vorgehend
Landgericht Marburg, 4 O 47/17, 03.05.2018
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 15 U 96/18, 13.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 573/18
vom
15. Mai 2019
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Die im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur genügt seit
dem 1. Januar 2018 nicht mehr den Anforderungen des § 130 a ZPO (im Anschluss
an BSG Beschlüsse vom 20. März 2019 - B 1 KR 7/18 B - juris und
NJW 2018, 2222; BVerwG NVwZ 2018, 1880; BAG NJW 2018, 2978; Abgrenzung
zu BGHZ 197, 209 = NJW 2013, 2034).
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - XII ZB 573/18 - OLG Frankfurt am Main
LG Marburg
ECLI:DE:BGH:2019:150519BXIIZB573.18.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. November 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Wert: 48.450 €

Gründe:

A.

1
Die Klägerin ist die Vermieterin, die Beklagte die Mieterin von Gewerberäumen. Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung rückständiger Miete und von Nebenkosten in Höhe von insgesamt 48.449,59 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Mit der Beklagten am 18. Mai 2018 zugestelltem Urteil hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
2
Hiergegen hat die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten mit einem am 18. Juni 2018 um 11.36 Uhr an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (im Folgenden: EGVP) übermittelten elektronischen Dokument vom selben Tag Berufung eingelegt. Die dabei verwendete qualifizierte elektronische Signatur (im Folgenden: qeS) bezieht sich nach dem Transfervermerk nicht auf dieses elektronische Dokument selbst, sondern auf den Nachrichtencontainer (sog. Container-Signatur) mit den Inhaltsdaten "nach- richt.xml, nachricht.xsl, visitenkarte.xml, visitenkarte.xsl, herstellerinformation.xml" und zwei Anhängen jeweils im PDF-Format, bei denen es sich um den Berufungsschriftsatz sowie einen Scan des angefochtenen Urteils handelt. Im Anschluss an einen nach Eingang der Berufungsbegründung erteilten Hinweis des Oberlandesgerichts zu Bedenken gegen die Zulässigkeit einer ContainerSignatur hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Berufungsfrist beantragt und nochmals erklärt, Berufung einzulegen.
3
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

B.

4
Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I.

5
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
6
Die Berufung sei nicht binnen der Notfrist von einem Monat eingelegt worden, weil der Berufungsschriftsatz nicht die vorgeschriebene Form wahre. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe ihn weder eigenhändig unterschrieben noch die Unterschrift wirksam durch Einhaltung des Verfahrens nach § 130 a ZPO in Verbindung mit der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ersetzt. Die verwendete qualifizierte Container-Signatur sei vielmehr seit dem 1. Januar 2018 nicht mehr zulässig.
7
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei der Beklagten zu versagen , weil sie die Berufungsfrist durch ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten , das ihrem Verschulden gleichstehe, versäumt habe. Dieser habe seine früher geübte Praxis fortgesetzt und sich dabei in einem nicht entschuldigten Rechtsirrtum befunden. Da der Berufungsschriftsatz erst am Tag des Fristablaufs auf dem Server des Empfangsgerichts eingegangen sei, habe das Oberlandesgericht auch im Rahmen seiner Fürsorgepflicht im ordentlichen Geschäftsgang nicht mehr rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist auf den Formmangel hinweisen können, so dass sich das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausgewirkt habe.

II.

8
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
9
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Beklagte nicht innerhalb der am 18. Juni 2018 abgelaufenen einmonatigen Berufungsfrist formgerecht Berufung eingelegt hat.
10
a) Nach § 519 Abs. 1 ZPO ist die Berufung binnen der gemäß § 517 ZPO mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils beginnenden einmonatigen Berufungsfrist mittels Berufungsschrift einzulegen. Als bestimmender Schriftsatz muss sie gemäß §§ 519 Abs. 4, 130 Nr. 6, 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich durch einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein (vgl. BGH Beschluss vom 10. April 2018 - VIII ZB 35/17 - juris Rn. 13 mwN; Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 120/06 - FamRZ 2008, 1243 Rn. 7).
11
Die Berufungsschrift kann nach § 130 a ZPO auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Dieses elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen (§ 130 a Abs. 2 ZPO). Diese sind geregelt in der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Be- hördenpostfach vom 24. November 2017 (Elektronischer-RechtsverkehrVerordnung - ERVV, BGBl. I S. 3803; geändert durch Verordnung vom 9. Februar 2018, BGBl. I S. 200), die nach § 10 Abs. 1 ERVV zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Das elektronische Dokument muss zudem mit einer qeS der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO). Ein mit einer qeS versehenesDokument darf lediglich auf einem sicheren Übermittlungsweg oder an das EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 ERVV). Mehrere elektronische Dokumente dürfen hingegen nicht mit einer gemeinsamen qeS übermittelt werden (§ 4 Abs. 2 ERVV).
12
b) Diesen rechtlichen Vorgaben wird die am 18. Juni 2018 beim Oberlandesgericht eingegangene Berufungsschrift der Beklagten nicht gerecht, weil die nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von §§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO, 4 Abs. 1 Nr. 1 ERVV, sondern an das EGVP übermittelte Berufungsschrift nicht mit der erforderlichen qeS versehen ist. Die sog. ContainerSignatur , die sich auf den mehrere Dateien umfassenden Nachrichtencontainer bezieht und in der Papierwelt einer Unterschrift auf der Rückseite eines verschlossenen Briefumschlags entspricht (vgl. Bacher NJW 2015, 2753, 2754), ist nicht ausreichend.
13
aa) Allerdings hat der Bundesgerichtshof für die vor dem 1. Januar 2018 geltende Rechtslage entschieden, dass die im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur den Anforderungen des § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO aF, wonach die verantwortende Person das Dokument mit einer qeS versehen sollte, genügte. Denn mit ihr würden Sinn und Zweck der qualifizierten Signatur - die Sicherstellung von Authentizität und Integrität des Dokuments - erreicht. Die qualifizierte Container-Signatur sei dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur die jeweils übersandte Einzeldatei, sondern die gesamte elektronische Nachricht umfasse, mit der die Datei an das Gericht übermittelt werde.
Ebenso wie die Einzelsignatur stelle sie sicher, dass die Nachricht auf dem Weg vom Sender zum Empfänger nicht manipuliert worden sei, und ermögliche die Feststellung, ob der Inhalt der übersandten Dateien verändert worden sei. Darüber hinaus biete die qualifizierte Container-Signatur eine der Einzelsignatur vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen des Verfassers, die übersandten Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen (BGHZ 197, 209 = NJW 2013, 2034 Rn. 10 mwN).
14
bb) Für die seit dem 1. Januar 2018 geltende Rechtslage kann diese Rechtsprechung jedoch keine Geltung mehr beanspruchen. Wegen der in §§ 130 a Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 ZPO, 4 Abs. 2 ERVV getroffenen Regelung ist eine Container-Signatur nicht mehr zulässig.
15
(1) Durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) ist § 130 a ZPO mit Wirkung vom 1. Januar 2018 vollständig neu gefasst und durch die ElektronischerRechtsverkehr -Verordnung ergänzt worden. Die Sollvorschrift des § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO aF zur qeS ist durch die Muss-Bestimmung in § 130 a Abs. 3 ZPO ersetzt worden. § 4 Abs. 2 ERVV untersagt nun die Übermittlung mehrerer elektronischer Dokumente mit einer gemeinsamen qeS.
16
(2) Die Reichweite des § 4 Abs. 2 ERVV ist streitig. Teilweise wird vertreten , die Vorschrift sei einschränkend auszulegen. Bei verfassungskonformem Verständnis erfasse sie nicht mehrere elektronische Dokumente, die sämtlich ein Verfahren betreffen und bei nicht elektronisch geführten Akten mit dem Ergebnis der Signaturprüfung auf Papier ausgedruckt werden (vgl. OLG Brandenburg NJW 2018, 1482, 1483 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen Zwischenurteil vom 10. Oktober 2018 - L 2 R 117/18 - juris Rn. 30 ff.; Spitz jurisPR-ITR 21/2018 Anm. 6). Demgegenüber versteht die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Regelung als generelles Verbot der Container- Signatur (vgl. BSG Beschlüsse vom 20. März 2019 - B 1 KR 7/18 B - juris Rn. 5 f. und NJW 2018, 2222 Rn. 4 ff.; BVerwG NVwZ 2018, 1880 Rn. 6 ff.; BAG NJW 2018, 2978 Rn. 5 ff.; OLG Frankfurt NJW-RR 2018, 1456 f.; HessLAG Urteil vom 18. Oktober 2018 - 11 Sa 70/18 - juris Rn. 23; Bacher MDR 2019, 1, 6; Plum NJW 2018, 2224; Müller NVwZ 2018, 1882 f. und NJW 2018, 2979 f.; BeckOK ZPO/von Selle [Stand: 1. März 2019] § 130 a Rn. 15; Musielak /Voit/Stadler ZPO 16. Aufl. § 130 a Rn. 5; Saenger/Kießling ZPO 8. Aufl. § 130 a Rn. 18; Thomas/Putzo/ Seiler ZPO 40. Aufl. § 130 a Rn. 3; Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 130 a Rn. 8).
17
(3) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
18
(a) Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 ERVV untersagt nach ihrem Wortlaut die Verwendung einer qeS für mehrere elektronische Dokumente. Gemäß dem im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers sollte mit der Neuregelung die nach der bis dahin geltenden Rechtslage zulässige Möglichkeit, mehrere elektronische Dokumente mit einer Container-Signatur zu versehen, ausgeschlossen werden. Andernfalls wäre nach Ansicht des Gesetzgebers eine Überprüfung der Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente im weiteren Verfahren vor allem für den Prozessgegner oder andere Verfahrensbeteiligte regelmäßig nicht mehr möglich, weil nach der Trennung der elektronischen Dokumente die "Container-Signatur" nicht mehr überprüft werden könne. Insbesondere bei mehrere Verfahren betreffenden elektronischen Dokumenten werde eine solche Prüfung im Zuge der (geplanten) verbindlichen Einführung der elektronischen Akte auch für Gerichtspersonen unmöglich (vgl. BR-Drucks. 645/17 S. 15).
19
Für das von der Rechtsbeschwerde vertretene Normverständnis, das Verbot beziehe sich nur auf die Versendung mehrerer für sich genommen formbedürftiger Dokumente und nicht (wie hier) auf die eines einzigen formbedürfti- gen Schriftsatzes nebst Anlage, findet sich weder im - nicht nach der Art der elektronischen Dokumente differenzierenden - Wortlaut noch im gesetzgeberischen Willen ein Anhaltspunkt. Der Ausschluss der Container-Signatur schafft vielmehr die von der Aktenführung - in Papierform und/oder elektronisch - unabhängige rechtliche Grundlage, um für die gesamte Verfahrensdauer und alle Akteure nachprüfbar sicherzustellen, dass das Dokument mit einem nach Eingang bei Gericht unveränderbaren Inhalt einer bestimmten verantwortenden Person zuzuordnen ist (vgl. auch BSG Beschluss vom 20. März 2019 - B 1 KR 7/18 B - juris Rn. 6). Dies lässt sich durch eine Container-Signatur nicht gewährleisten, weil nur das Dokument, nicht jedoch der Container mit Sicherheit zur elektronischen Akte gelangt und die lediglich an dem Container angebrachte Signatur mithin verloren gehen kann (vgl. Siegmund NJW 2017, 3134, 3135). Insoweit verhält es sich nicht anders als bei einer nicht unterschriebenen Berufungsbegründungsschrift, die in den Gerichtsbriefkasten in einem verschlossenen - aber nicht zur Akte genommenen - Briefumschlag eingeworfen wird, der einen vom Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Vermerk trägt. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass ein solcher auf dem Umschlag aufgebrachter Vermerk die Unterschrift auf dem bestimmenden Schriftsatz nicht ersetzen kann (BGH Beschluss vom 27. März 1980 - VII ZB 1/80 - VersR 1980, 765).
20
(b) Dem mit der Regelung verfolgten Ziel der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (vgl. BSG Beschluss vom 20. März 2019 - B 1 KR 7/18 B - juris Rn. 6) würde es widersprechen, bei einer Aktenführung (auch) in Papierform entgegen dem Wortlaut der Norm eine mehrere elektronische Dokumente umfassende Container-Signatur ausreichen zu lassen. Der Absender elektronischer Dokumente wäre nämlich nur dann in die Lage versetzt, formunwirksame Übermittlungen zu vermeiden, wenn er Kenntnis von der Art der jeweiligen gerichtlichen Aktenführung hätte. Zudem würden auf diese Weise Absender elekt- ronischer Dokumente in Abhängigkeit davon ungleich behandelt, ob das empfangende Gericht elektronische oder (auch) Papier-Akten führt (vgl. BSG NJW 2018, 2222 Rn. 6). Im Übrigen würde die Befugnis des Gesetzgebers, Prozessordnungen so auszugestalten, dass sie neben dem Individualrechtsschutz zugleich auch der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit Rechnung tragen, in Frage gestellt, wenn Gerichte gestützt auf normtextlich nicht fixierte Motivlagen des Gesetzesgebers in eine jeweils einzelfallbezogene Prüfung der Anwendbarkeit von Rechtsnormen eintreten dürften. Rechtsnormen sind wegen ihres Rechtssatzcharakters typischerweise genereller Natur und erheben deshalb einen gerade einzelfallunabhängigen Geltungsanspruch (BVerwG NVwZ 2018, 1880 Rn. 8).
21
(c) Die Regelung beschränkt den Zugang zu Gericht auch nicht unzumutbar und ist mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Justizgewährungsanspruch vereinbar. Den Rechtssuchenden stehen zumutbare andere Übermittlungswege wie unter anderem der Versand des mit einer qeS versehenen elektronischen Dokuments an das EGVP zur Verfügung (vgl. BSG Beschluss vom 20. März 2019 - B 1 KR 7/18 B - juris Rn. 6; BAG NJW 2018, 2978 Rn. 7; BVerwG NVwZ 2018, 1880 Rn. 8).
22
c) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, gemäß § 130 a Abs. 6 Satz 2 ZPO sei selbst bei Annahme einer formunwirksamen Berufungseinlegung Heilung eingetreten. Dabei kann dahinstehen, ob diese Bestimmung bei einem Verstoß gegen § 4 Abs. 2 ERVV einschlägig ist (dies verneinend etwa BSG Beschluss vom 20. März 2019 - B 1 KR 7/18 B - juris Rn. 7 f.; BAG NJW 2018, 2978 Rn. 8 ff.). Denn die Beklagte hat das die Berufungseinlegung beinhaltende elektronische Dokument nicht mit einer qeS nachgereicht, sondern in ihrem Wiedereinsetzungsantrag und mithin durch ein neues Dokument erklärt, Berufung einzulegen. Hierfür gilt die Zugangsfiktion des § 130 a Abs. 6 Satz 2 ZPO nicht, weil die Vorschrift eng auszulegen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2019 - XII ZB 8/19 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
23
2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Berufungsfrist abgelehnt.
24
a) Die Fristversäumung war nicht unverschuldet im Sinne des § 233 ZPO, weil die Beklagte sich den Rechtsirrtum ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
25
Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist regelmäßig nicht unverschuldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die Partei, die dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist jedoch ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war (Senatsbeschluss vom 11. März 2015 - XII ZB 572/13 - FamRZ 2015, 1006 Rn. 34 mwN).
26
Der vorliegende Irrtum war nicht unvermeidbar in diesem Sinne. Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt, war bereits Ende 2017 über den bevorstehenden Ausschluss der Container-Signatur in der einschlägigen Fachliteratur berichtet worden (vgl. etwa Müller NJW 2017, 2713 f.; Siegmund NJW 2017, 3134, 3135). Dass ihr Prozessbevollmächtigter gleichwohl auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg (NJW 2018, 1482, 1483 ff. mit ablehnender , auf das anwaltliche Haftungsrisiko hinweisender Anmerkung von Müller) vertraut hätte, macht die Beklagte schon nicht geltend. Im Übrigen war diese Entscheidung mit Blick auf ihre vom Regelungswortlaut abweichende Auslegung sowie auf die damals bereits veröffentlichte Kommentarliteratur (vgl. etwa BeckOK ZPO/von Selle [Stand: 1. März 2018] § 130 a Rn. 15; Musielak/Voit/ Stadler ZPO 15. Aufl. [2018] § 130 a Rn. 5) nicht geeignet, ein Vertrauen des Rechtsanwalts darauf zu begründen, dass sich ihr auch andere Rechtsmittelgerichte anschließen würden.
27
Soweit sich die Beklagte ohne weitere Substanziierung und ohne Bezug zum hiesigen Berufungsgericht darauf beruft, ihr Prozessbevollmächtigter habe auch nach dem 1. Januar 2018 in einer Vielzahl von Verfahren mit Billigung sämtlicher damit befasster Gerichte Container-Signaturen verwendet, ist das nicht geeignet, ein Verschulden im Sinne des § 233 ZPO auszuräumen. Denn es ist damit nicht dargetan, dass die irrige Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten durch das Gericht veranlasst und so ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, der eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnte (vgl. dazu BGH Beschluss vom 26. März 1996 - VI ZB 1/96 und 2/96 - NJW 1996, 1900, 1901; BVerfG NJW 2004, 2887, 2888).
28
b) Ob das Oberlandesgericht im Rahmen seiner gerichtlichen Fürsorgepflicht die Beklagte im gewöhnlichen Geschäftsgang auf den Formmangel hätte hinweisen müssen und ein Verstoß gegen diese Hinweispflicht eine Wiedereinsetzung unabhängig vom Verschulden der Partei begründen könnte (vgl. BSG Beschlüsse vom 20. März 2019 - B 1 KR 7/18 B - juris Rn. 9 f. und NJW 2018, 2222 Rn. 10 f.), bedarf hier keiner Entscheidung. Da die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist eingelegt wurde, wäre die Fristversäumnis auch dann eingetreten, wenn das Oberlandesgericht den Formfehler im gewöhnlichen Geschäftsgang bemerkt und auf ihn hingewiesen hätte.
Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
LG Marburg, Entscheidung vom 03.05.2018 - 4 O 47/17 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 13.11.2018 - 15 U 96/18 -

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Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen;
1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist;
2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt;
3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse;
4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners;
5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel;
6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.

(1) Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:

1.
auf einem sicheren Übermittlungsweg oder
2.
an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht.

(2) Mehrere elektronische Dokumente dürfen nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

13
aa) Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers nach § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Berufungsschrift. Mit der Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsschrift von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst , aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (BGH, Beschlüsse vom 25. September 2012 - VIII ZB 22/12, aaO Rn. 9; vom 14. März 2017 - XI ZB 16/16, NJW-RR 2017, 760 Rn. 6; vom 13. Juni 2017 - XI ZB 25/16, juris Rn. 6; jeweils mwN).
7
aa) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen , dass die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen muss. Die Unterschrift ist grundsätzlich Wirksamkeitserfordernis. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Das letztgenannte Erfordernis soll sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst , aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (BGH Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - NJW 2005, 2086, 2088 m.w.N. - für einen Fall der fehlenden Unterzeichnung der Berufungsbegründung -).

(1) Natürliche Personen, juristische Personen sowie sonstige Vereinigungen können zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach verwenden,

1.
das auf dem Protokollstandard OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht,
2.
bei dem die Identität des Postfachinhabers festgestellt worden ist,
3.
bei dem der Postfachinhaber in ein sicheres elektronisches Verzeichnis eingetragen ist,
4.
bei dem sich der Postfachinhaber beim Versand eines elektronischen Dokuments authentisiert und
5.
bei dem feststellbar ist, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt wurde.

(2) Das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach muss

1.
über eine Suchfunktion verfügen, die es ermöglicht, Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, eines besonderen elektronischen Notarpostfachs oder eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs aufzufinden,
2.
für Inhaber besonderer elektronischer Anwaltspostfächer, besonderer elektronischer Notarpostfächer oder besonderer elektronischer Behördenpostfächer adressierbar sein und
3.
barrierefrei sein im Sinne der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung.

(3) Wird für eine rechtlich unselbständige Untergliederung einer juristischen Person oder sonstigen Vereinigung ein besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach eingerichtet, so muss der Postfachinhaber so bezeichnet sein, dass eine Verwechslung mit der übergeordneten Organisationseinheit ausgeschlossen ist.

(1) Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:

1.
auf einem sicheren Übermittlungsweg oder
2.
an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht.

(2) Mehrere elektronische Dokumente dürfen nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:

1.
auf einem sicheren Übermittlungsweg oder
2.
an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht.

(2) Mehrere elektronische Dokumente dürfen nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 8/19
vom
8. Mai 2019
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine im Original unterzeichnete Beschwerdebegründungsschrift, die eingescannt
und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt
wird, ist erst dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht, sobald bei
dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der den vollständigen
Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt (im Anschluss an Senatsbeschluss
vom 18. März 2015 - XII ZB 424/14 - FamRZ 2015, 919).

b) Die zur Übersendung einer Telekopie ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
, dass eine einzuhaltende Frist bereits durch den vollständigen
Empfang der gesendeten Signale vom Telefax des Gerichts gewahrt ist,
kann nicht auf die Übermittlung einer E-Mail mit einem eingescannten
Schriftsatz, die die Voraussetzungen für ein elektronisches Dokument nach
§ 130 a ZPO nicht erfüllt, übertragen werden.
BGH, Beschluss vom 8. Mai 2019 - XII ZB 8/19 - OLG Oldenburg
AG Cloppenburg
ECLI:DE:BGH:2019:080519BXIIZB8.19.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. Dezember 2018 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen. Beschwerdewert: 2.950 €

Gründe:

I.

1
Der Antragsgegner wendet sich dagegen, dass das Oberlandesgericht seine Beschwerde in einer Trennungsunterhaltssache wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verworfen hat.
2
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner fristgerecht Beschwerde eingelegt. Am Tage des Ablaufs der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist (1. Oktober 2018) hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners zwischen 18:59 Uhr und 19:24 Uhr mehrfach erfolglos versucht, den Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 1. Oktober 2018 per Fax beim Oberlandesgericht einzureichen. Anschließend hat er die vollständige und von ihm unterzeichnete Beschwerdebegründung als PDF-Datei per E-Mail an das Oberlandesgericht gesendet, wo sie um 19:21 Uhr in der elektronischen Poststelle eingegangen ist. Am 2. Oktober 2018 um 9:17 Uhr ist die E-Mail an die Serviceeinheiten des Oberlandesgerichts elektronisch weitergeleitet worden. Am 22. Oktober 2018 sind die E-Mail und die angefügte PDF-Datei auf Anweisung der Berichterstatterin ausgedruckt und zur Verfahrensakte genommen worden.
3
Nachdem das Oberlandesgericht den Antragsgegner mit Beschluss vom 24. Oktober 2018 darauf hingewiesen hatte, dass die Beschwerdebegründung erst am 2. Oktober 2018 und damit nach Ablauf der Begründungsfrist an die Geschäftsstelle weitergeleitet worden sei, hat es mit Beschluss vom 3. Dezember 2018 die Beschwerde verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung, weil die maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt sind. Der Antragsgegner vermag auch nicht aufzuzeigen, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.
6
1. Das Oberlandesgericht hat unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 24. Oktober 2018 zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , die Beschwerde sei unzulässig, weil der Eingang der E-Mail vom 1. Okto- ber 2018 mit der beigefügten PDF-Datei in elektronischer Form das Schriftformerfordernis nicht erfülle. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei eine Rechtsmittelbegründung erst dann in schriftlicher Form eingereicht, wenn dem Rechtsmittelgericht ein Ausdruck der als Anhang zu einer elektronischen Nachricht übermittelten Rechtsmittelbegründung vorliege. Im vorliegenden Fall sei die maßgebliche PDF-Datei zwar am 1. Oktober 2018 in der elektronischen Poststelle des Oberlandesgerichts eingegangen. Diese sei aber ausdrücklich nicht für den Empfang von fristwahrenden Schriftstücken eröffnet. Darauf werde auf der Internetseite des Oberlandesgerichts ausdrücklich hingewiesen. Schriftstücke in Rechtssachen könnten elektronisch nur unter den Voraussetzungen des § 130 a Abs. 2 bis 4 ZPO an die auf der Webseite des Oberlandesgerichts hierfür bestimmte Anschrift fristwahrend eingereicht werden. Dieser Möglichkeit habe sich der Antragsgegner jedoch nicht bedient. Die Beschwerdebegründung sei daher erst mit ihrem Ausdruck am 22. Oktober 2018 und damit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist beim Oberlandesgericht eingegangen.
7
2. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zu Recht hat das Oberlandesgericht die Beschwerde gemäß §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Antragsgegner diese entgegen § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG nicht rechtzeitig begründet hat. Die verlängerte Beschwerdebegründungsfrist ist mit dem 1. Oktober 2018 abgelaufen. Die an diesem Tag per E-Mail übermittelte Beschwerdebegründung ist jedoch erst mit der Erstellung eines Ausdrucks am 22. Oktober 2018 und damit verspätet beim Oberlandesgericht eingegangen.
8
a) Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht angenommen, dass die vom Antragsgegner übermittelte E-Mail mit der als PDF-Datei beigefügten Be- schwerdebegründung nicht den Anforderungen an ein elektronisches Dokument i.S.v. § 130 a Abs. 1 ZPO gerecht wird und der Schriftsatz deshalb nicht nach § 130 a Abs. 5 Satz 1 ZPO bereits mit der Speicherung in dem E-Mail-Postfach des Oberlandesgerichts als bei Gericht eingegangen gilt.
9
aa) Grundsätzlich können nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m § 130 a Abs. 1 ZPO in Familienstreitsachen die Beteiligten Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Dies gilt auch für die nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Beschwerdebegründung. Formgerecht eingereicht ist ein elektronisches Dokument jedoch nur, wenn es die in § 130 a Abs. 2 bis 4 ZPO aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Danach muss das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein (§ 130 a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Anstelle der vom Urheber unterzeichneten Urkunde muss das elektronische Dokument entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sein (§ 130 a Abs. 3 ZPO). Bei der qualifizierten elektronischen Signatur handelt es sich um eine elektronische Signatur nach § 2 Nr. 1 Signaturgesetz (SigG), die zusätzlich die Voraussetzungen der fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 2 SigG erfüllen und weiter auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt worden sein muss (BGHZ 184, 75 = NJW 2010, 2134 Rn. 12 ff.; BGHZ 197, 209 = NJW 2013, 2034 Rn. 9). Die sicheren Übermittlungswege, die für die Versendung eines elektronischen Dokuments genutzt werden können, das nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, werden in § 130 a Abs. 4 ZPO definiert. Nur wenn ein elektronisches Dokument diese Anforderungen erfüllt, ist es nach § 130 a Abs. 5 Satz 1 ZPO bei Gericht eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist.
10
bb) Danach hat das Oberlandesgericht zu Recht angenommen, dass diese Anforderungen an ein elektronisches Dokument im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Die vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners eingereichte E-Mail war weder mit der nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 130 a Abs. 3 ZPO erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur versehen noch wurde sie auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 130 a Abs. 4 ZPO an das Oberlandesgericht geschickt. Das Oberlandesgericht verfügt zwar über ein elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach und ist auch über Demail erreichbar. Diese Kommunikationswege hat der Antragsgegner jedoch nicht benutzt. Die E-Mail mit der beigefügten Beschwerdebegründung wurde vielmehr an die E-Mail-Adresse des Oberlandesgerichts geschickt, die ausschließlich für Verwaltungsangelegenheiten eingerichtet ist.
11
b) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Begründungsfrist sei gleichwohl bereits durch die Speicherung der Beschwerdebegründung in das elektronische System des Oberlandesgerichts gewahrt, kann sie damit nicht durchdringen.
12
aa) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bereits geklärt, dass eine im Original unterzeichnete Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift , die eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird, dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht ist, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt. Denn erst der Ausdruck erfüllt die Schriftform, weil durch ihn die Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift in einem Schriftstück verkörpert wird und dieses mit der Unterschrift des Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten abgeschlossen wird. Dass die Unterschrift nur in Kopie wiedergegeben ist, ist entsprechend § 130 Nr. 6 Alt. 2 ZPO unschädlich, weil der im Original unterzeichnete Schrift- satz elektronisch übermittelt und von der Geschäftsstelle entgegengenommen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2015 - XII ZB 424/14 - FamRZ 2015, 919 Rn. 10; BGH Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649 Rn. 13).
13
bb) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Oberlandesgericht zu Recht angenommen, dass die als PDF-Datei übermittelte Beschwerdebegründung noch nicht mit der Speicherung im elektronischen Postfach des Oberlandesgerichts am 1. Oktober 2018 in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht war, sondern erst als die Beschwerdebegründung in ausgedruckter Form dem Gericht vorlag.
14
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lässt sich ein anderes Ergebnis auch nicht unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Übermittlung einer Rechtsmittelschrift per Telefax herleiten. Danach kommt es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes zwar allein darauf an, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) worden sind (BGHZ 167, 214 = FamRZ 2006, 1193, 1194). Diese Rechtsprechung kann jedoch auf die Übermittlung einer E-Mail mit einem eingescannten Schriftsatz, die die Voraussetzungen für ein elektronisches Dokument nach § 130 a ZPO nicht erfüllt, nicht übertragen werden.
15
(1) Telekopien werden von der Zivilprozessordnung als schriftliche Dokumente eingeordnet. Das folgt einerseits aus der Vorschrift des § 130 Nr. 6 ZPO, der für Telekopien die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie vorschreibt und andererseits aus § 174 Abs. 2 bis 4 ZPO, wo zwischen der Zustellung eines Schriftstücks durch Telekopie einerseits, eines elektronischen Dokuments andererseits unterschieden wird. Das Telefax dient allein der Übermittlung eines vorhandenen Dokuments, welches beim Empfänger erneut in schriftlicher Form vorliegen soll. Deshalb tritt bei diesem Übermittlungsweg die elektronische Speicherung für sich genommen nicht an die Stelle der Schriftform, sondern ist nur ein Durchgangsstadium; das Gericht kann erst dann von einem gefaxten Schriftsatz Kenntnis nehmen, wenn er ausgedruckt vorliegt (vgl. BGHZ 167, 214 = FamRZ 2006, 1193, 1194; BGH Beschluss vom 4. Dezember 2008 - IX ZB 41/08 - FamRZ 2009, 319 Rn. 8 mwN). Dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine einzuhaltende Frist trotzdem bereits durch den vollständigen Empfang der gesendeten Signale vom Telefax des Gerichts gewahrt ist, beruht auf der Erwägung, dass der Empfänger keinen Einfluss darauf hat, wann der Ausdruck erfolgt und die Gerichte zum Teil dazu übergegangen sind, außerhalb der Dienstzeiten eingehende Faxsendungen erst am nächsten Arbeitstag auszudrucken (vgl. BGHZ 167, 214 = FamRZ 2006, 1193, 1194; BGH Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649 Rn. 11).
16
(2) Demgegenüber besteht eine E-Mail sowie eine ihr beigefügte PDFDatei allein aus der in einer elektronischen Datei enthaltenen Datenfolge (vgl. BGH Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649 Rn. 10) und fällt daher in den Anwendungsbereich des § 130 a ZPO. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Einhaltung der Schriftform bei der Übersendung von elektronischen Dokumenten, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, abschließend geregelt. Ein Rückgriff auf Rechtsprechungsgrundsätze, die entwickelt wurden, um bei Nutzung technischer Übermittlungsformen wie Telefax oder Computerfax die Einhaltung der Schriftform begründen zu können, kommt daher zur Heilung von Mängeln der elektronischen Übermittlung grundsätzlich nicht in Betracht (BSG NJW 2017, 1197 Rn. 16). Das folgt auch aus den Regelungen in § 130 a Abs. 5 und 6 ZPO.
In Absatz 5 der Vorschrift hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Zeitpunkt des Eingangs einer Telekopie aufgegriffen und bestimmt, dass ein elektronisches Dokument dann eingegangen ist, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Die Vorschrift setzt jedoch voraus, dass das elektronisch übermittelte Dokument die formalen Anforderungen an ein elektronisches Dokument nach § 130 a Abs. 3 und 4 ZPO erfüllt. Auch die Zustellungsfiktion des § 130 a Abs. 6 Satz 2 ZPO gilt nur für elektronische Dokumente, die die Formvorschriften des § 130 a Abs. 3 und 4 ZPO einhalten. Deshalb gilt die Zustellungsfiktion bei der Übersendung eines eingescannten Schriftsatzes per E-Mail nicht, weil die Vorschrift eng auszulegen ist (Musielak/Voit/Stadler ZPO 16. Aufl. § 130 a Rn. 11; BTDrucks. 17/12634 S. 27).
17
(3) Wird ein elektronisches Dokument - wie hier - weder qualifiziert elektronisch signiert noch auf einem sicheren Ü bermittlungsweg eingereicht, ist die nach § 130 a ZPO erforderliche prozessuale Form nicht gewahrt. Ein solches Dokument ist deshalb, sofern die Verfahrensordnung Schriftform voraussetzt, nicht wirksam eingereicht (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 25; BGHZ 184, 75 = NJW 2010, 2134 Rn. 15 ff.). Für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokuments kann in diesem Fall daher nicht auf den Zeitpunkt der Speicherung im elektronischen System des Gerichts abgestellt werden. Eine von der Verfahrensordnung geforderte Schriftform erhält das Dokument damit erst, sobald es ausgedruckt dem Gericht vorliegt. Dass der Verfahrensbeteiligte, der das elektronische Dokument eingereicht hat, keinen Einfluss darauf hat, wann der Ausdruck erfolgt, erfordert keine andere Beurteilung. Denn er hat sich einer Übermittlungsform bedient, die weder die Voraussetzungen für vorbereitende Schriftsätze nach § 130 ZPO noch die eines elektronischen Dokuments nach § 130 a ZPO erfüllt. Dose Klinkhammer Günter Botur Krüger
Vorinstanzen:
AG Cloppenburg, Entscheidung vom 12.06.2018 - 11 F 24/18 UE -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 03.12.2018 - 4 UF 100/18 -

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

34
Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist allerdings regelmäßig nicht unverschuldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbe- vollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die Partei, die dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, vertraut zu Recht darauf, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt (Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 19 mwN). Ein Rechtsirrtum ist jedoch ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war (Senatsbeschluss vom 5. März 2014 - XII ZB 220/11 - FamRZ 2014, 826 Rn. 11).

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.