Last, weil er dem Angeklagten G. auf dessen Wunsch im Namen der V. einen Privatkredit über 118.620 € gewährt und schließlich im Namen der V. auf dessen Rückzahlung wegen Uneinbringlichkeit verzichtet haben soll. Dem Angeklagten G. wurde wegen der von ihm in diesem Zusammenhang entfalteten Tätigkeit Beihilfe zur Untreue vorgeworfen.
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Die als Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung abgeurteilten Taten waren nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Es handelt sich vielmehr im Verhältnis zur angeklagten Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue um eine andere Tat im Sinne des § 264 StPO.
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2. Der prozessuale Tatbegriff umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Den Rahmen der Untersuchung bildet also zunächst das tatsächliche Geschehen, wie es die Anklage beschreibt. Dabei kommt es im Einzelfall darauf an, ob zwischen den zu beurteilenden Verhaltensweisen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung eine so enge innere Verknüpfung besteht, dass eine getrennte Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde. Eine solche Verknüpfung muss sich jedoch aus den Ereignissen selbst ergeben; sie wird nicht allein dadurch begründet,dass eine Handlung zum besseren Verständnis der gesamten Umstände in der Anklageschrift erwähnt wird (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 5 StR 412/95, NStZ 1996, 563, 564 mwN). Für die Beurteilung, ob ein bestimmtes tatsächliches Geschehen Teil der prozessualen Tat ist, lassen sich über das Vorgenannte hinaus kaum generalisierbare Kriterien angeben; maßgeblich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 5 mwN).
38
Auf der Grundlage dieses in erster Linie an den von der Anklage erfassten faktischen Verhältnissen orientierten prozessualen Tatbegriffs ist die Steuerhinterziehung nicht Gegenstand der mit der Anklageschrift vom 12. April 2012 dort unter Ziffer 2. angeklagten Tat gewesen. Die Anklage umfasst den Zeitraum zwischen dem 14. März 2005 und dem 31. August 2006 und schildert im Anklagesatz ein Geschehen, das mit dem Bemühen des Angeklagten G. um die Gewährung eines Kredits eingeleitet wird und mit dem Verzicht vom 31. August 2006 sein Ende findet. Das „wesentliche Ergebnis der Ermittlungen“, auf das zur Konkretisierung der angeklagten Tat zurückgegriffen werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – 4 StR 433/09, wistra 2010, 219 f. mwN), enthält zu einer möglichen Steuerhinterziehung ebenfalls nichts.
39
Nach den Urteilsgründen liegt die abgeurteilte Steuerhinterziehung zeitlich nach diesem Zeitraum. Weder im Anklagesatz noch im wesentlichen Ermittlungsergebnis finden sich Hinweise darauf, dass das Geschehen um die Gewährung des Darlehens und den Verzicht vom 31. August 2006 auf dessen Rückzahlung auch ein steuerstrafrechtlich tatbestandsmäßiges Verhalten zum Nachteil des Fiskus durch eine unterlassene oder unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung beim zuständigen Finanzamt mit der Folge einer Steuerverkürzung oder Steuervergütung sein könnte. Nach den für die Beurteilung des einheitlichen Lebensvorgangs maßgeblichen Kriterien der Identität des Geschädigten, des Tatortes sowie der Tatzeit liegt der abgeurteilte Sachverhalt außerhalb des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstands.
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Eine so enge innere Verknüpfung zwischen der angeklagten Untreue bzw. der Beihilfe hierzu und der abgeurteilten Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe hierzu, dass eine getrennte Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde, ist nicht vorhanden. An die Untreue knüpft die Umsatzsteuerhinterziehung zum Vorteil der K. GmbH nur insoweit an, als die Untreue den Umsatz erzeugt, aus dem später ein steuerlicher Vorteil gezogen werden soll. Eine nach der Lebensauffassung untrennbare Einheit bilden beide Vorgänge aber nicht. Der Tatbegriff des § 264 StPO knüpft an einen bestimmten historisch abgrenzbaren Lebensvorgang an und nicht an das strafbare Verhalten eines Täters, das dieser in verschiedenen Handlungsvorgängen hinsichtlich eines Tatobjektes begangen haben kann (BGH, Urteil vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 64). Die Untreue und die Steuerhinterziehung sind nach Ort, Zeit, Tatumständen und hinsichtlich des verletzten Rechtsguts derart gegeneinander abgegrenzt, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise keinen einheitlichen geschichtlichen Geschehensablauf darstellen.

41
Für einen inneren Zusammenhang reicht es nicht aus, dass die Steuerhinterziehung möglicherweise als zusätzliches Indiz für eine Untreue herangezogen werden könnte. Eine einheitliche Tat im Sinne des § 264 StPO wird bei sachlich-rechtlich mehreren selbstständigen Handlungen nicht schon dadurch geschaffen, dass eine Handlung zum Beweis der Täterschaft bei einer anderen dient oder dass sie aus sonstigen Gründen, etwa zum besseren Verständnis, in der Anklage miterwähnt wird (BGH, Urteil vom 5. November 1969 – 4 StR 519/68, BGHSt 23, 141, 146).
42
3. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass verjährungsunterbrechende Maßnahmen wegen des Tatvorwurfs der Untreue allein nicht geeignet sind, die Verjährung im Hinblick auf eine mögliche Steuerhinterziehung wirksam nach § 78c StGB zu unterbrechen; denn auch insoweit ist zu beachten, dass es sich nicht um einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang im prozessrechtlichen Sinne handelt.

III. Revisionen der Staatsanwaltschaft
43
1. Fall A.II. der Urteilsgründe:
44
Soweit die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des mit den Honoraransprüchen der K. GmbH zusammenhängenden Geschehens eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen Untreue und des Angeklagten G. wegen Beihilfe hierzu erstrebt, bleiben ihre Rechtsmittel erfolglos.
45
Die Strafkammer hat auf der Grundlage ihrer insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Tatbestand der Untreue nicht als erfüllt angesehen. Sie ist rechtsfehlerfrei im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die am 15. März 2005 erfolgte Überweisung in Höhe von 118.620 € auf das Konto des Angeklagten G. ein aus der Honorarvereinbarung vom 25. Februar 2003 resultierender Anspruch der K. GmbH befriedigt worden ist, es sich also bei der erst nachträglich als „Darlehen“ deklarierten Zahlung nicht umein Darlehen, sondern um eine Zahlung auf eine tatsächlich bestehende Honorarforderung der K. GmbH gehandelt hat. Der an einen nicht bestehenden Anspruch auf Rückzahlung eines (nicht existenten) Darlehens anknüpfende Verzicht auf die Rückzahlung und die entsprechende falsche Deklaration als Darlehen ist damit für die Prüfung des Untreuevorwurfs ohne Belang. Die fehlende Erfassung der Tilgung der Honorarforderung der K. GmbH in Buchführung bzw. Bilanz der V. ist im Sinne des § 266 StGB unschädlich, da eine unberechtigte Inanspruchnahme des Honorarschuldners auf Grund der von der Strafkammer dargelegten Beweislage nicht zu befürchten war.
46
2. Fall B.IV. der Urteilsgründe:
47
Die zum Nachteil des Angeklagten S. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit er wegen des Vorwurfs der Untreue in 160 Fällen freigesprochen worden ist. Dem Revisionsgericht ist aufgrund der unzureichenden Feststellungen in den Urteilsgründen die Prüfung verwehrt, ob die vom Angeklagten S. abgeschlossenen Finanzgeschäfte den kommunalrechtlichen Haushaltsgrundsätzen widersprachen und der Angeklagte deshalb bei seinen Entscheidungen seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat.
48
a) Zwar hat das Landgericht zutreffend eine Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten gegenüber der V. bejaht.
49
Eine Vermögensbetreuungspflicht ist gegeben, wenn den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft, im Rahmen derer ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird, so dass er ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zugreifen kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 9. November 2016 – 5 StR 313/15, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 55 und vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschlüsse vom 1. April 2008 – 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f.; vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f. und vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, NJW 2016, 3253, jeweils mwN).
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Dem Angeklagten S. waren nach den Urteilsfeststellungen auch als Verwaltungsratsvorsitzender die finanziellen Angelegenheiten der V. übertragen. Er traf alle wichtigen finanziellen Entscheidungen des Abwasserzweckverbands , trat gegenüber der C. bank als dessen einziger Ansprechpartner und Bevollmächtigter in Finanzangelegenheiten auf und tätigte für ihn Aktien-, Zinssicherungs- und Zinsoptimierungsgeschäfte. Ihm waren alle wichtigen Entscheidungen in finanziellen Angelegenheiten anvertraut.
51
Damit oblag es ihm, im Rahmen seiner Tätigkeit die Finanzwirtschaft des Zweckverbands gemäß den gesetzlich geregelten Haushaltsbestimmungen selbstständig zu führen und alle für eine geordnete Finanzwirtschaft erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
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b) Es fehlt aber an Feststellungen, die den Senat in die Lage versetzen, die untreuestrafrechtliche Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Angeklagten S. zu überprüfen.
53
aa) Verstöße gegen haushaltsrechtliche Vorgaben und Prinzipien können eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB darstellen (vgl. BGH, Urteile vom 1. August 1984 – 2 StR 341/84, NStZ 1984, 549; vom 7. November 1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990; vom 21. Oktober 1994 – 2 StR 328/94, BGHSt 40, 287; vom 4. November 1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293 und vom 14. Dezember 2000 – 5 StR 123/00, NJW 2001, 2411; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 259; LK-StGB/Schünemann, 12. Aufl., § 266 Rn. 236).
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bb) Bei dem Maßstab der Pflichtwidrigkeit, der an den Umgang mit kommunal- und haushaltsrechtlicher Bindung unterliegendem Vermögen anzulegen ist, gelten hier folgende Rahmenbedingungen:
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Nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 KommZG sind auf den Zweckverband die für Gemeinden geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Die Gemeinden sind nach Art. 28 Abs. 2 GG und den jeweiligen Gemeindeordnungen der Bundesländer dazu befugt und angehalten, in Ausübung ihrer Selbstverwaltungsgarantie alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Dies bedeutet insbesondere auch, dass sie ihre Finanzwirtschaft unter Beachtung der gesetzlich geregelten Haushaltsbestimmungen selbstständig zu führen und alle für eine geordnete Finanzwirtschaft erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben. Demgemäß bestimmt Art. 22 Abs. 2 Satz 1 BayGO, dass die Gemeinden das Recht haben, ihr Finanzwesen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen selbst zu regeln.

56
Weitere Vorschriften der BayGO legen sodann die Grenzen der kommunalen Finanzwirtschaft fest. Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayGO hat die Gemeinde ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist sicherzustellen, eine Überschuldung ist zu vermeiden. Nach Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayGO haben die Gemeinden die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu planen und zu führen. Nach Art. 61 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayGO hat die Gemeinde bei der Führung der Haushaltswirtschaft finanzielle Risiken zu minimieren; ein erhöhtes Risiko liegt vor, wenn besondere Umstände, vor allem ein grobes Missverhältnis bei der Risikoverteilung zu Lasten der Gemeinde, die Gefahr eines erheblichen Vermögensschadens begründen. Nach Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayGO ist bei Geldanlagen auf eine ausreichende Sicherheit zu achten; sie sollen einen angemessenen Ertrag bringen.
57
Daraus folgt, dass der Gemeinde allein der Gewinnerzielung dienende Finanzgeschäfte nicht gestattet sind; denn Finanzgeschäfte einer Gemeinde dürfen nur ihrer Aufgabenerfüllung dienen (Morlin, NVwZ 2007, 1159 mwN; Weck/Schick, NVwZ 2012, 18, 20). Insofern unterliegen die Gemeinden einem Spekulationsverbot, das sich als Teilaspekt des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit darstellt (Morlin, NVwZ 2007, 1159; Bader/Wilkens, wistra 2013, 81, 83 mwN; Weck/Schick, NVwZ 2012,18, 20).
58
c) Auf dieser kommunalrechtlichen Grundlage konkretisiert sich der Maßstab der Sorgfaltspflicht, den ein kommunaler Entscheidungsträger bei Abschluss eines Finanzgeschäfts zu beachten hat, wie folgt:
59
aa) Ein Finanzgeschäft einer Kommune muss einen sachlichen und zeitlichen Bezug (sachliche und zeitliche Konnexität) mit einem konkret vorhandenen oder aktuell neu abgeschlossenen Kreditvertrag – dem Grundgeschäft – dergestalt haben, dass das mit dem Grundgeschäft verbundene Risiko durch das Finanzgeschäft in einer angemessenen Weise abgesichert oder optimiert wird. Der verantwortliche Entscheidungsträger der Kommune handelt beim Abschluss eines solchen Geschäfts dann pflichtwidrig, wenn es entweder überhaupt keinen Bezug zum Grundgeschäft hat oder nicht geeignet ist, genau dessen Risiken abzusichern oder wenn es nach Höhe und Dauer (Betrags- und Laufzeitkongruenz) dem Grundgeschäft – in der Regel ein Darlehen – nicht entspricht. Dies ist für jedes Finanzgeschäft einzeln zu prüfen. Die Zinsbelastungen mehrerer Kreditverträge können zusammengefasst werden; nach dem Grundsatz der Konnexität muss aber auch dann ein nachweisbarer, sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den zu Grunde liegenden Krediten und dem Derivat bestehen (sog. lockere Konnexität im Gegensatz zur strengen Konnexität, bei der Deckungsgleichheit zwischen einem speziellen Grundgeschäft und dem Zinsgeschäft der Höhe und der Laufzeit nach vorliegt, Gehrmann/Lammers KommJur 2011, 41, 43; Kirchner wistra 2013, 418). Der erforderliche sachliche Bezug hängt von der konkreten Beschaffenheit der Risiken des Grundgeschäfts ab. Geschäfte, die bestehende finanzielle Risiken nicht abdecken oder zumindest minimieren, dienen nicht der Zinssicherung oder Zinsoptimierung.
60
Zinsbezogene Finanzgeschäfte für erst künftig geplante, noch nicht abgeschlossene Kreditgeschäfte kommen nicht in Betracht (vgl. Weck/Schick, NVwZ 2012,18, 20).
61
Wird mit dem Geschäft bezweckt, die sich aus dem Grundgeschäft ergebenden finanziellen (Zinsänderungs-)Risiken abzusichern bzw. zu optimieren, muss sich die Laufzeit des Finanzgeschäfts an der des Grundgeschäfts orientieren. Einer Laufzeit des Finanzgeschäfts, die über die Restlaufzeit des abzusichernden Kredits hinausgeht, fehlt insoweit die erforderliche Zweckbindung kommunalrechtlicher Haushaltswirtschaft (vgl. Weck/Schick, NVwZ 2012, 18,

20).


62
bb) Trotz bestehender Konnexität ist ein Finanzgeschäft dann spekulativ und sein Abschluss als pflichtwidrig einzustufen, wenn das Risiko des Kapitalverlustes die Chance des Kapitalgewinns deutlich übersteigt, also keine günstige Relation zwischen angestrebtem Zweck und dafür eingesetzten Mitteln besteht und dadurch die kommunale Aufgabenbindung und -erfüllung nicht unerheblich gefährdet wird (Morlin, NVwZ 2007, 1159 mwN; Lammers, NVwZ 2012, 12, 14; Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 45). Dies kann bei hochspekulativen Wertpapieren der Fall sein.
63
cc) Ein Finanzgeschäft darf auch dann nicht abgeschlossen werden, wenn die Abwägungsentscheidung infolge von Informationsdefiziten oder Mängeln bei der Sachverhaltserfassung nicht richtig erfolgen konnte (Lammers, NVwZ 2012, 12, 14 mwN). Die Gemeinden müssen sich vor Abschluss eines Geschäfts eine ausreichende Informationsgrundlage verschaffen – u.U. durch eine Nachfrage bei den Aufsichtsbehörden – und eine sorgfältige Risikoanalyse vornehmen. Verlässt sich der Entscheidungsträger allein auf die Angaben der ihn beratenden Bank, die ein Eigeninteresse an ihren Analysen und dem Verkauf ihrer Produkte hat, kann dies schon – zumindest objektiv – eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht indizieren.

64
dd) Die Entscheidung für das Finanzgeschäft darf nicht auf Erwägungen beruhen, die der kommunalrechtlichen Haushaltswirtschaft fremd sind. Sachfremd ist der Abschluss von Finanzgeschäften zur Gewinnerzielung (Lammers, NVwZ 2012, 12, 14 mwN).
65
ee) Haben die zur Aufsicht berufenen Stellen konkrete Anweisungenzu Art und Höhe des Geschäfts, Mindestkonditionen, Geschäftspartner etc. erteilt, dürfen diese nicht zu Gunsten einer Chance auf höhere Kostenreduzierung missachtet werden (Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 45 f.).
66
ff) Ein Indiz für die Pflichtwidrigkeit einer Entscheidung ist das Umgehen der zur Aufsicht berufenen Stellen.
67
Hält sich der Entscheidungsträger bei seiner Entscheidung an diese Grenze, ist das Geschäft unabhängig von seinem Ausgang nicht pflichtwidrig (Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 45).
68
d) Die Feststellungen des Landgerichts ermöglichen keine Überprüfung, ob sich der Angeklagte S. an diesen Maßstab gehalten hat und es deshalb bereits an der (objektiven) Pflichtwidrigkeit fehlt. Die Feststellungen beschränken sich darauf, dass die V. im Jahr 1999 „im Zusammenhang mit baulichen Investitionen Kredite bei der C. bank“ aufnahm und „davon rund 23 Millionen € in den eigens von der C. bank aufgelegten V. - Cofonds, der von der C. invest verwaltet wurde und der sich aus festverzinslichen Wertpapieren sowie Aktien deutscher Unternehmen zusammensetz- te“, investierte, um „eine über die Kreditzinsen hinausgehende Rendite zur Finanzierung insbesondere von Baumaßnahmen der V. zu erwirtschaften.
[…]. Als die Renditeerwartungen nicht erreicht wurden, entnahm der Angeklagte S. im Jahr 2005 in zwei Tranchen Fondsanteile in Höhe von rd. fünf Millionen € und investierte […] in Wertpapiere.“
69
Hatten die den 160 Wertpapiergeschäften vorausgehenden Finanzgeschäfte die erforderliche Konnexität, fehlen dem Urteil Feststellungen dazu, dass die 160 Wertpapiergeschäfte, die nun neben Aktien auch Aktien- und Indexanleihen sowie Währungsoptionsgeschäfte umfassten und bei denen der Angeklagte S. nach den Feststellungen eine mittlere Risikobereitschaft zeigte, ihrerseits nach Betrag, Laufzeit und Bedingungen geeignet waren, die Risiken der zu Grunde liegenden Finanzgeschäfte abzusichern.
70
Auch zu einer etwaigen Einbindung der Aufsichtsbehörden lässt das Urteil Feststellungen vermissen. Offen ist auch, ob sich der Angeklagte S. vor Annahme der jeweiligen Angebote der C. bank eine ausreichende Informationsgrundlage verschafft hatte. So handelte es sich bei dem V. -Cofonds um einen eigens von der C. bank aufgelegten Fonds, der von der C. bank (C. invest) verwaltet wurde. Die jeweilige Anlageentscheidung wurde auf Empfehlung der C. bank getroffen und die Aktienanleihen waren individuell für die V. konzipierte und nicht an der Börse gehandelte Anleihen.
71
Ein (objektiv) pflichtwidriges Handeln des Angeklagten S. und ggf. dessen sich auf die Pflichtwidrigkeit beziehender Vorsatz – zu dessen Prüfung das Landgericht keine Veranlassung hatte, weil es schon eine Verletzung des Spekulationsverbots und damit eine Pflichtwidrigkeit verneinte – kann auf dieser Grundlage nicht überprüft werden. Das angefochtene Urteil war daher bezüglich des Freispruchs des Angeklagten S. vom Vorwurf der Untreue in 160 Fällen mit den insoweit zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO).

IV. Revisionen der Angeklagten
72
1. Die von den Angeklagten erhobenen Rügen einer Verletzung von § 275 StPO entsprechen nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher unzulässig. Es wird jeweils nicht mitgeteilt, wann das Urteil zu den Akten gebracht (§ 275 Abs. 1 Satz 1 StPO) worden, also zur Geschäftsstelle gelangt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 1 StR 317/07 und vom 21. April 2015 – 1 StR 555/14, NStZ-RR 2015, 257 f.). Bei dem am 20. Oktober 2015 verkündeten Urteil war das am 22. Dezember 2015 der Fall, wie sich aus dem auf der letzten Seite des Urteils gemäß § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO angebrachten Vermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ergibt (SA Bd. 3, S. 804). Dies hätten die Beschwerdeführer im Wege der Akteneinsicht ohne weiteres feststellen können.
73
2. Die auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten haben insoweit Erfolg, als die Strafkammer rechtsfehlerhaft vom Vorliegen einer einheitlichen prozessualen Tat ausgegangen ist und deshalb im Hinblick auf den Vorwurf der Untreue bzw. der Beihilfe zur Untreue im Zusammenhang mit den Honoraransprüchen der K. GmbH von einem Freispruch abgesehen hat. Dieser ist durch den Senat nachzuholen; insoweit bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
V. Hinweise zu Fall B.IV. der Urteilsgründe
74
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zu Fall B.IV. der Urteilsgründe auf Folgendes hin:
75
1. Es wird zu prüfen sein, ob der Angeklagte subjektiv die mögliche Pflichtwidrigkeit seines Handelns erkannt hat. In diesem Zusammenhang bedarf es zur Feststellung des darauf bezogenen Vorsatzes einer umfassenden Würdigung. Der Täter muss nämlich nicht nur die zugrundeliegenden Tatsachen kennen, sondern auch in seiner Laiensphäre das Element nachvollzogen haben (Raum in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl., S. 291 ff.; in der Sache ebenso BGH, Urteil vom 9. November 2016 – 5 StR 313/15, wistra 2017, 153, 158 Rn. 64 f.; in diese Richtung auch bereits Beschluss vom 5. September 2012 – 1 StR 297/12, wistra 2013, 20, 21 Rn. 11 sowie Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, wistra 2015, 311, 317 Rn. 34 [insoweit in BGHSt 60, 94, 111 nicht abgedruckt]; anders – nicht tragend – BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 531 [insoweit in BGHSt 50, 331 ff. nicht abgedruckt]). Für die Frage, ob der Angeklagte im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit gehandelt hat, hat ganz entscheidenden indiziellen Charakter, ob und in welcher Weise die Aufsichtsbehörden informiert und sich zu den Investitionen gestellt haben. In diesem Zusammenhang ist neben den aufsichtsbehördlichen Richtlinien auch die Entscheidungspraxis der Gerichte zu beachten, weil sie das Bewusstsein des Angeklagten hinsichtlich der (möglichen) Pflichtwidrigkeit geprägt haben können. Umgekehrt kann es für das Vorliegen des Vorsatzelements sprechen, wenn er sich in Zweifelsfragen gar nicht an die Aufsichtsbehörden gewandt oder deren Maßgaben ignoriert hat. Für die Feststellung der subjektiven Pflichtwidrigkeit spielen deshalb auch die Erlasse der Innenverwaltung eine wesentliche Rolle.
76
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat sich auf Grund des verstärkten Engagements der Kommunen auf dem Finanzmarkt veranlasst gesehen, die Regierungen mit Schreiben vom 8. November 1995 (IB4-1513. 1-2; vgl. auch KommunalPraxis BY Nr. 2/96, S. 57) ausdrücklich auf das Spekulationsverbot und die sich daraus ergebenden rechtlichen Schranken für den Gebrauch derivativer Finanzierungsinstrumente hinzuweisen und gebeten, die Rechtsaufsichtsbehörden und Kommunen bei Bedarf entsprechend zu beraten.
77
Die erteilten Hinweise hat das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Rundschreiben vom 14. September 2009 (IB4-1513.1-2) aktualisiert und in der Folgezeit mit weiteren Bekanntmachungen ergänzt (Bekanntmachung vom 10. März 2010 [IB4-1512.5-9] und vom 15. Februar 2012 [IB4-1512.5-9]).
78
Ähnliche Hinweise, sog. „Derivaterlasse“, sind auch in anderen Bundes- ländern ergangen (vgl. Lammers, NVwZ 2012, 12 Fn. 44; Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41 Fn. 18-20).
79
Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 27. Oktober 2010 (9 U 148/08, WM 2010, 2169, 2177 ff.) unter Hinweis auf den Derivaterlass des Innenministeriums von Baden-Württemberg vom 17. August 1998 betont, dass Wesensmerkmal des kommunalrechtlichen Spekulationsverbots das Erfordernis einer „Grundgeschäftsbezogenheit“ von Finanzierungsgeschäften sei. Zulässige zinsbezogene Derivatgeschäfte seien deshalb nur solche Geschäfte, bei denen noch nicht abgesicherte Zinsänderungsrisiken durch das Derivatgeschäft als selbstständiges Rechtsgeschäft abgesichert würden oder solche, die durch ein selbstständiges Rechtsgeschäft ein allgemeines wirtschaftliches Risiko – wie das Risiko der künftigen Zinsentwicklung – abdecken oder minimieren sollten („Zinsoptimierungsgeschäfte“).
80
2. Sollte sich ein pflichtwidriges Handeln des Angeklagten S. ergeben, muss dieses zu einem Nachteil für das Vermögen des Zweckverbands geführt haben.
81
Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 7. September 2011 – 2 StR 600/10 Rn. 8, NStZ 2012, 151 f.; Beschlüsse vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62 und vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, NStZ 2017, 32, 36 Rn. 34). Dabei kann ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, dass dies bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 221 ff.; BGH, Beschlüsse vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62 mwN und vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, NStZ 2017, 32, 36 Rn. 34), etwa weil im Tatzeitpunkt schon aufgrund der Rahmenumstände die sichere Erwartung besteht, dass der Schadensfall auch tatsächlich eintreten wird (BGH, Beschlüsse vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325 Rn. 90 und vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, NStZ 2017, 32, 36 Rn. 34 mwN).
82
Der Vermögensnachteil ist eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62 mwN) und gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen zu beziffern.
83
Einen entsprechenden Sachverständigenbeweis hatte die Staatsanwaltschaft (wie sich aus ihrer zulässigen Verfahrensrüge ergibt) mit ihrem Antrag erstrebt. Sie hatte zum Beweis der Tatsache, dass durch 160 Wertpapierkäufe das Vermögen der V. konkret gefährdet worden sei, die Beauftragung eines Sachverständigen mit einem Gutachten zur konkreten Feststellung des Ausfallrisikos , des Wahrscheinlichkeitsgrads einer Gewinnerzielung dieser Wertpapiere sowie die anschließende Ermittlung ihrer Werthaltigkeit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beantragt.
84
Dieser Antrag war entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts ein Beweisantrag, weil er die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache und die Benennung eines Sachverständigen als bestimmtes Beweismittel enthielt, mit dem der Nachweis der benannten Beweistatsachen geführt werden soll und diese dem Sachverständigenbeweis zugänglich waren. Bei der Ermittlung der Werthaltigkeit eines Wertpapiers unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf Grundlage der Höhe des konkreten Ausfallrisikos sowie des Wahrscheinlichkeitsgrads einer Gewinnerzielung handelt es sich um eine dem Beweis – unter Bemühung finanzmathematischer Berechnungen bzw. betriebswirtschaftlicher Bewertungskriterien – zugängliche Tatsache. Aus dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Gutachten über das jeweilige Ausfallrisiko hätten sich voraussichtlich auch nähere Erkenntnisse über die bei den einzelnen Wertpapiergeschäften eingegangenen Risiken und eine Antwort auf die Frage ergeben, ob die vom Angeklagten S. getroffenen Anlageentscheidungen noch mit den für die V. gültigen haushaltsrechtlichen Grundsätzen vereinbar waren.
85
3. Steht ein Vermögensschaden fest, sind zum subjektiven Tatbestand der Untreue Feststellungen und eingehende Erörterungen, insbesondere zum Vorsatz in Bezug auf den Vermögensnachteil, erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 – 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715).
Raum Graf Jäger
Radtke Fischer

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 220/09 vom 13. September 2010 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja StGB § 266 Abs. 1 BetrVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 EStG § 4 Abs. 5 Nr. 10 1. Eine nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt.

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2016 - 5 StR 313/15

bei uns veröffentlicht am 09.11.2016

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 4 StR 163/16

bei uns veröffentlicht am 16.08.2016

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2015 - 1 StR 555/14

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2019 - 1 StR 427/18

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2018 - 1 StR 194/18

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Referenzen

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist

1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.

(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 415/12
vom
18. Dezember 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
1. Ein nach § 145a Satz 1 StGB tatbestandsmäßiger Weisungsverstoß setzt eine
hinreichend bestimmte Weisung voraus. Maßgeblich dafür ist allein der durch das
Vollstreckungsgericht festgelegte Inhalt.
2. Versäumt der Verurteilte bei einer Meldeweisung die Vorstellung bei seinem Bewährungshelfer
innerhalb des gerichtlich festgelegten Meldezeitraums, liegt ein Weisungsverstoß
selbst dann vor, wenn mit dem Bewährungshelfer Termine außerhalb
dieses Zeitraums abgesprochen waren.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - 1 StR 415/12 - LG Passau
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
18. Dezember 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. a) Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 12. März 2012 insoweit mit den Feststellungen aufgehoben, als der Angeklagte vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung/Nötigung freigesprochen worden ist.
b) Die weitergehende Revision wird verworfen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Passau - Strafrichter - zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und ihm dem Grunde nach eine Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft zugesprochen.
2
1. Diesem war mit der Anklage vorgeworfen worden, in dem Zeitraum zwischen August und Oktober 2010 in drei Fällen gegen Weisungen während der Führungsaufsicht verstoßen und tatmehrheitlich eine besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Lasten der Nebenklägerin, der Zeugin A. , begangen zu haben. Im Einzelnen war ihm Folgendes zur Last gelegt worden:
3
a) Das Amtsgericht Leipzig hatte den Angeklagten im Jahre 2003 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. In Bezug auf die nach Vollverbüßung eintretende Führungsaufsicht habe das Landgericht Landshut eine Dauer von fünf Jahren angeordnet und in dem entsprechenden Beschluss dem Angeklagten die strafbewehrte Weisung erteilt, sich einmal monatlich zwischen dem 10. und 28. eines jeden Monats bei seinem Bewährungshelfer zu melden. Gegen diese ihm bekannte Weisung habe der Angeklagte in drei Fällen verstoßen, indem er die für August 2010 und für den 29. September 2010 vereinbarten Termine nicht eingehalten habe und einem für den 6. Oktober 2010 abgesprochenen Termin unentschuldigt ferngeblieben sei.
4
b) In dem Zeitraum vom 1. Dezember 2010, 18.00 Uhr, und 2. Dezember 2010, 2.00 Uhr, habe sich die geschädigte Zeugin A. in der Wohnung des Angeklagten in Pocking aufgehalten. Als dieser die Zeugin zu küssen versuchte, sie ihn jedoch wegzustoßen vermochte, habe der Angeklagte sie anschließend auf den Boden geworfen, sich auf sie gesetzt, ihr den Mund zugehalten und ihr gedroht, sie umzubringen. Unmittelbar danach habe der Angeklagte die Zeugin mit wenigstens einer Hand am Hals gewürgt, so dass diese keine Luft bekommen habe. Als die Zeugin sich gegen den Angeklagten zur Wehr setzen wollte, habe dieser mit der Faust auf ihr Auge geschlagen, um ih- ren Widerstand zu brechen. Sodann habe er der Zeugin die Jeans und den Slip aus- sowie seine Hose und Unterhose bis zu den Knien heruntergezogen.
5
Unter der Einwirkung der vorherigen Drohung und Gewaltanwendung habe der Angeklagte dann gegen den Widerstand der Zeugin den Vaginalverkehr mit dieser ausgeführt und dabei die von ihr erlittenen erheblichen Unterleibsschmerzen billigend in Kauf genommen. Nachdem die Zeugin zunächst der Aufforderung, seinen Penis in den Mund zu nehmen, nicht nachgekommen sei, habe der Angeklagte die Wangen der Zeugin gewaltsam so zusammengedrückt , dass diese den Mund öffnen musste und er sein Geschlechtsteil in deren Mund schieben konnte. Anschließend habe er den Oralverkehr ausgeführt. Die Zeugin A. habe durch das Vorgehen erhebliche Verletzungen im Bereich der Schamlippen und der Vagina sowie Hämatome im Gesicht, am Hals und im Körperbereich einschließlich eines Monokelhämatoms am linken Auge, eine Jochbeinfraktur und Würgemale am Hals erlitten.
6
2. Die Kammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
7
a) Bezüglich der nach voll verbüßter Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen Vergewaltigung eingetretenen Führungsaufsicht ordnete die zuständige Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 2. April 2009 eine Dauer von fünf Jahren an. Das Strafvollstreckungsgericht erteilte dem Angeklagten zudem die Weisung, sich einmal monatlich jeweils zwischen dem 10. und 28. eines Monats bei dem zuständigen Bewährungshelfer zu melden. Eine solche Meldung fand in den Monaten August, September und Oktober 2010 nicht statt; der Angeklagte hielt die vereinbarten Vorsprachetermine bei seiner Bewährungshelferin nicht ein. Die versäumten Termine waren auf den 29. September und 6. Oktober 2010 festgelegt worden. Ab Oktober kam der Angeklagte den Gesprächsterminen mit seiner Bewährungshelferin wieder nach. Es kam nicht zu Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten, der zudem Kontakt zu dem für ihn zuständigen Sachbearbeiter im sog. HEADSProgramm bei der KPI Passau hielt (Fall II.2.a. des Urteils).
8
b) Im Hinblick auf den Vorwurf der Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. konnte die Strafkammer lediglich feststellen, dass diese sich für einen nicht näher bekannten Zeitraum am 1. und 2. Oktober 2010 in der Wohnung des Angeklagten aufhielt. Jedenfalls vor 2.00 Uhr am 2. Oktober 2012 (richtig: 2010; insoweit handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler im tatrichterlichen Urteil) war die Zeugin (wieder) in der Wohnung des Angeklagten und verließ diese kurz nach 2.00 Uhr erneut. Bei dem Verlassen wies sie blutende Gesichtsverletzungen auf. Der Angeklagte verständigte gegen 2.15 Uhr selbst die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums in Straubing und wies in dem Telefonat auf die erheblichen Verletzungen der Zeugin hin, deren Ursache er sich nicht erklären könne. Die daraufhin entsandten polizeilichen Einsatzkräfte trafen A. in der Wohnung des Zeugen S. an. Die Zeugin wies Schwellungen, Hautrötungen und Hautabschürfungen im Gesicht auf. Zudem hatte sie ein Monokelhämatom um das linke Auge und eine Jochbeinfraktur erlitten. Ihr Hals wies ebenfalls Hautrötungen, oberflächliche Hautdefekte und -abschürfungen auf. Weitere ähnliche Hautverletzungen fanden sich im Bereich des Rückens sowie an den Außen- und Innenseiten der Oberschenkel. Zudem hatte die Zeugin einen kleineren Schleimhautdefekt im Bereich der rechten großen Schamlippe sowie einen weiteren solchen Defekt im Scheidenvorhofbereich erlitten.
9
Nach dem Eintreffen der Polizei hatte die Zeugin A. auf die Frage eines der eingesetzten Beamten, ob der Angeklagte sie geschlagen und vergewaltigt habe, angegeben, dieser sei der Verursacher ihrer Gesichtsverletzungen (Fall II.2.b. des Urteils).
10
3. a) Das Tatgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (§ 145a StGB) auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Es fehle an der für die Tatbestandsmäßigkeit erforderlichen Gefährdung des Zwecks der Maßregel.
11
b) Der Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung und Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. ist dagegen aus tatsächlichen Gründen erfolgt. Die Strafkammer hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Vergewaltigungs- und Körperverletzungshandlungen begangen hat. Eine Täterschaft des Angeklagten sei zwar angesichts der im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigten Indizien möglich. Aufgrund der erhobenen Beweistatsachen und Indizien verblieben aber so erhebliche Zweifel an der Verursachung der Verletzungen der Zeugin durch den Angeklagten , dass eine Verurteilung nicht in Betracht komme. Vieles spreche sogar für eine Tatbegehung durch einen anderen Täter, nämlich den Zeugen S. , der Frau A. auch bereits bei früheren Gelegenheiten misshandelt habe. Zudem habe der Zeuge einen auffälligen Belastungseifer gegenüber dem Angeklagten an den Tag gelegt, zumindest in Teilen falsch ausgesagt und versucht, die Zeugin A. von weiteren Zeugenaussagen vor Gericht abzuhalten.

12
c) Die Strafkammer hat aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen eine Verurteilung des Angeklagten auch insoweit für ausgeschlossen erachtet, als dieser selbst eingeräumt hat, der Zeugin A. im Anschluss an ein einvernehmlich durchgeführtes, aber letztlich mangels Erektion des Angeklagten erfolgloses Unterfangen, Vaginal- und Oralverkehr auszuführen, als Reaktion auf deren Bemerkung „Schlappschwanz“ eine Ohrfeige verabreicht zu haben. Insoweit fehlt es aus Sicht des Tatgerichts an den Verfolgungsvoraussetzungen des § 230 StGB. Im Übrigen sei es unklar, ob es tatsächlich zu der Ohrfeige gekommen sei. Die bloße entsprechende Einlassung des Angeklagten genüge für die Überzeugungsbildung nicht, weil für die Strafkammer völlig offen geblieben sei, was sich in der Tatnacht in der Wohnung des Angeklagten tatsächlich abgespielt habe.
13
Eine Verurteilung wegen Körperverletzung aufgrund dieser Ohrfeige komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die eingeräumte Ohrfeige nicht von der verfahrensgegenständlichen Tat i.S.v. § 264 Abs. 1 StPO erfasst sei. Maßgeblich für die prozessuale Tatidentität sei außer der örtlichen und zeitlichen Identität der tatsächlichen Geschehnisse auch die Wesensgleichheit des Sachund Unrechtskerns (Angriffsrichtung). Die fragliche Ohrfeige sei auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten aus einer völlig anderen Situation heraus entstanden, als der von der Anklage zugrunde gelegten.
14
4. Gegen den Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie erhebt drei Verfahrensrügen und wendet sich mit der Sachrüge insbesondere gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Entscheidung über die Zubilligung einer Entschädigung für die erlittene Untersuchungshaft dem Grunde nach greift sie mit der sofortigen Beschwerde an. Der Generalbundesanwalt vertritt die Revision, soweit diese sich mit der Sachrüge gegen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung (Fall II.2.b.) richtet.

II.

15
Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf der Körperverletzung/Nötigung durch eine der Zeugin A. verabreichte Ohrfeige wendet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
16
1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen der Verletzung von § 244 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 StPO sowie von § 261 StPO bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. Oktober 2012 ohne Erfolg.
17
2. Der Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a StGB (Fall II.2.a.) ist im Ergebnis nicht zu bestanden. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte zwar in den Monaten August, September und Oktober 2010 gegen die in dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 2. April 2009 angeordnete Weisung, Kontakt zu seinem zuständigen Bewährungshelfer zu halten, verstoßen. Es fehlt allerdings unter den gegebenen Verhältnissen an der von § 145a StGB geforderten Gefährdung des Zwecks der Maßregel.
18
a) Ein in § 145a Satz 1 StGB mit Strafe bedrohter Verstoß gegen eine Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht liegt vor, wenn der Betroffene das ihm auferlegte Verhalten nicht oder nicht vollständig erfüllt (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 145a Rn. 7; Roggenbuck, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 5, § 145a Rn. 13 mwN). Ein solcher Weisungsverstoß unterfällt aber nur dann dem objektiven Tatbestand, wenn die fragliche Weisung inhaltlich hinreichend bestimmt ist (OLG Dresden NStZ-RR 2008, 27; OLG München NStZ 2010, 218, 219; Groß, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 3, § 145a Rn. 9 mwN). Diesen Anforderungen genügt lediglich eine solche Weisung, die das von dem Betroffenen verlangte oder diesem verbotene Verhalten inhaltlich so genau beschreibt, wie dies von dem Tatbestand einer Strafnorm zu verlangen ist (Roggenbuck, aaO, § 145a Rn. 8). Ihm muss mit der Weisung unmittelbar verdeutlicht werden, was genau von ihm erwartet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2011 - 2 BvR 1165/11 bzgl. Weisungen nach § 56c StGB). Den Anforderungen an die Bestimmtheit der Weisung ist bei einer Meldeweisung wie hier auch dann genügt, wenn in dem anordnenden gerichtlichen Beschluss ein Zeitraum genannt ist, innerhalb dessen der Betroffene sich bei dem Bewährungshelfer zu melden hat. Die Festlegung des konkreten Termins innerhalb der in dem gerichtlichen Anordnungsbeschlussfestgelegten Periode (etwa „einmal im Monat“) kann dem Bewährungshelfer überlassen blei- ben (BVerfG aaO).
19
b) Nach den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in den Monaten August bis Oktober 2010 gegen die ihm durch die Strafvollstreckungskammer wirksam erteilte Weisung, „sich einmal monatlich jeweils zwischen dem 10. und 28. eines Monats bei dem zuständigen Bewährungshel- fer zu melden“, verstoßen.

20
aa) Die Nichtbefolgung dieser Weisung in den genannten Monaten ist tatbestandsmäßig i.S.v. § 145a Satz 1 StGB, obwohl die für den 29. September und den 6. Oktober 2010 mit der Bewährungshelferin abgesprochenen, vom Angeklagten aber versäumten Termine außerhalb des durch die Strafvollstreckungskammer bestimmten Zeitraums lagen. Maßgeblich für den Verstoß gegen eine wirksam erteilte Weisung ist lediglich die Nichtbefolgung des in dem gerichtlichen Beschluss verlangten oder verbotenen Verhaltens. Das nach § 145a Satz 1 StGB strafbare Verhalten wird im Sinne einer Blankettvorschrift erst durch den Inhalt der Weisung seitens des für deren Anordnung zuständigen Gerichts festgelegt. Die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG hängt angesichts dieser Struktur des § 145a StGB davon ab, dass die gerichtliche Weisung selbst inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Dies schließt es für Meldeweisungen aus, den im gerichtlichen Anordnungsbeschluss festgelegten Erfüllungszeitraum zur Disposition des Bewährungshelfers zu stellen. Abgesehen von den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes besteht auch keine gesetzliche Grundlage, die diesem eine inhaltliche Ausfüllung von Weisungen jenseits einer zulässigen Konkretisierung innerhalb der durch die gerichtliche Anordnung verbleibenden Spielräume (etwa die Festlegung des konkreten Vorsprachetermins im eröffneten Zeitraum) gestatten würde (vgl. BVerfG aaO).
21
bb) Der Angeklagte hat auch den Termin im August 2010 versäumt. Das Tatgericht hat zwar den für diesen Monat vereinbarten Termin nicht konkret festgestellt. Selbst wenn dieser aber für außerhalb des Zeitraums zwischen dem 10. und 28. August 2010abgesprochen gewesen sein sollte, verwirklichte das Unterbleiben einer Meldung des Angeklagten bei seiner Bewährungshelfe- rin im gerichtlich festgelegten Zeitraum nach dem Vorgenannten den objektiven Tatbestand von § 145a Satz 1 StGB.
22
c) Ob bei der Nichteinhaltung von Vorspracheterminen, die aufgrund einer Absprache mit dem zuständigen Bewährungshelfer außerhalb des in der gerichtlichen Anordnungsentscheidung bestimmten Zeitraums lagen, von einer vorsätzlichen Nichterfüllung einer Weisung ausgegangen werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn vorliegend fehlt es nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Tatgerichts jedenfalls an der Gefährdung des Maßregelzwecks. Von einer solchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich durch den Verstoß bzw. die Verstöße gegen die Weisung die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten erhöht hat (Roggenbuck, aaO, § 145a Rn. 18; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28. Mai 2008 - 1 StR 243/08, NStZ-RR 2008, 277; weitergehend Groß, aaO, § 145a Rn. 15). Hier schließt bereits der ununterbrochene Kontakt des Angeklagten zu dem für ihn zuständigen Polizeibeamten im Rahmen des in Bayern sog. HEADS-Programms die Annahme einer Gefährdung des Maßregelzwecks aus. Es kann daher offen bleiben, ob bereits aus einem Verstoß gegen bestimmte Weisungen eo ipso eine derartige Gefährdung resultieren kann (so Groß, aaO, § 145a Rn. 15).
23
3. Das angefochtene Urteil hält auch im Hinblick auf den Freispruch von dem Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung der Zeugin A. (Fall II.2.b.) insoweit stand, als die Strafkammer sich aus tatsächlichen Gründen nicht von der Täterschaft des Angeklagten im Hinblick auf die der Anklage zugrunde gelegten Körperverletzungsund Vergewaltigungshandlungen zu überzeugen vermochte.

24
a) Das Urteil genügt den von § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO gestellten Anforderungen an ein freisprechendes Urteil.
25
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des Angeklagten zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 41/11 Rn. 6; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - 1 StR 134/11 Rn. 12). Hierauf kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, wenn Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen überhaupt nicht möglich waren (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1996 - 1 StR 405/96, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12) oder bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen die Urteilsgründe ohne Feststellungen zum objektiven Sachverhalt ihrer Aufgabe gerecht werden, dem Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 14; BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 41/11 Rn. 6).
26
Diesen Erfordernissen genügt das Urteil trotz der nur wenigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen. Die Strafkammer hat zunächst in einer geschlossen Darstellung offen gelegt, von welchem äußeren Geschehensablauf in der Tatnacht sie ausgegangen ist. Dabei hat sie insbesondere diejenigen ob- jektiven Umstände, wie die Benachrichtigung der Polizei durch den Angeklagten selbst, die ersten Angaben der Zeugin A. gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten und die bei der Zeugin vorhandenen Verletzungen, zum Gegenstand ihrer Feststellungen gemacht, die durch andere Erkenntnisquellen als die Aussage der Zeugin A. und die Einlassung des Angeklagten geklärt werden konnten. Warum sich die Strafkammer gehindert gesehen hat, zu darüber hinausgehenden Feststellungen zu den Geschehnissen in der Wohnung des Angeklagten zu gelangen, ergibt sich aus der insoweit umfassenden und rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung der Kammer (siehe nachstehend II.3.b). Dass die Strafkammer mit Ausnahme des Anrufs des Angeklagten bei der Polizei und deren Eintreffen in der Wohnung des Zeugen S. selbst die zeitlichen Abläufe in der Tatnacht nicht näher hat feststellen können, begründet keinen Darstellungsmangel des Urteils. Aus der Beweiswürdigung kann der Senat in den rechtlichen Anforderungen genügender Weise die Gründe für das Fehlen der Möglichkeit erkennen, weitere Feststellungen zu treffen.
27
b) Auch die Beweiswürdigung als solche ist rechtsfehlerfrei.
28
aa) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Ge- samtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 - 1 StR 408/10 Rn. 15, vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 Rn. 9 und vom 7. November 2012 - 5 StR 322/12 Rn. 10).
29
bb) Nach diesen Maßstäben enthält die durch die Strafkammer vorgenommene Beweiswürdigung in Bezug auf die Tatvorwürfe der Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung keine Rechtsfehler.
30
Das Tatgericht hat sich ausführlich mit der Einlassung des Angeklagten, der wegen Ausbleibens einer Erektion letztlich erfolglose Versuche des einvernehmlichen Oral- und Vaginalverkehrs mit der Zeugin A. angegeben, die Vornahme der in der Anklageschrift zugrunde gelegten Gewalthandlungen zum Zwecke der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs aber in Abrede gestellt hat, auseinandergesetzt. Es hat diese Einlassung nicht lediglich isoliert auf Plausibilität untersucht, sondern auch überprüft, ob diese durch die weiteren erhobenen Beweise widerlegt werden kann.
31
Bei diesen Beweisen handelt es sich vor allem um die Aussagen der Zeugin A. , die bei dieser vorhandenen Verletzungen, das Spurenbild in der Wohnung des Angeklagten sowie dessen Verhalten nach dem fraglichen Geschehen, insbesondere seinen Anruf bei der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Straubing. Dabei hat das Tatgericht - sachverständig beraten - die Aus- sagen der Zeugin A. umfassend auf ihre Glaubhaftigkeit untersucht und in eine Gesamtwürdigung eingestellt. Innerhalb dessen sind die gewonnenen Erkenntnisse über die Persönlichkeit der Zeugin, ihr Aussageverhalten in früheren Verfahren, in denen sie zu Unrecht Personen sexueller Übergriffe auf sie bezichtigt hatte, sowie die Versuche des Zeugen S. , das Aussageverhalten der Zeugin zu beeinflussen, berücksichtigt worden. Die Strafkammer hat unter Vermeidung von Lücken oder Widersprüchlichkeiten in der Beweiswürdigung insbesondere die in der Person der Zeugin A. liegenden Besonderheiten hinsichtlich ihrer Aussagetüchtigkeit und der nur in sehr geringem Umfang vorhandenen Fähigkeit, tatsächliche Gegebenheiten, wie hier das eigentliche Kerngeschehen der von ihr angegebenen gewaltsamen Erzwingung des Geschlechtsverkehrs seitens des Angeklagten, sprachlich präzise zu beschreiben , sorgfältig bedacht.
32
Dass sich die Strafkammer auf dieser Grundlage nicht von der Täterschaft des Angeklagten in Bezug auf die zum Zwecke der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs mit der Zeugin A. vorgenommenen Verletzungshandlungen hat überzeugen können, ist revisionsrechtlich hinzunehmen. Denn es ist Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Entspricht diese tatrichterliche Bewertung den vorstehend genannten Maßstäben, ist es dem Revisionsgericht verwehrt, auf der Grundlage einer gegebenenfalls abweichenden Beurteilung der Bedeutung von Indiztatsachen in die Überzeugungsbildung des Tatrichters einzugreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326; BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12 Rn. 15).
33
4. Das Urteil enthält aber Rechtsfehler, soweit das Tatgericht den Angeklagten auch vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung/Nötigung hinsichtlich des von ihm selbst eingeräumten Verhaltens, der Zeugin A. aus Verärgerung eine Ohrfeige gegeben und sie durch ein „Packen“ am Hals aus der Wohnung geworfen zu haben, freigesprochen hat. Die Strafkammer hat hier zu Unrecht einer Verurteilung entgegenstehende rechtliche Gründe, nämlich das Fehlen der Verfolgungsvoraussetzungen nach § 230 Abs. 1 StGB sowie fehlende Verfahrensgegenständlichkeit des fraglichen tatsächlichen Geschehens, angenommen und zudem überspannte Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung gestellt.
34
a) Die Strafkammer war entgegen ihrer offenbar als Hilfserwägung eingenommenen Rechtsauffassung nicht aus Rechtsgründen an der Aburteilung des vorstehend geschilderten Geschehens gehindert.
35
aa) Die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige sowie das damit verbundene Geschehen des Hinausdrängens der Zeugin A. war von der prozessualen Tat (§ 264 StPO) erfasst, die materiell den Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Gegenstand hat. Entgegen der Auffassung des Tatgerichts war dieses daher nicht durch den Umfang der Kognitionspflicht (vgl. Radtke, in: Radtke/ Hohmann, StPO, 2011, § 264 Rn. 63 mwN) gehindert, den Angeklagten wegen (einfacher) Körperverletzung zu verurteilen. Im Gegenteil gebot die innerhalb des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss gebildeten Verfahrensgegenstandes bestehende umfassende Erkenntnispflicht des Gerichts gerade eine Aburteilung.
36
Wie das Tatgericht im rechtlichen Ausgangspunkt an sich zutreffend angenommen hat, ist die Tat im prozessualen Sinne (§§ 155, 264 StPO) der vom Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411). Zu dem von der Anklage und dem darauf bezogenen Eröffnungsbeschluss erfassten einheitlichen geschichtlichen Vorgang gehört dementsprechend alles, was mit diesem nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (BGH jeweils aaO). Für die Beurteilung, ob ein bestimmtes tatsächliches Geschehen Teil der verfahrensgegenständlichen Tat ist, lassen sich über das Vorgenannte hinaus kaum generalisierbare Kriterien angeben; maßgeblich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 13. November 1998 - StB 12/98, NJW 1999, 1413, 1414).
37
Auf der Grundlage dieses in erster Linie an den von der Anklage erfassten faktischen Verhältnissen orientierten prozessualen Tatbegriffs ist die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige Gegenstand der mit der Anklageschrift vom 4. März 2011 unter der dortigen Ziffer II. angeklagten Tat (§§ 155, 264 StPO) gewesen. Die Anklage ist in unveränderter Form durch Beschluss der Strafkammer vom 11. Juli 2011 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden. Sie umfasst den Zeitraum zwischen dem 1. Dezember 2010, 18.00 Uhr, sowie dem 2. Dezember 2010, 2.00 Uhr, und schildert in dem konkreten Anklagesatz ein Geschehen in der Wohnung des Angeklagten, das im Einzelnen bezeichnete Körperverletzungshandlungen zu Lasten der Zeugin A.
sowie gewaltsam erzwungenen Vaginal- und Oralverkehr mit dieser zum Gegenstand hat. Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte das Verabreichen der Ohrfeige während des von der Anklage umfassten Zeitraums in seiner Wohnung und zu Lasten von A. eingestanden. Wie die Strafkammer an sich nicht verkennt, liegt das eingeräumte straftatbestandsmäßige Verhalten nach den für die Beurteilung des einheitlichen Lebensvorgangs maßgeblichen Kriterien des Tatopfers und des Tatortes sowie der Tatzeit innerhalb des durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstandes.
38
Angesichts der für prozessuale Tatidentität sprechenden tatsächlichen Anhaltspunkte kann eine solche nicht durch das Abstellen auf normative Erwägungen , wie sie die Strafkammer mit dem Aspekt der „Angriffsrichtung“ angestellt hat, ausgeschlossen werden. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden , welche Bedeutung normativen Kriterien für die Bestimmung prozessualer Tateinheit überhaupt zukommen kann. Derartige Gesichtspunkte, wie etwa die „strafrechtliche Bedeutung des Vorgangs“, sind zwar in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelegentlich in die Beurteilung der Reichweite der prozessualen Tat einbezogen worden (etwa BGH, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 300). Deren Bedeutung erschöpft sich allerdings darin, als ein Aspekt im Rahmen der umfassenden Beurteilung der prozessualen Tatidentität nach Maßgabe des Einzelfalls herangezogen zu werden. Sprechen die für die Bestimmung der Reichweite des Verfahrensgegenstandes maßgeblichen tatsächlichen Momente des Lebenssachverhalts, wie die hier vorliegenden, für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat, kann die Heranziehung normativer Gesichtspunkte allein nicht dazu führen, entgegen dem sich durch die faktischen Verhältnisse ergebenden Bild eine einheitliche Tat i.S.v. § 264 StPO zu verneinen.

39
bb) Die gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Verfolgungsvoraussetzungen für eine Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB sind gegeben. Zwar hat die Zeugin A. keinen Strafantrag gestellt. Es ist aber seitens der Staatsanwaltschaft gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 StGB das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung erklärt worden. Selbst wenn man nicht bereits in der die gefährliche Körperverletzung zu Lasten der Zeugin umfassenden Anklage der Staatsanwaltschaft deren konkludente Erklärung bezüglich der in der Qualifikation des § 224 StGB enthaltenen (einfachen) Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) sehen wollte, hat diese in ihrer Revisionsbegründungsschrift eine solche Erklärung ausdrücklich abgegeben. Die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses kann auch noch in der Revisionsinstanz erfolgen (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 5 StR 346/11, StraFo 2012, 67).
40
b) Dem Vorstehenden entsprechend musste die Strafkammer ihre Kognitionspflicht auch auf das Tatgeschehen erstrecken, das die Ohrfeige und das Hinausdrängen der Zeugin zum Gegenstand hatte. Dem ist die Strafkammer an sich ungeachtet der von ihr angeführten rechtlichen Hinderungsgründe auch nachgekommen. Denn sie hat den Angeklagten wegen der Ohrfeige (auch) aus tatsächlichen Gründen nicht verurteilt, weil sie sich nicht vom Wahrheitsgehalt seines Geständnisses hat überzeugen können. Dabei hat sie aber die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannt.
41
Dazu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
42
„… sie verkennt, dass es keine forensische Erfahrung gibt, wonach bei einem Geständnis stets ohne weiteres mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 1 StR 208/12, juris Tz. 7). Anhaltspunkte, die geeignet wären, nachvollziehbare Zweifel am Wahrheitsgehalt der vom Angeklagten eingeräumten Tathandlungen zu begründen, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, zumal dieser die Vergewaltigung von Anfang an bestritten hat und das Teilgeständnis für ihn keine Besserstellung bedeutete. Zudem hat die Kammer unberücksichtigt gelassen, dass auch die Zeugin A. bestätigt hat, vom Angeklagten geschlagen worden zu sein. Die ‚Heranziehung weiterer Be- weismittel‘ (UA S. 85) war danach für die tatrichterliche Überzeu- gungsbildung nicht erforderlich. Die Einlassung des Angeklagten war - wovon das Landgericht an anderer Stelle selbst ausgeht (UA S. 11 ff.) - ohnedies bereits hinreichend plausibel …“.
43
Dem folgt der Senat.
44
5. Im Hinblick auf diesen Rechtsfehler war das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an ein neues Tatgericht zurück zu verweisen. Die Aufhebung beschränkt sich auf den Freispruch vom Vorwurf der (einfachen) Körperverletzung zu Lasten der Zeugin A. im Hinblick auf die von dem Angeklagten eingeräumte Ohrfeige, die er dieser nach dem Versuch des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs verabreicht haben will, sowie das damit in Zusammenhang stehende tatsächliche Geschehen. Dabei handelte es sich ausweislich der im Urteil wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten neben der Ohrfeige auch um das durch das Ergreifen der Zeugin am Hals bewirkte Hinausdrängen aus der Wohnung.
45
Die Voraussetzungen für eine Teilaufhebung des angefochtenen Urteils liegen vor. Eine solche ist bei mehreren materiell-rechtlich selbständigen Straftaten möglich (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276). So verhält es sich hier.
46
a) Die nach § 223 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßige Körperverletzung ist auf der Grundlage des in der Anklage bezeichneten tatsächlichen Geschehens in der Wohnung des Angeklagten einerseits und seiner Einlassung andererseits durch eine andere Handlung (i.S.v. §§ 52, 53 StGB) verwirklicht als die angeklagten Körperverletzungshandlungen. Während diese der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs gegen den Willen der Zeugin A. dienen sollten, hat der Angeklagte eine Körperverletzungshandlung eingeräumt, die zeitlichnach dem gescheiterten Versuch einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs erfolgte. Der Beweggrund, die Zeugin zu ohrfeigen, resultiert nach der Einlassung des Angeklagten aus deren provozierenden Äußerungen im Anschluss an die angestrebten geschlechtlichen Handlungen. Bei natürlicher Betrachtung stellt sich diese Körperverletzung damit materiell-strafrechtlich als eine andere Handlung dar als die angeklagten Körperverletzungshandlungen.
47
b) Die Annahme von materiell-rechtlicher Handlungsmehrheit (§ 53 StGB) steht einer einheitlichen prozessualen Tat i.S.v. § 264 StPO (oben II.4.a) nicht entgegen. Solche ist trotz Handlungsmehrheit im Sinne des materiellen Strafrechts gegeben, wenn zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Tä- ters eine innere Verknüpfung dergestalt besteht, dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 212 f.; BGH, Urteil vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, NStZ 2008, 411). So verhält es sich hier. Die eingeräumte Körperverletzung erfolgte nach der Einlassung des Angeklagten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einem gescheiterten Geschlechtsverkehr und wurde durch eine von der Zeugin getätigte Äußerung als Reaktion auf die geschlechtlichen Handlungen ausgelöst. Die Durchführung von Geschlechtsverkehr bildet aber auch einen wesentlichen Teil des mit der Anklage unterbreiteten Verfahrensgegenstandes. Daran ändert der Umstand nichts, dass dem Angeklagten ausdrücklich nur die Durchführung mit Gewalt erzwungenen Geschlechtsverkehrs zum Nachteil der Zeugin A. vorgeworfen worden war. Für die Beurteilung der prozessualen Tatidentität kommt es - wie dargelegt - maßgeblich auf die Einheitlichkeit des Lebensvorgangs in tatsächlicher Hinsicht an.
48
c) Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht Passau - Strafrichter -. Da im Hinblick auf die Verwerfung der Revision gegen den Freispruch vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung lediglich noch der aus der von dem Angeklagten eingeräumten Ohrfeige zu Lasten der Zeugin A. sowie deren Hinausdrängen aus der Wohnung resultierende materiell-rechtliche Tatvorwurf den Gegenstand des Verfahrens bildet, ist die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht mehr begründet. Vielmehr liegt die Zuständigkeit des Amtsgerichts gemäß § 24 Abs. 1 GVG vor. Im Hinblick auf die Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 GVG erfolgt die Zuweisung innerhalb dessen zum Strafrichter; § 26 Abs. 1 GVG steht dem nicht entgegen. Ob bei Zurückverweisung an das Amtsgericht bei der Entscheidung nach § 354 Abs. 3 StPO eine ausdrückliche Zuweisung zu dem Schöffengericht oder dem Strafrichter zwingend erforderlich ist, bedarf keiner Entscheidung (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2008 - 2 StR 290/07). Sie ist dem Revisionsgericht jedenfalls gestattet.
49
d) Angesichts der lediglich teilweisen Aufhebung des Urteils sind die den Freispruch vom Vorwurf der (besonders schweren) Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung tragenden Feststellungen bestandskräftig geworden. In Bezug auf die noch anhängige Straftat ist der neue Tatrichter nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen. Diese dürfen allerdings nicht im Widerspruch zu den bestehen bleibenden Feststellungen stehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203, 204).

III.


50
Durch die Teilaufhebung des freisprechenden Urteils wird die Entschädigungsentscheidung genauso gegenstandslos wie die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, insoweit in BGHSt 46, 130 ff. nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 22. März 2002 - 2 StR 569/01). Nack Rothfuß Jäger Cirener Radtke

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 433/09
vom
11. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Februar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 20. Januar 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Kreditbetrug in Tateinheit mit Bankrott sowie vom Vorwurf der verspäteten Insolvenzantragstellung freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeschwerde der Staatsanwaltschaft nicht ankommt.

I.


3
1. Die zugelassene Anklage hat dem Angeklagten als Beihilfe zum Kreditbetrug in Tateinheit mit Bankrott zur Last gelegt, an der Verdeckung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse der B.
GmbH B. (im folgenden: BIV B. ), deren Geschäftsführer er im Tatzeitpunkt war, durch Mitunterzeichnung eines Vertrages vom 24. Mai 2000 über den fingierten Verkauf von Aktien der P. AG von der BIV B. an die Si. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH zum Preis von 5,6 Mio. DM mitgewirkt zu haben. Das fiktive Aktiengeschäft sei im testierten Jahresabschluss der BIV B. für das Geschäftsjahr 1999 und damit auch in der Konzernbilanz der S. -Gruppe, die verschiedenen Kreditinstituten im Zusammenhang mit der Gewährung bzw. Verlängerung von Firmenkrediten im Zeitraum von Juni bis Oktober 2000 vorgelegt worden seien, enthalten gewesen. Durch eine weitere Straftat habe sich der Angeklagte der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht, indem er trotz der bereits im Mai 2000 bestehenden tatsächlichen Überschuldung der BIV B. erst am 28. März 2001 Insolvenzantrag gestellt habe.
4
2. Die Strafkammer hat den Angeklagten hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum Kreditbetrug aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Im Hinblick auf die vorgeworfenen Insolvenzdelikte hat sie das Tatbestandsmerkmal der Überschuldung verneint und zudem in Bezug auf den Straftatbestand des Bankrotts ein Aufstellen der Bilanz im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB als von dem Angeklagten nicht verwirklicht erachtet.

II.


5
Das Urteil hat schon deshalb keinen Bestand, weil es nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO genügt. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1980, 2423; NStZ 1985, 184; BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4, 10; Senat, Urt. vom 20. März 2008 - 4 StR 5/08). Diese gebotene, in sich geschlossene Darstellung der festgestellten Tatsachen enthält das angefochtene Urteil – wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift vom 28. September 2009 ausgeführt hat – nicht.
6
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Kreditbetrug freigesprochen hat, kann dem Urteil schon nicht entnommen werden, in welchen konkreten Umständen die Wirtschaftsstrafkammer überhaupt die Haupttat sieht, zu der der Angeklagte Hilfe geleistet haben soll. Mit Blick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 265 b StGB fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wann und von wem gegenüber welchen Banken für welche Kredite unrichtige oder unvollständige Bilanzen und/oder sonstige für die Kreditgewährung bzw. -belassung bedeutsame Unterlagen des Konzerns vorgelegt worden sind. Ebenso hätte es wegen der dem Angeklagten angelasteten Beteiligung an dem Kreditbetrug der Feststellung bedurft, ob Gegenstand der Kreditverhandlungen mit den Banken auch Bilanzen und Unterlagen der BIV B. waren, deren Geschäftsführer der Angeklagte war. Schließlich bleibt auch offen, welche konkrete Unterstützungshandlung des Angeklagten gegenüber dem Haupttäter in Betracht kommt. Das Landgericht konnte die fehlenden Feststellungen auch nicht dadurch ersetzen, dass es in großem Umfang (UA 18 bis 43) Teile aus den schriftlichen Gründen des Urteils gegen den gesondert verfolgten Bö. , der zur Tatzeit Wirtschaftsprüfer der BIV B. war, in das angefochtene Urteil übernahm.
7
Schließlich liegt ein durchgreifender Mangel des Urteils auch darin, dass es jegliche Feststellungen zur Person des Angeklagten vermissen lässt. Na- mentlich zu seinem beruflichen Werdegang und seiner sonstigen Qualifikation waren Feststellungen geboten, um beurteilen zu können, ob die Kammer zu Recht angenommen hat, dass der Angeklagte dem bestimmenden Einfluss des Wirtschaftsprüfers Bö. unterlag. Das gilt unbeschadet dessen, dass aus der beruflichen Qualifikation und Stellung des Angeklagten allein noch nicht ohne weiteres auf die Wahrnehmung seiner ihm obliegenden Aufgaben geschlossen werden darf (vgl. BGH, Beschl. vom 9. November 2009 – 5 StR 136/09).
8
Im Übrigen hat die Strafkammer den angeklagten Sachverhalt nur unvollständig gewürdigt, weil sie den Begriff der von der gegen den Angeklagten erhobenen Anklage erfassten Tat im Sinne des § 264 StPO verkannt hat.
9
Nach der Anklage wird die Beihilfehandlung des Angeklagten darin gesehen , dass er an der Verdeckung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse innerhalb der S. -Gruppe, die durch das fingierte Aktiengeschäft bewirkt wurde, mitgewirkt habe. Da es zulässig ist, zur Konkretisierung des Anklagesatzes auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zurückzugreifen (BGH, Urt. vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09 Rdn. 95; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 4), werden aber vorliegend von der Anklage auch die zur Verschleierung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse notwendigen Nachbuchungen erfasst. Entgegen der Auffassung des Landgerichts schließt dies die vom Angeklagten am 2. November 2000 veranlasste Einbuchung des fingierten Aktiengeschäfts ein.
10
Eine strafbare Beihilfe durch die im November 2000 erfolgten Buchungen würde auch nicht scheitern, wenn diese erst nach Vorlage des Jahresabschlusses bei möglichen Kreditgebern erfolgt wären. Denn Beihilfe ist nach der ständigen Rechtsprechung auch noch nach Vollendung der Haupttat bis zu deren Beendigung möglich (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 27 Rdn. 6 m.w.N.). Die Teilnahme am Kreditbetrug ist bis zum Erbringen der letzten Leistung möglich (Fischer aaO § 265b Rdn. 40, § 264 Rdn. 38 f.). Wann die Leistung als erbracht anzusehen ist, hängt von der Art des beantragten Kredits ab (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 265b Rdn. 49). Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass noch für den 26. März 2001 ein Besprechungstermin mit den Banken anberaumt war. Erst nachdem im Hinblick auf das Ergebnis der Prüfung durch die Unternehmensberatung der Bankentermin abgesagt worden sei, hätten die Banken "dicht" gemacht (UA 16). Aufgrund dieser Ausführungen und vor dem Hintergrund, dass es sich auch um Prolongationskredite gehandelt haben kann, erscheint es jedenfalls möglich, dass die Banken auch noch nach dem 2. November 2000 aufgrund der vorgelegten Konzernbilanz Kredit gewährt haben.
11
2. Der Freispruch vom Vorwurf des tateinheitlich begangenen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB) begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es für die Strafbarkeit am Vorliegen einer Überschuldung der BIV B. (§ 283 Abs. 1 StGB) zum 31. Dezember 1999 im Sinne des hier nach § 2 Abs. 3 StGB anwendbaren § 19 Abs. 2 InsO (in der ab dem 18. Oktober 2008 geltenden Fassung) gefehlt habe (UA 87). Dabei ist es der Auffassung des Sachverständigen gefolgt, dass zwar das Vermögen der BIV B. bereits ab dem 31. Dezember 1999 die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr gedeckt habe, aber auch unter Berücksichtigung der Konzernstruktur und deren Auswirkungen auf die BIV B. von einer positiven Fortbestehensprognose auszugehen sei.

13
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Wirtschaftsstrafkammer dabei die Anforderungen an eine positive Fortbestehensprognose beachtet hat. Jedenfalls hätte es für die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei als Geschäftsführer der BIV B. bis zum Zeitpunkt kurz vor Stellung des Insolvenzantrags nicht verpflichtet gewesen, aufgrund der Mithaftung für Kredite anderer Konzerngesellschaften Rückstellungen zu bilden, näherer Feststellungen zu Art und Umfang der Mithaftung der BIV B. bedurft. Ob und gegebenenfalls welche Mitverpflichtungen bestanden, teilt das Urteil nicht mit. Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang auch zu Recht, dass anhand der Urteilsgründe der vom Tatrichter ersichtlich als entscheidend bewertete Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme aus Mitverpflichtungen und der „Ordentlichkeit“ bzw. „Seriosität“ der in der Baugruppe tätigen Geschäftsführer (UA 94) nicht nachvollziehbar dargestellt ist.
14
Zudem fehlen jegliche Feststellungen zur Zahlungsfähigkeit der BIV B. . Deren hätte es aber schon deshalb bedurft, weil § 283 Abs. 1 StGB eine Strafbarkeit wegen Bankrotts außer bei Überschuldung auch bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit vorsieht.
15
Schließlich scheitert eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a) StGB entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht allein schon daran, dass der Angeklagte die durch den gesondert verfolgten Bö. erstellte und in dem Jahresabschluss enthaltene Bilanz nicht unterschrieben hat (vgl. Beukelmann in Beck´scher Online-Kommentar zum StGB § 283 Rdn. 70 [Stand: 1. Oktober 2009]; Tiedemann in LK-StGB 12. Aufl. § 283 Rdn. 150).
16
3. Die insoweit knappen Urteilsgründe (UA 96) erlauben dem Revisionsgericht auch nicht die Prüfung, ob das Landgericht den Angeklagten zu Recht vom Vorwurf der verspäteten Insolvenzantragstellung (§ 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 InsO) freigesprochen hat. Der Tatbestand des § 15a Abs. 1 InsO, der mit Wirkung vom 1. November 2008 an die Stelle des inhaltsgleichen § 84 GmbHG getreten ist, knüpft ebenso wie § 283 Abs. 1 StGB an die im angefochtenen Urteil – wie ausgeführt – nur unzureichend geprüften Tatbestandsmerkmale der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit an.
17
Die aufgezeigten Mängel führen nach alledem zur Aufhebung des Urteils insgesamt.
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Mutzbauer

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Die Verjährung wird unterbrochen durch

1.
die erste Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe, daß gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe,
2.
jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
3.
jede Beauftragung eines Sachverständigen durch den Richter oder Staatsanwalt, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
4.
jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
5.
den Haftbefehl, den Unterbringungsbefehl, den Vorführungsbefehl und richterliche Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
6.
die Erhebung der öffentlichen Klage,
7.
die Eröffnung des Hauptverfahrens,
8.
jede Anberaumung einer Hauptverhandlung,
9.
den Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
10.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
11.
die vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung des Richters oder Staatsanwalts, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
12.
jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.
Im Sicherungsverfahren und im selbständigen Verfahren wird die Verjährung durch die dem Satz 1 entsprechenden Handlungen zur Durchführung des Sicherungsverfahrens oder des selbständigen Verfahrens unterbrochen.

(2) Die Verjährung ist bei einer schriftlichen Anordnung oder Entscheidung in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung oder Entscheidung abgefasst wird. Ist das Dokument nicht alsbald nach der Abfassung in den Geschäftsgang gelangt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem es tatsächlich in den Geschäftsgang gegeben worden ist.

(3) Nach jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Die Verfolgung ist jedoch spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a bezeichneten Zeitpunkt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und, wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre, mindestens drei Jahre verstrichen sind. § 78b bleibt unberührt.

(4) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.

(5) Wird ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert und verkürzt sich hierdurch die Frist der Verjährung, so bleiben Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 156/11
vom
28. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Dem mit einem Zwangsverwaltungsverfahren befassten Rechtspfleger obliegt
eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber Gläubigern und Schuldner.
BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11 – LG Halle
1.
2.
wegen Untreue u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juli 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt für den Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten N.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 22. September 2010 werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bedingten notwendigen Auslagen der Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen Untreue in Tateinheit mit Vorteilsgewährung unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von acht Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den Angeklagten Sch. hat es wegen Untreue in Tateinheit mit Vorteilsannahme eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35 € verhängt. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen; der Angeklagte N. hat zudem Verfahrensrügen erhoben. Die Staatsanwaltschaft , deren Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, beanstandet mit Sachrügen (nunmehr) allein die Rechtsfolgenaussprüche. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte N. ist Rechtsanwalt; er ist seit dem Jahr 2002 im Bereich der Zwangsverwaltung tätig. Der Angeklagte Sch. war von 1996 bis Ende 2007 als Rechtspfleger beim Amtsgericht N. beschäftigt; dort bearbeitete er vor allem Zwangsverwaltungs- und Zwangsversteigerungsverfahren.
4
Am 4. Dezember 2002 beantragte eine Gläubigerin von Johann-Christian T. beim Amtsgericht N. unter anderem die Zwangsverwaltung über dessen Grundstück in L. , str. . Mit Beschluss vom 14. Januar 2003 ordnete der Angeklagte Sch. , in dessen Zuständigkeit die Bearbeitung dieses Antrags fiel, die Zwangsverwaltung an und bestellte den Angeklagten N. zum Zwangsverwalter, obwohl ihm in diesem Anwesen bereits zuvor vom Eigentümer unentgeltlich eine Dachgeschoßwohnung zur Nutzung überlassen worden war, die er auch in der Folgezeit - bis mindestens Ende 2007 - nutzte, ohne hierfür Miete bzw. eine sonstige Nutzungsentschädigung und Betriebskosten an den Zwangsverwalter zu bezahlen. Der Angeklagte N. nahm das Grundstück am 21. Januar 2003 in Besitz und übte seine Verwaltertätigkeit aus. Dabei war ihm bekannt, dass der Angeklagte Sch. , der in dem Haus "nach dem Rechten sah", die Dachgeschosswohnung unentgeltlich nutzte. Dies gestattete er im Einvernehmen mit dem Angeklagten Sch. auch weiterhin, obwohl beide Angeklagte wussten, dass der Angeklagte Sch. auch unter Berücksichtigung seiner Dienste Miete bzw. eine Nutzungsentschädigung zu entrichten und die Betriebskosten zu tragen gehabt hätte. Der Angeklagte Sch. hielt den Angeklagten N. zu keinem Zeitpunkt dazu an, ihn als Nutzer der Immobilie zu erfassen und bei ihm Miete bzw. eine Nutzungsentschädigung und die Betriebskosten einzufordern. Der Angeklagte N. sah von der Geltendmachung dieser Ansprüche ab, "weil er sich hierfür ein Gewogensein des Angeklagten Sch. im Rahmen dessen dienstlicher Tätigkeit versprach. Davon ging auch der Angeklagte Sch. aus." Eine Umsetzung dieser "stillschweigenden Übereinkunft" über die kostenlose Überlassung der Wohnung hinaus vermochte die Strafkammer allerdings nicht festzustellen.
5
Zwischen Februar 2003 und November 2007 entgingen dem Zwangsverwalter bzw. der Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesem selbst infolge der kostenlosen Nutzung der Wohnung durch den Angeklagten Sch. insgesamt 8.408,84 € (108,50 €/Monat Kaltmiete und 36,48 €/Monat Betriebs- kosten).

II.


6
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in den Antragsschriften vom 26. April 2011 bemerkt der Senat:
7
1. Die Schuldsprüche wegen Untreue weisen keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere ist das Landgericht bei beiden Angeklagten zu Recht vom Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht ausgegangen.
8
a) Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte N. nach § 266 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
9
Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben , wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflicht zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierbei ist in erster Linie von Bedeutung, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f. mwN).
10
Eine solche Vermögensbetreuungspflicht - wie auch seine Garantenstellung gegenüber der Gläubigerin von Johann-Christian T. und diesem selbst - bestand für den Angeklagten N. aufgrund von §§ 152, 154 ZVG in Verbindung mit dem Beschluss über seine Bestellung zum Zwangsverwalter.
11
Bereits das Reichsgericht (Urteil vom 16. Oktober 1905 - Rep. 426/05, RGSt 38, 190) hat den Zwangsverwalter zu den "kraft öffentlichrechtlicher Verpflichtung zu besonderer Treue verbundenen Personen" gerechnet und ihm eine Vermögensbetreuungspflicht auferlegt. Hieran hat sich nichts geändert. Denn aus §§ 152, 154 ZVG ergibt sich, dass der Zwangsverwalter eines Grundstücks fremdes Vermögen im Interesse aller Beteiligten, also insbesondere der Gläubiger und Schuldner (§ 9 ZVG), treuhänderisch verwaltet (vgl. Böttcher/Keller in Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 152 Rn. 5; ebenso zur Stellung des Vergleichsverwalters: BGH, Urteil vom 26. Juli 1960 - 1 StR 248/60; zum Kon- kurs- und Insolvenzverwalter: BGH, Urteile vom 14. Februar 1955 - 3 StR 459/54; vom 14. Januar 1998 - 1 StR 504/97, NStZ 1998, 246, 247; zu diesen auch SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 13, 33, Borchardt in Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 266 StGB Rn. 1, 9 ff. jeweils mwN). Diesen gegenüber ist er - selbständig und nach pflichtgemäßem Ermessen handelnd (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Zwangsverwalterverordnung vom 19. Dezember 2003, BGBl. I S. 2804 [gültig ab 1. Januar 2004] - im Folgenden: ZwVwV, bzw. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Geschäftsführung und die Vergütung des Zwangsverwalters vom 16. Februar 1970, BGBl. I S. 185 [gültig bis 31. Dezember 2003] - im Folgenden: ZVwVergV) - für die Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen verantwortlich (§ 154 Satz 1 ZVG). Zu diesen Pflichten gehört es auch und insbesondere, das Grundstück "ordnungsgemäß zu benutzen" (§ 152 Abs. 1 ZVG). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, unterlässt er es also, alle möglichen Nutzungen zu ziehen (OLG Köln, Beschluss vom 25. Juni 2006 - 2 U 39/07; Böttcher/Keller aaO § 152 Rn. 19), also beispielsweise das Grundstück durch Vermietung nutzbar zu machen (Böttcher /Keller aaO § 152 Rn. 20, 32; zur Umwandlung von unentgeltlichen Überlassungsverträgen in ein Miet- oder Pachtverhältnis: Drasdo NJW 2011, 1782, 1784 mwN) und den Mietzins einzuziehen (OLG Köln aaO) oder zu niedrige Mieten anzuheben (KG, Urteil vom 12. Januar 1978 - 12 U 2661/77, MDR 1978, 586; Sievers in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, § 152 Rn. 3), so haftet er für den hierdurch den Gläubigern bzw. dem Schuldner entstandenen Schaden nach § 154 ZVG (vgl. OLG Köln aaO, KG aaO; ferner Böttcher/Keller aaO § 154 Rn. 3b).
12
Auf dieser Grundlage hat der Angeklagte N. durch das Unterlassen des Forderns und Einziehens des Mietzinses bzw. einer Nutzungsentschädigung und der Betriebskosten beim Angeklagten Sch. seine Pflichten als Zwangsverwalter verletzt, hierdurch seine Vermögensbetreuungspflicht missachtet und die Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesen selbst geschädigt (vgl. OLG Köln aaO, ferner HansOLG Bremen, Urteil vom 5. Dezember 1988 - Ss 85/87, NStZ 1989, 228; SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 33 mwN).
13
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten Sch. wegen Untreue weist keinen Rechtsfehler auf.
14
aa) Ihm oblag ebenfalls eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gegenüber der Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesem selbst.
15
Nach § 153 ZVG hat der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. i RPflG) des Vollstreckungsgerichts unter anderem die Geschäftsführung des Verwalters zu beaufsichtigen. Ihm kommt diesem gegenüber eine "verfahrensbeherrschende Stellung" zu (Böttcher/Keller aaO § 153 Rn. 1). Zwar handelt der Verwalter grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich, jedoch ist das Vollstreckungsgericht berechtigt und verpflichtet, den Verwalter zu leiten und im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit festgestellte Pflichtwidrigkeiten abzustellen (vgl. Böttcher/Keller aaO § 153 Rn. 5). Diese Pflichten berühren nicht nur allgemeine Interessen der Gläubiger und Schuldner; sie betreffen vielmehr auch deren Vermögensinteressen. Denn die Aufsichtspflicht des Rechtspflegers bezieht sich insbesondere auf die treuhänderische Tätigkeit des Zwangsverwalters und die diesem obliegende Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Gläubiger und des Schuldners. Hierzu kann und muss der Rechtspfleger dem Zwangsverwalter gegebenenfalls auch (Einzel-)Anweisungen erteilen, die - wie der Generalbundesanwalt mit zahlreichen weiteren Beispielen ausgeführt hat - etwa Mietverträge betreffen können (§§ 6, 10 Abs. 1 Nr. 2 ZwVwV bzw. § 6 ZVwVergV). Solchen Anweisungen muss der Zwangsverwalter folgen, er ist an sie gebunden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV bzw. § 1 Abs. 1 Satz 2 ZVwVergV).
16
Angesichts dieser Stellung und Aufgaben des Rechtspflegers in Zwangsverwaltungsverfahren oblag dem Angeklagten Sch. gegenüber der Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesem selbst eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB (vgl. zum Rechtspfleger in Nachlasssachen ebenso BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 - 1 StR 466/87, BGHSt 35, 224, 227, 229 = JZ 1988, 881 m. Anm. Otto; zum Gerichtsvollzieher: RGSt 61, 228, 229 ff.; BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011 - 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282). Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte Sch. - weil selbst betroffen (vgl. § 10 RPflG i.V.m. § 41 Nr. 1 ZPO) - in dem Zwangsverwaltungsverfahren gar nicht hätte tätig werden dürfen; denn das Verbot, in eigener Sache tätig zu werden, schließt ein gleichwohl bestehendes Treueverhältnis nicht aus (so bereits RGSt 72, 347, 348).
17
bb) Gegen die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht hat der Angeklagte Sch. verstoßen, da er den Zwangsverwalter nicht dazu anhielt, bei ihm selbst Miete bzw. Nutzungsentschädigung und Betriebskosten einzufordern.
18
Zwar genügt die bloße Verletzung einer nicht zumindest auch den fremden Vermögensinteressen dienenden Dienstpflicht nicht für eine Verurteilung wegen Untreue (vgl. RGSt 61, 228, 231 [zum Gerichtsvollzieher]; SSWStGB /Saliger § 266 Rn. 32 mwN; für den Nachlassrechtspfleger auch Otto JZ 1988, 883, 884). Jedoch ist eine Normverletzung pflichtwidrig i.S.v. § 266 StGB, wenn die verletzte Rechtsnorm wie hier - wenigstens auch, und sei es mittelbar - vermögensschützenden Charakter hat (BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 300 f.).
19
cc) Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch den Angeklagten Sch. hat bei der Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesem selbst auch zu einem Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB geführt.
20
Insofern ist ohne Bedeutung, dass es - wie die Revision einwendet - denkbar ist, dass der Zwangsverwalter Anweisungen des Rechtspflegers entgegen seiner Pflicht nicht folgt. Bei einer - wie vorliegend - rechtmäßigen und in der Sache gebotenen Anweisung steht eine solche ohne jeglichen Anhaltspunkt in den Raum gestellte, lediglich denkbare Annahme der Bejahung des erforderlichen Zusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigem Tun und dem Erfolg nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - 1 StR 272/09, NJW 2010, 1087, 1091).
21
Auch soweit für eine Verurteilung wegen Untreue gefordert wird (dies in Frage stellend: BGH, Beschluss vom 13. April 2011 - 1 StR 94/10, NJW 2011, 1747, 1751; dagegen beispielsweise SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 83, 84), dass der Vermögensnachteil unmittelbar durch die Pflichtverletzung ausgelöst worden sein muss, fehlt es hieran nicht. Denn ein über den Zurechnungszusammenhang hinausgehendes Unmittelbarkeitserfordernis zwischen Pflichtwidrigkeit und Nachteil steht weder in Fällen der mittelbaren Täterschaft noch in dem hier vom Landgericht angenommenen Fall der Mittäterschaft in Frage. Auch bei der vom Generalbundesanwalt angenommenen Alleintäterschaft des Angeklagten Sch. liegt in dem Unterlassen der Anweisung an den Zwangsverwalter , die gegen ihn selbst bestehenden Forderungen geltend zu machen, aufgrund der Bindung des Zwangsverwalters an eine solche Anweisung zumindest eine unmittelbare schadensgleiche Vermögensgefährdung (vgl. für Schäden , die sich gleichsam von selbst vollstrecken: SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 75; zur Untreue durch Nicht-Erfüllung von Aufsichtspflichten: ders. Rn. 33 jeweils mwN).
22
2. Die Verurteilungen der Angeklagten wegen Vorteilsgewährung bzw. Vorteilsannahme weisen ebenfalls keine Rechtsfehler auf.
23
Die nach §§ 331, 333 StGB erforderliche Unrechtsvereinbarung liegt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen vor. Denn nach der Neufassung dieser Tatbestände werden auch die Fälle erfasst, in denen durch einen Vorteil nur das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkauft bzw. "allgemeine Klimapflege" betrieben wird, wobei allerdings zwischen dem Vorteil und der Dienstausübung ein "Gegenseitigkeitsverhältnis" in dem Sinne bestehen muss, dass der Vorteil nach dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung hat, also Ziel der Vorteilszuwendung ist, auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen und/oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6, 15 f. mwN).
24
Dies ist vorliegend gegeben, weil sich der Angeklagte N. ein "Gewogensein des Angeklagten Sch. [gerade] im Rahmen dessen dienstlicher Tätigkeit versprach" (UA 47). Im Einvernehmen hiermit sollte der Angeklagte Sch. als für das Zwangsverwaltungsverfahren zuständiger Rechtspfleger , mithin als "das Vollstreckungsgericht" und als Amtsträger, handeln (vgl.
auch BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 - 1 StR 466/87, BGHSt 35, 224, 230 f. = JZ 1988, 881 m. Anm. Otto).
25
Der gewährte bzw. entgegengenommene Vorteil, nämlich die unentgeltliche Nutzung der Wohnung während der von ihm angeordneten Zwangsverwaltung , stellt auch einen Vorteil im Sinne der §§ 331, 333 StGB dar. Denn hierunter ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6, 11 mwN).

III.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben ebenfalls keinen Erfolg.
26
Der Revisionsführerin ist zwar zuzugeben, dass die gegen die Angeklagten verhängten Strafen außerordentlich milde sind. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist jedoch in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung , gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN). Auch die Frage, welchen Umständen der Tatrichter bei der Strafrahmenwahl bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 - 2 StR 498/09).
27
Die Grenze des Vertretbaren und damit den ihm eingeräumten Spielraum hat das Landgericht bei der Festsetzung der Strafen gegen die Angeklagten noch nicht überschritten. Einen durchgreifenden Rechtsfehler weist die Strafzumessung - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 26. April 2011 dargelegt hat - letztlich nicht auf. Dies gilt auch für die NichtVerhängung eines Berufsverbots gegen den Angeklagten N. .
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 493/07
vom
1. April 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Untreue u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. und 7. auf dessen Antrag - am
1. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Dem Angeklagten W. wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. Mai 2007 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 4. Oktober 2007, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Die Revision des Angeklagten W. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Die Revision des Angeklagten We. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall A.III.2. der Urteilsgründe nicht der Beihilfe zur Untreue, sondern der Untreue schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall A.III.4. der Urteilsgründe nicht der Untreue in 118 Fällen , sondern der Untreue in 107 Fällen (Fälle 194-270 der Anklageschrift), der Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Unterschlagung (Fall 279 der Anklageschrift) und der Unterschlagung in zehn Fällen (Fälle 271-278, 280-281 der Anklageschrift) schuldig ist;
b) in den Einzelstrafaussprüchen zu Fall A.III.2. der Urteilsgründe und zu den Fällen 271-281 der Anklageschrift innerhalb des Falls A.III.4. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
5. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall A.III.1. der Urteilsgründe nicht der Untreue in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen und der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen, sondern der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen, und im Fall A.III.2. der Urteilsgründe nicht der Untreue, sondern der Beihilfe zur Untreue schuldig ist;
b) in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen A.III.1. und A.III.2. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
7. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten D. und K. werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Untreue in 156 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Verletzung der Insolvenzantragspflicht, wegen Untreue und vorsätzlichen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren, den Angeklagten We. wegen Untreue in 156 rechtlich zusammentreffenden Fällen, Untreue in 102 Fällen und Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren, den Angeklagten D. wegen Untreue in 186 Fällen und Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten K. wegen Untreue in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen, Untreue in zwei Fällen und Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wenden sich die Revisionen aller Angeklagten mit materiell-rechtlichen Bean- standungen; die Angeklagten We. , D. und K. rügen außerdem die Verletzung formellen Rechts.

I.


2
Die Verfahrensrügen der Angeklagten We. , D. und K. bleiben ohne Erfolg. Der Senat nimmt insoweit auf die jeweiligen Antragsschriften des Generalbundesanwalts Bezug. Zu der Rüge des Angeklagten We. , das Landgericht habe unzulässig Erkenntnisse verwertet, die aus Telefonüberwachungsmaßnahmen gegen die anderweitig Verfolgte M. gewonnen worden sind, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass das Urteil auf einem etwaigen Verstoß gegen ein Verwertungsverbot nicht beruhen könnte; denn das Landgericht hat die fraglichen Vorgänge schon aufgrund anderer Beweisergebnisse für erwiesen gehalten (s. UA S. 96).

II.


3
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der von den Angeklagten W. und We. erhobenen Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten erbracht; sie führt lediglich zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs gegen den Angeklagten We. . Die Schuldsprüche wegen mehrfacher Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue bedürfen indessen näherer Erörterung.
4
1. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
5
Der Angeklagte W. war zunächst Mit- und seit 1996 Alleingesellschafter aller Gesellschaften, die unter der Sammelbezeichnung H. - Unternehmensgruppe auftraten. Bis 1992 war er auch deren alleiniger Ge- schäftsführer. Bei der N. Geldbearbeitungs GmbH (im Folgenden: N. ) übernahm der Angeklagte We. zum 1. Dezember 1992 die Stellung des Alleingeschäftsführers. Der Angeklagte W. traf aber auch für diese Gesellschaft weiterhin die maßgeblichen geschäftlichen Grundentscheidungen. Die Betriebe der H. -Gruppe führten in erheblichem Umfang Geldtransporte für Banken und Handelsunternehmen durch. Für letztere übernahm die H. - Gruppe auch die "Geldbearbeitung", d. h. die Zählung und Aufarbeitung von Hart- und Notengeld sowie dessen Auskehrung durch Überweisung von Eigenkonten bei der Bundesbank, auf die das Bargeld nach Aufarbeitung und Zählung eingezahlt worden war; die Konten waren sämtlich für die N. eingerichtet , wenn auch der Kontoinhaber des bei der Bundesbankfiliale Mö. geführten Kontos die H. Transport GmbH Ha. war. Für die Banken erbrachte die H. -Gruppe neben den Geldtransporten sonstige Dienstleistungen bis hin zur Befüllung von Geldautomaten. Die Geldbearbeitung und die Automatenbefüllung führte die N. aus.
6
Da die Einkünfte der Gesellschaften "nicht auskömmlich waren", entwickelte der Angeklagte W. spätestens ab Mitte der 1990er Jahre als ständigen Finanzierungsmechanismus ein Schneeballsystem. Er veranlasste, dass Geld der Kunden zur Begleichung von Löhnen und Gehältern, Steuern und Sozialversicherungsabgaben sowie sonstiger Verbindlichkeiten seiner Unternehmen genutzt wurde. Die entnommenen Beträge wurden einen Tag oder auch erst mehrere Tage später durch das zwischenzeitlich abgeholte Geld anderer Kunden ersetzt, so dass die Auskehrung der Gelder der Vortage sich zwar verzögerte , die Fehlbeträge aber nicht auffielen. Der Angeklagte We. war darüber informiert und wirkte bei der Durchführung dieser Entnahmen mit. Im Anklagezeitraum wurden an 156 Tagen von den für die N. bei der Bun- desbank eingerichteten Konten insgesamt über 179 Mio. € an Gesellschaften der Unternehmensgruppe überwiesen.
7
Nachdem den Angeklagten wegen der Kündigung eines Großkunden Ende 2005 klar geworden war, dass sie das Schneeballsystem nicht länger aufrecht erhalten konnten, fassten die Angeklagten W. und K. Mitte Februar 2006 den Entschluss, in einer groß angelegten Umverteilungsaktion erhebliche Beträge, die von Banken zur Befüllung von Geldautomaten zur Verfügung gestellt worden waren, nicht zu diesem Zweck, sondern dazu zu verwenden, zumindest einen Teil der Verbindlichkeiten gegenüber kleineren Handelsunternehmen zu begleichen, um deren ansonsten zu befürchtende Insolvenz zu vermeiden. Sie informierten auch die Angeklagten D. und We. über diesen Plan. Der Angeklagte We. widersprach dem nicht, beteiligte sich aber auch nicht an der Umsetzung.
8
2. a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen im Ergebnis die Verurteilungen der Angeklagten W. und We. wegen Untreue hinsichtlich der geschilderten Überweisungen im Rahmen des Schneeballsystems.
9
aa) Rechtlich zutreffend ist die - wenn auch nicht ausdrücklich dargelegte , so doch dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen zu entnehmende - Annahme des Landgerichts, dass die von den Angeklagten W. und We. veranlassten Überweisungen der Kundengelder auf Geschäftskonten der Gesellschaften der H. -Unternehmensgruppe jeweils eine vertraglich begründete Pflicht zur Betreuung fremder Vermögensinteressen im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB verletzten und es dadurch in jedem Einzelfall zumindest zu einem Vermögensgefährdungsschaden der Kunden gekommen ist, weil die Fehlbeträge im Fall der Aufdeckung des Schneeballsystems und der infolge- dessen zu erwartenden Kündigungen zahlreicher Kunden nicht mehr hätten ausgeglichen werden können.
10
Voraussetzung des Treubruchstatbestandes gemäß § 266 Abs. 1 StGB ist die tatsächliche Einwirkungsmacht auf fremdes Vermögen, der ein besonders schützenswertes Vertrauen in die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zugrunde liegt. Wegen der Weite des Tatbestandes sind die durch § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützten Treueverhältnisse auf die Fälle zu beschränken , in denen für den Betreuenden eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen begründet wird. Diese muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit (Fischer, StGB, 55. Aufl. § 266 Rdn. 28 m. w. N.). Nach ständiger Rechtsprechung ist erforderlich, dass sich die Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, also als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Beteiligten sie als solche bezeichnen. Es muss hinzukommen, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird (BGH NJW 1991, 2574 m. w. N.). Das Merkmal der Selbständigkeit bzw. des Handlungsspielraums dient dazu, die Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB von bloßen Diensten der Handreichung abzugrenzen, wie sie etwa von Lieferanten und Boten erbracht werden. Hierbei ist aber nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten , ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 85; Fischer aaO Rdn. 29).
11
Nach diesen Grundsätzen begründeten die vertraglich geschuldeten Dienstleistungen der Geldbearbeitung sowie die Bankdienstleistungen in ihrer konkreten Ausgestaltung eine Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Dadurch, dass die abgeholten Kundengelder in denNiederlassungen der N. nach ihrer Zählung und Erfassung des ausgezählten Betrages in der EDV mit dem Geld anderer Kunden vermischt, nach Noten gebündelt und sodann auf die eingerichteten Bundesbankkonten eingezahlt wurden, verloren die Kunden das Eigentum an dem abgeholten Geld und erwarben gegenüber ihrem Vertragspartner lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auskehrung eines entsprechenden Betrages. Soweit mit einigen Kunden abweichende Vereinbarungen bestanden, duldeten diese nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen die von der N. praktizierte Vorgehensweise. Da Inhaber der Konten die N. bzw. die H. Transport GmbH Ha. , Niederlassung V. waren, hatten nur diese Gesellschaften einen direkten Auszahlungsanspruch gegenüber der Bundesbank. Die N. , die für die Konten verantwortlich war, verwaltete damit zumindest für einen kurzen Zeitraum, der zwischen der Vermischung des Geldes und der Auskehrung der geschuldeten Beträge lag, das Vermögen der Kunden treuhänderisch. Nichts anderes gilt hinsichtlich der Geldbeträge, die ihr zur Befüllung von Geldautomaten zur Verfügung gestellt wurden: Diese wurden von den Banken entweder direkt auf die von der N. verwalteten Bundesbankkonten oder auf Treuhandkonten überwiesen, für die einzelne Mitarbeiter der N. eingeschränkt zeichnungsberechtigt waren. Von diesen Konten wurde das Bargeld abgehoben, um die Geldkassetten in den Niederlassungen der N. befüllen zu können. Durch diese Praxis hatte die N. Verfügungsmacht über die abgeholten Bargeldbeträge, so dass wiederum ein Treuhandverhältnis entstand.
12
Zwar ist den - zu den einzelnen Regelungen der Kundenverträge nur kursorischen - Feststellungen zu entnehmen, dass die Kunden ihrem Vertragspartner über die Einzahlung auf das Bundesbankkonto hinaus nur einen sehr geringen Handlungsspielraum ließen, wie mit dem eingesammelten Geld zu verfahren war, was bei Verträgen über Geldtransporte und die anschließende Geldbearbeitung auch in der Natur der Sache liegt; dies steht der Annahme einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht jedoch nicht entgegen. Das Einkassieren, Verwalten und Abliefern von Geld für den Auftraggeber wird in der Rechtsprechung regelmäßig als herausgehobene Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen angesehen und die Veruntreuung so eingenommener Gelder als Untreue im Sinne des § 266 StGB bewertet (BGHSt 2, 324; 13, 315; 18, 312; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Treubruch 1; Missbrauch 2). So verfügen etwa Rechtsanwälte, die für ihren Mandanten Fremdgeld entgegennehmen, nur über einen geringen Handlungsspielraum zum Umgang mit dem empfangenen Geld; gleichwohl wird bei ihnen eine herausgehobene Treuepflicht bejaht (BGH NJW 1957, 596, 597; 1960, 1629; 2006, 3219, 3221). Denn der Grad der Selbständigkeit des Verpflichteten stellt neben anderen Kriterien wie Dauer und Umfang der Tätigkeit nur ein Indiz dafür dar, dass es sich - in Abgrenzung zu bloßen Boten- und Handlangerdiensten - um Vorgänge handelt, denen die Bedeutung der qualifizierten Wahrnehmung von Vermögensinteressen zukommt (BGHSt 13, 315, 317). Schon Dauer und Umfang der Betreuung der Vermögen der Kunden - allein die unberechtigten Entnahmen im Tatzeitraum beliefen sich auf fast 180 Mio. € - sprechen hier für eine über die bloße Verrichtung von Handreichungen hinausgehende Tätigkeit. Darüber hinaus wurde ein besonderes Vertrauen in die H. -Unternehmen durch das Vorhandensein von Eigenkonten bei der Bundesbank begründet, die üblicherweise überprüften und zertifizierten Finanzdienstleistern vorbehalten sind. Dieses gesteigerte Vertrauen erlaubte den von den Kunden nicht kontrollierten und in der Zeit zwischen Ab- holung des Geldes und Auskehrung der ihnen zustehenden Beträge auch nicht kontrollierbaren Zugriff auf deren Vermögen durch die abredewidrige Überweisung des Geldes auf eigene Geschäftskonten der Gesellschaften.
13
bb) Das angefochtene Urteil leidet allerdings unter dem Mangel, dass es die vertraglichen Beziehungen zwischen den Kunden und den Unternehmen der H. -Gruppe nicht näher darstellt, so dass ihm nicht einmal zu entnehmen ist, ob die Verträge über die Geldbearbeitung unmittelbar mit der N. geschlossen wurden oder ob Vertragspartner ein anderes Unternehmen der H. -Gruppe war, das die Erledigung der Geldbearbeitung auf die N. übertrug. Dies gefährdet die Verurteilung der Angeklagten W. und We. wegen Untreue jedoch nicht; denn nach beiden denkbaren Sachvarianten war die Vermögensbetreuungspflicht auch für diese beiden Angeklagten begründet.
14
War Vertragspartner der Kunden ein anderes Unternehmen der H. - Gruppe, war der Angeklagte W. schon als dessen Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB treuepflichtig. Durch die Übertragung der Geldbearbeitungsdienstleistungen auf die N. traf die qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht auch diese Gesellschaft (vgl. BGHSt 2, 324; BGH NJW 1983, 1807; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 31), die als juristische Person mit einer eigenen Betriebsorganisation auch die im Verhältnis zu dem beauftragenden anderen Unternehmen erforderliche Selbständigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben besaß (vgl. BGHSt 13, 330, 331 f.). Für den Angeklagten We. folgt die Treuepflicht als Geschäftsführer der N. ebenfalls aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
15
Wurden die die qualifizierte Treuepflicht begründenden Geldbearbeitungsdienstleistungen hingegen durch die Kunden unmittelbar bei der N.
in Auftrag gegeben, traf die Treuepflicht den Angeklagten We. als deren Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB und den Angeklagten W. als deren faktischen Geschäftsführer (vgl. BGHSt 13, 330, 331). Dazu ist den Feststellungen hinreichend zu entnehmen, dass der Angeklagte W. nicht nur die geschäftlichen Grundentscheidungen für die N. traf, sondern auch im operativen Geschäft gegenüber dem Angeklagten We. Weisungen durchsetzen konnte und damit ihm gegenüber eine dominierende Stellung einnahm.
16
b) Bezüglich der "Umverteilung des Geldes" der Großbanken (Fall A.III.2. der Urteilsgründe) ist die Verurteilung des Angeklagten W. wegen Untreue aus den unter a) dargelegten Gründen im Ergebnis ebenfalls rechtsfehlerfrei; bei dem Angeklagten We. war der Schuldspruch dagegen von Beihilfe zur Untreue auf Untreue umzustellen. Die Angeklagten W. und We. verletzten die ihnen gegenüber den Kunden obliegende Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB auch dadurch, dass sie die zur Befüllung von Geldautomaten abgeholten Bargeldbeträge Kleinkunden zukommen ließen. Soweit die Kammer den Angeklagten We. wegen seiner fehlenden Mitwirkung an der Umsetzung dieses Tatentschlusses nur wegen psychischer Beihilfe zur Untreue verurteilt hat, ist dies allerdings rechtsfehlerhaft. Psychische Beihilfe leistet, wer durch aktives Tun oder garantenpflichtwidriges Unterlassen den Täter in seinem Tatentschluss bestärkt oder bei der Tatausführung unterstützt. In jedem Fall muss eine objektiv fördernde Funktion festgestellt werden (Fischer aaO § 27 Rdn. 13). Daran fehlt es hier.
17
Dies führt indes nicht zu einer Aufhebung seiner Verurteilung, vielmehr war der Schuldspruch auf Untreue zu ändern. Aus der Treuepflicht des Angeklagten We. gegenüber den Banken resultierte auch seine Pflicht, die drohende Schädigung, von der er Kenntnis erhielt, von diesen Kunden abzuwenden. Er hatte diese zumindest zu melden (BGHSt 5, 187, 190) und beging die Verletzung der Treuepflicht damit durch sein pflichtwidriges Unterlassen (vgl. BGHSt 36, 227). Die zugemessene Einzelstrafe wird durch die Schuldspruchänderung nicht berührt (vgl. § 13 Abs. 1 StGB einerseits, § 27 Abs. 2 StGB andererseits).
18
3. Die Verurteilung des Angeklagten We. wegen Untreue in 102 Fällen aufgrund der vom Angeklagten D. geforderten und von diesem durchgeführten Entnahme von Kundengeldern in den Jahren 2001 bis 2006, die der Angeklagte We. für sich selbst verbrauchte, begegnet aufgrund der getroffenen Feststellungen keinen Bedenken. Durch diese Entnahmen verletzte er seine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Kunden; zudem wurde die N. gegenüber den Kunden gemäß §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i. V. m. §§ 266 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB schadensersatzpflichtig, so dass der Angeklagte We. auch gegenüber seiner Arbeitgeberin die ihm aus dem Anstellungsvertrag obliegende Treuepflicht verletzte.

III.


19
Die Revision des Angeklagten D. hat auf die Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
20
Der Angeklagte D. war seit dem Jahr 1995 Leiter der Niederlassung der N. in V. . Er war bereits nach kurzer Zeit bereit, an dem Schneeballsystem mitzuwirken, stellte ab dem Jahr 1996 auf Anforderung der Angeklagten W. und We. Kundenbargelder bereit und führte zur Verschleierung bzw. zum möglichst schnellen und unauffälligen Ausgleich der Geldentnahmen eine sog. Prioritätenliste, nach der entschieden wurde, in wel- chem Umfang und mit welcher zeitlichen Verzögerung bei welchem Kunden die Überweisung der abgeholten Gelder "gestreckt" werden konnte. Ab Juli 1996 erhielt er Gesamtprokura für die N. und war außerdem für das für sie bei der Bundesbankfiliale in Mö. eingerichtete Konto einzelzeichnungsberechtigt.
21
1. Er beteiligte sich an den unter I.1. dargestellten Überweisungen, indem er in 68 Fällen die Überweisungsträger selbst unterschrieb und in weiteren 43 Fällen seinen Mitarbeitern durch beanstandungsfreie Übernahme der Überweisungsbeträge in die Buchhaltung und in seine Prioritätenliste den Eindruck vermittelte, sie könnten die angeforderten Überweisungen auf Konten der Gesellschaften der Unternehmensgruppe vornehmen. Nach dem 7. Juni 2005 zog er sich aus dem Tagesgeschäft zurück und kündigte seinen Arbeitsvertrag, worauf eine neue Niederlassungsleiterin eingesetzt wurde. Seine Bestellung zum Prokuristen blieb indes im Handelsregister eingetragen; auch behielt er die Zeichnungsberechtigung für das Bundesbankkonto.
22
Die Verurteilung wegen Untreue in 68 Fällen sowie Beihilfe zur Untreue in 43 rechtlich zusammentreffenden Fällen hat im Ergebnis Bestand. Insoweit trägt zwar die Begründung, der Angeklagte D. habe als Prokurist eine Vermögensbetreuungspflicht gehabt, die Verurteilung nicht, weil sich aus der Stellung als Prokurist allein die Übertragung einer Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gegenüber den Kunden nicht ergibt. Ist die Treuepflicht einem Unternehmen übertragen worden, so kann ein Angestellter neben dem Unternehmensinhaber oder - bei juristischen Personen - deren gesetzlichen Vertreter jedoch dann Träger der qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht sein, wenn ihm die diese Pflicht begründenden Tätigkeiten übertragen werden und er aufgrund der ihm eingeräumten Befugnisse bei der Erfüllung dieser Aufgaben hin- reichend selbständig agieren kann (BGH NJW 1983, 1807; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 31). Dazu muss ihm auch die Möglichkeit eingeräumt sein, über das der Firma anvertraute Treugut selbständig zu verfügen (BGHSt 13, 330, 332). Dass der Angeklagte D. diese Voraussetzungen erfüllte, ist den Feststellungen des Urteils zu entnehmen: Er leitete die Niederlassung der N. mit dem höchsten Bargeldaufkommen und war für die Erfüllung der die Treuepflicht maßgeblich begründenden Vertragspflichten verantwortlich. Er war dabei gegenüber den Angeklagten W. und We. auch hinreichend eigenständig und konnte aufgrund seiner Einzelzeichnungsberechtigung von sich aus über die der N. anvertrauten Kundengelder verfügen.
23
2. Soweit die Strafkammer das Verhalten des Angeklagten D. bei der geschilderten "Umverteilung" als Beihilfe zur Untreue gewertet hat, begegnet der Schuldspruch keinen Bedenken. Der Strafausspruch war jedoch aufzuheben. Denn die Strafkammer hat nicht bedacht, dass der Angeklagte D. ,nachdem er seinen Arbeitsvertrag gekündigt hatte und nicht mehr als Niederlassungsleiter tätig war, die Vermögensinteressen der Kunden nicht mehr wahrzunehmen hatte und ihn deshalb eine durch Rechtsgeschäft begründete Treuepflicht nicht mehr traf. Damit fehlte dem Angeklagten ein die Strafbarkeit begründendes persönliches Merkmal, so dass die Strafe nicht nur nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB, sondern auch nach § 28 Abs. 1 StGB zu mildern war. Die Einzelstrafe für diesen Fall muss daher neu zugemessen werden.
24
3. Soweit die Kammer den Angeklagten D. wegen der von ihm nach dem 7. Juni 2005 in der Niederlassung in V. entnommenen Bargeldbeträge (Fälle 271-281 der Anklageschrift) wegen Untreue verurteilt hat, hat der Schuldspruch keinen Bestand. Aufgrund der Kündigung endete auch die durch den Arbeitsvertrag begründete Treuepflicht des Angeklagten D. gegenüber der N. . Der Umstand, dass die Bestellung zum Prokuristen im Handelsregister und seine Zeichnungsberechtigung für das Bundesbankkonto nicht gelöscht wurden, steht dem ebenso wenig entgegen, wie seine nach wie vor bestehende faktische Möglichkeit, von Mitarbeitern große Bargeldbeträge ausgehändigt zu bekommen. Denn über diese tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten hinaus hat die Kammer keine Feststellungen zu einer vertraglichen Verpflichtung des Angeklagten D. getroffen. Die rein tatsächliche Möglichkeit, auf fremdes Vermögen zuzugreifen, reicht zur Begründung einer Treuepflicht indes nicht aus (Fischer aaO § 266 Rdn. 28).
25
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung hierzu weitere Feststellungen getroffen werden können, und ändert den Schuldspruch in den Fällen, in denen der Angeklagte D. ohne Wissen des Angeklagten We. nur für sich Bargeld entnahm und sich so rechtswidrig zueignete (Fälle 271-278, 280-281 der Anklageschrift), dahin, dass der Angeklagte der Unterschlagung gemäß § 246 StGB schuldig ist. Im Fall 279 der Anklageschrift entnahm der Angeklagte D. auf die Aufforderung des Angeklagten We. ,ihm zur finanziellen Absicherung seiner Familie 500.000 € aus Kundengeldern auszuhändigen, insgesamt 750.000 €, gab davon 400.000 € an den Angeklagten We. weiter und behielt - womit der Angeklagte We. rechnete - 350.000 € für sich. Dieses Verhalten ist mangels einer vertraglichen Treuepflicht des Angeklagten D. lediglich als Beihilfe zur Untreue des Angeklagten We. und - hinsichtlich des Betrages, den der Angeklagte D. sich selbst zueignete - als Unterschlagung zu werten. Auch insoweit stellt der Senat den Schuldspruch entsprechend um.
26
Die Änderung des Schuldspruchs in diesen Fällen führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen. Der Wegfall mehrerer Einzelstrafen hat zur Folge, dass auch die gegen den Angeklagten D. verhängte Gesamtstrafe keinen Bestand haben kann. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch können jedoch insgesamt bestehen bleiben. Ergänzende weitere Feststellungen darf der neue Tatrichter nur treffen, soweit sie nicht in Widerspruch hierzu stehen.

IV.


27
Auch die Revision des Angeklagten K. hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
28
1. Der Angeklagte K. , der die Verantwortung für die Geldtransporte und die Logistik aller H. -Gesellschaften hatte und dazu eigenständig Fahrzeuge leasen oder kaufen, Standorte für Niederlassungen festlegen und diesbezügliche Mietverträge abschließen konnte, unterstützte das Schneeballsystem , indem er u. a. dafür Sorge trug, dass die bei Kunden abgeholten Beträge so schnell wie möglich auf die Bundesbankkonten eingezahlt werden konnten, weil es nur so möglich war, die vermehrt auftretenden Fehlbeträge zu kompensieren. Außerdem half er ab 2004/2005 dabei, Geldanforderungen aus der Ham. er Zentrale der N. gegenüber Mitarbeitern von anderen Niederlassungen durchzusetzen. In der Zeit vom 14. Juni bis Ende Juli 2001 war der Angeklagte K. nicht für H. -Gruppe tätig.
29
Diese Feststellungen belegen nicht die Pflicht des Angeklagten K. , die Vermögensinteressen der Kunden der H. -Gesellschaften zu wahren. Er war mit den die qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht begründenden Geschäftsbereichen der Geldbearbeitung und der Bankdienstleistungen nicht betraut und hatte keinerlei Möglichkeit, über die Kundengelder zu verfügen. Dass seine Tätigkeit - wie die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt hat - für die Aufrechterhaltung des Schneeballsystems von großer Bedeutung war, führt zu keiner anderen Bewertung. Auch durch die - rechtlich ohnehin nicht nachvollziehbare - Wendung, der Angeklagte K. sei der "faktische Prokurist fast aller H. - Gesellschaften" gewesen, wird eine Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB nicht belegt.
30
Soweit die Kammer ihn ab Erlangung einer sicheren Kenntnis von den Fehlbeträgen der H. -Unternehmensgruppe als Täter einer Untreue in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen angesehen hat, konnte der Schuldspruch folglich nicht bestehen bleiben; vielmehr lag lediglich Beihilfe zur Untreue der Angeklagten W. und We. vor. Diese Beihilfehandlungen bilden mit der von der Kammer ausgeurteilten Beihilfe zur Untreue für die Zeit ab der Rückkehr des Angeklagten K. im August 2001 nur eine Tat, so dass im Tatkomplex A.III.1. der Urteilsgründe lediglich zwei Fälle der Beihilfe zur Untreue vorlagen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Dies führt zur Aufhebung sämtlicher insoweit ausgesprochener Einzelstrafen. Zwar hat das Landgericht den Angeklagten K. im ersten Teil dieses Tatkomplexes zutreffend nur wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt. Es hat jedoch dabei die zwingende Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB nicht berücksichtigt.
31
2. Auch im Fall A.III.2. der Urteilsgründe war der Schuldspruch wegen der fehlenden Treuepflicht des Angeklagten K. auf Beihilfe zur Untreue zu ändern und die verhängte Einzelstrafe aufzuheben. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass aufgrund des rechtsfehlerfrei festgestellten Tatbeitrags des Angeklagten K. allein die fehlende Treuepflicht zur Verurteilung wegen Beihilfe zur Untreue führt, so dass ihm die Milderung nach 28 Abs. 1, § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB nur einmal zu Gute kommt (BGHSt 26, 53).
32
3. Im Fall A.III.5. der Urteilsgründe hat die Verurteilung des Angeklagten K. wegen Untreue hingegen Bestand. Die Strafkammer hat hierzu festgestellt , dass er Mitte 2005 Geld für ein Immobiliengeschäft benötigte und deshalb an den Ausstatter für die Geldtransporter der H. -Unternehmensgruppe herantrat , der wegen der für ihn lukrativen Geschäftsbeziehung bereits seit Jahren für seine jeweiligen Jahresumsätze eine Rückvergütungsprovision an die H. Transport GmbH Ha. zahlte. Der Angeklagte K. forderte ihn auf, die bereits angefallenen, aber erst zum Jahresende fälligen Provisionen unmittelbar an ihn zu zahlen, was dieser in Höhe von 36.000 € auch tat. Der Angeklagte K. verwendete den Betrag wie geplant für sich.
33
Zwar vermag auch hier die Begründung der Strafkammer, der Angeklagte K. habe als "faktischer Prokurist" eine vertragliche Vermögensbetreuungspflicht gehabt, die Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB nicht zu belegen. Aus den Feststellungen ergibt sich indes, dass der Angeklagte bei der Beschaffung von Fahrzeugen selbständig schalten und walten, insbesondere eigenständig Verträge abschließen konnte, so dass für diesen Bereich seine Verpflichtung, die Vermögensinteressen der H. Transport GmbH zu wahren, zu bejahen ist. Diese verletzte er, indem er den seiner Arbeitgeberin zustehenden Anspruch in Höhe der 36.000 € einzog. Denn dadurch wurde der (zukünftige ) Provisionsanspruch der H. Transport GmbH in dieser Höhe zumindest gefährdet, weil der Ausstatter nach den Feststellungen des Urteils zum Fälligkeitszeitpunkt nur noch den verbleibenden Restbetrag abzüglich der an den Angeklagten K. geleisteten Zahlung an die H. Transport GmbH auskehren wollte.
34
Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen A.III.1. und A.III.2. der Urteilsgründe und die Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen führt auch beim Angeklagten K. zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch haben dagegen Bestand; weitere, dazu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann der neue Tatrichter auch hier treffen.

V.


35
Soweit der Senat Schuldsprüche geändert hat, steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht anders hätten verteidigen können, bzw. dem Angeklagten We. im Fall A.III.2. der Urteilsgründe bereits mit der Anklageschrift der Vorwurf der täterschaftlich begangenen Untreue gemacht worden war. Die Verschärfung des Schuldspruchs in diesem Fall scheitert auch nicht an § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO (Kuckein in KK 5. Aufl. § 358 Rdn. 18 m. w. N.).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 220/09
vom
13. September 2010
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
1. Eine nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 BetrVG
strafbare Beeinflussung der Wahl des Betriebsrats liegt jedenfalls
dann vor, wenn der Arbeitgeber einer Wahlvorschlagsliste durch
die Zuwendung von Geldmitteln ermöglicht, sich im Zusammenhang
mit der Wahl nachhaltiger als sonst möglich zu präsentieren,
und wenn dabei die finanzielle Unterstützung der Kandidaten
durch den Arbeitgeber verschleiert wird.
2. Eine Normverletzung ist in der Regel nur dann pflichtwidrig i.S.d.
§ 266 StGB, wenn die verletzte Rechtsnorm ihrerseits - hier der
Straftatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG - wenigstens auch,
und sei es mittelbar vermögensschützenden Charakter für das zu
betreuende Vermögen hat, mag die Handlung auch nach anderen
Normen pflichtwidrig sein und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche
gegenüber dem Treupflichtigen begründen.
BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. November 2008 wird
a) die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO auf den Vorwurf des Betruges beschränkt, soweit der Angeklagte S. im Tatkomplex III.1/2 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Betrug in vier tateinheitlich begangenen Fällen verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten S. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen,
b) der Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte S. des Betruges, der Steuerhinterziehung in fünf Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 20 Fällen schuldig ist,
c) das genannte Urteil, soweit es den Angeklagten S. betrifft, aufgehoben aa) im Ausspruch über die Einzelstrafen (1) im Tatkomplex III.1/2 der Urteilsgründe (Betrug ), (2) in den Fällen des Tatkomplexes III. 4 der Urteilsgründe (Steuerhinterziehung in fünf Fällen) sowie bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. der „Beihilfe zur Untreue mit Betrug in vier hierzu tateinheitlichen Fällen, der Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer in dreizehn Fällen, der Beihilfe zur Hinterziehung von Gewerbesteuer in drei Fällen, der Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschaftsteuer in drei Fällen, der Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschaftsteuer mit Hinterziehung des Solidaritätszuschlags und mit Hinterziehung der Gewerbesteuer sowie der Hinterziehung von Einkommensteuer in fünf Fällen, jeweils mit Hinterziehung des Solidaritätszuschlags, von Gewerbesteuer und von Umsatzsteuer“ schuldig gesprochen und ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Den nicht revidierenden Mitangeklagten Fe. hat das Landgericht wegen Untreue, Hinterziehung von Umsatzsteuer in dreizehn Fällen , von Körperschaftsteuer in drei Fällen, von Gewerbesteuer in drei Fällen und von Körperschaftsteuer in Tateinheit mit Hinterziehung des Solidaritätszuschlags und von Gewerbesteuer zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt.
2
Der Angeklagte S. wendet sich mit seiner Revision gegen seine Verurteilung und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revision führt zu einer Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO und hat darüber hinaus mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie - auch soweit sie auf Verfahrensrügen gestützt wird - unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Vorgeschichte der verfahrensgegenständlichen Zahlungen an die „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger - AUB - die Unabhängigen e.V.“
5
Der Angeklagte S. war seit 1975 bei der Siemens AG als Vertriebskaufmann beschäftigt und seit 1982 als Kandidat der „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsräte (AUB)“ freigestelltes Betriebsratsmitglied. Ende des Jahres 1983 ging unter Beibehaltung der Abkürzung AUB aus der „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsräte“ die „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ hervor, für die der Angeklagte S. im Jahr 1984 am Siemens-Standort Erlangen Betriebsratsvorsitzender wurde. Die- se Funktion übte er bis kurz vor seinem offiziellen Ausscheiden aus der Siemens AG Ende des Jahres 1990 aus.
6
Im November 1985 wurde der Verein „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger - AUB e.V.“ gegründet, der später in „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger - AUB - die Unabhängigen e.V.“ (im Folgenden: AUB) umbenannt wurde und in dem die bisherige „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ aufging. Sitz des Vereins AUB war Nürnberg, Vorsitzender war seit der Vereinsgründung der Angeklagte S. .
7
Im Anschluss an die Aufsichtsratswahl 1988 setzten auf Initiative des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Siemens AG, N. , zweier namentlich nicht mehr ermittelbarer Mitglieder des Zentralvorstandes und des damaligen Leiters des Gesamtsprecherausschusses der leitenden Angestellten, D. , Planungen ein, wie über die Verschiebung der Kräfteverhältnisse in den Betriebsräten die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Siemens AG zum Nachteil der dort vertretenen Mitglieder der IG Metall, die zur damaligen Zeit sämtliche Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat stellten, verändert werden könnte. Im Jahr 1990 kamen „Verantwortliche der Firma Siemens aus dem obersten Führungskreis“ und der Angeklagte S. überein, dass die IG Metall im Aufsichtsrat und den Betriebsräten durch Unterstützung des AUB zurückgedrängt werden sollte. Der Plan sah vor, dass der Angeklagte S. aus dem Unternehmen ausscheiden und die AUB mit Geldern, die er von Siemens zur Verfügung gestellt bekommen sollte, ausbauen sollte. Die Siemens AG sollte darüber hinaus Personal für die AUB-Geschäftsstelle zur Verfügung stellen und bezahlen, während der Angeklagte S. in den Personalabteilungen des Unternehmens dafür sorgen sollte, dass die dortigen Leiter geeignete AUBKandidaten für Betriebsratswahlen auswählten und förderten. Eingebunden in diese Planung waren neben anderen auch Dr. F. , der zu dieser Zeit „die eigentliche ‚Nr. 1’ der Siemens AG war“, und der damals noch dem Bereichsvorstand angehörende Dr. W. .
8
In Ausführung dieses Plans schloss die Siemens AG, vertreten durch den Betriebsleiter des Standorts Erlangen, Dr. K. , und den Leiter der Abteilung Leasingfinanzierung, Fl. , im August 1990 mit dem Angeklagten S. zunächst eine Vereinbarung über das Ausscheiden des Angeklagten S. aus dem Unternehmen. Dieser Vereinbarung ging ein im Wesentlichen inhaltsgleiches Absichtsschreiben voraus, das für die Siemens AG von Dr. F. und Dr. W. unterschrieben worden war. Daneben wurde zwischen der Siemens AG, wiederum vertreten durch Dr. K. und Fl. , und dem Angeklagten S. eine Zusatzvereinbarung getroffen. Diese sah insbesondere vor, dass der Angeklagte S. mit einer Fremdfirma einen Beratungs - und Schulungsvertrag schließen sollte. Auf der Grundlage dieser Zusatzvereinbarung wurde im Dezember 1990 zwischen der neu gegründeten Einzelfirma des Angeklagten S. „ S. Unternehmensberatung und Mitarbeiterschulung“ und der Firma SI. Holding für Grundbesitz GmbH (im Folgenden: SI. GmbH) zum Schein ein Beratungs- und Schulungsvertrag geschlossen, auf dessen Grundlage die SI. GmbH ab dem Jahr 1991 zunächst 52.000 DM monatlich und ab April 1992 monatlich 57.000 DM an das Unternehmen des Angeklagten S. zahlte. Diesen Zahlungen lagen keine Leistungen des Angeklagten S. zu Grunde. Vielmehr dienten sie allein der Verschleierung der Zahlungen der Siemens AG an ihn, damit er absprachegemäß die AUB weiter ausbauen konnte. Die SI. GmbH stellte der Siemens AG die an den Angeklagten S. geleisteten Zahlungen in Rechnung, was aufgrund anderweitiger geschäftlicher Verbindungen der beiden Gesellschaften unauffällig möglich war.
9
In der Folgezeit wurden zunächst auf der Grundlage dieses Scheinvertrages bis zum Jahr 1995 durch Scheinrechnungen Zahlungen der Siemens AG an den Angeklagten S. in Höhe von insgesamt 8,5 Millionen DM verschleiert ; eine Kontrolle der Mittelverwendung durch die Siemens AG fand dabei nicht statt. Absprachegemäß wurden darüber hinaus Mitarbeiter der Siemens AG in der Bundesgeschäftsstelle der AUB eingesetzt. Parallel dazu warb der Angeklagte S. in den Personalabteilungen der Siemens AG für Kandidaturen auf der AUB-Liste, wobei er die jeweils Verantwortlichen animierte, geeignete Mitarbeiter auszuwählen und diesen klarzumachen, dass eine Kandidatur von Siemens gefördert werde.
10
Aufgrund geänderter geschäftlicher Strukturen war seit dem Jahr 1995 die Verschleierung der Zahlungen der Siemens AG an den Angeklagten S. zur Förderung des Ausbaus der AUB unter Zwischenschaltung der SI. GmbH nicht mehr möglich. An deren Stelle trat die G. Leasing GmbH & Co KG (im Folgenden: G. Leasing), zur damaligen Zeit eine 100%ige Tochtergesellschaft der Siemens AG, als neuer Vertragspartner in die zum Schein geschlossenen Vereinbarungen ein. Zudem wurden die zwischen dem Angeklagten S. und der Siemens AG geschlossenen Vereinbarungen, die zunächst bis zum Jahr 1995 befristet waren, verlängert. Die Siemens AG wurde hierbei vom Mitglied des Zentralvorstands Dr. W. sowie dem ebenfalls dem Zentralvorstand angehörenden Leiter der Zentralabteilung Personal, G. , vertreten. Bis zum Jahr 2000 flossen auf diesem Weg verschleiert weitere 17,7 Millionen DM von der Siemens AG an den Angeklagten S. . Im Jahr 1998 kam es zu Unstimmigkeiten über den Zahlungsweg, weil der Geschäftsführer der G. Leasing diesen für problematisch hielt („er wolle den ‚Schweinkram‘ nicht mehr in seinen Abschlüssen sehen“). In der Folge führte der Angeklagte S. mit dem neuen Leiter der Zentralabteilung Finanzen, Ne. , der ebenfalls dem Zentralvorstand angehörte, ein Gespräch über diese Problematik. Ergebnis des Gesprächs war, dass der Geschäftsführer der G. Leasing in einem Schreiben darüber informiert wurde, die bisherige Form der Zahlung solle mit Einverständnis von Herrn Ne. beibehalten werden.
11
2. Die verfahrensgegenständlichen Zahlungen der Siemens AG an den Angeklagten S. zur Verwendung für die AUB und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Tätigkeit der AUB für die Siemens AG (Tatkomplexe III.1/2 der Urteilsgründe)
12
a) Im Hinblick auf die Unstimmigkeiten über die bisherige Zahlungsabwicklung mit dem Geschäftsführer der G. Leasing bemühte sich der Angeklagte S. darum, eine anderweitige Möglichkeit zur Verschleierung der Zahlungen zu finden. Unter Beteiligung des Zentralvorstands Dr. W. wurde im Herbst des Jahres 2000 ein Treffen des Angeklagten S. mit dem kaufmännischen Vorstand des Bereichs „Automation and Drives“ des Standorts Erlangen, dem Mitangeklagten Fe. , mit dem Ziel vereinbart, einen neuen Zahlungsweg zur Verschleierung der Zahlungen der Siemens AG an die AUB zu finden. Bei diesem Treffen wurde der Mitangeklagte Fe. über die Hintergründe der Zahlungen informiert. Unter der Bedingung, dass das Ergebnis seines Bereiches durch die Zahlungen nicht beeinträchtigt werde, war der Mitangeklagte Fe. mit der verschleierten Abwicklung der Zahlungen an die AUB über seinen Bereich einverstanden.
13
Im weiteren Verlauf wurde am 22. Januar 2001 eine Rahmenvereinbarung zwischen der Siemens AG, Geschäftsbereich „Automation and Drives“ - vertreten durch den Mitangeklagten Fe. - und dem Angeklagten S. unter seiner Firma „W. Unternehmensberatung und Mitarbeiter- schulung“ getroffen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung rechnete der Angeklagte S. tatsächlich nicht erbrachte Leistungen ab, um zum Schein eine Grundlage für die Zahlungen der Siemens AG an die AUB zu schaffen. Die Rechnungen wurden jeweils an die Privatadresse des Mitangeklagten Fe. geschickt. Zwischen Januar 2001 und November 2006 erstellte der Angeklagte S. auf Grundlage der Rahmenvereinbarung insgesamt 44 Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer über einen Gesamtbetrag von netto 30,3 Millionen Euro, der auf Veranlassung des Mitangeklagten Fe. durch die Siemens AG an die Unternehmensberatung des Angeklagten S. gezahlt wurde. Beiden war dabei bewusst, dass die finanzielle Unterstützung der AUB nicht offen gelegt und transparent gestaltet wurde, sondern ohne Unterrichtung des Vorstandes und des Aufsichtsrates, zudem ohne ausreichende Kontrolle der Mittelverwendung durchgeführt wurde (UA S. 37). Wie von dem Angeklagten S. und dem Mitangeklagten Fe. zumindest billigend in Kauf genommen, wurden die Rechnungen von der Zentralen Abrechnungseinheit der Siemens AG (ARE) mit dem Nettobetrag als Betriebsausgaben verbucht und hinsichtlich der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer zum Vorsteuerabzug verwendet (UA S. 38).
14
Bei Abschluss der Rahmenvereinbarung unterließ es der Mitangeklagte Fe. entgegen den bei der Siemens AG bestehenden Vertretungsregeln, eine zweite Unterschrift eines hierzu bevollmächtigten weiteren Mitarbeiters der Siemens AG einzuholen. Auch informierte er den Vorstand und den Aufsichtsrat der Siemens AG nicht über den Abschluss der Rahmenvereinbarung. Nach Eingang der auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung vom Angeklagten S. erstellten Rechnungen veranlasste der Mitangeklagte Fe. zunächst bis zu seinem Ausscheiden als kaufmännischer Vorstand des Bereichs „Automation and Drives“ des Standorts Erlangen die Zahlungen selbst. Danach sorgte er in seinen Funktionen als Leiter einer Hauptabteilung für Konzernstrategie und als Mitglied des Gesamtvorstands, zuletzt als Mitglied des Zentralvorstands dafür, dass die Rechnungen weiter durch den Bereich „Automation and Drives“ des Standorts Erlangen beglichen wurden. Hierzu informierte er seinen Nachfolger am Standort Erlangen über den Hintergrund der Rechnungen, damit dieser in der Folge die Rechnungen - wie dann auch tatsächlich geschehen - anerkannte. Eine inhaltliche Kontrolle der Rechnungen nahm der Mitangeklagte Fe. weder selbst vor, noch ließ er die Rechnungen von anderen Stellen prüfen. Als bei einer am Ende des Jahres 2005 von der Abteilung „Corporate Finance Financial Audit“ durchgeführten Routineüberprüfung Auffälligkeiten im Zusammenhang mit der Bezahlung der Rechnung der Unternehmensberatung des Angeklagten S. beanstandet wurden, erreichte der Mitangeklagte Fe. , dass die Beanstandungen der Revisoren nicht mehr weiterverfolgt wurden („vom Radarschirm der Revisoren gebracht“).
15
b) Mit den Geldbeträgen, die auf die beschriebene Weise von der Siemens AG verschleiert an die Unternehmensberatung des Angeklagten S. überwiesen wurden, bestritt der Angeklagte S. unmittelbar von den Konten seines Einzelunternehmens die Ausgaben, die bei der Tätigkeit und bei Werbemaßnahmen der AUB anfielen.
16
Ohne die Zahlungen der Siemens AG, die für die Finanzierung der Ausgaben der AUB verwendet wurden, wäre die AUB als Verein nicht überlebensfähig gewesen. Sie hätte die Kosten für Werbe- und Informationsmaterial sowie die Kosten ihrer Infrastruktur und für die von ihr angebotenen Leistungen aus ihren satzungsmäßigen Einnahmequellen nicht tragen können.
17
Die langjährige Unterstützung bei Aufbau, Stabilisierung und Erhalt der AUB hatte für die Siemens AG erhebliche wirtschaftliche Vorteile: Durch die Zusammenarbeit des Angeklagten S. mit den Leitern der Personalabteilungen konnten interessierte „zukunftsfähige“ Mitarbeiter gefunden werden, denen verdeutlicht werden konnte, dass eine Kandidatur als Betriebsrat für die AUB auch für sie selbst mit Vorteilen im Hinblick auf einen Aufstieg in der Organisation der Siemens AG verbunden war. An den Standorten, an denen die AUB im Betriebsrat vertreten war, konnte auf betrieblicher Ebene eine Vielzahl von Vereinbarungen geschlossen werden, die aus Arbeitgebersicht erhebliche wirtschaftliche Vorteile einbrachten und firmenstrategische Maßnahmen erleichterten.
18
c) Durch mindestens vier Rechnungsstellungen im Jahr 2006, mit denen - was auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung grundsätzlich möglich war - „Zusatzaufwand“ in Höhe von jeweils 800.000 Euro netto abgerechnet wurde, veranlasste der Angeklagte S. die Siemens AG zu Zahlungen, die er nicht für die Förderung, den Aufbau und die Stabilisierung der AUB verwenden wollte, sondern für die von ihm im eigenen Interesse betriebene Sportförderung, für sonstige private Zwecke und für andere Unternehmen. Mit der bei der Rechnungsstellung vorgenommenen Bezugnahme auf die mit der Siemens AG getroffenen Rahmenvereinbarung erklärte der Angeklagte S. bewusst wahrheitswidrig, dass er die abgerechneten Beträge für die AUB verwenden würde. Im Vertrauen darauf, dass der Angeklagte S. die Gelder für die vereinbarten Zwecke einsetzen würde, wurden die Zahlungen durch die Siemens AG angewiesen. Bei Kenntnis von der tatsächlich vom Angeklagten S. geplanten Verwendung der Gelder, wäre dies nicht der Fall gewesen.
19
d) Das Landgericht hat die Zahlungen der Siemens AG an den Angeklagten S. zur Verwendung für die Tätigkeit der AUB seitens des Mitangeklagten Fe. als Untreue (§ 266 StGB) und als Beihilfe hierzu durch den Angeklagten S. angesehen. Durch die Zahlungen habe der Mitangeklagte Fe. gegen die Vorschrift des § 119 BetrVG verstoßen und dadurch die ihm gegenüber der Siemens AG obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Der Siemens AG sei hierdurch ein Vermögensnachteil in Höhe der gezahlten 30,3 Millionen Euro entstanden, weil den Zahlungen kein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil der Siemens AG gegenüber gestanden habe (UA S. 37).
20
Die Täuschung der Verantwortlichen der Siemens AG über die Erforderlichkeit weiterer Zahlungen für die AUB durch den Angeklagten S. mit dem Ziel der Verwendung für eigene Zwecke hat das Landgericht als Betrug (§ 263 StGB) des Angeklagten S. zum Nachteil der Siemens AG eingestuft.
21
3. Steuerrechtliche Behandlung der Zahlungen an die AUB bei der Siemens AG (Tatkomplex III.3 der Urteilsgründe)
22
Als kaufmännischer Vorstand des Bereichs „Automation and Drives“ des Standorts Erlangen bewirkte der Mitangeklagte Fe. durch die firmeninterne Weiterleitung der vom Angeklagten S. hierzu vorgelegten 44 Rechnungen, dass die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer bei Abgabe der jeweiligen Umsatzsteuererklärungen der Siemens AG als Vorsteuer geltend gemacht und die jeweiligen Nettobeträge als Betriebsausgaben bei den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen in Abzug gebracht wurden.
23
Nach Auffassung des Landgerichts verstießen die Zahlungen mit dem Verwendungszweck AUB gegen § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und unterlagen daher dem ertragsteuerlichen Abzugsverbot des § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG. Ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen sei nicht gemäß § 15 Abs. 1 UStG zulässig gewesen, weil die in Rechnung gestellten Leistungen nicht erbracht worden seien. Indem der Mitangeklagte Fe. die Rechnungsbeträge ohne Hinweis auf die fehlende Abzugsfähigkeit firmenintern weiterbelastete , bewirkte er für die Netto-Rechnungsbeträge einen unzulässigen Betriebsausgabenabzug i.S.v. § 4 Abs. 5 EStG und hinsichtlich der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer einen nicht gerechtfertigten Vorsteuerabzug. Hierdurch habe er nach Berechnung des Landgerichts - unterstützt durch den Angeklagten S. mit der Zurverfügungstellung der Rechnungen - zugunsten der Siemens AG für die Jahre 2001 bis 2006 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt mehr als 4,8 Millionen Euro und für das Jahr 2004 Körperschaftsteuer mit Solidaritätszuschlag in Höhe von mehr als 500.000 Euro verkürzt (UA S. 48). Zudem hat die Siemens AG hierdurch nach der Berechnung des Landgerichts in den Jahren 2001 bis 2004 bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer Steuervorteile in Form ungerechtfertigter Verlustvorträge in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro erlangt (UA S. 47, 48).
24
4. Steuerliche Behandlung der von der Siemens AG erhaltenen Zahlungen und weitere unrichtige Angaben gegenüber dem Finanzamt durch den Angeklagten S. (Tatkomplex III.4 der Urteilsgründe)
25
Der Angeklagte S. machte die Ausgaben, die er für Zwecke der AUB von den Konten seines Unternehmens tätigte, als eigene Betriebsausgaben geltend. Darüber hinaus verbuchte er in den Jahren 2000 bis 2004 zu Unrecht auch noch anderweitige Ausgaben für Sportförderung, private Zwecke und andere Unternehmen in Höhe von insgesamt mehr als 12,7 Millionen Euro als Betriebsausgaben seiner Unternehmensberatung. Nach Auffassung des Landgerichts hat er dadurch und durch weitere unzutreffende Angaben in seinen persönlichen Einkommensteuererklärungen (u.a. 1.275 Euro für den Eiltransport einer toten Biberratte zu einem Tierpräparator in Österreich) für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2004 Einkommensteuer in Höhe von insgesamt mehr als 7 Millionen Euro, Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt mehr als 380.000 Euro und Gewerbesteuer in Höhe von insgesamt mehr als 3,4 Millionen Euro verkürzt. Zudem hat er nach Berechnung des Landgerichts Umsatzsteuer von insgesamt mehr als 220.000 Euro verkürzt, indem er zu Unrecht Vorsteuern aus Rechnungen geltend machte, denen keine Leistungen an seine Unternehmensberatung zu Grunde lagen. Hierdurch habe er sich jeweils der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) schuldig gemacht.

II.


26
Der Senat beschränkt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts im Tatkomplex III.1/2 der Urteilsgründe die Verfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf die Strafbarkeit wegen Betruges. Die bisher getroffenen Feststellungen des Landgerichts ermöglichen keine umfassende Prüfung des Schuldspruchs zur Untreue. Selbst wenn noch weitere Feststellungen sollten getroffen werden können, erscheint es fraglich, ob diese einen Schuldspruch wegen Beihilfe zur Untreue rechtfertigen könnten. Die Verfahrensbeschränkung ist daher aus verfahrensökonomischen Gründen angebracht.
27
1. Der Senat hat nämlich Bedenken, ob der Mitangeklagte Fe. dem Vermögen der Siemens AG - und zwar durch pflichtwidrige Handlungen i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB - einen Vermögensnachteil zugefügt hat, indem er die http://www.juris.de/jportal/portal/t/r5u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE005768020&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/r5u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE006838044&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/r5u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE018798036&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 15 - verfahrensgegenständlichen Zahlungen in der konkreten Art und Weise veranlasste. Entsprechendes gilt für die Verurteilung des Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Untreue.
28
a) Der Mitangeklagte Fe. hat aufgrund seiner beruflichen Stellung eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.v. § 266 StGB gegenüber der Siemens AG.
29
aa) Eine Vermögensbetreuungspflicht ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Der Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierbei ist in erster Linie von Bedeutung , ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1951 - 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 188 f.; BGH, Urteil vom 4. November 1952 - 1 StR 441/52, BGHSt 3, 289, 294; BGH, Urteil vom 3. März 1953 - 1 StR 5/53, BGHSt 4, 170, 172; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1957 - 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315, 317; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., Rn. 92 f., 108 mwN).
30
bb) Sowohl zunächst als kaufmännischer Vorstand des Bereichs „Automation and Drives“ des Standorts Erlangen als auch in der Folgezeit als Leiter einer Hauptabteilung für Konzernstrategie, als Mitglied des Gesamtvorstands und zuletzt als Mitglied des Zentralvorstands war der Mitangeklagte Fe. in diesem Sinne verpflichtet, die Vermögensinteressen der Siemens AG wahrzunehmen.
31
b) Es erscheint - jedenfalls aufgrund der bisherigen Feststellungen - fraglich , ob der Mitangeklagte Fe. dadurch pflichtwidrig i.S.v. § 266 StGB gehandelt hat, dass er unter Verstoß gegen § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die AUB finanziell förderte.
32
aa) Nach Auffassung des Landgerichts hat es der Mitangeklagte Fe. zunächst bei Abschluss des Vertrages vom 22. Januar 2001 - entgegen den bei der Siemens AG zur Tatzeit bestehenden Vertretungsregelungen - pflichtwidrig unterlassen, die für die Vertretung der Gesellschaft erforderliche zweite Unterschrift eines entsprechend bevollmächtigten weiteren Mitarbeiters der Siemens AG einzuholen. Den Inhalt der insoweit maßgeblichen Vertretungsregeln teilt die Strafkammer indes nicht mit, obwohl es die verfahrensgegenständliche Rahmenvereinbarung als einen „wesentlichen Vertrag“, der eine zweite Unterschrift erforderlich mache, charakterisiert. Dem Senat ist aber ohne Mitteilung des in Bezug genommenen Inhaltes „der bei der Siemens AG damals bestehenden Vertretungsregelungen“ (UA S. 34) nicht möglich, zu beurteilen, ob tatsächlich eine zweite Unterschrift erforderlich war, was der frühere Mitangeklagte Fe. bestritten hat (UA S. 76). Eine auf das Fehlen einer zweiten Unterschrift gestützte Pflichtwidrigkeit wird daher nicht tragfähig durch Tatsachen belegt.
33
bb) Die Strafkammer begründet die Pflichtwidrigkeit der Handlungen des Mitangeklagten Fe. darüber hinaus damit, dass er es unterlassen habe, die zuständigen Organe der Siemens AG von dem abgeschlossenen Vertrag zu informieren. Diese Wertung ist jedenfalls ohne nähere Erörterung nicht mit der Feststellung zu vereinbaren, dass der Abschluss der verfahrensgegenständlichen Rahmenvereinbarung durch den Mitangeklagten Fe. auf Veranlassung eines damaligen Mitglieds des Zentralvorstandes zurückging. Zudem stellt das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung fest, dass „nach dem Ergebnis der durchgeführten Hauptverhandlung von der Kammer ausgeschlossen werden kann, dass sich damals ein Bereichsvorstand wie der Mitangeklagte Fe. ohne ‚Absegnung von oben’ auf so etwas wie die schriftliche Rahmenvereinbarung vom 22. Januar 2001 eingelassen hätte“ (UA S. 92). Dies legt nahe, dass die Strafkammer davon ausging, dass der Abschluss der getroffenen Vereinbarung und die darauf zurückgehenden Zahlungen an den Angeklagten S. von einer Einwilligung des Zentralvorstandes der Siemens AG gedeckt waren. Dann bedurfte es aber näherer Begründung, warum das Unterlassen der Unterrichtung des Vorstandes geeignet war, die Pflichtwidrigkeit der Handlungen des Mitangeklagten Fe. zu begründen.
34
cc) Der Senat hat jedenfalls Bedenken, dass die Annahme des Landgerichts zutrifft, der Mitangeklagte Fe. habe die ihn treffende Vermögensbetreuungspflicht auch deshalb verletzt, weil die Zahlungen an das Unternehmen des Angeklagten S. gegen die Strafvorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verstoßen. Denn bei dieser Norm handelt es sich nicht um eine das zu betreuende Vermögen - hier der Siemens AG - schützende Vorschrift. Schutzzweck dieser Strafvorschrift ist vielmehr - allein - die Integrität der Wahl des Betriebsrats , namentlich die Freiheit der Willensbetätigung der Wahlbeteiligten i.S.d § 20 BetrVG.
35
(1) § 266 StGB ist ein Vermögensdelikt; die Norm schützt das zu betreuende Vermögen im Sinne der Gesamtheit der geldwerten Güter einer Person (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301). Umfang und Grenzen der im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich relevanten Pflichten richten sich nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Es besteht daher eine Anbindung an die zivil- oder öffentlichrechtlichen Grundlagen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187; BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 297; BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 155; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 335; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., Rn. 95 sowie Fischer, StGB, 57. Aufl., § 266 Rn. 58 und SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 31 mwN). Das Pflichtwidrigkeitsmerkmal erschöpft sich dabei aber nicht nach Art eines Blankettmerkmals in der Weiterverweisung auf genau bezeichnete Vorschriften (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., Rn. 97); es handelt sich vielmehr um ein komplexes normatives Tatbestandsmerkmal (vgl. BVerfG aaO mwN). Bei dessen Auslegung ist es von Verfassungs wegen geboten, die Anwendung des Untreuetatbestands auf Fälle klarer und deutlicher (evidenter) Fälle pflichtwidrigen Handelns zu beschränken, Wertungswidersprüche zur Ausgestaltung spezifischer Sanktionsregelungen zu vermeiden und - was hier ausschlaggebend ist - den Charakter des Untreuetatbestands als eines Vermögensdelikts zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1955 - 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 257 ff.; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 297; vgl. auch BVerfG aaO Rn. 110).
36
Im Hinblick auf die tatbestandliche Weite des § 266 Abs. 1 StGB kann daher nicht in jedem (strafbewehrten) Verstoß gegen die Rechtsordnung auch eine i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich relevante Pflichtverletzung erblickt werden. Das folgt aus dem Schutzzweck des § 266 Abs. 1 StGB, der das zu betreuende Vermögen schützt. Eine Normverletzung - hier eine Straftat i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG - ist deshalb in der Regel nur dann pflichtwidrig i.S.v. § 266 StGB, wenn die verletzte Rechtsnorm ihrerseits - wenigstens auch, und sei es mittelbar - vermögensschützenden Charakter für das zu betreuende Vermögen hat, mag die Handlung auch nach anderen Normen pflichtwidrig sein und unter Umständen sogar Schadensersatzansprüche gegenüber dem Treuepflichtigen auslösen. Nur dann, wenn die unmittelbar verletzte Rechtsnorm selbst vermögensschützenden Charakter hat, liegt der untreuespezifische Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und geschütztem Rechtsgut i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB vor. Fehlt es daran, kann der Gesetzesverstoß, soweit er für sich sanktionsbewehrt ist, nach Maßgabe des diesbezüglichen Sanktionstatbestandes geahndet werden. Der Gesetzesverstoß kann darüber hinaus auch geeignet sein, Schadensersatzansprüche zu begründen. Eine - daneben tretende - Pflichtwidrigkeit i.S.d § 266 StGB wegen Untreue kann allein aus diesem Gesetzesverstoß aber grundsätzlich noch nicht abgeleitet werden. Ob etwas anderes gilt, wenn an die Verletzung einer solchen Rechtsnorm eine spezifische, sich vermögensmindernd auswirkende Sanktion anknüpft, lässt der Senat offen. Das BetrVG jedenfalls sieht eine solche sich vermögensmindernd auswirkende Sanktion nicht vor.
37
(2) Bei einer Aktiengesellschaft bestimmen sich Umfang und Grenzen der Vermögensbetreuungspflichten der Organe grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 76, 93, 116 AktG (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 335 f. für den Aufsichtsrat; BGH, Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08, BGHSt 54, 148 Rn. 36 für den Vorstand). Die den Organen einer Aktiengesellschaft angehörenden Personen haben deshalb - auch gegenüber der Aktiengesellschaft selbst - die rechtlichen Pflichten und Vorgaben der Rechtsordnung einzuhalten (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1993 - II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127; Spindler in MünchKomm-AktG, 3. Aufl., § 93 Rn. 63 ff. mwN). Die somit für die Organe einer Aktiengesellschaft bestehende Legalitätspflicht bedingt, dass kein aktienrechtlich geschützter Handlungsspielraum für „profitable Pflichtverletzungen“ besteht (vgl. Fleischer, ZIP 2005, 141, 145 mwN). Verstöße gegen die Legalitätspflicht können auch im Verhältnis zur Gesellschaft selbst nicht mit dem Vorbringen gerechtfertigt werden , sie lägen in deren Interesse; die Bindung an gesetzliche Vorschriften hat vielmehr Vorrang (BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09 mwN). Gesetzesverstöße , wie hier der Verstoß gegen § 119 BetrVG, stellen daher - in aktienrechtlicher Hinsicht - eine Verletzung der in § 93 Abs. 1 und § 116 Satz 1 AktG statuierten Pflichten dar und können zivilrechtliche Rechtsfolgen begründen.
38
Dies hat aber nicht zur Folge, dass die primär verletzte Rechtsnorm, wenn sie nicht das betreute Vermögen schützt, allein dadurch vermögensschützend wird, dass ihre Verletzung zugleich eine Verletzung aktienrechtlicher Vorschriften darstellt. Anders gewendet heißt dies: Liegt der Verstoß gegen die §§ 93, 116 AktG allein darin, dass eine nicht vermögensschützende Norm außerhalb des Aktiengesetzes verletzt wird, führt dies nicht dazu, dass die Verletzung einer vermögensschützenden Norm im Sinne einer Pflichtverletzung gemäß § 266 Abs. 1 StGB vorläge, nur weil die primär verletzte Pflicht durch die §§ 93, 116 AktG zu einer aktienrechtlichen Pflicht der Organe der Aktiengesellschaft wird. Denn auch die §§ 93, 116 AktG sind Vorschriften von erheblicher Unbestimmtheit und generalklauselartigem Charakter (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., Rn. 97). Eine allein auf die Verletzung dieser Vorschriften abstellende Auslegung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals des § 266 Abs. 1 StGB wäre daher nicht geeignet, die verfassungsrechtlich gebotene Beschränkung der Anwendung des Untreuetatbestands auf evidente Fälle pflicht- widrigen Handelns zu beschränken und damit den Charakter des Untreuetatbestands als eines Vermögensdelikts zu bewahren. Wollte man dies anders sehen , würde letztlich jeder Gesetzesverstoß (etwa auch die Beauftragung einer Werbeagentur mit einer i.S.v. § 3 UWG unlauteren Werbung) gleichzeitig eine pflichtwidrige Handlung i.S.v. § 266 StGB darstellen und - bei Vorliegen eines Vermögensnachteils - den Tatbestand der Untreue erfüllen. Dies würde nicht nur dem Untreuetatbestand jegliche Kontur nehmen; es wäre bei weniger gewichtigen Verstößen gegen selbst nicht strafbewehrte Normen vielfach auch nicht mehr mit der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts zu vereinbaren.
39
Maßgeblich ist daher auch bei Verstößen gegen die §§ 93, 116 AktG, ob die primär verletzte Rechtsnorm, deren Verletzung zugleich den Verstoß gegen diese aktienrechtlichen Vorschriften bildet, vermögensschützenden Charakter hat. Dies ist bei der Strafnorm des § 119 BetrVG nicht der Fall. Die Vorschrift des § 119 BetrVG dient allein dem Schutz der Wahl und der Funktionsfähigkeit der im Gesetz aufgeführten betriebsverfassungsrechtlichen Organe (vgl. Oetker in GK-BetrVG, 9. Aufl., § 119 Rn. 6). Der Verstoß gegen § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BetrVG ist daher für sich allein nicht geeignet, eine Pflichtwidrigkeit der Handlungen des Mitangeklagten Fe. i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB zu begründen. Das dadurch verwirklichte Unrecht kann im vorliegenden Fall strafrechtlich allein nach Maßgabe des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BetrVG geahndet werden. Eine eventuelle, sich aus dem Verstoß gegen aktienrechtliche Vorschriften ergebende zivilrechtliche Haftung bleibt davon unberührt.
40
dd) Demnach kann ein i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB pflichtwidriges und zudem vermögensschädigendes Verhalten des Mitangeklagten Fe. allein darin erblickt werden, dass er die Zahlungen auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung veranlasste, ohne selbst eine ausreichende inhaltliche Kontrolle http://www.juris.de/jportal/portal/t/msz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE045903307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 22 - durchzuführen oder zumindest dafür Sorge zu tragen, dass Dritte eine inhaltliche Kontrolle durchführen. Überprüfungen wurden zudem dadurch erschwert, dass die tatsächlichen Rechtsverhältnisse durch Scheinrechnungen verschleiert wurden. Ein solches Vorgehen ist mit den - insoweit fraglos vermögensschützenden - Pflichten, die den Mitangeklagten Fe. allgemein aufgrund seiner Stellung innerhalb der Siemens AG und im Speziellen bei Abwicklung der zwischen der Siemens AG und dem Angeklagten S. getroffenen Vereinbarung trafen, nicht zu vereinbaren. Denn dadurch wurde bereits die Prüfung durch die zuständigen Stellen vereitelt, ob die Leistungen der Siemens AG in einem äquivalenten Verhältnis zu den mit der Vereinbarung erlangten Vermögensvorteilen des Unternehmens stehen. Insoweit belegen die bisherigen Feststellungen aber nicht, dass der Siemens AG durch diese Verletzung der dem Mitangeklagten Fe. obliegenden Vermögensbetreungspflicht auch ein Nachteil i.S.v. § 266 StGB entstanden ist.
41
Ein dem betreuten Vermögen zugefügter Nachteil i.S.d. § 266 StGB ist jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße. Die Vermögensminderung ist dabei nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung (Vermögensvergleich ) festzustellen (BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301; BGH, Urteil vom 11. Juli 2000 - 1 StR 93/00, wistra 2000, 384, 386 mwN; BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379 mwN). Ein Nachteil liegt deshalb nicht vor, wenn durch die Tathandlung zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird. Werterhöhend kann auch eine vermögenswerte realistische Gewinnerwartung wirken (BGH, Beschluss vom 29. November 1995 - 5 StR 495/95, NStZ 1996, 191; BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). http://www.juris.de/jportal/portal/t/u7n/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE310702008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/u7n/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE310702008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/u7n/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302822009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/u7n/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302822009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/u7n/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE090052076&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 23 -
42
Beim Vermögen als Rechtsgut und Bezugspunkt des anzustellenden Vergleichs handelt es sich allerdings nicht um einen der sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar zugänglichen Gegenstand, sondern um eine wirtschaftliche Größe, deren Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt sich erst aus einer Bewertung ergibt. In deren Rahmen bedarf es der Entscheidung, welche Vermögenspositionen in die Wertbestimmung einfließen und wie deren Wert zu ermitteln ist. Hierbei können normative Erwägungen eine Rolle spielen. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen. Stets ist zu prüfen , ob das verbotene Geschäft - wirtschaftlich betrachtet - nachteilig war (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379 mwN; BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2452; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. Rn. 102, 114).
43
Der Vermögensnachteil stellt hierbei ein selbständiges neben dem der Pflichtverletzung stehendes Tatbestandsmerkmal dar, das nicht in dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit aufgehen darf. Deswegen sind eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2452; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331; BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 StR 410/09, NStZ 2010, 329, 330; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. Rn. 112, 113 f. mwN).
44
An diesen Grundsätzen gemessen erweisen sich die Wertungen des Landgerichts, nach denen die auf Grundlage der Scheinrechnung erfolgenden Zahlungen der Siemens AG an die AUB einen endgültigen Schaden i.S.v. § 266 StGB verursachten, da kein den Geldabfluss kompensierender Vermögensvor- teil bei der Siemens AG gegeben sei (UA S. 128), aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht als tragfähig. Das Landgericht stellt zwar fest, dass der Siemens AG infolge der Zusammenarbeit mit der AUB finanzielle Vorteile erwachsen seien. Diese Vorteile stellen nach Auffassung des Landgerichts indes keinen unmittelbaren Vermögenszuwachs dar, sondern vielmehr lediglich eine „vage Chance“, die nicht konkret messbar sei.
45
Das Landgericht hat dabei nicht hinreichend bedacht, dass ein unmittelbarer , den Vermögensnachteil kompensierender Vermögensvorteil nicht nur dann gegeben ist, wenn die schadensausschließende Kompensation in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung steht. Denn „unmittelbar“ heißt insoweit nicht zeitgleich bzw. sofort oder auch nur bald. Eine unmittelbare Schadenskompensation ist vielmehr dann gegeben, wenn keine weitere, selbstständige Handlung mehr hinzutreten muss, damit der kompensationsfähige Vermögenszuwachs entsteht (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 266 Rn. 166 mwN).
46
Mit den im Tatzeitraum geleisteten Zahlungen an den Angeklagten S. , die den Fortbestand der AUB sicherstellten, wurde aus Sicht der Verantwortlichen der Siemens AG - jedenfalls im Tatzeitraum - der mit den Zahlungen angestrebte wirtschaftliche Vorteil, auf den bei der Gesamtsaldierung allein abzustellen ist (BGH, Urteil vom 28. Januar 1983 - 1 StR 820/81, BGHSt 31, 232, 234 f.; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 298; BGH, Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323 Rn. 45 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., Rn. 142, 153, 150), bereits erreicht. Angesichts der nach den Feststellungen zu diesem Zeitpunkt gegebenen Etablierung der AUB hätte es weitergehender Darlegung bedurft, warum die Zahlungen lediglich zu einer vagen Chance, nicht aber zu einem bereits messbaren Vermögenszuwachs geführt hätten. Aufgrund des zur Tatzeit etablierten und „bewährten“ Systems sind die Zuwendungen auch nicht mit Fällen vergleichbar, bei denen durch Einsatz von Bestechungsgeldern in nicht konkretisierten zukünftigen Fällen dem Vermögensinhaber günstige Vertragsabschlüsse erreicht werden sollen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323 Rn. 45).
47
2. Eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Untreue würde daher weitergehende als die bisher getroffenen Feststellungen erfordern. Namentlich wären die seitens des Landgerichts festgestellten wirtschaftlichen Vorteile, welche die Siemens AG aufgrund der mit dem Angeklagten S. getroffenen Vereinbarung erzielte, in betriebswirtschaftlicher Hinsicht - erforderlichenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen - zu bewerten und mit den von der Siemens AG geleisteten Zahlungen zu saldieren. Dies gebietet aus verfahrensökonomischen Gründen die Beschränkung des Verfahrens im Fall III. 1 und 2 der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 auf den Vorwurf des Betruges des Angeklagten S. zum Nachteil der Siemens AG.

III.


48
Der Schuldspruch im Übrigen hat Bestand.
49
1. Der Schuldspruch des Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Haupttäters Fe. seitens der Siemens AG in 20 Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Indem S. an dem zur Verschleierung der Zahlungen an die AUB ersonnenen System von Scheinverträ- gen und -rechnungen mitwirkte, leistete er jeweils Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 27 Abs. 1 StGB.
50
a) Die getroffenen Feststellungen belegen die Wertung des Landgerichts , der Mitangeklagte Fe. habe bewirkt, dass durch unrichtige Angaben gegenüber den Finanzbehörden von der Siem ens AG geschuldete Ertragssteuern verkürzt wurden und die Gesellschaft nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangte. Denn die Scheinrechnungen berechtigten die Siemens AG nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG, da ihnen keine Leistungen zu Grunde lagen. Zudem waren die durch die Scheinrechnungen des Angeklagten S. verschleierten Zahlungen an das Unternehmen des Angeklagten S. nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG, § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht als Betriebsausgaben abziehbar, da es sich bei diesen Zahlungen um die Zuwendung von Vorteilen handelte, die als rechtswidrige Handlungen den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichten. Sie erfüllen den Tatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BetrVG.
51
Der Senat teilt nicht die vom Beschwerdeführer und teilweise in der Literatur erhobenen Bedenken gegen eine weite Auslegung des Begriffs der Beeinflussung der Wahl (vgl. dazu Joecks in MünchKommStGB, § 119 BetrVG; Kudlich in Festschrift für Heinz Stöckel, 2009, S. 93 ff.; das gilt auch für die von Prof. Dr. Joecks in einem Rechtsgutachten im Auftrag des Angeklagten S. in diesem Verfahren vor dem Landgericht vorgebrachten Bedenken). Er ist insbesondere der Auffassung, dass diese Strafnorm hinreichend klar und bestimmt im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG ist, so dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 119 BetrVG das steuerliche Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG ausgelöst wird.
52
aa) Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BetrVG macht sich strafbar, wer eine Wahl des Betriebsrats eines Unternehmens durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst. Hierdurch werden Verstöße gegen das Verbot des § 20 Abs. 2 BetrVG sanktioniert. § 20 Abs. 2 BetrVG schützt - zusammen mit dem Verbot des § 20 Abs. 1 BetrVG, das nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BetrVG strafbewehrt ist - umfassend die Integrität der Wahl (vgl. Fitting, BetrVG, 25. Aufl. § 20 Rn. 20). Dadurch soll eine Beeinflussung des Wahlergebnisses in einer nicht von der Rechtsordnung gebilligten Weise ausgeschlossen werden (so auch OVG Münster, Beschluss vom 10. November 2005 - 1 A 5076/04, BeckRS, 2006, 20067 zum im Wesentlichen inhaltsgleichen § 21 Abs. 1 LPVG NRW).
53
Das Verbot in § 20 Abs. 1 BetrVG gewährleistet dabei die Freiheit der Willensbetätigung der Wahlbeteiligten (vgl. Vogt BB 1987, 189, 190 mwN; Kreutz in GK-BetrVG, 9. Aufl., § 20 Rn. 24). Der vorliegend maßgebliche § 20 Abs. 2 BetrVG zielt demgegenüber auf die Sicherung der freien Willensbildung der Wahlbeteiligten ab (Kreutz aaO mwN). Vor diesem Hintergrund erfasst das Verbot des § 20 Abs. 2 BetrVG - und ihm folgenden der Straftatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BetrVG (vgl. Oetker in GK-BetrVG, 9. Aufl., § 119 Rn. 12 mwN) - nicht nur die unmittelbare Beeinflussung des - aktiv oder passiv - Wahlberechtigten, sein Wahlrecht in der einen oder anderen Art und Weise auszuüben (z.B. in Form des Stimmenkaufs oder durch Vorteilsgewährung, wenn sich ein Arbeitnehmer nicht als Wahlkandidat aufstellen lässt). Vielmehr ist - sowohl nach dem Wortsinn, als auch nach dem Zweck der Vorschrift - auch die Gewährung solcher Vorteile erfasst, die sich mittelbar auf die Wahl auswirken , indem sie die innere Willensbildung der Wahlberechtigten beeinflussen.
54
Insoweit ist anerkannt, dass sich der Arbeitgeber grundsätzlich nicht in die Wahlpropaganda einschalten, insbesondere nicht für einen Kandidaten werben darf (vgl. Thüsing in Richardi BetrVG, 12. Aufl., § 20 Rn. 18 mwN; Fitting BetrVG, 25. Aufl., § 20 Rn. 24; Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht , 10. Aufl., BetrVG § 20 Rn. 6 f.). Denn dies ist nicht mit dem den Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl treffenden Neutralitätsgebot zu vereinbaren, das daraus folgt, dass die Betriebsratswahl der Legitimation der betrieblichen Arbeitnehmerrepräsentanten dient, die im Verhältnis zum Arbeitgeber die Beteiligungsrechte der Belegschaft ausüben (vgl. Thüsing aaO). Die Vorteilsgewährung muss dabei nicht zwingend gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer erfolgen, eine unzulässige Wahlbeeinflussung liegt vielmehr auch dann vor, wenn einer Gruppe von Arbeitnehmern ein Vorteil zugesagt wird (vgl. Thüsing aaO Rn. 17 mwN, auch zur Gegenauffassung).
55
Davon ausgehend ist auch die finanzielle oder sonstige tatsächliche Unterstützung von Wahlpropaganda einer Vorschlagsliste durch den Arbeitgeber nach § 20 Abs. 2 BetrVG verboten (BAGE 53, 385; ebenso Koch aaO; Fitting aaO; aA Kreutz aaO Rn. 30; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 10. November 2005 - 1 A 5076/04, BeckRS 2006, 20067 zum im Wesentlichen inhaltsgleichen § 21 Abs. 1 LPVG NRW). Denn auch dadurch, dass einer Vorschlagsliste durch die Zuwendung von Geldmitteln ermöglicht wird, sich im Zusammenhang mit der Wahl nachhaltiger als sonst möglich zu präsentieren, wird die Willensbildung der Wahlberechtigten mittelbar beeinflusst. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die finanzielle Unterstützung einzelner Kandidaten oder einer bei der Betriebsratswahl zur Wahl stehenden Liste durch den Arbeitgeber verschleiert wird. Die tatbestandsmäßige Beeinflussung der Betriebsratswahl besteht insoweit nicht allein - worauf in der Literatur teilweise abgestellt wird (Joecks in MünchKommStGB, § 119 BetrVG Rn. 16; Kudlich in Fest- schrift für Heinz Stöckel, 2009, S. 93 , 110 f.) - in der infrastrukturellen Unterstützung einer betriebsverfassungsrechtlichen Wahlliste, sondern auch in der damit einhergehenden Verschleierung der Finanzierung, die zudem nicht mit dem Neutralitätsgebot des § 75 BetrVG zu vereinbaren ist. Die aktiv Wahlberechtigten können unter diesen Voraussetzungen eine von Willensmängeln freie Wahlentscheidung nicht treffen.
56
bb) Nach diesen Maßstäben wurde vorliegend durch die Zahlungen an den Angeklagten S. , die dieser zum Ausbau der AUB verwenden sollte, gegen § 20 Abs. 2 BetrVG verstoßen. Denn mit den Geldern wurde plangemäß erreicht, dass Kandidaten, die auf der Liste der AUB bei Betriebsratswahlen antraten, in die Betriebsräte gewählt werden konnten, um so über die Verschiebung der Kräfteverhältnisse in den Betriebsräten die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Siemens AG zum Nachteil der dort vertretenen Mitglieder der IG Metall zu verändern.
57
Die Urteilsfeststellungen belegen hinreichend, dass durch die Vorteilsgewährungen an die AUB und die Karriereversprechen gegenüber deren Kandidaten die durchgeführten Betriebsratswahlen auch tatsächlich beeinflusst wurden. Bei dem Vorgehen handelte es sich nicht lediglich um eine gezielte Einflussnahme auf bestimmte einzelne Betriebsratswahlen; vielmehr wurde über Jahre hinweg das Gesamtkonzept verfolgt, mittels der Unterstützung der AUB alle anstehenden Betriebsratswahlen zu beeinflussen, um später Arbeitgeberinteressen leichter durchsetzen zu können.
58
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen bestand bei der Siemens AG bereits seit dem Jahr 1990 die Absicht, ein Gegengewicht zur IG Metall zu schaffen und eine Betriebsräteorganisation zu fördern, die sich koope- rativer gegenüber der Arbeitgeberseite zeigt (UA S. 14). Einzelne Verantwortliche der Siemens AG kamen deshalb mit dem Angeklagten S. überein, dass die IG Metall in den Gremien des Aufsichtsrats und der Betriebsräte durch Unterstützung der AUB zurückgedrängt werden sollte (UA S. 20). Abredegemäß stellte die Siemens AG eigenes Personal für die Tätigkeit bei der AUB bereit und unterstützte den Aufbau der AUB durch Zahlungen in Millionenhöhe , deren Grundlage fingierte Beratungs- und Schulungsverträge waren (UA S. 24).
59
Entsprechend der Vereinbarung warb der Angeklagte S. in den Personalabteilungen für die Kandidatur auf der Liste der AUB, auch mit dem Argument, dass die Kandidatur von der Siemens AG mit Vorteilen für deren weiteren Aufstieg verbunden sei. Durch die Zusammenarbeit zwischen den Personalabteilungen konnten dann auch tatsächlich „zukunftsfähige“ Kandidaten gefunden werden (UA S. 24, 42). Die Vorauswahl der Kandidaten trafen der Angeklagte S. und die Personalabteilungen (UA S. 105). Von den Mitgliedern der AUB waren im Jahr 2006 ca. ein Drittel bis die Hälfte in Betriebsräte - wenn auch nicht nur bei der Siemens AG - gelangt (UA S. 43). Dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn die AUB von der Siemens AG nicht unterstützt worden wäre. Vielmehr wäre die AUB ohne die erhebliche finanzielle Unterstützung der Siemens AG nicht überlebensfähig gewesen (UA S. 95). Damit ist die Beeinflussung der Betriebsratswahlen bereits durch das Wahlergebnis belegt. Die Beeinflussung der Betriebsratswahlen liegt aber unabhängig vom konkreten Wahlergebnis schon darin, dass die Zahlungen der Siemens AG für die Finanzierung der Wahlwerbung der AUB verwendet wurden.
60
Auch durch die Zahlungen an die AUB, die nicht unmittelbar in die Finanzierung von Wahlkampfwerbung flossen, wurden die anstehenden Betriebs- ratswahlen beeinflusst. Bereits in den 1990er Jahren hätte der Verein die Kosten für Werbe- und Informationsmaterial sowie seiner Infrastruktur und für die von ihm angebotenen Leistungen aus seinen satzungsmäßigen Einnahmequellen nicht tragen können. Dies hätte aber zur Folge gehabt, dass der von den Verantwortlichen der Siemens AG verfolgte und vom Angeklagten S. unterstützte Plan, die Kandidaten der AUB bei den Betriebsratswahlen als Gegenpol zu den Kandidaten der IG Metall zu etablieren, gescheitert wäre. Seitens der AUB hätten ohne die finanzielle Unterstützung durch die Siemens AG bereits keine Gegenkandidaten aufgestellt werden können. Damit liegt auch in der nach außen nicht erkennbaren Gewährleistung der auf die Kandidatenaufstellung gerichteten Tätigkeit der AUB eine Beeinflussung der Wahlen. Durch das kollusive Zusammenwirken von Verantwortlichen der Siemens AG mit dem Angeklagten S. wurden immer wieder der Firma Siemens genehme Betriebsratskandidaten auf einer angeblich „unabhängigen“ Liste (AUB) platziert, deren Hintergrund und Motivation die Wahlberechtigten der Betriebsratswahlen nicht kannten (UA S. 134). Der Angeklagte S. selbst hat vorgetragen, dass die AUB Probleme bekommen hätte, wenn bekannt geworden wäre, dass sie von der Siemens AG gefördert wurde. Allein dies hätte gereicht, dass „die Leute uns nicht mehr gewählt hätten“ (UA S. 78).
61
Diese Wahlbeeinflussung führte unter anderem dazu, dass an den Standorten, an denen die AUB im Betriebsrat vertreten war und auch den in von der „AUB dominierten Betriebsräten“ firmenstrategische Maßnahmen der Siemens AG u.a. durch Betriebsvereinbarungen erleichtert wurden und dieser wirtschaftliche Vorteile brachten (UA S. 24, 42, 43).
62
Der Umstand, dass das Urteil keine Feststellungen dazu enthält, wie Betriebsratswahlen mit welchem konkreten Wahlergebnis durch die Zahlungen (kausal) beeinflusst wurden, ist für die Erfüllung des Tatbestands des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unerheblich. Der Kausalitätsnachweis lässt sich in der Regel schon deshalb nicht führen, weil der Betriebsrat in geheimer Wahl gewählt wird (§ 14 Abs. 1 BetrVG). Ausreichend ist vielmehr schon der Umstand, dass sich wegen der Vorteilsgewährungen tatsächlich der Siemens AG genehme Gegenkandidaten für die Betriebsratswahlen gefunden haben. Allein dies hat schon die Wahl beeinflusst.
63
Auch kann für die Frage, ob eine Zahlung gegen das Verbot des § 20 Abs. 2 BetrVG verstößt, nicht auf den jeweiligen Zeitpunkt der Zahlung abgestellt und gefordert werden, dass die Zahlung unmittelbar zeitlich zur Betriebsratswahl erfolgt. Gerade die hier gewählte Strategie, die Mitbestimmungsverhältnisse nachhaltig zu verändern, erforderte ein längerfristiges Vorgehen, das „notwendigerweise“ schon im Vorfeld des eigentlichen Wahlvorgangs angelegt sein musste. So sahen es ersichtlich auch der Angeklagte S. und die Verantwortlichen der Siemens AG, was - von deren Standpunkt aus - folgerichtig und deshalb auch erfolgreich war. Hinzu kommt: Wollte man dies anders sehen, könnten die Beteiligten das Wahlbeeinflussungsverbot des § 20 Abs. 2 BetrVG dadurch umgehen, dass sie die Vorteile in einem zeitlichen Abstand zu der Wahl gewähren.
64
b) Da demnach ein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 BetrVG gegeben ist und der Mitangeklagte Fe. diesbezüglich auch vorsätzlich handelte, hat er, indem er die Zahlungen veranlasste, auch den Tatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BetrVG erfüllt. Dies ergibt sich daraus, dass diese Norm den Wortlaut des § 20 Abs. 2 BetrVG übernimmt und zwischen beiden Vorschriften ein systematischer und teleologischer Zusammenhang besteht (vgl. Oetker in GK-BetrVG, 9. Aufl., § 119 Rn. 12 mwN). Der für die Verwirklichung des Tatbe- standes notwendige Erfolg (vgl. Oetker aaO Rn. 13 mwN) ist nach den vorstehenden Ausführungen eingetreten. Die Zahlungen der Siemens AG haben die freie Willensbildung bei den jeweiligen Betriebsratswahlen und damit deren Integrität beeinflusst.
65
Bei der gegebenen Sachlage muss der Senat nicht abschließend entscheiden , ob es - wie teilweise vertreten wird (vgl. Sax, Die Strafbestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, Diss. 1975 S. 73 f.; Dannecker in Festschrift für Gitter, 1995, 167, 179) - verfassungsrechtlich geboten ist, den Anwendungsbereich von § 119 BetrVG im Wege der teleologischen Reduktion auf solche Verstöße zu beschränken, die sich als erheblich erweisen. Denn die verfahrensgegenständlichen Zahlungen, die über mehrere Jahre unter Verschleierung ihres tatsächlichen Zwecks und unter nachhaltigem Verstoß gegen das dem Arbeitgeber nach dem Betriebsverfassungsgesetz in Bezug auf die Betriebsratswahlen treffende Neutralitätsgebot geleistet wurden, um - im Ergebnis auch erfolgreich - zur einseitigen Förderung der Arbeitgeberinteressen, über die Verschiebung der Kräfteverhältnisse in den Betriebsräten die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Siemens AG zum Nachteil der dort vertretenen Mitglieder der IG Metall, die ihrerseits Schutz nach Art. 9 Abs. 3 GG genießt, zu verändern , erweisen sich sowohl im Hinblick auf den Wortlaut, insbesondere aber auch mit Blick auf den von § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BetrVG i.V.m. § 20 Abs. 2 BetrVG verfolgten Zweck als ein erheblicher Verstoß.
66
c) Erfüllten die Zahlungen mithin den Tatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BetrVG, unterfielen sie dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG (vgl. Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG, 201. Aktualisierung September 2009, § 4 Rn. Q 60). Auf die eigenständige Verfolgbarkeit der Straftat kommt es nicht an. Es ist daher auch unbeachtlich, ob der nach § 119 Abs. 2 BetrVG er- forderliche Strafantrag gestellt wurde oder ob hinsichtlich dieser Straftat Verfolgungsverjährung eingetreten ist (Söhn aaO Rn. Q 68 mwN). Indem die Zahlungen gleichwohl als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden, wurden von der Siemens AG geschuldete Steuern verkürzt bzw. ungerechtfertigte Verlustvorträge erlangt.
67
d) Insbesondere im Hinblick darauf, dass die vom Angeklagten S. erstellen Scheinrechnungen mit Wissen des Mitangeklagten Fe. in der Buchhaltung der Siemens AG erfasst wurden, erweist sich auch der Schluss des Landgerichts, dass der Mitangeklagte Fe. die Verkürzung von Steuern zumindest billigend in Kauf nahm, zumindest als möglich, eher sogar als nahe liegend und ist damit rechtlich nicht zu beanstanden.
68
2. Auch soweit der Angeklagte S. hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2000 bis 2004 (Tatkomplex III.4 der Urteilsgründe) wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen (jeweils in gleichartiger Tateinheit von Hinterziehung von Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer ) verurteilt wurde, wird der Schuldspruch von den Feststellungen getragen.

IV.


69
Die Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a StPO im Tatkomplex III.1/2 der Urteilsgründe führt zu einer Änderung und Neufassung des Schuldspruchs. Dabei sieht der Senat davon ab, in den Fällen, in denen sich der Angeklagte S. zugleich mehrfach wegen Steuerhinterziehung, Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder Betrug strafbar gemacht hat, die jeweils gleichartige Tateinheit im Tenor zum Ausdruck zu bringen. Nach § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO genügt die Angabe der rechtlichen Bezeichnung der Tat; daher reicht hier die Bezeichnung „Steuerhinterziehung“, „Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ und „Betrug“ aus. Zwar kann es sich grundsätzlich auch bei gleichartiger Tateinheit empfehlen, dieses Konkurrenzverhältnis im Urteilsspruch kenntlich zu machen. Davon kann aber abgesehen werden, wenn - wie hier - der Tenor unübersichtlich würde. Denn dies widerspräche dem auch zu berücksichtigenden Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2007 - 5 StR 127/07, wistra 2007, 388, 391; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 525/05; BGH, Beschluss vom 27. Juni 1996 - 4 StR 3/96, NStZ 1996, 610, 611). Für die Bezeichnung der Tat gemäß § 260 Abs. 4 StPO genügt bei einer Straftat nach § 370 AO im Übrigen die Angabe „Steuerhinterziehung“. Die Angabe der Steuerart gehört nicht zur Deliktsbezeichnung gemäß § 370 AO (BGH, Beschluss vom 13. September 2007 - 5 StR 292/07, BGHR, StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung 9).
70
Die vom Landgericht angenommene Klammerwirkung der nach § 154a StPO von der Verfolgung ausgenommenen Beihilfe zur Untreue im Hinblick auf sonst an sich rechtlich selbständige Taten des Betruges beschwert den Angeklagten S. nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 1983 - 5 StR 319/83, StV 1983, 457; BGH, Beschluss vom 6. September 1988 - 1 StR 481/88, NStZ 1989, 20).

V.


71
Die rechtsfehlerfrei gebildeten Einzelstrafen im Tatkomplex III.3 der Urteilsgründe können bestehen bleiben. Im Übrigen haben die Strafaussprüche allerdings keinen Bestand.
72
1. Soweit der Angeklagte S. im Tatkomplex III.4 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn das Landgericht hat den Schuldumfang zu Lasten des Angeklagten S. falsch bestimmt. Der Berechnung der hinterzogenen Einkommensteuer und des hinterzogenen Solidaritätszuschlages wurde ein zu hohes zu versteuerndes Einkommen, der Berechnung der hinterzogenen Gewerbesteuer ein zu hoher Gewerbeertrag zu Grunde gelegt. Entgegen der Auffassung der Strafkammer unterfielen die Aufwendungen für die Zwecke der AUB, die der Angeklagte S. von den Konten seines Unternehmens, aber aus Mitteln der Siemens AG tätigte, nicht dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG.
73
Zwar hat der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hingewiesen, dass die Frage, ob ein Abzugsverbot eingreift, für jeden Steuerpflichtigen gesondert zu behandeln ist. Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG würde hier aber bei dem Angeklagten S. im Ergebnis zu einer Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und des in § 40 AO verankerten Grundsatzes der Wertneutralität der Besteuerung (Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG, 201. Aktualisierung September 2009, § 4 Rn. Q 15) führen. Dies gebietet eine restriktive Auslegung des Abzugsverbots. Namentlich dann, wenn - wie hier - die Zuwendung i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG unter Zwischenschaltung eines Dritten gewährt wird, der selbst mit der Zuwendung und bei deren Weiterleitung keine weitergehenden Ziele verfolgt als der eigentliche Vorteilsgeber, greift das Abzugsverbot lediglich bei diesem, nicht aber bei dem - letztlich als (Geld-)Bote fungierenden - Mittler. In solchen Fällen ist die Vorteilszuwendung allein dem eigentlichen Vorteilsgeber zuzurechnen, in dessen Interesse sie auch erfolgt. Nur so kann zudem verhindert werden, dass es zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung des für die Zuwendung aufgewandten Betrages kommt. Ein ande- res Ergebnis ist auch im Hinblick auf den Zweck des Abzugsverbotes i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG - die Bekämpfung der Korruption (BT-Drucks. 13/1686 S. 18; 14/265 S. 170) - nicht geboten. Diesem wird vielmehr hinreichend durch das Abzugsverbot bei dem eigentlichen Vorteilsgeber Rechnung getragen.
74
Der Schuldspruch wird von der fehlerhaften Bestimmung des Schuldumfangs bei den Ertragsteuern nicht berührt, weil - auch im Hinblick auf die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen - auszuschließen ist, dass eine Steuerverkürzung insgesamt entfallen könnte. Auch soweit der Angeklagte S. tateinheitlich zur Hinterziehung der Umsatzsteuer wegen Hinterziehung der Einkommen - und Gewerbesteuer sowie des Solidaritätszuschlags verurteilt wurde, hat der Schuldspruch Bestand. Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen kann ausgeschlossen werden, eine Neuberechnung der Höhe der hinterzogenen Ertragsteuern könnte zu einer derartigen Minderung der Hinterziehungsbeträge führen, dass insoweit der Schuldspruch entfiele (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310, 313 mwN).
75
Der Umstand, dass das Landgericht die gebotene Gewerbesteuerrückstellung mit Hinweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 13. Februar 2008 - I B 175/07 noch nicht bei der Bestimmung des tatbestandsmäßigen Schuldumfangs, sondern erst bei der Strafzumessung berücksichtigt hat, beschwert den Angeklagten S. nicht. Es bleibt daher für ihn ohne nachteilige Auswirkung, dass die vom Landgericht herangezogene Entscheidung nicht die vorliegende Rechtsfrage betrifft. Im Steuerstrafrecht ist bei Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verkürzungsumfangs als Vergleichsgröße zur festgesetzten Steuer die Steuer zugrunde zu legen, die der Steuerpflichtige geschuldet hätte, wenn er zutreffende Angaben gemacht hätte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04, wistra 2005, 144, 145). Dem steht vorliegend auch nicht das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) entgegen, weil die Bildung der Gewerbesteuerrückstellung in unmittelbarem Zusammenhang mit den verschwiegenen steuererhöhenden Umständen steht. Der Vorteil hätte dem Angeklagten S. bei wahrheitsgemäßen Angaben ohne weiteres von Rechts wegen zugestanden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310, 312 mwN).
76
2. Im Hinblick auf die Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a StPO kann auch der Einzelstrafausspruch im Tatkomplex III.1/2 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Durch die Verfolgungsbeschränkung hat sich der Schuldumfang in diesem Tatkomplex verringert. Der Senat kann nicht ausschließen , dass das Landgericht ohne den Vorwurf der Beihilfe zur Untreue und damit allein für den Betrug gegenüber der Siemens AG eine niedrigere - wenn auch, schon wegen des verübten Betrugs in Millionenhöhe, nicht unangemessen erscheinende - Einzelstrafe als drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe verhängt hätte. Dies und die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen des Tatkomplexes III. 4 der Urteilsgründe (Steuerhinterziehung in fünf Fällen; vgl. vorstehend V.1.) zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
77
3. Die Urteilsfeststellungen können bestehen bleiben, da sie von den Fehlern in der Rechtsanwendung, die zur Teilaufhebung des Strafausspruchs führen, nicht betroffen sind. Das neue Tatgericht kann weitere Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehen.

VI.


78
Eine Erstreckung der Schuldspruchänderung und der Aufhebung des Strafausspruchs auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten Fe. findet nicht statt, weil sich die Änderung des Schuldspruchs allein aus der Verfolgungsbeschränkung ergibt (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 359/08 mwN).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 438/12
vom
5. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. März 2013 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 25. April 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Rostock zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Beanstandungen des Verfahrens kommt es deshalb nicht an.
2
1. Das Landgericht hält den Angeklagten, einen Rechtsanwalt, einer Untreue zum Nachteil der Sparkasse S. (im Folgenden: S. ) für schuldig, weil er eine von vorneherein aussichtslose Widerklage erhoben habe. Zusammengefasst hat es folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Die Rechtsanwaltskanzlei des Angeklagten nahm seit dem Jahre 2001 regelmäßig Mandate für die S. wahr. Diese geriet im Jahre 2003 in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Die Meinungsverschiedenheiten, die sich auf der Suche nach einem Weg aus der Krise daraus zwischen dem Verwaltungsrat und den damaligen Vorständen der S. , den Zeugen B. und St. , entwickelten, endeten damit, dass der Verwaltungsrat die Abberufung der Vorstände B. und St. beschloss. Mit Schreiben vom 27. November 2003 erklärte der hierzu vom Verwaltungsrat ermächtigte Verwaltungsratsvorsitzende, der gesondert verfolgte L. , die fristlose Kündigung der Anstellungsverträge. Hiergegen setzten sich die Zeugen B. und St. vor dem Landgericht Stralsund zur Wehr.
4
In der Folgezeit beauftragten L. und der neue Vorstandsvorsitzende der S. Ba. die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft D. & T. GmbH (im Folgenden: D & T) mit der Überprüfung des Kredit- und Wertpapiergeschäfts sowie der personalpolitischen Maßnahmen der früheren Vorstände B. und St. . In ihrem Gutachten vom 15. Dezember 2004 kam die D & T zu dem Ergebnis, dass der S. unter den Vorständen B. und St. in den genannten Geschäftsbereichen seit dem Jahre 2002 jeweils Verluste in Höhe von mehreren Millionen Euro entstanden seien. Eventuelle zivil- und strafrechtliche Konsequenzen seien einer rechtlichen Prüfung vorzubehalten.
5
Auf der Grundlage dieses Gutachtens erteilten L. sowie die Vorstände der S. Dr. Sch. und K. , dieser als Vertreter für den Vorstandsvorsitzenden Ba. , der Kanzlei des Angeklagten die Vollmacht zur Erhebung einer auf den Ausgleich der insgesamt entstandenen Verluste gerichteten Widerklage gegen die Zeugen B. und St. . Unter dem 27. Dezember 2004 erhob der Angeklagte dementsprechend eine Widerklage auf Zahlung von 18.748.000 €. In seiner Widerklageschrift übernahm der Angeklagte weitge- hend nahezu wörtlich die Ausführungen aus dem Gutachten von D & T. Mit Anwaltsschreiben an den neuen Vorstandsvorsitzenden H. vom 22. August 2005 boten B. und St. einen Vergleich an. Dieser wurde von der Sparkasse ohne Mitwirkung des Angeklagten abgelehnt. Mit Urteil vom 13. Juni 2007 wies das Landgericht Stralsund die Widerklage ab. Zur Begründung führte es aus, es fehle an einer ordnungsgemäßen Prozessvollmacht des Angeklagten ; hierfür sei ein Beschluss des Verwaltungsrats der S. erforderlich gewesen. Im Übrigen sei die Widerklage auch unbegründet, da keine Pflichtverletzungen der ehemaligen Vorstände B. und St. festgestellt werden könnten.
6
Die Sparkasse entzog dem Angeklagten sodann das Mandat. Der Verwaltungsrat beschloss am 14. September 2007, die Erhebung der Widerklage zu genehmigen und gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund Berufung einzulegen , jedoch auf Vorschlag des neuen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt F. begrenzt auf eine Schadenssumme von 5.000.000 €. Mit Beschluss vom 30. Mai 2008 wies das Oberlandesgericht Rostock das Rechtsmittel zurück. Die geänderte Schadensberechnung stelle eine unzulässige Klageänderung dar. Der Schadensersatzanspruch sei im Übrigen auch in der Sache nicht begründet.
7
Das Landgericht ist der Auffassung, dass sich der Angeklagte danach der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht. Er habe, wie die Strafkammer weiter festgestellt hat, die Widerklage erhoben, obwohl er gewusst habe, dass diese keine Aussicht auf Erfolg gehabt und zudem nicht die Möglichkeit bestanden habe, im Falle des Obsiegens die Forderung über den von einer Versicherung abgedeckten Betrag von 5.000.000 DM hinaus zu reali- sieren. Dem Angeklagten, dem gegenüber der S. aufgrund seiner Stellung als weitgehend selbständig für diese tätiger Rechtsanwalt eine Vermögensfürsorgepflicht oblegen habe, sei es darum gegangen, durch die Erhebung der Widerklage Gebühreneinkünfte zu erzielen, auf die er in einer äußerst schwierigen finanziellen Situation dringend angewiesen gewesen sei.
8
2. Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB sind durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht belegt. Diesen lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass den Angeklagten bei Erhebung der Widerklage eine hierauf bezogene Vermögensbetreuungspflicht im Sinne der Vorschrift gegenüber der S. traf.
9
a) Voraussetzung des Treubruchstatbestandes gemäß § 266 Abs. 1 StGB ist die tatsächliche Einwirkungsmacht auf fremdes Vermögen, der ein besonders schützenswertes Vertrauen in die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zugrunde liegt. Wegen der Weite des Tatbestandes sind die durch § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützten Treueverhältnisse auf die Fälle zu beschränken, in denen für den Betreuenden eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen begründet wird. Diese muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Erforderlich ist, dass sich die Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, also als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Es muss hinzukommen, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spiel- raums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 208 ff.; BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428 mwN).
10
Der nähere Inhalt des so umschriebenen Treueverhältnisses ergibt sich, wenn er - wie hier allein in Betracht kommend - auf einem Rechtsgeschäft beruht , regelmäßig aus dem allgemeinen Zivil- oder Gesellschaftsrecht (BGH, Urteil vom 13. April 2010 - 5 StR 428/09, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 47). Dabei kann eine vertragliche Beziehung, die sich insgesamt als Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 darstellt, Verpflichtungen enthalten, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt wird. Maßgebend für die Abgrenzung sind insoweit Inhalt und Umfang der Treueabrede, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen bei sachgerechter Auslegung ergibt (BGH, Urteile vom 30. Oktober 1985 - 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361, 362; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 544/90, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 17; Beschluss vom 11. August 1993 - 2 StR 309/93, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 22).
11
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Rechtsprechung die zivilrechtlich als Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB einzuordnende Rechtsbeziehung zwischen einem mit der Führung eines bürgerlichen Rechtsstreits beauftragten Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber grundsätzlich als Rechtsverhältnis angesehen, das für den Rechtsanwalt Treuepflichten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründen kann. Sie hat jedoch ausdrücklich offen gelassen , ob dies immer der Fall ist und im Zusammenhang mit der Beauftragung des Rechtsanwalts zur Einziehung und Durchsetzung von Forderungen auf den Einzelfall abgestellt (BGH, Urteile vom 29. April 1960 - 4 StR 544/59, NJW 1960, 1629; vom 6. Februar 1961 - AnwSt (R) 3/60, BGHSt 15, 372; vom 11. November 1982 - 4 StR 406/82, NJW 1983, 461). Danach wurde eine strafbewehrte Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens etwa unter der Voraussetzung angenommen, dass der Rechtsanwalt eine Geldforderung von beträchtlicher Höhe geltend zu machen hatte, er damit wegen seiner besonderen Sachkunde betraut war, es ihm überlassen war, wie er die Forderung durchsetzte, er an besondere Weisungen oder Beschränkungen nicht gebunden und zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt war (BGH, Urteil vom 11.November 1982 - 4 StR 406/82, NJW 1983, 461).
12
b) Nach diesen Maßstäben, von denen auch das Landgericht ausgeht, belegen die Feststellungen die Verletzung einer selbständigen Pflicht des Angeklagten , das Vermögen der S. zu betreuen, nicht.
13
Die Urteilsgründe teilen bereits Näheres zu Zustandekommen, Inhalt und Ausgestaltung des Mandatsverhältnisses zwischen dem Angeklagten und der S. nicht mit. Ihnen ist daher nicht zu entnehmen, dass dem Angeklagten die Entscheidung über das "ob" und "wie" der Widerklage zur selbstverantwortlichen Umsetzung nach eigener Beurteilung übertragen worden war. Eine derartige Selbständigkeit ergibt sich auch nicht aus ihrem Zusammenhang. Der festgestellte Kontext der Widerklageerhebung spricht im Gegenteil eher dagegen, dass der Angeklagte im Zusammenhang hiermit über einen Freiraum verfügte, der ausreichte, um eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB begründen zu können. So holte die S. vor Erhebung der Widerklage ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein. Der Inhalt der Widerklage beruhte sodann nicht auf Vorgaben des Angeklagten, sondern folgte ganz weit- gehend den dortigen Ausführungen. Hinzu kommt, dass die S. mit den Widerbeklagten während des erstinstanzlichen Zivilverfahrens über eine einverständliche Beendigung des Rechtsstreits verhandelte, ohne dass der Angeklagte hiervon überhaupt wusste und in die Vergleichsverhandlungen eingebunden war.
14
Demgegenüber tragen die vom Landgericht für eine selbständige Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten angeführten Argumente nicht. Der Umstand, dass der Angeklagte bis Ende 2004 in zumindest acht weiteren Verfahren für die S. tätig war und dort als "Haus- und Hofanwalt" angesehen wurde, verliert vor dem Hintergrund des herausragenden Umfangs und der besonderen Bedeutung der hier in Rede stehenden Widerklage sowie der konkreten Umstände ihres Zustandekommens, Inhalts und der Betreibung des Verfahrens durch die S. entscheidend an Bedeutung. Mit Blick hierauf wird auch weder eine enge Einbindung des Angeklagten in die Abläufe vor der Erhebung der Widerklage noch gar eine Selbständigkeit allein dadurch belegt, dass der Angeklagte an einem Gespräch teilnahm, in dem die ausreichende Bevollmächtigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft diskutiert wurde. Ein eigener Freiraum des Angeklagten bei der Verfolgung der widerklagend geltend gemachten Schadensersatzansprüche lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Zeuge Dr. Sch. die Vollmacht für die Erhebung der Widerklage nur deshalb unterzeichnete, weil der gesondert verfolgte L. ihm erklärte, dies sei nicht mit besonderen Kosten verbunden; denn es ist nicht einmal festgestellt , dass dem Angeklagten - der an diesem Gespräch nicht teilnahm - diese Aussage überhaupt bekannt war, geschweige denn, dass sie auf seine Initiative hin getätigt wurde. Schließlich belegt auch der nach Auffassung der Strafkammer unzutreffende Hinweis des Angeklagten auf eine drohende Verjährung der Schadensersatzansprüche dessen selbständigen Beurteilungs- spielraum nicht. Diesem Umstand lässt sich eher entnehmen, dass die Entscheidung über das Ob der Widerklage in der Sache von den Verantwortlichen der S. getroffen wurde. Sollte der Hinweis des Angeklagten tatsächlich inhaltlich unrichtig gewesen sein, ist dieser Umstand gegebenenfalls in erster Linie bei der Beurteilung von Bedeutung, ob das Verhalten des Angeklagten als pflichtwidrig anzusehen ist.
15
3. Danach kann dahinstehen, ob die Mandatierung der Kanzlei des Angeklagten durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrats und zwei Vorstandsmitglieder der S. die Voraussetzungen eines den Tatbestand ausschließenden Einverständnisses erfüllt, wie die Ablehnung des während des erstinstanzlichen Verfahrens unterbreiteten Vergleichsangebots rechtlich zu würdigen und ob der Vorsatz des Angeklagten rechtsfehlerfrei dargetan ist. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Januar 2013. Das neue Tatgericht wird allerdings gegebenenfalls auch diese Gesichtspunkte in den Blick und daneben Bedacht darauf zu nehmen haben, wie sich die Genehmigung der Erhebung der Widerklage durch den Verwaltungsrat der S. sowie die Fortführung des Rechtsstreits in zweiter Instanz - wenn auch mit Modifizierungen bei der Höhe des geltend gemachten Schadens - auf den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat auswirken.
16
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 StPO Gebrauch.
Tolksdorf Hubert Schäfer Gericke Spaniol

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
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aa) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. September 2010 – 2 StR 600/10, NStZ 2012, 151 f., juris Rn. 8; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 62). Dabei kann ein Nachteil im Sinn von § 266 Abs. 1 StGB als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 62 mwN), etwa weil im Tatzeitpunkt schon aufgrund der Rahmenumstände die sichere Erwartung besteht, dass der Schadensfall auch tatsächlich eintreten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325, juris Rn. 90; ferner OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174, 175; Corsten/Raddatz, MedR 2013, 538, 539 f.).

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja
Zu den Voraussetzungen der Haushaltsuntreue während
der Aufbauphase in den neuen Ländern
BGH, Urt. v. 14. Dezember 2000 - 5 StR 123/00
LG Potsdam –
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 123/00
URTEIL
vom 14. Dezember 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Dezember
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt J ,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger des Angeklagten A ,
Rechtsanwalt K ,
Rechtsanwalt Sch
als Verteidiger der Angeklagten S ,
Rechtsanwalt Z ,
Rechtsanwältin Se
als Verteidiger des Angeklagten B ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23. Juli 1999 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel sowie die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die drei Angeklagten freigesprochen. Ihnen lag im wesentlichen zur Last, als Ministerialbeamte Untreue im Hinblick auf Haushaltsmittel begangen zu haben. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt zur Sachrüge vertretenen Revisionen bleiben ohne Erfolg.

A.


Dem Urteil des Landgerichts liegt folgendes zugrunde:

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte A als Staatssekretär, die Angeklagte S als Leiterin der Abteilung 4 (Gesundheit) sowie der Angeklagte B als Leiter des Referats 4.5 (gesundheitliche Prävention und Rehabilitation) im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen (MASGF) des Landes Branden-
burg seit 1990/91 tätig. Während der Angeklagte A , der vorher im Gesundheitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Abteilungsleiter war, über Verwaltungserfahrung verfügte, fehlten bei der Angeklagten S sowie dem Angeklagten B , die beide zuvor außerhalb der Ministerialverwaltung im Bereich der medizinischen bzw. psychologischen Betreuung beschäftigt waren, entsprechende Kenntnisse.
Die Zeit nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland war im Gesundheitswesen durch erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen geprägt, weil die aus der DDR-Zeit fortbestehenden Polikliniken von den Kommunen nicht mehr finanziert werden konnten und in der Auflösung begriffen waren. Im MASGF wurde deshalb die Idee entwickelt, Gesundheitszentren und Betreuungsdienste für chronisch Kranke zu etablieren und deren Finanzierung durch die Sozialversicherungsträger zu erreichen. Für entsprechende Umstrukturierungsmaßnahmen stellte der Landeshaushalt im Jahre 1991 insgesamt 117 Millionen DM zur Verfügung. Im Landeshaushalt 1992 waren dafür zusätzlich als „Zuschüsse für Dispensairebetreuung“ zwölf Millionen DM und für 1993 sieben Millionen DM veranschlagt. Hiervon sollten bis zur Erreichung einer Regelfinanzierung durch die Krankenkassen die Sach- und Personalkosten der „Betreuungsdienste chronisch Kranker“ (BcK) gedeckt werden. Man ging davon aus, daß für diese Umstrukturierungsaufgabe zwei Jahre benötigt würden und sie Ende 1993 abgeschlossen sein sollte. Für das Jahr 1994 war deshalb kein entsprechender Mittelansatz mehr vorgesehen.
Zur Umsetzung des Vorhabens, von den Krankenkassen finanzierte Betreuungseinrichtungen für chronisch Kranke zu etablieren, arbeitete das MASGF mit dem Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH (IGES) in Berlin zusammen, das bereits die Umwandlung der Polikliniken und die Einrichtung der Gesundheitszentren durchführte. IGES entwickelte zusammen mit dem MASGF eine entsprechende Förderrichtlinie des Landes Brandenburg , die rückwirkend zum 1. Juli 1992 in Kraft trat. Aufgrund der nun
vorhandenen Förderrichtlinie hob der Minister der Finanzen die bislang bestehende Sperre bezüglich der für die Dispensairebetreuung vorgesehenen Haushaltsmittel auf.
Da das MASGF nicht über entsprechendes Personal verfügte, sollten Aufbau und Finanzierung der BcK über IGES erfolgen. Es kam zu Verhandlungen , in die neben dem Angeklagten B und Vertretern von IGES auch der Haushaltsbeauftragte des MASGF, D , einbezogen war. Als Haushaltsbeauftragtem oblag dem früheren Mitangeklagten D (gegen den das Verfahren nach § 153a Abs. 2 StPO erledigt worden ist) die Verantwortung für die Ausführung des Haushaltsplanes und er war bei Maßnahmen von finanzieller Bedeutung zu beteiligen. Mit Billigung von D unterzeichnete die Angeklagte S am 18. September 1992 seitens der MASGF einen Vertrag mit IGES. In dem Vertrag war vorgesehen, daß die haushaltsrechtlich angesetzten Fördermittel für 1992 und 1993 in Höhe von insgesamt 19 Millionen DM von IGES treuhänderisch verwaltet werden sollten, wobei in diesem Betrag ein Honorar in Höhe 1,6588 Millionen DM für IGES enthalten war. Auf Anforderung von IGES wurde auf Anordnung der Angeklagten S am 26. Oktober 1992 ein Betrag in Höhe von zehn Millionen DM angewiesen; der Angeklagte B v eranlaßte die am 4. Januar 1993 erfolgte Auszahlung des restlichen, zunächst als Sicherungsrücklage einbehaltenen Betrages von rund 700.000 DM an IGES entsprechend der vertraglich getroffenen Treuhandabrede.
Bis zum 31. Dezember 1992 waren bei IGES noch nicht verbrauchte Fördergelder in Höhe von 9,89 Millionen DM vorhanden. Den hieraus erwirtschafteten Zinsertrag überwies IGES an das MASGF und beantragte eine Verlängerung des Bewilligungszeitraums. Diesem Antrag kam der Angeklagte B nach, ohne allerdings eine konkrete Befristung anzugeben.
In der Folge schloß IGES mit den einzelnen Einrichtungen Förderverträge , die insgesamt ein Volumen von 7,1 Millionen DM hatten. Den einzelnen Vereinbarungen lag ein Mustervertrag zugrunde, den IGES nach Abstimmung mit dem MASGF ausgearbeitet hatte. In der Folgezeit wurden – auf reduziertem Niveau – im August und September 1993 vier weitere Förderverträge abgeschlossen, wodurch die an IGES ausgereichten Treugutmittel im wesentlichen aufgebraucht waren. Mit Überweisung vom 29. Dezember 1993 zahlte IGES die restlichen Fördermittel an die einzelnen Einrichtungen aus und legte gegenüber dem MASGF eine Schlußrechnung.
Bereits ab September 1993 sollte auf Betreiben des zuständigen Referatsleiters im Finanzministerium, des Zeugen Br , die zukünftige Förderung der BcK nicht mehr über die Bildung von Treugut erfolgen, sondern die Mittel sollten auf der Grundlage von Zuwendungsbescheiden des MASGF, die dann allerdings von IGES vorbereitet wurden, direkt an die einzelnen Einrichtungen ausgereicht werden. Auf Antrag der jeweiligen Fördereinrichtungen ergingen insgesamt 13 Zuwendungsbescheide im November /Dezember 1993, die der Angeklagte B mit Wissen und Billigung der Angeklagten S unterzeichnete. In allen Zuwendungsbescheiden war ein Bewilligungszeitraum bis zum 31. Dezember 1993 angegeben. Obwohl bei den Fördereinrichtungen zum damaligen Zeitpunkt noch kein aktueller weiterer Bedarf bestand, wurden sämtliche – den gekürzten Haushaltsansatz für 1993 in Höhe von 6,3 Millionen DM ausschöpfende – Mittel noch im Dezember 1993 ausgezahlt.
Die Verwendung der Haushaltsmittel wurde weiterhin von IGES überwacht , das hierüber auch gegenüber dem MASGF berichtete. Mit Schreiben vom 29. Juni 1994 an die Angeklagte S wies IGES darauf hin, daß aus den Förderverträgen (welche den Haushaltsansatz 1992 betrafen) knapp drei Millionen und aus den Zuwendungsbescheiden noch über sechs Millionen DM bei den Trägern der BcK unverbraucht vorhanden waren. Aufgrund dieser Information kam es innerhalb der MASGF zu Gesprächen,
an denen auch der Haushaltsbeauftragte D beteiligt war. Dieser legte für die Leitung des Ministeriums das Problem in einem Vermerk dar. Der Vermerk gelangte am 1. September 1994 dem Angeklagten A zur Kenntnis. Dieser erkannte, daß ein Widerruf der Zuwendungen bzw. die Rückforderung der nicht verbrauchten Gelder in Betracht gezogen werden mußte. Nach Kontaktaufnahme mit dem Vorsitzenden der AOK war ihm klar, daß eine vollständige Überführung der Betreuungseinrichtungen in die Trägerschaft dieser Krankenkasse wohl ausscheiden werde. Er ging aber davon aus, die Mehrheit der Einrichtungen würde andere Krankenkassen als Träger finden. Nachdem eine zunächst auf Ministerebene in Aussicht genommene Zwischenlösung sich nicht hatte realisieren lassen, wurden Teilwiderrufsbescheide in Höhe von insgesamt 1,6 Millionen DM erlassen. Dieser Betrag ergab sich aus Berechnungen, welche Summen die Betreuungseinrichtungen bis Mitte 1995 noch benötigen würden. Um die noch nicht gescheiterte spätere Übernahme durch die Krankenkassen offenzuhalten, wurde zunächst nur der überschießende Betrag zurückgefordert. Nachdem – wie sich später aufgrund von Verwendungsnachweisprüfungen herausstellte – weit weniger Gelder verbraucht worden waren, sind schließlich mehrere Millionen DM nach Widerruf der Zuwendungsbescheide zurückgezahlt worden.
Im Haushaltsplan 1994 waren für die „pauschale Förderung für Rehabilitations - und Erholungseinrichtungen“ fünf Millionen DM veranschlagt. Der Angeklagte B entwickelte die Idee, nach dem Vorbild Nordrhein -Westfalens ein Gesundheitshaus einzurichten, das an einem Kur- oder Erholungsort gelegen sein sollte. Nach Vorklärungen fiel die Wahl auf den Erholungsort Ringenwalde. Als Vertreterin des zuständigen Amtes TemplinLand stellte die Zeugin Dr am 3. November 1994 einen Antrag auf Gewährung einer Förderung in Höhe von 3,16 Millionen DM, was 90 Prozent der Baukosten entsprach. Am 9. November 1994 erging eine Förderunbedenklichkeitsmitteilung. Da sich aufgrund neuer bautechnischer Schätzungen die voraussichtliche Bausumme – und damit auch die 90-ProzentFördersumme auf 3,5 Millionen DM – erhöhte, zeichneten die Angeklagten
B und S den Entwurf eines Zuwendungsbescheides in entsprechender Höhe ab und leiteten diesen dem Angeklagten A zu. Nach Rücksprache mit B und S zeichnete der Angeklagte A am 30. November 1994 den Zuwendungsbescheid , der – nach einer Korrektur D , der aber im übrigen den Entwurf ebenfalls billigte – einen Bewilligungszeitraum bis 28. Februar 1995 haben sollte. Diese Ä nderung wurde allerdings versehentlich in dem der Antragstellerin übermittelten Schreiben nicht übernommen, so daß dort weiterhin als Ende des Bewilligungszeitraums der 31. Dezember 1994 ausgewiesen war.
Die Auszahlung der Mittel erfolgte noch im Dezember 1994. Die Aufträge für das Bauvorhaben wurden vom Amt Templin-Land allerdings erst bis zum 24. Februar 1995 vergeben. Die Unternehmen, die den Zuschlag erhalten hatten, stellten sogleich Rechnungen in Höhe des Kostenangebots. In Höhe dieser Rechnungen legte das Amt Sperrkonten an, auf welche die Zeugin Dr die Rechnungsbeträge überweisen ließ und als verbrauchte Mittel deklarierte. Im weiteren Verlauf – was im übrigen schon aufgrund eines Bauablaufplans des Architekten zu erkennen gewesen wäre – zeigte sich, daß die Bauarbeiten bis Oktober 1995 andauern würden.

II.

Das Landgericht hat die Angeklagten, die aufgrund ihrer Funktionen im MASGF eine Vermögensbetreuungspflicht gehabt hätten, vom Vorwurf der Untreue freigesprochen.
1. Die treuhänderische Überlassung der Haushaltsmittel an IGES hat das Landgericht nicht als pflichtwidrig angesehen, weil § 44 Abs. 3 Landeshaushaltsordnung des Landes Brandenburg (LHO) eine solche Möglichkeit eröffne. Nach dem damaligen Verständnis dieser Norm habe dies im Haushaltsplan ebensowenig ausdrücklich vorgesehen sein müssen, wie die Vergütung für den Treuhänder. Die Mittel seien auch bestimmungsgemäß ver-
wandt worden, jedenfalls hätten die Angeklagten B und S nicht vorsätzlich gehandelt.
2. Hinsichtlich der Auskehrung der Haushaltsmittel für 1993 hätten die Angeklagten B und S nach Auffassung des Landgerichts pflichtwidrig gehandelt, weil diese Mittel – entgegen § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO – ohne aktuellen Bedarf ausgereicht worden seien. Insoweit seien die Mittel auch zweckwidrig verwandt worden, weil ein Auszahlungsgrund für 1993 nicht bestanden und der Haushaltsgesetzgeber für 1994 entsprechende Ausgaben nicht vorgesehen habe. Zwar müsse in der Zweckwidrigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zwingend ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB liegen. Bei freiwilligen Aufgaben des Staates träfe dies jedoch deshalb zu, weil der Haushaltsgesetzgeber Ausgaben hierfür in diesem Haushaltsjahr gerade nicht gewollt habe. Auch hier hätten aber die Angeklagten nicht vorsätzlich gehandelt, denn sie hätten auf die Empfehlung des Haushaltsbeauftragten D vertraut, den sie als kompetenten Experten im Haushaltsrecht gekannt hätten.
3. Hinsichtlich des Angeklagten A gründet sich der Vorwurf der Untreue auf die unterbliebene Anordnung der vollständigen Rückforderung der ausgereichten Gelder für die BcK. Hier hat das Landgericht schon die objektive Pflichtwidrigkeit verneint. Die Rückforderung habe im Ermessen des Angeklagten gelegen, das dieser nicht in rechtswidriger Weise ausgeübt habe. Im übrigen habe er auch nicht in dem Bewußtsein gehandelt, durch das Unterlassen der Rückforderung gegen Vermögensbetreuungspflichten zu verstoßen.
4. Die Ausreichung der Gelder noch im Dezember 1994 hinsichtlich des Gesundheitshauses Ringenwalde sei rechtswidrig gewesen. Die drei Angeklagten hätten deshalb den objektiven Tatbestand der Untreue verwirklicht , weil das Vorhaben erst im Jahr 1995 habe verwirklicht werden können und für dieses Jahr ein entsprechender Haushaltsansatz nicht bestanden
habe. In der infolge der zeitlichen Verschiebung eingetretenen Zweckwidrigkeit der Zuwendung liege auch hier der Nachteil im Sinne des § 266 StGB; denn der Haushaltsgesetzgeber wäre zu einer solchen Leistung nicht verpflichtet gewesen. Sämtliche Angeklagten hätten jedoch nicht vorsätzlich gehandelt , weil sie von einer rechtzeitigen Fertigstellung des Bauvorhabens ausgegangen seien.

B.


Die gegen das freisprechende Urteil gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

I.

Die Verfahrensrügen sind unzulässig. Sie sind schon nicht in der gemäß § 345 StPO erforderlichen Form erhoben worden, weil die Revisionsbegründung auf ein der Revisionsschrift nachgeheftetes und nicht unterzeichnetes Ablichtungskonvolut Bezug nimmt (vgl. BGH LM Nr. 2 zu § 345 StPO; BGH VRS 3, 252, 253; BGH, Urteil vom 7. April 1970 – 5 StR 308/69 – bei Dallinger MDR 1970, 899 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 345 Rdn. 14; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rdn. 215 f.). Zudem fehlt bei sämtlichen Verfahrensrügen der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderliche vollständige Tatsachenvortrag zu den behaupteten Mängeln. Im übrigen enthalten die Beweisanträge, deren Ablehnung beanstandet wird, weitestgehend keine hinreichend konkreten Beweisbehauptungen (vgl. Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 45 f.); auch die Beweismittel sind überwiegend unvollständig bezeichnet.

II.

Näherer Erörterung bedarf nur die Sachrüge.
1. Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht die Bildung von Treugut bei IGES nicht als Untreue nach § 266 StGB gewertet.

a) Es hat rechtsfehlerfrei die auf § 44 Abs. 3 LHO gestützte Übertragung der Verwaltung der Fördergelder auf IGES als nicht pflichtwidrig erachtet. Unter den Gegebenheiten der damaligen Zeit konnten die Angeklagten B und S v on der durch die Landeshaushaltsordnung eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen, die Mittelbewirtschaftung und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand auf IGES zu verlagern. Maßgeblich hat das Landgericht dabei auf die im Land Brandenburg in der kurzen Zeit nach seiner Entstehung herausgebildete Verwaltungsübung abgestellt, die ein solches Vorgehen schon bei früheren Förderprogrammen vorsah. So hatte das MASGF schon 1991/1992 die Umstrukturierung der Polikliniken in ähnlicher Weise über IGES abgewickelt. Entscheidender Gesichtspunkt für die Verlagerung der Mittelbewirtschaftung war der sich aus der unzureichenden personellen Besetzung des Ministeriums hier ergebende faktische Zwang. Insoweit bestand für das noch im Aufbau befindliche Ministerium, das aus eigenen Kräften keine ordnungsgemäße Bewirtschaftung hätte leisten können, nur die Alternative, die – vom Haushaltsgesetzgeber durch die Mittelbereitstellung grundsätzlich als wesentlich erachtete – Aufgabe überhaupt nicht durchzuführen.

b) Jedenfalls unter den damals gegebenen Umständen bedurfte es weder einer gesonderten Ermächtigung zur Übertragung noch eines gesonderten Ausweises eines Honorars zugunsten des Treugutnehmers. Die Landeshaushaltsordnung sieht beides nicht ausdrücklich vor. Haushaltsrechtlich wird die Ausgabe inhaltlich aus der Erfüllung notwendiger Aufgaben des Landes bestimmt (§ 6 LHO) und nach dem Bruttoprinzip bewertet (§ 15 Abs. 1 LHO). Haushaltsausgaben sind deshalb nach § 12 Abs. 4 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) durch ihren Zweck definiert (vgl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht 2. Aufl. Art. 110 GG Rdn. 40).
Dem Förderzweck diente auch die Einschaltung von IGES; Aufgabe des Instituts war unter anderem die Beratung und Unterstützung der BcK, die Tätigkeit insgesamt sollte der Etablierung der Betreuungseinrichtungen die-
nen. Der Mittelansatz durfte deshalb ein angemessenes Honorar für die Leistungen enthalten, die mit der allseitigen Beratung, Betreuung und der Mittelbewirtschaftung verbunden waren. Dabei blieb es dem Haushaltsgesetzgeber freilich unbenommen, die Zweckerreichung näher zu regeln und dies gegenüber der Verwaltung auch für verbindlich zu erklären (vgl. § 12 Abs. 4 letzter Satz HGrG). Wenn er dies später bei vergleichbaren Fällen auch getan und die Bildung von Treugut ausdrücklich angeordnet hat, läßt dies nicht den Schluß auf die Unzulässigkeit der Auslagerung von Treugut zu, wenn diese zeitlich früher erfolgt ist. Vielmehr liegt hier sogar nahe, daß der Haushaltsgesetzgeber bei der Aufstellung des Haushaltsplans für 1992 Kenntnis von der vergleichbaren Situation bei der Umstrukturierung der Polikliniken hatte, die ebenfalls über ein bei IGES gegründetes Treugut abgewickelt wurde. Wenn der Haushaltsgesetzgeber einen entsprechenden Mittelansatz dann trifft, ohne hierzu insoweit gegenteilige Regelungen vorzusehen, so spricht dies eher für seine Billigung der gewählten Vorgehensweise. Vor dem Hintergrund der Aufbauphase im Land Brandenburg, die vor allem rasches Handeln erforderte, konnte deshalb eine zunächst unbeanstandete, wenn auch kurze Verwaltungspraxis, die eine ansonsten nicht zu leistende Aufgabenerfüllung ermöglichte, bei der Normauslegung des § 44 Abs. 3 LHO Gewicht erlangen.

c) Die Ausreichung der restlichen Haushaltsmittel für 1992 war von der (jedenfalls zum damaligen) Zeitpunkt noch rechtmäßigen Bildung des Treugutes gedeckt. Wenn Treugut gebildet wird, dann suspendiert dies – wie sich im übrigen durch den Verweis von § 44 Abs. 3 LHO auf den Absatz 1 dieser Vorschrift ergibt – die haushaltsrechtlichen Bindungen nicht. Der Umstand, daß die Verwaltung der Mittel dem Ministerium nicht mehr unmittelbar zustand , sondern durch die Treugutnehmerin durchzuführen war, ist die notwendige Konsequenz der Mittelverlagerung nach außen. Dadurch sollte die personell nicht ausreichend besetzte oder kompetente Behörde entlastet werden. Dieser Effekt konnte aber nur dann erreicht werden, wenn – bei entsprechenden Sicherungsmaßnahmen – dem Treugutnehmer die Mittel über-
lassen wurden, damit die Mittelbewirtschaftung von dort erfolgen konnte. Die haushaltsrechtlichen Pflichten treffen – was die staatliche Behörde durch geeignete Vertragsklauseln sicherzustellen und zu überwachen hat – den Treugutnehmer. Diese Rechtsfolge hat der Gesetzgeber mit Einführung des § 44 Abs. 3 LHO in Kauf genommen. Die Einhaltung haushaltsrechtlicher Bindungen hatte das MASGF durch die Bezugnahme auf die Förderrichtlinie, durch Anordnungen über die Mittelbewirtschaftung wie auch durch umfangreiche Berichtspflichten sichergestellt (vgl. Dommach in Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht 2000 § 44 BHO Rdn. 15). Die Einhaltung haushaltsrechtlicher Grundsätze war damit im Rahmen der Treugutabrede gewährleistet und wurde auch im Zuge der Durchführung des Treuhandverhältnisses überwacht.
Die Haushaltsmittel für 1992 konnten damit im Oktober 1992 (bzw. der Restbetrag von etwa 700.000 DM Anfang Januar 1993) noch an IGES ausgereicht werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn für das MASGF ersichtlich war, daß die Gelder für die Aufgaben nicht mehr oder zumindest nicht absehbar benötigt würden. Dafür bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte. Zwar war eine zeitliche Verzögerung gegenüber den Vorstellungen bei Inkraftsetzung des Haushaltsplanes eingetreten. Nach Erlaß der Förderrichtlinie war jedoch die eine Zwischenfinanzierung erfordernde Überleitungsphase angelaufen, Sicherungen für eine vorübergehende (auch verzinsliche ) Anlage der Gelder bei IGES lagen vor und ein künftige Deckung gewährleistender Haushaltsansatz für 1993 war vorhanden. Da der Abschluß konkreter Förderverträge mit den einzelnen Einrichtungen anstand, erfolgte die Auszahlung der Haushaltsmittel und die hierdurch ermöglichte Bildung des Treuguts – zumindest aus damaliger Sicht – auch in haushaltsrechtlich vertretbarer Weise.
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht eine Strafbarkeit der Angeklagten S und B wegen Untreue durch die Zuwendung der Haushaltsmittel 1993 an die BcK verneint.

a) Die auf der Grundlage von Zuwendungsbescheiden erfolgten Auszahlungen der Haushaltsmittel für 1993 in Höhe von 6,26 Millionen DM, die noch im Dezember 1993 erfolgten, verstießen gegen Haushaltsrecht. Bis November 1993 waren nach den Feststellungen des Landgerichts von den Haushaltsmitteln 1992 bislang lediglich 2,35 Millionen DM verbraucht. Die restlichen Gelder befanden sich auf Grundlage der (mit Zustimmung des MASGF) von IGES mit den BcK geschlossenen Förderverträge bei den einzelnen BcK. Da deshalb kein aktueller Bedarf für diese Mittel bestand, verstieß ihre Auskehr gegen den Grundsatz der sparsamen Verwaltung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO, der verlangt, daß Ausgaben nicht eher geleistet werden dürfen, als dies für eine wirtschaftliche und sparsame Verwaltung erforderlich ist.

b) Allerdings begründet der Verstoß gegen haushaltsrechtliche Grundsätze allein nicht den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB. Hierfür muß hinzukommen, daß dem Land Brandenburg, dessen Vermögensinteressen die Angeklagten S und B wahrzunehmen hatten, ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB entstanden ist. Dieser Nachteil kann nicht allein darin begründet sein, daß der Täter gegen die sachliche oder zeitliche Bindung der haushaltsmäßigen Mittel (§ 45 LHO) verstößt oder das Gebot außer Acht läßt (§ 34 Abs. 2 Satz 1 LHO), Ausgaben nur insoweit und nicht eher zu leisten, als sie zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung erforderlich sind (BGHSt 40, 287, 294). Da die Untreue nur das Vermögen, nicht aber allgemein die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis des Geschäftsherrn schützt, muß die jeweils pflichtwidrige Handlung darauf untersucht werden, ob sie im konkreten Fall zu einem Vermögensnachteil geführt hat, weil sie zweckwidrig oder sonst dem betreuten Vermögen nachteilig war (BGHSt 43, 293, 297). Ein Nachteil kann in Gestalt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung allerdings bereits dann eintreten, wenn öffentliche Gelder einer haushaltsrechtlichen Kontrolle entzogen werden und damit letztlich der freien Verfügung des Disponierenden unterliegen (BGHSt 40, 287, 296 f., allerdings für die besondere Sachverhaltsgestaltung, die Bud-
getmittel betraf, die einem – sowieso nur eingeschränkter Kontrolle unterliegenden – Geheimdienst zugewiesen wurden). Unter dem Gesichtspunkt der Vermögensgefährdung ist gleichfalls in der Bildung sogenannter „schwarzer Kassen“ ein Vermögensnachteil zu sehen (BGH NStZ 1984, 549; NStZ 1986, 455). Abgesehen von diesen speziellen Sachverhaltsgestaltungen sind zur Feststellung eines Nachteils grundsätzlich die Leistung und die empfangene Gegenleistung im Wege einer Gesamtbetrachtung zu gewichten. Deshalb fehlt es an einem Nachteil, falls wertmindernde oder werterhöhende Faktoren sich gegenseitig aufheben (BGH NStZ 1986, 455, 456). Ungeachtet der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung kommt Haushaltsuntreue in Betracht, wenn durch eine Haushaltsüberziehung eine wirtschaftlich gewichtige Kreditaufnahme erforderlich wird, wenn die Dispositionsfähigkeit des Haushaltsgesetzgebers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird und er durch den Mittelaufwand insbesondere in seiner politischen Gestaltungsbefugnis beschnitten wird (BGHSt 43, 293, 299 mit kritischer Anmerkung von Bittmann NStZ 1998, 495; vgl. weiterhin Coenen, Die Strafbarkeit von Verstößen gegen das Haushaltsrecht 2000 S. 39 ff.).
aa) Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung begegnet die Begründung des Landgerichts im Hinblick auf die Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Haushaltsgesetzgebers durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat im vorliegenden Fall den Nachteil darin gesehen, daß die Mittel nicht innerhalb des Haushaltsjahres Verwendung gefunden haben, für das sie vom Haushaltsgesetzgeber in Ansatz gebracht wurden. Jedenfalls wenn es sich – wie hier – um freiwillige Leistungen handele, seien sie immer „nutzlos“, weil der Haushaltsgesetzgeber sie für dieses Jahr nicht als erforderlich betrachtet habe. Ansonsten hätte er sie in den Haushaltsplan eingestellt.
Jedenfalls soweit keine besonderen Anhaltspunkte dafür vorliegen, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Haushaltsgesetzgeber die verspätete Verwendung der Mittel in einem folgenden Haushalt als nutzlos
ansieht. Solche Besonderheiten können zum Beispiel vorliegen, wenn bestimmte Leistungen nach ihrer Zweckbestimmung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums sinnvoll sind oder wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Im übrigen wird aber die Einstellung in den Haushalt gerade indizieren, daß der Haushaltsgesetzgeber die Leistung als nützlich ansieht. Auch soweit die Landeshaushaltsordnung des Landes Brandenburg nicht schon – ohne Befassung des Haushaltsgesetzgebers – die Bildung von Ausgaberesten ausdrücklich zuläßt (§ 45 Abs. 2 i. V. m. § 19 Abs. 1 LHO), wird deshalb nicht ohne weiteres von einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB auszugehen sein (vgl. hierzu auch Coenen aaO S. 50, der bei adäquater Gegenleistung wohl grundsätzlich keinen Vermögensnachteil bei Verstößen gegen die sachliche oder zeitliche Bindung des Haushaltsplans annehmen will).
bb) Im vorliegenden Fall war die Zahlung für die vom Haushaltsgesetzgeber als grundsätzlich nützlich erachtete Übergangsfinanzierung der BcK bestimmt. Eine Zuwendung hierfür könnte deshalb einen Vermögenswert bilden, der im Wege der Gesamtsaldierung von Leistung und Gegenleistung einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB ausschließt. Allerdings erfüllten die Zahlungen – jedenfalls aus der nachträglichen Sicht des Tatrichters – ihren ursprünglichen vom Haushaltsgesetzgeber beigelegten Zweck nicht mehr, weil sie ihrer Natur nach funktionell und zeitlich abgegrenzt waren und der Übergangsfinanzierung dienen sollten. Waren sie für die Erreichung dieses Ziels nicht mehr notwendig oder war das Ziel gar nicht mehr zu verwirklichen , dann wäre die Verwendung der haushaltsmäßig zugewiesenen Gelder zweckwidrig. Leistungen, denen als Gegenwert auch nicht die Erfüllung sozialer Aufgaben gegenübersteht, könnten keinen Vermögenswert schaffen. Durch Zweckverfehlung sinnlose Leistungen würden hier den Nachteil im Sinne des § 266 StGB begründen (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 266 Rdn. 43).
Für die Beurteilung, ob ein Nachteil durch eine Zweckverfehlung der Zahlung in Betracht kommt, darf aber nicht auf eine ex-post-Betrachtung abgestellt werden. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Zahlung. Nur wenn ein absehbar erhöhter Finanzbedarf erkennbar nicht vorliegt, ist die Verwendung der Gelder zweckwidrig und damit geeignet, einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB zu begründen.

c) Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen. Das Landgericht hat nämlich rechtsfehlerfrei den subjektiven Tatbestand der Untreue bei beiden Angeklagten verneint. Sie haben sich, da sie über keine nennenswerten verwaltungs - oder speziell haushaltsrechtlichen Kenntnisse verfügten, auf die Angaben des Zeugen D verlassen. Insofern ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, daß sie im Vertrauen auf dessen Aussagen die Pflichtwidrigkeit ihrer Handlungen ebensowenig erkannten wie einen dem Land Brandenburg hieraus etwa entstandenen Schaden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Beweiswürdigung weder widersprüchlich noch lückenhaft. Das Landgericht hat sowohl die Besprechung mit dem Leiter des Spiegelreferats im Finanzministerium als auch diejenige mit dem Haushaltsbeauftragten D umfassend gewürdigt. Wenn es dabei der letzten Aussage D s, die Auskehrung der Haushaltsmittel 1993 sei in der gewählten Form rechtlich vertretbar, entscheidendes Gewicht beigemessen hat, ist dies eine zulässige Wertung, die aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Die Angriffe der Revision hiergegen erschöpfen sich in dem unzulässigen Versuch, eine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft dringt auch hinsichtlich des Komplexes „Unterbliebene Rückforderung“ nicht durch.
Ob der Angeklagte A aufgrund der letztlich betragsmäßig zu niedrigen Rückforderung überhaupt pflichtwidrig gehandelt hat, läßt der Senat offen. Inwieweit hier ein Vertrauensschutz der Einrichtungen, möglicherweise
auch ihrer Mitarbeiter und der dort betreuten Patienten bei der Frage der Rückforderung auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenebene aus Rechtsgründen in den Entscheidungsprozeß hätte einbezogen werden können, bedarf keiner Entscheidung. Der Angeklagte A hat nämlich – wie das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat – nicht vorsätzlich gehandelt. Der weite Rahmen des objektiven Tatbestands der Untreue macht es erforderlich, strenge Anforderungen an den Nachweis der inneren Tatseite zu stellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter nicht eigennützig gehandelt hat. Zum Vorsatz gehört dabei, daß sich der Täter auch der Pflichtwidrigkeit seiner Handlung bewußt ist (BGHR StGB § 266 Abs. 1 – Vorsatz 1, 2; kritisch hierzu Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 151). Anhand dieser Grundsätze hat sich das Landgericht bei dem Angeklagten A nicht von einem die Pflichtwidrigkeit umfassenden Vorsatz zu überzeugen vermocht. Es ist dabei der Einlassung des Angeklagten im wesentlichen gefolgt und hat ihm geglaubt, daß er über die im einzelnen ausgereichten Beträge keine konkrete Kenntnis gehabt habe.
Die Beweiswürdigung ist nicht lückenhaft, weil das Landgericht – entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin – den Briefwechsel mit dem Finanzministerium ausdrücklich in seine Bewertung einbezogen, ihm lediglich ein geringeres Gewicht beigemessen hat. Das Landgericht mußte aus dem Schreiben des Finanzministeriums nicht zwingend auf das Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit schließen. Hiergegen sprach neben den umfänglichen sozialen Abwägungsgesichtspunkten auch der Umstand, daß der Angeklagte A zwar als Staatssekretär verwaltungserfahren war, als ausgebildeter Soziologe und Psychologe sich aber ersichtlich wesentlich – vor allem im Hinblick auf die betragsmäßige Abwicklung – auf den Haushaltsbeauftragten des Ministeriums, D , stützte. Deshalb mußte sich – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – der Angeklagte A auch nicht zwangsläufig mit § 37 LHO oder einzelnen Verwaltungsvorschriften befaßt haben, so daß ein Erörterungsmangel des angefochtenen Urteils insoweit ausscheidet.
4. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben schließlich auch hinsichtlich des Tatkomplexes „Gesundheitshaus Ringenwalde“ im Ergebnis ohne Erfolg. Eine Verurteilung scheidet schon aus objektiven Gründen aus.

a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht hier den Nachteil im Sinne des § 266 StGB in objektiver Hinsicht bejaht hat, sind rechtsfehlerhaft. Wie sich aus den Ausführungen oben zu II. 2. b) ergibt, kann ein Vermögensnachteil nicht mit dem Gesichtspunkt begründet werden, daß eine Verwendung der im Haushaltsplan für 1994 vorgesehenen Gelder für das Jahr 1995 betrachtet, eine nutzlose Aufwendung betrifft. Zwar war auch hier die Ausreichung der Mittel noch im Jahre 1994 nach § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO rechtswidrig, weil Leistungen allenfalls in geringem Umfang fällig waren und deshalb jedenfalls nicht sämtliche Fördergelder hätten gezahlt werden dürfen. Insoweit ist jedoch keine Vermögensminderung entstanden. Die Gelder sind nach den Feststellungen des Landgerichts sämtlich für das projektierte Bauvorhaben verwendet worden. Insoweit steht den Zuwendungen auch eine vermögensmäßig gleichwertige Leistung gegenüber. Anhaltspunkte, daß das Vorhaben durch seine bloß zeitliche Verschiebung zweckwidrig geworden sein könnte, sind nicht ersichtlich.
Als Besonderheit kommt hinzu, daß die Mittelbereitstellung für ein Bauvorhaben nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 lit. a) LHO eine Ausgabe für eine Investition darstellt. Als solche ist sie nach § 19 Abs. 1 Satz 1 LHO übertragbar (vgl. hierzu Dommach in Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht 2000 § 19 BHO Rdn. 1f.). Deshalb können auch – ohne nochmalige Befassung des Haushaltsgesetzgebers – Ausgabenreste nach § 45 Abs. 2 LHO gebildet werden, die eine Inanspruchnahme der Mittel auch für das Folgejahr erlauben. Zwar ist der nach § 45 Abs. 3 LHO vorgesehene Verfahrensgang hier nicht eingehalten worden. Die von der Landeshaushaltsordnung in § 19 Abs. 1 vorgesehene (automatische) Übertragbarkeit belegt aber, daß der Gesetzgeber grundsätzlich bei Bauvorhaben eine strenge Bindung an den
Ablauf des Haushaltsjahres nicht herstellen will und damit spätere Leistungen auf ein Bauvorhaben auch nicht als nutzlos erachtet.

b) Letztlich kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob die Angeklagten B und S – wie das Landgericht angenommen hat – keine Kenntnis von der nicht mehr zeitgerechten Herstellbarkeit des Bauwerks hatten. Auch insoweit ist allerdings die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerfrei, weil es nicht feststellen konnte, daß die Angeklagten Kenntnis von dem abweichenden Bauzeitenplan des Architekten L hatten. Selbst wenn die Zeugin Dr aufgrund der vorliegenden Unterlagen erkannt haben mag, daß eine fristgerechte Realisierung der Sanierungs - und Umbaumaßnahmen nicht mehr möglich war, läßt dies nicht den Schluß zu, auch die Angeklagten hätten ein entsprechendes Wissen gehabt. Da zudem die Angeklagten meinten, den Maßnahmezeitraum – haushaltsrechtlich zulässig – gegebenenfalls bis Ende Juni 1995 verlängern zu können, konnte das Landgericht ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt ist.
5. Auch im übrigen hat die umfassende Sachprüfung des Senats hinsichtlich weiterer Tatvorwürfe, bei denen die Freisprüche der Angeklagten S und B nur mit der insoweit nicht näher ausgeführten Sachrüge angegriffen werden, keine Rechtsfehler ergeben.
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(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 317/07
vom
17. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juli 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. Februar 2007 wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und Hehlerei unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 22. September 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
2
Die hiergegen gerichtete, allein auf die Verletzung formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO). Der Generalbundesanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt: "1. Die Revisionsbegründung des Angeklagten selbst vom 16. Mai 2007 ist entgegen der Vorschrift des § 345 Abs. 2 StPO nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen und daher unzulässig (vgl. KKKuckein StPO § 345 Rdn. 24).
2. Die in der Revisionsbegründungsschrift des Verteidigers erhobenen Verfahrensrügen entsprechen nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher ebenfalls unzulässig. …
a) Rüge eines Verstoßes gegen § 275 Abs. 1 StPO Die Revision teilt nicht mit, wann das Urteil zu den Akten gebracht worden ist. Dass das am 13. Februar 2007 verkündete Urteil am 19. März 2007 (Band II, Blatt 506 d.A.) zur Geschäftsstelle gelangt ist, hätte der Beschwerdeführer im Wege der Akteneinsicht ohne weiteres feststellen können.
b) Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO (Nichtvernehmung der Zeugin K. ) … Wird der Aufklärungsmangel aus dem Inhalt früherer, im Ermittlungsverfahren erfolgter (Zeugen-)Vernehmungen hergeleitet, so bedarf es regelmäßig deren vollständiger inhaltlicher Wiedergabe (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 6). … Des Weiteren verschweigt die Revision, dass sämtliche Verfahrensbeteiligten , so auch der Angeklagte und sein Verteidiger, in der Hauptverhandlung auf die Vernehmung der geladenen Zeugin K. ausdrücklich verzichtet haben. Die Unzulässigkeit der Verfahrensrügen führt, da die Sachrüge nicht erhoben ist, zur Unzulässigkeit der Revision (BGH NJW 1995, 2047)."
3
Dem schließt sich der Senat mit dem Bemerken an, dass sich das Revisionsvorbringen auch als unbegründet darstellen würde. Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 5 5 5 / 1 4
vom
21. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
hier: Anhörungsrüge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2015 beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten N. gegen den Beschluss des Senats vom 11. Februar 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 25. Februar 2014 mit Beschluss vom 11. Februar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Dieser ist seinem Verteidiger am 18. Februar 2015 zugegangen. Mit dessen Schriftsatz vom 24. Februar 2015, der bei dem Senat am selben Tage eingegangen ist, hat der Verurteilte hiergegen die Anhörungsrüge erhoben. Er hat beantragt, den vorgenannten Be- schluss des Senats „für gegenstandslos zu erklären“ und das Verfahren wieder in den Stand nach Eingang der Stellungnahme des Verteidigers des Verurteilten vom 9. Dezember 2014 zurückzuversetzen.
2
Der zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet, es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) vor.
3
1. Der Senat hat weder Verfahrensstoff noch Tatsachen oder Beweismittel verwertet, zu denen der Verurteilte zuvor noch nicht gehört worden wäre. Auch wurde zu berücksichtigendes Vorbringen nicht übergangen, noch in sonstiger Weise der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt.
4
a) Eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt sich nicht aus der Entschei- dung durch ohne nähere Begründung erfolgenden Beschluss des Senats gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Von Verfassungs wegen bedarf eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung regelmäßig keiner Begründung (siehe nur BVerfGE 104, 1, 7 f.; BVerfGE 118, 212, 238; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564 mwN). Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für Beschlüsse gemäß § 349 Abs. 2 StPO (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564).
5
b) Der Umstand, dass der Senat die Rechtsansicht der Verteidigung des Verurteilten zwar zur Kenntnis genommen hat, ihr aber im Ergebnis nicht gefolgt ist, stellt ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Es ist schon grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG aaO m. zahlr. wN; siehe auch Senat, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 359/13 Rn. 4), zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht dazu verpflichtet ist, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (Senat aaO mwN). Es wurde hier der gesamte schriftliche Vortrag des Verurteilten einschließlich desjenigen in dem Schriftsatz des Verteidigers vom 9. Dezember 2014 bei der Entscheidungsfindung des Senats berücksichtigt.
6
c) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat über die Revision des Verurteilten entschieden hat, ohne Ausführungen der Verteidigung zu zwei in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. November 2014 angesprochenen ergänzenden dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden der Strafkammer und einer beisitzenden Richterin (vgl. S. 4 oben der genannten Antragsschrift) abzuwarten. Die in rechtlicher Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt erkannte Unbegründetheit der in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Verletzung von § 275 Abs. 1 StPO – in allen drei von der Revision geltend gemachten Angriffsrichtungen – hat sich bereits aufgrund der von dem Rechtsmittelführer selbst vorgelegten Vermerke des Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 und der als Berichterstatterin eingesetzten beisitzenden Richterin vom 12. Mai 2014 ergeben. Dem Verurteilten und seiner Verteidigung unbekannter Verfahrensstoff oder diesen nicht bekannte Beweismittel, denen für die freibeweisliche Aufklärung des den Verfahrensrügen zugrunde liegenden Sachverhalts Bedeutung zukam, hat der Senat nicht verwertet.
7
aa) Soweit die Revision die Nichteinhaltung der Urteilsabsetzung aus § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen des Verlustes des von allen drei Berufsrichtern unterschriebenen Originals des Urteils gerügt hatte (RB S. 2-10), ist das Rechtsmittel erfolglos geblieben, weil dieses Urteilsoriginal aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen am letzten Tag der am 1. April 2014 abgelaufenen Frist und damit rechtzeitig zu den Akten gelangt ist. Ausweislich der Vermerke vom 12. und 28. Mai 2014 hatte die Berichterstatterin das von allen drei Berufsrichtern unterschriebene Urteil (§ 275 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 StPO) am Nachmittag des 1. April 2014 auf die Geschäftsstelle gebracht. Dieser Vorgang wird durch den Inhalt eines Vermerks einer Geschäftsstellenmitarbeiterin vom 30. April 2014, den die Revision ebenfalls selbst vorgetragen hat, bestätigt. Nach dem weiteren Inhalt dieses Vermerks konnte die Justizangestellte lediglich nicht mehr sicher erinnern, ob sie den in § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO vorgesehenen Vermerk auf dem Urteilsoriginal angebracht hat. Das steht der Einhaltung der Absetzungsfrist aber nicht entgegen. Wie vom Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend aufgezeigt, kann der Nachweis der Fristwahrung auch auf andere Weise als durch den Vermerk nach § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO erbracht werden. Dies war hier aufgrund des Inhalts der genannten Erklärungen von zwei der Berufsrichtern und der Justizangestellten der Fall.
8
Aus den von der Revision in der Rechtsmittelbegründung vorgetragenen Vermerken vom 12. bzw. 28. Mai 2014 folgt weiterhin, dass die nach dem Abhandenkommen des Urteilsoriginals durch erneuten Ausdruck der entsprechenden elektronisch gespeicherten Datei hergestellte Version des Urteils mit dem Original ohne jeden Zweifel vollkommen identisch ist. Der Vermerk des Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 legt dies im Einzelnen dar. Die Berichterstatterin hat angesichts der Existenz lediglich einer gespeicherten Version der Datei diese Identität ebenfalls zweifelsfrei belegt. Aus diesen Vermerken allein folgt auf der Grundlage der vom Generalbundesanwalt referierten Rechtsprechung das Fehlen einer Verletzung von § 275 Abs. 1 StPO. Die von der Revision an- gesprochenen „ergänzenden Vermerke“ sind vom Senat nicht herangezogen worden.
9
Im Übrigen hat sich die Revision rechtsirrig - und im Hinblick auf eine Gehörsverletzung zudem ohne Bedeutung - auf zwei Entscheidungen des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs bezogen. Dem Urteil vom 18. Dezember 1979 (5 StR 697/79, NJW 1980, 1007) lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem gerade die Übereinstimmung von unterschriebenem, aber danach abhanden gekommenem Urteilsoriginal und Zweitversion anders als vorliegend nicht feststand. In dem dem Beschluss vom 22. Mai 2012 (5 StR 229/12, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 1 Akten 3) zugrunde liegenden Verfahren war – wiederum anders als vorliegend – offen geblieben, ob das unterschriebene, später verlo- ren gegangene Urteilsoriginal rechtzeitig im Sinne von § 275 Abs. 1 StPO zu den Akten gelangt war.
10
bb) Die Revision hatte mit der Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ebenfalls bereits aufgrund der von ihr selbst vorgetragenen Verfahrenstatsachen und dem Inhalt der vorgelegten Vermerke vom 12. und 28. Mai 2014 auch insoweit keinen Erfolg, als die „Nichteinhaltung der Abset- zungsfrist hinsichtlich der Originalurkunde“ (RB S. 10-18) geltend gemacht wor- den war. Wie sich aus den vorstehend [1.c)aa)] dargelegten Gründen ergibt, ist die Absetzungsfrist eingehalten worden. Entgegen der von der Revision vertretenen Rechtsauffassung kann der Nachweis der Fristeinhaltung nicht ausschließlich durch den Vermerk gemäß § 275 Abs. 1 Satz 5 StPO geführt werden.
11
cc) Die Erfolglosigkeit der Rüge der Verletzung von § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO „wegen Nichteinhaltung der Absetzungsfrist bei der nunmehr vorliegenden Urteilsurkunde“ (RB S. 18-26)beruht ebenfalls nicht auf der Berücksichtigung der von ihr genannten ergänzenden Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Berichterstatterin. Sie ergibt sich auf der Grundlage der aus den von der Revision dargelegten Vermerken der Justizangestellten vom 30. April 2014, der Berichterstatterin vom 12. und des Vorsitzenden vom 28. Mai 2014 aus rechtlichen Gründen.
12
Die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO findet auf den durch die Revision selbst vorgetragenen Verfahrensablauf eines erneuten Ausdrucks einer nach dem Erstausdruck inhaltlich unveränderten Datei des rechtzeitig zu den Akten gelangten Urteils von vornherein keine Anwendung. Der Zweck der Urteilsabsetzungsfrist besteht darin, die Übereinstimmung des Beratungsergebnisses mit den schriftlichen Urteilsgründen zu gewährleisten (siehe nur SK- StPO/Frister, 4. Aufl., Band V, § 275 Rn. 3 mwN). Es geht darum, der „Erfah- rung nachlassender Erinnerung“ zu begegnen und eine möglichst frische Erin- nerung an die Ergebnisse der Hauptverhandlung und der Beratung zu sichern (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2008, 117 mwN; vgl. auch KK-StPO/Greger, 7. Aufl., § 275 Rn. 38). War das Urteil wie hier fristgerecht zu den Akten gelangt , ist der Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich dann nicht betroffen, wenn nach Verlust des rechtzeitig abgesetzten Urteils eine sicher inhaltsidentische weitere Version auf technischem Wege hergestellt werden kann.
13
Auch für die Beurteilung der sicheren Inhaltsidentität kommt es jedenfalls unter den hier durch die der Revision bekannten Vermerke belegten tatsächli- chen Bedingungen nicht auf die „frische Erinnerung“ an, sondern allein auf die davon völlig unabhängig feststellbare Inhaltsidentität. Diese gründet sich hier auf den Umstand, dass nach dem Ausdruck des nach Einhaltung der Absetzungsfrist verloren gegangenen Originals keine Veränderung der entsprechenden Datei mehr erfolgt war.
14
Soweit sich die Revision für ihre Rechtsauffassung auf den Beschluss des Senats vom 7. September 1982 (1 StR 249/82, NStZ 1982, 519) sowie den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2007 (NStZ-RR 2008, 117) beruft, geht dies fehl. Beide Entscheidungen betreffen Konstellationen , in denen die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO gerade nicht eingehalten war.
15
2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 465 Abs. 1 StPO (Senat, Beschlüsse vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14 und vom 29. Januar 2015 – 1 StR 359/13).
Raum Rothfuß Graf
Cirener Radtke

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

64
sich darauf, ob eine Pflicht zur Verzinsung und Auskehr aufgelaufener Zinsen an die Berechtigten bestand, mithin auf das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (Untreue) und – vorgelagert – namentlich auf das Merkmal der Täuschung (Betrug). Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt die Kenntnis der die objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden Umstände für die Begründung des Vorsatzes nicht. Der Täter muss zusätzlich die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 16 Rn. 69 ff.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 25 f.; KK-OWiG/Rengier, 4. Aufl., § 11 Rn. 15, 19).
11
3. Entgegen der Auffassung der Revision wird auch die Überzeugung des Landgerichts, der Angeklagte habe mit Tatvorsatz gehandelt, von den Feststellungen getragen. Insbesondere hat sich das Landgericht auf der Grundlage einer Vielzahl von Indizien rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass dem Angeklagten bei seinem Tun der Inhalt seiner Vermögensbetreuungspflicht bekannt war (UA S. 73 ff.).
34
(6) Die Feststellungen des Landgerichts belegen den Vorsatz des Angeklagten. Die Strafkammer hat im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung insoweit alle wesentlichen Gesichtspunkte abgehandelt und insbesondere rechtsfehlerfrei u.a. darauf abgestellt, dass dem Angeklagten die Notwendigkeit der Trennung der Finanzierung von Partei- und Fraktionsaufgaben aufgrund früherer, eigene Handlungen des Angeklagten betreffende Gerichtsentscheidungen, etwa derjenigen des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 19. August 2002 (VGH RP aaO), bewusst war.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ulm, Az. 4 O 122/08, vom 22.08.2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 710.000 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 100.000 Euro seit dem 28.12.2005, 28.06.2006, 28.12.2006, 28.06.2007 und 28.12.2007, aus 7.000 Euro seit dem 31.01.2006 sowie aus 203.000 Euro seit dem 19.12.2008 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, der Kläger leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages.

V. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert und Beschwer der Beklagten in beiden Instanzen: bis 850.000 Euro

Gründe

 
I.
Der Kläger ist der kommunale Abwasserzweckverband der Städte A……… und B………... sowie der Gemeinden C……… und D…... Er verlangt von der Beklagten - einer deutschen Großbank - Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Zins-Swap-Vertrages.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Sie werden wie folgt ergänzt: Nach dem vom Landgericht hinsichtlich Zweck und Gegenstand dargestellten Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte vom 30.09.1999 (K 1), auf dessen Grundlage in der Folge Swap-Geschäfte erfolgten, schlossen die Parteien am 22.02./20.03.2001 einen Beratungsvertrag über "Kommunales Finanzmanagement" (K 30). Dessen Ergebnisse mündeten in einer Abschlusspräsentation der Beklagten für den Kläger am 07.11.2001. In dieser wurden der Ausbau des bestehenden Reportings, der Einsatz neuer Instrumente (Forward-Kontrakte und Butterfly-Swaps), mögliche Zinssicherungen, insbesondere durch Zinsswaps, sowie die Zusammenfassung variabler Kredite in wenigen Swap-Vereinbarungen empfohlen. Weiter wurde in der Präsentation ausgeführt:
"Aus den Grundzielen der kommunalen Aufgabenerfüllung leitet sich automatisch ein Spekulationsverbot ab. Es gilt daher, sämtliche Risiken aber auch damit einhergehende mögliche Chancen weitestgehend auszugrenzen. Dies ist nur mit einem grundgeschäftsbezogenen Zinsmanagement möglich."
Am 09.01.2002 schloss die Stadt A............, vertreten durch ihren Kämmerer, Herrn E………., der zugleich kaufmännischer Geschäftsleiter des Klägers ist, einen Beratungsvertrag "halbjährliches Reporting" (K 31) ab.
Zur Vorbereitung des streitgegenständlichen CMS Spread Sammler Swap überließ die Beklagte dem Kläger ein Strategiepapier vom 08.06.2005 (Anlage K11). Unter der einleitenden Rubrik "Kundenpositionierung und Markterwartung" heißt es:
- "Sie verfügen über eine bestehende Euro-Finanzierung.
- Sie möchten Ihre hieraus resultierende Zinsbelastung reduzieren.
- Sie rechnen damit, dass sich die Differenz zwischen dem 10-Jahres-und dem 2-Jahres-EUR-Swapsatz (10- bzw. 2-Jahres "Constant Maturity Swap (CMS) - Satz innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht deutlich verringern wird, d.h. die Zinsstrukturkurve nicht wesentlich flacher wird.
- Diese Markterwartung über die CMS-Differenz ("CMS-Spread") möchten Sie zur Verbilligung Ihrer bestehenden EUR-Finanzierung um bis zu 1 % nutzen.
10 
- Sollte ihre Markterwartung nicht eintreten und sich die Differenz zwischen dem 10-Jahres-EUR-Swapsatz und dem 2-Jahres-EUR-Swapsatz verringern, so sind Sie bei einer erheblichen Verringerung bereit, eine Erhöhung Ihrer Zinsbelastung in Kauf zu nehmen, wobei die Höhe Ihrer Zinszahlung auf 8 % begrenzt ist. Die Zahlung der ... Bank AG in Höhe von 4 % bleibt aber bestehen. Somit ist Ihr worst case bei 4 % begrenzt."
11 
Dem schloss sich der Strategievorschlag "Abschluss eines strukturierten EUR-Zinsswaps mit CMS-Spread-Koppelung" mit den wesentlichen Vertragsdaten an. Danach folgte der Hinweis:
12 
"Wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist der Verkauf von strukturierten Zinsoptionen. Die hierfür von Ihnen zu beanspruchende Prämie wird nicht als Einmalzahlung bei Abschluss des Geschäfts von der Bank geleistet, sondern wird aus einem strukturierten EUR-Zinsswap über die Laufzeit verteilt an Sie ausgezahlt."
13 
Weiterhin wurde unter der Rubrik "Analyse & Fazit" als letzter Punkt ausgeführt:
14 
"Der strukturierte Zinsswap besteht unabhängig vom Grundgeschäft. Zahlungen werden separat abgewickelt. Der Swap erlischt nicht, wenn das Grundgeschäft wegfällt. Sollte das Grundgeschäft nicht mehr existieren, verändert sich der Risikocharakter des strukturierten Zinsswaps. In diesem Fall haben Sie eine offene Zins-Position, die mit einem Verlustrisiko verbunden ist. Hierbei spielt die Entwicklung des Zinsunterschiedes zwischen EUR CMS 10 und EUR CMS 2 eine maßgebliche Rolle."
15 
Am 24.06.2005 schlossen die Parteien den von der Beklagten empfohlenen Vertrag mit folgenden Konditionen ab:
16 
Bezugsbetrag:
5 Millionen Euro (wird nicht gezahlt, sondern ist nur Basis für Zinsberechnung)
Laufzeit:
28.06.2005 - 28.06.2010
Fälligkeitstermine und Zinsfeststellungstermine:
halbjährlich
Zahlungsverpflichtung der Beklagten:
3,00% p.a. (fest)
Zahlungsverpflichtung des Klägers:
Variabel nach folgender Formel:
        
2,00% + 5,00% p.a. x (2N : D)
Schwelle:
0,82% 
        
N = Anzahl der Bankarbeitstage im jeweiligen Berechnungszeitraum, an dem die Differenz zwischen dem 10-Jahres-Swap-Satz und dem 2-Jahres-Swap-Satz kleiner 0,82% ist
        
D = Anzahl der Bankarbeitstage im Berechnungszeitraum.
Höchstzinssatz des Klägers:
7,00%
17 
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Falschberatung sei der Beklagten nicht vorzuwerfen. Die Beratung sei anlegergerecht gewesen. Schon die seit 1999 abgeschlossenen Vorgeschäfte des Klägers zeigten, dass dieser hochspekulative Geschäfte abschließen wollte. Deren Risiken hätten sich zum Teil auch realisiert. Die Beratung sei anlagegerecht gewesen. Der Kläger habe aufgrund der in der Präsentation dargestellten Risiken eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen können. Die möglichen ungünstigen Folgen des Geschäfts seien offensichtlich gewesen; das gelte auch für das einseitige Kündigungsrecht der Beklagten. Durch die Unterlagen sei auch ausreichend über den rein spekulativen Charakter, der sich daraus ergebe, dass die zukünftige Höhe der Differenzzinssätze nicht vorher gesagt werden könne, aufgeklärt worden. Dies liege für jemanden, der sich mit diesen Unterlagen auseinandergesetzt habe, auf der Hand. Die Höhe der Risiken habe der Kläger einfach ermitteln können. Jedenfalls mithilfe eines Taschenrechners hätten die Szenarien problemlos ausgerechnet werden können, da die Formel zur Berechnung des variablen Zinssatzes für jemanden, der täglich mit Zahlen arbeite, denkbar einfach gewesen sei. Es sei auch ein Hinweis auf die Zinsentwicklung in der Vergangenheit erteilt worden. Offen bleiben könne, ob zutreffend über die mögliche zukünftige Entwicklung der Zinsen bzw. über die hierzu angestellten Prognosen aufgeklärt worden sei. Gleiches gelte hinsichtlich der Frage, ob eine ökonomische Auswertung im Jahr 2005 ergeben hätte, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Fallen des Spread zu erwarten gewesen sei. Hier ergebe sich aus der Natur der Sache, dass die Beklagte nicht weiter habe aufklären müssen. Gleiches gelte für vermeintliche Wahrscheinlichkeit einer bestimmten zukünftigen Entwicklung, die letztlich auf einer subjektiven Wertung beruhen müsse und nicht verifizierbar sei. Soweit die Beraterin F…. dem Kläger gegenüber die Auffassung vertreten habe, sie gehe davon aus, dass die 2-Jahres-Zinsen längerfristig niedriger blieben als die 10-Jahres-Zinsen, stelle dies eine persönliche Meinungsäußerung dar, mit der keine Zusicherung verbunden gewesen sei. Die Beklagte habe nicht auf das Marktwertrisiko hinweisen müssen. Die Entwicklung des Marktwerts habe sie ebenso wenig vorhersagen können wie den Verlauf der Zinsen selbst. Aus dem negativen Marktwert ergebe sich nicht, dass der Kläger in Zukunft mit dem Geschäft Verluste machen werde. Über die Marge sei nicht aufzuklären gewesen. Auf mögliche Verstöße der Beklagten gegen kommunalrechtliche Bestimmungen zur Sicherung einer nachhaltigen Vermögensverwaltung habe die Beklagte nicht hinweisen müssen. Unbeschadet von der Frage, ob die Beklagte diese Rechtsberatung überhaupt hätte durchführen dürfen, sei der Kläger insoweit nicht aufklärungsbedürftig gewesen, Finanzmarktgeschäfte gehörten zu seinem Pflichtenkreis.
18 
Gegen das ihm am 29.08.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.09.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.12.2008 am 28.11.2008 begründet.
19 
Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag. Das Landgericht habe Anlageziel und Risikoneigung des Klägers fehlerhaft festgestellt. Dieser habe nicht spekulativ handeln wollen, was sich aus der Sitzungsvorlage des Verwaltungsausschusses der Stadt A………… vom 09.07.2003 (K 38) und einer Mail der Beraterin der Beklagten vom 26.04.2005 ergebe, in der diese den CMS-Spread-Sammler-Swap als aktuelle Zinsoptimierungsidee vorgestellt habe (K 39). Der Kläger habe keine Erfahrungen mit Spread- und Ladder-Geschäften gehabt. Die Beratung sei nicht anlegergerecht erfolgt. Die Produktbesonderheiten dieses OTC-Geschäfts ("over the counter") seien nicht richtig dargestellt worden. Auf die inverse Zinsstruktur sei nicht eingegangen worden, die Marktentwicklung sei tatsächlich eine andere gewesen und die Beklagte habe dem Vertragspartner des Gegengeschäfts die konträre Zinsmeinung verkauft und dies dem Kläger vorenthalten. Auf das Marktwertrisiko und das Marktwertausgleichsrisiko sei ebenso wenig hingewiesen worden wie auf das Bilanzrisiko bei vorzeitiger Auflösung des Geschäfts. Die Warnung der eigenen Rechtsabteilung der Beklagten vor diesen Geschäften, wie sie im ZDF in der WISO-Sendung vom 23.06.2008 dargestellt worden sei, und von der der Kläger erst nach der mündlichen Verhandlung Kenntnis erhalten habe, sei verschwiegen worden. Aus einem internen Schreiben der Beklagten ergebe sich, dass diese Geschäfte nicht zur Zinsminimierung oder Verbilligung geeignet seien und die Rechtsabteilung der Beklagten dies ausdrücklich bestätigt habe. Das Geschäft sei nichtig, da es gegen das kommunalrechtliche Spekulationsverbot verstoße. Es fehle an der Konnexität zu Grundgeschäften, wie auch das Regierungspräsidium Tübingen in seinem Schreiben vom 06.03.2008 (K 26) festgestellt habe. Zudem sei die Beklagte durch das einseitige Kündigungsrecht einseitig begünstigt worden. Der Vertrag verstoße gegen den ultra-vires-Grundsatz. Weiterhin sei das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt; die Vertragskonditionen seien nicht verhandelbar gewesen. Auf die Marge sei nicht hingewiesen worden, weshalb der Auskunftsanspruch bestehe. Über diese sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Lebensversicherungsverträgen aufzuklären; nichts anderes könne hier gelten. Weiterhin sei die Vorlage der hausinternen Einwertung zu diesem Geschäft von der Beklagten zu verlangen. Im Übrigen gelte die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens und der Kläger müsse sich kein Mitverschulden anrechnen lassen.
20 
Der Kläger hat auf die Widerklage der Beklagten hin seinen erstinstanzlich gestellten Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens von weiteren Ansprüchen der Beklagten mit Zustimmung der Beklagten für erledigt erklärt.
21 
Der Kläger beantragt:
22 
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 710.000 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 100.000 Euro jeweils seit dem 28.12.2005, 28.06.2006, 28.12.2006, 28.06.2007 und 28.12.2007, aus 7.000 Euro seit dem 31.01.2006 sowie aus 203.000 Euro seit dem 19.12.2008 zu zahlen.
23 
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den Umstand des tatsächlichen Anfalls und die Höhe der im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen mit den Referenznummern 939278L und 1194687L von ihr bzw. Frau F……. erhaltenen Vergütungen und erzielten Margen sowie über ihre hausinternen Bewertungen im Zeitraum vom 01.01.2004 bis einschließlich 28.06.2005 zu den Produkten "Zins-Ladder-Swap" (Referenznummer 939278L) und "CMS SSS" (Referenznummer: 1194687L) Auskunft zu erteilen, insbesondere ihre sämtlichen internen Zinsstrukturanalysen, Forwardberechnungen, Basispunkteinwertungen, Bid/Offer-Sätze sowie sämtliche Berechnungen bezüglich der von ihr zu diesen eben benannten Zinsswaps kalkulierten Barwerte, insbesondere Berechnungen der Bid/Offer-Spread-Kalkulationen sowie Berechnungen zum Present Value of 1 Basispoint, kurz BVBP oder Sensitivity-Analysen, sämtlich bezogen auf die streitgegenständlichen Zins-Swaps, offenzulegen bzw. auch hierüber Auskunft zu erteilen.
24 
Die Beklagte beantragt:
25 
Die Berufung wird zurückgewiesen.
26 
Sie beantragt im Wege der Widerklage:
27 
Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 101.111,11 Euro nebst 5 % Zinsen seit 01.07.2008 zu zahlen.
28 
Der Kläger beantragt:
29 
Die Widerklage der Beklagten wird zurückgewiesen.
30 
Die Beklagte hält die Entscheidung des Landgerichts für richtig und verlangt mit ihrer Widerklage die letzte noch offene Zahlung des Klägers aus dem inzwischen beendeten Swap-Vertrag. Sie wiederholt und vertieft ihre schon in erster Instanz vorgetragene Argumentation: Der Kläger sei zwar nicht als professioneller Kunde, jedoch aufgrund der Vorerfahrungen des für den Kläger handelnden Geschäftsleiters E……….. als erfahrener Kunde eingestuft worden. Der Geschäftsleiter habe sowohl für den Kläger wie auch für die Stadt A………….. schon in erheblichem Umfang Swap-Geschäfte abgeschlossen, darunter mindestens elf Swap-Geschäfte bei anderen Banken. Im Juli 2004 und im Januar 2005 seien es zwei Quanto-Swaps mit unbegrenztem Verlustrisiko für die Stadt A………… sowie ein Zins-Swap auf EURIBOR-Basis am 30.09.1999, einen Zins-Wahrungsswap DM/CHF am 23.08.2000 und einen Ladder-Swap am 14.07.2004 bei der Beklagten gewesen. Diese seien vergleichbar mit dem streitgegenständlichen Swap-Vertrag gewesen. Schon damals seien die wesentlichen Strukturen vorgestellt, umfassend beraten und aufgeklärt sowie auf das Kündigungsrecht hingewiesen worden. Auch bei dem streitgegenständlichen Geschäft habe Herr E………. eine dezidierte Zinsmeinung besessen. Sowohl auf die rechtliche Unabhängigkeit als auch auf das einseitige Beendigungsrecht sei in den Unterlagen deutlich hingewiesen worden. Herr E……….. sei auch mehrfach auf den Derivate-Erlass des Innenministeriums hingewiesen worden. Er sei fachkundig gewesen und habe selbst einen Vortrag zu diesem Themenkomplex in einem Gesprächskreis gehalten. Es habe für ihn eine 2 ½-stündige Präsentation von Frau G……. über verschiedene Swap-Modelle gegeben, bei der ausführlich Chancen und Risiken des CMS Spread Ladder Swap dargestellt worden seien. Erfahrungen und Marktmeinung hätten für die Beklagte Vorrang vor einer mathematischen Berechnung gehabt. Herrn E………. seien in einer Präsentation (K 8) die sich aus der Zinsstrukturkurve ergebenden zusammenlaufenden Forwards erläutert worden. Dieser sei jedoch davon ausgegangen, dass die Forwards übertreiben würden. Das Risiko sei dargestellt und nicht als wenig wahrscheinlich abgetan worden. Der Kläger habe weitere Informationen erhalten: So sei ihm in einer Mail vom 01.03.2005 ein Swap vorgeschlagen worden und Herr E………. habe selbst unter Zuhilfenahme einer Excel-Tabelle nachgerechnet, weshalb er keinen Szenariorechner benötigt habe. Anhand eines früheren Strategiepapiers vom 20.04.2005 seien auch Unterschiede zu anderen Produkten diskutiert und die Risiken nochmals dargelegt worden. Der Marktwert sei Thema und aufgrund des "worst case", der 4%-Deckelung der Verluste, und der Laufzeit ersichtlich gewesen. Die Verlustszenarien hätten die Risiken deutlich gemacht. Über den anfänglichen negativen Marktwert habe nicht aufgeklärt werden müssen. Der Kläger hätte den Vertrag nicht beenden können, so dass dieser Marktwert niemals habe liquiditätswirksam werden können. Im Übrigen bestehe eine Marktusance, dass dem Kunden jederzeit die Beendigung in Wege eines Aufhebungsvertrages ermöglicht werde, so dass keine vorherige Aufklärung erforderlich sei. Das Anlageziel des Klägers sei die Zinsoptimierung gewesen, dem schon entsprochen werde, wenn Zinserträge generiert bzw. Zinsbelastungen reduziert werden könnten. Bei dem empfohlenen Swap-Vertrag habe es sich nicht um ein hochspekulatives Geschäft gehandelt, sondern um einen einfach strukturierten Zins-Swap, zu dessen Beurteilung eine einfache Zinsmeinung genüge. Über etwaige "kommunalrechtliche Besonderheiten" sei gesprochen worden. Das kommunalrechtliche Spekulationsverbot sei keine allgemein verbindliche Rechtsnorm. Es habe allenfalls haushaltsrechtliche Bedeutung, daher komme ihm keine Bedeutung für die Beratungspflichten zu. Mit "kommunalrechtlichen Besonderheiten" sei der Kläger besser vertraut als die Beklagte. Das Darlehensportfolio des Klägers sei besprochen worden. Eine Absicherung von Grundgeschäften laut dem Derivateerlass habe vorgelegen, da ein konkreter sachlicher und zeitlicher Bezug gegeben gewesen sei. Jedenfalls sei eine etwaige Fehlberatung nicht kausal geworden und der Kläger müsse sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen.
31 
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
32 
Die gem. § 511 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung des Klägers ist zulässig und mit Ausnahme des Auskunftsanspruchs begründet. Die gem. § 531 Nr. 1 ZPO zulässige, weil sachdienliche Widerklage der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Parteien ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen, der für die Beklagte umfangreiche Aufklärungspflichten mit sich brachte (1.). Die Beklagte hat den Kläger im Zusammenhang mit dem CMS-Spread-Sammler-Swap weder objektgerecht (2.) noch anlegergerecht beraten (3.). Der Kläger war auf Grund seiner Unwissenheit in einem erheblichen Umfang aufklärungsbedürftig (4.). Die Beklagte hat ihre Beratungspflichten schuldhaft verletzt (5.). Dies war ursächlich (6.) für den eingetretenen Schaden (7.). Ein Mitverschulden fällt dem Kläger nicht zur Last (8.). Das Auskunftsverlangen des Klägers (9.) ist hingegen ebenso wie die Widerklage der Klägerin (10.) unbegründet
33 
1. Beratungsvertrag
34 
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass mit der Beratung des Klägers und der Empfehlung des streitgegenständlichen CMS Spread Sammler Swaps ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist (vgl. hierzu die std. Rspr.: BGH Urt. v. 06.07.1993, XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126; Urt. v. 21.03.2006, XI ZR 63/05, WM 2006, 851). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beratungsleistung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt (BGH Urt. v. 04.03.1987, IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117; Urt. v. 13.01.2004, XI ZR 355/02, zit.n.juris; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski (S/B/L), Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. § 43 Rn. 7).
35 
Aus dem Beratungsvertrag, der gegenüber dem später abgeschlossenen Swap-Vertrag eine selbständige Bedeutung hat, folgt die Pflicht zur vollständigen, verständlichen und richtigen Beratung über das Anlageobjekt (objektgerechte Beratung). Das empfohlene Anlageobjekt muss zudem auf den Kunden zugeschnitten, also anlegergerecht sein (std. Rspr, vgl. nur: BGH Urt. v. 06.07.1993, XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126; Urt. v. 21.03.2006, XI ZR 63/05, WM 2006, 851; Braun/Lang/Loy in: Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang (E/S/C/L), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rn. 192 ff.). Bewertungen und Empfehlungen müssen hingegen ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (BGH Urt. v. 14.07.2009, XI ZR 152/08, WM 2009, 1647; Urt. v. 21.03.2006, XI ZR 63/05, WM 2006, 851).
36 
2. Keine objektgerechte Beratung
37 
Die Beklagte hat den Kläger nicht pflichtgemäß über die wesentlichen Eigenschaften des empfohlenen Swap-Vertrages informiert. Bei dem CMS Spread Sammler Swap handelt es sich um einen komplexen Vertrag mit asymmetrischen Risiken (a.). Die Beklagte hat dabei fehlerhaft nicht darauf hingewiesen, dass die Zinsmeinung des Klägers als alleiniges Entscheidungskriterium ungeeignet war und sich die Risiken und Erfolgsaussichten nur mit Hilfe von anerkannten Bewertungsmodellen beurteilen lassen (b.). Sie hätte über die Höhe und die Bedeutung des anfänglichen Marktwerts aufklären (c.) und auf den Charakter des Vertrages als hoch spekulativen Glücksspiel mit unfair verteilten Chancen hinweisen müssen (d.).
38 
a. Eigenschaften des Vertrages
39 
Der CMS Spread Sammler Swap war ein komplexes Finanzinstrument mit verschiedenen Eigenschaften:
40 
- Die Netto-Zahlungspflicht des Klägers errechnete sich nach einer mathematischen Formel nach Abzug der Zinszahlungen der Beklagten (3%). Der Kläger hatte 2% p.a. zu bezahlen zuzüglich eines variablen Zinssatzes von 5%, multipliziert mit der doppelten Anzahl der Bankarbeitstage, an denen der vertragliche Spreadsatz unter 0,82% lag, geteilt durch die Anzahl der Bankarbeitstage dieser Periode. Daraus ergab sich bei dem Nominalkapital von 5 Millionen Euro ein maximal möglicher Gewinn des Klägers in Höhe von 1% p.a. [3%-2%+0%)]. Das waren 250.000 Euro in 5 Jahren, 50.000 Euro pro Jahr oder 25.000 Euro pro Halbjahresperiode. Der maximal mögliche Verlust aus diesem Geschäft belief sich auf 4% p.a. [3%-(2%+5%)]. Das war 1 Million Euro in 5 Jahren.
41 
- Der vertragliche Spreadsatz ist kein Interbanken-Zinssatz, sondern leitet sich aus der Differenz (Spread) zwischen zwei Interbankenzinssätzen (10-Jahres-Swapsatz und 2-Jahres-Swapsatz) ab. Zur prognostischen Abschätzung der Entwicklung des Spreadsatzes und somit der Erfolgsaussichten des Swap-Vertrages hätte der Kläger in der Lage sein müssen, sich eine Meinung bezüglich der Faktoren bilden zu können, die das Verhältnis dieser beiden Zinssätze zueinander beeinflussen.
42 
- Die angemessene Festlegung der Schwelle von 0,82% für die Zählung der Bankarbeitstage, die den Faktor für den variablen Zinssatz ausmachten, enthielt ein weiteres Prognoserisiko. Der Vertrag war für den Kläger nur günstig, wenn die vertragliche Schwelle an weniger als 12 Bankarbeitstagen unterschritten wurde. Er musste beurteilen können, ob die Höhe der Schwelle hierfür richtig justiert war. Hierzu war eine Zinsmeinung zu den Höhen der 10-Jahres- und 2-Jahres-Swapsätze für sämtliche Bankarbeitstage in den nächsten 5 Jahren erforderlich.
43 
- Die Beklagte hatte ein Recht zur vorzeitigen Beendigung ohne Ausgleichszahlung zu jedem halbjährlichen Zinszahlungstermin nach einem Jahr. Hierdurch bestand für den Kläger die Gefahr, dass er infolge der Kündigung bereits erzielte Verluste durch den späteren Verlauf des Vertrages nicht mehr würde kompensieren können.
44 
- Der Kläger besaß kein ordentliches Kündigungsrecht ohne Ausgleichszahlung. Damit bestand sein maximales Verlustrisiko von 1 Million Euro in 5 Jahren bereits ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Beklagte stand auf Grund ihres Kündigungsrechts demgegenüber nicht bereits ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses im maximalen Verlustrisiko von 250.000 Euro. Bis zum ersten Kündigungstermin war ihr Risiko auf 50.000 Euro beschränkt wofür sie bereits die volle Chance auf einen Gewinn von 1 Million Euro in 5 Jahren erhielt. Nach dem ersten Kündigungstermin bestanden jeweils nur Verlustrisiken von maximal 25.000 Euro pro Halbjahr, wohingegen der Kläger immer im vollen Risiko blieb.
45 
b. Ungeeignetheit der Zinsmeinung und Beurteilung mittels Bewertungsmodellen
46 
Die Beklagte hat ihre Beratungspflichten verletzt, indem sie dem Kläger suggeriert hat, er könne die Risiken und Chancen des Vertrages auf der Grundlage der persönlichen Zinsmeinung ihres kaufmännischen Geschäftsführers beurteilen. Sie hätte deutlich darauf hinweisen müssen, dass derartige Verträge nur anhand von anerkannten Bewertungsmodellen, wie die Beklagte sie auch zur Konstruktion des Vertrages verwendet hat, beurteilt werden können.
47 
aa. Erforderlichkeit einer Prognose
48 
Wer einen CMS Sammler Swap mit fünfjähriger Vertragsbindung abschließen will, muss zwangsläufig eine Prognoseentscheidung treffen. Er muss, ausgehend von der angebotenen Zinsformel, den zukünftigen konkreten Kursverlauf des 10-Jahres-Swapsatzes unter Berücksichtigung seiner Schwankungsbreite für die Vertragslaufzeit vorhersagen. Gleiches gilt für den 2-Jahres-Swapsatz. Darauf aufbauend muss er abschätzen, an wie vielen Tagen einer Zinsperiode sich beide Zinssätze auf weniger als 0,82 Prozentpunkte Abstand annähern. Er muss also nicht nur die Entwicklung der absoluten Höhe der Zinssätze und deren Ursachen prognostizieren, sondern auch die Umstände, die das Verhältnis der langfristigen zu den mittelfristigen Kapitalmarktzinssätzen beeinflussen. Da für die Berechnung der Zinsformel jeder Bankarbeitstag von Bedeutung ist, muss die Vorhersage möglichst konkret sein. Dabei sind die Volatilität der Zinskurven und die der aus ihnen abgeleiteten Spreadkurve zu berücksichtigen. Je näher die Differenz (Spread) sich dem vertraglichen Schwellenwert annähert, umso größer ist die Gefahr, dass auf Grund der Kursschwankungen ein "Ausreißer" nach unten die Schwelle verletzt. Die Prognose der Zinssätze und der Erfolgsaussichten muss zudem die Situationen vorhersehen, in denen die Bank von ihrem einseitigen Kündigungsrecht ohne Ausgleichszahlung Gebrauch machen kann, so dass spätere Gewinnmöglichkeiten zur Kompensation von anfänglichen Verlusten entfallen.
49 
bb. Ungeeignetheit der subjektiven Zinsmeinung
50 
Die Beklagte hat in dem Strategiepapier vom 08.06.2005 (Anlage K11) die Entscheidungskriterien für den Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages dargestellt. Dort heißt es, der Kläger rechne damit, dass sich die Differenz zwischen dem 10-Jahres- und dem 2-Jahres-EUR-Swapsatz innerhalb der nächsten 5 Jahre nicht deutlich verringern werde, das heißt, dass die Zinsstrukturkurve "nicht wesentlich flacher" werde. Diese Zinsmeinung bzw. Markterwartung über die CMS-Differenz wolle der Kläger zu einer Verbilligung seiner Finanzierung um bis zu 1% nutzen.
51 
Eine nähere Konkretisierung der zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Markterwartung erfolgte nicht. Eine mögliche, und von der Beklagten als maßgeblich dargestellte, Entscheidungsgrundlage ist somit die subjektive Meinung des Klägers, wie sich die Zinsen in den nächsten Jahren entwickeln werden. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 26.02.2010 (9 U 164/08) ausgeführt hat, sind derartige konturlos beschriebene Zinsmeinungen als alleinige Entscheidungsgrundlage aber vollkommen untauglich: Dem Kläger wurde mit dem angebotenen Swap-Vertrag eine unkündbare fünfjährige Vertragsbindung vorgeschlagen, die ein rechnerisches finanzielles Verlustrisiko von 1 Million Euro enthielt. Wer ein solches Risiko verantwortungsvoll eingehen will, bedarf einer fundierteren Entscheidungsgrundlage. Erforderlich ist eine präzise Vorstellung über die Wahrscheinlichkeit, mit der während der fünfjährigen Vertragslaufzeit die Spreadkurve die vertragliche Schwelle von 0,82% unterschreitet. Hierzu musste sich der Kunde u.a. eine Meinung bilden können, ob die Schwelle von 0,82 % angemessen ist und wie stark die Schwankungsbreite (Volatilität) der Spreadkurve ist.
52 
Die Beklagte hat auf Nachfrage des Senats eingeräumt, dass sie selbst auf der Grundlage ihrer subjektiven Zinsmeinung keine konkreten Zinssätze prognostiziert und darauf basierend einen voraussichtlichen Ertrag des Klägers aus dem angebotenen Swap-Vertrag errechnet habe. Die subjektive Zinsmeinung über die "nicht wesentlich flacher werdende" Zinsstrukturkurve liefert keine belastbaren Grundlagen für die Abschätzung des wirtschaftlichen Erfolgs. Sie löst sich vielmehr von dem voraussichtlichen volatilen Verlauf der Zinskurven und mündet in eine grobe, nicht näher begründbare Spekulation, an wie vielen Tagen der Spread die exakte Schwelle von 0,82% unterschreiten wird.
53 
Der Senat teilt hierbei die Auffassung der Beklagten im Schriftsatz vom 30.08.2010, S. 39 (GA 741), wonach eine Prognose der Marktentwicklung über die gesamte 5-jährige Laufzeit des CMS-Swaps von vornherein unseriös wäre. Es ist nicht vorstellbar, dass jemand die komplexen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen, die die Höhe der Zinssätze und ihr Verhältnis zueinander beeinflussen, über einen mehrjährigen Zeitraum vorhersagen kann (Senat, Urt. v. 26.02.2010, a.a.O., Rn. 81, zit.n.juris). Dementsprechend passen Banken, z.T. quartalsweise, ihre Prognosen an die geänderten Rahmenbedingungen und neuen Ereignisse an. Hinzu kommt, dass der für den Kläger handelnde kaufmännische Geschäftsleiter, ein Beamter des gehobenen Verwaltungsdienstes, ersichtlich auf Grund eigener Kenntnisse kaum in der Lage war, belastbare und präzise Prognosen über die Entwicklung der lang- und mittelfristigen Zinsen für einen Zeitraum der nächsten 5 Jahre zu treffen oder die Qualität der von den Banken erstellten Prognosen der Volkswirte zu beurteilen. Es kommt nicht darauf an, dass einem Anleger die Unzuverlässigkeit von Prognosen bewusst ist und ein Berater dennoch auf diesen eine Empfehlung aufbauen darf (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.2006, XI ZR 63/05). Maßgeblich ist, dass eine zwangsläufig unsichere Prognose als alleinige Entscheidungsgrundlage für einen mehrjährigen Vertrag mit dementsprechend hohem Verlustrisiko ungeeignet ist und dass die Beklagte auf die Erforderlichkeit einer fundierteren Entscheidungsgrundlage hätte hinweisen müssen. Mit ihrem Strategiepapier hat sie dem Kläger pflichtwidrig aber genau das Gegenteil suggeriert.
54 
cc. Prognose durch Bewertungsmodelle
55 
Der Senat hält trotz der Kritik der Beklagten (vgl. a. OLG Frankfurt, Urt. v. 04.08.2010, 23 U 230/08, WM 2010, 1790, Rn. 68 zit.n.juris) an seiner Auffassung fest, dass eine Beurteilung der Chancen und Risiken des Swap-Vertrages nur auf der Grundlage von anerkannten Bewertungsmodellen erfolgen kann (Urt. v. 26.02.2010, 9 U 164/08). Die Erfolgsaussichten des Vertrages lassen sich nicht mittels Taschenrechners abschätzen (1). Die Bewertungsmodelle enthalten hingegen stochastische, also objektive Prognosen (2). Diese sind neben den subjektiven Prognosen mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar überlegen (3).
56 
(1) Der Swap-Vertrag wurde mit Hilfe der Bewertungsmodelle präzise konstruiert. Er enthält neben einer mit einem Taschenrechner berechenbaren Formel (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 11.09.2008, 3 O 48/08; LG Wuppertal, Urt. v. 16.07.2008, 3 O 33/08, und die angegriffene Entscheidung) Risiken, die für den nicht professionellen Marktteilnehmer nicht transparent sind. Diese lassen sich nicht durch willkürliche Szenario-Berechnungen auf dem Niveau von Taschenrechnern oder Tabellenkalkulationsprogrammen erfassen und quantifizieren. Das gilt beispielsweise für die Kündigungsrechte der Beklagten, die Bestandteilen des Vertrages einen Options-Charakter verleihen (s.o.).
57 
(2) Bei den Bewertungsmodellen, wie beispielsweise das von der Beklagten verwendete Heath/Jarrow/Morton-Modell, handelt es sich um stochastische Modelle, denen ein Prognose-Charakter zukommt. Die Stochastik verbindet die Wahrscheinlichkeitstheorie mit der Statistik. Das hoch komplexe Bewertungsverfahren modelliert u.a. auf der Grundlage der tagesaktuellen Zinsstrukturkurve, der Volatilität der Zinssätze und der Korrelationen zukünftige Zinsstrukturkurven und erlaubt so die Annahme von wahrscheinlichen Werten für beliebige Tage und Zeiträume (vgl. Bühler/Uhrig-Homburg in: Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, Handbuch des Finanzsystems, 4. Aufl. Teil I Kapitel 3.8.4). Hierbei handelt es sich um präferenzfreie, also ohne Rückgriff auf individuelle Präferenzen ermittelte Werte. Der von den anerkannten Bewertungsmodellen errechnete Marktwert eines Vertrages ist der Saldo aus dem Barwert der voraussichtlichen Zahlungen der Bank und des Kunden. Dieser auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses berechnete Barwert enthält eine Abzinsung der Zahlungen in Abhängigkeit ihrer über die Vertragslaufzeit gestaffelten Fälligkeitstermine. Dieser Rechenvorgang setzt voraus, dass das Modell für jede Zinsperiode Annahmen über die Höhe der Zinssätze treffen muss, um die Anzahl der Bankarbeitstage mit einem Spread unter 0,82% für alle vertraglichen Perioden zu ermitteln. Auch diese Annahmen sind, entgegen der Auffassung der Beklagten, Prognosen. Es sind zwar keine subjektiven Prognosen, die die persönliche Erwartung von der Entwicklung der Volkswirtschaft und der Kapitalmärkte enthält. Das lässt aber ihren Charakter als stochastische Prognose (vgl. zu diesem Begriff: Gabler, Bank Lexikon 2002, Stichwort: Prognose) nicht entfallen.
58 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten, die stochastische Prognose sei lediglich ein Ergebnis eines Rechenvorgangs ohne besonderen Aussagewert. Sie sei stichtagsbezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und ändere sich anhand der aktuellen Marktdaten täglich. Insofern verweist die Beklagte lediglich auf die Schwäche einer jeden Prognose, gleichgültig ob es sich um eine subjektive oder eine stochastische handelt. Eine Prognose kann sich täglich auf Grund von geänderten Rahmenbedingungen ändern. Die stochastische Prognose, die dabei auf die tagesaktuelle Zinsstrukturkurve aufbaut, reagiert lediglich sensibler und kurzfristiger als die subjektiven Prognosen, die sich an den monatlichen oder quartalsweisen Einschätzungen von Banken oder anderen Institutionen orientieren.
59 
Zudem fließt in die Berechnung des Marktwertes die tagesaktuelle Zinsstrukturkurve ein. Diese stellt auf einer Kurve die Zinssätze dar, die für Anleihen verschiedener Laufzeiten gezahlt werden. Die Zinsstrukturkurve spiegelt die an diesem Tag bestehende Erwartung der Marktteilnehmer über die voraussichtliche Entwicklung der Zinssätze wieder. Sind beispielsweise die Zinsen für langfristige Anleihen deutlich höher als für kurzfristige, spricht man von einer steilen Zinsstrukturkurve. Diese indiziert die Erwartung des Marktes auf ein Ansteigen der Zinsen. So hat es die Beklagte auch zutreffend in ihrer Präsentation (Anlage K8, S. 4) dem Kläger dargestellt. Soweit der Beklagtenvortrag in der Klageerwiderung (S. 25ff., GA 82ff.) anders hätte verstanden werden können, wurde dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat richtig gestellt und eingeräumt, dass die Zinsstrukturkurve eine Markterwartung bezüglich der Zinsentwicklung widerspiegelt. Insofern hat auch in die stochastische Prognose eine tagesaktuelle (subjektive) Markterwartung Eingang gefunden.
60 
(3) Entscheidend ist, dass die in den Bewertungsmodellen enthaltene stochastische Prognose gleichwertig, wenn nicht sogar überlegen gegenüber der subjektiven Prognose ist. Sie ist u.a. in der Lage, auch die Kündigungsoptionen der Bank und ihre Auswirkungen zu modellieren. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 26.02.2010 (a.a.O.) nicht verlangt, dass ein Kunde befähigt werden muss, die Modelle selbst zu entwickeln, zu verstehen oder anzuwenden. Das ist die eigentliche Aufgabe der Berater, denen er vertraut. Dem Kunden müssen die Ergebnisse dieser Modelle und die damit verbundenen zentralen Aussagen mitgeteilt werden. So wird ein Kunde auch ohne vertiefte Kenntnisse verstehen können, dass auf der Grundlage von objektiven stochastischen Modellen der Barwert der im Swap ausgetauschten "objektiv wahrscheinlichen" Zahlungsströme errechnet werden kann. Er kann so das - grobe - Ergebnis seiner subjektiven Prognose mit dem Ergebnis von stochastischen Methoden überprüfen. Dadurch erhält er die Möglichkeit zu überdenken, ob er seine Prognose von einer "nicht deutlichen Verringerung des Spreads in den nächsten 5 Jahren" für belastbarer und präziser hält als die Prognosen von hoch entwickelten Risikomodellen, mit denen professionelle Finanzmarktteilnehmer auf einem Swap-Markt mit einem mehrere Billionen Euro großen Nominalvolumen agieren (vgl. hierzu Bank für internationalen Zahlungsausgleich, BIZ-Quartalsbericht, März 2003, S. 53).
61 
c. Aufklärung über den Marktwert
62 
Die Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, den Kläger über den anfänglichen Marktwert aufzuklären. Hierzu war sie verpflichtet, weil es sich um eine zentrale Kennzahl zur Bewertung des angebotenen Swap-Vertrages handelt. Ohne dessen Kenntnis ließ sich keine verantwortbare Entscheidung über den Abschluss des Vertrages treffen. Der Marktwert enthielt u.a. wesentliche Informationen und Entscheidungsgrundlagen zu
63 
aa. dem voraussichtlichen Erfolg oder Misserfolg des Geschäfts auf Grund der prognostizierten Zahlungsströme,
64 
bb. dem Preis der im Vertrag enthaltenen Optionen und Risiken und dem Preis für die von der Beklagten erbrachten Leistung,
65 
cc. dem Risiko der Ausgleichszahlung für den Fall der Fehleinschätzung der Marktentwicklung (Risikomanagement).
66 
aa. Marktwert als Erfolgsprognose
67 
Der Marktwert stellt den Saldo der im Vertrag enthaltenen "wahrscheinlichen" zukünftigen Zahlungsströme der Bank und des Kunden dar. Es wurde oben bereits dargestellt, dass der von der Beklagten verschwiegene negative Marktwert dem Kläger indiziert hätte, dass nach objektiver Wahrscheinlichkeit er mit dem Vertrag keine Erträge zur Verringerung seiner Zinsbelastung generieren wird, sondern eine Mehrbelastung. Diese Information durfte ihm nicht vorenthalten werden.
68 
bb. Optionsprämie
69 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Vermittler von Terminoptionen den Kunden über die Höhe der Optionsprämie, die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Optionsgeschäfts und die Bedeutung der Prämie sowie ihren Einfluss auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko aufklären. So muss darauf hingewiesen werden, dass die Prämie den Rahmen eines vom Markt noch als vertretbar angesehenen Risikobereichs kennzeichnet und ihre Höhe den noch als realistisch angesehenen, wenn auch weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht (BGH, Urt. v. 20.06.2006, XI ZR 305/05, Rn. 11; Urt. v. 22.11.2005, XI ZR 76/05; Urt. v. 30.03.2004, XI ZR 488/02; Urt. v. 21.10.2003, XI ZR 453/02; Urt. v. 12.03.2002, XI ZR 258/01; Urt. v. 11.07.1988, II ZR 355/87, BGHZ 105, 108).
70 
Im vorliegenden Fall war die beratende Bank zwar nicht Vermittlerin von Terminoptionen. Auch ist der Kläger nicht von sich aus an die Beklagte mit der Bitte herangetreten, bestimmte Optionen zu platzieren. Die Beklagte hat aber selbst den Swap-Vertrag entworfen. Dabei hat sie in nicht transparenter Weise Zinsoptionen einstrukturiert. Sodann hat sie dem Kläger empfohlen, diese Optionen, deren Existenz und Wert er nicht erkennen konnte, zu verkaufen, um hierdurch die gewünschten Ertrags-Chancen zu erhalten. Käufer waren dabei allerdings nicht anonyme Finanzmarktteilnehmer, sondern die Beklagte selbst. Als Gegenpartei des Swap-Vertrags hat sie diese Optionen erworben.
71 
Wie die Beklagte dargelegt hat, platziert sie Swap-Verträge nicht unverändert auf dem Finanzmarkt, sondern zerlegt sie in einzelne Optionen, die sie dann mit Optionen aus anderen Verträgen bündelt und auf dem Finanzmarkt handelt (Macro-Hedge). Der Wert der einzelnen Optionen wird auf der Grundlage von anerkannten Bewertungsmodellen berechnet. Für einen nicht professionellen Teilnehmer am Finanzmarkt ist eine wirtschaftliche Bewertung der von ihm gestellten Optionen ohne diese Modelle nicht möglich. Auch im vorliegenden Fall wurde der Kläger über die Höhe der ihm für die Optionen zustehenden Prämien nicht aufgeklärt. Im Strategiepapier vom 08.06.2005 (Anlage K11, S. 2) wird zwar pauschal darauf hingewiesen, dass der Verkauf von strukturierten Zinsoptionen durch den Kläger Bestandteil der Zinsverbilligungsstrategie sei und er hierfür eine Prämie beanspruchen könne, die über die Laufzeit an ihn ausgezahlt werde. Die Höhe oder die Auszahlungsmodalität wird jedoch nicht dargelegt. Möglicherweise wollte die Beklagte mit diesem Hinweis ausdrücken, dass der Kläger im Gegenzug für die Prämie ein Zahlungsversprechen oder Optionen von der Bank erhält. Der objektiv ermittelbare Wert dieser im Tausch erhaltenen Leistungen wird aber ebenfalls nicht mitgeteilt.
72 
Im Marktwert des gesamten Vertrages schlagen sich die saldierten Werte der einzelnen gekauften oder verkauften Optionen und Zahlungsversprechen nieder (vgl. hierzu auch: Köndgen/Sandmann, ZBB 2010, 77 (89)). Ein negativer Marktwert bedeutet, dass professionelle Finanzmarktteilnehmer bereit wären, dem Kläger für die Stellung dieser riskanten und nachteiligen Mischung aus Optionen und Zahlungsversprechen einen Ausgleichsbetrag in dieser Höhe, der dem wahrscheinlichen Verlust entspricht, zu zahlen. Die Beklagte hat es zwar trotz ausdrücklicher, rechtzeitiger Nachfrage des Senats vorgezogen, nicht den konkreten anfänglichen Marktwert zu benennen. Sie räumte aber ein, dass er sich in der Größenordnung zwischen -2% und -5% des Nominalkapitals belaufen hat. Das entspricht einem negativen Betrag von 100.000 Euro bis 250.000 Euro. Die Beklagte, die selbst die Gegenposition des Swap-Vertrages einnehmen wollte, verschwieg dem Kläger diesen Wert und zahlte den Ausgleichsbetrag bzw. die Prämie daher nicht aus. Dies tat sie anscheinend in der Annahme, der Kunde schulde ihr eine angemessene Vergütung für die Möglichkeit, das Produkt am Finanzmarkt zu platzieren, für die Kosten der Risikoabsicherung, der Geschäftsabwicklung sowie für die Gewinnmarge. Allerdings hat sie ihren Vergütungsanspruch dem Kunden nicht offen gelegt. Hierzu war sie auch nicht gezwungen, weil sie mit Hilfe ihrer Berechnungsmodelle in der Lage war, den negativen Marktwert genau in der Höhe ihres gewünschten Vergütungsanspruchs zu modellieren. Dabei wusste sie, dass der Kläger diese Berechnung weder erkennen noch nachvollziehen konnte. So war sie in der Lage, ihre Vergütung in einer beliebigen Höhe zu berechnen ohne sich vor dem Kunden dafür rechtfertigen zu müssen. Dem Kunden wurde auf diese Weise der Preis für die Leistungen der Beklagten, gemeinhin ein vertragswesentlicher Umstand, über den die Parteien eine Einigung erzielen müssen, verheimlicht. Diese Vorgehensweise hat den Charakter einer heimlichen Selbstbedienung der Bank am Vermögen des Kunden. Die Beklagte entzog dem Kläger zwar keine liquiden Vermögenswerte. Sie belastete ihn aber mit Risikopositionen, ohne ihm die vom Finanzmarkt hierfür üblicherweise gezahlten Prämien gutzuschreiben.
73 
cc. Risikomanagement
74 
Die Beklagte hätte dem Kläger den anfänglichen Marktwert zum Zweck des Risikomanagements mitteilen müssen. Erst mit dieser Kenntnis wäre er in der Lage gewesen, das kostenmäßige Risiko einer fehlerhaften Prognose und einer damit verbundenen vorzeitigen Beendigung des Vertrages gegen Ausgleichszahlung abschätzen zu können. Mit dem Abschluss eines Swap-Vertrages muss eine zweiteilige Strategie bestehend aus Spekulation und Risikoabsicherung verfolgt werden (1). Ohne Kenntnis des anfänglichen Marktwerts fehlen dem Kunden wesentliche Information zu den Risiken (2).
75 
(1) Die Beklagte hat erläutert, dass sich die Motivation zum Abschluss eines Swap-Vertrages aus einem Vergleich der Markterwartung des Kunden mit der sich aus der aktuellen Zinsstrukturkurve ergebenden Markterwartung ergibt. Der Kunde setzt darauf, dass die Zinsen sich anders entwickeln, als die aus der Zinsstrukturkurve abgeleitete Markterwartung indiziert. Der Unterschied eröffne ein "Fenster", in dem man den Swap-Vertrag konstruieren könne. Dies macht den ersten Teil der Strategie aus, nämlich die Spekulation auf eine bestimmte Zinsentwicklung. Der Erfolg hängt von der dauerhaften Richtigkeit und Belastbarkeit der subjektiven Markterwartung des Kunden ab. Angesichts der Unzuverlässigkeit der Zinsmeinung und der nur kurzfristigen Aussagekraft von Prognosen ist dieses Vorgehen allerdings sehr riskant. Der Kunde wettet gegen die sich aus den Forward-Zinsen und auch gegen die sich aus den anerkannten Bewertungsmodellen ergebende Markterwartung.
76 
Die Beklagte hat auf den Vorhalt, die Verlässlichkeit von Prognosen sei zweifelhaft und daher als Entscheidungsgrundlage untauglich, erklärt, die Swap-Verträge hätten auf Grund der "Marktusancen" einen zweiten Teil. Für den Fall, dass die Markterwartungen des Kunden sich ändern, soll - entgegen den ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen - der Kunde u.a. ein jederzeitiges Vertragsaufhebungsrecht gegen Zahlung eines Auflösungsbetrages haben. Der Auflösungsbetrag leitet sich wiederum unmittelbar aus dem Marktwert ab, gleichgültig, ob er positiv oder negativ ist. Dies kann zur Folge haben, dass der - vertragswidrig - um Auflösung bittende Kunde bei einem positiven Marktwert von der Bank zusätzlich eine Zahlung erhält. So hatte es die Beklagte bereits in dem Verfahren vor dem Senat in der Sache 9 U 164/08 erläutert und im vorliegenden Verfahren wiederholt.
77 
Die Funktion des Marktwerts in diesem Zusammenhang wurde von der Beklagten bisher missverständlich und falsch dargestellt. Die auch von einigen Gerichten übernommene Behauptung der Beklagten, bei dem Marktwert handele es sich um eine Art Vorfälligkeitsentschädigung (so zuletzt noch OLG Frankfurt, 04.08.2010, 23 U 230/08, Rn. 67, zit.n.juris) oder Schadensersatz, ist unzutreffend. Im Falle der Vertragsauflösung erhält die Bank "nach den Marktusancen" keinen Anspruch auf entgangenen Gewinn oder Schadensersatz. Es handelt sich um einen nicht dem Schadensersatzrecht unterliegenden Zahlbetrag zur Vertragsablösung. Bezahlt wird der Marktwert, den der Vertrag zu diesem Zeitpunkt hat. Ist er aus Sicht des Kunden positiv, erhält er von der Bank den Betrag. Das ist mit schadensersatzrechtlichen Grundsätzen nicht begründbar. Hintergrund dieser Marktusance ist nämlich die jederzeit auch für den Kunden bestehende Möglichkeit, den Vertrag durch Abschluss eines umgekehrten Gegengeschäfts bei einer Konkurrenz-Bank "glattzustellen" und in diesem Zusammenhang von dieser Bank den ggf. positiven Marktwert zu erhalten oder den negativen Betrag an sie zu zahlen. In dieser Situation zieht es die Vertragsbank vor, das Geschäft selbst zu machen, um den Kunden zu halten.
78 
(2) Um das mit einer fehlerhaften Zinsmeinung (Spekulation) einhergehende Risiko richtig bewerten und steuern zu können, muss der Kunde den anfänglichen Marktwert des Vertrages kennen. Er muss im Voraus abschätzen können, wie teuer ihn ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Swap-Vertrag zum Marktwert kommen kann, sollte seine Markterwartung nicht eintreffen. Weiß er, dass der Wert negativ ist und kennt er seine Höhe, kann er daraus folgern, dass dieser sich kurzfristig nicht so schnell ins Positive wenden wird. Er kann beurteilen, dass er in der Anfangszeit, wenn nicht sogar über die gesamte Laufzeit, hohe Ausstiegskosten haben wird, die seine Anfangsgewinne übersteigen können. Die Höhe der zukünftigen Ausstiegskosten hängt maßgeblich von der Höhe des - konstruierten - anfänglichen Marktwertes ab. Das veranschaulicht folgende Überlegung: Unterstellt man einen negativen Marktwert von 5%, wie ihn die Beklagte nicht ausgeschlossen hat, hätte der Kläger erkennen können, dass er für die Chance, über die Laufzeit von 5 Jahren 250.000 Euro zu verdienen, einen Vertrag erhält, der sofort einen negativen Marktwert von 250.000 Euro hat.
79 
dd. Abweichende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte
80 
Soweit andere Oberlandesgerichte direkt oder indirekt eine Aufklärung über den Marktwert für nicht erforderlich gehalten haben (OLG Bamberg, Urt. v. 14.05.2009, 4 U 92/08; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.06.2009, I-9U 187/08; OLG Celle, Urt. v. 30.09.20009, 3 U 45/09; OLG Frankfurt, Urt. v. 29.07.2009, 23 U 76/08; Urt. v. 30.12.2009, 23 U 24/09; Urt. v. 04.08.2010, 23 U 230/08), dürften sich die unterschiedlichen Bewertungen mit dem Tatsachenvortrag der Bank in den dortigen Verfahren sowie den daraus abgeleiteten Tatsachenfeststellungen der Gerichte erklären lassen. Auch in diesem Verfahren - wie auch im anderen Verfahren vor dem Senat (9 U 164/08) - bestand eine zentrale Schwierigkeit darin, dass die Beklagte zu den tatsächlichen Grundlagen und Zusammenhängen des komplexen Geschäfts wenig Konkretes vorgetragen hat. Bezüglich des Marktwertes war der Vortrag der Beklagten zudem widersprüchlich, zum Teil offenkundig falsch und geeignet, Verwirrung zu stiften. Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger den anfänglichen Marktwert nicht mitgeteilt. Sie trug jedoch vor, dass auf Grund des maximalen Verlustrisikos von 4% p.a. "von vornherein klar und für den Kläger ohne weiteres ersichtlich (gewesen sei) , in welchem Bereich sich der negative Marktwert bewegen könnte " und daher nicht aufklärungspflichtig sei (Schriftsatz vom 27.08.2008, S. 74, GA 131, ähnlich Schriftsatz vom 31.07.2008, S. 11, GA 350). Wie dieser Wert ohne anerkannte Bewertungsmethoden abgeschätzt werden soll, erläuterte sie jedoch nicht. Der Senat kann diese Behauptung nicht nachvollziehen. Das maximale Verlustrisiko betrug 1 Million Euro, während der von der Beklagten eingeräumte negative Marktwert sich in der Größenordnung von 100.000 Euro bis 250.000 Euro bewegte. Im Übrigen ist unstreitig, dass sich der Marktwert mittels der anerkannten Berechnungsmethoden ermitteln lässt und nicht aus einer Betrachtung des Maximalverlustrisikos. Zudem verwirrte die Beklagte mit ihrem Vortrag zum Zusammenhang zwischen dem Marktwert und der vorzeitigen Auflösungsmöglichkeit. In der Klageerwiderung (S. 74, GA 131) trug sie vor, dass der Kunde den negativen Marktwert nicht zu kennen brauche, weil er keine Kündigungsrechte habe und daher der Wert nicht "liquiditätswirksam" sei. Im selben Schriftsatz behauptete sie gleichzeitig, dass der Kläger auf die ihm bereits bekannte Möglichkeit einer Auflösung gegen Zahlung des Marktpreises hingewiesen wurde (S. 29, GA 86). Der Senat konnte auch nicht die Differenzierung der Beklagten nachvollziehen, die einerseits eine Aufklärung über das Risiko des sich ändernden Marktwerts für aufklärungspflichtig hält, andererseits den anfänglichen Marktwert als Startwert für das Marktwertrisiko als irrelevant einstuft.
81 
d. Konstruktion des Glücksspiels
82 
Die Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, auf den Charakter des Swap-Vertrages als Glücksspiel (aa.) hinzuweisen, das von ihr "unfair" konstruiert wurde (bb.) und mangels geeigneter Entscheidungsgrundlage als riskant bzw. hoch spekulativ einzustufen ist (cc.).
83 
aa. Glücksspiel-Charakter
84 
(1) Der streitgegenständliche Vertrag ist ein Glücksspiel i.S.v. 762 BGB. Er ist dadurch geprägt, dass beide Seiten ein Risiko übernehmen und das Pflichtenprogramm bzw. die Zahlungen der Parteien vom Zufall oder der subjektiven Ungewissheit der Parteien über bestimmte Ereignisse abhängen (Senat, Urt. v. 26.02.2010, 9 U 164/08, m.w.N.). Der Senat betont den Glücksspiel-Charakter, weil es nicht nur um die Vermittlung von handelbaren Termin- oder Zinsoptionen geht (vgl. die hierzu unter 2.c.bb zitierte Rechtsprechung). Die Beklagte war vielmehr selbst die Partnerin des Klägers bei einem Geschäft, deren Gewinnchancen sie mit Hilfe ihrer Bewertungsmodelle konstruiert hat. Bei einer für den Kläger günstigen Entwicklung der Zinsen hätte die Beklagte ihm höhere Zahlungen leisten müssen. Bei einem ungünstigen Verlauf, wie hier, war der Kläger Nettozahler. Zudem hing die Möglichkeit, anfängliche Verluste durch Gewinne zu kompensieren von der Kündigungsoption der Beklagten ab. Der Erhalt von etwaigen anfänglichen Gewinnen durch Vertragsauflösung nach Marktusancen hing hingegen vom anfänglichen Marktwert ab. Die Entwicklung der maßgeblichen Zinsen ließ sich für keine Seite sicher vorhersagen.
85 
(2) Der Glücksspiel-Charakter des Swap-Vertrages entfiel nicht durch den Abschluss von Gegengeschäften der Beklagten zur Glattstellung der Risiken  (so auch Köndgen / Sandmann, ZBB 2010, 77 (89)). Zwar war die Beklagte in der Lage, den Swap-Vertrag in zahlreiche Optionen und Zahlungsversprechen aufzulösen und diese einzeln dergestalt am Kapitalmarkt zu platzieren, dass andere Finanzmarktteilnehmer - in der Summe - die Gegenpositionen zu dem Kläger einnahmen. Diese übergreifende gesamtheitliche Betrachtung der Beklagten ändert aber nichts daran, dass zivilrechtlich ein zweiseitiger Vertrag zwischen Bank und Kunde vorliegt. Insbesondere berühren die Geschäfte der Beklagten mit Dritten nicht die Risikostruktur des Swap-Vertrages, wie sie für den Kläger entscheidend ist. Bei einem Swap-Vertrag nimmt die Bank die Gegenposition zu dem Kunden ein. Dies ist notwendig, weil sie sich durch den Handel mit den vom Kunden erworbenen Positionen einen (Arbitrage-)Gewinn erhofft. Sie profitiert in jedem Fall von den Netto-Zahlungen des Kunden, wenn sich die Zinsen für ihn ungünstig entwickeln. Diese Zahlungen waren zudem, wegen der von ihr entwickelten Konstruktion, objektiv wahrscheinlich. Wenn die Beklagte hingegen in ihrer Eigenschaft als professioneller Finanzmarktteilnehmerin in der Lage ist, ihr eigenes Verlustrisiko abzusichern, berührt das das Verhältnis zu ihrem Kunden nicht. Zwar entstehen ihr durch die entsprechenden Verträge mit Dritten Risikoabsicherungskosten. Diese schmälern dann ihren eigenen Gewinn aus dem Geschäft mit dem Kunden. Den Gewinncharakter der Nettozahlungen des Kunden lassen sie aber nicht entfallen. Im Übrigen trägt die Beklagte bei dem Abschluss von Gegengeschäften (Macro-Hedge) auch das Kreditrisiko des Partners auf dem Interbankenmarkt. Fällt dieser aus (wie z.B. im Fall von Lehman Brothers Inc., NY), kann sie wieder eigene Verluste erleiden, die durch die Nettozahlungen des Kunden reduziert werden.
86 
Schließlich kann nicht aus § 37e WpHG gefolgert werden, es handele sich bei Finanztermingeschäften nicht um ein Glücksspiel. Im Gegenteil setzt die Norm das Vorliegen eines Glücksspiels voraus und schließt lediglich den gem. § 762 BGB daraus folgenden Einwand der Unverbindlichkeit aus (Fuchs, WpHG, § 37e, Rn. 1).
87 
bb. Unfaire Chancenverteilung
88 
Die Beklagte hat ihre Aufklärungspflichten verletzt, weil sie den Kläger nicht auf die unfaire Verteilung der objektiven Gewinn-Chancen hingewiesen hat. Der Kunde, der mit der Bank ein derartiges Geschäft abschließt, darf erwarten, dass die Bank ihn über die wesentlichen Zusammenhänge des Geschäfts aufklärt. Insbesondere darf er erwarten, dass sein Vertragspartner, der zugleich sein sich als fachkompetent gerierender Berater ist, ihm ein nach den Marktbedingungen faires Geschäft präsentiert und nicht die Ausgeglichenheit der Chancen heimlich zu seinem Nachteil aufhebt (Roberts, DStR 2010, 1082). Hierzu muss ihm vermittelt werden, dass die verschiedenen, im Vertrag einstrukturierten Optionen auf der Grundlage von anerkannten Bewertungsmodellen bewertet werden. Der Kunde muss in die Lage versetzt werden, die Fairness des Vertrages selbst zu beurteilen. Das kann er nicht, wenn er nicht über die Ergebnisse der Bewertungsmodelle informiert ist und nicht erkennen kann, dass die Bank ohne sein Wissen die Ausgeglichenheit der auszutauschenden Leistungen bzw. Optionen zu ihren Gunsten aufgehoben hat.
89 
Es mag zwar sein, dass ein Kunde bei vollständiger Information über die Regeln des Kapitalmarkts zur Bewertung von Optionen und Zahlungsverpflichtungen akzeptiert, dass die Bank einen fairen Vertrag konstruiert und anschließend für ihre Leistungen einen Preis verlangt, den sie in die Vertragsformel einkalkuliert. Das setzt aber voraus, dass der Kunde den Preis kennt. Erst dann ist er in der Lage abzuschätzen, ob er diesen Preis für eine ausgeglichene, also noch nicht einmal überwiegende Chance für angemessen hält und bereit ist, mit diesem Einsatz das Glücksspiel zu spielen.
90 
cc. Gefährlichkeit des Glücksspiels
91 
Die Beklagte hat den Kläger pflichtwidrig nicht auf die Gefährlichkeit und die fehlende Seriosität des Glücksspiels hingewiesen. Der Abschluss von derartigen Glückspielen ist nicht per se anstößig. So kann es durchaus wirtschaftlich legitime Zwecke für Swap-Verträge geben, wie sie beispielsweise bei einfachen Zinstauschgeschäften anzutreffen sind. Ein Kunde, der für einen Kredit einen variablen kurzfristigen Zinssatz zahlt, kann ein Interesse haben, sich gegen das zukünftige Zinsänderungsrisiko abzusichern. So könnte er sich von einem Dritten in einem Swap-Vertrag den gleichen variablen Zinssatz versprechen lassen und ihm hierfür einen festen langfristigen Zinssatz zahlen. Das Risiko der variablen Zinszahlung wäre durch den Swap-Vertrag glattgestellt (weggetauscht) und der Kunde würde für seine Verbindlichkeit nur noch den festen Zinssatz zahlen.
92 
Hierum geht es bei dem streitgegenständlichen Vertrag jedoch nicht. Der Vertrag zielte unstreitig nicht auf die Reduzierung des Zinsänderungsrisikos oder die Veränderung bzw. Optimierung der Zinsstruktur der Verbindlichkeiten des Klägers. Er hatte lediglich die spekulative Gewinnerzielung zum Gegenstand, mit der die Zinslast reduziert werden sollte. Hierdurch musste der Kläger Optionen stellen oder kaufen. Dass dadurch theoretisch ein Ertrag zur Reduzierung der Zinsen möglich war, steht wirtschaftlich auf der gleichen Stufe wie eine Spekulation mit Aktien, die ebenfalls Erträge zur Zinsreduzierung abwerfen könnte.
93 
Dabei war das Glücksspiel hoch riskant und unseriös, worauf die Beklagte pflichtwidrig nicht hingewiesen hat. Ein derartiges Geschäft mit fünfjähriger Vertragsbindung durfte nicht auf der Basis einer nicht belastbaren Zinsmeinung abgeschlossen werden (s.o.). Dies gilt erst recht, wenn auch das Risikomanagement durch Nutzung von marktüblichen Auflösungsrechten praktisch leer läuft, weil der hohe anfängliche negative Marktwert eine Gewinn-Chance unwahrscheinlich macht.
94 
3. Nicht anlegergerechte Beratung
95 
Die Beklagte hat gegen ihre Beratungspflichten auch dadurch verstoßen, dass sie dem Kläger ein seinem Anlageziel nicht entsprechendes Produkt empfohlen hat. Der Kläger als kommunaler Zweckverband unterliegt dem kommunalrechtlichen Spekulationsverbot und hat ein sicherheitsorientiertes Risikoprofil (a). Davon ist die Beklagte bei ihrer Beratung ausdrücklich ausgegangen ist (b). Die Beratung erfolgte dennoch unter Missachtung dieses Verbots. Der streitgegenständliche Swap hätte dem Kläger mangels Grundgeschäftsbezogenheit und seiner damit fehlenden Eignung zur Zinsoptimierung (c), aber auch wegen seines hoch spekulativen Charakters (d) nicht empfohlen werden dürfen.
96 
a. Kommunalrechtliches Spekulationsverbot und Risikoprofil
97 
Der Kläger ist ein den Regeln eines Eigenbetriebes unterfallender kommunaler Zweckverband (vgl. §§ 4, 16 der Verbandssatzung des Klägers vom 01.01.1996; K 22), mit der Aufgabe, die Abwässer seiner Mitgliedsgemeinden zu entsorgen. Die Gewinnerzielung ist nach der Verbandssatzung ausdrücklich kein Zweck des Verbandes. Im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung hat der Kläger die Grundsätze einer nachhaltigen Haushaltswirtschaft zu beachten und sicherzustellen, dass mit den ihm anvertrauten öffentlichen Geldern die übertragene Aufgabe erfüllt wird. Bei Geldanlagen hat er auf ausreichende Sicherheit zu achten, §§ 96 Abs. 2, 91 Abs. 2 S. 1 GO i.V.m. § 16 der Verbandssatzung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Beklagten richtig ist, Zinsswap-Verträge erfüllten nicht den Begriff der Geldanlage. Die Norm ist in Verbindung mit der kommunalen Zweckbindung der Mittel erkennbar Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes für kommunale Geschäfte am Finanzmarkt. Sie prägt das Risikoprofil des Klägers, das ein Anlageberater zu beachten hat. Es ergab sich aber auch konkret aus der Zweckbestimmung des Rahmenvertrages für Finanztermingeschäfte (Anlage K11). Dort heißt es, dass der Kläger den Abschluss von Finanztermingeschäften "zur Gestaltung von Zinsänderungs-, Währungskurs- und sonstigen Kursrisiken" beabsichtige.
98 
Die Zweckbindung bei der Verwendung kommunaler Gelder wird unter anderem durch das kommunalrechtliche Spekulationsverbot konkretisiert. Dessen Wesensmerkmal ist das Erfordernis einer Grundgeschäftsbezogenheit von Finanzierungsgeschäften. Der Derivate-Erlass des Innenministeriums von Baden-Württemberg vom 17.08.1998 (vgl. K2) kennt zulässige zinsbezogene Derivatgeschäfte in zwei Formen: Zum einen sind dies Geschäfte, bei denen noch nicht abgesicherte Zinsänderungsrisiken durch das Derivatgeschäft als selbstständiges Rechtsgeschäft abgesichert werden. Zum zweiten sind dies Zinsoptimierungsgeschäfte , die - ebenfalls durch ein selbstständiges Rechtsgeschäft - ein allgemeines wirtschaftliches Risiko abdecken oder minimieren sollen. Beispielhaft für ein allgemeines wirtschaftliches Risiko wird in dem Erlass das Risiko der künftigen Zinsentwicklung genannt. Finanzgeschäfte zur Erwirtschaftung separater Gewinne sind hingegen als Finanzspekulationen unzulässig. Hierunter fallen zinsbezogene Derivatgeschäfte, die losgelöst vom konkret zugrundeliegenden Kreditgeschäft abgeschlossen werden.
99 
Stets bedarf es danach einer wertenden Betrachtung der Grundgeschäfte einerseits sowie des in den Blick genommenen Finanzgeschäftes andererseits, um die Zulässigkeit solcher Finanzgeschäfte feststellen zu können. Einem nur auf den stark wertungsbedürftigen und zuweilen mit erheblichen (negativen) Konnotationen belegten Begriff der "Spekulation" abstellenden Verständnis des kommunalrechtlichen Spekulationsverbots würde es an einer praxistauglichen Greifbarkeit fehlen. In einem weiten Sinne ist jedes vorausschauende Verhalten mit dem Ziel, aus in der Zukunft liegenden Entwicklungen durch entsprechendes Marktverhalten einen ökonomischen Nutzen zu ziehen, "spekulativ". Es liegt auf der Hand, dass ein in diesem Sinne umfassendes Verbot, Finanzgeschäfte zu tätigen, eine auch für Kommunen und kommunale Betriebe erforderliches sinnvolles Wirtschaften unmöglich machen würde. Ebenso sind Definitionen untauglich, die keinen Bezug mehr zum Risiko und Risikomaß von Grund- und Finanzierungsgeschäft herstellen. Sie sind nicht geeignet, den mit dem kommunalrechtlichen Spekulationsverbot bezweckten Schutz der öffentlichen Haushalte zu gewährleisten.
100 
Konturen soll dem kommunalrechtlichen Spekulationsverbot das Merkmal der Grundgeschäftsbezogenheit verleihen. Entscheidend ist, ob das mit dem Grundgeschäft verbundene finanzielle Risiko durch einen sachlichen und zeitlichen Bezug zu dem Finanzgeschäft in einer angemessenen Weise abgesichert oder optimiert wird. Dies kann etwa bei der Absicherung zukünftiger Zinsänderungsrisiken des Grundgeschäfts durch einen einfachen Zinstausch erfolgen. Denkbar ist auch, das Risiko einer vorhandenen ungünstigen Zinsstruktur der Verbindlichkeiten durch entsprechende Swap-Geschäfte zu verändern, indem die Risiken aus Grundgeschäften durch gegenläufige Geschäfte ganz oder teilweise glattgestellt werden.
101 
Erforderlich, nicht aber hinreichend hierfür ist, dass Verbindlichkeiten aus einem Derivatgeschäft Verbindlichkeiten aus einem Grundgeschäft in Höhe und Dauer der Vertragsbindungen nicht überschreiten. Der weiterhin erforderliche sachliche Bezug hängt zunächst entscheidend von der konkreten Beschaffenheit der Risiken der Grundgeschäfte ab. Ob ein Finanzderivat geeignet ist, diesen konkreten Risiken ganz oder teilweise zu entsprechen, ist nur anhand eines Vergleichs mit den Charakteristika des jeweiligen Derivates zu bestimmen. Bei Finanzoptimierungsgeschäften können dabei Fragen der Veränderung der Risikolage für den Kunden relevant werden, wenn mit dem derivativen Finanzgeschäft ein finanzielles Risiko verändert wird, um das Ziel der Optimierung zu erreichen. Geschäfte, die bestehende finanzielle Risiken nicht abdecken oder zumindest minimieren, bei denen also das einzugehende finanzielle Risiko diesen Zielen widerspricht, können nicht der Zinsoptimierung dienen.
102 
b. Kommunalrechtliches Spekulationsverbot als Grundlage der Beratungstätigkeit
103 
Die Beklagte ist von der grundlegenden Bedeutung des kommunalrechtlichen Spekulationsverbots für die Finanzentscheidungen des Klägers ausdrücklich ausgegangen. Entscheidend ist, dass sie das kommunalrechtliche Spekulationsverbot als wesentlichen Aspekt der von ihr zu erbringenden Beratungsleistung angesehen hat. Nach ihrem eigenen Vortrag hat sie den Kläger auf den Derivate-Erlass des Innenministeriums und die sich hieraus ergebenden Zulässigkeitsvoraussetzungen und Grenzen hingewiesen. Sie ist gegenüber dem Kläger und den Kommunen als Expertin für kommunales Finanzmanagement aufgetreten. Sie hatte in der Vergangenheit bereits kostenpflichtige Beratungsleistungen für den Kläger erbracht, die bei der Abschlusspräsentation in die Aussage mündeten, dass sich aus den Grundzielen der kommunalen Aufgabenerfüllung "automatisch ein Spekulationsverbot" ableite. Ebenso hatte die Beklagte für eine Mitgliedsgemeinde des Klägers, bei der der kaufmännische Geschäftsleiter des Klägers zugleich Kämmerer war, Leistungen aus einem Beratungs- und einem Risk-Management-Vertrag erbracht. Daher vermag der Senat nicht die Argumentation nachzuvollziehen, dass der Beklagten hinsichtlich "etwaiger kommunalrechtlicher Besonderheiten", die internes Haushaltsrecht darstellten, keine Hinweis- und Aufklärungspflichten erwachsen würden und der Kläger mit diesen Besonderheiten besser vertraut sei als die Beklagte. Die Beklagte argumentiert widersprüchlich, wenn sie als beratende Bank eine Expertise behauptet und insoweit gegen Vergütung Vertrauen in Anspruch nimmt, im Streitfall jedoch auf die nicht näher ausgeführten besseren Kenntnisse des beratenen Kunden hierzu abheben will. Auf diese Weise kann sie sich als Beraterin von Kommunen und kommunalen Einrichtungen nicht aus der Verantwortung stehlen.
104 
Wegen des tatsächlichen Verhaltens der Beklagten im konkreten Fall kann die - etwas allgemeiner diskutierte - Frage offen bleiben, ob ein Berater auf das Bestehen eines allgemeinen Spekulationsverbots oder auf die Frage einer "möglichen" Unvereinbarkeit des beabsichtigten Geschäfts mit diesem Verbot generell hinweisen muss (verneinend: OLG Bamberg, Urt. v. 11.05.2009, 4 U 92/08, Rn. 141 m.w.N. zum Meinungsstand, bejahend: OLG Koblenz, Urt. v. 14.01.2010, 6 U 170/09; OLG Naumburg, Urt. v. 24.03.2005, 2 U 111/04). Nach Auffassung des Senats lassen die bestehenden Normen, auch wenn sie primär aufsichtsrechtlicher Natur sind, einen Rückschluss auf ein sehr konservatives, sicherheitsorientiertes Anlegerprofil zu. Dieses haben Anlageberater zu beachten, solange nicht die Kommune bzw. die kommunale Einrichtung ausdrücklich eine Einstufung in eine andere "Risikoklasse" wünscht.
105 
Sofern die Beklagte trotz der von ihr in Anspruch genommenen Kompetenz als Beraterin für kommunale Finanzgeschäfte über die Grundlagen ihrer Tätigkeit im Unklaren gewesen sein sollte, hätte es ihr oblegen, dies dem Kläger zu offenbaren und gegebenenfalls unklare Aspekte mit diesem gemeinsam zu erhellen. Die von der Beklagten hier verwandten Strategiepapiere enthalten im Übrigen einen ausdrücklichen Verweis auf die Bedeutung des sachlichen Bezuges von Grund- und Finanzgeschäft. Sie stellen darauf ab, dass sich der Risikocharakter des strukturierten Zinsswap verändere, wenn das Grundgeschäft wegfalle. Dieser Hinweis macht nur bei Bestehen einer sachlichen Konnexität Sinn.
106 
Dass der Kläger bessere Kenntnisse zum Spekulationsverbot gehabt hätte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Rein abstrakte Rechtskenntnisse sind hier schon wegen der Komplexität des streitgegenständlichen Swap-Vertrages, der von der Beklagten konstruiert wurde, keinesfalls ausreichend, um beurteilen zu können, ob das Konnexitätsgebot eingehalten wird. Es war Aufgabe der von der Beklagten durchgeführten Beratung, dies zu ermöglichen und entsprechend nur ein passendes Angebot zu unterbreiten.
107 
c. Ungeeignetheit des spekulativen CMS Spread Sammler Swap
108 
Vor dem Hintergrund des Risikoprofils des Klägers und dem Beratungsgegenstand war die Empfehlung des CMS Spread Sammler Swaps nicht anlegergerecht. Ein Berater hat zunächst das Risikoprofil des Kunden zu ermitteln, denn nur dieses zeigt ihm den Rahmen auf, innerhalb dessen er diesem Finanzgeschäfte empfehlen kann. Finanzprodukte, die dem Profil nicht entsprechen, darf der Berater bereits nicht empfehlen und macht sich schadensersatzpflichtig, selbst wenn er über das Produkt objektgerecht beraten hat (BGH, Urt. v. Urt. v. 14.07.2009, XI ZR 152/08). Er könnte das Produkt allenfalls dann empfehlen, wenn er den Kunden vorher deutlich und unmissverständlich auf die Überschreitung der Grenzen des Risikoprofils hingewiesen hätte und der Kunde sich anschließend bewusst für eine Anpassung und beispielsweise Einstufung in eine höhere Risikoklasse entschieden hätte (vgl. hierzu Abschn. B.2.2 der früheren Richtlinie gem. § 35 Abs. 6 WpHG - Wohlverhaltensrichtlinie - vom 23.08.2001, BAnz Nr. 165 v. 04.09.2001, S. 19217).
109 
Der von der Beklagten angebotene CMS Spread Sammler Swap passte nicht zu dem Risikoprofil des Klägers. Bei dem streitgegenständlichen Swap handelte es sich, wie oben dargestellt, um ein hochspekulatives Produkt, mit dem ein für den Kläger hohes finanzielles Risiko verbunden war. Zudem fehlte es an einer Grundgeschäftsbezogenheit. Die entgegenstehende Auffassung der Beklagten, ein Geschäft sei grundgeschäftsbezogen und nicht spekulativ, wenn es dieselben Risiken beinhalte, die der Kunde schon halte, geht ebenso fehl wie die Betonung, dass die Grundgeschäftsbezogenheit keine rechtliche Abhängigkeit von Grundgeschäft und empfohlenem Finanzgeschäft erfordere.
110 
Dass eine rechtliche Konnexität nicht erforderlich ist, mag hier zugrunde gelegt werden, führt aber in der Sache nicht weiter. Entscheidend ist, dass es an der sachlichen Konnexität zum Darlehensportfolio des Klägers fehlte. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, pauschal einen sachlichen und zeitlichen Bezug zu behaupten, ohne dies jedoch zu konkretisieren. Einzig darauf, dass die Höhe der Verbindlichkeiten im Darlehensportfolio mit fünfjähriger Laufzeit die Höhe des Nominalkapitals des Swap-Vertrags überstiegen hat, kann aber nicht abgestellt werden. Ansonsten würden Sinn und Zweck des kommunalrechtlichen Spekulationsverbots verfehlt.
111 
Die dem Swap zugrunde liegende Zinsformel stellt auf einen Spreadsatz ab, dem ein Bezug zu dem von dem Kläger zu tragenden oder von ihm als Optimierung gewünschten Zinsrisiko fehlt. Der Kläger war in seinen bestehenden Kreditverträgen Zahler von - verhältnismäßig niedrigen - Festzinssätzen. Er hatte ein Interesse an einer Zinssenkung, wofür er offenbar bereit war, das in variablen Zinssätzen enthaltene Zinsänderungsrisiko zu übernehmen. Insofern hätte es nahegelegen, dass er für den von der Bank im Swap-Vertrag erhaltenen Festzinssatz beispielsweise die Zahlung eines variablen EURIBOR-Satzes wie den 3-Monats-EURIBOR verspricht. Ein solcher Swap-Vertrag war jedoch wegen der bereits niedrigen langfristigen Kreditzinsen des Klägers unstreitig nicht verfügbar. Die Formel, die die Klägerin stattdessen anbot, hatte jedoch nichts mehr mit den Interessen des Klägers und dem realen Marktgeschehen zu tun. Der kaufmännische Leiter des Klägers konnte bei seiner informatorischen Anhörung schon nicht die Bedeutung des vertraglichen Spreadsatzes zwischen dem 10-Jahres-Swapsatz und dem 2-Jahres-Swapsatz für den Kläger erläutern. Noch weniger existiert ein Zusammenhang zwischen den Risiken des Klägers und der Häufigkeit, mit der dieser Satz eine bestimmte Schwelle unterschreitet. Letztendlich wurden Optionen konstruiert, die den Kläger mit einem völlig neuen Risiko belasteten, dessen Realisierung zudem nach den anerkannten Bewertungsmethoden überwiegend wahrscheinlich war. Diese Risiken waren dem Kläger genauso fremd wie beispielsweise das Risiko von steigenden Rohstoffpreisen in Asien. Sie entsprachen nicht dem mit dem Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte vorgegebenen Rahmen.
112 
Die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass es zu seinem konservativen Risikoprofil keine Produkte gebe, mit denen er eine weitere Zinsverbilligung erreichen könne. Die Beklagte missversteht ihre Beratungspflichten, wenn sie die Empfehlung eines Produkts einzig mit dem vom Kunden geäußerten Ziel der Zinsverbilligung rechtfertigt. Jeder Kunde möchte den maximalen Gewinn bei minimalem Risiko erzielen. Die Beklagte war aber aufgrund ihrer sich aus dem Beratungsverhältnis ergebenden Verpflichtung, ganz im Sinne des Klägers zu beraten, gehalten, möglicherweise unrealistische oder mit höheren Risiken verbundene Zinserwartungen des Geschäftsleiters des Klägers als solche zu benennen und auf eine dahingehende Empfehlung zu verzichten.
113 
d. Hoch spekulativer Charakter und unvertretbare Empfehlung
114 
Der CMS Spread Sammler Swap war wegen seines hoch spekulativen Charakters nicht anlegergerecht und seine Empfehlung aus einer ex-ante-Sicht nicht vertretbar. Wie oben bereits dargestellt, war die subjektive Zinsmeinung als alleinige Entscheidungsgrundlage zum Abschluss eines fünfjährigen Vertrages mit einem Verlustrisiko von 1 Million Euro ungeeignet. Eine ergänzende Entscheidungsgrundlage zur Absicherung der subjektiven Zinsmeinung gab es nicht. Auch die Beklagte gab an, den möglichen Gewinn des Klägers nicht auf der Grundlage von anderen Faktoren einzuschätzen. Eine Risikobegrenzungsstrategie war wegen der mit dem hohen negativen Marktwert verbundenen Ausstiegskosten kaum erfolgsversprechend. Ein Vertrag, der auf einer derart ungesicherten Entscheidungsgrundlage basiert, kann nur - unabhängig von einem konkret berechenbaren Risikomaß (z.B. Value at Risk) - als hoch spekulativ angesehen werden. Diese Form der Geschäfte passte nicht zum Risikoprofil des Klägers. Da die Beklagte die Erfolgsaussichten des Vertrages selbst nicht abschätzen konnte, war auch eine Empfehlung nicht vertretbar.
115 
4. Aufklärungsbedürftigkeit des Klägers
116 
Der Kläger bzw. der für ihn handelnde kaufmännische Geschäftsleiter war aufklärungsbedürftig.
117 
Zunächst kann sich die beratende Bank nicht auf eine fehlende Aufklärungsbedürftigkeit eines Kunden zu einem Aspekt berufen, zu dem die Beratung gerade erfolgen soll. Dass der Kläger mit dem Spekulationsverbot besondere kommunalrechtliche Bindungen zu beachten hatte, war für beide Parteien gleichermaßen bekannt. Daraus ergibt sich aber noch keine ausreichende Kenntnis des Klägers von den tatsächlichen Besonderheiten des ihm empfohlenen komplexen Finanzproduktes. Die Vermittlung dieser Kenntnisse war aufgrund des Beratungsvertrages und des von der Beklagten ersichtlich in Anspruch genommenen Vertrauens geschuldet. Die Frage, ob eine Grundgeschäftsbezogenheit besteht und welches Risikomaß ein Finanzprodukt aufweist, ist tatsächlicher Natur mit einem finanzwirtschaftlichen Schwerpunkt. Hier fehlten dem Kläger die Kenntnisse.
118 
Die Erfahrungen des Geschäftsleiters des Klägers aus den durchaus zahlreichen vorangegangenen Swap-Geschäften belegen ebenfalls nicht dessen ausreichende Vorkenntnisse. Die Beklagte beruft sich für diese Annahme auf die Aufzählung von bei anderen Banken getätigten Swap-Geschäften und auf zuvor schon mit der Beklagten abgeschlossene Swap-Geschäfte. Nicht erkennbar oder konkret vorgetragen ist, dass der Kläger in diesem Zusammenhang jemals, sei es von der Beklagten selbst oder von Dritten, ausreichend aufgeklärt wurde.
119 
Dafür, dass der Kläger oder dessen handelnder Geschäftsleiter die Ungeeignetheit der empfohlenen Anlage oder die wesentlichen Zusammenhänge mit dem Marktwert erkannt hätte, spricht hier nichts. Die Beklagte selbst will den Swap-Vertrag nach wie vor als ein nicht-spekulatives, dem Ziel der Zinsoptimierung dienendes und auch für Kommunen und kommunale Verbände geeignetes Finanzinstrument verstanden wissen. Dass bei einer solchen Haltung der zu beratende Kunde in der Lage sein müsste, diese Fehleinschätzungen seines Beraters sowohl zu den Grundlagen seiner Beratung als auch zu den Charakteristika des empfohlenen Produktes zu erkennen, lässt sich nicht begründen.
120 
5. Verschulden
121 
Das Verschulden der Beklagten ist offensichtlich und wurde im Übrigen von der Beklagten nicht widerlegt, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie hatte Kenntnis von dem im Vertrag einstrukturierten negativen Marktwert. Gleichzeitig wusste sie, dass der Kläger nicht in der Lage war, diesen zu erkennen und seine zentrale Bedeutung für die Bewertung der Optionen, die Verlustrisiken und das Risikomanagement zu erfassen. Der Beklagten musste dabei bewusst sein, dass der Begriff der "Zinsverbilligung" und die Herausstellung der subjektiven Zinsmeinung als alleiniger Entscheidungsgrundlage zudem geeignet waren, von den wahren Risiken des Vertrages und seiner komplexen Risikostruktur abzulenken. Sie handelte vorsätzlich, um mit dem Geschäft entweder direkt oder durch den Handel mit den günstig erworbenen Optionen einen Gewinn zu erzielen.
122 
Im Zusammenhang mit der fehlerhaften Einstufung des Swap-Vertrages als Zinsoptimierungsgeschäft im Sinne des Derivate-Erlasses des Innenministeriums fällt ihr wenigstens Fahrlässigkeit zur Last.
123 
6. Kausalität
124 
Zu Gunsten des Klägers greift die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens. Es ist nicht anzunehmen, dass ein wirtschaftlich rational handelnder Geschäftsleiter eines kommunalen Zweckverbands den Swap abgeschlossen hätte, wenn er verstanden hätte, dass nach den anerkannten Wahrscheinlichkeitsmodellen die Chancen zu seinem Nachteil konstruiert sind, die Zinsmeinung als Entscheidungsgrundlage entgegen den Ausführungen der Beraterin vollkommen ungeeignet und der Vertrag hoch spekulativ ist.
125 
7. Schaden
126 
Die Schadenshöhe ist betragsmäßig unstreitig und besteht in den von dem Kläger geleisteten Zahlungen nach Abzug der von der Beklagten erhaltenen Zahlungen.
127 
8. Mitverschulden
128 
Ein gem. § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden des Klägers liegt nicht vor. Grundsätzlich darf ein Anleger dem Rat seines Beraters vertrauen, ohne dass ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann (BGH Urt. v. 13.01.2004, XI ZR 355/02). Zwar sind unter Umständen von diesem Grundsatz Ausnahmen zu machen, wenn ein Berater erkennbar für die Kapitalsucherseite handelt (vgl. BGH Urt. v. 25.11.1981, IVa ZR 286/80). Gegen die Berücksichtigung eines Mitverschuldens spricht jedoch die Vorgehensweise der Beklagten. Sie hat als über einen längeren Zeitraum hinweg und auf der Grundlage eines umfassenden und entgeltlichen Beratungsvertrages ein hohes Maß an Vertrauen – insbesondere in Bezug auf ihre Expertise bei Finanzmarktgeschäften von Kommunen und kommunalen Verbänden - in Anspruch genommen. Der Kläger musste nicht sein Wissensdefizit bezüglich der komplexen Risikostruktur erkennen. Dies gilt umso mehr, als eine Großbank wie die Beklagte als seriöses Institut wahrgenommen wird, das sich für die Interessen ihrer Kunden einsetzt und über eine hohe Erfahrung auf dem Finanzsektor verfügt. Für den Kläger bestand überhaupt kein Anlass für die Annahme, er müsse die Chancen des Swap-Vertrages nach anderen Kriterien als allein seiner Zinsmeinung beurteilen. Über die überragende Bedeutung des anfänglichen Marktwerts und seiner Zusammenhänge war er vollkommen im Unklaren. Die Beratung der Beklagten war vor diesem Hintergrund derart schlecht, dass der Kläger wie im Blindflug die Anlageentscheidung getroffen hat und dabei glaubte, alles zu verstehen und verantwortbar zu handeln. Zwar verweist die Beklagte in ihrem letzten, nicht nachgelassenen Schriftsatz auf einzelne Aspekte der Swap-Verträge, zu denen der Geschäftsleiter des Klägers Erfahrungen gesammelt haben mag. Es ist aber weder vorgetragen noch erkennbar, dass der Kläger jemals die komplexen Zusammenhänge der Swap-Verträge, die die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren immer heruntergespielt hat, verstanden hätte.
129 
Das gilt auch für den Vorwurf der nicht anlegergerechten Beratung. Die Beklagte verhält sich widersprüchlich, wenn sie einerseits den hochspekulativen Charakter des CMS Spread Sammler Swaps bestreitet und suggeriert, der Kunde könne entgegen den Regeln des Finanzmarkts den Swap-Vertrag allein auf der Grundlage einer subjektiven Zinsmeinung abschließen und andererseits die Auffassung vertritt, der Kläger hätte ihre Fehleinschätzungen erkennen müssen.
130 
9. Kein Anspruch des Klägers auf Auskunft
131 
Das Auskunftsverlangen des Klägers ist unbeschadet von Fragen der hinreichenden Bestimmtheit des Antrags jedenfalls unbegründet. Ein derart weitgehender und vom konkreten Vertragsverhältnis losgelöster allgemeiner Auskunftsanspruch besteht nicht. Soweit Rechtspositionen des Klägers aus dem streitbefangenen Vertragsverhältnis mit der Beklagten betroffen sind, wird das Informationsbedürfnis der Parteien - und damit auch das des Klägers - durch die im Rahmen der jeweils geltend gemachten vertraglichen Ansprüche begründeten Darlegungs- und Beweislasten im Rahmen der Vorschriften der ZPO bestimmt. Dafür, dass der Kläger darüber hinaus einen Anspruch auf Auskunft gegenüber der Beklagten haben könnte, ist nichts ersichtlich. Insbesondere lässt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu offenbarungspflichtigen Rückvergütungen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 29.06.2010, XI ZR 308/09) nichts für den vorliegenden Fall herleiten. Die Parteien sind direkte Vertragspartner und Rückvergütungen stehen nicht im Raum.
132 
10. Widerklage
133 
Die zulässig erhobene und auch sachdienliche Widerklage hat aus den vorgenannten Gründen keinen Erfolg. Die Beklagte hat durch ihre fehlerhafte Beratung den Kläger zum Abschluss dieses nachteiligen Vertrages veranlasst, so dass sie gehindert ist, ihn auf Erfüllung desselben in Anspruch nehmen.
III.
134 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91a ZPO. Das unbegründete Auskunftsverlangen führt bei dem hier mit 10.000 Euro anzusetzenden Gegenstandswert zu keinem Gebührensprung, so dass die Kosten insgesamt der Beklagten auferlegt wurden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
135 
Die Revision wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Zwar ist der Senat der Auffassung, dass Umfang der durch die Bond-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 06.07.1993, XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126) konkretisierten Beratungspflichten von den tatsächlichen Umständen des Anlagegeschäfts abhängig ist. Insofern begründet sich die gegenüber anderen Oberlandesgerichten abweichende Entscheidung auf der im Verfahren vorhandenen Tatsachengrundlage, zu der auch die Bedeutung z.B. des Marktwerts auf dem Finanzmarkt gehört. Mit Blick auf die nach der Entscheidung des Senats vom 26.02.2010 (9 U 164/08 ergangene Entscheidung des OLG Frankfurt vom 04.08.2010 (23 U 230/08) wird die Revision jedoch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
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Ein Nachteil i.S.v. § 266 StGB liegt vor, wenn die treuwidrige Handlung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Treugebers führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, BGHSt 15, 342, 343 f.; 47, 295, 301 f.; BGH NStZ 2004, 205, 206; 2010, 330, 331). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der pflichtwidrigen Tathandlung , also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach dieser Handlung.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
34
aa) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. September 2010 – 2 StR 600/10, NStZ 2012, 151 f., juris Rn. 8; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 62). Dabei kann ein Nachteil im Sinn von § 266 Abs. 1 StGB als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 62 mwN), etwa weil im Tatzeitpunkt schon aufgrund der Rahmenumstände die sichere Erwartung besteht, dass der Schadensfall auch tatsächlich eintreten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325, juris Rn. 90; ferner OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174, 175; Corsten/Raddatz, MedR 2013, 538, 539 f.).
62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
34
aa) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. September 2010 – 2 StR 600/10, NStZ 2012, 151 f., juris Rn. 8; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 62). Dabei kann ein Nachteil im Sinn von § 266 Abs. 1 StGB als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 62 mwN), etwa weil im Tatzeitpunkt schon aufgrund der Rahmenumstände die sichere Erwartung besteht, dass der Schadensfall auch tatsächlich eintreten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325, juris Rn. 90; ferner OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174, 175; Corsten/Raddatz, MedR 2013, 538, 539 f.).
62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
5 StR 551/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
28. Mai 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Re. ,
Rechtsanwältin St.
als Verteidiger für den Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt P. ,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger für den Angeklagten Sc. ,
Rechtsanwalt Stu. ,
Rechtsanwalt Schr.
als Verteidiger für den Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwältin Li. ,
Rechtsanwalt Po.
als Verteidiger für den Angeklagten T. ,
Rechtsanwältin G.
als Verteidigerin für den Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt Schi.
als Verteidiger für den Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt C.
als Verteidiger für den Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt U.
als Verteidiger für den Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt He.
als Verteidiger für den Angeklagten L. ,
Rechtsanwalt We. ,
Rechtsanwalt M.
als Verteidiger für den Angeklagten N. ,
Rechtsanwalt Pe.
als Verteidiger für den Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt Kö. ,
Rechtsanwältin von Wi.
als Verteidiger für den Angeklagten Z. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Februar 2011 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die zwölf Angeklagten vom Vorwurf der Untreue aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richten sich die mit einer Verfahrensrüge und der ausgeführten Sachrüge begründeten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die im Ergebnis ohne Erfolg bleiben.

I.


2
Das Landgericht hat den Anklagevorwurf nicht für erwiesen erachtet.
3
1. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Untreue in zwei Fällen zu Lasten der I. B. GmbH I. ) vor, deren Gesellschafterinnen die L. B. – Girozentrale – (LB. ), die B. B. AG, die B. B. und die B. H. H. AG (B. H. ) waren.
4
Gegenstand der Anklage ist die Auflage zweier geschlossener Immobilienfonds , durch die dem Vermögen der I. ein Nachteil zugefügt worden sein soll. Dabei handelte es sich um den LB. -Fonds 12 und den I. Fonds Deutschland 1, die von der I. -Gruppe aufgelegt wurden, einer Holding, an der neben der I. noch als deren Tochtergesellschaften die B. O. B. GmbH und die I. V. B. B. mbH (IB. ) beteiligt waren. Die I. übernahm dabei jeweils für 25 Jahre Mietgarantien, für die sie Provisionen in Höhe von 1,23 % (LB. -Fonds 12) und 1,62 % (IB. Fonds Deutschland1) der jeweils garantierten Mietsumme vereinnahmte.
5
Die zwölf Angeklagten sind Geschäftsführer der I. ( S. und Sc. ), Prokuristen der I. (Sch. , T. und B. ) oder Mitglieder des Aufsichtsrats ( R. , H. , L. und Z. sowie die nur am ersten Fall beteiligten K. , N. und D. ), die dort die beteiligten Banken repräsentierten.
6
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, dass die Eingehung einer derart langfristigen Mietgarantie pflichtwidrig gewesen sei. Damit seien sie ohne entsprechende kalkulatorische Absicherung unüberschaubare Risiken eingegangen. Im Hinblick auf die sich abzeichnende Immobilienkrise wäre eine besonders sorgfältige Risikoprüfung unter Einschluss der bereits laufenden Engagements veranlasst gewesen. Bei einer entsprechenden Nachkalkulation hätte sich für die Angeklagten aufgedrängt, dass der aus den Mietgarantien folgende Rückstellungsbedarf zu erheblichen Verlusten führen würde, die nicht mehr mit den Erträgen hätten ausgeglichen werden können. Bei den beiden nach dem Muster früherer Fonds zuletzt aufgelegten Fonds hätten die Angeklagten gewusst, dass die Absicherung der Fonds mit einer so langfristigen marktunüblichen Mietgarantie zu einem Verlustgeschäft führen würde. Die angeklagten Aufsichtsratsmitglieder hätten es in Bezug auf den LBB-Fonds 12 pflichtwidrig unterlassen, die endgültige Auflage und Schließung des Fonds zu verhindern. Hierdurch sei es deshalb zu einem Schaden in Höhe von mindestens 72 Mio. DM gekommen. Hinsichtlich des IB. Fonds Deutschland 1, dessen Auflage von allen hieran beteiligten neun Angeklagten mittäterschaftlich zu verantworten sei, ergebe sich ein Schaden von mindestens 44 Mio. DM. In beiden Fällen drohe weiterer Schaden.
7
2. Das Landgericht hat in der Auflage der Fonds und ihrer Schließung keine Untreue gemäß § 266 StGB gesehen.
8
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde die I. faktisch wie eine Abteilung des Gesamtkonzerns der B. B. AG geführt und lediglich als Kostenstelle betrachtet. Die Gesellschafterinnen hatten deshalb einen gegebenenfalls entstehenden Verlust für die I. bewusst in Kauf genommen, weil dieser Verlust als Teil des erheblichen Gesamtnutzens betrachtet und akzeptiert wurde, der für die Konzernbanken aus dem Fondsgeschäft erzielt wurde. Deshalb waren die Gesellschafterbanken, die über ihre Vertreter im Aufsichtsrat informiert waren, auch damit einverstanden, dass möglicherweise bei der I. in einem gewissen Rahmen Verluste eintreten würden.
9
b) Nach der Bewertung des Landgerichts seien die Mietgarantien schon deshalb nicht pflichtwidrig gewesen, weil die Gesellschafterbanken dieser Fondsauflage zugestimmt hätten. Dieses Einverständnis habe tatbestandsausschließend gewirkt, weil eine Existenzgefährdung der I. bis zum Zeitpunkt der Schließung der beiden Fonds nicht absehbar gewesen sei.
10
Aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe sich ergeben, dass die Angeklagten zwar ein abstraktes Risiko gesehen und dies billigend in Kauf genommen hätten. Sämtliche Angeklagten hätten aber die Dimension des Risikos nicht erkannt und seien auch nicht davon ausgegangen, dass es bei der I. zu einer Existenzgefährdung kommen könnte. Aufgrund der damals bekannten Zahlen und des Prognosematerials habe sich das Ausmaß des Risikos nicht abschätzen lassen. Die Angeklagten hätten deshalb jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt.

II.


11
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.
12
1. Die Verfahrensrüge ist unzulässig.
13
a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Ablehnung eines von ihr gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Das Landgericht ist diesem Beweisantrag nicht nachgekommen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung seien (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft hatte den bereits vorher gehörten Wirtschaftsprüfer Web. zum Beweis der Tatsache benannt, dass die fondsbezogenen Aufwendungen die fondsbezogenen Einnahmen der I. und ihrer Tochtergesellschaften überstiegen und ein vom Sachverständigen in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise – nach handelsrechtlichen Bewertungsmaßstäben – zu beziffernder Gesamtschaden eingetreten sei. In einer späteren Ergänzung präzisiert die Staatsanwaltschaft ihren Antrag dahin, dass der Sachverständige unter Außerachtlassung der testierten Jahresabschlüsse eigenständig neue Bilanzen jeweils zum Jahresende 1998 und 1999 erstellen solle.
14
b) Es kann offen bleiben, ob dieser Antrag im Blick auf das überwiegend wertend formulierte Beweisthema überhaupt als Beweisantrag anzusehen ist. Jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft seine Ablehnung durch das Landgericht nicht in der gehörigen Form gerügt. Ihr Vortrag ist nicht vollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft teilt zwar den Ablehnungsbeschluss des Landgerichts mit. Sie unterlässt es jedoch, die in dem Beschluss in Bezug genommenen Aktenteile vorzulegen oder zumindest ihren wesentlichen Inhalt vorzutragen. Dies betrifft die gutachterliche Äußerung des Sachverständigen Web. , das von ihm verfasste Sondergutachten, den Beschluss der Wirtschaftsstrafkammer vom 31. März 2008 über die Nichtzulassung der Anklage wegen Bilanzfälschung und die hierzu ergangene Rechtsmittelentscheidung des Kammergerichts vom 11. Februar 2010 sowie die Gründe, die zur Zurückverweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft vom 7. Oktober 2010 auf Vernehmung der Zeugin F. geführt haben.
15
c) Im Übrigen läge ein Beruhen des Freispruchs auf der beanstandeten unterbliebenen Beweiserhebung aus den zur Sachrüge ausgeführten Gründen fern.
16
2. Die sachlich-rechtlichen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft zeigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
17
a) Der Senat kann offen lassen, ob das Vorgehen der Angeklagten – was das Landgericht verneint hat – objektiv pflichtwidrig war. Tatbe- standsmäßig im Sinne des § 266 StGB ist allerdings eine Pflichtwidrigkeit nur dann, wenn sie klar und evident war (siehe dazu BVerfGE 126, 170, 210 f.). Deshalb hat die Rechtsprechung grundsätzlich nur schwere Pflichtverletzungen ausreichen lassen (BGH, Urteile vom 15. November 2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 152 f., und vom 6. Dezember 2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47,187, 197). Ob die von der Staatsanwaltschaft angenommenen Mängel im Risikomanagement vorlagen und auch den entsprechenden Schweregrad erreichten, bedarf hier jedoch keiner Vertiefung. Es liegt nicht fern, dass der Fall auf der Grundlage der erhobenen Anklage auch insoweit von vornherein an einer allzu isolierten Sicht auf die I. ohne Rücksicht auf deren in den Gesamtkonzern integrierte Rolle krankt. Ausreichende Anhaltspunkte für einen etwa berechtigten Untreuevorwurf zum Nachteil des Gesamtkonzerns drängen sich mangels jeglicher Erwägungen zu dessen naheliegenden den eingegangenen Risiken gegenüberstehenden Vorteilen durch eine Fortführung der in Frage stehenden Immobiliengeschäfte nicht ansatzweise auf.
18
b) Das Landgericht hat den subjektiven Tatbestand bei sämtlichen Angeklagten rechtsfehlerfrei verneint, weil es einen Untreuevorsatz nicht feststellen konnte. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Staatsanwaltschaft sind letztlich erfolglos. Dies gilt ungeachtet dessen, dass das Landgericht die subjektive Tatseite hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Nachteils nicht immer deutlich getrennt hat. Abgesehen davon, dass sich dies allenfalls zu Ungunsten der Angeklagten hätte auswirken können, verletzt die Wirtschaftsstrafkammer bei ihrer Prüfung im Ergebnis nicht das vom Bundesverfassungsgericht statuierte Verschleifungs- oder Entgrenzungsverbot (BVerfGE 126, 170, 198 f.). Dieses wirkt sich allerdings gleichermaßen auf die Prüfung der subjektiven Tatseite aus. Auch insoweit sind der Vorsatz zur Pflichtwidrigkeit einerseits und zur Nachteilszufügung andererseits unabhängig voneinander zu prüfen; die innere Tatseite hinsichtlich des Merkmals des Nachteils darf nicht dergestalt in der des Merkmals der Pflichtwidrigkeit aufgehen, dass es seiner eigenständigen Bedeutung weitgehend beraubt wäre. Auch wenn die Pflichtwidrigkeit in einem inneren Zusammenhang mit dem Nachteil steht, weil die Pflichtwidrigkeit der Handlung sich häufig gerade aus der für das betreute Vermögen innewohnenden Gefährdung ergibt, ist auch in subjektiver Hinsicht zu unterscheiden zwischen dem Vorsatz hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit und hinsichtlich der Nachteilszufügung.
19
Dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils ist jedoch mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass das Landgericht, welches sich überaus eingehend mit der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auseinander gesetzt hat, sowohl den Vorsatz der Pflichtwidrigkeit als auch der Nachteilszufügung jeweils selbständig geprüft und verneint hat.
20
aa) In Betracht kommt hier allenfalls bedingter Vorsatz. Dieser setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält und den Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9). Damit muss die Prüfung eines bedingten Vorsatzes die beiden Vorsatzelemente, nämlich das kognitive und das voluntative Element umfassen. Der Vorsatz muss sich auf sämtliche Merkmale des Untreuetatbestands beziehen.
21
(1) Bei Risikogeschäften, wie sie hier vorliegen, sind an die Feststellung der inneren Tatseite erhöhte Anforderungen zu stellen. Dies betrifft beide Vorsatzbestandteile. Die Möglichkeit einer Vermögensgefährdung ist dem Risikogeschäft immanent. Die bewusste Eingehung des immanenten Risikos kann deshalb für sich genommen nicht ausreichen, weil Risiken wesentliche Strukturelemente im marktwirtschaftlichen System sind und die Eingehung von Risiken notwendiger Bestandteil unternehmerischen Handelns ist.
22
Die Rechtsprechung hat deshalb die innere Tatseite bei risikobehafteten unternehmerischen Entscheidungen besonderen Prüfungskriterien unterworfen. So ist auf der kognitiven Ebene zu verlangen, dass der Täter das von ihm eingegangene Risiko zutreffend bewertet hat. Da die Untreue ein Vorsatzdelikt ist, bildet der vom Tatgericht festzustellende Umfang der Kenntnis von den Risikofaktoren und dem Risikograd den Maßstab für die Prüfung des kognitiven Vorsatzelements (§ 16 StGB).
23
(2) Für die Praxis bedeutsamer sind allerdings die Anforderungen an das voluntative Vorsatzelement. Anders als etwa bei Kapitaldelikten lässt sich das voluntative Element nicht bereits weitgehend aus dem Gefährdungspotential der Handlung ableiten. Der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts allein kann kein Kriterium für die Entscheidung der Frage sein, ob der Angeklagte mit dem Erfolg auch einverstanden war. Es kommt vielmehr immer auch auf die Umstände des Einzelfalles an, bei denen insbe- sondere die Motive und die Interessenlage des Angeklagten zu beachten sind (BGH, Urteil vom 6. April 2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 347 ff. – zum Betrug; vgl. auch Saliger in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, 2009, § 266 Rn. 104). Dabei ist zudem bei der Beurteilung eines Geschäftsvorgangs , bei dem – wie hier – keine Indizien für einen auch nur mittelbaren persönlichen Vorteil der Beteiligten bestehen, besondere Skepsis hinsichtlich des voluntativen Elements geboten.
24
Für das voluntative Element kann es demnach nicht ausreichen, dass der Betreffende allein die Gefährdungslage billigt. Dies würde, da unternehmerische Entscheidungen regelmäßig einen Gefährdungsanteil aufweisen, dem subjektiven Untreuevorwurf nicht gerecht. Vielmehr kann nur dann von einer billigenden Inkaufnahme eines Nachteils im Sinne des § 266 StGB ausgegangen werden, wenn der Täter nicht nur die konkrete Gefahr in Kauf nimmt, sondern darüber hinaus auch die Realisierung dieser Gefahr billigt, sei es auch nur in der Form, dass der Täter sich mit dem Eintritt des unerwünschten Erfolges abfindet (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 121; Beschluss vom 2. April 2008 – 5StR 354/07, BGHSt 52, 182, 189 f.; vgl. auch Matt in Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 266 Rn. 155). Für die Kennzeichnung der Innentendenz ist dieses Erfordernis notwendig, zumal die Untreue – anders als der Betrug – keine Eigen- oder Fremdbereicherungsabsicht voraussetzt. Das gedankliche Hinnehmen einer Vermögensgefährdung ist für sich genommen nicht aussagekräftig , weil sie eine Begleiterscheinung unternehmerischen Handelns ist. Dem objektiven Tatbestandsmerkmal „Nachteil“ entspricht eine innere Einstellung , die dadurch geprägt ist, dass sie sich letztlich mit dem Verlust abfindet.
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Für die beweismäßige Feststellung des voluntativen Vorsatzelements kommt freilich dem auch vom Täter erkannten Gefährdungsgrad ein erhebliches indizielles Gewicht zu. Für je wahrscheinlicher der Täter den Erfolgsein- tritt hält, umso mehr spricht dafür, dass er sich letztlich mit einem Schadenseintritt abfindet. Denn die bloße Hoffnung auf den guten Ausgang steht der Annahme eines Vorsatzes nicht entgegen (NK/Kindhäuser, StGB, 4. Aufl., § 266 Rn. 122).
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(3) Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des 1. Strafsenats, soweit diese es hat genügen lassen, wenn sich auch das voluntative Vorsatzelement allein auf die schadensgleiche Gefährdung bezieht, ohne dass zugleich eine Billigung eines eventuellen Endschadens hinzutritt (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08,BGHSt 53, 199; vgl. zu diesem Problemkreis Fischer, NStZ Sonderheft 2009, 8, 13 f.; ders. StraFo 2008, 269, 274 f.; Nack, StraFo 2008, 277, 280 f.; NK/Kindhäuser aaO, § 266 Rn. 123; Hoyer in SK, 123. Lfg., § 266 Rn. 55; Gaede in Matt/Renzikowoski, StGB, 2013, § 15 Rn. 27). Die maßgebliche Entscheidung erging zum Betrug und betraf eine Fallgestaltung, bei der eine versprochene Geldanlage gänzlich unterblieben ist. Zudem enthält auch die Auffassung des 1. Strafsenats eine Einschränkung, weil sie das voluntative Element auf die „nicht mehr vertragsimmanente Verlustgefahr“ bezieht; letztlich wird auf diese Weise eine Korrektur vorgenommen. Ungeachtet der Frage, ob durch die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 170; 130, 1) im Blick auf die Schadensbestimmung eine Neuakzentuierung eingetreten ist, nötigt die hier vorliegende Fallgestaltung nicht zu einer Anfrage nach § 132 Abs. 3 GVG. Dies gilt schon deshalb, weil das Landgericht rechtsfehlerfrei das kognitive Vorsatzelement und zugleich schon eine Billigung der Existenzgefährdung verneint hat, mithin dieser Rechtsfrage im vorliegenden Fall die Entscheidungserheblichkeit fehlen würde.
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bb) Das angefochtene Urteil genügt den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung eines bedingten Vorsatzes. Die Wirtschaftsstrafkammer hat rechtsfehlerfrei bei der Prüfung der subjektiven Tatseite aufgrund der äu- ßeren Umstände die für die Angeklagten zum damaligen Zeitpunkt erkannte Gefährdungslage gewürdigt und einen Untreuevorsatz verneint.
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(1) Zutreffend ist die Grundannahme des Landgerichts, dass im Hinblick auf den Untreuetatbestand nur eine solche Gefährdung des Vermögens der I. relevant sein kann, die den Grad der Existenzgefährdung erreicht. Dies ergibt sich nach den Feststellungen aus der Stellung der I. im Verhältnis zu den Mutterbanken. Von dort wurde die I. letztlich wie eine unselbständige Abteilung geführt, die einen bestimmten Aufgabenkreis im Gesamtkonzern zu erfüllen hatte. Deshalb kam es der Unternehmensleitung wie auch den Aufsichtsgremien nicht darauf an, das Verhältnis von Aufwendungen für die Mietgarantien und vereinnahmten Provisionen bezogen auf die I. ausgeglichen zu gestalten. Die Auflage der Fonds war für die Konzerngesellschaft schon deshalb von hohem Nutzen, weil hieraus durch die Kreditierung der Fonds und die anfallenden Provisionen erhebliche Erträge gezogen werden konnten. Da sämtliche Gesellschafter in voller Kenntnis der Umstände und der wirtschaftlichen Kennziffern über ihre Repräsentanten im Aufsichtsrat der I. den Fondsauflagen zugestimmt hätten, läge – so die Kernaussage des Landgerichts – ein den Tatbestand ausschließendes Einverständnis vor, das insoweit wirksam gewesen sei, als hierdurch keine Existenzgefährdung der Gesellschaft eingetreten sei. Jedenfalls aus der für den Vorsatz maßgeblichen Sicht der Angeklagten ist hinreichend belegt, dass diese eine solche Existenzgefährdung der I. nicht vorhergesehen haben.
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Die gegen die Maßgeblichkeit der Grenze der Existenzgefährdung für die Wirksamkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses gerichteten Einwände der Staatsanwaltschaft gehen fehl. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die im Aufsichtsrat vertretenen Vorstände der Gesellschafterbanken ein solches Einverständnis erklären konnten, selbst wenn sie nicht alleinvertretungsberechtigt waren. Soweit die Banken nicht schon durch zwei Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsgremien vertreten wurden, die sich vorab und im Nachgang abgestimmt hatten, wurden nach den landgerichtli- chen Feststellungen die Entscheidungen in den jeweiligen Gesamtvorständen der Gesellschafterbanken kommuniziert und gebilligt.
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Soweit der Generalbundesanwalt eine verengte Betrachtung auf die Existenzgefährdung beanstandet und auf eine nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weitere (zusätzliche) Grenze für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis verweist, wonach das Stammkapital nicht angetastet werden dürfe, ist dies zweifelhaft. Denn nach der Rechtsprechung bildet der existenzgefährdende Eingriff als Grenze der Verfügungsbefugnis des Gesellschafters wohl den Oberbegriff, der die Unterfälle Beeinträchtigung des Stammkapitals sowie Entziehung der Produktionsgrundlagen oder Gefährdung der Liquidität umfasst (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2009 – 2StR 95/09, BGHSt 54, 52, 58; vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 158). Abgesehen davon, dass beide Merkma- le in einem inneren Zusammenhang stehen, hat die Wirtschaftsstrafkammer die wirtschaftliche Situation – wie sie sich zu den beiden Tatzeiten nach der Wahrnehmung der Angeklagten darstellte – umfassend gewürdigt, was sowohl eine Existenzgefährdung als auch den Unterfall eines Angriffs auf das Stammkapital einschloss. Im Übrigen hätte dabei, soweit eine vom Generalbundesanwalt angesprochene Unterbilanz in Betracht gezogen werden sollte , auch die für die Verbindlichkeiten der I. , die bis zum 31. Dezember 1998 eingegangen wurden, wirksame Patronatserklärung der B. B. AG (UA S. 54) mitberücksichtigt werden müssen. Da die hieraus entstehenden Verlustübernahmeverpflichtungen Dritter als Forderungen zu bilanzieren wären (vgl. Paschos in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht 2011, § 302 AktG Rn. 5), hätte schon dieser Umstand einer Unterbilanz entgegengestanden.
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Die Existenzgefährdung der I. als maßgebliche Belastungsgrenze wird insbesondere dann nachvollziehbar, wenn man die subjektive Sicht der Angeklagten wie geboten berücksichtigt, die ersichtlich vom Gesamtkonzernnutzen her dachten. In diesem Zusammenhang spielte die I. die eher unselbständige Rolle einer Kostenstelle, die tatsächlich so lange in dem Konzernzusammenhang funktionierte, als ihre Existenz gesichert war. Es lag deshalb bei der Betrachtung aus der Perspektive der Angeklagten nahe, die wirtschaftlichen Belange der I. erst dann ernst zu nehmen, wenn deren Existenzgefährdung drohte, weil ab diesem Zeitpunkt ein wichtiger Baustein in dem für den Konzern wichtigen und gewinnbringenden Fondsgeschäft wegzubrechen drohte.
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(2) Die Beweiswürdigung des Landgerichts zur fehlenden Erkennbarkeit des existenzgefährdenden Umfangs der Risiken aus den Mietgarantien ist rechtsfehlerfrei.
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Das Landgericht stellt eine fundamentale Verschlechterung der prog- noserelevanten Risikofaktoren ab spätestens 1998 fest. Es markiert das „Ende der Blütezeit von geschlossenen Immobilienfonds“ auf den Abschluss des Jahres 1998. In der Folge hätte neben dem Abbau steuerlicher Privilegien die hohe Arbeitslosigkeit, der Zusammenbruch des „Neuen Markts“ und eine stagnierende Wirtschaft zu einem zunehmend schwierigen Umfeld geführt. Nach Auffassung des Landgerichts haben sich die damals bekannten Risiken – jedenfallsaus der Sicht der Angeklagten – zumindest in einem vertretbarem Maße in den hierfür bilanziell vorzunehmenden Rückstellungen (§ 249 HGB) niedergeschlagen. Es stützt diese Würdigung auf folgende Umstände:
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(a) So hat das von der I. 1998 eingeführte und zunächst vom Zeugen Sa. betreute Risikocontrolling ungeachtet seiner Anlaufschwierigkeiten eine deutliche Verbesserung der Datentransparenz erbracht. Auf der Grundlage dieses Datenmaterials ergab sich aber nach der Prognose im Frühjahr 2000, die bereits nach der Schließung des IB. Fonds Deutschland 1 erfolgte, ein Betrag von noch höchstens 108.000 TDM als rechnerische Restgröße (im Sinne eines positiven Saldos). Unter Einbeziehung des Gesamtkonzernnutzens belief sich nach den Berechnungen des Risikocontrollers Sa. der fortbestehende Ertrag auf 846.600 TDM, der sich jedoch im Blick auf noch nicht bezifferbare Gewinne aus Zwischenfinanzierungen noch weiter erhöht hätte (UA S. 115 f.). Aus diesem schon weitgehend optimierten Risikocontrolling ergab sich mithin noch keine unmittelbare Existenzgefährdung der I. .
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(b) Die I. und der Gesamtkonzern wurden in ihrer Wirtschaftsführung und Bilanzierung mehrfach überprüft, wobei jeweils die für die Mietgarantien zu bildenden Rückstellungen und die Risikovorsorge Gegenstand dieser Bewertungen waren. Die erstellten Jahresabschlüsse wurden durch eine externe Kanzlei begleitet, die aus Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten und Steuerberatern bestand. Diese fertigte auch die Jahresabschlüsse, die Rückstellungen für Pauschal- und Einzelrisiken enthielten. In einem konzerninternen Revisionsbericht wurde zwar die seinerzeitige Rückstellungspraxis kritisiert. Dies wurde jedoch als „geringfügiger Mangel“ bezeichnet.Letztlich ging es um die bilanztechnische Erfassung und Bewertung; eine Existenzgefährdung haben die konzerninternen Revisoren in keinem Fall gesehen. Gleiches gilt für den Bericht der Konzernrevision vom 11. Juli 1997, die sogar zu dem Ergebnis kam, dass eine I. -interne Revision entbehrlich sei und diese Aufgabe durch die Kreditrevision der Konzernmutter übernommen werden könne.
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In dem durch den Wirtschaftsprüfer Wa. erstatteten Sonderprüfungsbericht vom 26. Juli 1997 ebenso wie im Prüfbericht nach § 44 KWG der F. T. R. vom 12. November 1997 wurden die Risiken aus den Mietgarantien thematisiert. Wa. kritisierte dabei den bilanziellen Ansatz der Provisionen und wies auf die Risiken hin. Der F. -Bericht verlangte ein wirksameres Risikocontrolling. Nach den Feststellungen des Landgerichts zog jedoch keiner der beiden Prüfer eine Existenzgefährdung der I. in Betracht, die durch die langfristigen Mietgarantien hätte entstehen können.
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Von – wie das Landgericht zutreffend hervorhebt – besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das vom Zeugen Web. verfasste Sondergutachten gemäß § 44 Abs. 1 KWG für das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (sog. Fasselt-Mette-Bericht). Dieses Gutachten wurde am 14. März 2000 abgeschlossen, die Datengrundlage bezog sich aber auf den Zeitpunkt 30 Tage vor Schließung des IB. Fonds Deutschland 1. Aus dieser Zeitnähe ergibt sich die besondere Aussagekraft dieses Gutachtens. Dort wurde zwar eine Erhöhung der Rückstellungen wegen drohender Verluste aus den Mietgarantien empfohlen; eine Existenzgefährdung der I. wurde aber nicht angesprochen. Bestätigt wird dies weiterhin durch den einvernommenen Zeugen Wei. , der Referatsleiter im Bundesaufsichtsamt war und die Einschätzung von Web. teilte.
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(c) Aus diesen internen und externen Expertisen zieht die Wirtschaftsstrafkammer den Schluss, dass die Angeklagten keine Existenzgefährdung der I. durch nicht ausreichend durch Rückstellungen abgesicherte Mietgarantien erkannt hätten. Dieser Schluss, der auf einer hinreichend sorgfältigen Analyse der zu den Tatzeitpunkten vorhandenen Sachverhaltsgrundlagen beruht, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Er liegt zudem auch nahe, weil nicht ersichtlich ist, wieso die Angeklagten im Vergleich zu den Controllern und Revisionsspezialisten überragende Erkenntnisquellen hätten haben sollen, die sie in die Lage versetzt hätten, eine konkrete Existenzgefährdung der I. vorauszusehen. Vielmehr haben auch die den Jahresabschluss prüfenden Wirtschaftsprüfer der W. AG die bilanziellen Ansätze der I. uneingeschränkt bestätigt, und zwar in Kenntnis der mit der langfristigen Mietgarantie verbundenen Risiken.
39
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bestand für die Annahme des Landgerichts, dass niemand die von den Mietgarantien ausgehenden Gefahren für die Existenz der I. gesehen habe, demnach eine ausreichende Tatsachengrundlage. Ein Vergleich einerseits der Aufwendungen für die Mietgarantie und andererseits der Erträge hieraus ist aus dem angefochtenen Urteil ersichtlich; das Landgericht hat lediglich dem Resultat nicht das vom Generalbundesanwalt erwartete Gewicht beigemessen, weil es die Provisionen für die Mietgarantien anders gewertet hat. Aus subjektiver Sicht der Angeklagten waren – weil diese aus der Perspektive des Konzernnutzens dachten – die Provisionen für die Mietgarantien keine echte, gar alleinige Gegenleistung für die damit verbundene Risikoübernahme, sondern die Preisfestlegung orientierte sich an Marktgesichtspunkten und an der steuerlichen Abzugsfähigkeit. Deshalb dürfen insoweit Aufwendungen und Erträgnisse nicht ohne weiteres gegenübergestellt werden, maßgeblich ist vielmehr allein die bilanzielle Gesamtsituation und die Frage, ob sich insoweit eine existenzgefährdende Überschuldung ergibt.
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Dieser Gesichtspunkt hat aber auch Auswirkungen auf die Frage, inwieweit die vereinnahmten Provisionen bilanziell in ihrer Gesamtsumme oder nur ratierlich zu erfassen sind. Für eine ratierliche Erfassung bestand jedenfalls aus der Sicht der Angeklagten umso weniger Anlass, als sie die Provisionen nicht als kalkuliertes Risikoentgelt ansahen. Letztlich bedarf diese bilanzielle Frage hier aber weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht einer Vertiefung, weil nach den Feststellungen der Wirtschaftsstrafkammer auch bei einem ratierlichen Ansatz zwar naturgemäß ein verringerter Überschuss hätte ausgewiesen werden können, aber auch dann noch keine existenzgefährdende Situation eingetreten wäre. Da auch insoweit noch nicht verbrauchte Beträge aus den dann anzusetzenden Rechnungsabgrenzungsposten bestanden hätten (UA S. 146 f.), hätte sich ein etwaiger Verstoß gegen Bilanzierungsvorschriften nicht ausgewirkt.
41
Soweit der Generalbundesanwalt weiter bemängelt, dass eine Begründung , die sich darauf stützt, das Risiko sei nicht konkret erkennbar gewesen , offen lasse, ob die Existenzgefährdung im Rahmen einer ordnungsgemäßen Risikoanalyse objektiv erkennbar gewesen wäre, verlässt er die Grenzen eines Vorsatzdelikts. Auch im Rahmen des bedingten Vorsatzes kommt es immer darauf an, dass der Betreffende die Gefahrenlage tatsäch- lich erkannt hat. Die bloße Erkennbarkeit ist allenfalls im Bereich der Fahrlässigkeitstaten relevant. Im Übrigen belegt das angefochtene Urteil hinreichend die Bemühungen der I. um eine Verbesserung des Risikocontrolling und die Hindernisse, auf welche diese stieß.
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(3) Das Landgericht hat ohne Rechtsverstoß ersichtlich auch das voluntative Vorsatzelement verneint. Es führt aus, dass die Angeklagten in der Erkenntnis der von der I. eingegangenen Risiken deren Existenzgefährdung mit adäquaten Mitteln zu verhindern suchten, um dadurch das Fondsgeschäft im Gesamtkonzernnutzen weiter zu betreiben. Dabei zieht die Wirtschaftsstrafkammer vor allem aus den in den Jahren 1998 und 1999 durchgeführten Kapitalerhöhungen den Schluss auf einen ernsthaften Willen der Angeklagten, existenzgefährdende Verluste zu vermeiden (UA S. 533 f.). So erfolgte eine Kapitalerhöhung im April 1998 um 25 Mio. DM mit einem 100%igen Agio, was wirtschaftlich eine weitere Erhöhung um denselben Betrag bedeutete, und eine neuerliche noch viel stärkere Kapitalaufstockung Anfang 1999 um 340 Mio. DM.
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Aus diesen Umständen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei gefolgert, dass die Angeklagten der erkannten Risikostruktur aufgrund der marktunüblichen Mietgarantien begegnen wollten. Damit hat es zugleich seine Annahme untermauert, dass die Angeklagten sich nicht mit einer Existenzgefährdung der I. abgefunden haben, sondern hierfür eine Risikovorsorge treffen wollten. Als die maßgeblichen Entscheidungsträger der I. hatten die Angeklagten den tatbestandlichen Erfolg im Sinne des § 266 StGB, nämlich die Existenzgefährdung , oder gar die Existenzvernichtung gerade nicht gebilligt oder sich auch nur damit abgefunden.
44
Die Verneinung des voluntativen Vorsatzelements wird zudem durch weitere vom Landgericht festgestellte Umstände bestätigt. Durch den Aufbau eines Risikocontrollings, mit dem die Leitungsebene der I. der internen und externen Kritik nachkam, ist belegt, dass die Verantwortlichen nicht die Augen vor der möglichen Existenzbedrohung verschlossen haben, sondern bemüht waren, die Risiken aus diesen Geschäften steuerbar zu halten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden den Angeklagten gegenüber kommuniziert bzw. von ihnen abgefragt. Auch dieser Umstand spricht dagegen , dass den Angeklagten der tatbestandliche Erfolg des Eintritts eines Nachteils auch nur gleichgültig gewesen wäre (vgl. hierzu auch Puppe in NK, StGB, 4. Aufl., § 15 Rn. 56 f.).
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Schließlich war das gesamte Controlling- und Buchhaltungssystem auf Transparenz ausgelegt. Die erkannten Risiken wurden sowohl konzernintern als auch gegenüber den Abschlussprüfern, der W. AG, offen angesprochen und diskutiert. Der Stand des Risikocontrollings und auch dessen Mängel waren stets sowohl auf der Ebene der Geschäftsleitung der I. , des Aufsichtsrats der I. und auch bei den Gesellschafterinnen der I. gleichermaßen bekannt. Nach den Feststellungen des Landgerichts gab es weder eine Verschleierung der Risiken aus dem Fondsgeschäfts innerhalb der I. noch gegenüber den vier Gesellschafterteilbanken vor Auflage der anklagegegenständlichen LB. Fonds 12 und IB. Fonds Deutschland 1. Gleichfalls herrschte auch innerhalb der Konzernbanken und gegenüber deren Aufsichtsgremien eine weitgehende Offenheit, weil auch ihnen die wesentlichen Revisionsberichte mitgeteilt wurden.
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Diese Umstände haben Auswirkungen auf die Prüfung des Willenselements beim Vorsatz. Ebenso wie die Verschleierung von Risiken ein Anzeichen für das Vorliegen einer Billigung des Eintritts einer schadensgleichen Vermögensgefährdung sein kann (BGH, Urteil vom 15. November 2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 157), gilt umgekehrt auch, dass eine trans- parente und ordnungsgemäße Bilanzierung indiziell gegen eine willentliche Schadenszufügung sprechen kann.
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c) Die Revisionen können schließlich nicht mit dem Vorwurf durchdringen , das Landgericht habe die gebotene Gesamtwürdigung unterlassen.
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Das Unterlassen einer solchen Gesamtwürdigung kann allerdings einen zur Aufhebung des Freispruchs nötigenden Rechtsfehler begründen. Denn selbst wenn keine der jeweiligen Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft der Angeklagten ausreicht, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln (BGH, Urteil vom 6. März 2002 – 5 StR 351/01, NJW 2002, 1811, 1812; vgl. auch Dietmeier ZIS 2008, 101, 103 f.). Die Gesamtwürdigung hat aber auch – gleichfalls in ihrer Gesamtheit – die entlastenden Umstände einzubeziehen (BGH, Urteil vom 12. September 2001 – 2 StR 172/01, NStZ 2002, 47).
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Der Generalbundesanwalt fasst dabei in seiner Antragsschrift die wesentlichen , die Angeklagten belastenden Indiztatsachen zusammen, aus denen sich eine bereits im Zeitpunkt der beiden letzten Fondsschließungen abzeichnende Überschuldung der I. ergeben soll. Abgesehen davon, dass diese Indizien nur dann beachtlich sein könnten, wenn sich aus ihnen auch ein Rückschluss auf das Bewusstsein der Angeklagten ergäbe, findet eine solche vom Generalbundesanwalt vermisste Gesamtwürdigung in den Urteilsgründen tatsächlich statt. Auch wenn das Landgericht diesen Begriff nicht explizit verwendet, lassen doch seine Darlegungen erkennen, dass es die einzelnen Indizien nicht nur für sich genommen gewichtet hat. Damit hat es in der Sache eine umfassende – freilich auch die entlastenden Gesichtspunkte einschließende – Gesamtwürdigung vorgenommen, die allerdings zu einem anderen als vom Generalbundesanwalt ersichtlich für richtig gehaltenen Ergebnis geführt hat.
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