Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 194/18
vom
19. September 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue
ECLI:DE:BGH:2018:190918B1STR194.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerinnen und des Generalbundesanwalts am 19. September 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Vorliegen von Vermögensnachteilen bleiben jeweils aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte W. wegen Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und die Angeklagte A. wegen Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, hiervon jeweils drei Monate als vollstreckt erklärt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt.
2
Hiergegen wenden sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten; die Angeklagte A. rügt daneben auch die Verletzung formellen Rechts. Die unausgeführte Verfahrens- rüge ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der Sachrüge haben die Rechtsmittel dagegen weitgehend Erfolg; im Übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Angeklagte W. übernahm im Jahr 2002 das Amt der Kämmerin der Stadt Pforzheim bei einem Haushaltsdefizit von etwa 30.000.000 €. Sie und die Angeklagte A. als damalige Oberbürgermeisterin kamen überein, die angespannte Finanzlage der Stadt durch strikte Sparmaßnahmen und ein modernes Schulden- und Zinsmanagement zu verbessern. In diesem Bestreben schloss die Angeklagte W. im Jahr 2003 trotz der relativ günstigen Durchschnittsverzinsung des damaligen stadteigenen Kreditportfolios, das einen Umfang von über 160.000.000 € hatte und keinerlei Fremdwährungsrisi- ken enthielt, Finanzderivate in Form von sog. „swaps“, also Verträge zur Modellierung von Zinslasten (hier: Zinssatzswaps oder sog. „Doppelswaps“), über ein Nominal von 12.103.000 € ab. Im Jahr 2004 kam es zudem ohne Wissen des Gemeinderats zum Abschluss von drei sog. Ladder swaps durch die Angeklagte W. mit der D. AG (im Folgenden: D. ). Diese waren keinen konkreten Darlehensverträgen der Stadt zugeordnet, ihr fiktives Nominal war aber auf die Hälfte des Gesamtkreditvolumens der Stadt beschränkt.
5
Obwohl sich die „Ladder swaps“ zunächst positiv entwickelt hatten, wan- delte die Angeklagte W. diese zwischen Ende 2004 und Juni 2006 in drei Verträgen mit der D. in sog. „CMS Spread Ladder swaps“ um, bei denen es sich um hochspekulative Hebelfinanzprodukte handelt, die wiederum keinen konkreten Krediten der Stadt zugeordnet waren. Während das Risiko der D. aus diesen Finanzprodukten der Höhe nach beschränkt war und der Bank zudem ein jederzeitiges Kündigungsrecht ohne Ausgleichszahlung zustand, war das Verlustrisiko der Stadt, die vertraglich für sieben Jahre gebunden war, theoretisch unbegrenzt, worauf die D. zuvor schriftlich hingewiesen hatte. Den Abschluss der Derivate hielt die Angeklagte W. gegenüber dem Gemeinderat und sonstigen Gremien der Stadt geheim.
6
Die Marktwerte sämtlicher Derivate entwickelten sich in der Folge negativ , so dass bis Ende des Jahres 2005 negative Marktwerte von über 11.000.000 € aufliefen und haushaltswirksame Zahlungen für die Stadt Pforzheim anstanden.
7
Um die prekäre Lage nicht offenlegen zu müssen und so ihren guten Ruf zu gefährden, entschloss sich die Angeklagte W. , die zeitnah anstehenden erheblichen Zahlungspflichten durch erneute Umstrukturierungen mittels des Abschlusses weiterer Finanzderivate in die Zukunft zu verschieben, was – wiesie wusste – mit zusätzlichen Kosten und Risiken verbunden war. Dabei hoffte sie unter bewusster Inkaufnahme der weiteren Risiken, die eingetretenen Buchverluste durch Gewinne aus den neuen „Finanzwetten“ ausgleichen zu können, bevor die negativen Marktwerte der Derivate in der Gemeinde bekannt würden. In Umsetzung des Entschlusses wandelte die Angeklagte W. unter bewusster Hinwegsetzung über haushaltsrechtliche Grundsätze zwei der zuvor abgeschlossenen „CMS Spread Ladder swaps“ in andere „CMS Spread Ladder swaps“ bei der D. am 19. Juni 2006 (Tat 1; Nominal: 10.000.000 €; Laufzeit bis 20. Dezember 2011) und am 10. August 2006 (Tat 2; Nominal: 20.000.000 €; Laufzeit bis 20. Dezember 2012) um, ohne zuvor Vergleichsangebote einzuholen oder den Gemeinderat in Kenntnis zu setzen. Auch diese Derivate waren wiederum keinen konkreten Krediten der Stadt Pforzheim zugeordnet. Aufgrund ihrer Risikostruktur – auch hier bestand ein Verlustrisiko für die Stadt Pforzheim in unbegrenzter Höhe, auf das die D. schriftlich hingewiesen hatte und das die Angeklagte W. bewusst in Kauf nahm, ohne weitere Erkundigungen einzuholen oder einen Vertrag zum Risikomanagement abzuschließen – waren diese Derivate nicht zur Zinsoptimierung oder -sicherung geeignet. Allerdings entfielen das Kündigungsrecht der D. und – beim zweiten Vertrag – die Untergrenze der von der Stadt zu erbringenden Zinszahlungen von 0 %; gleichzeitig verringerte sich der von der D. an die Stadt zu zahlende Zinssatz (UA S. 17). Die negativen Marktwerte der Vorprodukte sowie die Kosten und die Gewinnmarge der Bank (100.000 € bei Tat 1 und 200.000 € bei Tat 2) wurden eingepreist , so dass die jeweiligen Marktwerte der Derivate bereits von Beginn an negativ waren. Die mit der D. abgeschlossenen Derivate entwickelten sich weiter ungünstig für die Stadt, so dass sich deren negativen Marktwerte Ende September 2006 auf 17.200.000 € beliefen. Im Jahr 2007 standen erste Belastungen des kommunalen Haushalts aus diesen „in Schieflage geratenen“ Finanzderivaten an.
8
In dieser Situation weihte die Angeklagte W. Anfang Oktober 2006 die Angeklagte A. ein und bot ihre Kündigung an. Diese forderte sie jedoch auf, nunmehr „die Suppe auszulöffeln“. Dadie Angeklagten die hohen Buchwertverluste der Finanzgeschäfte vor dem Gemeinderat nicht offen legen und anstehende Zahlungen vermeiden wollten, entschlossen sie sich – nachdem vorherige Versuche, eine kostenneutrale Einigung mit der D. zu erzielen, erfolglos geblieben waren – zu weiteren Restrukturierungen bei einer anderen Bank, der J. (im Folgenden : J. ).
9
Vor diesem Hintergrund schlossen die Angeklagten, nachdem sie über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden waren, zunächst am 23. November 2006 sog. Spiegelderivate mit genau gegenläufigen Positionen zu den D. -Finanzderivaten bei J. ab (nicht Bestandteil des Tatvorwurfs).Die sich daraus ergebende Belastung der J. mit den negativen Marktwerten wurde durch den Abschluss von drei in einem Produkt zusammengeführten Finanzierungsderivaten (Bandbreiten-, Konvergenz- und Fremdwährungsderivat) auf die Stadt Pforzheim zurückgeführt (Tat 3; Gesamtnominal: 60.000.000 €; Laufzeit : 10 Jahre), wobei ein Gewinn der J. in Höhe von 975.000 € eingepreist wurde. Auch diese Derivate waren wiederum keinen konkreten Krediten der Stadt zugeordnet. Zudem enthielten sie u.a. Fremdwährungskomponenten, die in dem bisherigen Kreditportfolio der Stadt nicht vorhanden waren.
10
Obwohl sich das Fremdwährungsderivat mit einem Nominal von 30.000.000 € positiv entwickelte, wandelten die Angeklagten dieses – nach einer kurzen Zwischenlösung – am 15. März 2007 unter Aufnahme seines negativen Marktwertes in die Handelsstrategiederivate „C. “ und „M. “ der J. um (Tat 4; Nominal: je 15.000.000 €; Laufzeit: 10 Jahre), wobei wiederum keine Vergleichsangebote eingeholt wurden, auch kein konkreter Bezug der Derivate zu Krediten der Stadt Pforzheim bestand und eine Gewinnmarge der J. in Höhe von 1.195.000 € eingepreist wurde. Auch diese Derivate, durch welche die Zahlungspflichten der Stadt bis März 2014 bzw. März 2017 aufgeschoben wurden (UA S. 27), waren aufgrund ihrer Risikostruktur nicht als Zinssicherungs- oder Zinsoptimierungsinstrument geeignet. Über die Risiken der Finanzgeschäfte wurden die Angeklagten aufgeklärt. Den Gemeinderat informierten sie über die tatsächlichen Risiken, die jeweiligen negativen Marktwerte und die mit den Vertragsabschlüssen verbundenen Kosten nicht.
11
Schließlich wandelten die Angeklagten auch das Bandbreiten- und das Konvergenzderivat am 15. Februar 2008 unter Aufnahme der entsprechenden negativen Marktwerte und einer Gewinnmarge der J. in Höhe von 1.125.000 € in das Handelsstrategiederivat „ Q. “ der J. (Tat 5; Nominal: 30.000.000 €; Laufzeit: 9 Jahre) um, nachdem sich das Konvergenzderivat zuletzt stark negativ entwickelt hatte. Das abgeschlossene Handelsstrategiederivat , hinsichtlich dessen die Angeklagte W. wiederum keine Vergleichsangebote eingeholt hatte und über dessen Risiken die Angeklagten schriftlich aufgeklärt worden waren, zeichnete sich erneut vor allem durch lange zahlungsfreie Anfangszeiten aus, war aber aufgrund seiner Risikostruktur nicht zur Zinsoptimierung oder -sicherung geeignet, weil es neue Risiken beinhaltete und nicht lediglich die bis dahin im Portfolio der Stadt vorhandenen Risiken absicherte. Den Gemeinderat wiesen die Angeklagten nicht auf die Risiken des Derivatgeschäfts hin, sondern informierten diesen teilweise unrichtig und zudem selektiv über die damit erzielten Erträge.
12
Die jeweils mit den Finanzgeschäften verbundenen Risiken und Verstöße gegen das kommunalrechtliche Spekulationsverbot sowie das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nahmen die Angeklagten bewusst in Kauf, um die entstandenen Buchspekulationsverluste durch etwaige Spekulationsgewinne ausgleichen und anstehende haushaltswirksame Zahlungen der Stadt aufschieben zu können, wobei sie aber auf einen positiven Ausgang hofften.
13
Aufgrund der Finanzkrise 2007 entwickelten sich die Derivate zunehmend schlecht; die negativen Marktwerte stiegen bis 2011 auf über 57.000.000 € an. Der endgültige aus den Finanzgeschäften von der Stadt zu tragende Verlust konnte schlussendlich durch den Abschluss von Vergleichen mit den beteiligten Finanzinstituten auf ca. 10.000.000 € vermindert werden.
14
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Stadt durch das Tatverhalten der Angeklagten zumindest insoweit Vermögensnachteile entstanden seien, als jeweils die Gewinnmarge des Finanzinstituts, der keine Gegenleistung gegenübergestanden habe, bei den einzelnen Derivatgeschäften eingepreist worden sei. Auf dieser Grundlage hat es bei Tat 1 einen Vermögensnachteil der Stadt in Höhe von 100.000 €, bei Tat 2 einen solchen von 200.000 €, bei Tat 3 von 975.000 €, bei Tat 4 von 1.195.000 € und bei Tat 5 von 1.125.000 € unterstellt.

II.

15
Die von beiden Angeklagten erhobene Sachrüge hat weitgehend Erfolg.
16
1. Die Schuldsprüche wegen Untreue zum Nachteil der Stadt Pforzheim in fünf bzw. drei Fällen halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Angeklagten durch den Abschluss der verfahrensgegenständlichen Verträge jeweils eine ihnen obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt haben; indes tragen die Feststellungen des Landgerichts nicht die Annahme, der Stadt sei jeweils ein Vermögensnachteil durch die Derivatabschlüsse entstanden. Im Einzelnen :
17
a) Die in § 266 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Vermögensbetreuungspflicht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16, BGHSt 62, 144, 147 f. Rn. 49 ff. mwN) folgt für die Angeklagten bereits ohne weiteres aus ihrer Stellung als Oberbürgermeisterin bzw. als Kämmerin der Stadt Pforzheim. Den Angeklagten oblag es aufgrund ihres Amtes im Rahmen ihrer jeweiligen Tätigkeit , die Finanzwirtschaft der Stadt Pforzheim gemäß den gesetzlich geregelten Haushaltsbestimmungen selbstständig zu führen, alle für eine geordnete Finanzwirtschaft erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und das Vermögen der Stadt vor Nachteilen zu bewahren.
18
b) Die Angeklagten verletzten diese Vermögensbetreuungspflichten, indem sie die verfahrensgegenständlichen Finanzderivate abschlossen.
19
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats konkretisiert sich der Maßstab der Sorgfaltspflicht, den ein kommunaler Entscheidungsträger bei Abschluss von Finanzgeschäften zu beachten hat, aufgrund der kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere dem für Gemeinden geltenden Spekulationsverbot , das sich als Teilaspekt des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit darstellt, wie folgt (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16, aaO mwN): Ein Finanzgeschäft einer Kommune muss zunächst einen sachlichen und zeitlichen Bezug zu einem konkret vorhandenen oder aktuell neu abgeschlossenen Kreditvertrag dergestalt aufweisen, dass das mit dem Grundgeschäft verbundene Risiko durch das Finanzgeschäft in einer angemessenen Weise abgesichert oder optimiert wird (sachliche und zeitliche Konnexität). Trotz bestehender Konnexität ist der Abschluss eines Finanzgeschäfts aber auch dann pflichtwidrig, wenn das Risiko des Kapitalverlustes die Chance des Kapitalgewinns deutlich übersteigt, also keine günstige Relation zwischen angestrebtem Zweck und dafür eingesetzten Mitteln besteht, und dadurch die kommunale Aufgabenbindung und -erfüllung nicht unerheblich gefährdet wird; dies kann insbesondere bei hochspekulativen Finanzgeschäften der Fall sein. Ein Finanzgeschäft darf weiterhin auch dann nicht abgeschlossen werden, wenn die Abwägungsentscheidung infolge von Informationsdefiziten oder Mängeln bei der Sachverhaltserfassung nicht richtig erfolgen konnte. Zudem darf die Entscheidung für das Finanzgeschäft nicht auf Erwägungen beruhen , die der kommunalrechtlichen Haushaltswirtschaft fremd sind. Schließlich dürfen konkrete Anweisungen der zur Aufsicht berufenen Stellen zu Art und Umfang des Geschäfts, Mindestkonditionen, Geschäftspartner etc. nicht zu Gunsten einer Chance auf höhere Kostenreduzierung missachtet werden; sofern diese Stellen umgangen werden, indiziert dies die Pflichtwidrigkeit.
20
bb) Nach den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten gegen jedenfalls zwei dieser Anforderungen verstoßen: Zum einen hatten die verfahrensgegenständlichen Finanzderivate keinen ausreichenden Bezug zu den bisherigen Kreditverträgen, weil sie diesen weder hinsichtlich der Laufzeit entsprachen noch geeignet waren, genau deren konkrete Risiken abzusichern, sie im Gegenteil neue Risiken beinhalteten, etwa in Form der Fremdwährungskomponenten bei Tat 3. Zum anderen handelten die Angeklagten jeweils aus sachfremden Erwägungen heraus, da es ihnen nach den insoweit nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts vorrangig darum ging, anstehende Zahlungen in die Zukunft zu verschieben, um die bisherigen Verluste nicht offen legen zu müssen und Zeit zu gewinnen. Übergeordneter Zweck ihres Handelns war es, ihren Ruf zu wahren und ihre Amtsträgerschaft bzw. Wiederwahl nicht zu gefährden. Vor diesem Hintergrund gingen sie auf Vorschläge der beteiligten Banken für risikoärmere, aber mit sofortwirksamen Zahlungspflichten verbundene Lösungsvarianten nicht ein, sondern handelten stets nach der Prämisse, dass keinesfalls Zahlungen anfallen dürften.
21
c) Die Feststellungen tragen jedoch nicht den Schluss des Landgerichts, durch die verfahrensgegenständlichen Vertragsabschlüsse sei das Vermögen der Stadt Pforzheim in Höhe der jeweiligen Gewinnmarge des Vertragspartners geschädigt worden.
22
aa) Ein dem betreuten Vermögen zugefügter Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße. Die Vermögensminderung ist dabei nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung festzustellen; maßgeblich ist der Vergleich der Vermögenswerte unmittelbar vor und nach der pflichtwidrigen Verhaltensweise zu Lasten des betroffenen Vermögens (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 109 f. Rn. 33; Beschlüsse vom 8. März 2017 – 1 StR 540/16, wistra 2017, 437, 438 Rn. 14 und vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 304 Rn. 41 jeweils mwN). Ein Nachteil liegt deshalb nicht vor, wenn durch die Tathandlung zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird. Werterhöhend kann auch einevermögenswerte realistische Gewinnerwartung wirken (BGH, Beschluss vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, aaO mwN).
23
Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Geschädigten aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, dass dies schon zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126,170, 221 ff.; BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16, BGHSt 62, 144, 154 f. Rn. 81 mwN). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62).
24
Da der Vermögensnachteil ein selbstständiges, neben der Voraussetzung der Pflichtverletzung stehendes Tatbestandsmerkmal darstellt, das nicht in dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit aufgehen darf (sog. Verschleifungsverbot, vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 221 ff.; BGH, Beschluss vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 304 Rn. 43 mwN), ist dieser – von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen, etwa bei einem ohne weiteres greifbaren Mindestschaden – eigenständig zu ermitteln, anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren und zu beziffern (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16, BGHSt 62, 144, 155 Rn. 82; Beschlüsse vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62 und vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, aaO jeweils mwN; BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Nach bilanzieller Betrachtungsweise liegt dabei beim Abschluss von Zinsswap-Verträgen ein Nachteil in Höhe der zu bildenden Drohverlustrückstellungen (§ 249 HGB) vor, die nach dem Marktwert des Derivats zu bewerten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 202 f. Rn. 13; LG Augsburg, Urteil vom 14. Mai 2012 – , juris Rn. 43 ff.; Schneider, wistra 2018, 281, 284; Bader/Wilkens, wistra 2013, 81, 84 f.; Gehrmann/Lammers, KommJur 2011, 41, 47; Graf/Jäger/Wittig/Waßmer, Wirtschaftsstrafrecht , 2. Aufl., § 266 StGB Rn. 192). Bei der Ermittlung des Marktwertes eines Anlage- oder Derivatgeschäfts auf Grundlage der Höhe des konkreten Ausfallrisikos sowie des Wahrscheinlichkeitsgrades einer Gewinnerzielung unter Anwendung finanzmathematischer Berechnungen bzw. betriebswirtschaftlicher Bewertungskriterien hat sich das Tatgericht gegebenenfalls der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen (BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16, BGHSt 62, 144, 155 Rn. 82; vgl. auch LG Augsburg, aaO).
25
bb) Diesen Maßgaben wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht, wenn es allein darauf abstellt, dass der Abschluss der verfahrensgegenständlichen Finanzderivate dem Spekulationsverbot zuwidergelaufen sei, und zur Bezifferung der Vermögensnachteile die jeweiligen Gewinnmargen der Vertragspartner heranzieht, da diesen keine Gegenleistungen der Banken gegenüber gestanden hätten. Ein Schaden oder eine schadensgleiche Vermögensgefährdung wird so nicht hinreichend belegt.
26
Ein durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht der Angeklagten bei der Stadt Pforzheim eingetretener Vermögensnachteil läge unter Beachtung der vorgenannten Rechtsprechung hinsichtlich der einzelnen Taten einerseits dann vor, wenn der jeweilige Vertragsschluss deshalb wirtschaftlich nachteilig für die Stadt Pforzheim gewesen wäre, weil das von dieser für den Vertragsabschluss erbrachte Entgelt (Gewinnmarge der Bank) in der im Vertragsschluss liegenden Gegenleistung des jeweiligen Finanzinstituts kein gleichwertiges Äquivalent gefunden hätte. Andererseits wäre von einem Vermögensnachteil der Stadt auszugehen, wenn der Wert des jeweils abgeschlossenen Finanzderivats hinter dem Wert der dadurch jeweils abgelösten Zahlungspflicht zurückgeblieben wäre.
27
Zur Ermittlung eines etwaigen Vermögensnachteils im erstgenannten Sinne hätte sich das Landgericht – insoweit wäre, soweit die Kammer nicht selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt, die Einholung eines diesbezüglichen Sachverständigengutachtens geboten gewesen – damit auseinander setzen müssen, ob die dem Finanzinstitut (D. bzw. J. ) jeweils eingeräumte Gewinnmarge das marktübliche Entgelt für den Abschluss des jeweiligen Derivatvertrags sein könnte, so dass der jeweilige Vertragsabschluss und die damit eingeräumten Zahlungsaufschübe und Gewinnchancen als gleichwertige Gegenleistung für die eingeräumte Gewinnmarge zu verstehen ist. Die Strafkammer hat indes das Fehlen einer Gegenleistung der Banken für die ihnen jeweils eingeräumte Gewinnmarge ohne tragfähige Begründung unterstellt. Die Urteilsfeststellungen sind diesbezüglich auch nicht frei von Widersprüchen, da das Landgericht selbst hervorhebt, dass die Übernahme von Risiken und die Einräumung neuer Chancen durch ein Derivatgeschäft nicht „umsonst“ zu haben seien (UA S. 15, 17, 55, 82).
28
Für die Feststellung eines Nachteils in der zweitgenannten Form hätte das Landgericht demgegenüber den Wert der verfahrensgegenständlichen Finanzderivate zum Zeitpunkt der einzelnen Vertragsabschlüsse mit Hilfe konkreter Feststellungen zum Verlustrisiko und zum Wahrscheinlichkeitsgrad einer Gewinnerzielung unter Berücksichtigung der Vertragskosten ermitteln und das Ergebnis zum Wert der jeweils abgelösten Finanzgeschäfte ins Verhältnis setzen müssen. Nur soweit danach jeweils ein Minderwert vorgelegen hätte, wäre die Annahme eines Vermögensnachteils – ohne dass es auf den tatsächlichen Verlauf der Vertragsverhältnisse (noch) angekommen wäre – gerechtfertigt gewesen. Zum Wert der sich aus den verfahrensgegenständlichen Finanzderivaten ergebenden Ansprüche verhalten sich aber weder die Feststellungen noch die beweiswürdigenden Ausführungen des angefochtenen Urteils. Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erweist sich insoweit als unergiebig.
29
Die Feststellung, dass die einzelnen Verträge mit theoretisch unbegrenzten Verlustrisiken verbunden gewesen seien, reicht insoweit zur Begründung eines Vermögensnachteils der Stadt Pforzheim jedenfalls nicht aus. Denn für eine tragfähige Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Verträge wäre darüber hinaus aufzuklären gewesen, wie hoch die jeweiligen Eintrittswahrschein- lichkeiten der Risiken einerseits und wie hoch auf der anderen Seite die Wahrscheinlichkeiten einer Gewinnerzielung waren. Nur auf dieser Grundlage wäre auch ein Vergleich des Wertes der einzelnen Finanzderivate möglich gewesen und könnte damit beurteilt werden, ob und inwiefern sich die schon zuvor schwierige finanzielle Lage der Stadt durch die einzelnen Restrukturierungsmaßnahmen tatsächlich weiter verschlechtert hat. Da sich etwa das zuvor unbegrenzte Verlustrisiko im Zuge des Wechsels von der D. zur J. auf ein „worst-case“-Risiko von 147.000.000 € reduziert hat (UA S. 57 f.), versteht sich dies nicht von selbst.
30
Eine Bezifferung der jeweiligen Vermögensnachteile war vorliegend auch nicht ausnahmsweise entbehrlich (sog. Evidenzfall, vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 63 mwN). Insbesondere ist nach den Urteilsfeststellungen nicht ausgeschlossen, dass die den Banken eingeräumten Gewinnmargen ein marktübliches Entgelt für den jeweiligen Vertragsschluss darstellten und die verfahrensgegenständlichen Umstrukturierungen bei wirtschaftlicher Betrachtung – maßgeblich für die Frage der Strafbarkeit der Angeklagten wegen Untreue ist dabei allein der Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses – unter Berücksichtigung der jeweils bestehenden Ausgangslage für die Stadt nicht nachteilig waren. Dass dies nicht von vornherein fernliegend ist, zeigt sich bereits daran, dass sich die bei der D. abgeschlossenen Derivate ausweislich der Urteilsfeststellungen im weiteren Verlauf positiv entwickelten, wovon die Stadt Pforzheim aber wegen der diesbezüglich nachfolgenden Umstrukturierung nicht mehr profitieren konnte.
31
Sollte das neue Tatgericht – ggf. nach Einholung entsprechender Sachverständigengutachten – zu der Annahme gelangen, dass der Stadt Pforzheim durch das verfahrensgegenständliche Verhalten der Angeklagten Vermögensnachteile entstanden sind, wird es insbesondere in Anbetracht der im Jahr 2007 einsetzenden Finanzkrise ferner in den Blick zu nehmen haben, ob und inwieweit die Vermögensminderungen gerade auf dem pflichtwidrigen Verhalten der Angeklagten beruhten oder diese auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wären.
32
2. Die Aufhebung der Schuldsprüche entzieht den verhängten Einzelstrafen und den daraus gebildeten Gesamtstrafen die Grundlage. Die Feststellungen sind aufzuheben, weil sie von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ausgenommen sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen – mit Ausnahme derjenigen zum Vorliegen von Vermögensnachteilen –, die von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind und daher bestehen bleiben können. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehen, bleiben insoweit möglich.
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Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2014 - 3 StR 265/14

bei uns veröffentlicht am 11.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 S t R 2 6 5 / 1 4 vom 11. Dezember 2014 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ StGB § 266 PartG § 25 Abs. 2 und 4, § 31c, § 31d Werden Gelder, di
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2018 - 1 StR 194/18.

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2020 - 5 StR 366/19

bei uns veröffentlicht am 08.01.2020

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StGB § 266 a) Ein Entscheidungsträger handelt im Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht stets pflichtwidrig, wenn er nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt. Beim Unterlas

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2019 - 1 StR 427/18

bei uns veröffentlicht am 25.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 427/18 vom 25. April 2019 in der Strafsache gegen wegen Untreue ECLI:DE:BGH:2019:250419B1STR427.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwal

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2019 - 1 StR 551/18

bei uns veröffentlicht am 26.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 551/18 vom 26. Juni 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. Einziehungsbeteiligte: 1. 2. wegen Steuerhinterziehung u.a. hier: Revisionen der Angeklagten O. und W. ECLI:DE:BGH:2019:260619B1STR551.18.0 Der 1. St

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2019 - 1 StR 182/19

bei uns veröffentlicht am 19.12.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 182/19 vom 19. Dezember 2019 in der Strafsache gegen wegen Untreue u.a. ECLI:DE:BGH:2019:191219U1STR182.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 19.

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

49
Eine Vermögensbetreuungspflicht ist gegeben, wenn den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft, im Rahmen derer ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird, so dass er ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zugreifen kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 9. November 2016 – 5 StR 313/15, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 55 und vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschlüsse vom 1. April 2008 – 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f.; vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f. und vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, NJW 2016, 3253, jeweils mwN).

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

33
Der durch die Pflichtverletzung hervorgerufenen Vermögensminderung stand kein Vermögensvorteil gegenüber, welcher den Nachteil vollständig oder auch nur teilweise hätte ausgleichen können. Entgegen der Auffassung der Revision ist ein solcher Vorteil nicht deswegen anzunehmen, weil der Fraktion in Höhe der geleisteten Zahlungen ein Erstattungsanspruch gegen die Partei erwachsen sei. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass nach ständiger Rechtsprechung der Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung festzustellen ist, so dass es an einem Nachteil im Falle einer schadensausschließenden Kompensation fehlt. Eine solche liegt vor, wenn und soweit der durch die Tathandlung verursachte Nachteil durch zugleich bzw. unmittelbar eintretende wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen wird (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379; Urteil vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 f.). Ein derartiger Vorteil ist allerdings nur dann als wirtschaftlich vollwertig und kompensationsfähig anzusehen, wenn seine Realisierung jederzeit ohne nennenswerte Schwierigkeiten, etwa ohne besonderen Zeit- und Kostenaufwand und ohne Mitwirkung des Schuldners, zu erwarten ist (vgl. LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 167 mwN). Deshalb kann letztlich offen bleiben, ob - wofür vieles spricht - mit dem Generalbundesanwalt anzunehmen ist, dass zivilrechtlich betrachtet aufgrund des kollusiven Zusammenwirkens des Angeklagten und C. ohnehin lediglich ein nicht in die Bewertung des Vermögensnachteils einzubeziehender Bereicherungsanspruch der CDU-Fraktion gegen C. , nicht aber ein Erstattungsanspruch der Fraktion gegen den CDU-Landesverband Rheinland-Pfalz entstand. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung brachte die Zahlung an C. für die CDU-Fraktion keinen den Verlust auch nur teilweise auf- wiegenden Vermögenszuwachs. Das Vorgehen des Angeklagten diente nach den Feststellungen des Landgerichts vielmehr gerade dazu, dem CDULandesverband Rheinland-Pfalz Leistungen zukommen zu lassen, die dieser selbst aufgrund seiner damals aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht - jedenfalls nicht ohne Weiteres - finanzieren konnte. Danach ist bereits fraglich, ob eine zivilrechtliche Forderung der Fraktion gegen die Partei - ihr Bestehen unterstellt - ausreichend werthaltig gewesen wäre. Maßgebend kommt hinzu, dass es von dem Angeklagten und den übrigen handelnden Personen gerade nicht intendiert war, den CDU-Landesverband Rheinland-Pfalz nach den Zahlungen durch die CDU-Fraktion in Anspruch zu nehmen und so das Vermögen der Fraktion wieder zu mehren; vielmehr sollte die Fraktion die Ansprüche von C. dauerhaft befriedigen, weil auf andere Weise die Leistungen der Agentur für den Landtagswahlkampf, auf die es der Angeklagte abgesehen hatte, nicht zu erlangen waren. Damit war das Vermögen der CDU-Fraktion auf Dauer in Höhe der geleisteten Zahlungen gemindert; die entsprechenden Gelder standen zur Erfüllung der Fraktionsaufgaben nicht mehr zur Verfügung.
43
Der Vermögensnachteil stellt hierbei ein selbständiges neben dem der Pflichtverletzung stehendes Tatbestandsmerkmal dar, das nicht in dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit aufgehen darf. Deswegen sind eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2452; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331; BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 StR 410/09, NStZ 2010, 329, 330; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. Rn. 112, 113 f. mwN).

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
43
Der Vermögensnachteil stellt hierbei ein selbständiges neben dem der Pflichtverletzung stehendes Tatbestandsmerkmal dar, das nicht in dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit aufgehen darf. Deswegen sind eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2452; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331; BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 StR 410/09, NStZ 2010, 329, 330; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. Rn. 112, 113 f. mwN).
62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
43
Der Vermögensnachteil stellt hierbei ein selbständiges neben dem der Pflichtverletzung stehendes Tatbestandsmerkmal dar, das nicht in dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit aufgehen darf. Deswegen sind eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2452; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331; BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 StR 410/09, NStZ 2010, 329, 330; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. Rn. 112, 113 f. mwN).

(1) Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Ferner sind Rückstellungen zu bilden für

1.
im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten, oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden,
2.
Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden.

(2) Für andere als die in Absatz 1 bezeichneten Zwecke dürfen Rückstellungen nicht gebildet werden. Rückstellungen dürfen nur aufgelöst werden, soweit der Grund hierfür entfallen ist.

13
Dass mit dem Eingehen eines Risikogeschäfts - mit einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr - ein unmittelbarer Wertverlust, eine Vermögenseinbuße einhergeht, liegt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf der Hand. Dieser Schaden ist auch benennbar. Das mit der Verfügung (hier: Zahlung des Anlagebetrags) eingegangene - aufgrund einer Täuschung und eines entsprechenden Irrtums überhöhte - Risiko und der dadurch verursachte Minderwert des im Synallagma Erlangten sind zu bewerten (vgl. Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 569 ff.), wie im Falle einer Einzelwertberichtigung (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl. § 253 Rdn. 21; zu IAS [International Accounting Standards] 39.58 ff. - Finanzinstrumente, Ansatz und Bewertung - vgl. Baumbach/Hopt aaO, Rdn. 42 f., sowie Lüdenbach in Haufe IAS/IFRS, 2. Aufl. § 2 Rdn. 81, Kehm/Lüdenbach in Haufe IAS/IFRS, 2. Aufl. § 28 Rdn. 120 ff.), bei der Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste (§ 249 HGB) oder auch beim Verkauf von Forderungen (vgl. auch Tiedemann in LK 6. Aufl. § 263 Rdn. 168 mit Hinweis auf die Institute des Bilanzrechts ; Goldschmidt/Weigel, Die Bewertung von Finanzinstrumenten bei Kreditinstituten in illiquiden Märkten nach IAS 39 und HGB, WPg 2009, 192 ff.). Dies ist kaufmännischer Alltag (nicht überzeugend deshalb Beulke/Witzigmann, JR 2008, 430, 433, wonach diese schon im Senatsbeschl. vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07 - [BGHR StGB § 266 I Nachteil 65] zur Untreue vertretene Auffassung nicht nur bei Wirtschaftswissenschaftlern auf Unverständnis stoße, sondern auch bei all denen Kopfschütteln auslöse, die in der Praxis mit der Vergabe von Krediten betraut sind).
49
Eine Vermögensbetreuungspflicht ist gegeben, wenn den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft, im Rahmen derer ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird, so dass er ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zugreifen kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 9. November 2016 – 5 StR 313/15, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 55 und vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschlüsse vom 1. April 2008 – 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f.; vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f. und vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, NJW 2016, 3253, jeweils mwN).
62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.