Bundesfinanzhof Urteil, 10. März 2016 - III R 2/15

bei uns veröffentlicht am10.03.2016

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Mai 2014  1 K 1556/13 dahin geändert, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.

Die Revision der Kläger wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger, Revisionsbeklagten und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger betreibt zusammen mit seinem Bruder die Firma ... OHG (OHG), deren Gesellschaftszweck der Betrieb eines Handelsgewerbes im Bereich der Güterbeförderung im Straßenverkehr ist. Außerdem erzielt der Kläger als Schiffsführer Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

2

Im Rahmen einer für die Jahre 2001 bis 2003 durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass sehr hohe Einlagen in das Betriebsvermögen der OHG geleistet wurden, welche den Gesellschaftern jeweils zu gleichen Teilen gutgeschrieben wurden. Eine Steuerfahndungsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass als einzig mögliche Geldquelle für die ungeklärten Bareinlagen die gewerbliche Schiffsführertätigkeit des Klägers in Betracht komme. Daraufhin erließ der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Jahre 2008 entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005.

3

Dagegen legten die Kläger am 9. September 2008 zunächst ohne Begründung Einspruch ein. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 gaben sie zur Herkunft der ungeklärten Einlagen Spielbankgewinne im Ausland, einen Lottogewinn, Geschenke und die Veräußerung von Privatvermögen an. Im Mai und Juni 2010 änderten sie ihren Vortrag. In einem am 11. Mai 2010 durchgeführten Gespräch an Amtsstelle wiesen die Kläger auf Doppelbuchungen und weitere bisher nicht vorgetragene Möglichkeiten für die ungeklärten Einlagen hin, die mit mehreren Schreiben im Juni 2010 zusammengefasst und anhand von Buchungsunterlagen und Kontoauszügen belegt wurden. Dies führte dazu, dass das FA in den Einspruchsentscheidungen vom 10. Januar 2011 den Einsprüchen teilweise stattgab.

4

Während des Rechtsbehelfsverfahrens hatten die Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2008, 27. Oktober 2008 und 15. Februar 2011 beim FA Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) gestellt, die das FA ablehnte.

5

Aufgrund der Vollstreckungsrückstände nahm das FA bereits seit 2008 diverse Pfändungen vor, die jedoch nach einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem FA am 25. November 2008 überwiegend nicht verwertet wurden, um den Klägern Gelegenheit zu geben, Rechtsbehelfe einzulegen bzw. zu begründen.

6

Die gegen die Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2011 erhobene Klage wegen Einkommensteuer 2002 bis 2005 wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem sich die Kläger und das FA dahin verständigt hatten, dass die in der Einspruchsentscheidung angesetzten zusätzlichen Gewinne nur zur Hälfte dem Einzelunternehmen des Klägers, im Übrigen aber dem Bruder des Klägers als Sonderbetriebseinnahmen im Rahmen der Mitunternehmerschaft zuzurechnen seien. Den noch beim Finanzgericht (FG) anhängigen Anträgen auf AdV trug das FA insoweit Rechnung, als es rückwirkend ab Antragstellung beim FA --15. Februar 2011-- die AdV im Rahmen der Änderungen gewährte.

7

Mit mehreren Schreiben vom 5. April 2012 beantragten die Kläger insgesamt Säumniszuschläge in Höhe von 125.515,50 € für die Jahre 1998 bis 2005 sowie für die angepassten Vorauszahlungsbeträge 2007 und 2008 gemäß § 227 der Abgabenordnung (AO) zu erlassen. Mit Bescheid vom 9. November 2012 erließ das FA die Säumniszuschläge zur Hälfte, soweit die Kläger in der Hauptsache Erfolg gehabt hatten. Die danach zu erlassenen Säumniszuschläge ermittelte es mit 32.059,83 €. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab.

8

Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Nachdem das FA die Kläger auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen hatte, hob es mit Einspruchsentscheidung vom 10. April 2013 den bisher gewährten Teilerlass auf. Zur Begründung führte es u.a. aus, dass die Kläger erstmals in diversen Schreiben vom Juni 2010 zur Mittelherkunft einzelner Hinzuschätzungsbeträge Stellung genommen hätten. Nach eingehender Überprüfung sei dem Sachvortrag teilweise stattgegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Antrag auf AdV nicht mehr gestellt gewesen.

9

Gegen die Einspruchsentscheidung erhoben die Kläger Klage. Sie begehrten die Aufhebung des Bescheids vom 9. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2013 und die Verpflichtung des FA, die Höhe der zu erlassenden Säumniszuschläge neu zu bestimmen. Zur Begründung trugen sie vor, sie hätten gegen die zugrunde liegenden Steuerfestsetzungen rechtzeitig Einspruch eingelegt und AdV beantragt. Schon während des Gesprächs im Mai 2011 habe ihr Bevollmächtigter vorgetragen, dass ein Betrag von 100.000 € bis 150.000 € unstreitig sei, und angeboten, die gepfändeten Geldguthaben bei der Bausparkasse und die Pfandbriefe bei der Bank zur Tilgung zu verwenden. Das FA hätte auf diesen Vorschlag nicht reagiert. Darüber hinaus habe der Bevollmächtige am 29. Mai 2010 für jedes einzelne Jahr zwischen 30 und 35 Geschäftsvorfälle nachweisen können, in denen in buchungstechnisch unkorrekter Weise zusätzliche Gewinnerhöhungen in Steuerbescheiden enthalten gewesen seien. Doppelbuchungen und die Verwechslung von Soll und Haben durch zwei Betriebsprüfer hätten ernstliche rechtliche Zweifel an den Steuerbescheiden begründet. Zudem seien ihnen sämtliche Geldmittel durch die Pfändungen entzogen worden.

10

Das FG erachtete die Klage nur hinsichtlich der Aufhebung des Teilerlasses als begründet. Diese richte sich nach den §§ 130, 131 AO, wobei im Streitfall allein § 130 AO einschlägig sei. Dessen Voraussetzungen seien allerdings nicht gegeben. Im Übrigen habe das FA mit der Entscheidung, über den gewährten Teilerlass hinaus den Erlass abzulehnen, nicht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten und ermessensgerecht gehandelt.

11

Gegen dieses Urteil wenden sich das FA und die Kläger mit der Revision.

12

Das FA macht mit seiner Revision geltend, im Einspruchsverfahren sei auch eine Verböserung des angefochtenen Verwaltungsakts zulässig. Bei einem Teilerlass und der Ablehnung im Übrigen handele es sich um einen einheitlichen Verwaltungsakt. Erst die Bestandskraft des Erlasses führe zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. In der Sache bestehe auch auf einen Teilerlass kein Anspruch, weil die Kläger nicht alles getan hätten, um eine AdV zu erreichen.

13

Die Kläger begründen ihre Revision damit, dass schon ein Teil der Säumniszuschläge nicht entstanden sei, weil aufgrund des Gesprächs am 25. November 2008 eine stillschweigende Stundung oder AdV gewährt worden sei, so dass allenfalls Stundungs- oder Aussetzungszinsen angefallen seien. Zur Klärung der genauen Höhe der Beträge sei ein Abrechnungsbescheid beantragt worden.

14

Darüber hinaus habe das FG nicht beachtet, dass Säumniszuschläge für den Zeitraum zwischen der Vorlage der Ausarbeitungen des Steuerberaters im Mai 2010, die zu einer erheblichen Herabsetzung der Steuerfestsetzungen im Januar 2011 geführt hätten, und der tatsächlich gewährten AdV ab 15. Februar 2011 entstanden seien. Zumindest mit den Schreiben Mai/Juni 2010 hätten sie alles getan, was von ihnen habe verlangt werden können. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass die ursprünglichen Steuerfestsetzungen auch auf fehlerhaften Ermittlungen des FA beruht hätten.

15

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung und die Entscheidung des FA vom 9. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2013 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Höhe der zu erlassenden Säumniszuschläge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bestimmen und die Revision des FA zurückzuweisen.

16

Das FA beantragt, die Revision der Kläger zurückzuweisen, die Vorentscheidung, soweit sie dem klägerischen Begehren entsprochen hat, aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Änderung der Vorentscheidung des FG und zur Klageabweisung in vollem Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

18

1. Der Senat kann über den beantragten Billigkeitserlass unabhängig von dem von den Klägern beantragten Abrechnungsbescheid über die Säumniszuschläge entscheiden. Denn das Billigkeitsverfahren nach § 227 AO und das Abrechnungsverfahren nach § 218 AO stehen selbständig nebeneinander (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. April 2003 XI B 175/02, BFH/NV 2003, 1393, und vom 31. Juli 2007 VIII B 42/05, BFH/NV 2007, 2305). Deshalb muss das Billigkeitsverfahren auch nicht ausgesetzt werden, wenn geltend gemacht wird, Säumniszuschläge seien aus anderen Gründen bereits nicht entstanden (BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 V R 42/08, BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955, Rz 28).

19

2. Das FG hat zu Unrecht eine Änderungsmöglichkeit des mit Bescheid vom 9. November 2012 ausgesprochenen Teilerlasses verneint. Das FA war nach § 367 Abs. 2 AO verfahrensrechtlich berechtigt, in der Einspruchsentscheidung den zuvor gewährten Teilerlass aufzuheben.

20

Gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren den Verwaltungsakt "in vollem Umfang erneut zu prüfen". Sie kann nach Abs. 2 Satz 2 dieser Vorschrift den Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers ändern, wenn dieser zuvor auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu äußern. Die Finanzbehörde kann dann im Einspruchsverfahren ebenso entscheiden, als ob sie die Sache erstmals in einem Verwaltungsakt regelt.

21

Dies gilt auch für die nach § 227 AO zu treffende Ermessensentscheidung, die ebenfalls vom Anwendungsbereich des § 367 Abs. 2 AO erfasst wird (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2015 V R 2/15, Deutsches Steuerrecht 2015, 2382, Rz 15; BFH-Beschluss vom 19. November 2007 VIII B 30/07, BFH/NV 2008, 335). Die Rechtsbehelfsstelle hat eine eigenständige Entscheidung aufgrund der sich im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage zu treffen. Sie kann daher auch geänderte Erwägungen anstellen und eine Entscheidung zum Nachteil des Einspruchsführers korrigieren, wenn sie die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des Verböserungshinweises einhält. Die Finanzbehörde verbraucht mithin durch die Gewährung eines Teilerlasses, sofern dieser mit dem Einspruch angefochten wird, das ihr in § 367 Abs. 2 Satz 2 AO eingeräumte Recht der Selbstkontrolle nicht. Ein Teilabhilfebescheid hindert daher die Verböserung nicht (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 2006 XI R 51/05, BFHE 214, 83, BStBl II 2007, 83; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 367 AO Rz 22).

22

Der umfassenden Überprüfungsmöglichkeit nach § 367 Abs. 2 AO steht die Rücknahmevorschrift des § 130 AO nicht entgegen. Zwar gilt § 130 AO gemäß § 132 Satz 1 AO auch während des Einspruchsverfahrens. Der zulässig eingelegte Einspruch gegen einen Verwaltungsakt hindert jedoch den Eintritt der formellen bzw. materiellen Bestandskraft. Damit wird die Behörde verpflichtet, über den durch den angefochtenen Verwaltungsakt erfassten Lebenssachverhalt vollumfänglich erneut zu entscheiden (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO). Mangels Bestandskraft des Verwaltungsakts ist die Behörde damit nicht an die Voraussetzungen der allgemeinen Korrekturvorschriften, wie z.B. §§ 130 f., 172 ff. AO, gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2010 II R 38/08, BFH/NV 2010, 1236, Rz 21; Wernsmann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 132 AO Rz 16; Cöster in Koenig, 3. Aufl., § 367 AO Rz 22; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 132 AO Rz 1).

23

Das vom FG angeführte BFH-Urteil vom 5. Februar 1975 I R 85/72 (BFHE 115, 173, BStBl II 1975, 677) betrifft hingegen den Widerruf eines bestandskräftig gewährten Erlasses.

24

Da das FA die Kläger in Übereinstimmung mit § 367 Abs. 2 Satz 2 AO auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihnen Gelegenheit gegeben hat, sich zu äußern, war die Möglichkeit einer (auch negativen) Änderung nach § 367 Abs. 2 AO eröffnet.

25

3. Die Revision der Kläger ist unbegründet. Die Entscheidung des FA, keine Säumniszuschläge zu erlassen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

26

a) Entgegen der Ansicht der Kläger ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Frage, ob den verschiedenen Anträgen der Kläger auf Stundung oder AdV hätte entsprochen werden müssen, was zur Folge gehabt hätte, dass Säumniszuschläge in geringerer Höhe oder gar nicht entstanden wären. Diese Frage hätte nur durch Rechtsbehelfseinlegung in jenen Verfahren überprüft werden können (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Juli 2015 III B 168/14, BFH/NV 2015, 1344, Rz 7 f.). Darüber hinaus kann allein das Ausbleiben von Vollstreckungsmaßnahmen des FA und das Schweigen auf einen Antrag auf AdV vom Schuldner nicht dahin verstanden werden, dass das FA die AdV des betreffenden Verwaltungsakts gewährt hat (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2005 VII B 273/04, BFH/NV 2005, 1747).

27

b) Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach der Lage des einzelnen Falls --aus persönlichen oder sachlichen Gründen-- unbillig wäre. Zu diesen Ansprüchen gehören auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen einschließlich der nach § 240 Abs. 1 AO entstehenden Säumniszuschläge.

28

Sachlich unbillig ist die Festsetzung bzw. Einziehung einer Steuer oder Nebenleistung, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage --wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte-- i.S. der begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BStBl II 2013, 505, m.w.N.). Bei der Billigkeitsprüfung müssen solche Umstände außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt (BFH-Urteil vom 21. Juli 1993 X R 104/91, BFH/NV 1994, 597). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt in der Regel keine Billigkeitsmaßnahme (BFH-Urteile vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865, und vom 4. Februar 2010 II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663; jeweils m.w.N.); insbesondere kann § 227 AO nicht als Rechtsgrundlage für eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift dienen (BFH-Urteil vom 10. Mai 1972 II 57/64, BFHE 105, 458, BStBl II 1972, 649). Die Billigkeitsprüfung darf sich je nach Fallgestaltung nicht nur auf allgemeine Rechtsgrundsätze und verfassungsmäßige Wertungen beschränken; sie verlangt vielmehr eine Gesamtbeurteilung aller Normen, die für die Verwirklichung des in Frage stehenden Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297, m.w.N.).

29

c) Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die vom FA getroffene Entscheidung, Säumniszuschläge nicht zu erlassen, nicht zu beanstanden.

30

aa) Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO sind Säumniszuschläge zu entrichten, falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wird. Nach § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bleiben die verwirkten Säumniszuschläge unberührt, wenn die Festsetzung einer Steuer aufgehoben oder geändert wird. Diese Regelung gilt uneingeschränkt auch für die Beseitigung rechtswidriger Steuerfestsetzungen, da die Vollstreckbarkeit eines Steuerbescheids nicht von seiner Bestandskraft abhängt. Säumniszuschläge sind allerdings nicht verwirkt, soweit die Vollziehung des Steuerbescheids ausgesetzt ist.

31

Deshalb ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen sind, wenn die Steuerfestsetzung später aufgehoben worden ist und der Steuerpflichtige alles getan hat, um die AdV eines Steuerbescheids zu erreichen, das FA aber die Aussetzung "obwohl möglich und geboten" abgelehnt hat. Ein Erlass kommt hingegen nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sich nicht um die AdV bemüht hat oder wenn die Vollziehung nicht ausgesetzt worden ist, weil --z.B. in Schätzungsfällen-- keine ernstlichen Zweifel bestanden und der Steuerbescheid erst aufgrund nachgereichter Steuererklärungen aufgehoben worden ist (BFH-Urteil vom 24. April 2014 V R 52/13, BFHE 245, 105, BStBl II 2015, 106, Rz 11, m.w.N.).

32

bb) Im Streitfall haben die Kläger nach den Feststellungen des FG nicht alles getan, um die AdV zu erreichen. Die Einsprüche gegen die Änderungsbescheide vom 9. September 2008 wurden zunächst --wie das FG zu Recht festgestellt hat-- nicht "ernsthaft" begründet, ebenso nicht die Anträge auf AdV bzw. Stundung. Die Ablehnung der am 16. und 27. Oktober 2008 gestellten Aussetzungsanträge war daher rechtmäßig. Eine nachvollziehbare Begründung ihres Einspruchs legten die Kläger erstmals im Mai/Juni 2010 vor. Aufgrund dieser Einwendungen hat das FA in den Einspruchsentscheidungen vom 10. Januar 2011 den Einsprüchen teilweise stattgegeben. Mit der erstmaligen substantiierten Einspruchsbegründung haben die Kläger aber keinen erneuten Antrag auf AdV gestellt. Erst nach Erlass der Einspruchsentscheidungen vom 10. Januar 2011 haben die Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2011 erneut AdV beantragt, dem rückwirkend ab Antragstellung in dem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren aufgrund eines neuen Vorbringens teilweise entsprochen wurde.

33

cc) Sachliche Unbilligkeit i.S. des § 227 AO lässt sich entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass das FA zunächst auf Wunsch der Kläger auf die vorübergehende Einziehung der gepfändeten Forderungen verzichtet und insoweit einen Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO gewährt hat. Denn Maßnahmen des Vollstreckungsaufschubs, mit denen die Vollstreckungsbehörde lediglich auf einzelne Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet, lassen die Steuerforderungen und damit auch deren Fälligkeit unberührt. Der Vollstreckungsaufschub ist regelmäßig kein Grund für einen teilweisen Erlass wegen sachlicher oder persönlicher Unbilligkeit, da Vollstreckungsschutz bereits bei einer vorübergehenden Notlage zu gewähren ist, die nicht die Einziehung der Forderung, sondern lediglich die Art und Weise sowie den Umfang oder den Zeitpunkt ihrer Vollstreckung als unbillig erscheinen lässt (BFH-Urteil vom 14. Mai 1987 X R 26/81, BFH/NV 1988, 411).

34

dd) Soweit die Kläger vorbringen, sie hätten das FA gebeten, hinsichtlich eines unstreitigen Teils der Steuerforderungen die gepfändeten Geldguthaben zu verwerten, begründet auch dies keinen sachlichen Billigkeitsgrund.

35

Den Klägern blieb es trotz des (relativen) Verfügungsverbots nach § 309 Abs. 1 Satz 1 AO unbenommen, die Drittschuldner (Banken) anzuweisen, an das FA als Vollstreckungsgläubiger zu zahlen, um damit die Säumniszuschläge möglichst gering zu halten. Denn das Verfügungsverbot bezieht sich nur auf Verfügungen, die die Rechtsstellung des Vollstreckungsgläubigers beeinträchtigen. Verfügungen, die die Rechtsstellung des Vollstreckungsgläubigers nicht beeinträchtigen, werden von dem durch die Forderungspfändung begründeten Verfügungsverbot nicht berührt (Beermann in HHSp, § 309 AO Rz 117).

36

ee) Das FA hat des Weiteren zu Recht eine (persönliche) Erlass- oder Stundungssituation (§ 222 AO), die einen Teilerlass der Säumniszuschläge hätte rechtfertigen können (vgl. BFH-Urteile vom 16. Juli 1997 XI R 32/96, BFHE 184, 193, BStBl II 1998, 7; vom 30. März 2006 V R 2/04, BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612), verneint. Eine Stundung wäre nur dann geboten gewesen, wenn eine Erlass- oder Stundungsbedürftigkeit gegeben gewesen wäre (Senatsurteil vom 7. Mai 1993 III R 43/89, BFH/NV 1994, 144). Eine solche lag aber im vorliegenden Fall nicht vor, da den Klägern während des Säumniszeitraums ausreichende Mittel zur Zahlung der fälligen Steuerforderungen zur Verfügung gestanden haben.

37

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Gesetz über den Lastenausgleich


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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


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Tenor

I. Die Einspruchsentscheidung vom 10. April 2013 wird dahingehend geändert, dass die Aufhebung des mit Bescheid vom 9. November 2012 ausgesprochenen Teilerlasses über 32.059,83 € aufgehoben wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu ¾ und der Beklagte zu ¼ zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Streitig ist der Erlass von Säumniszuschlägen.

2

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger betreibt zusammen mit seinem Bruder die Firma V Transport OHG, deren Gesellschaftszweck der Betrieb eines Handelsgewerbes im Bereich der Güterbeförderung im Straßenverkehr ist. Die Klägerin ist bei der V OHG angestellt und bezieht aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Außerdem erzielt der Kläger als Schiffsführer Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

3

Im Rahmen einer für die Jahre 2001 bis 2003 stattgefundenen Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass sehr hohe Einlagen ins Betriebsvermögen der OHG erfolgt sind, welche den Gesellschaftern jeweils zu gleichen Teilen gutgeschrieben wurden. Eine Steuerfahndungsprüfung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass als einzig mögliche Geldquelle für die ungeklärten Bareinlagen in das Betriebsvermögen die gewerbliche Schiffsführertätigkeit des Klägers in Betracht komme. Entsprechend hat der Beklagte für die Jahre 2002 bis 2005 geänderte Einkommensteuerbescheide erlassen, gegen die Einspruch eingelegt worden ist. Eine Begründung sollte nachgereicht werden (Bl. 1 f. Rb-Akte Bd. I - Schreiben vom 9. September 2008). Mit weiterem Schreiben vom 16. Oktober 2008 hat die damalige Bevollmächtigte um Stundung und Aussetzung der am 10. bzw. am 15. September 2008 fälligen Steuerbeträge gebeten (Bl. 10 Rb-Akte Bd. I).

4

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 lehnte der Beklagte die Aussetzung der Vollziehung ab, da die Einsprüche nicht begründet worden sind (Bl. 8 Rb-Akte I). Mit Schreiben vom 27. Oktober 2008 wiederholte die Steuerberaterin ihren Antrag auf Aussetzung und Stundung, die Begründung sollte wiederum nachgereicht werden (Bl. 11 Rb-Akte I). Aufgrund der Vollstreckbarkeit der Rückstände führte die Vollstreckungsstelle des Beklagten verschiedene Sachpfändungen durch, aufgrund derer am 25. November 2008 ein Gespräch an Amtsstelle mit der Steuerberaterin und Herrn S (rechtlicher Beistand) stattgefunden hat (Bl. 163 Vollstreckungsakten). In dem Vermerk ist ausgeführt, dass die gepfändeten Sachgegenstände bisher noch nicht verwertet seien und eine sofortige Verwertung auch nicht beabsichtigt sei, da dem Kläger noch Gelegenheit gegeben werden sollte, den Einspruch gegen die Ablehnung des AdV-Antrages zu begründen bzw. einen Antrag beim Finanzgericht einzureichen. Die Gegenstände sollten vorerst nur als Sicherungsmaßnahme dienen. Eine Verwertung dieser Gegenstände sollte dem Kläger vorher angedroht werden.

5

Mit Fax, das am 8. Dezember 2008 beim Beklagten eingegangen ist, wurde eine Einspruchsbegründung eingereicht. Als Herkunft der Gelder wurden Spielbankbesuche im grenznahen Ausland angegeben. Die Gewinne hieraus wurden in der Zeit von 1984 bis 1996 zwischen 1,8 Mio. und 2 Mio. DM geschätzt. Auf Wunsch der Klägerin habe der Kläger anlässlich der Eheschließung am 15. November 1996 seiner früheren Spielleidenschaft großteils ein Ende gesetzt. Weiterhin sei aus den beschlagnahmten Unterlagen ein Lottogewinn in Höhe von 10.000,- € ersichtlich. Weitere Geldquellen seien Geschenke vom Patenonkel, Möbelverkauf, Verkauf von Briefmarken und Münzen sowie Hochzeitsgeschenke (Bl. 19 f. Rb-Akte Bd. I).

6

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 übersandte der Beklagte Aufstellungen der zu diesem Zeitpunkt ungeklärten Einlagen (Bl. 128 f. Rb-Akte I). Am 11. Mai 2010 fand ein Gespräch an Amtsstelle mit dem Prozessbevollmächtigten und Herrn S sowie dem Kläger statt, in dem u. a. erstmals Doppelbuchungen und weitere bisher nicht vorgetragene Möglichkeiten für die ungeklärten Einlagen vorgetragen wurden, die der Prozessbevollmächtigte vereinbarungsgemäß in Schriftsätzen für die Jahre 1998 bis 2001 vom 29. Mai 2010, eingegangen beim Beklagten am 21. Juni 2010 sowie für 2002 mit Schriftsatz vom 13. Juni 2010 zusammenfasste und anhand von Buchungsunterlagen und Kontoauszügen belegte (Bl. 29 f. Rb-Akte II). Dies führte dazu, dass der Beklagte in den Einspruchsentscheidungen vom 10. Januar 2011 den Einsprüchen teilweise stattgegeben hat.

7

Da der Beklagte am 2. März 2011 einen am 15. Februar 2011 für die Jahre 2002 bis 2005 gestellten erneuten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen fehlender ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen aufgrund der Einspruchsentscheidung ablehnte, stellten die Kläger einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Finanzgerichtsordnung -FGO- bei Gericht. Gegen die Einspruchsentscheidung ist Klage erhoben worden.

8

In diesen Verfahren hat am 16. November 2011 die mündliche Verhandlung stattgefunden, im Rahmen deren sich die Parteien dahingehend geeinigt haben, dass von den im Einspruchsverfahren angesetzten Schätzungsbeträgen 50 % bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers aus der Schiffsführertätigkeit verbleiben. Die restlichen 50 % sollten im Rahmen von geänderten Bescheiden betreffend die OHG dem Bruder, Herrn AV, vorab als Sonderbetriebseinnahmen zugerechnet werden. Hieraufhin erklärten die Parteien die Hauptsache für erledigt. Den gerichtlichen Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung hat der Beklagte insoweit Rechnung getragen, als er rückwirkend ab Antragstellung - 15. Februar 2011 - die Vollziehung der durch die Klagen angefochtenen Einspruchsentscheidungen insoweit aussetzte, als die Änderungen reichten.

9

Mit Schreiben vom 5. April 2012 beantragten die Kläger insgesamt Säumniszuschläge in Höhe von 125.515,50 € für die Jahre 1998 bis 2005 sowie für die angepassten Vorauszahlungsbeträge 2007 und 2008 gemäß § 227 Abgabenordnung -AO- zu erlassen (Bl. 1 f. Vollstreckungsakte Bd. II). Zur Begründung wurde vorgetragen, ein zusammen mit den Einsprüchen gegen die Einkommensteuer-Änderungsbescheide gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 5. September 2008 sei ohne Reaktion des Beklagten geblieben. In der Zeit vom 19. November 2008 bis 22. November 2008 seien Guthaben bei Bausparkassen, Banken und Lebensversicherungen in Höhe von 225.000,- € gepfändet worden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei der Beklagte verpflichtet gewesen, Steuerschuldner und Drittschuldnern mitzuteilen, ob die gepfändeten Guthaben zur Tilgung der Steuerschuld oder als Sicherheit für eine Stundung oder Aussetzung dienen sollten. Aus dem BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 sowie dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 30. Januar 1986 ergebe sich, dass die Nichtgewährung der Aussetzung der Vollziehung eine Ermessensfehlentscheidung sei, was sich auch aus dem teilweise Stattgeben in der Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2011 ergebe. Eine Berechnung von Säumniszuschlägen gemäß § 240 AO sei für die Fälle, in denen die Steuer später herabgesetzt worden sei, nur dann rechtmäßig, wenn dem Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen während des Verfahrens entsprochen worden sei.

10

Am 5. Juli 2012 hat an Amtsstelle wiederum ein Gespräch wegen der noch offenen Steuerverbindlichkeiten incl. der Gewerbesteuerverbindlichkeiten stattgefunden (Bl. 76 Vollstreckungsakte Bd. II). Der Beklagte vertrat in dem Gespräch die Auffassung, dass aufgrund der am 25. November 2008 mit der damaligen Steuerberaterin und dem Rechtsbeistand stattgefundenen Besprechung und der getroffenen Vereinbarung über eine stillschweigende Nichtverwertung der gepfändeten Wirtschaftsgüter zumindest der Steuerberaterin das Entstehen von Säumniszuschlägen bewusst gewesen sei. Aufgrund der außergerichtlichen Einigung und der Tatsache, dass die Nichtverwertung der gepfändeten Gegenstände im Ergebnis Stundungscharakter gehabt hätte, sei man jedoch zu einer einvernehmlichen Lösung in Form eines hälftigen Erlasses bereit. Wenn dann auch noch die Einsprüche, die bei den übrigen Personen, die von der außergerichtlichen Einigung betroffen seien, zurückgenommen würden, käme ein zusätzlicher Erlass in Höhe von 10.000,- € in Betracht. Der Kläger habe dieses Angebot überdenken wollen und bis zum 19. Juli 2012 sollte die schriftliche Rückmeldung des Prozessbevollmächtigten erfolgen, ob er mit der Vorgehensweise einverstanden sei. Eine Äußerung seitens des Klägers oder dessen Bevollmächtigten erfolgte nicht.

11

Mit Bescheid vom 9. November 2012 hat der Beklagte den Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge deshalb teilweise abgewiesen (zur weiteren Begründung vgl. Bl. 280 Vollstreckungsakte II). Ein Erlass käme nur in Höhe von 50 % bezogen auf den obsiegten Teil in Betracht, was Säumniszuschläge in Höhe von 32.059,83 € betreffe.

12

Hiergegen haben die Kläger Einspruch eingelegt. Mit Einspruchsentscheidung vom 10. April 2013 wurde in Abänderung des Bescheides vom 9. November 2012 der darin ausgesprochene Teilerlass von 32.059,83 € aufgehoben. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine unbillige Härte schon deshalb nicht vorliege, weil der Kläger nicht alles getan habe, um eine Aussetzung der Vollziehung zu erreichen. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 16. Oktober 2008 sei zu Recht mangels Begründung abgelehnt worden. Zur vollständigen Mitwirkung gehöre, dass dem Finanzamt gegenüber alle Angaben gemacht werden sollten, die erforderlich seien, damit eine rechtmäßige Entscheidung getroffen werden könne. Hierbei spiele auch das Verhalten des Klägers im Vorfeld des Einspruchsverfahrens eine Rolle. Mache ein Steuerpflichtiger im Rahmen des Besteuerungsverfahrens oder während einer Steuerfahndungsprüfung falsche oder widersprüchliche Angaben, so sei das Finanzamt nicht gehalten, ihm aufgrund solcher Angaben Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Vorliegend habe der Kläger im Besteuerungsverfahren nicht nur die Mitwirkung verweigert, sondern sogar wechselnde Sachverhalte zur Erklärung der vom Finanzamt festgestellten Mehreinnahmen vorgetragen, die sich letztlich als unzutreffend herausgestellt hätten. Erstmals im Schreiben vom Juni 2010 hätten die Kläger konkret zur Mittelherkunft einzelner Hinzuschätzungsbeträge Stellung genommen. Nach eingehender Prüfung durch den Beklagten sei dem Sachvortrag teilweise stattgegeben worden, weshalb sich die Kläger die verspätete Information entgegenhalten müssten. Außerdem wären die Kläger während des gesamten Rechtsbehelfsverfahrens jederzeit zur vollständigen Zahlung in der Lage gewesen. Die zunächst ausgebrachten Vollstreckungsmaßnahmen hätten zu Sicherheiten geführt, die ausgereicht hätten, die geschuldete Steuer abzudecken. Da die Steuerpflichtigen zur Zahlung in der Lage gewesen seien, hätten die Voraussetzungen für eine Stundung zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Darüber hinaus würden die verwirkten Säumniszuschläge ihre Funktion, Druck auf die Kläger auszuüben, die Steuer zeitnah zu entrichten, da die Kläger objektiv hierzu in der Lage gewesen seien, behalten. Es sei zwar zutreffend, dass die Vollstreckungsstelle auf Bitten der Kläger auf die Verwertung der vorhandenen Sicherheiten vorübergehend verzichtet habe. Allerdings habe das Finanzamt gerade keinen Verzicht auf eine sofortige Zahlung ausgesprochen. Es habe den Steuerpflichtigen lediglich ermöglicht sein sollen, selbst darüber zu entscheiden, in welcher Form sie die fälligen Steuern entrichten und ihnen damit ggfs. wirtschaftliche Nachteile durch die Verwertung von Sicherheiten zu ersparen. Die Entscheidung, die Zahlung erst später zu leisten, habe allein auf dem Willen der Kläger beruht. Diese hätten in Kenntnis der Zahlungsverpflichtung als auch der Entstehung der Säumniszuschläge dem Grunde und der Höhe nach diese Entscheidung getroffen. Es sei daher nicht unbillig, wenn die Kläger nunmehr die finanziellen Folgen dieser Entscheidung zu tragen hätten. Persönliche Billigkeitsgründe seien nicht vorgetragen worden und auch nach Aktenlage nicht erkennbar.

13

Mit der Klage tragen die Kläger vor, dass gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide fristgerecht Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt worden sei. Die einzige Reaktion des Beklagten habe in der Ausbringung von 22 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen an alle der Steuerfahndung bekannten Geschäftspartner der Kläger sowie die Pfändung sämtlicher Geldguthaben bestanden. Als der Prozessbevollmächtigte die Beratung übernommen habe, sei am 11. Mai 2010 ein Gespräch im Finanzamt vereinbart worden. Gleich zu Beginn habe er vorgetragen, dass ein Betrag von 100.000,- € bis 150.000,- € unstreitig sei. Der Beklagte möge das gepfändete Geldguthaben bei der Bausparkasse Wüstenrot und die Pfandbriefe bei der Deka-Bank zur Tilgung verwenden. Die Vertreter des Beklagten hätten auf diesen Vorschlag in keiner Weise reagiert. Lediglich der Angriff auf die schlechte Arbeit des Prüfers und der Fahndungsprüfer habe zum Erfolg geführt. Der Prozessbevollmächtigte habe nachweisen können, dass die mit der Prüfung befassten Finanzbeamten einfachste Buchungssätze nicht haben erkennen können. Am 29. Mai 2010 habe der Prozessbevollmächtigte für jedes einzelne Jahr zwischen 30 und 35 Geschäftsvorfälle nachweisen können, in denen in buchungstechnisch unkorrekter Weise zusätzliche Gewinnerhöhungen in Steuerbescheiden vom August 2008 enthalten gewesen seien. Dies habe zu den Einspruchsentscheidungen vom 10. Januar 2011 geführt. In den darauf anhängigen Gerichtsverfahren sei die Steuerschuld nochmals reduziert worden. Das gesamte Verhalten des Beklagten enthalte eine Vielzahl von Rechtsverstößen der handelnden Personen. Begonnen habe es mit der totalen Pfändung aller Geldguthaben der Kläger im November 2008, die nächste rechtsfehlerhafte Maßnahme sei die Vereinbarung vom 25. November 2008 gewesen. Nicht die Steuerberaterin habe um stillschweigende Stundung gebeten, sondern die Finanzbeamten hätten diesen durch kein Steuergesetz gedeckten Vorschlag als Amtshandlung verkauft. Schließlich sei entblößend die Formulierung, dass der Beklagte am 2. März 2011 einen am 15. Februar 2011 gestellten erneuten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen fehlender ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen abgelehnt habe. Es sei eindeutig festzustellen, dass die mit der Sache befassten Finanzbeamten den Anwendungserlass zur AO 2008 zum § 361 AO nicht gelesen hätten. Doppelerfassung von Einnahme-Buchungen und die Verwechslung von Soll und Haben durch zwei Betriebsprüfer seien ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides. Beweis hierzu sei die Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2011. Die bemängelte Mitwirkung habe seitens des Klägers nach bestem Wissen und Gewissen stattgefunden. Mündliche Aussagen zu Sachverhalten, die 6 bis 10 Jahre zurückliegen würden, könnten in der Gegenüberstellung mit einem Dutzend Fahndungsbeamten nicht frei von Widersprüchen sein. Der Kläger habe aus der Natur der Sache den Fahndern keine Angaben machen können, weil er erstens davon keine Kenntnis gehabt habe und zweitens zu Geschäftsvorfällen, die weder er noch die prüfenden Beamten als fehlerhaft erkannt hätten, mit korrekter Begründung keine Aussagen habe machen können, was nicht vorhanden sei, könne auch nicht erklärt werden. Weder der Kläger noch der damalige Bevollmächtigte hätten sich vorstellen können, dass qualifizierte Finanzbeamte derart viele Fehler bei ihrer Ermittlungsarbeit gemacht hätten, weshalb die Anträge gegen die Prüfungsergebnisse auch nur schwach begründet worden seien. Ein Teilerlass von Säumniszuschlägen komme ausnahmsweise in Betracht, soweit diese gegenüber dem Steuerpflichtigen als Druckmittel dienten und dieser Druck aus objektiven Gründen keine Wirkung haben könne. Das bedeute, sämtliche Geldmittel der Kläger seien durch die Pfändungen ihrer Verfügung entzogen worden. Die Kläger hätten objektiv die geforderte Steuer nicht zahlen können, da alle Zahlungsmittel der Rechtsverfügung des Beklagten unterworfen gewesen seien.

14

Die Kläger beantragen,
die ablehnende Entscheidung über den Erlass von Säumniszuschlägen vom 9. November 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 10. April 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Höhe der zu erlassenden Säumniszuschläge neu zu bestimmen.

15

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt aus, dass er an seiner Auffassung festhalte, dass eine sachliche unbillige Härte im Sinne des § 227 AO vorliege, zu verneinen sei, da die Kläger nicht alles getan hätten, um eine Aussetzung der Vollziehung zu erreichen. So sei der Antrag auf Stundung und Aussetzung vom 10. bzw. 15. September 2008 ebenso unbegründet geblieben wie die Einsprüche gegen die Änderungsbescheide nach der Steuerfahndungsprüfung. Erstmals mit Fax vom 8. Dezember 2008 sei eine Einspruchsbegründung eingereicht worden. Konkrete Nachweise über die vorgetragene Herkunft der streitgegenständlichen Geldmittel seien aber nicht vorgelegt worden. Weiterhin sei die am 11. März 2009 beantragte Akteneinsicht erst im August 2009 wahrgenommen worden. Auch sei der seitens des Finanzamtes am 29. Juni 2009 vorgeschlagene Besprechungstermin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht wahrgenommen worden. Erstmals in der Besprechung vom 11. Mai 2010 seien die angesprochenen Doppelbuchungen dargelegt worden und weitere, bisher nicht thematisierte Quellen für die ungeklärten Einlagen vorgetragen worden, die dann vereinbarungsgemäß mit verschiedenen Schriftsätzen des Klägervertreters zusammengefasst und anhand von Buchungsunterlagen und Kontoauszügen belegt worden seien.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist teilweise begründet.

19

Die Klage ist insoweit begründet, als der Beklagte zu Unrecht in der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2013 den im Schreiben vom 9. November 2012 ausgesprochenen Teilerlass in Höhe von 32.059,83 € aufgehoben hat.

20

Der Erlass ist ein Verwaltungsakt, dessen Aufhebung sich nach den §§ 130, 131 AO richtet. Da der Erlass jedoch konstitutiv den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zum Erlöschen bringt, ist ein Widerruf nicht denkbar, selbst wenn Widerrufsgründe vorliegen, da der Widerruf nach § 131 Abs. 1 AO nur Wirkung für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit hat. Denkbar ist eine Aufhebung des Erlasses daher nur, wenn der durch den Erlass erloschene Anspruch rückwirkend wieder entsteht, eine Rücknahme des (rechtswidrigen) Erlasses ist nach § 130 AO mit rückwirkender Kraft möglich, wenn die Voraussetzungen des § 130 AO vorliegen (BFH-Urteil vom 5. Februar 1975, I R 85/72, BStBl II 1975, 677). Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 130 Abs. 2 AO ergibt sich, dass eine Rücknahme nur möglich ist, wenn eine der hierfür im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen gegeben ist. Im Streitfall ist dies nicht der Fall.

21

Im Übrigen ist die Klage nicht begründet und die Ablehnung des begehrten Erlasses durch den Beklagten nicht ermessensfehlerhaft.

22

Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des Falles unbillig wäre.

23

Unbilligkeit kann aus sachlichen oder persönlichen Gründen gegeben sein. Sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (vgl. BFH, Urteil vom 16. November 2005, X R 3/04, BStbl II 2006, 155). In diesem Sinne muss ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers bestehen. Da es Aufgabe des Grundsatzes der Billigkeit ist, das bei richtiger Anwendung der (im konkreten Fall eventuell "unbilligen") Steuergesetze zustande gekommene Ergebnis erforderlichenfalls zu korrigieren, ist grundsätzlich für eine Billigkeitsmaßnahme dann kein Raum, wenn nur Gründe vorgebracht werden, die die materielle Richtigkeit der Entscheidung, also die richtige Anwendung der zu Grunde liegenden steuerrechtlichen Norm,  in Zweifel ziehen, somit im Rechtsbehelfsverfahren hätten vorgebracht werden müssen (Frotscher in Schwarz, Kommentar zur AO, Loseblatt, § 227 Rdnr. 5). Steuern, die bestandskräftig festgesetzt worden sind, dürfen deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur dann im Billigkeitsverfahren sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wehren (vgl. BFH, Urteil vom 14. November 2007, II R 3/06, BFH/NV 2008, 574).

24

Bei einer Entscheidung nach § 227 AO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Finanzamts, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden. Die Entscheidung kann gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 102 FGO). Das Finanzgericht kann nur dann ausnahmsweise eine Verpflichtung des Finanzamts zum Erlass aussprechen (§ 101 FGO), wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (vgl. zur sog. Ermessensreduzierung auf Null: BFH, Urteil vom 21. Januar 1992, VIII R 51/88, BStBl II 1993, 3). Für die gerichtliche Überprüfung ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich. Das Gericht ist im Ermessensbereich nicht zur eigenen Ermessensausübung befugt, weil es ansonsten seine Erwägungen letztlich an die Stelle der hier allein maßgeblichen Ermessenserwägungen der Verwaltung setzen würde (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2000, X R 24/95, BStBl II 2000, 514).

25

Der Beklagte hat ermessensfehlerfrei entschieden, dass im Streitfall die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nicht vorliegen. Die Einsprüche gegen die Änderungsbescheide aufgrund der Steuerfahndungsprüfung vom 9. September 2008 wurden nicht begründet, ebenso nicht der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bzw. Stundung. Erstmals mit Schreiben, das am 8. Dezember 2008 per Fax beim Beklagten eingegangen ist, wurde eine Einspruchsentscheidung eingereicht. Hierbei handelt es sich aber um eine Begründung, die schon während der Steuerfahndungsprüfung abgegeben worden ist, dass es sich bei der Herkunft der Gelder um Spielbankgewinne, Gelder aus Verkäufen von Immobilien, Möbeln, Münzsammlungen sowie Geldgeschenke und Lotteriegewinne handelt. Hier handelt es sich nur um eine Wiederholung der während der Steuerfahndungsprüfung vorgetragenen Erklärung. Bei der Erklärung, dass Gelder aus Spielbankgewinnen, Geschenken und dgl. stammen, handelt es sich um Erklärungen, die häufig für die ungeklärte Herkunft von Geldmitteln vorgebracht werden, ohne dass hierfür Nachweise erbracht werden können. Somit handelt es sich nicht um eine "ernsthafte" Begründung der Einsprüche. Erstmals nachdem der jetzige Prozessbevollmächtigte das Mandat übernommen hat, hat dieser anlässlich der Besprechung am 11. Mai 2010 die Doppelbuchungen angesprochen und weitere Möglichkeiten für die ungeklärten Einlagen vorgetragen. Dieses hat er dann auch in seinen Schreiben vom Mai/Juni 2010 zusammengefasst und anhand von Buchungsunterlagen und Kontoauszügen belegt. Aufgrund dieser Einwendungen hat der Beklagte in den Einspruchsentscheidungen vom 10. Januar 2011 den Einsprüchen teilweise stattgegeben.

26

Wenn der Kläger nun vorträgt, dass die damalige Bevollmächtigte der Kläger sich offenbar nicht habe vorstellen können, dass qualifizierte Finanzbeamte derart viele Fehler bei der Ermittlungsarbeit gemacht haben und deshalb die Anträge gegen die Prüfungsergebnisse auch nur schwach begründet hätte, ist dies für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar. Es ist Aufgabe des Steuerberaters, die Einsprüche zu begründen und auch den Beklagten auf entsprechende Fehler hinzuweisen. Es ist eine Ausrede, wenn nunmehr vorgetragen wird, dass aus diesem Grund eine Begründung unterblieben sei. Die Steuerberaterin hat ja gerade die "Ausreden" des Klägers während der Steuerfahndungsprüfung wie Spielgewinne, Hochzeitsgeschenke, Verkauf von Münzsammlungen und dgl. wiederholt, was für das Einspruchsverfahren nicht förderlich gewesen ist.

27

Den von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten dargelegten Doppelbuchungen und Erklärungen für die ungeklärten Einlagen hat der Beklagte in den Einspruchsentscheidungen entsprochen, weshalb der Beklagte ermessensfehlerfrei entschieden hat, dass der aufgrund der Einspruchsentscheidung und der daraufhin erhobenen Klage gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung seitens des Beklagten abgelehnt worden ist. Zweifel an der ansonsten verbleibenden Steuerfestsetzung hat der Beklagte nicht gehabt.

28

Der Beklagte hat mit der Entscheidung, über den gewährte Teilerlass hinaus den Erlass abzulehnen, nicht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten und hat auch von seinem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Aus der Besprechung vom 25. November 2008 geht hervor, dass die gepfändeten Sachgegenstände noch nicht verwertet werden sollten, sondern nur als Sicherheit dienen sollen und den Klägern Gelegenheit gegeben werden soll, den Einspruch und die Aussetzung der Vollziehung zu begründen, was aber erst 20 Monate später geschehen ist.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn

1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,
4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.

(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist,
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat,
3.
wenn die Finanzbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
§ 130 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.

(4) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn

1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,
4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.

(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn

1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,
4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.

(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

Die Vorschriften über Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten gelten auch während eines Einspruchsverfahrens und während eines finanzgerichtlichen Verfahrens. § 130 Abs. 2 und 3 und § 131 Abs. 2 und 3 stehen der Rücknahme und dem Widerruf eines von einem Dritten angefochtenen begünstigenden Verwaltungsakts während des Einspruchsverfahrens oder des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht entgegen, soweit dadurch dem Einspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

Die Vorschriften über Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten gelten auch während eines Einspruchsverfahrens und während eines finanzgerichtlichen Verfahrens. § 130 Abs. 2 und 3 und § 131 Abs. 2 und 3 stehen der Rücknahme und dem Widerruf eines von einem Dritten angefochtenen begünstigenden Verwaltungsakts während des Einspruchsverfahrens oder des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht entgegen, soweit dadurch dem Einspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.

(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Steueransprüche gegen den Steuerschuldner können nicht gestundet werden, soweit ein Dritter (Entrichtungspflichtiger) die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten, insbesondere einzubehalten und abzuführen hat. Die Stundung des Haftungsanspruchs gegen den Entrichtungspflichtigen ist ausgeschlossen, soweit er Steuerabzugsbeträge einbehalten oder Beträge, die eine Steuer enthalten, eingenommen hat.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.