Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 08. Dez. 2015 - 15 B 14.1840

bei uns veröffentlicht am08.12.2015
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, 5 K 12.1542, 31.07.2013

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 15 B 14.1840

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 8. Dezember 2015

(VG Augsburg, Entscheidung vom 31. Juli 2013, Az.: Au 5 K 12.1542)

15. Senat

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte:

Anspruch auf Erteilung einer isolierten Befreiung (verneint),

Festsetzung einer nicht überbaubaren privaten Grünfläche im Bebauungsplan,

Grundzüge der Planung,

städtebauliche Vertretbarkeit,

Erforderlichkeit von Bauvorlagen für einen Antrag auf Erteilung einer isolierten Befreiung (bejaht)

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Gemeinde W., Verwaltungsgemeinschaft S.,

- Beklagte -

bevollmächtigt: ... Rechtsanwälte, ...

wegen Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans,

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Juli 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Gänslmayer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schweinoch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für die Errichtung einer Zufahrt die Erteilung einer isolierten Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans.

Der Kläger ist Eigentümer des unbebauten, an der Straße „Am P.“ gelegenen Grundstücks FlNr. .../14 sowie des im Südosten angrenzenden Grundstücks FlNr. .../1 Gemarkung W., auf dem er ein Bauunternehmen betreibt. Zugunsten des jeweiligen Eigentümers dieses Grundstücks, das nicht an einer öffentlichen Straße anliegt, war im Jahr 1997 ein Geh- und Fahrtrecht über das westlich angrenzende, durch die Hauptstraße erschlossene Grundstück FlNr. ... eingetragen worden, das im Eigentum des Vaters des Klägers steht. Das Geh- und Fahrtrecht wurde aufgrund einer Löschungsbewilligung des Klägers vom 2. März 2012 gelöscht.

Das Grundstück FlNr. .../14, an dessen östlicher Grenze der Kläger eine neue Zufahrt für sein (Hinterlieger)-Grundstück FlNr. .../1 plant, befindet sich im Geltungsbereich des am 3. August 2000 inkraft getretenen Bebauungsplans Nr. 9 „Am P.“. In der Mitte des Plangebiets verläuft L-förmig die als Straßenverkehrsfläche festgesetzte Straße „Am P.“, die die angrenzenden Grundstücke, darunter auch das Grundstück FlNr. .../14, erschließt. Als Art der baulichen Nutzung setzt der Bebauungsplan ein Mischgebiet fest. Auf dem Grundstück FlNr. .../14 ist mittels Baugrenzen ein Bauraum für ein Wohnhaus mit Garage ausgewiesen. Ferner ist im südlichen Bereich an der Grenze zu den Grundstücken FlNr. ... und .../1 durch Planzeichen und durch Nr. 3.17 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ein ca. 5 m breiten Streifen als „private Grünfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 25a), die nicht überbaut werden darf“, festgelegt. In diesem Bereich ist durch Nr. 3.14 der textlichen Festsetzungen sowie durch Planzeichen zudem ein „Leitungsrecht auf Privatgrund“ für einen gemeindlichen Abwasserkanal ausgewiesen. Im Jahr 2000 hat die Rechtsvorgängerin des Klägers zugunsten der Beklagten auf den Grundstücken FlNr. .../14 und .../15 diesbezüglich eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit für ein Abwasserkanalrecht (Regen- und Schmutzwasserkanal) bestellt. Die Grundstücke FlNr. ... und .../1 liegen außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans.

Mit Schreiben vom 21. August 2012 beantragte der Kläger bei der Verwaltungsgemeinschaft S. die Erteilung einer isolierten Befreiung von der Festsetzung Nr. 3.17 des Bebauungsplans zur Errichtung einer 3,50 m breiten Zufahrt auf der Ostseite des Grundstücks FlNr. .../14. Dem Bauantrag wurde ein Lageplan beigegeben, auf dem die betreffende Zufahrtsfläche rot dargestellt ist. Weiterhin ist in dem Bauantrag angegeben, dass das Grundstück FlNr. .../1 mit einer durch das Baugeschäft gewerblich genutzten Halle bebaut ist, die in erster Linie zur Lagerung von Baustoffen und Baugeräten des Baugeschäfts des Klägers dient.

Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 16. November 2012 im Wesentlichen mit der Begründung ab, der satzungsmäßig festgesetzte Grünstreifen im Baugebiet würde durch Erteilung einer Befreiung unterbrochen; dies könne Bezugswirkung für andere Grundstücke auslösen. Zudem würde eine Wegefläche von ca. 80 m² auf dem betreffenden Grundstück entstehen. Es sei nicht die Planvorstellung der Gemeinde, dass auf dem Grundstück ein Weg bzw. eine Überfahrt entstehe, die eine Erschließungsfunktion für ein Hinterliegergrundstück habe. Auch widerspreche das Vorhaben nach der Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets. Aus nachbarlicher Sicht könne der Grünstreifen nachbarschützende Funktion wahrnehmen.

Die am 6. Dezember 2012 erhobene Verpflichtungsklage des Klägers hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 31. Juli 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Dabei sei nicht entscheidungserheblich, ob die betreffende Festsetzung ihre rechtliche Grundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 10 oder Nr. 15 BauGB habe. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen jedenfalls nicht vor, weil durch die Errichtung der gewünschten Zufahrt über das Grundstück FlNr. .../14 die Grundzüge der Planung berührt würden. Aus den Planunterlagen sei erkennbar, dass mit der festgesetzten privaten Grünfläche eine Zäsur insbesondere zu dem sich im Süden anschließenden, gewerblich genutzten Grundstück FlNr. .../1 des Klägers geschaffen werden sollte. Die Zufahrt sämtlicher in dem Plangebiet gelegener Grundstücke solle ausschließlich über den Straßenzug „Am P.“ erfolgen. Planerischer Wille sei es nicht gewesen, auch außerhalb des Plangebiets liegende, intensiv gewerblich genutzte Grundstücke zu erschließen. Diese Planungskonzeption werde dadurch verdeutlicht, dass im Bebauungsplan für das Grundstück FlNr. .../1 eine Zufahrt außerhalb des Plangebiets dargestellt sei. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass die Zufahrt mit schwerem Baugerät bis 7,5 t weitergehende baurechtliche Spannungen in dem kleinräumigen Plangebiet hervorrufen werde. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Bedürfnis nach einer Zufahrt zu dem Grundstück FlNr. .../1 letztlich vom Kläger selbst ausgelöst worden sei, weil er sein grundbuchrechtlich gesichertes Zufahrtsrecht über das Grundstück FlNr. ... im Einvernehmen mit seinen Eltern aufgehoben habe. Eine offenbar nicht beabsichtigte Härte nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB liege daher nicht vor. Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt seien, bestehe auch kein Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung.

3. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 26. August 2014 (Az. 15 ZB 13.1911) zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:

Zu Unrecht komme das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass in der Festsetzung der privaten Grünfläche ein Grundzug der Planung liege. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. a BauGB keine tragfähige Grundlage für die Festsetzung von nichtbebaubaren Flächen darstelle. Es müsse durch Auslegung ermittelt werden, was die Gemeinde habe festsetzen wollen. Eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB könne nicht angenommen werden, weil dies Entschädigungsansprüche nach§ 40 Abs. 1 Nr. 12 BauGB ausgelöst hätte und sich die Gemeinde mit den weitreichenden Folgen der Eigentumseinschränkung im Planaufstellungsverfahren nicht auseinander gesetzt habe. Die Festsetzung stelle sich somit als bloße Darstellung einer Grünfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB dar. Der Zusatz „nicht überbaubar“ sei inhaltsleer. Dafür, dass der privaten Grünfläche besondere Bedeutung im Sinne eines Grundzugs zukomme, gebe die Planbegründung keine Anhaltspunkte. Die Nutzungsarten „Mischgebiet“ innerhalb des Plangebiets und „Gewerbe“ außerhalb des Plangebiets beeinträchtigten sich gegenseitig nicht so sehr, dass eine Zäsur zur Abgrenzung der Gebiete erforderlich sei. Auch das Erschließungskonzept stelle keinen Grundzug der Planung dar. Aus der Planbegründung ergebe sich nicht, dass die öffentliche Straße „Am P.“ ausschließlich der Erschließung der innerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücke dienen solle, keinesfalls aber außerhalb davon gelegene Grundstücke erfasst werden sollten. So werde etwa auch das nicht überplante Grundstück FlNr. ... über diese Straße erschlossen. Selbst wenn man in der Festsetzung der Grünfläche einen Grundzug sehen würde, würde dieser durch eine Durchbrechung in einer Bereite von 3,50 m für die Zufahrt nicht nachteilig berührt. Auch die Zäsurwirkung bliebe bestehen. Leitungsrechte würden ebenfalls nicht berührt. Die Abweichung sei städtebaulich vertretbar. Städtebauliche Spannungen würden nicht hervorgerufen. Für die Bewohner der Umgebung werde der An- und Abfahrtsverkehr zum Gewerbebetrieb des Klägers über den geplanten Privatweg kaum belastender als durch die bisherige Zufahrt über das Grundstück FlNr. ... Ohnehin sei der An- und Abfahrtsverkehr gering; es würden nur morgens wenige Fahrzeuge das Betriebsgelände verlassen und abends wieder zurückkehren. Die Durchführung des Bebauungsplans führe zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte im Sinn des § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB, weil das Hinterliegergrundstück FlNr. .../1 straßenmäßig nicht erschlossen sei. Wäre der Beklagten im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bekannt gewesen, dass wegen der Aufhebung des Nutzungsrechts die Erschließungsmöglichkeit über das Grundstück FlNr. ... entfalle, hätte sie den Bebauungsplan so nicht gestaltet. Nachbarliche Belange würden durch die Befreiung ebenfalls nicht beeinträchtigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 21. August 2012 auf Erteilung einer isolierten Befreiung von der Festsetzung Nr. 3.17 des Bebauungsplans Nr. 9 „Am P.“ positiv zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe zutreffend angenommen, dass die Errichtung der Zufahrt die Grundzüge der Planung berühre. Der Bebauungsplan sehe eine einheitliche Wegekonzeption vor, wonach die Erschließung ausschließlich für die Baugrundstücke im Plangebiet erfolgen solle. Die Situation beim Grundstück FlNr. ..., das am nördlichen Ende des Plangebiets liege, stelle sich anders dar als bei den Grundstücken des Klägers. Die Straße müsse zwangsläufig bis an dieses Grundstück herangeführt werden, um das Plangebiet vollständig erschließen zu können. Bei der Zufahrt über das Grundstück FlNr. .../14 würde dagegen eine Grünfläche mit zu pflanzenden Bäumen durchschnitten. Die Sicherung einer wegemäßigen Erschließung des Gewerbegrundstücks des Klägers könne zudem schon dem Grunde nach nicht über die Erteilung einer isolierten Befreiung erfolgen. Dies sei vom Sinn und Zweck des § 31 Abs. 2 BauGB nicht gedeckt. Es sei nicht die gesetzgeberische Intention dieser Bestimmung, eine wegemäßige Erschließung von Vorhaben wiederherzustellen, deren im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung noch gewährleistete Erschließung aufgrund zivilrechtlicher Streitigkeiten weggefallen sei. Diese Situation sei vielmehr über § 917 und § 918 Abs. 2 BGB zu lösen. Im Übrigen gehe es bei Befreiungen nur darum, Besonderheiten des konkreten Bauvorhabens im Verhältnis zu den abstrakten planerischen Festsetzungen gerecht zu werden. Die verkehrliche Erschließung eines gänzlich außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks könne deshalb nicht über § 31 Abs. 2 BauGB gelöst werden. Bei anderer Sichtweise würde die Festsetzung den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verletzen. Eine nicht beabsichtigte Härte läge nicht vor, weil der Kläger die Befreiungssituation selbst hervorgerufen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht (§ 144 Abs. 4 VwGO entsprechend) festgestellt, dass der Kläger nachArt. 63 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BayBO i. V. m. Art. 31 Abs. 2 BauGB keinen Anspruch auf Zulassung der beantragten isolierten Befreiung von Festsetzung nach Nr. 3.17 des Bebauungsplans und auch keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über seinen Antrag hat (§ 113 Abs. 5 VwGO). Zwar folgt der Senat nicht seiner Rechtsauffassung, dass durch die Befreiung die Grundzüge der Planung berührt würden (vgl. dazu unten 1). Es fehlt aber an einem hinreichend bestimmten und damit zulässigen Bauantrag, weil der Kläger entgegen Art. 64 Abs. 2,Art. 50 Abs. 1 Satz 2 BayBO nicht alle für die Beurteilung des Vorhabens und die Bearbeitung des Bauantrages erforderlichen Unterlagen bei der Beklagten eingereicht hat (vgl. dazu unten 2).

1. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts werden durch das Vorhaben des Klägers die Grundzüge der Planung der Beklagten nicht berührt.

Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110; B. v. 19.5.2004 - 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83; U. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 - BVerwGE 138, 166 = juris Rn. 37; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - BVerwGE 142, 1 Rn. 22). Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Denn die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde; hierfür ist ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter engen Voraussetzungen abgesehen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71/79 = juris Rn. 27; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - BVerwGE 142, 1 = juris Rn. 22 m. w. N.). Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110 = juris Rn. 6; B. v. 29.7.2008 - 4 B 11/08 - ZfBR 2008, 797 = juris Rn. 4; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2015, § 31 Rn. 36).

Nach diesem Maßstab ist die Erteilung einer Befreiung von der auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 15 BauGB erlassenen Festsetzung - bei der fehlerhaften Benennung des§ 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB als Rechtsgrundlage handelt es sich um eine offensichtliche und damit nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz „falsa demonstratio non nocet“ rechtlich unschädliche Falschbezeichnung (vgl. dazu BVerwG, U. v. 29.9.2015 - 4 CN 2/15 - NVwZ-RR 2016, 3 = juris Rn. 14; OLG München, U. v. 17.2.2016 - 15 U 3001/14 - juris Rn. 62 ff. m. w. N.) - der privaten Grünfläche nicht deswegen ausgeschlossen, weil es sich bei hierbei um einen Grundzug der Planung handeln würde. Weder aus der Planbegründung noch aus sonstigen Planaufstellungsunterlagen ist ersichtlich, dass es der Beklagten bei der Festsetzung der privaten Grünfläche maßgeblich darum ging, eine „Zäsur“ zwischen dem festgesetzten Mischgebiet und dem südöstlich angrenzenden gewerblich genutzten Grundstück FlNr. .../1 zu schaffen, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat. Vielmehr legen die Festsetzung eines Leitungsrechts (§ 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB) innerhalb der Grünfläche durch Nr. 3.14 der textlichen Festsetzungen sowie der Zusatz in Nr. 3.17 der textlichen Festsetzungen, wonach die private Grünfläche „nicht überbaut werden darf“, nahe, dass mit dieser Festsetzung ein Wartungs- und Instandhaltungsstreifen für die von dem festgesetzten Leitungsrecht betroffene Abwasserleitung freigehalten werden sollte. Für eine Abgrenzung von Gebieten mit verschiedenen Nutzungsarten bedarf es keiner Festsetzung einer nicht überbaubaren privater Grünfläche, insbesondere wenn es sich - wie hier (Mischgebiet neben Gewerbegebiet) - um ein Gebiet der hinsichtlich seiner Schutzwürdigkeit (vgl. § 50 BImSchG) nächsten Baugebietskategorie (vgl. § 1 Abs. 2 BauNVO) handelt.

Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass nach dem Willen der Beklagten die Straße „Am P.“ die einzige Straßenfläche sein sollte, durch die die Grundstücke im Plangebiet erschlossen werden, findet in den Planaufstellungsunterlagen keine Stütze. Die Fortsetzung der Straßenverkehrsfläche „Am P.“ durch eine 5 m breite, bis an die Grenze des Plangebiets reichende Stichstraße im Norden (FlNr. .../5) und eine zwischen den Grundstücken FlNr. .../4 und .../12 abzweigende, 3 m breite Wegefläche im Osten (FlNr. .../8), durch die auch Grundstücke außerhalb des Plangebiets erschlossen werden, sprechen vielmehr für das Gegenteil. Aus der nachrichtlichen Darstellung einer Zufahrt auf dem Grundstück FlNr. ... ergibt sich nichts anderes, weil hieraus nicht gefolgert werden kann, dass die Erschließung des Grundstücks FlNr. .../1 ausschließlich über diese Zufahrt erfolgen soll. Weitere Anhaltspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass eine Durchbrechung der festgesetzten Grünfläche durch die ca. 3,5 m breite Zufahrt der Planungskonzeption der Beklagten widerspricht, sind nicht ersichtlich.

2. Es fehlt aber an einem hinreichend bestimmten Bauantrag.

Unbeschadet dessen, dass die Schaffung einer (privaten) Zufahrt nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 BayBO verfahrensfrei ist, bedurfte das Vorhaben des Klägers nachArt. 63 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BayBO i. V. m. Art. 31 Abs. 2 BauGB eines schriftlichen Antrags auf Erteilung einer isolierten Befreiung von der Festsetzung der nicht überbaubaren privaten Grünfläche mit hinreichender Begründung. Ein solcher Antrag war nicht deswegen entbehrlich, weil diese Festsetzung unwirksam wäre, wie der Kläger geltend macht. Selbst wenn die Festsetzung abwägungsfehlerhaft sein sollte, weil sich Gemeinde nicht mit den Entschädigungsfolgen auseinander gesetzt hat (vgl. BVerwG, U. v. 24.2.2003 - 4 BN 14/03 - NuR 2004, 310 = juris Rn. 4), wäre dieser Mangel nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB inzwischen unbeachtlich geworden.

Nach Art. 63 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BayBO gilt die Antrags- und Begründungspflicht des Art. 63 Abs. 1 BayBO entsprechend für Anlagen, die keiner Genehmigung bedürfen. Da verfahrensfreie Bauvorhaben nach Art. 57 BayBO keinem Prüfverfahren unterworfen sind, für sie aber nachArt. 55 Abs. 2 BayBO gleichwohl die materiellen bauordnungsrechtlichen Anforderungen sowie nach§ 29 BauGB die bauplanungsrechtlichen Anforderungen der§§ 30 ff. BauGB gelten, ist bei Widersprüchen zu den materiellen Anforderungen ein isoliertes Abweichungsverfahren erforderlich, das durch den Antrag nach Art. 63 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BayBO eingeleitet wird (vgl. Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung 2008, Stand Mai 2015, Art. 63 Rn. 48). Zwar ist die Begründungspflicht keine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag, weil Art. 63 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BayBO lediglich als Ordnungsvorschrift zu verstehen ist (vgl. LT-Drs. 15/7161 S. 69). Da es aber dem Bauherrn als Verantwortlichem obliegt, die nach den öffentlichrechtlichen Vorschriften erforderlich Anträge, Anzeigen und Nachweise vorzulegen (vgl. Art. 50 Abs. 1 Satz 2 BayBO), hat er mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann mit der gebotenen Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) über den Antrag entschieden werden. Der Antrag legt fest, für welches Vorhaben eine Befreiung zugelassen werden und was der zu beurteilende Verfahrensgegenstand beinhalten soll. Der Gegenstand des Antrags bestimmt somit Inhalt und Gegenstand der Baugenehmigung (vgl. Gaßner in Simon/Busse, a.a.O, Art. 64 Rn. 21 und 23) und muss deshalb insgesamt vollständig, eindeutig und prüffähig sein (vgl. Gaßner in Simon/Busse, a.a.O, Art. 64 Rn. 32 und 75). Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBO findet entsprechende Anwendung (so auch Dhom in Simon/Busse, a. a. O., Art. 63 Rn. 48, vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Nr. 9 BauVorlV). Der Amtsermittlungsgrundsatz (Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG) verpflichtet die Baugenehmigungsbehörde nicht, von sich aus alle denkbaren Bebauungsmöglichkeiten zu überprüfen und aus möglichen Alternativen ein genehmigungsfähiges Vorhaben herauszusuchen (vgl. BayVGH, B. v. 27.9.2006 - 1 ZB 06.61 - juris Rn. 24; B. v. 14.5.2007 - 1 ZB 06.225 - juris Rn. 13; VGH BW vom 15.3.1994 - 8 S 2571/93 - BauR 1995, 73).

Diesen Anforderungen wird der Antrag des Klägers nicht gerecht, weil sich aufgrund der mit ihm vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend beurteilen lässt, ob für das Vorhaben die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt sind oder nicht. Insbesondere ist nicht erkennbar, ob der - allein in Betracht kommende - Befreiungstatbestand des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB gegeben ist, wonach die Abweichung städtebaulich vertretbar sein muss. Der Befreiungsgrund der offenbar nicht beabsichtigten Härte (§ 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) wegen der unzureichenden Erschließung des Grundstücks FlNr. .../1 scheidet aus, weil der Kläger die Umstände, die die fehlenden Erschließung dieses Grundstücks zur Folge haben, durch einseitige Löschungsbewilligung vom 2. März 2012 selbst herbeigeführt hat (vgl. Rieger in Schröter, Baugesetzbuch, 8. Aufl. 2015, § 31 Rn. 35).

Städtebaulich vertretbar und damit möglicher Gegenstand einer Befreiung ist eine Abweichung, wenn das Vorhaben - bei Beachtung vor allem der Planungsgrundsätze (§ 1 Abs. 5 und 6 BauGB) und des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7,§ 2 Abs. 3 BauGB) auch durch eine Änderung des Bebauungsplan zugelassen werden könnte (BVerwG, B. v. 20.11.1989 - 4 B 163/89 - NVwZ 1990, 556 = juris Rn. 15; U. v. 19.9.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 = juris Rn. 24; VGH BW, U. v. 17.5.2013 - 3 S 1643/12 - NVwZ-RR 2013, 912 = juris Rn. 30; König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2015, Rn. 434 m. w. N.; vgl. auch BT-Drs. 10/4630, S. 85 unter ausdrücklicher Anführung von § 1 Abs. 5 und 6 BauGB 1986). Diese Frage ist nicht abstrakt zu beurteilen, sondern anhand der konkreten Gegebenheiten und danach, ob das Leitbild einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gewahrt bleibt, das dem konkreten Plan zugrunde liegt, von dessen Festsetzungen abgewichen werden soll (vgl. BVerwG, U. v. 17.12.1998 - 4 C 16/97 - BVerwGE 108, 190 = juris Rn. 36; Rieger in Schröter, Baugesetzbuch, 8. Aufl. 2015, § 31 Rn. 31).

Im vorliegenden Fall kann mangels einer näheren Betriebsbeschreibung des Gewerbebetriebs des Kläger nicht abschließend beurteilt werden, wie sich die geplante Zufahrt über das Grundstück FlNr. .../14 auf die benachbarten Grundstücke im Hinblick auf die Lärm- und Staubbelastung durch von und zu dem gewerblichen Hinterliegergrundstück des Klägers fahrende Fahrzeuge auswirkt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Grundstücke FlNr. .../9, .../10 und .../13, die nicht im Eigentum des Klägers stehen. Die Angaben des Klägers beim gerichtliche Augenschein des Verwaltungsgerichts am 15. Mai 2013, dass „er von ca. zehn Fahrbewegungen am Tag ausgehe“, wobei „die Fahrzeuge das Betriebsgrundstück am Morgen verlassen und am Abend zurückkehren würden“, die „Maximaltonnage an Fahrzeugen derzeit 7,5 t betrage“, „ab und zu ein Lieferant käme, er eventuell einen 12-Tonner auf der Zufahrt bewegen würde“ und „als Unterlage der Zufahrt ein Kies-Schotterunterbau vorgesehen sei, auf dem eine Feinkiesschicht verlegt werde“ sind sowohl hinsichtlich der Anzahl der Fahrzeuge als auch der Zeitangaben zu vage und reichen für die Beurteilung der Frage, ob die Befreiung für die Zufahrt ohne Verstoß gegen das Abwägungsgebot zugelassen werden kann, nicht aus. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass die Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036) von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts im festgesetzten Mischgebiet nicht überschritten würden, lässt er außer Acht, dass Lärmschutzinteressen in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB grundsätzlich nicht erst dann zu berücksichtigen sind, wenn die Geräuschbeeinträchtigungen als schädliche Umwelteinwirkungen zu qualifizieren sind, sondern bereits das Interesse abzuwägen ist, vor vermehrten Verkehrslärmimmissionen bewahrt zu bleiben (vgl. BVerwG vom 8.6.2004 - 4 BN 19/04 - BauR 2005, 829 = juris Rn. 6; B. v. 17.2.2010 - 4 BN 59/09 - BauR 2010, 1180 = juris Rn. 4). Nicht abwägungsrelevant sind nur solche Interessen, die nicht schutzwürdig sind oder mit so geringem Gewicht zu Buche schlagen, dass sie als vernachlässigenswerte Größe außer Betracht bleiben können. Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht ersichtlich.

Aus demselben Grund kann nicht beurteilt werden, ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht; ein Vorhaben mit solchen Auswirkungen kann, wenn sich seine Zulässigkeit nach einem Bebauungsplan bestimmt, nicht durch eine Befreiung, sondern allenfalls durch eine förmliche (Um-) Planung ermöglicht werden (U. v. 9.6.1978 - 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71/79 = juris Rn. 28; 19.9.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50/53 = juris Rn. 26; U. v. 2.2.2012 - 4 C 14/10 - BVerwGE 142, 1 = juris Rn. 21 ff. m. w. N.). Dies könnte hier wegen der Lärm- und Staubbeeinträchtigungen der Nachbarschaft der Fall sein. Mangels Bauvorlagen kann zudem nicht beurteilt werden, ob die Befestigung mit einem Kies-Schotterunterbau und einer Feinkiesschicht sowie die Breite der Zufahrt vor allem in den Einmündungsbereichen ausreichend ist, den vom Betrieb des Klägers hervorgerufenen Schwerlastverkehr aufzunehmen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2,§ 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO) liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in§ 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in§§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG).

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Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 08. Dez. 2015 - 15 B 14.1840 zitiert 25 §§.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 67


(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Baugesetzbuch - BBauG | § 1 Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung


(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten. (2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 133


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen.

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 3 Gerichtliche Vertretung


(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich: 1. § 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 5 Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet


Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 144


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwa

Baugesetzbuch - BBauG | § 9 Inhalt des Bebauungsplans


(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden: 1. die Art und das Maß der baulichen Nutzung;2. die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;2a. vom

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 1 Allgemeine Vorschriften für Bauflächen und Baugebiete


(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als 1.Wohnbauflächen(W)2.gemischte Bauflächen(M)3.gewerbliche Bauflächen(G)4.Sonderbauflächen

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 125


(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung. (2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann

Baugesetzbuch - BBauG | § 2 Aufstellung der Bauleitpläne


(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen. (2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können

Baugesetzbuch - BBauG | § 29 Begriff des Vorhabens; Geltung von Rechtsvorschriften


(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30

Baugesetzbuch - BBauG | § 215 Frist für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften


(1) Unbeachtlich werden 1. eine nach § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften,2. eine unter Berücksichtigung des § 214 Absatz 2 beachtliche Verletzung der Vorschriften über das

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 917 Notweg


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Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 50 Planung


Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU in B

Baugesetzbuch - BBauG | § 40 Entschädigung in Geld oder durch Übernahme


(1) Sind im Bebauungsplan 1. Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen,2. Flächen für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf,3. Flächen mit besonderem Nutzungszweck,4. von der Bebauung freizuhaltende Schutzflächen und Flächen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 918 Ausschluss des Notwegrechts


(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. (2) Wird infolge der Veräußerung eines Teils

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2016 - 15 ZB 15.468

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 195.000 € festgeset

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Juni 2018 - 15 ZB 17.635

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für das Zulassungsve

Referenzen

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Sind im Bebauungsplan

1.
Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen,
2.
Flächen für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf,
3.
Flächen mit besonderem Nutzungszweck,
4.
von der Bebauung freizuhaltende Schutzflächen und Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor Einwirkungen,
5.
Verkehrsflächen,
6.
Versorgungsflächen,
7.
Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen,
8.
Grünflächen,
9.
Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen,
10.
Flächen für Gemeinschaftsstellplätze und Gemeinschaftsgaragen,
11.
Flächen für Gemeinschaftsanlagen,
12.
von der Bebauung freizuhaltende Flächen,
13.
Wasserflächen, Flächen für die Wasserwirtschaft, Flächen für Hochwasserschutzanlagen und Flächen für die Regelung des Wasserabflusses,
14.
Flächen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft
festgesetzt, ist der Eigentümer nach Maßgabe der folgenden Absätze zu entschädigen, soweit ihm Vermögensnachteile entstehen. Dies gilt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 in Bezug auf Flächen für Sport- und Spielanlagen sowie des Satzes 1 Nummer 4 und 10 bis 14 nicht, soweit die Festsetzungen oder ihre Durchführung den Interessen des Eigentümers oder der Erfüllung einer ihm obliegenden Rechtspflicht dienen.

(2) Der Eigentümer kann die Übernahme der Flächen verlangen,

1.
wenn und soweit es ihm mit Rücksicht auf die Festsetzung oder Durchführung des Bebauungsplans wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten oder es in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen, oder
2.
wenn Vorhaben nach § 32 nicht ausgeführt werden dürfen und dadurch die bisherige Nutzung einer baulichen Anlage aufgehoben oder wesentlich herabgesetzt wird.
Der Eigentümer kann anstelle der Übernahme die Begründung von Miteigentum oder eines geeigneten Rechts verlangen, wenn die Verwirklichung des Bebauungsplans nicht die Entziehung des Eigentums erfordert.

(3) Dem Eigentümer ist eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, wenn und soweit Vorhaben nach § 32 nicht ausgeführt werden dürfen und dadurch die bisherige Nutzung seines Grundstücks wirtschaftlich erschwert wird. Sind die Voraussetzungen des Übernahmeanspruchs nach Absatz 2 gegeben, kann nur dieser Anspruch geltend gemacht werden. Der zur Entschädigung Verpflichtete kann den Entschädigungsberechtigten auf den Übernahmeanspruch verweisen, wenn das Grundstück für den im Bebauungsplan festgesetzten Zweck alsbald benötigt wird.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird.

(2) Wird infolge der Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Veräußerung eines Teils steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht

1.
in der Sache selbst entscheiden,
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der im Revisionsverfahren nach § 142 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.

(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine als eingetragener Verein organisierte Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche. Im Jahre 1994 beantragte sie die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer "Syrisch-Orthodoxen Kirche mit Mausoleum" sowie eines "Gemeindezentrums". In der Bauzeichnung für das Untergeschoss der Kirche war eine "Krypta" mit zehn Grabkammern eingezeichnet.

2

Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beigeladenen zu 1, der das gesamte Plangebiet als Industriegebiet (GI) festsetzt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind "Ausnahmen nach § 9 Abs. 3 BauNVO und Nebenanlagen nach § 14 BauNVO" zugelassen.

3

Die Beklagte erteilte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für das Kirchengebäude und das Gemeindezentrum. Hinsichtlich der Krypta lehnte sie den Antrag unter Hinweis auf das versagte gemeindliche Einvernehmen der Beigeladenen zu 1 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch gegen die Ablehnung, ließ dann aber in der Bauzeichnung ihres Bauantrags die Zweckbestimmung "Krypta" durch "Abstellraum" ersetzen und die Grabkammern streichen. Die Beklagte hob daraufhin den ablehnenden Teil des Genehmigungsbescheides auf. Die Kirche ist mittlerweile errichtet und wird von der Klägerin als solche genutzt.

4

Im Jahre 2005 beantragte die Klägerin, im betreffenden Raum im Untergeschoss der Kirche eine Krypta "als privaten Bestattungsplatz ausdrücklich ausschließlich für verstorbene Geistliche" ihrer Kirche zu genehmigen. Entsprechend der ursprünglichen Planung ist der Einbau von zehn Grabkammern in Wandnischen vorgesehen, die nach Beisetzung durch dicht verfugte Stahlbetonplatten zur Raumseite hin verschlossen und mit beschrifteten Marmorverkleidungen versehen werden sollen. Die Krypta soll nur von außen zugänglich sein.

5

Das Gesundheitsamt beim Landratsamt Heilbronn stimmte der Krypta aus hygienischer Sicht unter Auflagen zu. Die Beigeladene zu 1 versagte wiederum das gemeindliche Einvernehmen. Die Beklagte lehnte den Bauantrag ab, der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau einer Krypta im Untergeschoss der Kirche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

7

Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 hat der Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat er zurückgewiesen. Die Umwandlung des betreffenden Abstellraums in eine Krypta sei eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung. Sie sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans widerspreche. Zwar handle es sich bei der Krypta um eine - städtebaulich gegenüber der Kirche eigenständig zu würdigende - Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des Ausnahmekatalogs des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Sie sei jedoch wegen Unverträglichkeit mit dem Charakter eines Industriegebiets unzulässig. Das Ermessen für eine ausnahmsweise Zulassung nach § 31 Abs. 1 BauGB sei deshalb entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht eröffnet. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsanlage schon die Grundzüge der Planung berühre, die auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei. Jedenfalls fehle es aber an Befreiungsgründen. Insbesondere erforderten es Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht, die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle zu errichten. Dies gelte auch im Lichte der Art. 4 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Das Bedürfnis, über eine Krypta in der eigenen Kirche zu verfügen, sei nicht zwingender Bestandteil der Religionsausübung der Klägerin. Der durch die Ablehnung unterhalb dieser Schwelle angesiedelte Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei durch den Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken gerechtfertigt, das im Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei. Eine diskriminierende Ungleichbehandlung im Verhältnis zur katholischen Kirche sei ebenfalls nicht zu erkennen.

8

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen die vorinstanzlichen Urteile und macht eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie ihrer Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV geltend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

Die Einrichtung einer Krypta im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin ist eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB, deren bauplanungsrechtliche Zulässigkeit an §§ 30 ff. BauGB zu messen ist (1). Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass diese Nutzungsänderung im Industriegebiet nicht im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann, weil sie mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets unvereinbar ist, steht im Einklang mit Bundesrecht (2). Bundesrechtswidrig sind demgegenüber die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung gestützt hat, dass die Krypta auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden könne (3). Da die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für eine abschließende Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen nicht ausreichen, war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (4).

11

1. Die beantragte Nutzung des Abstellraums im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin als Krypta ist eine vom Vorhabenbegriff des § 29 Abs. 1 BauGB umfasste, mit geringfügigen baulichen Änderungen verbundene Nutzungsänderung.

12

Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - NVwZ 1991, 264 m.w.N.; Beschlüsse vom 14. April 2000 - BVerwG 4 B 28.00 - juris Rn. 6 und vom 7. November 2002 - BVerwG 4 B 64.02 - BRS 66 Nr. 70 S. 327). Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird auch dann überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum durch die Änderung erweitert wird (Urteil vom 27. August 1998 - BVerwG 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 64). So liegen die Dinge hier. Die Nutzung als Begräbnisstätte ist heute für eine Kirche nicht mehr charakteristisch. Im vorliegenden Fall wurde die Krypta zudem von der im Jahre 1994 erteilten Baugenehmigung für die Errichtung der Kirche ausdrücklich ausgenommen und sollte - auf Anregung des Regierungspräsidiums Stuttgart letztlich auch aus der Sicht der Klägerin - einem Nachtrags-Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben.

13

Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB und damit Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung ist jedoch nicht - wie vom Verwaltungsgerichtshof angenommen - die Krypta als selbständige "Hauptanlage", sondern die Änderung von einer Kirche mit Abstellraum zu einer Kirche mit Krypta als Gesamtvorhaben. Geht es um die Änderung einer Nutzung, dürfen die bauliche Anlage und ihre Nutzung nicht getrennt beurteilt werden; sie bilden eine Einheit (Urteil vom 15. November 1974 - BVerwG 4 C 32.71 - BVerwGE 47, 185 <188>). Soll nicht die Nutzung der baulichen Anlage insgesamt, sondern - wie hier - lediglich eines bestimmten Teils der Anlage geändert werden, kann die bauplanungsrechtliche Prüfung hierauf nur beschränkt werden, wenn der betroffene Anlagenteil auch ein selbständiges Vorhaben sein könnte; er muss von dem Vorhaben im Übrigen abtrennbar sein (Urteil vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72 S. 204). Daran fehlt es hier. Der streitgegenständliche, unter dem Altar gelegene Raum ist untrennbar mit der Kirche im Übrigen verbunden. Nur weil dies so ist, möchte die Klägerin in der Krypta ihre Gemeindepriester beisetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass nach den Glaubensvorstellungen der Klägerin die Verpflichtung besteht, syrisch-orthodoxe Priester in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen (UA S. 17 und 27). Kirche und Krypta stehen deshalb als Gesamtvorhaben zur bauplanungsrechtlichen Prüfung.

14

Die Nutzungsänderung ist auch städtebaulich relevant, weil durch die Aufnahme der neuen Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - a.a.O.). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Trauern und Gedenken nicht nur im Innern der Kirche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sondern auch außerhalb des Kirchengebäudes bemerkbar sein werde. Wie sich aus den Äußerungen der Klägerin im Baugenehmigungsverfahren sowie aus den von ihr in Bezug genommenen externen Stellungnahmen zum Ritual des Totengedenkens ergebe, solle das Gedenken feierlich zelebriert werden; die Toten sollen mit gelegentlichen Feiern geehrt werden. Zudem sei es Brauch der syrisch-orthodoxen Christen, nach jedem samstäglichen Abendgottesdienst vor den Priestergruften Gedenkgebete zu zelebrieren und an bestimmten Sonntagen und an hohen kirchlichen Feiertagen die Gottesdienste mit einer feierlichen Prozession in die Krypta abzuschließen. Bereits diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme, dass durch die beantragte Nutzungsänderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, auch wenn der Verwaltungsgerichtshof Quantität und Dauer dieser "externen" Traueraktivitäten nicht näher beschrieben und sie "letztlich" selbst nicht für ausschlaggebend gehalten, sondern entscheidend auf die funktionsmäßige städtebauliche Qualität der Krypta als Begräbnisstätte abgestellt hat (UA S. 22).

15

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass eine Kirche mit Krypta zwar grundsätzlich unter die im Industriegebiet gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen für kirchliche Zwecke fällt, eine Ausnahme vorliegend aber wegen Unverträglichkeit dieser Nutzung mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets nicht erteilt werden kann. Dagegen gibt es aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

16

Das Kirchengrundstück liegt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung für das gesamte Plangebiet ein Industriegebiet (GI) gemäß § 9 BauNVO festsetzt. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermocht. Anhaltspunkte dafür haben sich auch im Revisionsverfahren nicht ergeben. Maßstab für die Zulässigkeit des Vorhabens ist deshalb grundsätzlich § 30 Abs. 1 BauGB. Im Industriegebiet ist eine Kirche mit Krypta nicht gemäß § 9 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig. Zu Recht konzentriert der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung deshalb zunächst auf die Frage, ob die beantragte Nutzungsänderung im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann.

17

a) Im Einklang mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Vorhaben eine Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Unter diesen Begriff fallen Anlagen, die unmittelbar kirchlich-religiösen Zwecken dienen, wie insbesondere ein dem Gottesdienst dienendes Kirchengebäude. Die von der Klägerin errichtete Kirche erfüllt diese Voraussetzungen. Die Krypta ist - wie bereits dargelegt - untrennbar mit der Kirche verbunden. Sie ist nicht nur ein privater Bestattungsplatz im Sinne des § 9 BestattG, sondern, weil sie der Bestattung von Gemeindepriestern dienen soll, die nach der Glaubensvorstellung der Klägerin nur in einem geweihten kirchlichen Raum beigesetzt werden dürfen, selbst Anlage für kirchliche Zwecke.

18

b) In Übereinstimmung mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit der beantragten Nutzungsänderung aber am ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit scheitert.

19

Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (Urteil vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof deshalb davon aus, dass die Gebietsverträglichkeit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung ist, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist.

20

Industriegebiete dienen gemäß § 9 Abs. 1 BauNVO ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Die Unterbringung erheblich störender Betriebe ist deshalb dem Industriegebiet vorbehalten und zugleich dessen Hauptzweck.

21

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit dieser allgemeinen Zweckbestimmung des Industriegebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Da Industriegebiete der einzige Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung sind, in dem erheblich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden können, sind die in § 9 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Industriegebiets nicht in Konflikt geraten können. Diese Voraussetzung erfüllt eine Kirche - mit oder ohne Krypta - bei typisierender Betrachtung nicht (vgl. auch Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21). Eine auf störunempfindliche Anlagen beschränkte ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit von "Anlagen für kirchliche Zwecke" im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO führt auch nicht dazu, dass dieses Tatbestandsmerkmal leer liefe. Das gilt bereits deshalb, weil nicht alle Anlagen für kirchliche Zwecke in gleicher Weise störempfindlich sind (vgl. etwa die Beispiele bei Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band V, Stand: Juni 2010, Rn. 82 zu § 4 BauNVO). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch eine störempfindliche Nutzung gebietsverträglich sein kann, etwa weil sie einem aus dem Gebiet stammenden Bedarf folgt, kann offen bleiben, weil weder seitens der Verfahrensbeteiligten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich ist, dass hier derartige die Gebietsverträglichkeit begründende Umstände gegeben sein könnten.

22

3. Bundesrechtswidrig sind jedoch die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Annahme gestützt hat, das Vorhaben könne auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden.

23

Ob die Umwandlung des Abstellraums in eine Krypta die Grundzüge der Planung berührt, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend entschieden. Nach seiner Auffassung fehlt jedenfalls ein Befreiungsgrund. Auch Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten es nicht, dass die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle eingerichtet werde. Das gelte auch bei Bewertung der Grabstättennutzung im Licht der Art. 4 und 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV (UA S. 25). Die Bestattung der Gemeindepriester in der Hauskirche sei kein zwingender Bestandteil der Religionsausübung (UA S. 27). Der verbleibende Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei gerechtfertigt. Die Krypta erfordere ein Umfeld der Ruhe und Andacht. Dieses Umfeld sei in dem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet. Zudem befinde sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt. Diese Situation widerspreche der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten in hohem Maße. Insofern werde der Achtungsanspruch der Verstorbenen verletzt, der sich nachwirkend aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebe. Darüber hinaus werde bei objektiver Betrachtung auch das durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt. Diese verfassungsimmanente Schranke setze sich gegenüber der Beeinträchtigung der Religionsausübungsfreiheit durch und sei auch verhältnismäßig. Dabei sei besonders zu berücksichtigen, dass die Krypta keinesfalls nur am vorgesehenen Ort, sondern (zusammen mit der Kirche) an anderer geeigneter Stelle errichtet werden könnte oder damals hätte errichtet werden können. Das Planungsrecht biete zahlreiche Möglichkeiten, um städtebaulich die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen (UA S. 28 f.).

24

Mit diesen Erwägungen kann das Vorliegen eines Befreiungsgrundes nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht verneint werden.

25

a) Gründe des Wohls der Allgemeinheit beschränken sich nicht auf spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern erfassen alles, was gemeinhin unter öffentlichen Belangen oder öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wie sie beispielhaft etwa in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgelistet sind (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <76>). Vom Wortlaut des § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB erfasst werden die Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge zwar nur, soweit sie von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellt werden. Die in den Glaubensvorstellungen wurzelnden Belange privatrechtlich organisierter Kirchen und Religionsgesellschaften sind jedoch ebenfalls als öffentliche Belange zu berücksichtigen, sei es als kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB oder als ein in dem nicht abschließenden Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB nicht ausdrücklich erwähnter Belang (VGH München, Urteil vom 29. August 1996 - 26 N 95.2983 - VGH n.F. 49, 182 <186> = NVwZ 1997, 1016 <1017 f.> m.w.N.). Das gilt jedenfalls, wenn die betreffende Kirchengemeinde - wie dies bei der Klägerin der Fall sein dürfte - eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern hat.

26

b) Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

27

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Bedürfnis der Klägerin, ihre verstorbenen Gemeindepriester in der eigenen Kirche beisetzen zu können, kein zwingender Bestandteil ihrer Religionsausübung ist. Nach ihrer Begräbnisregel sei es zwar verboten, syrisch-orthodoxe Priester zusammen mit den Gemeindeangehörigen auf normalen Friedhöfen zu bestatten. Es bestehe die Verpflichtung, diesen Personenkreis in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen. Die Beisetzung müsse jedoch nicht zwingend in der "Hauskirche" erfolgen (UA S. 27).

28

Diese Feststellungen stehen der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht entgegen. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern die Zulassung der Krypta auch, wenn Alternativen zur Beisetzung in der eigenen Kirche an sich in Betracht kommen, der Klägerin aber unter den gegebenen Umständen nicht zugemutet werden können. Dass die Klägerin theoretisch an anderer Stelle eine Kirche mit Krypta neu errichten könnte, genügt nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann eine Befreiung auch nicht mit dem Argument verweigert werden, dass es planungsrechtlich bereits bei Errichtung der Kirche möglich gewesen wäre, an anderer geeigneter Stelle die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Maßgebend für die Zumutbarkeit ist vielmehr, ob der Klägerin tatsächlich zu nicht unangemessenen Bedingungen ein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta auf dem Gebiet der Beklagten zur Verfügung gestanden hätte oder, wenn dies nicht der Fall war, ob sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat. Feststellungen hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin ein besser geeignetes Grundstück zur Verfügung gestanden hätte, sind jedenfalls nach Aktenlage nicht ersichtlich. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat das Regierungspräsidium selbst angeregt, dass über die Zulässigkeit einer Krypta im Rahmen eines Nachtragsbaugesuchs entschieden wird. Ausgehend hiervon dürfte der Klägerin nicht entgegengehalten werden können, dass sie den Anspruch auf eine Krypta nicht bereits vor Errichtung der Kirche gerichtlich geltend gemacht hat. Mangels tatsächlicher Feststellungen kann der Senat hierüber jedoch nicht abschließend entscheiden. Eine Bestattung der Gemeindepriester in einem niederländischen Kloster kann der Klägerin wegen der großen Entfernung von fast 500 km jedenfalls nicht zugemutet werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Einwand "gut nachvollziehen" können (UA S. 27). Er hat ihn jedoch nicht - wie es geboten gewesen wäre - im Rahmen des "Erforderns" als für eine Befreiung sprechenden Umstand gewürdigt.

29

Die Annahme eines Befreiungsgrundes gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB scheitert auch nicht daran, dass die Krypta - wie der Verwaltungsgerichtshof anführt - an der vorgesehenen Stelle "bauplanungsrechtlich unzulässig" sei (UA S. 25). Richtig ist zwar, dass die Krypta weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann und - so ist zu ergänzen - wohl auch bereits die Kirche am betreffenden Standort nicht hätte genehmigt werden dürfen. Dies stellt jedoch kein Hindernis für die Erteilung einer Befreiung dar, sondern eröffnet im Gegenteil erst den Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 BauGB.

30

Schließlich darf bei der einzelfallbezogenen Prüfung des Befreiungsgrundes nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier eine Nutzungserweiterung in Frage steht, die zwar bei typisierender Betrachtung gebietsunverträglich ist, aber "vernünftigerweise" an ein vorhandenes Kirchengebäude anknüpft, das aufgrund bestandskräftiger Baugenehmigung im genehmigten Umfang formal legal weitergenutzt werden darf. Das gilt umso mehr, wenn die bestandsgeschützte Kirchennutzung - wie hier - im Einvernehmen mit der Gemeinde genehmigt wurde, die Gemeinde also gewissermaßen selbst den Keim für "vernünftigerweise gebotene" Nutzungserweiterungen gelegt hat. Ob die sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen an eine Begräbnisstätte der Befreiung entgegen stehen, ist keine Frage des Befreiungsgrundes, sondern der weiteren Voraussetzung, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss.

31

4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich geprüft. Auch mit den dargelegten grundrechtlichen Erwägungen verfehlt er die nach § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Prüfungsmaßstäbe. Für eine eigene abschließende Beurteilung dieser Frage durch den Senat fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen (a). Nicht abschließend entschieden hat der Verwaltungsgerichtshof, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Auch der Senat ist hierzu nicht in der Lage (b).

32

a) Der Verwaltungsgerichtshof verfehlt die gemäß § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Maßstäbe, soweit er der Religionsausübungsfreiheit der Klägerin den Achtungsanspruch der Toten und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken abstrakt gegenübergestellt und hierbei maßgebend auf die Typik und die Eigenart des Industriegebiets abgestellt hat, anstatt die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

33

Geboten ist eine Betrachtung, die die bisherige Situation (hier: Kirche ohne Krypta) dem durch die Abweichung zu ermöglichenden Gesamtvorhaben (hier: Kirche mit Krypta) gegenüberstellt und die Vereinbarkeit des sich daraus ergebenden Unterschieds mit öffentlichen Belangen untersucht. Welche Umstände als öffentliche Belange im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. In Betracht kommen insbesondere die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten öffentlichen Belange (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <78>), auch solche, die nicht in der gemeindlichen Planungskonzeption ihren Niederschlag gefunden haben (Roeser, in: Berliner Kommentar, 3. Aufl., Stand: August 2010, Rn. 17 zu § 31; vgl. auch Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <54>). Ist die Befreiung mit einem öffentlichen Belang in beachtlicher Weise unvereinbar, so vermag sich der die Befreiung rechtfertigende Gemeinwohlgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht durchzusetzen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77 f.). Da der Plan gerade unter den Nachbarn einen Ausgleich von Nutzungsinteressen zum Inhalt hat, muss ferner darauf abgehoben werden, ob in den durch den Bebauungsplan bewirkten nachbarlichen Interessenausgleich erheblich störend eingegriffen wird (Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

34

Diesen bauplanungsrechtlichen Anforderungen werden die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs auch der Sache nach nicht in jeder Hinsicht gerecht. Zutreffend ist zwar, dass auch der Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken als öffentliche Belange im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht kommen, wobei offen bleiben kann, ob der Verwaltungsgerichtshof mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG die richtige grundrechtliche Anknüpfung gewählt hat. Mit den abstrakten Erwägungen, dass eine Krypta ein städtebauliches Umfeld der Ruhe und Andacht erfordere, um der Totenruhe und der Würde der Toten Rechnung zu tragen, und dass dieses Umfeld in einem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei, ferner, dass "bei objektiver Betrachtung" das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt werde, lässt sich die Versagung einer Befreiung nicht begründen. Maßgebend ist, ob im konkreten Einzelfall ausnahmsweise auch eine Begräbnisstätte in einem Industriegebiet den sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen genügt. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch die konkreten örtlichen Verhältnisse in den Blick genommen und darauf abgehoben hat, dass sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt befinde, in der auch im Schichtbetrieb gearbeitet werde und teilweise auch Lkw-Verkehr im Grenzbereich stattfinde, was in hohem Maße der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten widerspreche (UA S. 28), fehlen jedenfalls Feststellungen dazu, inwieweit dieser Belang durch die Geschäftigkeit und Betriebsamkeit der industriellen Umgebung konkret beeinträchtigt werden kann, obwohl die Krypta in dem gegenüber der Außenwelt abgeschirmten Kircheninnern gelegen ist. Ähnliches gilt, soweit der Verwaltungsgerichtshof "bei objektiver Betrachtung" auch das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt sieht. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass die Beisetzung in einem geweihten Kirchenraum nach den Glaubensvorstellungen nicht nur der Syrisch-Orthodoxen Kirche eine besonders würdevolle Form der Bestattung ist.

35

Es fehlen auch Feststellungen, inwieweit durch die Zulassung der Abweichung nachbarliche Interessen konkret betroffen werden können, etwa, ob und gegebenenfalls in welcher Intensität gewerbliche Nutzungen in der Umgebung der Kirche durch die Krypta mit Nutzungseinschränkungen rechnen müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mögliche Nutzungskonflikte bereits mit der Errichtung und Nutzung der Kirche entstanden sein dürften. Allein auf die Feststellung, dass das Trauern und Gedenken auch außerhalb des Kirchengebäudes "bemerkbar" sein werde (UA S. 21), kann die Ablehnung einer Befreiung nicht gestützt werden, weil dies auch auf die in einer Kirche ohne Krypta abgehaltenen Beerdigungs- und Trauergottesdienste zutrifft.

36

b) Mit der Formulierung, es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsstätte die Grundzüge der Planung berühre, hat der Verwaltungsgerichtshof zwar deutlich gemacht, dass er dieser Auffassung zuneigt. Tragend festgelegt hat er sich insoweit aber nicht. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen lässt sich derzeit auch hierzu Abschließendes nicht sagen.

37

Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschlüsse vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 S. 2 und vom 19. Mai 2004 - BVerwG 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83). Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band II, Stand: Juni 2010, Rn. 35 zu § 31 BauGB).

38

Zur ersten Frage hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Planung - zum maßgeblichen Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970, aber auch nach der tatsächlichen Bebauung - auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei (UA S. 25). Weder die Festsetzungen noch die Begründung des Bebauungsplans enthielten Hinweise für die Absicht des Plangebers, das Baugebiet in einer vom Regelfall des § 9 Abs. 1 BauGB abweichenden Weise auszugestalten. Auch die seither verwirklichten Gewerbebetriebe in der näheren und weiteren Umgebung der Kirche ließen eine geradezu "klassische" Industriegebietsnutzung erkennen (UA S. 24), die vorhandenen Betriebe im Bebauungsplangebiet entsprächen der Nutzungsstruktur eines normtypischen Industriegebiets geradezu beispielhaft (UA S. 21). Diese Feststellungen haben zwar Tatsachen (§ 137 Abs. 2 VwGO) sowie die Auslegung des Bebauungsplans als Teil des nicht revisiblen Landesrechts (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) zum Gegenstand. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber mehrere für die Grundzüge der Planung bedeutsame Umstände außer Acht gelassen. Soweit er auf den Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970 abstellt, hat er unberücksichtigt gelassen, dass die Plangeberin in Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans (konfliktträchtige) Ausnahmenutzungen gemäß § 9 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich zugelassen hat. Auch wenn diese Festsetzung nicht über das hinausgeht, was gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 3 BauNVO auch ohne sie gegolten hätte, bedarf es der Prüfung, welche Bedeutung dem Umstand, dass sich die Gemeinde gleichwohl zu einer ausdrücklichen Regelung veranlasst gesehen hat, bei der Bestimmung der Planungskonzeption beizumessen ist. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch auf die tatsächliche Bebauung im Industriegebiet abgestellt hat, hätte er nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass nicht nur Gewerbebetriebe verwirklicht wurden, sondern im Einvernehmen mit der Beigeladenen zu 1 auch die Kirche der Klägerin. Das ist ein Umstand, dem eine starke Indizwirkung für eine auch gegenüber konfliktträchtigen Ausnahmenutzungen offene Planungskonzeption zukommen kann.

39

Zu der weiteren Frage, ob die planerische Grundkonzeption durch die Befreiung berührt würde, hat der Verwaltungsgerichtshof keine Feststellungen getroffen. Verlässliche Rückschlüsse lassen auch die in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen nicht zu. Diese Feststellungen wird der Verwaltungsgerichtshof nachzuholen haben, falls es für seine Entscheidung hierauf ankommt. Weil eine planerische Grundkonzeption durch ein Vorhaben nicht mehr berührt werden kann, wenn der mit der Planung verfolgte Interessenausgleich bereits durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet nachhaltig gestört ist (zutreffend VGH München, Urteil vom 9. August 2007 - 25 B 05.1337 - juris Rn. 41; nachfolgend Beschluss vom 28. April 2008 - BVerwG 4 B 16.08 -), wird er sich hierbei auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob die Grundzüge der Planung bereits durch die Errichtung und Nutzung der Kirche nachhaltig gestört sind und deshalb durch das Hinzutreten der Krypta nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können.

Tatbestand

1

Streitgegenstand ist eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Krematoriums mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet, die die Beklagte der Beigeladenen im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilt hat.

2

Die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der das hier betroffene Gebiet als Gewerbegebiet festsetzt. Das Grundstück der Beigeladenen liegt am nördlichen Rand des Gewerbegebiets und grenzt an ein Waldgebiet mit Wiese und Aufforstungen an. Die technischen Bereiche des Krematoriums sind dem Gewerbegebiet zugewandt, während die Bereiche für Besucher, insbesondere der Abschiedsraum in Richtung des Waldgebiets liegen. Die Zufahrt zum Krematorium erfolgt über eine Straße außerhalb des Gewerbegebiets. Das Krematorium ist mittlerweile errichtet und in Betrieb.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Baugenehmigung abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Vorhaben sei nicht schon als Gewerbebetrieb nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig, weil es der Zweckbestimmung des Gebiets widerspreche. Ein Krematorium mit Abschiedsraum sei jedoch eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, wobei diese Vorschrift nur solche Anlagen erfasse, die - wie hier - dem Gemeinbedarf dienten. Die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum wegen des Bedürfnisses, das Abschiednehmen von den Verstorbenen in ein kontemplatives Umfeld einzubetten, dem Leitbild eines Gewerbegebiets widerspreche. Gründe der Pietät und die Notwendigkeit eines kontemplativen Umfelds zwängen nicht dazu, Krematorien mit Pietätsräumen von vornherein ausnahmslos, ungeachtet ihrer konkreten Lage und Nachbarschaft in Gewerbegebieten als gebietsunverträglich auszuschließen. Abschiedsräume in Feuerbestattungsanlagen seien mit Kapellen und Betsälen vergleichbar, deren ausnahmsweise Zulässigkeit in Gewerbegebieten unbestritten sei. Von derartigen Anlagen unterscheide sich ein Krematorium im Wesentlichen durch den hinzutretenden gewerblich-technischen Charakter. Dieser sei mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets für sich gesehen sogar eher vereinbar als etwa eine kirchliche Anlage. Die ausnahmsweise Zulässigkeit des Krematoriums sei auch nicht durch § 15 Abs. 1 BauNVO ausgeschlossen. Durch den gewählten Standort des Krematoriums, seine bauliche Gestaltung und die Ausrichtung der Bereiche für den Publikumsverkehr sei eine pietätvolle Bestattung gewährleistet, die mit der werktäglichen Geschäftigkeit des Gewerbegebiets verträglich sei. Die angefochtene Baugenehmigung verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot.

4

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision: Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs der Anlage für kulturelle Zwecke entspreche weder dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO noch der Systematik der Baunutzungsverordnung noch dem Willen des Gesetzgebers. Es sei im Übrigen wenig überzeugend, die allgemeine Zulässigkeit des Vorhabens in einem Gewerbegebiet mangels Gebietsverträglichkeit zu verneinen, um dann im Ausnahmewege die Zulässigkeit mit der Begründung zu bejahen, es widerspreche nicht der Zweckbestimmung des Baugebiets.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist zwar die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein als Gemeinbedarfsanlage betriebenes Krematorium mit Abschiedsraum eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Eine solche Anlage verträgt sich aber nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets. Das Oberverwaltungsgericht verkennt die Anforderungen, die an das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit zu stellen sind. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung war daher aufzuheben.

6

1. Die Baugenehmigung ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts rechtswidrig. Die Beklagte hätte das Vorhaben der Beigeladenen nicht gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulassen dürfen.

7

1.1 Mit Bundesrecht im Einklang steht allerdings die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum unter den Begriff der Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO fällt.

8

"Anlagen für kulturelle Zwecke" sind nicht auf die traditionellen Bereiche der Kunst, Wissenschaft und Bildung beschränkt. Die Zweckbeschreibung bezeichnet Anlagen, die in einem weiten Sinne einen kulturellen Bezug aufweisen. Ein Krematorium mit Abschiedsraum hat einen kulturellen Bezug, der in der gesellschaftlichen Vorstellung von dem Umgang mit dem Tod wurzelt. Ebenso wie eine kirchliche Bestattungsanlage einem kirchlichen Zweck dient (Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 17), dient ein Krematorium als säkulare Bestattungseinrichtung einem kulturellen Zweck. Zur Feuerbestattung gehört nicht nur die Beisetzung der Asche des Verstorbenen in einer Grabstätte, sondern auch der Vorgang der Einäscherung der Leiche. Die Einäscherung ist Teil des Bestattungsvorgangs. Diese Form der Bestattung ist Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Bestattungskultur, zu der es auch gehört, in einem kontemplativen Umfeld von den Verstorbenen Abschied nehmen zu können.

9

Der Begriff der "Anlagen für kulturelle Zwecke", der nicht nur in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, sondern in zahlreichen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung Verwendung findet, ist ebenso offen angelegt wie die ebenfalls in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und anderen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung genannten Anlagen für kirchliche, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Die Baunutzungsverordnung verwendet die Begriffsgruppe als eine bewusst weit gefasste Kategorie. Sie ist für eine "dem Wandel der Zeiten" anpassungsfähige Auslegung offen (Urteil vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 4 C 16.97 - BVerwGE 108, 190 <197>). Damit sollen gerade auch neue Erscheinungsformen baulicher Vorhaben städtebaulich erfasst werden, um eine geordnete Bodennutzung und städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten. Dass sich im Laufe der Zeit das Begriffsverständnis und damit auch die Art der Anlagen ändern kann, die im jeweiligen Gebiet zulässig sind, ist vom Verordnungsgeber gewollt.

10

Eine weite Auslegung der Begriffsgruppe führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einer uferlosen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm. Die begriffliche Offenheit des Tatbestands wird in zweifacher Hinsicht begrenzt. Aus dem systematischen und historischen Zusammenhang wird deutlich, dass Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke nur die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB definierten Gemeinbedarfsanlagen sind. Die Baunutzungsverordnung hat die Begriffsgruppe von Anfang an auf Gemeinbedarfsanlagen beschränkt gesehen (Urteile vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 17.95 - BVerwGE 102, 351 <354> und vom 28. April 2004 - BVerwG 4 C 10.03 - Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15 S. 6). Darüber hinaus wirkt das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit begrenzend, das vor allem jene Nutzungsarten betrifft, die die Baunutzungsverordnung begrifflich verselbständigt und mehreren der Baugebietstypen in §§ 2 bis 9 BauNVO zugeordnet hat (Beschluss vom 6. Dezember 2000 - BVerwG 4 B 4.00 - Buchholz 406.12 § 7 BauNVO Nr. 4 S. 2).

11

1.2 Bei dem streitigen Krematorium handelt es sich - wie als eingrenzendes Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt - um eine Gemeinbedarfsanlage. Der Begriff des Gemeinbedarfs wird in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB näher bestimmt. Danach sind Gemeinbedarfsanlagen solche baulichen Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen. Beispielhaft werden Schulen und Kirchen sowie sonstigen kirchlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen aufgezählt. Der Allgemeinheit dient eine Anlage im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, wenn sie, ohne dass die Merkmale des Gemeingebrauchs erfüllt zu sein brauchen (Beschluss vom 18. Mai 1994 - BVerwG 4 NB 15.94 - NVwZ 1994, 1004 <1005>), einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung zugänglich ist. Gemeint sind Einrichtungen der Infrastruktur, die der Gesetzgeber dem Oberbegriff der "Einrichtungen und Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs" zugeordnet hat (Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 4 CN 7.03 - BVerwGE 121, 192 <195> = Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 101 S. 32 f.). Auf die Rechtsform des Einrichtungsträgers kommt es nicht entscheidend an (Urteil vom 12. Dezember 1996 a.a.O. S. 356). Die Trägerschaft kann auch in der Hand einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts liegen. Auch eine staatliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit kann je nach ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung geeignet sein, den vorausgesetzten Gemeinwohlbezug solcher Anlagen und Einrichtungen herzustellen, deren Leistungserbringung sich nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen vollzieht und auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 196 f.).

12

Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht beachtet und in Auslegung von Landesrecht und damit für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend (§ 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) festgestellt, dass nach den Bestimmungen des Bestattungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen eine hoheitliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit der Beklagten besteht, die den erforderlichen Gemeinwohlbezug der Anlage herstellt und die zudem durch den zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 6. September 2006 abgesichert wird, der bestimmt, dass die Beigeladene als Beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnimmt.

13

1.3 Ein Krematorium mit Abschiedsraum verträgt sich aber nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets.

14

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ist das Oberverwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum mangels Gebietsverträglichkeit nicht bereits gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in einem Gewerbegebiet allgemein zulässig ist (Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21).

15

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist ein Krematorium mit Abschiedsraum aber auch nicht im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet zulässig. Der Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, Gründe der Pietät und die Notwendigkeit eines kontemplativen Umfelds würden es nicht gebieten, Krematorien mit Pietätsräumen von vornherein ausnahmslos, ungeachtet ihrer konkreten Lage und Nachbarschaft in Gewerbegebieten als gebietsunverträglich auszuschließen, steht nicht in Übereinstimmung mit Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht verkennt die Anforderungen, die an das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit zu stellen sind.

16

Die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens innerhalb eines Baugebiets der Baunutzungsverordnung richtet sich nicht allein nach der Einordnung des Vorhabens in eine bestimmte Begriffskategorie (Nutzungs- oder Anlagenart), sondern auch nach der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets. Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (stRspr, vgl. nur Urteile vom 18. November 2010 - BVerwG 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 19 und vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6 m.w.N.). Diesen rechtlichen Maßstab hat das Bundesverwaltungsgericht in zahlreichen Fällen angelegt, in denen zu entscheiden war, ob ein Vorhaben nach der Art der Nutzung in dem jeweils festgesetzten Baugebiet allgemein (regelhaft) zulässig ist. Er gilt auch für die in einem Baugebiet ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Zwischen der Zweckbestimmung des Baugebiets und den jeweils zugeordneten Nutzungsarten besteht ein funktionaler Zusammenhang, der für die Auslegung und Anwendung jeder tatbestandlich normierten Nutzungsart maßgeblich ist (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.; Beschluss vom 28. Februar 2008 a.a.O. Rn. 7). Die nach den Baugebietsvorschriften nur ausnahmsweise zulässigen Nutzungen können die Eigenart eines Baugebiets zwar auch prägen. Diesem Muster folgt beispielsweise die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Immissionsverträglichkeit des Wohnens für bestimmte Baugebiete im Wege einer typisierenden Betrachtung zu modifizieren und unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 1 und § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise eine eingeschränkte Wohnnutzung zuzulassen, weil typischerweise ein gebietsspezifischer Bedarf besteht. Den in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genannten Anlagen fehlt es aber an einer funktionalen Ausrichtung auf den Zweck des jeweiligen Baugebiets. Solche Anlagen, die ohne nähere Umschreibung in fast allen Baugebieten der §§ 2 bis 9 BauNVO allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, können nach Größe, betrieblicher Ausrichtung, räumlichem Einzugsbereich und Immissionspotenzial von sehr unterschiedlicher Art sein.

17

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Baugebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 21). Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass im Geltungsbereich eines ausgewiesenen Baugebiets grundsätzlich auf jedem Baugrundstück die nach dem Katalog der Nutzungsarten der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung möglich sein soll. Das typische Störpotenzial kann nicht nur im Störgrad, sondern auch in der Störempfindlichkeit eines Vorhabens liegen. Im Rahmen dieser Beurteilung kommt es nicht auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft an. Unerheblich ist daher, dass das streitige Krematorium nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO durch den gewählten Standort, seine bauliche Gestaltung und die Ausrichtung der auf Publikumsverkehr ausgerichteten Bereiche eine pietätvolle Bestattung gewährleistet. Die Gebietsverträglichkeit ist der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vorgelagert.

18

Ein Krematorium mit Abschiedsraum verträgt sich nicht mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, das geprägt ist von werktätiger Geschäftigkeit. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen gearbeitet wird. Nach dem Leitbild der Baunutzungsverordnung ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Betrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können, sofern es sich um nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe handelt.

19

Ein Krematorium mit Abschiedsraum erweist sich in besonderer Weise als störempfindlich. Es stellt - ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Verbrennungsanlagen - ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen dar. Die Privatisierung dieser Art der Bestattung mag bewirkt haben, dass Krematorien auch an Standorten außerhalb eines Friedhofs angesiedelt werden. Das ändert aber nichts an der Anforderung, dass eine Bestattung ein würdevolles und kontemplatives Umfeld erfordert. Wie auch das Oberverwaltungsgericht angemerkt hat, ist nicht zu erkennen, dass sich die gesellschaftlichen Anschauungen im Umgang mit dem Tod wesentlich gewandelt haben. Der übliche Umgebungslärm und die allgemeine Geschäftigkeit eines Gewerbegebiets stehen dazu im Widerspruch. Eine derartige Umgebung ist regelmäßig geeignet, den Vorgang der Einäscherung als Teil der Bestattung in einer Weise gewerblich-technisch zu prägen, die mit der kulturellen Bedeutung eines Krematoriums mit Abschiedsraum nicht vereinbar ist.

20

2. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung kann nicht über § 31 Abs. 2 BauGB hergestellt werden. Eine Befreiung hat die Beklagte nicht erteilt; sie könnte auch nicht erteilt werden.

21

Der Umstand, dass eine Anlage in einem Baugebiet weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann, steht einer Befreiung zwar nicht von vornherein entgegen (Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 29). Es spricht viel dafür, dass das streitige Vorhaben Grundzüge der Planung berührt, wenngleich tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen. Eine Befreiung scheitert hier aber jedenfalls daran, dass es zur Bewältigung der gegenläufigen Nutzungskonflikte, die mit der Ansiedlung eines Krematoriums mit Abschiedsraum verbunden sind, einer Planung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf.

22

Der Gesetzgeber stellt mit der Abweichung nach § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft (Beschluss vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39). Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht (Urteile vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <79> und vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <53 f.>). Generelle, d.h. typischerweise mit der Zulassung eines bestimmten Vorhabens verbundene Nutzungskonflikte, die eine auf die Standortfrage ausgerichtete Planung mit Abwägung gegenläufiger Interessen erforderlich machen, lassen sich nicht im Wege einer Befreiung bewältigen. Was den Bebauungsplan in seinen "Grundzügen", was seine "Planungskonzeption" verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 78). Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in § 3 ff. BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter den in § 13 BauGB genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann (Urteil vom 4. August 2009 - BVerwG 4 CN 4.08 - BVerwGE 134, 264 Rn. 12).

23

Ein Krematorium mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet löst Nutzungskonflikte aus, die sich nur im Wege einer Abwägung bewältigen lassen. Wie dargelegt zeichnet sich ein Krematorium mit Abschiedsraum durch die Besonderheit der Gleichzeitigkeit von Störgrad und Störempfindlichkeit aus. Das führt zu bodenrechtlich relevanten Spannungen, die nur durch Planung zu lösen sind. Ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Anlage - mit Blick auf den Schutz der Gesundheit - entstehen bodenrechtliche Spannungen vor allem dadurch, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum in einer Umgebung anzusiedeln ist, die eine würdevolle Bestattung erlaubt. Der Schutz der Bestattung und des Totengedenkens fordert Rücksichtnahme durch die Nachbarschaft; zugleich ist Rücksichtnahme auf Nachbarn gefordert. Eine Koordination dieser widerstreitenden Belange lässt sich sachgerecht nur im Wege einer Abwägung unter Würdigung der öffentlichen und nachbarlichen Interessen sicherstellen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage des Standorts und seiner Anbindung. Diese Frage sowie die Frage nach Planungsalternativen fordert planerische Gestaltungsfreiheit unter Beachtung des Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Gesetzgeber stellt für diese städtebauliche Konfliktlage auch spezifische Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Art der baulichen Nutzung kann nicht nur durch die Festsetzung von Baugebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung erfolgen (Beschluss vom 13. Juli 1989 - BVerwG 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1 S. 5 - juris Rn. 11). Auch "Flächen für den Gemeinbedarf" legen die Art der baulichen Nutzung fest (Beschluss vom 23. Dezember 1997 - BVerwG 4 BN 23.97 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 86 - juris Rn. 7). § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB eröffnet nicht nur die Möglichkeit, sondern verweist auch auf die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung einer Gemeinbedarfsanlage im Fall eines städtebaulich relevanten Nutzungskonflikts. Sofern durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt, hat die Gemeinde überdies die Möglichkeit, ein sonstiges Sondergebiet gemäß § 11 Abs. 1 BauNVO festzusetzen.

24

3. Die rechtswidrige Baugenehmigung verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger kann sich auf bauplanungsrechtlichen Nachbarschutz berufen. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (Urteile vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 und vom 23. August 1996 - BVerwG 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364; Beschluss vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 4 B 55.07 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 32 Rn. 5). Ein Nachbar im Baugebiet kann sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden, wenn er - wie hier - durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird.

(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

Tatbestand

1

Streitgegenstand ist eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Krematoriums mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet, die die Beklagte der Beigeladenen im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilt hat.

2

Die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der das hier betroffene Gebiet als Gewerbegebiet festsetzt. Das Grundstück der Beigeladenen liegt am nördlichen Rand des Gewerbegebiets und grenzt an ein Waldgebiet mit Wiese und Aufforstungen an. Die technischen Bereiche des Krematoriums sind dem Gewerbegebiet zugewandt, während die Bereiche für Besucher, insbesondere der Abschiedsraum in Richtung des Waldgebiets liegen. Die Zufahrt zum Krematorium erfolgt über eine Straße außerhalb des Gewerbegebiets. Das Krematorium ist mittlerweile errichtet und in Betrieb.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Baugenehmigung abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Vorhaben sei nicht schon als Gewerbebetrieb nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig, weil es der Zweckbestimmung des Gebiets widerspreche. Ein Krematorium mit Abschiedsraum sei jedoch eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, wobei diese Vorschrift nur solche Anlagen erfasse, die - wie hier - dem Gemeinbedarf dienten. Die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum wegen des Bedürfnisses, das Abschiednehmen von den Verstorbenen in ein kontemplatives Umfeld einzubetten, dem Leitbild eines Gewerbegebiets widerspreche. Gründe der Pietät und die Notwendigkeit eines kontemplativen Umfelds zwängen nicht dazu, Krematorien mit Pietätsräumen von vornherein ausnahmslos, ungeachtet ihrer konkreten Lage und Nachbarschaft in Gewerbegebieten als gebietsunverträglich auszuschließen. Abschiedsräume in Feuerbestattungsanlagen seien mit Kapellen und Betsälen vergleichbar, deren ausnahmsweise Zulässigkeit in Gewerbegebieten unbestritten sei. Von derartigen Anlagen unterscheide sich ein Krematorium im Wesentlichen durch den hinzutretenden gewerblich-technischen Charakter. Dieser sei mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets für sich gesehen sogar eher vereinbar als etwa eine kirchliche Anlage. Die ausnahmsweise Zulässigkeit des Krematoriums sei auch nicht durch § 15 Abs. 1 BauNVO ausgeschlossen. Durch den gewählten Standort des Krematoriums, seine bauliche Gestaltung und die Ausrichtung der Bereiche für den Publikumsverkehr sei eine pietätvolle Bestattung gewährleistet, die mit der werktäglichen Geschäftigkeit des Gewerbegebiets verträglich sei. Die angefochtene Baugenehmigung verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot.

4

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision: Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs der Anlage für kulturelle Zwecke entspreche weder dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO noch der Systematik der Baunutzungsverordnung noch dem Willen des Gesetzgebers. Es sei im Übrigen wenig überzeugend, die allgemeine Zulässigkeit des Vorhabens in einem Gewerbegebiet mangels Gebietsverträglichkeit zu verneinen, um dann im Ausnahmewege die Zulässigkeit mit der Begründung zu bejahen, es widerspreche nicht der Zweckbestimmung des Baugebiets.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist zwar die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein als Gemeinbedarfsanlage betriebenes Krematorium mit Abschiedsraum eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Eine solche Anlage verträgt sich aber nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets. Das Oberverwaltungsgericht verkennt die Anforderungen, die an das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit zu stellen sind. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung war daher aufzuheben.

6

1. Die Baugenehmigung ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts rechtswidrig. Die Beklagte hätte das Vorhaben der Beigeladenen nicht gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulassen dürfen.

7

1.1 Mit Bundesrecht im Einklang steht allerdings die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum unter den Begriff der Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO fällt.

8

"Anlagen für kulturelle Zwecke" sind nicht auf die traditionellen Bereiche der Kunst, Wissenschaft und Bildung beschränkt. Die Zweckbeschreibung bezeichnet Anlagen, die in einem weiten Sinne einen kulturellen Bezug aufweisen. Ein Krematorium mit Abschiedsraum hat einen kulturellen Bezug, der in der gesellschaftlichen Vorstellung von dem Umgang mit dem Tod wurzelt. Ebenso wie eine kirchliche Bestattungsanlage einem kirchlichen Zweck dient (Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 17), dient ein Krematorium als säkulare Bestattungseinrichtung einem kulturellen Zweck. Zur Feuerbestattung gehört nicht nur die Beisetzung der Asche des Verstorbenen in einer Grabstätte, sondern auch der Vorgang der Einäscherung der Leiche. Die Einäscherung ist Teil des Bestattungsvorgangs. Diese Form der Bestattung ist Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Bestattungskultur, zu der es auch gehört, in einem kontemplativen Umfeld von den Verstorbenen Abschied nehmen zu können.

9

Der Begriff der "Anlagen für kulturelle Zwecke", der nicht nur in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, sondern in zahlreichen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung Verwendung findet, ist ebenso offen angelegt wie die ebenfalls in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und anderen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung genannten Anlagen für kirchliche, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Die Baunutzungsverordnung verwendet die Begriffsgruppe als eine bewusst weit gefasste Kategorie. Sie ist für eine "dem Wandel der Zeiten" anpassungsfähige Auslegung offen (Urteil vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 4 C 16.97 - BVerwGE 108, 190 <197>). Damit sollen gerade auch neue Erscheinungsformen baulicher Vorhaben städtebaulich erfasst werden, um eine geordnete Bodennutzung und städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten. Dass sich im Laufe der Zeit das Begriffsverständnis und damit auch die Art der Anlagen ändern kann, die im jeweiligen Gebiet zulässig sind, ist vom Verordnungsgeber gewollt.

10

Eine weite Auslegung der Begriffsgruppe führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einer uferlosen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm. Die begriffliche Offenheit des Tatbestands wird in zweifacher Hinsicht begrenzt. Aus dem systematischen und historischen Zusammenhang wird deutlich, dass Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke nur die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB definierten Gemeinbedarfsanlagen sind. Die Baunutzungsverordnung hat die Begriffsgruppe von Anfang an auf Gemeinbedarfsanlagen beschränkt gesehen (Urteile vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 17.95 - BVerwGE 102, 351 <354> und vom 28. April 2004 - BVerwG 4 C 10.03 - Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15 S. 6). Darüber hinaus wirkt das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit begrenzend, das vor allem jene Nutzungsarten betrifft, die die Baunutzungsverordnung begrifflich verselbständigt und mehreren der Baugebietstypen in §§ 2 bis 9 BauNVO zugeordnet hat (Beschluss vom 6. Dezember 2000 - BVerwG 4 B 4.00 - Buchholz 406.12 § 7 BauNVO Nr. 4 S. 2).

11

1.2 Bei dem streitigen Krematorium handelt es sich - wie als eingrenzendes Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt - um eine Gemeinbedarfsanlage. Der Begriff des Gemeinbedarfs wird in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB näher bestimmt. Danach sind Gemeinbedarfsanlagen solche baulichen Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen. Beispielhaft werden Schulen und Kirchen sowie sonstigen kirchlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen aufgezählt. Der Allgemeinheit dient eine Anlage im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, wenn sie, ohne dass die Merkmale des Gemeingebrauchs erfüllt zu sein brauchen (Beschluss vom 18. Mai 1994 - BVerwG 4 NB 15.94 - NVwZ 1994, 1004 <1005>), einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung zugänglich ist. Gemeint sind Einrichtungen der Infrastruktur, die der Gesetzgeber dem Oberbegriff der "Einrichtungen und Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs" zugeordnet hat (Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 4 CN 7.03 - BVerwGE 121, 192 <195> = Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 101 S. 32 f.). Auf die Rechtsform des Einrichtungsträgers kommt es nicht entscheidend an (Urteil vom 12. Dezember 1996 a.a.O. S. 356). Die Trägerschaft kann auch in der Hand einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts liegen. Auch eine staatliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit kann je nach ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung geeignet sein, den vorausgesetzten Gemeinwohlbezug solcher Anlagen und Einrichtungen herzustellen, deren Leistungserbringung sich nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen vollzieht und auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 196 f.).

12

Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht beachtet und in Auslegung von Landesrecht und damit für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend (§ 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) festgestellt, dass nach den Bestimmungen des Bestattungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen eine hoheitliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit der Beklagten besteht, die den erforderlichen Gemeinwohlbezug der Anlage herstellt und die zudem durch den zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 6. September 2006 abgesichert wird, der bestimmt, dass die Beigeladene als Beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnimmt.

13

1.3 Ein Krematorium mit Abschiedsraum verträgt sich aber nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets.

14

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ist das Oberverwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum mangels Gebietsverträglichkeit nicht bereits gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in einem Gewerbegebiet allgemein zulässig ist (Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21).

15

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist ein Krematorium mit Abschiedsraum aber auch nicht im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet zulässig. Der Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, Gründe der Pietät und die Notwendigkeit eines kontemplativen Umfelds würden es nicht gebieten, Krematorien mit Pietätsräumen von vornherein ausnahmslos, ungeachtet ihrer konkreten Lage und Nachbarschaft in Gewerbegebieten als gebietsunverträglich auszuschließen, steht nicht in Übereinstimmung mit Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht verkennt die Anforderungen, die an das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit zu stellen sind.

16

Die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens innerhalb eines Baugebiets der Baunutzungsverordnung richtet sich nicht allein nach der Einordnung des Vorhabens in eine bestimmte Begriffskategorie (Nutzungs- oder Anlagenart), sondern auch nach der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets. Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (stRspr, vgl. nur Urteile vom 18. November 2010 - BVerwG 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 19 und vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6 m.w.N.). Diesen rechtlichen Maßstab hat das Bundesverwaltungsgericht in zahlreichen Fällen angelegt, in denen zu entscheiden war, ob ein Vorhaben nach der Art der Nutzung in dem jeweils festgesetzten Baugebiet allgemein (regelhaft) zulässig ist. Er gilt auch für die in einem Baugebiet ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Zwischen der Zweckbestimmung des Baugebiets und den jeweils zugeordneten Nutzungsarten besteht ein funktionaler Zusammenhang, der für die Auslegung und Anwendung jeder tatbestandlich normierten Nutzungsart maßgeblich ist (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.; Beschluss vom 28. Februar 2008 a.a.O. Rn. 7). Die nach den Baugebietsvorschriften nur ausnahmsweise zulässigen Nutzungen können die Eigenart eines Baugebiets zwar auch prägen. Diesem Muster folgt beispielsweise die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Immissionsverträglichkeit des Wohnens für bestimmte Baugebiete im Wege einer typisierenden Betrachtung zu modifizieren und unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 1 und § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise eine eingeschränkte Wohnnutzung zuzulassen, weil typischerweise ein gebietsspezifischer Bedarf besteht. Den in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genannten Anlagen fehlt es aber an einer funktionalen Ausrichtung auf den Zweck des jeweiligen Baugebiets. Solche Anlagen, die ohne nähere Umschreibung in fast allen Baugebieten der §§ 2 bis 9 BauNVO allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, können nach Größe, betrieblicher Ausrichtung, räumlichem Einzugsbereich und Immissionspotenzial von sehr unterschiedlicher Art sein.

17

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Baugebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 21). Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass im Geltungsbereich eines ausgewiesenen Baugebiets grundsätzlich auf jedem Baugrundstück die nach dem Katalog der Nutzungsarten der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung möglich sein soll. Das typische Störpotenzial kann nicht nur im Störgrad, sondern auch in der Störempfindlichkeit eines Vorhabens liegen. Im Rahmen dieser Beurteilung kommt es nicht auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft an. Unerheblich ist daher, dass das streitige Krematorium nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO durch den gewählten Standort, seine bauliche Gestaltung und die Ausrichtung der auf Publikumsverkehr ausgerichteten Bereiche eine pietätvolle Bestattung gewährleistet. Die Gebietsverträglichkeit ist der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vorgelagert.

18

Ein Krematorium mit Abschiedsraum verträgt sich nicht mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, das geprägt ist von werktätiger Geschäftigkeit. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen gearbeitet wird. Nach dem Leitbild der Baunutzungsverordnung ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Betrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können, sofern es sich um nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe handelt.

19

Ein Krematorium mit Abschiedsraum erweist sich in besonderer Weise als störempfindlich. Es stellt - ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Verbrennungsanlagen - ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen dar. Die Privatisierung dieser Art der Bestattung mag bewirkt haben, dass Krematorien auch an Standorten außerhalb eines Friedhofs angesiedelt werden. Das ändert aber nichts an der Anforderung, dass eine Bestattung ein würdevolles und kontemplatives Umfeld erfordert. Wie auch das Oberverwaltungsgericht angemerkt hat, ist nicht zu erkennen, dass sich die gesellschaftlichen Anschauungen im Umgang mit dem Tod wesentlich gewandelt haben. Der übliche Umgebungslärm und die allgemeine Geschäftigkeit eines Gewerbegebiets stehen dazu im Widerspruch. Eine derartige Umgebung ist regelmäßig geeignet, den Vorgang der Einäscherung als Teil der Bestattung in einer Weise gewerblich-technisch zu prägen, die mit der kulturellen Bedeutung eines Krematoriums mit Abschiedsraum nicht vereinbar ist.

20

2. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung kann nicht über § 31 Abs. 2 BauGB hergestellt werden. Eine Befreiung hat die Beklagte nicht erteilt; sie könnte auch nicht erteilt werden.

21

Der Umstand, dass eine Anlage in einem Baugebiet weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann, steht einer Befreiung zwar nicht von vornherein entgegen (Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 29). Es spricht viel dafür, dass das streitige Vorhaben Grundzüge der Planung berührt, wenngleich tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen. Eine Befreiung scheitert hier aber jedenfalls daran, dass es zur Bewältigung der gegenläufigen Nutzungskonflikte, die mit der Ansiedlung eines Krematoriums mit Abschiedsraum verbunden sind, einer Planung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf.

22

Der Gesetzgeber stellt mit der Abweichung nach § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft (Beschluss vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39). Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht (Urteile vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <79> und vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <53 f.>). Generelle, d.h. typischerweise mit der Zulassung eines bestimmten Vorhabens verbundene Nutzungskonflikte, die eine auf die Standortfrage ausgerichtete Planung mit Abwägung gegenläufiger Interessen erforderlich machen, lassen sich nicht im Wege einer Befreiung bewältigen. Was den Bebauungsplan in seinen "Grundzügen", was seine "Planungskonzeption" verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 78). Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in § 3 ff. BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter den in § 13 BauGB genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann (Urteil vom 4. August 2009 - BVerwG 4 CN 4.08 - BVerwGE 134, 264 Rn. 12).

23

Ein Krematorium mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet löst Nutzungskonflikte aus, die sich nur im Wege einer Abwägung bewältigen lassen. Wie dargelegt zeichnet sich ein Krematorium mit Abschiedsraum durch die Besonderheit der Gleichzeitigkeit von Störgrad und Störempfindlichkeit aus. Das führt zu bodenrechtlich relevanten Spannungen, die nur durch Planung zu lösen sind. Ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Anlage - mit Blick auf den Schutz der Gesundheit - entstehen bodenrechtliche Spannungen vor allem dadurch, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum in einer Umgebung anzusiedeln ist, die eine würdevolle Bestattung erlaubt. Der Schutz der Bestattung und des Totengedenkens fordert Rücksichtnahme durch die Nachbarschaft; zugleich ist Rücksichtnahme auf Nachbarn gefordert. Eine Koordination dieser widerstreitenden Belange lässt sich sachgerecht nur im Wege einer Abwägung unter Würdigung der öffentlichen und nachbarlichen Interessen sicherstellen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage des Standorts und seiner Anbindung. Diese Frage sowie die Frage nach Planungsalternativen fordert planerische Gestaltungsfreiheit unter Beachtung des Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Gesetzgeber stellt für diese städtebauliche Konfliktlage auch spezifische Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Art der baulichen Nutzung kann nicht nur durch die Festsetzung von Baugebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung erfolgen (Beschluss vom 13. Juli 1989 - BVerwG 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1 S. 5 - juris Rn. 11). Auch "Flächen für den Gemeinbedarf" legen die Art der baulichen Nutzung fest (Beschluss vom 23. Dezember 1997 - BVerwG 4 BN 23.97 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 86 - juris Rn. 7). § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB eröffnet nicht nur die Möglichkeit, sondern verweist auch auf die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung einer Gemeinbedarfsanlage im Fall eines städtebaulich relevanten Nutzungskonflikts. Sofern durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt, hat die Gemeinde überdies die Möglichkeit, ein sonstiges Sondergebiet gemäß § 11 Abs. 1 BauNVO festzusetzen.

24

3. Die rechtswidrige Baugenehmigung verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger kann sich auf bauplanungsrechtlichen Nachbarschutz berufen. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (Urteile vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 und vom 23. August 1996 - BVerwG 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364; Beschluss vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 4 B 55.07 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 32 Rn. 5). Ein Nachbar im Baugebiet kann sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden, wenn er - wie hier - durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin, die L. Dienstleistungs-GmbH & Co. KG, wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan Nr. 381 "P.straße - Nutzungsarten" der Antragsgegnerin.

2

Im Jahr 2010 schloss die Antragstellerin einen Kaufvertrag über ein Grundstück im Plangebiet und beantragte, vertreten durch die L. Vertriebs GmbH & Co. KG, eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes. Die Antragsgegnerin nahm den Bauantrag zum Anlass, den angegriffenen Bebauungsplan zu erlassen. In dem als vereinfachtes Verfahren nach § 13 BauGB geführten Planaufstellungsverfahren machte die Antragsgegnerin die öffentliche Auslegung des Planentwurfs und seiner Begründung am 23. April 2011 bekannt und wies darauf hin, dass ein Antrag nach § 47 VwGO unzulässig sei, "soweit" mit ihm Einwendungen geltend gemacht würden, die vom jeweiligen Antragsteller im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht worden seien, aber hätten geltend gemacht werden können.

3

Innerhalb der Auslegungsfrist erhob der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht, unter dem Betreff "L. B. ./. Stadt L., T.weg, AZ: ..." Einwendungen gegen die Planung. In dem Schreiben heißt es einleitend: "... wir zeigen an, dass wir die L. Vertriebs-GmbH & Co. KG B. vertreten. Unsere Mandantin hat am 24.03.2010 einen notariellen Kaufvertrag über das Grundstück T.weg 19 in L. geschlossen. Die L. Vertriebs-GmbH & Co. KG plant die Neuansiedlung eines Lebensmittelmarktes mit Stellplätzen auf dem Grundstück. Sie beantragte am 15.07.2010 die Erteilung einer Baugenehmigung, die mit Bescheid vom 06.12.2010 versagt wurde. Derzeit wird das Widerspruchsverfahren durchgeführt. Namens und in Vollmacht der L. Vertriebs-GmbH & Co. KG erheben wir folgende Einwendungen gegen den Bebauungsplan Nr. 381 'P.straße - Nutzungsarten'." Es folgte eine Reihe von Einwendungen unter mehrfacher Nennung der L. Vertriebs-GmbH & Co. KG.

4

Der Beschlussvorschlag für den Stadtrat befasste sich mit diesen Einwendungen. Der Bebauungsplan wurde im Jahr 2012 beschlossen, ausgefertigt und im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 2012 bekannt gemacht.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat den im März 2013 anhängig gemachten Normenkontrollantrag als unzulässig abgelehnt. Die Antragstellerin sei mit ihren Einwendungen nach § 47 Abs. 2a VwGO präkludiert. Sie habe im Rahmen der öffentlichen Auslegung keine Einwendungen erhoben. Die Einwendungen der L. Vertriebs GmbH & Co. KG seien ihr nicht als eigene Einwendungen zuzurechnen, die L. Vertriebs GmbH & Co. KG sei auch nicht als Vertreterin aufgetreten. Ob die zuständigen Mitarbeiter der Antragsgegnerin das Schreiben als eines der Antragstellerin verstanden hätten, sei unerheblich; für die Anwendung der Grundsätze über eine Falschbezeichnung bei übereinstimmendem Parteiwillen ("falsa demonstratio non nocet") sei kein Raum. Es lägen auch keine Mängel des Auslegungsverfahrens vor, die den Eintritt der Präklusion hinderten.

6

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Die Antragsgegnerin verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag im Einklang mit Bundesrecht als unzulässig abgelehnt. Dem Antrag steht § 47 Abs. 2a VwGO entgegen.

8

Nach § 47 Abs. 2a VwGO ist der Antrag einer natürlichen oder juristischen Person, der einen Bebauungsplan zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) oder im Rahmen der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 und § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Die Vorschrift gilt auch für Personengesellschaften, die wie die Kommanditgesellschaft (KG) nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig sind (vgl. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 61 Rn. 5).

9

1. Den Anforderungen des § 47 Abs. 2a VwGO genügen nur Einwendungen, die ihren Urheber erkennen lassen. Die Norm soll verhindern, dass sachliche Einwendungen ohne Not erst im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden, und dient der vom Gesetzgeber angestrebten Aufgabenverteilung zwischen Plangeber und Verwaltungsgerichten (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2014 - 4 CN 1.13 - BVerwGE 149, 88 Rn. 15). Die Regelung ist eine Konkretisierung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (BT-Drs. 16/2496 S. 18). Über das Vorliegen dieser Sachurteilsvoraussetzung kann das Gericht nur entscheiden, wenn Einwendungen einer bestimmten Person zugeordnet werden können. Nur wer durch eine Einwendung seinen Abwehrwillen (BVerwG, Urteil vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - NVwZ 2015, 301 Rn. 11) zum Ausdruck gebracht hat, soll noch zulässigerweise einen Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 2a VwGO stellen können. Im Übrigen dient es auch dem Interesse des jeweiligen Einwenders, wenn die Gemeinde die Einwendung zum Anlass nehmen kann, mit ihm das Gespräch zu suchen und seinen Belangen durch eine Umplanung Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1997 - 4 NB 39.96 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 6 S. 2 f.).

10

Das Erfordernis, den Einwender kenntlich zu machen, entfällt auch nicht, wenn ein Dritter im eigenen Namen Belange eines späteren Antragstellers im Planaufstellungsverfahren einwendet und sich die Gemeinde mit diesen Belangen abwägend befasst. Allerdings wird in einem solchen Fall das materiell-rechtliche Ziel des Gesetzgebers erreicht, die jeweiligen Interessen rechtzeitig dem Abwägungsmaterial zuzufügen (BT-Drs. 16/2496 S. 18). Eine teleologische Reduktion des § 47 Abs. 2a VwGO scheidet indes auch in diesen Fällen aus, weil sie das Konzept des Gesetzgebers verfehlt, die Untätigkeit im Planaufstellungsverfahren prozessrechtlich zu sanktionieren: Die Planbetroffenen sollen nicht darauf vertrauen, ihre Belange würden im Planaufstellungsverfahren der Gemeinde schon anderweitig bekannt werden, sei es durch eigene Ermittlungen der Gemeinde, durch Behörden oder Interessenverbände, sei es durch andere Eigentümer oder sonstige Private. Es obliegt vielmehr den Planbetroffenen selbst, diese Belange zum Gegenstand von Einwendungen zu machen, wenn sie sich die Möglichkeit eines Normenkontrollverfahrens erhalten wollen. Daher greift die Präklusionswirkung des § 47 Abs. 2a VwGO selbst dann ein, wenn sich ein Belang der Gemeinde aufdrängen musste (BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 4 CN 3.10 - BVerwGE 138, 181 Rn. 9 f.) oder der Gemeinde ein Einwand gegen die Planung bekannt war und sie sich inhaltlich mit ihm befasst hat (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 4 BN 28.13 - ZfBR 2013, 580 Rn. 5).

11

2. Die Antragstellerin hat im Planaufstellungsverfahren kein Einwendungsschreiben erhoben. Insbesondere ist das Schreiben vom 6. Juni 2011 keine Einwendung der Antragstellerin. Diese Auffassung des Oberverwaltungsgerichts teilt der Senat bei der ihm ohne Bindung an § 137 Abs. 2 VwGO aufgegebenen Prüfung des § 47 Abs. 2a VwGO (BVerwG, Urteile vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - NVwZ 2015, 301 Rn. 10 und vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 - NJW 2015, 2358 Rn. 13).

12

Bestehen Zweifel, wer eine Einwendung erhoben hat, bedarf es einer Auslegung. Allerdings ist hierfür nur Raum, soweit die Erklärung auslegungsbedürftig, also nicht eindeutig ist. Die Feststellung, dass eine Erklärung eindeutig ist, lässt sich allerdings ihrerseits erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222 Rn. 17). Das Gericht darf nach § 133 BGB nicht bei dem Wortlaut der Erklärung stehen bleiben, sondern hat den wirklichen Willen zu erforschen, wie er sich aus dem Inhalt und Zweck der Erklärung sowie den erkennbaren Begleitumständen objektiv ergibt (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 2000 - 7 C 8.00 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 21 S. 17 f.). Maßgeblich ist nicht der wirkliche Wille des Erklärenden, sondern die objektive Erklärungsbedeutung, wie sie der Empfänger verstehen musste (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 a.a.O. Rn. 18).

13

Der Wortlaut des Schreibens vom 6. Juni 2011 ist eindeutig. Es ist für die L. Vertriebs GmbH & Co. KG verfasst, nicht für die Antragstellerin. Es fehlt jeder Anhaltspunkt in dem anwaltlichen und ersichtlich sachkundig verfassten Schreiben, der auf eine andere natürliche oder juristische Person verweist. Dass nicht die L. Vertriebs GmbH & Co. KG, sondern die Antragstellerin Vertragspartnerin des Kaufvertrages aus dem Jahr 2010 und letztere auch Bauherrin im Baugenehmigungsverfahren ist, ändert hieran nichts: Das Schreiben war insoweit zwar fehlerhaft, da es aber an Anhaltspunkten für diese Fehlerhaftigkeit fehlte, konnte dieser Umstand keinen Zweifel an der Urheberschaft des Schreibens begründen.

14

Zu einem abweichenden Ergebnis führt auch nicht der dem Privatrecht entstammende Grundsatz, wonach das übereinstimmend Gewollte Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung hat (falsa demonstratio non nocet) (BGH, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06 - NJW 2008, 1658 Rn. 12; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 133 Rn. 8). Im Anwendungsbereich des § 47 Abs. 2a VwGO als Sachurteilsvoraussetzung ist für diesen Grundsatz nur insoweit Raum, als der von dem Einwender und der Gemeinde übereinstimmend erklärte und verstandene Inhalt auch für das Gericht erkennbar ist, wie dies im Fall einfacher Schreibfehler oder erkennbarer Zahlendreher der Fall sein mag. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Im Übrigen müsste die Anwendung der falsa-demonstratio-Regel zu dem Ergebnis führen, dass einem Normenkontrollantrag der L. Vertriebs-GmbH & Co. KG § 47 Abs. 2a VwGO entgegenstände. Dieses Ergebnis ist angesichts des Wortlauts des Schreibens vom 6. Juni 2011 unhaltbar.

15

Die Einwendung kann auch nicht einer die Antragstellerin und die L. Vertriebs-GmbH & Co. KG umschließenden unternehmerischen Gesamtheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit zugerechnet werden. Wenn eine wirtschaftliche Einheit selbständige Rechtssubjekte schafft, so trägt sie auch die Folgen dieser Konstruktion. Dies wird im Bauplanungsrecht augenfällig, wenn verschiedene juristische Personen unterschiedliche Belange etwa als Eigentümer, Pächter oder Mieter mit einem bestimmten Grundstück verfolgen, auch wenn sie wirtschaftlich als Einheit anzusehen sein mögen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2015 - 4 CN 5.14 - juris Rn. 9 ff.).

16

3. Der Hinweis auf die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO war ausreichend, obwohl sich die Antragsgegnerin an § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB in der Fassung des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) orientiert hat ("soweit") (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 4 CN 4.09 - BVerwGE 138, 84 Rn. 9). Die Präklusion des § 47 Abs. 2a VwGO setzt schließlich voraus, dass die ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB ordnungsgemäß erfolgt ist (BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2014 - 4 CN 1.13 - BVerwGE 149, 88 Rn. 19 und vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - NVwZ 2015, 301 Rn. 12). Das Oberverwaltungsgericht hat dies in Übereinstimmung mit Bundesrecht bejaht, hiergegen hat auch die Revision keine Einwände erhoben.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe

Oberlandesgericht München

Az.: 15 U 3001/14

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am 17.02.2016

5 O 78/12 LG München II

... Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

gegen

1) …

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

2) …

- Beklagter und Berufungsbeklagter –

3) …

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigter zu 1 - 3: Rechtsanwalt …

wegen Wegerecht

erlässt das Oberlandesgericht München - 15. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Landgericht …am 17.02.2016 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2015 folgendes

Endurteil

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München II vom 15.07.2014, Az. 5 O 78/12, abgeändert:

1. Die beklagte Partei zu 3 wird verurteilt, den an der südlichen Grenze des Grundstücks mit der Flurnummer 209 der Gemarkung G. befindlichen Zaun zu entfernen.

2. Die Beklagten zu 1 und 2 werden verurteilt, es zu unterlassen, die Zufahrt auf das Grundstück des Klägers mit der Flurnummer 444 der Gemarkung G. über den in Nr. I.3 der Urteilsformel bezeichneten Teil (Streifen) des Grundstücks mit der Flurnummer 208 der Gemarkung G. zu stören oder zu behindern.

3. Es wird festgestellt, dass der Kläger, seine Besucher und Mieter berechtigt sind, auf den Grundstücken mit den Flurnummern 208 und 209 (beide Gemarkung G.) auf einem 4,40 Meter breiten Streifen entlang der Westgrenze zu den Grundstücken mit den Flurnummern 210 und 211 (beide Gemarkung G.) zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren, ausgenommen auf der Fläche, die durch die Verbindungslinien folgender drei Punkte begrenzt wird:

- Der Punkt (im Folgenden: Berührungspunkt), an dem sich folgende Grenzlinien (Verlauf am 02.12.2015) berühren:

- Die Grenzlinie zwischen dem Grundstück mit der Flurnummer 208 und dem Grundstück mit der Flurnummer 208/1 der Gemarkung G.;

- die Grenzlinie zwischen dem Grundstück mit der Flurnummer 208 und dem Grundstück mit der Flurnummer 210 der Gemarkung G..

- Der Punkt auf der Grenzlinie (Verlauf am 02.12.2015) zwischen dem Grundstück mit der Flurnummer 208 und dem Grundstück mit der Flurnummer 208/1 der Gemarkung G., der 1,27 m von dem zuerst bezeichneten Berührungspunkt entfernt ist.

- Der Punkt auf der Grenzlinie (Verlauf am 02.12.2015) zwischen dem Grundstück mit der Flurnummer 208 und dem Grundstück mit der Flurnummer 210 der Gemarkung G., der 6,50 m von dem zuerst bezeichneten Berührungspunkt entfernt ist.

4. Es wird festgestellt, dass auf den Grundstücken der Beklagten mit den Flurnummern 208, 209 und 211 der Gemarkung G. eine altrechtliche Dienstbarkeit lastet, die gemäß der Servitutbestellung vom 17.01.1876 des Notars J1 K. mit Amtssitz in E. mit folgendem Inhalt bestellt wurde:

„Die Eheleute St. und A. N., welche nach diesamtlichen Kaufvertrag vom 24. April 1873 das Anwesen Haus Nr. 19 ½ in G., Steuergemeinde G., Rentsamtsbezirk E., erworben und zufolge der zwischen ihnen bestehenden allgemeinen vertragsmäßigen ehelichen Gütergemeinschaft gemeinschaftlich besitzen, räumen hiermit dem Ma. R. und allen seinen Nachfolgern im Besitze der zu seinem Bi-.anwesen Haus Nr. 21 in G. gehörigen in der Steuergemeinde G. gelegenen Parzelle Pl.Nr. 44 Ba.-wiese zu 0,80 Tagwerk, achtzig Dezimalen, für alle Zeiten das Recht ein, über die zu ihrem Anwesen gehörigen, gleichfalls in der Steuergemeinde G. gelegenen Parzelle Pl.Nr. 211 zu Garten 0,115 Tagwerk Dezimalen, auf einer Breite von 4,4 m, 4 Meter 4 Dezimalen, zu gehen und mit Fuhrwerk jeder Art zu fahren, wie Vieh zu treiben, um von der vorüberführenden sogenannten B.-straße aus über den genannten Garten Pl.Nr. 444 zu gelangen und zwar ist der Weg über Pl.Nr. 211 hart von der Düngerstätte zu nehmen.

Diese Wegberechtigung wird in dinglicher Eigenschaft constituiert, geht sohin als dingliche Last auch auf alle Nachfolger im Besitze des Gartens Pl.Nr. 211 über. …“

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 25% und die Beklagten 75% zu tragen.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Beklagten können die Vollstreckung im Kostenpunkt abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Beklagten zu 1 und 2 können die Vollstreckung gegen sich in der Hauptsache abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von insgesamt 30.000,00 €, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die beklagte Partei zu 3 kann die Vollstreckung gegen sich in der Hauptsache abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 30.000,00 €, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Parteien streiten über das Bestehen eines Wegerechts und Ansprüche hieraus.

Dem Kläger gehört das Grundstück mit der Flurnummer 444 der Gemarkung G., zu dem es von öffentlichen Straßen keinen direkten Zugang gibt. Die Beklagten zu 1 und 2 sind Eigentümer der benachbarten Grundstücke mit den Flurnummern 208 und 211. Der Beklagte zu 3 ist Eigentümer des benachbarten Grundstücks mit der Flurnummer 209.

Im ersten Rechtszug hat der Kläger im gleichen Umfang, den er mit der Berufung weiterverfolgt, die Entfernung eines Zauns an der südlichen Grenze des Flurstücks 209 verlangt, hilfsweise Maßnahmen gegen die Beeinträchtigung der Zufahrt, sowie die Feststellung der Berechtigung zum Begehen und Befahren eines Grundstücksstreifens auf den Flurstücken 208 und 209. Die Feststellung einer altrechtlichen Dienstbarkeit vom 17.01.1876 (Anl. K 5, K 6) in dem mit der Berufung weiterverfolgten Umfang hat der Kläger im ersten Rechtszug nur hilfsweise beantragt.

Mit Endurteil vom 15.07.2014 (Bl. 111/121 d. A.) hat das Landgericht München II die Klage als unbegründet abgewiesen mit der Begründung, das Bestehen eines Wegerechts habe der Kläger nicht nachgewiesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 15.07.2014 (Bl. 111/121 d. A.) wird Bezug genommen.

Der Kläger und Berufungskläger bringt im Berufungsverfahren vor:

Die heute als Weg beanspruchte Fläche sei zum Zeitpunkt der Servitutsbestellung im Jahr 1876 die einzig denkbare Fläche zur Einräumung eines Wegerechts gewesen.

Maßgeblich sei nicht die Planlage des Jahres 1873, sondern die Situation im Zeitpunkt der Servitutsbestellung. Aus den Operaten 130/1875 (Anl. K 10, B 10, Vergrößerung Anl. B 10 V) und 252/1875 (Anl. K 16 und K 17, Vergrößerung Anl. B 6) ergebe sich, dass die Plan-Nr. 211 im Westen nicht mehr über eine Verbindung zur Straße „H.“ verfügt habe. Bestätigt werde das durch den Bauplan des C. W. aus dem Jahr 1874 (Anl. K 13, vgl. Anl. K 14 und K 15).

Aus den Bauplänen des Herrn R. für Wohnhaus vom 06.02.1876 und Ökonomiegebäude im November 1875 (Anl. K 7 und K 8) ergebe sich, dass Türen und Stalltore auf eine Zufahrt in Richtung B.-straße ausgerichtet gewesen seien.

Die Parzelle 211 sei durch das Anwesen Plan-Nr. 210 des C. W. von der Straße abgeschnitten gewesen.

Die in der Servitut genannte „Düngerstätte“ müsse aus Praktikabilitätsgründen in unmittelbarer Nähe zum Viehstall des Anwesens 19 ½ gelegen sein. Dieser habe sich in den Messoperaten im westlichen Gebäudeteil, erkennbar an der geraden Schraffierung befunden (Beilage zu Operat 130/1875, Anl. K 10; Messoperat 149/1873, Anl. K 9, B 9, B 9 V; Messoperat 47 pro 1909, Anl. K 27, Vergrößerung Anl. B 7, B 7 V; Bauplan B. aus dem Jahr 1908, Anl. K 26).

Aus dem Bauplan für Herrn Johann B. für das Haus Nr. 19 ½ aus dem Jahr 1908 (Anl. K 11) ergebe sich der Standort der Brücke.

Das auf den Operaten Anlagen B 7 und K 27 eingezeichnete kleine Nebengebäude sei 1873 bereits entfernt gewesen (Protokoll zum Operat 149/1873, Anl. K 32). Dass das Gebäude auf dem Operat 47 mit mehreren x versehen sei, zeige, dass es nicht mehr existiert habe. Ab der Servitutsbestellung habe dort kein Gebäude gestanden (Operat 166/1880, Anl. K 28).

Zumindest habe man an dem Schuppen vorbeifahren können (Operat 47 pro 1909, Anl. K 27; Bauplan B., Anl. K 26).

Die Parzellen 211 und 208 seien zwar vermessen, aber nicht abgemarkt gewesen.

Im Osten zum J.-weg hin sei das Grundstück Plan-Nr. 444 im Jahr 1879 durch einen Zaun abgegrenzt gewesen (Kaufvertrag vom 13.12.1879, Anl. K 29 und K 30). Ab den 1920er Jahren werde dieser Zaun durch zahlreiche Fotos (vgl. Anl. K 19 ff.) belegt und könne durch Frau E. Wa. bezeugt werden.

Bei der Servitutsbestellung am 17.01.1876 sei die Dienstbarkeitsfläche falsch bezeichnet worden.

Vernünftigerweise könne es nur Wille der Vertragsparteien gewesen sein, das Wegerecht auf einer Fläche zu bestellen, auf der es ausgeübt werden könne. Deshalb müsse es sich um eine Fläche auf der damaligen Plan-Nr. 208 gehandelt haben, die zwischen den Gebäuden auf Plan-Nr. 208 und Plan-Nr. 210 zum Gehen und Fahren frei gewesen sei.

Aus dem notariellen Übergabevertrag vom 27.08.1886 (Anl. B 18 bis B 20) ergebe sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht, dass das Grundstück mit der Flurnummer 208 damals nicht mit einem Wegerecht belastet gewesen sei. Vielmehr wurde der Grundbesitz ausdrücklich „samt Nutzungen und dinglichen Rechten“ übernommen.

Frau E. Wa., die am 25.12.1918 geborene Mutter des Klägers, könne bezeugen, dass ab Anfang der 1920iger Jahre die Zufahrt zu seinem Anwesen stets über die streitgegenständliche Wegefläche erfolgt sei. Sie könne auch bezeugen, dass auf dem Grundstück, wo sich heute eine geteerte Zufahrt zur J-straße befindet, eine Wiese mit ausgewachsenen Obstbäumen vorhanden gewesen sei.

Dass im Zeitraum zwischen Bestellung und den 1920er Jahren das Wegerecht nicht ausgeübt worden sei, stelle eine bloß theoretische Möglichkeit dar.

Eine Nichtausübung sei fernliegend aufgrund der auf eine Benutzung des Wegerechts ausgelegten Bebauung, der teuren Bezahlung und der Einzäunung zum J.-weg im Jahr 1879.

Die Beweislast für die Ausübung des Wegerechts treffe nicht den Kläger, sondern die Beklagten. Die vom Landgericht zitierten Beschlüsse des Oberlandesgerichts München bezögen sich auf die Entscheidung grundbuchrechtlicher Verfahren.

Für die Zeit der Geltung des Bayerischen Landrechts treffe die Beweislast ebenfalls die Beklagten. Dies ergebe sich auch aus den Art. 57 Abs. 2, 56 Abs. 3 BayAGBGB.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger und Berufungskläger, unter Abänderung des am 15.07.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts München II, Az. 5 O 78/12:

I. Die Beklagten werden verurteilt, den an der südlichen Grenze des Grundstücks Fl. Nr. 209, Gemarkung G. befindlichen Zaun zu entfernen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass die Zufahrt auf das Grundstück des Klägers mit der Fl. Nr. 444 (Gemarkung G.) über die Grundstücke mit der Fl. Nr. 208 und 209 (beide Gemarkung G.) beeinträchtigt wird.

II. Es wird festgestellt, dass der Kläger, seine Besucher und Mieter berechtigt sind, auf den Grundstücken mit den Fl. Nrn. 208 und 209 (beide Gemarkung G.) auf einem 4,40 Meter breiten Streifen entlang der Westgrenze zu den Grundstücken mit den Fl. Nrn. 210 und 211 (beide Gemarkung G.) zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren.

III. Es wird festgestellt, dass auf den Grundstücken der Beklagten mit den Fl. Nrn. 208, 209, 211 der Gemarkung G. eine altrechtliche Dienstbarkeit lastet, die gemäß der Servitutsbestellung vom 17. Januar 1876 des Notars J1 K. mit Amtssitz in E. mit folgendem Inhalt bestellt wurde: „Die Eheleute St. und A. N., welche nach diesamtlichen Kaufvertrag vom 24. April 1873 das Anwesen Haus Nr. 19 ½ in G., Steuergemeinde G., Rentamtsbezirk E., erworben und zufolge der zwischen ihnen bestehenden allgemeinen vertragsmäßigen ehelichen Gütergemeinschaft besitzen, räumen hiermit dem Ma. R. und allen seinen Nachfolgern im Besitze der zu seinem Bi.-anwesen Haus Nr. 21 in G. gehörigen in der Steuergemeinde G. gelegenen Parzelle Pl. Nr. 44 B.-wiese zu 0,80 Tagwerk, achtzig Dezimalen, für alle Zeiten das Recht ein, über die zu ihrem Anwesen gehörigen, gleichfalls in der Steuergemeinde G. gelegenen Parzelle Pl. Nr. 211 zu Garten 0,115 Tagwerk Dezimalen, auf einer Breite von 4,4 m, 4 Metern 4 Dezimalen, zu gehen und mit Fuhrwerk jeder Art zu fahren, wie Vieh zu treiben, um von der vorüberführenden sogenannten Bahnhofstraße aus über den genannten Garten Pl. Nr. 444 zu gelangen und zwar ist der Weg über Pl. Nr. 211 hart von der Düngerstätte zu nehmen. Diese Wegberechtigung wird in dinglicher Eigenschaft constituiert, geht sohin als dingliche Last auch auf alle Nachfolger im Besitze des Gartens Pl. Nr. 211 über.“

Die Beklagten und Berufungsbeklagten beantragen:

Die Berufung wird abgewiesen.

Die Beklagten bringen vor:

Eine irrtümliche Bezeichnung des Wegerechts liege nicht vor, so dass es auf eine falsa demonstratio nicht ankomme.

Ein Geh- und Fahrtrecht über den F., der schon am 17.01.1876 die eigene Flurnummer 439 hatte, habe nie bestanden.

Es sei davon auszugehen, dass die Düngerstätte eher abseits vom Haus platziert war.

Das Nebengebäude sei jedenfalls bis 1909 gestanden.

Bei der Übergabe des Flurstücks 208 vom früheren an zwei neue Eigentümer stand im notariellen Übergabevertrag vom 27.08.1886 (Anl. B 18 bis B 20): „alle etwa vorhandenen dinglichen wie persönlichen Schulden, wobei jedoch bemerkt wird, dass solche nicht vorhanden sind“ (Seite 5, Zeilen 8-11). Daraus, nämlich aus der Darstellung als lastenfrei, ergebe sich, dass bereits zu diesem Zeitpunkt das behauptete Wegerecht nicht bestanden habe.

Die Echtheit der notariellen Urkunde vom 17.01.1876 wird nicht mehr bestritten.

Das Berufungsgericht hat mit Verfügungen vom 26.03.2015 (Bl. 167/169 d. A.) und vom 02.10.2015 (Bl. 219/220 d. A.) Hinweise erteilt.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben gemäß den Beschlüssen vom 28.05.2015 (Bl. 185/188 d. A.) und vom 12.06.2015 (Bl. 192/194 d. A.) durch Einnahme des Augenscheins an den streitgegenständlichen Grundstücken, Einvernahme der Zeugin E. Wa. und Hinzuziehung eines Sachverständigen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der als Ortstermin abgehaltenen Sitzung vom 09.07.2015 (Bl. 200/205 d. A.), auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Vermessungsdirektor H1 B. vom 10.09.2015 (Bl. 209/218 d. A.) und vom 18.11.2015 (Bl. 228/239 d. A.) sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 02.12.2015 (Bl. 242/248 d. A.), in welcher der Sachverständige angehört worden ist.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 23.10.2014 (B. 144/162 d. A.), vom 15.04.2015 (Bl. 175/178 d. A.), vom 22.04.2015 (Bl. 180/181 d. A.), vom 02.11.2015 (Bl. 224/226 d. A.) und vom 24.11.2015 (Bl. 240/241 d. A.) sowie der Beklagten vom 08.04.2015 (Bl. 170/174 d. A.), vom 30.06.2015 (Bl. 196/198 d. A.) und vom 02.11.2015 (Bl. 221/222 d. A.) verwiesen.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die Protokolle der Sitzungen vom 29.04.2015 (Bl. 182/184 d. A.), vom 09.07.2015 (Bl. 200/205 d. A.) und vom 02.12.2015 (Bl. 242/248 d. A.).

II. Die zulässige Berufung des Klägers, die insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde (§§ 517, 519, 520 ZPO), ist teilweise begründet (§ 513 ZPO) und führt in diesem Umfang zur Verurteilung der Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils. Im Übrigen war die Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung als unbegründet abzuweisen.

1. Auf den zulässigen und begründeten Antrag zu III war das Bestehen der Grunddienstbarkeit wie beantragt festzustellen, wobei lediglich Schreibfehler im Antrag zu korrigieren waren.

1.1. Der Antrag zu III, der als in erster Instanz abgewiesener Hilfsantrag Gegenstand der mit der Berufung angefochtenen Entscheidung ist und daher keiner Einschränkung gemäß § 533 ZPO unterliegt, ist zulässig.

Der Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Rechtsverhältnisse im Sinn dieser Vorschrift können Rechte jeder Art sein (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 256 Rn. 6).

Das Bestehen oder Nichtbestehen der Grunddienstbarkeit ist auch vorgreiflich für die Entscheidung des übrigen Rechtsstreits im Sinn des § 256 Abs. 2 ZPO. Der Kläger stützt seinen mit dem Antrag zu I geltend gemachten Anspruch auf Beseitigung des Zauns darauf, dass dieser die Grunddienstbarkeit beeinträchtige (§§ 1004 Abs. 1 Satz 1, 1027 BGB), die im Antrag zu III beschrieben ist. Die Entscheidung über diesen Anspruch hängt davon ab, ob die Grunddienstbarkeit besteht, auf die sich der Kläger beruft.

1.2. Der Antrag zu III ist begründet.

Auf den Antrag war festzustellen, dass auf den Grundstücken mit den Flurnummern 208, 209 und 211 der Gemarkung G. die mit der „Servitutbestellung“ vom 17.01.1876 (Anl. K 5, K 6) bestellte Grunddienstbarkeit lastet.

1.2.1. Eine Servitut (Dienstbarkeit) mit dem im Klageantrag zu III behaupteten Inhalt ist in der notariellen Urkunde vom 17.01.1876 (Anl. K 5, K 6) wirksam rechtsgeschäftlich bestellt worden.

Die Echtheit dieser Urkunde wird von den Beklagten im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten (Schriftsatz vom 08.04.2015, Bl. 170/174 d. A., dort Seite 5).

Die beurkundete rechtsgeschäftliche Einigung hat zur Entstehung einer Dienstbarkeit des in der Urkunde vom 17.01.1876 bezeichneten Inhalts geführt. Dabei ist gemäß Art. 184 Satz 1 EGBGB für Entstehung und Inhalt auf das zur Zeit der Begründung der Dienstbarkeit geltende Recht abzustellen, mithin auf das alte Landesrecht (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., EGBGB Art. 184 Rn. 3, 4).

Von 1756 bis 1900 galt in Bayern der Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (CMBC) als Partikularrecht (Säcker in MünchKomm, BGB, 6. Aufl., Buch 1 Einl. Rdnr. 11). Es handelt sich um eine Kodifikation des gemeinen Rechts mit subsidiärer Geltung des römischen Rechts (Teil 1 Kap. 2 § 9 CMBC).

Der Gesetzestext ist abgedruckt in Max Danzer (Hrsg.), Das Bayerische Landrecht vom Jahre 1756 in seiner heutigen Geltung, Text mit Anm. u. Sachreg., München 1894 (im Internet abrufbar unter http://d...-...).

Ein Wege- und Viehtriebsrecht („Servitus Viae“ und „Servitus Actus“), wie es hier bestellt wurde, gehört gemäß Teil 2 Kap. 8 § 11 CMBC zu den Feld-Dienstbarkeiten, für die wiederum die allgemeinen Regeln über die Dienstbarkeiten gelten (Teil 2 Kap. 7 § 2 Nrn. 4 und 7 CMBC). Eine Dienstbarkeit kann rechtsgeschäftlich bestellt werden („durch rechtliche Disposition sowohl unter Lebenden als von Todwegen … constituiert“, Teil 2 Kap. 7 § 3 CMBC). Voraussetzung dafür ist, dass der Besteller der Dienstbarkeit Eigentümer des belasteten Grundstücks ist (Teil 2 Kap. 7 § 4 CMBC), wobei im Fall mehrerer Eigentümer alle handeln müssen (Teil 2 Kap. 7 § 4 Nr. 2 CMBC).

Das nach dem Wortlaut der Urkunde belastete Grundstück mit der damaligen Plannummer 211 stand zur Zeit der Servitutsbestellung im Eigentum der Eheleute St. und A. N., die in der notariellen Urkunde gemeinsam die Servitut bestellt haben. Ebenso stand das Grundstück mit der damaligen Plannummer 208, dessen Belastung ebenfalls infrage steht, im Eigentum der Eheleute N. (so auch Gutachten vom 18.11.2015, Bl. 228/239 d. A., Seite 5).

Die hier vorgenommene Bestellung der Dienstbarkeit „in dinglicher Eigenschaft“ zugunsten des damaligen Eigentümers des Grundstücks mit der Plannummer 444, Ma. R., „und allen seinen Nachfolgern im Besitze der zu seinem Bi.-wesen Haus Nr. 21 in G. gehörigen in der Steuergemeinde G. gelegenen Parzelle Pl.Nr. 444 Ba. wiese zu 0,80 Tagwerk, achtzig Dezimalen, für alle Zeiten“ ist möglich. Damit wird eine Grunddienstbarkeit gemäß Teil 2 Kap. 7 § 2 Nr. 5 CMBC bestellt, ein „Jus reale“, das sowohl auf dem herrschenden als auch auf dem dienenden Grundstück dergestalt lastet, dass es mit den Grundstücken auf jeden Inhaber übergeht (Teil 2 Kap. 7 § 6 Nr. 1 CMBC).

1.2.2. Die Grunddienstbarkeit ist auf den Grundstücken mit den damaligen Plannummern 208 und 211 der Gemarkung G. mit einer räumlichen Ausübungsbeschränkung hinsichtlich Breite und Verlauf des zu nehmenden Wegs zur Entstehung gelangt.

1.2.2.a. Gemäß Teil 4 Kap. 1 § 18 CMBC sind Verträge wie letztwillige Verfügungen nach Teil 3 Kap. 2 § 12 CMBC auszulegen. Diese Vorschrift geht von der „gewöhnlichen und landläufigen Bedeutung“ der Worte aus, sieht aber bedeutende Ausnahmen davon vor, so etwa in Nr. 9 Satz 1: „Soll man auch die Stellen, welche sich einigermaßen zu widersprechen scheinen, durch schickliche Auslegung dergestalt zu vereinigen trachten, dass sie füglich nebeneinander bestehen können.“ Dagegen sind gemäß Nr. 9 Satz 2 „[o]ffenbare und augenscheinliche Widersprüche“ für nicht geschrieben zu erachten und führen, wenn sie „Partibus substantialibus“ betreffen, zur Entkräftung der Erklärung als perplex und unverständlich.

Für die Auslegung einer Dienstbarkeitsbestellung gilt daneben speziell Teil 2 Kap. 7 § 6 Nr. 8 Satz 1 CMBC: „Pflegt man solche [Dienstbarkeit] in zweifelhaften Fällen allzeit auf das engste und eingeschränkteste zu erklären, jedoch niemals so weit, dass sie gar alle Wirkung dadurch verliert.“ Der Bestellungswille ist im Zweifel zugunsten des Bestandes, jedoch zu Ungunsten des Umfangs der Dienstbarkeit auszulegen (RG, Urt. v. 25.06.1880, Az. III 76/80, RGZ 2, 159).

Ergänzend gelten gemäß Teil 1 Kap. 2 § 9 CMBC die Vorschriften des römischen Rechts: „Das Römische Recht, welches zwar ursprünglich nur den Römern gegeben, später aber auch in anderen und hauptsächlich in deutschen und hiesigen Landen eingeführt worden, soll in Sachen, welche etwa durch einheimisches Recht nicht genug bestimmt sind, auf schickliche und thunliche Weise zur Hilfe gebraucht werden.“

Der Auslegungsgrundsatz „falsa demonstratio non nocet“, nach dem das von den Parteien übereinstimmend Gewollte den Vorrang vor einer Falschbezeichnung hat (Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 133 Rn. 8), findet gerade auch auf unbewusst falsche Katasterbezeichnungen in formbedürftigen Grundstücksgeschäften Anwendung (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 311b Rn. 37). Dieser Grundsatz ist römischrechtlichen Ursprungs (vgl. Reinhard Singer in Staudinger, BGB, 2012, § 133 Rn. 13, m. w. Nachw.).

Der Grundsatz findet sich, in anderer Formulierung, bereits in den Digesten (Dig. 18, 1, 9, pr.): „Plane si in nomine dissentiamus, verum de corpore constet, nulla dubitatio est, quin valeat emptio et venditio: nihil enim facit error nominis, cum de corpore constat.“ Zu Deutsch: „Klar, wenn wir über den Namen uneins sind, aber über den Gegenstand das Wahre feststeht, besteht kein Zweifel, dass Kauf und Verkauf gültig sind. Nichts macht nämlich der Irrtum über den Namen, wenn der Gegenstand feststeht.“

Die Regel „falsa demonstratio non nocet“ war somit Bestandteil des römischen Rechts (ausführlich Eisele in Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Bd. 23 = N.F Bd. 11, 1885, Seiten 18-42, im Internet abrufbar unter http://d...de/mj/k...). Die Regel hatte, jedenfalls für Fälle der irrtümlichen Falschbezeichnung, den gleichen Inhalt, mit dem sie auch im heute geltenden Recht im Rahmen von § 133 BGB angewandt wird: „Wird die gewollte Sache zwar zum Gegenstand des Rechtsgeschäftes gemacht, aber unrichtig bezeichnet, so decken sich Wille und Erklärung und es liegt nur eine falsche Bezeichnung, eine falsa demonstratio vor, die keine rechtlichen Wirkungen hat (falsa demonstratio non nocet)“ (Fritz von Schwind, Römisches Recht I, Springer-Verlag 1950, Neuaufl. 2013, Seite 266). „Irrten die Parteien über den Namen respektive die Bezeichnung des Gegenstandes, so war dieser Irrtum grundsätzlich unbeachtlich, sofern beide dasselbe meinten“ (Markus Antonius Mayer, Der Kauf nach dem Augsburger Stadtrecht von 1276 im Vergleich zum gemeinen römischen Recht, LIT Verlag Münster 2009, Seite 64).

1.2.2.b. Die notarielle Urkunde vom 17.01.1876 ist nach diesen Grundsätzen so auszulegen, dass damit an den (dienenden) Grundstücken mit den damaligen Plannummern 208 und 211 zugunsten des (herrschenden) Grundstücks mit der damaligen Plannummer 444 ein Wegerecht und Viehtriebsrecht („Servitus Viae“ und „Servitus Actus“ gemäß Teil 2 Kap. 8 § 11 CMBC) als Grunddienstbarkeit gemäß Teil 2 Kap. 7 § 2 Nr. 5, § 6 CMBC bestellt wurde, und als besondere Vereinbarung gemäß Teil 2 Kap. 8 § 11 ad 2 CMBC eine Ausübungsregelung getroffen wurde, die den zu nehmenden Weg festlegt („auf einer Breite von 4,4 m, 4 Metern 4 Dezimalen, … hart von der Düngerstätte“).

Über den Wortlaut der Urkunde hinaus ist die Dienstbarkeit nicht allein an dem Grundstück mit der damaligen Plannummer 211, sondern auch an dem Grundstück mit der damaligen Plannummer 208 wirksam bestellt worden. Bei der Angabe allein der Plannummer 211 kann es sich - auch wenn diese in der Urkunde mehrfach genannt ist - nach den getroffenen Feststellungen nur um eine irrtümliche Falschbezeichnung handeln. Die Vertragsparteien, die ein Wegerecht bestellen wollten, das tatsächlich ausgeübt werden konnte, können die Bestellung nur so gemeint haben, dass dienende Grundstücke dieses Wegerechts sowohl das Grundstück mit der damaligen Plannummer 211 als auch das mit der damaligen Plannummer 208 sein sollten. Darauf ist nach der Falsa-demonstratio-Regel abzustellen.

Die damaligen Vertragsparteien haben das Wegerecht mit notarieller Urkunde vereinbart. Schon darin zeigt sich, dass es ihnen auf die Begründung eines rechtsverbindlichen Wegerechts ankam. Es ist auszuschließen, dass die Parteien ein - zumal entgeltliches - Wegerecht vereinbaren wollten, das tatsächlich gar nicht ausgeübt werden konnte. Ihr übereinstimmender Wille dazu, welche Grundstücke richtigerweise mit dem Wegerecht belastet werden sollte, lässt sich anhand der damaligen Verhältnisse feststellen.

1.2.2.b.1. Eine Wegführung allein über das Grundstück mit der damaligen Plannummer 211 war zur Zeit der Servitutsbestellung am 17.01.1876 nicht möglich. Dagegen war eine Wegführung - in der vorgesehenen Breite von 4,4 m - über die Flurstücke 211 und 208 möglich.

Hiervon ist der Senat aufgrund des gesamten Inhalts der Verhandlungen einschließlich des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt (§ 286 ZPO), insbesondere aufgrund der Angaben des gerichtlich bestellten Sachverständigen H1 B1.

Im Jahr 1871 war eine Verbindung zwischen der Straße „Am H.“ (heute: B.-straße) und dem Grundstück mit der damaligen Plannummer 444 über den westlichen Teil des Flurstücks 211 möglich (Gutachten vom 18.11.2015, Bl. 228/239 d. A., Seite 2; Anhörung vom 02.12.2015, Prot. Bl. 242/248 d. A., Seite 3). Im Jahr 1873 entstand durch einen Verkauf und Abbruch von Nebengebäuden weiter östlich eine weitere, an der schmalsten Stelle 4,4 m breite Verbindung zwischen der Straße „Am H.“ und dem Flurstück 444, und zwar über die Flurstücke 211 und 208. Die weiter westlich gelegene Verbindungsmöglichkeit auf dem Flurstück 211 fiel durch die Veräußerung eines im Westen gelegenen Teils des Flurstücks 211 mit Operat 130/1875 vom 04.07.1875 rechtlich weg: Der Grundstücksteil wurde an C. W., den Eigentümer des Flurstücks 210, veräußert, und mit diesem Flurstück verschmolzen, so dass er für eine Wegführung über das Flurstück 211 nicht mehr zur Verfügung stand (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 3; Anhörung vom 02.12.2015, Seite 3).

Damit verblieb zum 17.01.1876 als mögliche Verbindung des Flurstücks 444 mit der Straße „Am H.“ über das Flurstück 211 nur die (östliche) Wegführung, die auch über das Flurstück 208 führte. Diese Verbindungsmöglichkeit blieb von den Veränderungen mit Operat 252/1875 vom 21.09.1875 unberührt (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 4; Anhörung vom 02.12.2015, Seite 3). Sie war am Tag der Servitutsbestellung als durchgehende Verbindung zwischen der Straße „Am H.“ und dem Flurstück 444 nutzbar, weshalb auch der Sachverständige davon ausgeht, dass die über das Flurstück 211 der Eheleute St. und A. N. gewährte Servitut sich auch auf das ebenfalls in ihrem Eigentum stehende, aber in der Urkunde nicht erwähnte Flurstück 208 bezogen hat (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 5).

Zwar führt der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten aus, das Fahrtrecht hätte wegen einer im Atlasblatt ausgewiesenen Bebauung, nämlich dem im Messungsverzeichnis 47/1909 nachgewiesen abgebrochenen landwirtschaftlichen Nebengebäude nördlich der heutigen Brücke über den F.-bach, zeitweise nicht an der Stelle der heutigen Brücke ausgeübt werden können, wobei ein genauer Zeitraum dafür im Liegenschaftskataster nicht nachgewiesen sei (Gutachten vom 18.11.2015, Seiten 6 und 11). Doch betrifft dieser Zeitraum nicht die hier fragliche Zeit ab der Servitutsbestellung am 17.01.1876.

Der Senat ist, unter Berücksichtigung der Anhörung des Sachverständigen, davon überzeugt, dass das im Messungsverzeichnis 47/1909 rot angekreuzte und damit als abgebrochen gekennzeichnete Nebengebäude nördlich der Brücke über den F.-bach (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 7 unten; Anhörung vom 02.12.2015, Seite 4, zweiter und vorletzter Absatz) zur Zeit der Servitutsbestellung bereits nicht mehr vorhanden war. Das Atlasblatt, dem der Sachverständige entnommen hat, dass nördlich des F.-bachs zeitweise ein Nebengebäude (Schuppen) gestanden haben muss, umfasst den Zeitraum von 1861 bis 1914 (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 6 Abb. 7; Anhörung vom 02.12.2015, Seite 5 unten). Der als Anlage K 32 vorgelegte Plan, der Grundlage des Operats von 1873 war, enthält westlich des Anwesens Flurnummer 208 ein gestrichelt eingezeichnetes Objekt, das mit „Abbruch“ beschrieben ist, was nach den Ausführungen des Sachverständigen bedeutet, dass das Objekt damals nicht mehr da war (Anhörung vom 02.12.2015, Seite 5 unten). Bei dem Objekt handelt es sich aufgrund seiner Lage zur Überzeugung des Senats um das auch im Atlasblatt nördlich der Brücke dargestellte Nebengebäude, das mithin zwischen 1861 und 1873 in das Atlasblatt aufgenommen worden sein muss. Damit vereinbar ist auch, dass im Operat des Jahres 1879 kein Schuppen zu sehen ist (Anhörung vom 02.12.2015, Seite 3 unten).

1.2.2.b.2. Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen H1 B1.

An der Kompetenz und Sachkunde des Sachverständigen, der Vermessungsingenieur und Vermessungsdirektor des Vermessungsamts Ebersberg ist, hat das Gericht keinen Zweifel.

Der Sachverständige hat unter Auswertung aller bei der Akte befindlichen Unterlagen und Beiziehung der zugehörigen Originale aus dem Vermessungsamt auf der Grundlage zutreffender Anknüpfungstatsachen seine schriftlichen Gutachten erstellt. In diesen, insbesondere in der überarbeiteten Fassung vom 18.11.2015 (Bl. 228/239 d. A.), hat er anschaulich, nachvollziehbar und fachlich begründet die zu beurteilende Situation, die vermessungstechnische und -historische Ausgangslage, die verschiedenen zu erörternden Möglichkeiten der Wegführung sowie die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen dargestellt. Sein Gutachten hat er in der mündlichen Anhörung unter eingehender Stellungnahme zu den von Gericht und Beteiligten gestellten Fragen ausführlich erläutert, und wo nötig dabei auch nochmals das Kartenmaterial im Original herangezogen. Den widerspruchsfreien Angaben des Sachverständigen, in denen er auf alle aufgeworfenen Fragen eingegangen ist, kann das Gericht ohne weiteren Aufklärungsbedarf folgen und sich dem Ergebnis seines Gutachtens daher anschließen.

1.2.3. Die Grunddienstbarkeit vom 17.01.1876 ist nicht vor Anlegung des Grundbuchs erloschen.

Für den Bezirk des Oberlandesgerichts München ist das Grundbuch gemäß Art. 186 Abs. 1 EGBGB als am 01.05.1905 angelegt anzusehen (Bekanntmachung des Königlichen Staatsministeriums der Justiz Nr. 9827 vom 06.03.1905, BayJMBl. 1905, 562).

Eine Dienstbarkeit kann bereits vor Anlegung des Grundbuchs erloschen sein (Sprau, Justizgesetze in Bayern, AGBGB, Rn. 23 vor Art. 57). Bis zur Anlegung des Grundbuchs fanden insoweit die bisherigen Vorschriften Anwendung, also diejenigen des bayerischen Landrechts (Sprau, Justizgesetze in Bayern, AGBGB, Rn. 9 vor Art. 57), und zwar auch noch nach In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum 01.01.1900 (Art. 189 Abs. 1 EGBGB).

Die Grunddienstbarkeit ist nicht gemäß Teil 2 Kap. 7 § 8 CMBC in Verbindung mit Teil 2 Kap. 7 § 2 Nr. 4, Teil 2 Kap. 8 § 11 Nrn. 2 und 3 CMBC durch Nichtausübung („per non Usum“) erloschen.

Nach diesen Vorschriften erlöschen diejenigen Dienstbarkeiten, die - wie das hier fragliche Wege- und Viehtriebsrecht - nur zu einzelnen sich wiederholenden Handlungen berechtigen („Servitutibus discontinuis“), durch bloßen Nichtgebrauch, und zwar unter Anwesenden in zehn Jahren (Paul von Roth, Bayerisches Civilrecht, Bd. 2, Tübingen 1872, dort Buch II Cap. 3 § 154, Seiten 248, 251). Zum Erlöschen durch Nichtgebrauch ist erforderlich, dass die ganze Frist hindurch die Ausübung unterlassen worden ist, doch wird durch jede Ausübung der Dienstbarkeit die Frist unterbrochen und durch teilweise Ausübung das ganze Recht erhalten (Paul von Roth, Bayerisches Civilrecht, a. a. O., Seite 250).

Das Berufungsgericht ist davon überzeugt, dass das am 17.01.1876 eingeräumte Recht bis zur Anlegung des Grundbuchs am 01.05.1905 ständig ausgeübt worden ist. Deshalb kommt es nicht auf die Frage an, ob die Darlegungs- und Beweislast für das Erlöschen der Dienstbarkeit nach der allgemeinen Rechtsfortdauervermutung (Karl-Heinz Gursky in Staudinger, BGB, 2012, § 1006 Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.12.1994, Az. II ZR 4/94, NJW 1995, 1292, Rn. 16 bei Juris) bei den Beklagten liegt, oder ob gemeinrechtlich der Kläger die zum Fortbestand nötigen Ausübungen des Rechts nachweisen muss (Oberappellationsgericht Dresden, Urt. v. 14.02.1861, Seufferts Archiv Bd. 15 Nr. 110, http://r...de/de/fs1/o...html ; zweifelnd unter Hinweis auf die Rechtsfortdauervermutung: Oberappellationsgericht Lübeck, Urt. v. 24.05.1845, Seufferts Archiv Bd. 8 Nr. 313, http://r...de/de/fs1/o...).

1.2.3.a. Der Senat ist von einer ständigen Ausübung des Rechts von seiner Bestellung am 17.01.1876 bis zur Errichtung des Zauns vor der Brücke im Januar 2003 aufgrund des gesamten Inhalts der Verhandlungen einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme überzeugt (§ 286 ZPO), und zwar insbesondere aufgrund folgender Umstände:

Das Flurstück 444 wurde unstreitig durchgehend genutzt, so dass auch seine Verbindung zum öffentlichen Straßennetz genutzt worden sein muss.

Das Flurstück 444 war nur über das vereinbarte Wegerecht mit öffentlichen Straßen verbunden, welche die benötigte Breite aufwiesen.

Die Bestellung eines Wege- und Fahrtrechts mit einer Breite von 4,40 m gegen ein Entgelt zeigt, dass die Nutzung des Flurstücks 444 als Hofstätte das Bedürfnis einer Erschließung über einen Weg dieser Breite mit sich brachte.

Eine Anbindung an öffentliche Straßen und Wege in dieser Breite bestand spätestens seit 1879 nur über das Wegerecht. Im Einzelnen:

1.2.3.a.1. Wie bereits ausgeführt (siehe oben unter 1.2.2.b.1) gewährleistete das Wegerecht eine Verbindung des Flurstücks 444 mit der Straße „Am H.“ auf einer Breite von 4,40 m (Gutachten vom 18.11.2015, Bl. 228/239 d. A., Seiten 3 und 5; Anhörung vom 02.12.2015, Prot. Bl. 242/248 d. A., Seite 3).

1.2.3.a.2. Ob der Eigentümer des Flurstücks 444 ein Geh- und Fahrtrecht über den F.-bach (Flurstück 439) hatte, ist unerheblich, denn ein Weg kann auch ohne rechtliche Absicherung tatsächlich in Anspruch genommen werden.

1.2.3.a.3. Nach den Ergebnissen des eingeholten Sachverständigengutachtens bestand die Verbindung mit der Straße über die mit dem Wegerecht belasteten Grundstücke bis zur Errichtung des Zauns vor der Brücke im Januar 2003:

- Der Schuppen nördlich der Brücke über den F.-bach stand einer Ausübung des Wegerechts aus den bereits dargestellten Gründen (siehe oben unter II.1.2.2.b.1) nicht entgegen, denn er war bereits vor Bestellung der Dienstbarkeit abgebrochen worden.

- Durch die Veränderungen im Jahr 1879 ist die östliche Verbindung entlang der Grenze der Flurstücke 211-208 weiterhin unverändert geblieben (Gutachten vom 18.11.2015, S. 6 f.). Auf dem Flurstück 208 gab es einen 7 m breiten unbebauten Streifen, und erst westlich davon ein Nebengebäude auf Flurstück 211 (Anhörung vom 02.12.2015, Seite 4).

- m Jahr 1909 waren auf der Westseite des Anwesens 19 ½ auf Flurstück 208 ein Stall und Strohlager errichtet worden. Dadurch bestand auf dem Flurstück 208 keine durchgängige Wegverbindung zwischen der heutigen Bahnhofstraße und dem Flurstück 444 mehr über Flurstück 208. Über die Flächen des Flurstücks 211 westlich des im Jahr 1908 nach Brand wiedererrichteten Anwesens auf Flurstück 208 konnte die Servitut aber ausgeübt werden (Gutachten vom 18.11.2015, S. 7 unten, 11), und zwar auf einer Breite von rund 5 m (Anhörung vom 02.12.2015, Seite 4).

- Im Jahr 1932 wurden die Flurstücke 208, 210, 210/2 und 211 durch Zerlegung und Verschmelzung neu geformt, wobei eine 6 m lange und 1,27 m breite Dreiecksfläche im Nordwesten aus dem Flurstück 210 zu Flurstück 208 kam (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 8 oben; Anhörung vom 02.12.2015, Seite 5 oben). Diese Fläche gehörte zum Zeitpunkt der Servitutsbestellung am 17.01.1876 noch nicht zu einem der belasteten Grundstücke mit den damaligen Plannummern 208 und 211. Am Bestand der Wegverbindung ändert dies aber nichts.

- Einhergehend mit der letzten Veränderung der Flurstücke, dargestellt im Veränderungsnachweis 52/1957 vom 20.03.1957, wurde im Jahr 1956 der im Messungsverzeichnis 47/1909 dargestellte Stall mit Strohlager in ein Wohnhaus umgebaut. Zwischen dem Wohnhaus auf Flurstück 208 und der Grenze zu Flurstück 210 verblieb aber ein mindestens 4 m (4,49 m) breiter nicht bebauter Streifen (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 8 unten; Anhörung vom 02.12.2015, Seite 5 Mitte).

- Dauerhafte bauliche Veränderungen, die eine Nutzung des Wegerechts verhindern würden, sind bis 2002/2003 nicht vorgenommen worden, denn 2002 wurde der Weg unstreitig noch genutzt, was die Beklagten im Dezember 2002 unterbinden wollten, und erst im Januar 2003 wurde der Zaun vor der Brücke errichtet. Temporäre Veränderungen, die in der Zeit von 1956 bis 2002/2003 einer Ausübung des Wegerechts zeitweise - für mehr als zehn Jahre - entgegengestanden hätten, schließt der Senat aus, nachdem sich niemand auf derartige bauliche Maßnahmen berufen hat und Anhaltspunkte für solche auch beim Ortstermin nicht festgestellt werden konnten.

- Die frühere Wegverbindung wäre - ohne den Zaun - auch heute noch möglich (vgl. Gutachten vom 18.11.2015, Seite 11, letzter Absatz).

1.2.3.a.4. Eine andere Verbindung des Flurstücks 444 zu öffentlichen Straßen oder Wegen auf einer vergleichbaren Breite gab es nicht.

1.2.3.a.4.1. Die westliche Verbindung über das Flurstück 210 des C. W. (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 3) wurde im Jahr 1879 durch die Errichtung eines Schuppens auf dem Flurstück 210 auch faktisch endgültig unmöglich (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 6).

Auch für den Zeitraum von 1876 bis 1879, in dem ein Erreichen der Straße über das Eigentum des C. W. faktisch noch möglich gewesen wäre, ist der Senat im Übrigen von der Nutzung der östlichen Verbindung überzeugt, nachdem das dortige Wegerecht gegen ein Entgelt eingeräumt worden ist.

1.2.3.a.4.2. Der Senat schließt aus, dass im Zeitraum zwischen 1876 und 1926 die Zufahrt zum Flurstück 444 von der heutigen J.-straße her erfolgte. Andere Straßen oder Wege kommen nach den örtlichen Verhältnissen nicht in Betracht.

Mindestens anfänglich war dieser Weg nicht breit genug für die im Wegerecht vorgesehene Nutzung auf einer Breite von 4,40 m. Der Weg südlich des Flurstücks 444 (heute: J.-straße) hatte 1871 und 1876 nur eine Breite von 2,30 m (Anhörung vom 02.12.2015, Seite 5 oben). Hätte er zur Erschließung des Grundstücks ausgereicht, dann hätte es der (entgeltlichen) Bestellung des Wegerechts nicht bedurft.

Nach den glaubhaften Angaben der Zeugin E. Wa. befand sich auf der Grundstücksseite zur heutigen J.-straße hin 1923/1926 keine Ausfahrt, sondern ein alter Obstgarten (Einvernahme vom 09.07.2015, Prot. Bl. 200/205 d. A., Seite 3). Wenn dort Bäume gewachsen waren, kann der Bereich auch längere Zeit vorher nicht praktikabel als Wegverbindung für Fuhrwerke, zumal auf einer Breite von 4,40 m, genutzt worden sein.

Es ist wenig plausibel, dass nach 1876 und vor Anpflanzung der Obstbäume eine Ausfahrt, die 1926 nicht mehr vorhanden war, (nur) zwischenzeitlich errichtet war, zumal für eine Ausfahrt zu dem Weg hin kein Bedarf bestand, nachdem ein Wegerecht auf der anderen Seite des Grundstücks zur größeren heutigen B.-straße hin erworben worden war.

Die Möglichkeit, dass das Flurstück 444 zwischen 1876 und 1926 - zumal über zehn Jahre hinweg - ausschließlich von der heutigen J-straße her erschlossen war und das Wegerecht nicht genutzt wurde, hat demnach als ganz entfernt liegende, rein theoretische Möglichkeit außer Betracht zu bleiben.

1.2.3.a.4.3. Nach den Angaben der am 25.11.1918 geborenen Zeugin E. Wa.(Einvernahme vom 09.07.2015, Prot. Bl. 200/205 d. A.), denen der Senat folgt, verlief die Zufahrt des Flurstücks 444 seit Beginn ihrer Erinnerungen im fünften oder sechsten Lebensjahr, damit spätestens seit 1925, immer zur Bahnhofstraße hin.

Die Zeugin hat angegeben, dass sie in dem Haus auf dem Flurstück 444 aufgewachsen ist und Erinnerungen schon aus ihrem fünften oder sechsten Lebensjahr hat. Das Anwesen wurde landwirtschaftlich genutzt, mit zwei Pferden und zwölf Kühen sowie einem Getreidespeicher oben im Haus. Die Zufahrt sei immer zur B.-straße gewesen (Einvernahme vom 09.07.2015, Seite 3 oben). Über diese Zufahrt und Einfahrt fuhren die Eltern der Zeugin zum Ausüben der Landwirtschaft mit ihren Pferden und Fuhrwerken zu ihren Feldern und Äckern. Nach der anderen Seite sei eine Ausfahrt nicht möglich gewesen (Einvernahme vom 09.07.2015, Seite 3 unten). Dort seien nur ein Gemüsegarten auf der Westseite und ein Obstgarten mit einem alten Baumbestand von etwa 15 Bäumen auf der Ostseite - bis zum F.-bach hin - gewesen. Eine Ausfahrt zur J.-straße hin habe es auch nach dem Verkauf eines östlichen Grundstücksteils im Jahr 1926 und Entfernung der meisten Obstbäume nicht gegeben.

1.2.3.b. Der Senat folgt den glaubhaften Angaben der glaubwürdigen Zeugin E. Wa. Ebenso folgt er auch hinsichtlich der Fragen zur Ausübung des Wegerechts den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen H1 B.

1.2.3.b.1. Die Angaben der Zeugin Wa. sind glaubhaft.

Die Angaben der Zeugin sind plausibel, nachvollziehbar und frei von nicht erklärlichen Widersprüchen.

Schon an der (entgeltlichen) Bestellung des Wege- und Viehtriebsrechts im Jahr 1876 zeigt sich, dass für diesen Grundstückszugang zur Straße „Am H.“ (heute: B.-straße) damals ein Bedürfnis bestand. Das damals errichtete Anwesen auf dem Flurstück 444 war offensichtlich auf die Zufahrt über die Straße „Am H.“ ausgerichtet. Dass daneben nicht noch eine weitere Zufahrt über den kleineren Weg im Bereich der heutigen J-straße errichtet wurde, erscheint vor diesem Hintergrund naheliegend. Erst recht fernliegend wäre, dass eine Zufahrt zum Grundstück nur vom „J.-weg“ her und nicht über das Wegerecht erfolgt ist, wie es sich aber für ein Erlöschen des Wegerechts durch Nichtausübung verhalten müsste.

Auch die Existenz eines alten Obstgartens bis zum Jahr 1926 - der einer breiteren Zufahrt auf dieser Grundstücksseite entgegen stand - ist keine überraschende Schilderung, zumal es sich bei dem Anwesen um eine landwirtschaftliche Hofstätte handelte.

Ebenso ist es plausibel, dass die Zeugin angab, die Zufahrt sei zu jeder Zeit nur zur B.-straße hin erfolgt, auch nach Entfernung der meisten Obstbäume im Jahr 1926. Denn die Beklagten sahen sich noch 2002/2003 unstreitig veranlasst, diesen Weg zu versperren, um ein Durchgehen und Durchfahren zu verhindern, und es ist nicht ersichtlich, warum die Zufahrt zur B.-straße zwar bis 1926 und im Jahr 2002 genutzt wurde, in der Zeit dazwischen aber nicht genutzt worden sein soll. Eine Erklärung für eine solche Abweichung ist nicht erkennbar.

Die Angaben der Zeugin stehen im Einklang mit den vorliegenden Unterlagen und sonstigen objektiven Beweismitteln. Insbesondere ergeben sich weder aus den vorgelegten Plänen noch aus dem Gutachten des Sachverständigen Zweifel an den Angaben der Zeugin, wonach zur heutigen J.-straße hin bis 1926 ein alter Baumbestand vorhanden war und dass die Zufahrt des Anwesens (auch nach 1926) stets zur heutigen B.-straße hin erfolgte. Auch die Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse beim Ortstermin, in dem auch die Zeugin Wa. einvernommen wurde, hat nichts aufgezeigt, was Anlass zu Zweifeln an der Darstellung der Zeugin geben würde.

1.2.3.b.2. Der Senat erachtet die Zeugin E. Wa. für glaubwürdig.

Dabei ist sicherlich zu berücksichtigen, dass es sich bei der Zeugin um die Mutter des Klägers handelt, so dass diese aus familiärer Rücksichtnahme - ggf. auch unbewusst - geneigt sein könnte, Sachverhalte beschönigend zum Vorteil des Klägers darzustellen.

Doch hat der Senat nach dem bei der Einvernahme vor Ort am 09.07.2015 (Prot. Bl. 200/205 d. A.) gewonnenen persönlichen Eindruck keine Anzeichen für eine solche Tendenz feststellen können und im Gegenteil den Eindruck gewonnen, dass die Zeugin offen, aufrichtig und im Bewusstsein ihrer Verantwortung vor Gericht versucht hat, möglichst wahrheitsgemäße Angaben zu machen.

Anzeichen für eine ungebührliche Einflussnahme des Klägers auf die Zeugin haben sich nicht ergeben. Beim Ortstermin, in dem die Zeugin einvernommen wurde, hat der Kläger nicht versucht, die Zeugin irgendwie zu beeinflussen, sondern sich ihr gegenüber zurückgenommen und sie ihre Angaben ohne äußere Einflüsse machen lassen.

Dafür, dass die Zeugin ihre Angaben ohne inhaltliche Vorgaben eigenverantwortlich gemacht hat, deutet auch hin, dass sie sich, nachdem sie aus der Erinnerung berichtet hatte, auf eine von ihr selbst handschriftlich abgefasste Erklärung bezogen und diese für das Protokoll vorgelesen hat. Nicht nur nach der handschriftlichen Form, sondern auch nach Inhalt und Stil der Erklärung ist der Senat davon überzeugt, dass diese von der Zeugin verfasst worden ist, ohne dass ihr der Inhalt vorgegeben werden musste.

Das zeigt sich unter anderem auch an dem auf der Rückseite angebrachten „Nachtrag“, der sich mit der Wiederheirat der Mutter der Zeugin beschäftigt, einem Umstand, der für den Rechtsstreit nicht von Bedeutung ist. Die Ergänzung war der Zeugin aber offenbar wichtig, was als persönlicher Einschlag nicht nur für eine unbeeinflusste Aussage, sondern auch für ein authentisch erinnertes und wiedergegebenes Geschehen spricht.

Der Senat hat sich auch vom Erinnerungsvermögen der Zeugin und ihrer Fähigkeit, ihre Erinnerung zuverlässig wiederzugeben, überzeugt. Die am 25.11.1918 geborene Zeugin hat angegeben, über Erinnerungen bereits aus ihrem fünften und sechsten Lebensjahr zu verfügen, was nach der Lebenserfahrung plausibel ist. Dies hat sich bestätigt, denn sie hat namentlich aus den Jahren 1923 (fünftes Lebensjahr) und 1926 (achtes Lebensjahr) zahlreiche Wahrnehmungen geschildert, die sich nicht nur unmittelbar mit der Beweisbehauptung beschäftigen, sondern mit der damaligen familiären Lebens- und Wohnsituation allgemein. Es ist auch nachvollziehbar, dass die Zeugin aus ihrer frühen Kindheit noch Erinnerungen hat an das Haus, in dem sie aufgewachsen ist, insbesondere auch an dessen Gärten und an den Weg zur Straße hin. Derartige Bilder vom eigenen Haus, dem Garten und der näheren Umgebung gehören zu den prägenden Eindrücken eines Kinds und können erfahrungsgemäß auch in fortgeschrittenem Alter noch erinnert werden.

1.2.3.b.3. Den Ausführungen des Sachverständigen H1 B. folgt der Senat auch hinsichtlich der Fragen zur Ausübung des Wegerechts aus den bereits zur Auslegung der Servitutsbestellung dargestellten Gründen (siehe oben unter 1.2.2.b.2).

1.2.4. Die Anlegung des Grundbuchs am 01.05.1905 hat sich auf den Bestand der streitgegenständlichen Grunddienstbarkeit nicht ausgewirkt.

Für den Bezirk des Oberlandesgerichts München ist das Grundbuch gemäß Art. 186 Abs. 1 EGBGB als am 01.05.1905 angelegt anzusehen (Bekanntmachung des Königlichen Staatsministeriums der Justiz Nr. 9827 vom 06.03.1905, BayJMBl. 1905, 562).

Die Anlegung des Grundbuchs hat nicht zum Erlöschen einer bereits zuvor bestehenden Grunddienstbarkeit geführt, die nicht in das Grundbuch eingetragen worden ist.

Der von Art. 184 Satz 1 EGBGB angeordnete Fortbestand von Grundstücksbelastungen aus der Zeit vor In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 01.01.1900 (Art. 1 Abs. 1 EGBGB) erfordert nicht die Eintragung in das Grundbuch (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., EGBGB Art. 184 Rn. 2).

1.2.5. Die am 17.01.1876 bestellte Grunddienstbarkeit ist auch nach Anlegung des Grundbuchs (01.05.1905) nicht erloschen.

1.2.5.a. Die Grunddienstbarkeit ist nicht durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb erloschen.

Gemäß § 892 BGB führt der rechtsgeschäftliche Erwerb eines Grundstücks dazu, dass eine in das Grundbuch einzutragende, aber tatsächlich nicht eingetragene Belastung des Grundstücks erlischt (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 892 Rn. 15, 19). Eine Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) ist als Belastung des Grundstücks gemäß § 873 Abs. 1 BGB grundsätzlich in das Grundbuch einzutragen.

Von dieser Eintragungspflicht sind gegenüber dem öffentlichen Glauben (§ 892 BGB) aber solche Grunddienstbarkeiten befreit, die bei Anlegung des Grundbuchs bereits bestanden (Art. 187 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).

Es muss sich um eine Grunddienstbarkeit handeln, die auch eine solche im Sinn des BGB ist (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., EGBGB Art. 187 Rn. 1). Das trifft für die streitgegenständliche Grunddienstbarkeit zu, denn ein Wege- und Viehtriebsrecht, wie es hier eingeräumt worden ist, fällt unter den Begriff der Grunddienstbarkeit im Sinn des § 1018 BGB, wonach dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks das Recht eingeräumt wird, das dienende Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1018 Rn. 14, 16).

Entgegen der Vermutung des Sachverständigen B1 (Gutachten vom 18.11.2015, Bl. 228/239 d. A., Seiten 9 unten, 12 oben) kommt ein Erlöschen der Grunddienstbarkeit durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb des Grundstücks vorliegend also nicht in Betracht.

1.2.5.b. Im Zeitraum vom 01.05.1905 bis Januar 2003 ist die Grunddienstbarkeit nicht gemäß Art. 57 Abs. 1, 56 Abs. 3 Satz 1 BayAGBGB durch Nichtausübung erloschen.

1.2.5.b.1. Für die Frage, ob nach Anlegung des Grundbuchs eine nicht eingetragene altrechtliche Grunddienstbarkeit durch Nichtausübung erloschen ist, gilt gemäß Art. 189 Abs. 3, 218 EGBGB Landesrecht. Das bayerische Landesrecht hat insoweit eine (Neu-) Regelung in Art. 57 Abs. 1, 56 Abs. 3 Satz 1 BayAGBGB getroffen, die an die Stelle der inhaltsgleichen Regelung in Art. 11 bis 18 ÜbergangsG getreten ist (BayObLG, Urt. v. 06.07.1992, Az. RReg 1 Z 259/91, BayObLGZ 1992, 224, Rn. 14 bei Juris).

Nach diesen Vorschriften erlischt eine nicht eingetragene altrechtliche Grunddienstbarkeit mit dem Ablauf von zehn Jahren nach der letzten Ausübung.

1.2.5.b.2. Nach der ständigen Rechtsprechung zur Eintragung altrechtlicher Dienstbarkeiten im Grundbuch obliegt demjenigen, der eine solche nicht eingetragene Dienstbarkeit geltend macht, die Beweislast dafür, dass sie nicht durch Nichtausübung erloschen ist; Voraussetzung für das Erlöschen ist allerdings, dass es sich bei der zehnjährigen Nichtausübung nicht nur um eine ganz entfernt liegende, theoretische Möglichkeit handelt (BayObLG, Beschl. v. 07.04.1988, Az. BReg 2 Z 60/87, BayObLGZ 1988, 102 = DNotZ 1989, 164; BayObLG, Beschl. v. 28.09.2000, Az. 2Z BR 51/00, NJW-RR 2001, 161, Rn. 13 bei Juris; OLG München, Beschl. v. 07.05.2014, Az. 34 Wx 142/14, NZM 2014, 607, Rn. 9 bei Juris; OLG München, Beschl. v. 01.08.2013, Az. 34 Wx 62/13, MittBayNot 2014, 47, Rn. 10 bei Juris; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 22 Rn. 20).

Fraglich ist, ob die Beweislast des Dienstbarkeitsberechtigten entsprechend dieser Rechtsprechung nur für den die Bewilligung ersetzenden Nachweis bei einer begehrten Eintragung in das Grundbuch gilt, oder allgemein, zum Beispiel für den streitgegenständlichen Antrag.

Die zitierte Rechtsprechung hält eine andere Beweislastverteilung im Zivilprozess ausdrücklich für möglich: „Fehlt die Bewilligung, setzt die Eintragung den vollen Nachweis ihres (Fort-) Bestehens voraus, unabhängig davon, wie die Beweislast in einem Prozess über den Berichtigungsanspruch des § 894 BGB verteilt wäre“ (OLG München, Beschl. v. 01.08.2013, Az. 34 Wx 62/13, a. a. O., Rn. 10 bei Juris, m. w. Nachw.). Legte man die allgemeine Rechtsfortdauervermutung zugrunde, dann träfe die Beweislast für das Erlöschen der Dienstbarkeit die Beklagten. Nach dieser Regel trägt, wenn der Entstehungstatbestand eines Rechtes einmal nachgewiesen ist, der Gegner die Beweislast für das Erlöschen (Karl-Heinz Gursky in Staudinger, BGB, 2012, § 1006 Rn. 7; BGH, Urt. v. 19.12.1994, Az. II ZR 4/94, NJW 1995, 1292, Rn. 16 bei Juris).

Auf die Frage, bei wem die Darlegungs- und Beweislast für das Erlöschen bzw. den Fortbestand der Grunddienstbarkeit liegt, kommt es vorliegend jedoch nicht entscheidend an. Denn das Berufungsgericht ist davon überzeugt, dass das am 17.01.1876 eingeräumte Recht auch nach Anlegung des Grundbuchs (01.05.1905) bis Januar 2003 ständig ausgeübt worden ist.

1.2.5.b.3. Der Senat ist aus den bereits dargestellten Gründen (siehe oben unter 1.2.3) von einer ständigen Ausübung des Rechts von seiner Bestellung am 17.01.1876 bis zur Errichtung des Zauns vor der Brücke im Januar 2003 aufgrund des gesamten Inhalts der Verhandlungen einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme überzeugt (§ 286 ZPO).

Die Einvernahme der weiteren vom Kläger zum Beweis für die Ausübung des Wegerechts im 20. Jahrhundert angebotenen Zeugen ist nicht geboten, weil die durchgeführte Beweisaufnahme ausgereicht hat, den Senat von der ständigen Ausübung des Rechts zu überzeugen. Zeugen zum Gegenbeweis (Widerlegung der behaupteten Nutzung) haben die Beklagten nicht benannt.

1.2.5.c. Die Grunddienstbarkeit ist nicht gemäß Art. 57 Abs. 1, 56 Abs. 3 Satz 1 BayAGBGB erloschen, weil sie seit Errichtung des Zauns durch den ursprünglichen Beklagten zu 3 im Januar 2003 nicht mehr ausgeübt worden ist.

Denn die zehnjährige Frist ist gemäß Art. 57 Abs. 1, 56 Abs. 3 Satz 3 BayAGBGB, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt durch die Erhebung der am 02.01.2012 bei Gericht eingegangenen und bis 12.01.2012 allen Beklagten zugestellten Klage vom 02.01.2012, mit der die im ersten Rechtszug gestellten Anträge noch innerhalb der zehnjährigen Frist rechtshängig gemacht wurden.

2. Auf den zulässigen und überwiegend begründeten Antrag zu II war die Berechtigung des Klägers, seiner Besucher und der Mieter zum Begehen und Befahren des räumlichen Ausübungsbereichs des Wegerechts festzustellen.

Die Klage war als unbegründet abzuweisen, soweit sich die beantragte Feststellung auf eine Teilfläche bezieht, die nicht zum Ausübungsbereich gehört.

2.1. Der Antrag zu II ist zulässig.

2.1.1. Der Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Rechtsverhältnisse im Sinn dieser Vorschrift können Rechte jeder Art sein (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 256 Rn. 6).

Das Bestehen oder Nichtbestehen der konkreten Berechtigung zum Begehen und Befahren des Ausübungsbereichs ist - mindestens teilweise - vorgreiflich für die Entscheidung des übrigen Rechtsstreits im Sinn des § 256 Abs. 2 ZPO. Der Kläger stützt seinen mit dem Antrag zu I geltend gemachten Anspruch auf Beseitigung des Zauns darauf, dass dieser die Grunddienstbarkeit beeinträchtige (§§ 1004 Abs. 1 Satz 1, 1027 BGB). Die Entscheidung über diesen Anspruch hängt auch davon ab, ob die Grunddienstbarkeit den Kläger (und andere) dazu berechtigt, dort zu gehen und zu fahren, wo dies durch den errichteten Zaun behindert wird.

2.1.2. Im Übrigen ist der Antrag zu II auch in Anwendung von § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das insoweit erforderliche rechtliche Interesse an der Feststellung des Rechtsverhältnisses (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 256 Rn. 13 ff.) ergibt sich daraus, dass die Beklagten die Berechtigung des Klägers in Abrede stellen und ein Feststellungsurteil geeignet ist, zukünftigen Streit weitergehend zu vermeiden als ein bloßes Leistungsurteil.

2.2. Der Antrag zu II ist überwiegend begründet.

Der Kläger sowie seine Besucher und Mieter sind berechtigt, auf den Grundstücken mit den Flurnummern 208 und 209 der Gemarkung Grafing auf einem 4,40 m breiten Streifen entlang der Westgrenze zu den Grundstücken mit den Flurnummern 210 und 211 der Gemarkung Grafing zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren. Davon ausgenommen ist jedoch die in der Urteilsformel bezeichnete Dreiecksfläche; insoweit war der Antrag zu II als unbegründet abzuweisen.

2.2.1. Die Berechtigung zur Nutzung in diesem räumlichen Umfang ergibt sich gemäß § 1018 BGB aus der streitgegenständlichen Grunddienstbarkeit.

Die am 17.01.1876 begründete Grunddienstbarkeit besteht aus den bereits dargestellten Gründen (siehe oben unter 1.2) nach wie vor.

Der heutige Inhalt der nicht eingetragenen Dienstbarkeit richtet sich danach, welcher Inhalt bei der Bestellung vereinbart worden ist, und etwaigen Inhaltsänderungen durch Bedürfnisänderung (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1018 Rn. 8, 16).

2.2.1.a. Ursprünglich vereinbart wurde die Belastung der Grundstücke mit den damaligen Plannummern 208 und 211 mit einem Wege- und Viehtriebsrecht als Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks mit der damaligen Plannummer 444, wie bereits ausgeführt (siehe oben unter 1.2.1 und 1.2.2).

Dabei wurde eine örtliche Ausübungsbeschränkung getroffen, indem bei Belastung der ganzen Grundstücke die Ausübung der Dienstbarkeit auf einen begrenzten Bereich der Grundstücke beschränkt wurde (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1018 Rn. 7). Denn die damaligen Vertragsparteien haben, wie in Teil 2 Kap. 8 § 11 ad 2 CMBC zugelassen („wo kein Besonderes bedungen oder hergebracht ist“), die Breite des Wegs („auf einer Breite von 4,4 m“) und die Wegführung („hart von der Düngerstätte“) vereinbart.

2.2.1.b. Der genau fixierte Inhalt der Belastung wandelt sich nicht mit einer Bedürfnisänderung; das gilt insbesondere für Regelungen über den räumlichen Umfang der Benutzung des belasteten Grundstücks (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1018 Rn. 10).

Daraus folgt vorliegend, dass die im Rahmen der Ausübungsbeschränkung vereinbarte, auf 4,4 m genau fixierte Breite des Wegs, auf dem die belasteten Grundstücke überquert werden dürfen, keiner Änderung unterliegt. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Wegführung, wie die Regelung des § 1023 BGB über die Verlegung der Ausübungsstelle zeigt.

2.2.1.c. Die in der Urteilsformel bezeichnete, im Jahr 1932 neu zugeordnete Dreiecksfläche ist nicht in den räumlichen Umfang der dem Kläger zustehenden Grunddienstbarkeit gelangt.

2.2.1.c.1. Mit den Veränderungen gemäß Messungsverzeichnis 63/1932 vom 14.07.1932 ist diese Teilfläche vom Flurstück 210 abgeteilt und dem Flurstück 208 zugeschrieben worden (Gutachten vom 18.11.2015, Bl. 228/239 d. A., Seiten 8 oben, 11 unten; Anhörung vom 02.12.2015, Prot. Bl. 242/248 d. A., Seite 5 oben). Zwar war das Flurstück 208 mit der streitgegenständlichen Grunddienstbarkeit belastet.

Grunddienstbarkeiten erstrecken sich aber weder im Falle der Zuschreibung (§ 890 Abs. 2 BGB) noch im Fall der Vereinigung mehrerer Grundstücke (§ 890 Abs. 1 BGB) von Rechts wegen auf den hinzugekommenen Grundstücksteil; vielmehr beschränkt sich eine solche Grunddienstbarkeit nach wie vor auf den Grundstücksteil, der ursprünglich mit ihr belastet worden ist (BGH, Urt. v. 21.10.1977, Az. V ZR 121/75, MDR 1978, 302 = DNotZ 1978, 156, Rn. 23, 24 bei Juris; Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 890 Rn. 4).

2.2.1.c.2. Der Kläger ist auch nicht analog § 1023 BGB berechtigt, eine Einbeziehung der Dreiecksfläche in die Ausübungsfläche der Dienstbarkeit zu verlangen.

Gemäß § 1023 BGB ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks unter bestimmten Umständen berechtigt, eine Verlegung der Ausübungsstelle zu verlangen.

Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den Dienstbarkeitsberechtigten scheidet aus, wenn die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht worden ist (BGH, Urt. v. 12.12.2014, Az. V ZR 36/14, NJW 2015, 1750, Rn. 18). Das ist hier, wie bereits dargestellt (siehe oben unter 2.2.1.a), der Fall.

Im Übrigen lassen sich die Voraussetzungen des § 1023 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegend auch nicht feststellen. Der Kläger hat weder dargelegt noch nachgewiesen, dass eine Ausübung des Wegerechts ohne Erstreckung auf die Dreiecksfläche für ihn besonders beschwerlich im Sinn dieser Vorschrift wäre.

2.2.1.d. Die Grunddienstbarkeit erstreckt sich auch auf die Teilfläche, die 1957 von dem Flurstück 208 abgeteilt und mit dem Flurstück 209 verschmolzen wurde.

Gemäß Veränderungsnachweis 52/1957 vom 20.03.1957 ist das Flurstück 209 auf Kosten des Flurstücks 208 erweitert worden und erstreckt sich seitdem (im Süden) in den Ausübungsbereich der Grunddienstbarkeit hinein (Gutachten vom 18.11.2015, Seite 8 unten, S. 10 f. Abb. 12 und 13; Anhörung vom 02.12.2015, Seite 5 Mitte). Demnach ist von dem mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstück mit der Flurnummer 208 eine Teilfläche abgeteilt und sodann mit dem Flurstück 209 vereinigt oder ihm zugeschrieben worden (§ 890 BGB).

Die abgeteilte Fläche ist gemäß § 1026 BGB, Art. 184 Satz 2 EGBGB mit der Grunddienstbarkeit belastet geblieben, weil der räumliche Ausübungsbereich des Wegerechts sich auf diese Teilfläche erstreckte (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1026 Rn. 2).

Mit der Zuschreibung oder Vereinigung dieser Teilfläche zum Flurstück 209 ist die Grunddienstbarkeit nicht untergegangen, sondern an dem ursprünglich mit ihr belasteten Grundstücksteil bestehen geblieben (BGH, Urt. v. 21.10.1977, Az. V ZR 121/75, MDR 1978, 302 = DNotZ 1978, 156, Rn. 23, 24 bei Juris; Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 890 Rn. 4).

2.2.1.e. Damit ergibt sich der im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen H1 B. vom 18.11.2015 (Bl. 228/239 d. A.) auf Seite 11 in Abbildung 13 als - ohne die bebauten Bereiche - grüne Fläche dargestellte Verlauf des räumlichen Ausübungsbereichs der Grunddienstbarkeit entlang - abgesehen von der Dreiecksfläche - der westlichen Grenze der Flurstücke 208 und 209 zu den Flurstücken 210 und 211.

Der Sachverständige ist in seinem Gutachten von dem im Jahr 1876 allein möglichen Wegeverlauf ausgegangen und hat die späteren Änderungen der Grundstücksverhältnisse berücksichtigt.

Nach diesem festgestellten Verlauf des räumlichen Ausübungsbereichs war die beantragte Feststellung daher in räumlicher Hinsicht in dem tenorierten Umfang auszusprechen.

2.2.2. Das streitgegenständliche Wegerecht, das im Jahr 1876 mit der Berechtigung bestellt worden ist, „mit Fuhrwerk jeder Art zu fahren“ (so auch Teil 2 Kap. 8 § 11 ad 2 CMBC: „nicht nur darauf gehen und reiten, sondern auch mit beladenen oder unbeladenen Wagen fahren“), ist so auszulegen, dass es nicht nur zum Fahren mit von Tieren gezogenen Fuhrwerken, sondern mit Fahrzeugen aller Art berechtigt.

Ein Fahrrecht oder Recht zum „Befahren mit Fuhrwerk“ ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung auszulegen und berechtigt heute regelmäßig zur Ausübung mit jeweils gebrauchsüblichen Fahrzeugen, insbesondere Personen- und Lastkraftwagen (BGH, Urt. v. 18.07.2014, Az. V ZR 151/13, NJW 2014, 3780 = BeckRS 2014, 15949, Rn. 7; Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1018 Rn. 17).

2.2.3. Benutzungsberechtigt sind neben dem Kläger als Eigentümer des herrschenden Grundstücks auch dessen Mieter sowie Besucher, insbesondere Kunden (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1018 Rn. 14, 16).

3. Auf den zulässigen und teilweise begründeten Hauptantrag zu I war die beklagte Partei zu 3 antragsgemäß zur Entfernung des Zauns auf dem Flurstück 209 zu verurteilen, während dieser Antrag im Übrigen, nämlich in Richtung gegen die Beklagten zu 2 und 3, als unbegründet abzuweisen war.

3.1. Der Hauptantrag zu I ist zulässig.

Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts München II vom 23.12.2002 (Az. 5 O 6923/02) entgegen, denn es handelte sich um eine Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Verfügung, während vorliegend das Hauptsacheverfahren betrieben wird.

Einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kommt zwar materielle Rechtskraftwirkung im Sinn des § 322 Abs. 1 ZPO zu. Die Rechtskraftwirkung bezieht sich aber nur auf den Anspruch auf Sicherung oder Regelung nach den §§ 935, 940 ZPO (LAG Berlin, Beschl. v. 18.03.2010, Az. 25 TaBVGa 2608/09, AE 2011, 70 [Ls.], Rn. 21, 22 bei Juris). Nur dieser ist Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzes, nicht dagegen der zu sichernde Anspruch selbst, der Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens ist (Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., Rn. 5 vor § 916). Damit liegt mangels Identität der Streitgegenstände eine entgegenstehende Rechtskraft nicht vor (Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., Rn. 19 vor § 322).

3.2. Der Hauptantrag zu I ist in Richtung gegen die beklagte Partei zu 3 begründet, in Richtung gegen die Beklagten zu 1 und 2 dagegen unbegründet.

3.2.1. Der Kläger kann von der beklagten Partei zu 3 gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 1, 1027 BGB die Entfernung des Zauns vor der Brücke verlangen.

3.2.1.a. Der Zaun verhindert im räumlichen Ausübungsbereich des Wegerechts den Durchgang und die Durchfahrt vom und zum Grundstück des Klägers, und damit die Ausübung der Grunddienstbarkeit, zu welcher der Kläger aus den bereits dargestellten Gründen (siehe oben unter 1.2 und 2.2) berechtigt ist. In einer Behinderung oder Störung der Ausübung, und damit erst recht in ihrer Verhinderung, liegt eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit im Sinn des § 1027 BGB (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1027 Rn. 1).

3.2.1.b. Die beklagte Partei zu 3 ist als Störer gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1027 BGB zur Beseitigung der Störung verpflichtet.

3.2.1.b.1. Der ursprüngliche Beklagte zu 3, der unstreitig den Zaun errichtet hat, war damit Handlungsstörer (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1004 Rn. 16 ff.). Sein Erbe oder seine Erben sind als Gesamtrechtsnachfolger gemäß §§ 1922, 1967 BGB dem Beseitigungsanspruch ausgesetzt (vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1922 Rn. 8, 10).

3.2.1.b.2. Die beklagte Partei zu 3 ist zudem Zustandsstörer (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1004 Rn. 19), da sich der Zaun unstreitig auf ihrem Grundstück mit der Flurnummer 209 befindet.

Zustandsstörer ist - auch wenn er die Beeinträchtigung nicht verursacht hat - derjenige, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aufrechterhalten wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der in Anspruch genommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat (BGH, Urt. v. 21.09.2012, Az. V ZR 230/11, NJW 2012, 3781, Rn. 7).

Die beklagte Partei zu 3 kann als Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Zaun steht, dessen Beseitigung bewirken (§ 903 Satz 1 BGB).

3.2.1.c. Zur Beseitigung der Störung ist der Zaun zu entfernen.

3.2.2. Der Kläger kann von den Beklagten zu 1 und 2 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Entfernung des Zauns auf dem Flurstück 209 verlangen.

3.2.2.a. Ein Beseitigungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 1, 1027 BGB gegen die Beklagten zu 1 und 2 besteht nicht, da diese nicht Störer im Sinn des § 1004 BGB sind.

3.2.2.a.1. Die Beklagten zu 1 und 2 können nicht als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden.

Unmittelbare Handlungsstörer (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1004 Rn. 17) sind die Beklagten zu 1 und 2 nicht, denn der Zaun wurde vom ursprünglichen Beklagten zu 3 errichtet.

Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich auch nicht, dass die Beklagten zu 1 und 2 als mittelbare Handlungsstörer haften. Zum einen ist nicht festzustellen, dass sie die Errichtung des Zauns im Jahr 2003 (mit) veranlasst hätten. Ihre Rechtsvorgänger haben zwar unstreitig am 13.12.2002 angekündigt, den Weg für den Kläger und dessen Mieter sowie den Lieferverkehr zu sperren; errichtet wurde der Zaun aber vom ursprünglichen Beklagten zu 3. Zudem würde eine Haftung als mittelbarer Handlungsstörer voraussetzen, dass der in Anspruch genommene die Beeinträchtigung verhindern kann (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1004 Rn. 18). Der beeinträchtigende Zaun befindet sich nicht auf dem Grundstück der Beklagten zu 1 und 2.

3.2.2.a.2. Die Beklagten zu 1 und 2 sind auch nicht Zustandsstörer.

Zustandsstörer ist - auch wenn er die Beeinträchtigung nicht verursacht hat - derjenige, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aufrechterhalten wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der in Anspruch genommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat (BGH, Urt. v. 21.09.2012, Az. V ZR 230/11, NJW 2012, 3781, Rn. 7).

Die Beklagten zu 1 und 2 beherrschen die Quelle der Störung nicht. Das Grundstück mit der Flurnummer 209, auf dem der Zaun steht, gehört der beklagten Partei zu 3.

3.2.2.b. Andere Anspruchsgrundlagen für eine Entfernung des Zauns kommen in Richtung gegen die Beklagten zu 1 und 2 ebenfalls nicht in Betracht.

4. Auf den zulässigen und überwiegend begründeten Hilfsantrag zu I waren die Beklagten zu 1 und 2 wie ausgesprochen zur Unterlassung von Störungen und Behinderungen der Zufahrt zu verurteilen.

4.1. In Richtung gegen die Beklagten zu 1 und 2 war über den im Antrag zu I enthaltenen Hilfsantrag auf Verhinderung einer Beeinträchtigung der Zufahrt über das Flurstück 208 durch geeignete Maßnahmen zu entscheiden, nachdem der Hauptantrag zu I in Richtung gegen diese Beklagten keinen Erfolg hatte und damit die Bedingung eingetreten ist, unter die der Hilfsantrag gestellt wurde.

Da das Flurstück 209 unstreitig allein der beklagten Partei zu 3 gehört, legt das Gericht die Bedingung für den Hilfsantrag so aus, dass in Richtung gegen die Beklagten zu 1 und 2 nur die Zufahrt über das Flurstück 208 Gegenstand des Antrags sein soll.

Dagegen war in Richtung gegen die beklagte Partei zu 3 über den Hilfsantrag zu I nicht zu entscheiden, da in diesem Prozessrechtsverhältnis die Bedingung, unter die der Hilfsantrag gestellt wurde, nicht eingetreten ist.

4.2. Der Senat legt den Hilfsantrag als Unterlassungsbegehren aus (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 253 Rn. 13 sowie Rn. 25 vor § 128).

Mit dem Hilfsantrag wird verlangt, „durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass die Zufahrt auf das Grundstück des Klägers mit der Flurnummer 444 (Gemarkung G.) über die Grundstücke mit der Flurnummer 208 und 209 (beide Gemarkung G.) beeinträchtigt wird“.

Die Verhinderung von Beeinträchtigungen, die damit begehrt wird, stellt sich als Pflicht zur Unterlassung beeinträchtigender Maßnahmen dar. Dass der Kläger die Auferlegung konkreter Handlungspflichten begehren würde, ergibt sich weder aus dem Antrag selbst noch aus dem klägerischen Vorbringen. Der Antrag wäre insoweit auch zu unbestimmt, da sich ihm nicht entnehmen lässt, welche bestimmten oder bestimmbaren Maßnahmen (etwa bauliche Veränderungen) die Beklagten ergreifen sollten (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 253 Rn. 11). Als vom Antrag umfasstes (§§ 308 Abs. 1, 528 ZPO), erkennbares Rechtsschutzziel verbleibt damit nur, dass die Beklagten die Zufahrt nicht beeinträchtigen sollen. Nach dem Gebot der wirkungsfreundlichen Auslegung ist davon auszugehen, dass der Kläger dies mit seinem Antrag zum Ausdruck bringen wollte.

4.3. Der Hilfsantrag zu I ist zulässig.

Der Zulässigkeit steht insbesondere aus den bereits dargestellten Gründen (siehe oben unter 3.1) nicht die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts München II vom 23.12.2002 (Az. 5 O 6923/02) entgegen.

4.4. Der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Hilfsantrag zu I ist überwiegend begründet.

Der Kläger kann von den Beklagten zu 1 und 2 gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 1027 BGB die Unterlassung von Störungen und Behinderungen der Zufahrt zu seinem Grundstück mit der Flurnummer 444 über den räumlichen Ausübungsbereich der Grunddienstbarkeit auf dem Grundstück der Beklagten zu 1 und 2 mit der Flurnummer 208 verlangen.

Der Kläger, seine Mieter und der Lieferverkehr sind aus den bereits dargestellten Gründen (siehe oben unter 1.2 und 2.2) zur Zufahrt über diesen Weg aufgrund der streitgegenständlichen Grunddienstbarkeit berechtigt.

Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1004 Rn. 32) ergibt sich daraus, dass die Rechtsvorgänger der Beklagten zu 1 und 2 dem Kläger am 13.12.2002 angekündigt haben, den streitgegenständlichen Weg für den Kläger und dessen Mieter sowie den Lieferverkehr zu sperren. Die Wiederholungsgefahr ist nicht durch Zeitablauf entfallen, denn der Weg war tatsächlich seit Januar 2003 versperrt. Eine hinreichende Unterlassungsverpflichtung haben die Beklagten zu 1 und 2 nicht abgegeben. Im Rechtsstreit bestreiten sie eine Berechtigung des Klägers aus der Grunddienstbarkeit.

Der Anspruch ist auf die Unterlassung von Beeinträchtigungen der Grunddienstbarkeit gerichtet (§ 1027 BGB). Das sind Störungen und Behinderungen der rechtmäßigen Grunddienstbarkeitsausübung (Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1027 Rn. 1), zu der die im Antrag genannte Zufahrt über das Flurstück 208 grundsätzlich gehört.

Allerdings gilt dies wie bereits ausgeführt (siehe oben unter 2.2) nur im räumlichen Ausübungsbereich der Grunddienstbarkeit, so dass der Unterlassungsanspruch auf diesen einzuschränken und im Übrigen als unbegründet abzuweisen war.

5.5.1. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 15.01.2016 (Bl. 249/253 d. A.) und vom 04.02.2016 sowie des Klägers vom 10.02.2016 geben zu einer Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO keinen Anlass.

5.1.1. Die Rechtsausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 15.01.2016 (Bl. 249/253 d. A.) hat der Senat berücksichtigt. Sie ändern jedoch an dem dargestellten Ergebnis nichts.

Der Senat kann nicht erkennen, auf welchen Gutglaubenstatbestand sich ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb im Jahr 1886 vor Anlegung des Grundbuchs als Träger des öffentlichen Glaubens gestützt haben soll. Der Erwerber eines Grundstücks musste nach damaligem Recht „die Sache mit allen darauf haftenden Bürden übernehmen“ (Teil 2 Kap. 3 § 8 Nr. 12 CMBC). Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb im Jahr 1914 kommt aus den hierzu bereits dargelegten Gründen (siehe oben unter 1.2.5.a) nicht in Betracht.

Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich der Abbildung 13 des Sachverständigen (Gutachten vom 18.11.2015, Bl. 228/239 d. A., Seite 11 Abb. 13, mit historischen Flurstücken in rotem Saum) entnehmen, dass die Wegführung ursprünglich im Norden über die (damalige) Parzelle 211 und im Süden über die (damalige) Parzelle 208 verlaufen sein muss. Die behaupteten, mittelbar weitergegebenen Äußerungen des Sachverständigen auf telefonische Befragung nach dem Beweisaufnahmetermin stellen für den Senat keinen Anlass dar, wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten. Zudem entspringt die Angabe des Sachverständigen, dass ein Verlauf des (4,40 m breiten) Wegs allein über Parzelle 211 nicht möglich war, nicht einer möglicherweise missverstandenen Äußerung in der mündlichen Anhörung, sondern bereits im schriftlichen Gutachten findet sich wiederholt die Angabe, dass die mögliche (östliche) Wegführung über die Parzellen 208 und 211 verläuft (so Gutachten vom 18.11.2015, Seiten 3, 4, 7).

Eine Anwendung der §§ 1020, 1021 des am 01.01.1900 in Kraft getretenen BGB bei Bestellung der Servitut am 17.01.1876 erschließt sich dem Senat nicht.

5.1.2. Neue Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 10.02.2016 sind für die Entscheidung nicht maßgeblich.

5.1.3. Neues tatsächliches Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist bei der Entscheidung gemäß §§ 296a, 525 ZPO unberücksichtigt geblieben.

5.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO.

5.3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2, 108 Abs. 1 ZPO.

5.4. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere öffentlich genutzte Gebiete, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete und öffentlich genutzte Gebäude, so weit wie möglich vermieden werden. Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in Gebieten, in denen die in Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte und Zielwerte nicht überschritten werden, ist bei der Abwägung der betroffenen Belange die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität als Belang zu berücksichtigen.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Unbeachtlich werden

1.
eine nach § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften,
2.
eine unter Berücksichtigung des § 214 Absatz 2 beachtliche Verletzung der Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans und des Flächennutzungsplans und
3.
nach § 214 Absatz 3 Satz 2 beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs,
wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Satz 1 gilt entsprechend, wenn Fehler nach § 214 Absatz 2a beachtlich sind.

(2) Bei Inkraftsetzung des Flächennutzungsplans oder der Satzung ist auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hinzuweisen.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.

(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.

(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.

(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15. Februar 2011 - 5 K 932/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für den Anbau eines Pfand- und Lagerraums an ihren Lebensmittelmarkt.
Die Klägerin betreibt in ... auf dem Grundstück Flst.-Nr. 356/18 ein am 16.4.2002 baurechtlich genehmigtes Lebensmitteldiscountgeschäft mit einer Verkaufsfläche von 726,15 m². Die Geschossfläche beträgt 1.484,10 m². Nordwestlich an das Verkaufsgebäude schließt ein Parkdeck mit 115 Stellplätzen an, südöstlich dieses Gebäudes liegt ein Parkplatz mit weiteren 49 Stellplätzen. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet ...“ vom 19.7.2011, der am 25.8.2011 in Kraft getreten ist und den bis dahin auch für das Grundstück der Klägerin geltenden Bebauungsplan „Gewerbegebiet ......“ vom 27.6.2006, in Kraft getreten am 13.7.2006, ersetzt hat. Der Bebauungsplan vom 19.7.2011 wurde nach einer von der Beigeladenen in Auftrag gegebenen Einzelhandelsuntersuchung aufgestellt, die eine Beschränkung des zentrenrelevanten Einzelhandels auf das Ortszentrum empfahl. Der Bebauungsplan weist das gesamte Plangebiet als Gewerbegebiet aus, in dem - abgesehen von drei Grundstücken mit Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO - zentrenrelevanter Einzelhandel, branchentypische zentrenrelevante Randsortimente auf 10 % der Verkaufsfläche ausgenommen, nicht zulässig ist (Ziff. A.1.1.1 der textlichen Festsetzungen). Für das Vorhabengrundstück trifft er eine „Fremdkörperfestsetzung“ gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO, nach der Erweiterungen, Änderungen und Erneuerungen der bestehenden Nutzung als Lebensmittelmarkt ausnahmsweise zulässig sind, wenn die Grenze der Großflächigkeit nicht überschritten wird (Ziff. A.1.1.3 der textlichen Festsetzungen). Außerdem legt der Bebauungsplan im gesamten Gebiet die überbaubaren Grundstücksflächen durch Baugrenzen fest (Ziff. A.3 der textlichen Festsetzungen). Auch Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO sind nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig (Ziff. A.5 der textlichen Festsetzungen). Das bestehende Gebäude der Klägerin befindet sich innerhalb dieser Baugrenzen, der geplante Anbau liegt ganz überwiegend jenseits der südöstlichen Baugrenze im Bereich des Parkplatzes. Die Baugrenzen auf dem Vorhabengrundstück nach dem Plan vom 19.7.2011 entsprechen denjenigen im früheren Plan vom 27.6.2006.
Unter dem 23.9.2008 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau eines Pfand- und Lagerraums mit einer Grundfläche von 112,71 m² (27,49 x 4,10 m), der einen für Kunden zugänglichen Pfandvorraum mit einer Nettofläche von 9,56 m² beinhalten soll. Zudem beantragte sie die Befreiung von den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans in Bezug auf die Überschreitung der festgesetzten Baugrenze und die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre, die der Gemeinderat der Beigeladenen am 21.2.2008 in der Folge des Aufstellungsbeschlusses zur Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet ......“ vom 27.3.2007 beschlossen hatte. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass sie aufgrund der gesetzlichen Änderungen verpflichtet sei, seit dem 1.5.2006 auch Pfandflaschen anderer Händler anzunehmen. Sie habe im Betriebsablauf festgestellt, dass hierfür ein erhöhter Flächenbedarf zur Annahme und Lagerung notwendig sei. Mit dem Anbau soll dieser Flächenbedarf gedeckt werden. Der Anbau bezwecke nicht die Vergrößerung der Verkaufsfläche. Für die Kundschaft sei lediglich der Pfandvorraum zugänglich, die dahinterliegenden Räume seien für die Geräteaufstellung und Lagerung vorgesehen. Um eine optimale Zugänglichkeit für die Kundschaft zu den Pfandautomaten zu gewährleisten, sei der Anbau in unmittelbarer Nähe zum Ein- und Ausgang bzw. zu den Kassen geplant worden.
Am 10.6.2009 hat die Klägerin Untätigkeitsklage auf Verpflichtung des beklagten Landes zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung erhoben. Mit Bescheid vom 6.7.2009 hat das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald den Bauantrag abgelehnt, weil die Beigeladene das erforderliche Einvernehmen sowohl für eine Ausnahme von der Veränderungssperre als auch für eine Befreiung von der festgesetzten Baugrenze versagt habe. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin hat das Regierungspräsidium Freiburg mit Widerspruchsbescheid vom 9.6.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zum einen stehe dem Vorhaben die mit Beschluss der Beigeladenen vom 15.12.2009 um ein Jahr verlängerte Veränderungssperre entgegen. Zum anderen sei das Vorhaben auch ohne Veränderungssperre unzulässig, weil es das im Bebauungsplan vorgesehene Baufenster nicht einhalte und die Voraussetzungen einer Befreiung nicht vorlägen.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Klage mit Urteil vom 15.2.2011 als unbegründet abgewiesen, weil das Vorhaben die festgesetzten Baugrenzen überschreite und die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vorlägen. Insoweit habe die Beigeladene eine grundlegende planerische Entscheidung getroffen. Sie habe festgelegt, dass die Baugrenzen nur mit untergeordneten Bauteilen, Eingangsüberdachungen sowie Vorbauten bis 5,00 m Breite um bis zu 1,50 m überschritten werden könnten, zu denen das Vorhaben der Klägerin aber nicht gehöre. Außerdem seien auch Nebenanlagen nur innerhalb der überbaubaren Flächen zulässig und könnten lediglich ausnahmsweise über eine Baugenehmigung auch außerhalb der Baufenster zugelassen werden. Diese Festsetzung solle nach der Planbegründung eine Begrünung des Gebiets sicherstellen, weil die Errichtung von Nebenanlagen, die nach der Landesbauordnung genehmigungsfrei sei, sonst auch außerhalb der Baufenster zulässig wäre, so dass die Gefahr bestünde, dass die nicht überbaubaren Flächen langfristig überbaut würden. Diese eingehende Begründung der Festsetzung von Baufenstern zeige, dass es sich gerade nicht um eine weniger gewichtige oder gar zufällige Festsetzung gehandelt habe, sondern vielmehr um eine bewusste planerische Grundsatzentscheidung. Die begehrte Befreiung sei für dieses Plangefüge auch nicht von untergeordneter Bedeutung, da der Anbau das Baufenster um insgesamt ca. 80 m² überschreite und Vorbildwirkung für andere Vorhaben im Baugebiet haben könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit Beschluss des Senats vom 7.8.2012 zugelassene Berufung der Klägerin. Die Klägerin macht geltend, die im Bebauungsplan vom 19.7.2011 für ihr Grundstück festgesetzte südöstliche Baugrenze sei abwägungsfehlerhaft. Der Beigeladenen sei im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses das konkrete Erweiterungsvorhaben der Klägerin bekannt gewesen. Ihre Anregung, die östliche Baugrenze um 5,00 m nach Osten zu verschieben, sei von der Beigeladenen mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Einrichtung eines Pfand- und Lagerraums auch innerhalb der bestehenden Kubaturen oder durch Anbau innerhalb des bestehenden Baufensters möglich sei und dass durch eine Baufenstererweiterung nach Osten ca. 18 der 49 ebenerdigen Stellplätze verloren gehen könnten. Tatsächlich sei es der Klägerin aber nicht möglich, mit zumutbaren Mitteln innerhalb der bestehenden Kubaturen oder durch Anbau innerhalb der bestehenden Baufenster die benötigte Fläche für die Einrichtung des Pfand- und Lagerraums bereitzustellen. Dies habe die Klägerin bereits im persönlichen Gespräch mit den Vertretern der Beigeladenen am 21.2.2011 und mit dem anschließenden Schreiben vom 22.2.2011 dargelegt. Der Pfand- und Lagerraum könne nicht in die bestehenden Lagerflächen integriert werden, weil der Pfandraum von Kunden nicht betreten werden könne und im Übrigen zukünftig ausschließlich von außen zugänglich sein solle. Weil der Klägerin in ihrem Objekt eine sehr geringe Verkaufsfläche zur Verfügung stehe, benötige sie extrem viel Lagerraum zur Vorhaltung der Ware und überdies zur Vorbereitung und Bereitstellung der Aktionsware zusätzliche Lagerfläche. Beim Unterbringen der Automaten in einem Pfandraum sei eine zügigere und schnellere, den Verkaufsraum entlastende Rückgabe des Leerguts möglich. Überdies werde eine Geruchsbelästigung dadurch vermieden. Der von der Beigeladenen angeführte Stellplatzverlust sei städtebaulich ohne Bedeutung, weil von den jetzt nachgewiesenen 161 Stellplätzen nach Bauantrag vom 23.9.2008 lediglich 36 Stellplätze als i.S.d. Landesbauordnung erforderlich anzusehen seien. Die notwendige Befreiung von der Baugrenze berühre entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht die Grundzüge der Planung i.S.d. § 31 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Der Festsetzung der Baugrenzen hätten seinerzeit keine Grundsätze der Stadtplanung zugrunde gelegen, sondern ausschließlich das bereits vorgelegte und mit der Beigeladenen abgesprochene konkrete Baugesuch der Klägerin zur Errichtung ihrer Verkaufsstätte, die dann mit Bescheid vom 16.4.2002 genehmigt worden sei. Das gesamte Baufenster folge mehr oder minder millimetergenau den seinerzeit zur Genehmigung gestellten faktischen Baufluchten des Gebäudes. Die Klägerin habe das Grundstück, auf dem sich die Verkaufsstätte befinde, im April 2002 von der beigeladenen Gemeinde erworben. Gegenstand der kaufvertraglichen Vereinbarung sei u.a. das bereits damals vorgelegte konkrete Baugesuch der Klägerin gewesen. Wäre der Klägerin bereits zum damaligen Zeitpunkt die Notwendigkeit des Anbaus bekannt gewesen, wäre die Baugrenze diesem Planungsvorhaben entsprechend angepasst worden. Bei der Argumentation, dass die Auflockerung und Durchgrünung des Kerngebiets Plankonzeption der Beigeladenen gewesen sei, werde übersehen, dass die hier vorgesehene Erweiterung in einem Bereich verwirklicht werden solle, der asphaltiert und als Parkfläche genehmigt worden sei und dementsprechend auch genutzt werde. Diese umfangreiche Parkfläche könne schwerlich der Durchgrünung des Gebiets gedient haben. Unabhängig davon seien aber die von der Klägerin herzustellenden Außenanlagen einschließlich der Grünflächen und der Bepflanzung ausdrücklich Gegenstand der kaufvertraglichen Vereinbarung vom 18.4.2002 gewesen. In Anbetracht dieser Entstehungsgeschichte sei eine Berufung anderer Grundstückseigentümer auf die hier beantragte Befreiung ausgeschlossen. Damit seien die Voraussetzungen des Befreiungstatbestands gegeben. Es seien keinerlei plausible und nachvollziehbare Kriterien ersichtlich, die eine ablehnende Ermessensentscheidung rechtfertigen könnten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 15.2.2011 - 5 K 932/09 - zu ändern, den Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 6.7.2009 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 9.6.2010 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihr die unter dem 23.9.2008 beantragte Baugenehmigung zu erteilen
sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
10 
Das beklagte Land beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Zur Begründung verweist es zunächst auf das Urteil des Verwaltungsgerichts und trägt ergänzend vor, Bedenken gegen die dem Bebauungsplan vom 19.7.2011 zu Grunde liegende Abwägung bestünden nicht. Eine Befreiung komme hier nicht in Betracht, nachdem der geplante Anbau mit fast seiner gesamten Fläche über die festgesetzte Baugrenze hinausrage - mit einer Breite von 27,49 m und einer Tiefe von ca. 2,90 m - und dadurch die Grundzüge der Planung berührt würden. In der Neufassung des Bebauungsplans sei die Baugrenze für das betroffene Grundstück unverändert festgesetzt worden. Die Beigeladene habe dadurch bestätigt, dass die Baugrenze weiterhin so gewollt sei. Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans sollten Ausnahmen sein. Hier sei aber zu befürchten, dass weitere Gewerbebetriebe ebenfalls Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans beantragen würden, um ihren Betrieb zu vergrößern. Dies widerspreche dem Planungskonzept der Beigeladenen.
13 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie trägt vor, der Verweis in der Begründung des neuen Bebauungsplans auf die Gründe für die Baugrenzenfestsetzungen im Bebauungsplan „Gewerbegebiet ......“ vom 13.7.2006 zeige, dass diese Baugrenzen nach wie vor zu den Grundzügen der Planung gehörten. In der Begründung des früheren Bebauungsplans heiße es ausdrücklich, dass durch die Festsetzung zu Nebenanlagen, die außerhalb der überbaubaren Flächen nicht zulässig sein sollten, vermieden werden solle, dass die nicht überbaubaren Flächen langfristig überbaut würden. Die Baugrenzen hätten deshalb als Grundzug der Bauleitplanung das Ziel gehabt, die nicht überbaubaren Teile der Grundstücksflächen insbesondere zwischen direkt aneinander angrenzenden Grundstücken ohne zusätzliche dazwischenliegende öffentliche Flächen im Sinne einer städtebaulichen Gestaltungsentscheidung offen und damit von Bebauung freizuhalten. Würde man beginnen, von den Festsetzungen der Baugrenzen abzugehen und Befreiungen zu erteilen, wäre für sämtliche in städtebaulichem Bezug liegende Flächen Tür und Tor eröffnet, ebensolche baulichen betriebsbezogenen Vergrößerungen im nicht überbaubaren Teil der Grundstücke vorzunehmen. Das Gebiet würde dann bis an die Grenzen des Bauordnungsrechts verdichtet, was einen klaren Widerspruch gegen die grundsätzliche städtebauliche Gestaltungsentscheidung der Beigeladenen bedeutete.
16 
Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die fortgeschriebenen Festsetzungen im Bebauungsplan „Gewerbegebiet ...“ abwägungsfehlerhaft sein könnten. Die Belange der Klägerin seien vollumfänglich berücksichtigt worden. Zentral für das Abwägungsergebnis sei gewesen, dass die Klägerin bereits heute über hinreichend Geschossfläche verfüge, die es ihr möglich mache, den geplanten Bereich innerhalb ihrer bestehenden Bruttogeschossfläche von immerhin 1.484,17 m² unterzubringen. Dabei gehe es nicht einmal um 10 % dieser Fläche. Das Vorbringen, es sei der Klägerin nicht möglich, mit zumutbaren Mitteln innerhalb des Bestands oder durch Anbau im bestehenden Baufenster die benötigte Fläche für die Einrichtung eines Pfand- und Lagerraums herzustellen, sei unsubstantiiert. Der Gemeinderat habe sich in Kenntnis des Vortrags der Klägerin aus städtebaulichen Gründen entschieden, keine Vergrößerung des vorhandenen Baufensters zuzugestehen, und sich dabei auf die Erwägungen im alten Bauleitplan besonnen und diese bestätigt. Ein Mehr sollte nicht zur Verfügung gestellt werden, zumal es sich bei dem Betrieb der Klägerin um einen solchen handele, der nach den neuen Festsetzungen nur noch im Wege einer Fremdkörperfestsetzung in seinem bisherigen Bestand im Plangebiet verbleiben solle.
17 
Dem Senat liegen die Akten des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald zum Bauantrag der Klägerin vom 23.9.2008 sowie die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Freiburg, die Akten des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald zur Baugenehmigung vom 16.4.2002, die Bebauungspläne „Gewerbegebiet ...“ sowie „Gewerbegebiet ......", jeweils mit den Verfahrensakten, der Kaufvertrag zwischen der ...... GmbH und der Beigeladenen vom 18.4.2002 nebst Anlagen sowie die Akte des VG Freiburg - 5 K 932/09 - vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und Unterlagen sowie den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19 
1. Ob der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung (§§ 58 Abs. 1 Satz 1, 49 LBO) zusteht, ist nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats zu entscheiden, also bauplanungsrechtlich nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des erst nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts in Kraft getretenen Bebauungsplans der Beigeladenen „Gewerbegebiet...“ vom 19.7.2011. Dessen Festsetzungen stehen der Genehmigung des Anbaus unstreitig entgegen, da dieser mit einer Fläche von 79,72 m² (27,49 m x 2,9 m) und damit ganz überwiegend jenseits der auf dem Grundstück der Klägerin festgesetzten südöstlichen Baugrenze liegt (vgl. zeichnerischer Teil des Plans i.V.m. Ziff. 3 der textlichen Festsetzungen).
20 
Entgegen der Auffassung der Klägerin verletzt die festgesetzte Baugrenze nicht das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB). Die Beigeladene hat das Abwägungsmaterial fehlerfrei ermittelt und bewertet (§ 2 Abs. 3 BauGB) und in ihre Abwägung alles an Belangen eingestellt, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (dazu a), sie hat die Bedeutung der betroffenen Belange nicht verkannt (dazu b) und auch den Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen nicht in einer Weise vorgenommen, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis stünde (dazu c).
21 
a) Der Gemeinderat der Beigeladenen hat den konkreten Erweiterungswunsch der Klägerin in seine Abwägung eingestellt, wie sich aus der Beschlussvorlage für den Satzungsbeschluss ergibt. In der Vorlage wird der Antrag der Klägerin, „die östliche Baugrenze um 5,00 m nach Osten zu verschieben“, wörtlich wiedergegeben und angemerkt, dass die Klägerin den Antrag unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 22.2.2011 damit begründet habe, dass die Baufenstererweiterung für den Anbau eines Pfand- und Lagerraums vorgesehen sei und der Nachweis der erforderlichen Stellplätze von diesem geplanten Anbau nicht beeinträchtigt werde. In der Stellungnahme zu dem Antrag heißt es: „Die Einrichtung eines Pfand- und Lagerraums wäre auch innerhalb der bestehenden Kubaturen oder durch Anbau innerhalb der bestehenden Baufenster möglich. Durch die Baufenstererweiterung nach Osten um 5,00 m könnten bei voller Inanspruchnahme ca. 18 der 49 ebenerdigen Stellplätze verloren gehen. Beschlussempfehlung: Die Festsetzungen werden beibehalten.“ Wie das Zitat aus dem Schreiben der Klägerin vom 22.2.2011 in der Beschlussvorlage belegt, hat der Gemeinderat insbesondere auch zur Kenntnis genommen, dass es sich bei den wegfallenden Stellplätzen nicht um notwendige Stellplätze handelt.
22 
Der Auffassung der Klägerin, die Beigeladene hätte den Stellplatzverlust bei der Abwägung gar nicht berücksichtigen dürfen, weil die wegfallenden Stellplätze baurechtlich nicht notwendig und damit städtebaulich irrelevant seien, ist nicht zu folgen. Auch der Erhalt baurechtlich nicht notwendiger, aber tatsächlich genutzter Stellplätze ist ein städtebaulicher Belang, der in die Abwägung eingestellt werden durfte. Die bisherige Stellplatzzahl entspricht dem Bauantrag der Klägerin aus dem Jahr 2002. Es liegt fern anzunehmen, dass ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen wie die Klägerin die Anlage überflüssiger Stellplätze beantragt hat. Sie hat auch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) nie behauptet, dass die Stellplätze, die sie jetzt wegfallen lassen möchte, nicht genutzt würden. Zudem ging es der Beigeladenen, wie die Erwägungen in der Beschlussvorlage deutlich machen, gerade um den Erhalt ebenerdiger Stellplätze, von denen durch das Erweiterungsvorhaben immerhin ein Drittel weggefallen wären.
23 
b) Der Gemeinderat hat auch die Bedeutung der betrieblichen Belange der Klägerin nicht verkannt. Er hat das Anliegen der Klägerin, einen Pfand- und Lagerraum einzurichten, anerkannt, ist aber davon ausgegangen, dass es dafür keiner Verschiebung der Baugrenze bedarf. Das ist nicht zu beanstanden, da die planende Stelle das, was sie nicht „sieht“ und unter den gegebenen Umständen auch nicht zu „sehen“ braucht, bei ihrer Abwägung nicht berücksichtigen kann und auch nicht zu berücksichtigen braucht (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 10.7.2006 - 4 BN 19.06 - m.w.N.). Der Gemeinderat der Beigeladenen konnte danach bei seiner Entscheidung über den Plan zu Grunde legen, dass es zur Errichtung des geplanten Pfand- und Lagerraums keiner Verschiebung der Baugrenze bedarf, da etwas anderes für ihn nicht zu erkennen und insbesondere den Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen war. Die Klägerin hatte bei dem Gespräch mit der Gemeindeverwaltung am 21.2.2011 laut Aktenvermerk der Beigeladenen vom 28.2.2011 vorgebracht, die östliche Baugrenze könne für die Zukunft nicht akzeptiert werden, da sie lediglich den ursprünglichen Bedarf entsprechend der damaligen Baugenehmigung berücksichtige, und heute wegen der geänderten gesetzlichen Situation ein separat zugänglicher Raum für Pfandflaschen benötigt werde, der von einer Fremdfirma von außen bedient werden könne, ohne dass der Laden selbst betreten werden müsse. Außerdem werde ein Bereich zum Aufbacken von Brötchen und Ähnlichem benötigt. In ihrem Schreiben vom 22.2.2011 hatte sie nach einem Verweis auf die mündlichen Erläuterungen ihres Vertreters bei dem Gespräch vom 21.2.2011 betont, eine Einrichtung des Pfandraums in dem bereits bestehenden Lagerraum scheide aus, weil dieser Pfandraum von Kunden nicht betreten werden könne und im Übrigen zukünftig ausschließlich von außen zugänglich sein solle. Aus diesen Äußerungen ergibt sich nicht, dass der gewünschte Pfand- und Lagerraum nicht innerhalb des bestehenden Baufensters, gegebenenfalls durch einen Anbau, verwirklicht werden könnte.
24 
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, ein solcher Anbau sei ihr mit zumutbaren Mitteln nicht möglich, und der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auf das Betriebskonzept der Klägerin verwiesen hat, das einen Anbau gerade an der gewünschten Stelle erfordere, kann dies schon deshalb keinen Abwägungsfehler begründen, weil dies so im Rahmen des Planungsverfahrens nicht vorgetragen worden und damit für die Beigeladene auch nicht zu erkennen gewesen ist. Zudem ist auch diesen weiteren Ausführungen nicht zu entnehmen, weshalb die Einrichtung eines separaten Pfand- und Lagerraums nicht innerhalb des bestehenden Baufensters, gegebenenfalls durch Verlagerung der für den Pfandraum benötigten Fläche in einen Anbau an anderer Stelle, nicht zumutbar zu realisieren sein sollte.
25 
c) Auch der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen ist nicht zu beanstanden. Der Festsetzung von Baugrenzen ist immanent, dass sie städtebaulich dazu dienen, Freiflächen zwischen den überbaubaren Flächen zu erhalten. Dass es der Beigeladenen hier um den Erhalt solcher Freiflächen ging, zeigt sich auch daran, dass sie die Zulassung von Nebenanlagen nach § 14 Abs. 1 BauNVO außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen (vgl. dazu § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO) ausgeschlossen hat (Ziff. 5 der textlichen Festsetzungen), und zwar, anders als im Vorgängerplan vom 27.6.2006, ohne Ausnahmemöglichkeit. Auch die im Vorgängerplan vorgesehene Ausnahme für die Überschreitung der Baugrenzen durch untergeordnete Bauteile (Ziff. 1.4 Nr. 2 des Plans vom 27.6.2006) ist im Plan vom 19.7.2011 nicht mehr enthalten.
26 
Das städtebauliche Ziel der Freihaltung von Flächen ergibt sich zudem aus der Begründung zum Plan vom 27.6.2006, dessen Baugrenzen der Plan vom 19.7.2011 ausdrücklich übernehmen wollte. Dort wurde unter „Ziel und Zweck des Bebauungsplans“ (Ziffer 1.4 der Begründung vom 27.6.2006) die „maßvolle Überbauung“ der „neugebildeten Baugrundstücke für gewerbliche Nutzungen“ angeführt und die nur ausnahmsweise Zulassung von Nebenanlagen außerhalb der überbaubaren Flächen (Ziff. 1.1.4 der textlichen Festsetzungen) damit begründet, dass sonst die Gefahr bestünde, dass die nicht überbaubaren Flächen langfristig überbaut würden“ (Ziff. 1.5.1 der Begründung vom 27.6.2006). Diese Begründungselemente, insbesondere der zuletzt zitierte Satz, belegen, dass es der Beigeladenen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur um die „Durchgrünung“ des Plangebiets, sondern gerade auch darum ging, die nicht überbaubaren Flächen im Plangebiet langfristig von Bebauung freizuhalten.
27 
Dass die Beigeladene diesem städtebaulichen Belang Vorrang vor dem Wunsch der Klägerin eingeräumt hat, die Baugrenze auf ihrem Grundstück nach Südosten zu verschieben, lässt keinen Abwägungsfehler erkennen. Eine Gemeinde ist grundsätzlich rechtlich ungebunden, sich im Rahmen der ihr aufgetragenen Abwägung für die Vorzugswürdigkeit eines bestimmten Belangs unter Hintansetzung eines anderen Belangs zu entscheiden (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 15.10.2002 - 4 BN 51.02 - NVwZ-RR 2003, 171).
28 
2. Ein Anspruch auf Befreiung von der Baugrenze steht der Klägerin nicht zu.
29 
Nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB - eine andere Anspruchsgrundlage kommt hier auch aus Sicht der Klägerin nicht in Betracht - kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, die Abweichung städtebaulich vertretbar ist und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
30 
a) Die Abweichung wäre hier zwar städtebaulich vertretbar. Was i.S.d. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB städtebaulich vertretbar ist, beurteilt sich danach, ob die Abweichung ein nach § 1 BauGB zulässiger Inhalt des Bebauungsplans sein könnte (BVerwG, Urt. v. 17.12.1998 - 4 C 16.97 - 4 C 16.97 - BVerwGE 108, 190, Urt. v. 19.9.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50). Das Leitbild einer geordneten städtebaulichen Entwicklung wäre sicherlich nicht verlassen worden, wenn die Beigeladene dem Wunsch der Klägerin entsprechend die Baugrenze 5,00 m nach Südosten verschoben hätte.
31 
b) Es spricht auch vieles für die Auffassung der Klägerin, dass die Befreiung hier nicht die Grundzüge der Planung, das planerische Grundkonzept (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 - BauR 2011, 623), berührt. Mit den planerischen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, mit denen die Einzelhandelsentwicklung gesteuert werden soll und die sicherlich zum Grundkonzept des Plans vom 19.7.2011 zu rechnen sind, sind die festgesetzten Baugrenzen inhaltlich nicht verknüpft; dies gilt auch für die südöstliche Baugrenze auf dem Grundstück der Klägerin. Die Fremdkörperfestsetzung auf ihrem Grundstück ermöglicht ihr, ihren Markt bis zur Grenze der Großflächigkeit zu erweitern, ohne dass dies an den bisherigen baulichen Bestand gebunden wäre (Ziff. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen). Die zunächst im Planentwurf vorgesehene Formulierung, dass Erweiterungen „innerhalb der bestehenden Geschossflächen erfolgen“ müssen - was bedeutet hätte, dass sie auch nur innerhalb der Baugrenzen hätten erfolgen dürfen -, wurde vor dem Satzungsbeschluss gestrichen. Auch folgen Lage und Verlauf der Baugrenzen im Plangebiet keinem durchgehenden städtebaulichen Ordnungsprinzip; die Baufenster sind für jedes Grundstück unterschiedlich festgesetzt und die Abstände der Baugrenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen und zu Nachbargrundstücken variieren. Gemeinsam ist den Baugrenzen im Plan nur, dass sie bis auf „geringfügige Anpassungen … im Bereich bereits bestehender Gebäude“ (Ziff. IV.2 der Planbegründung) aus dem vorherigen Plan übernommen wurden, dass die Beigeladene also die Überbauung neuer Flächen über die bisherigen Baufenster hinaus verhindern wollte. Dies allein dürfte jedoch nicht genügen, um die Baugrenzen hier zum Grundkonzept der Planung zu rechnen; ob dies für die einzelne Baugrenze auf dem Grundstück der Klägerin deshalb anders gesehen werden kann, weil die Beigeladene diese Grenze in Kenntnis des Erweiterungswunsches der Klägerin festgesetzt hat, erscheint fraglich .
32 
c) Die Voraussetzungen für eine Befreiung liegen aber auch dann nicht vor, wenn man die Baugrenze hier nicht zu den Grundzügen der Planung zählt, sondern sie als „einfache“ Festsetzung ansieht.
33 
Mit der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB stellt der Gesetzgeber ein Instrument zur Verfügung, das trotz der grundsätzlich strikt verbindlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans, der Rechtsnormcharakter hat, im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit ein Mindestmaß an Flexibilität für Vorhaben schafft, die den Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen (BVerwG, Beschl. v. Urt. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1). Mit der Reform des Befreiungstatbestandes durch das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung 1998 - BauROG -, mit der das Merkmal „Einzelfall“ im Tatbestand des § 31 Abs. 2 BauGB gestrichen wurde, sollte der Befreiung zwar ein im Vergleich zum früheren Rechtszustand weiterer Anwendungsbereich erschlossen werden (BVerwG, Beschl. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - BauR 1999, 1280); sie soll „entgegen der bisherigen Regelung nicht nur ausschließlich im Einzelfall zulässig sein, sondern auch in mehreren Fällen“ (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 13/6392 S. 56). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Befreiungen in unbegrenzter Zahl zulässig wären (anders wohl Schmidt-Eichstaedt, NVwZ 1998, 571, 575: „Totalbefreiungen denkbar“). Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung ausdrücklich festgehalten, dass die Grenze für mehrere Befreiungen erreicht sein soll, wenn es sich um so viele zu regelnde Fälle handelt, dass gemäß § 1 Abs. 3 die Schwelle des Planungserfordernisses überschritten wird“ (BT-Drucks. 13/6392 S. 56; zum Planungsbedürfnis als wesensimmanente Schranke der Befreiung vgl. auch BVerwG, Urt. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1). Durch die Zahl der Befreiungen soll einer Festsetzung also nicht die notwendige städtebauliche Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 27.3.2013 - 4 C 13.11 - juris) entzogen werden können. Ungeachtet der Diskussion, inwieweit die in der Gesetzesbegründung ebenfalls geäußerte Absicht, die Schranke der „Atypik im Sinne der bisherigen Rechtsprechung“ aufzugeben, im Tatbestand des § 31 Abs. 2 BauGB verankert ist, nachdem die Atypik nicht nur eine quantitative Komponente („Einzelfall“), sondern auch eine qualitative („Sonderfall in bodenrechtlicher Beziehung“, vgl. dazu insbesondere BVerwG, Urt. v. 14.7.1972 - IV C 69.70 - BVerwGE 40, 268) aufweist (zur Diskussion vgl. etwa Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Kommentar, Stand: Sept. 2012, § 31 Rn. 27 m. w. N. für Beibehaltung der Atypik, dagegen VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.6.2003 - 3 S 2324/02 -, BauR 2003, 1527 m. w. N.), ist jedenfalls die vom Gesetzgeber gewollte Grenze des Planungserfordernisses aus der Systematik des BauGB abzuleiten. Denn Änderungen eines Bebauungsplans, seien es die Grundzüge der Planung oder andere, einfache Festsetzungen, obliegen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 8 BauGB allein der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit und nicht der für Befreiungen zuständigen Baurechtsbehörde. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit Befreiungen wiederholt betont (vgl. nur Urt. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1; Beschl. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - BauR 1999, 1280). Nur dies entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dass Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, zu denen bauplanerische Festsetzungen zählen (vgl. dazu etwa BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 15.9.2011 - 1 BvR 2232/10 - NVwZ 2012, 429 sowie Beschluss vom 22.2.1999 - 1 BvR 565/91 - NVwZ 1999, 979), nur durch Gesetz möglich sind.
34 
Die Befreiung darf daher, gerade im Rahmen des weiten Tatbestands des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, nicht zum Planungsersatz werden; Befreiung und Planänderung sind keine austauschbaren Instrumente (Roeser, in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: April 2013, § 31 Rn. 8; a. A. Schmidt-Eichstaedt, NVwZ 1998, 571, 575). Dies dürfte der Gesetzgeber, der mit dem BauROG die gemeindliche Planungshoheit stärken wollte (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 13/6392, S. 31), auch nicht bezweckt haben. Vielmehr grenzt die Gesetzesbegründung die Planänderung im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB i. d. F. des BauROG ausdrücklich von der Befreiung ab und führt aus, beide unterschieden sich durch die Grenze des Planungserfordernisses und die in § 31 Abs. 2 Nummern 1 bis 3 zusätzlich festgelegten Anforderungen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 13/6392, S. 56).
35 
Eine Befreiung ist deshalb ausgeschlossen, wenn sie dazu führte, dass eine planerische Festsetzung außer Kraft gesetzt würde. Soll eine Festsetzung außer Kraft gesetzt werden, ist eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich. Dies ist allein Sache der Gemeinde. Die behördliche Befreiung darf kein Vehikel sein, eine von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben (BVerwG, Beschl. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - BauR 1999, 1280). Eine Befreiung darf daher nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer solchen Vielzahl gleich gelagerter und gleich zu behandelnder Fälle anführen ließen, dass die Festsetzung außer Kraft gesetzt würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - BauR 1999, 1280: „jedenfalls für die Planung tragende Festsetzungen“, von denen als Grundzüge der Planung allerdings ohnehin keine Befreiung erteilt werden kann; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 31 Rn. 28; im Ergebnis wohl ebenso Mager, DVBl 1999, 205, 209). Ebensowenig darf von einer Festsetzung, die im Angesicht eines konkreten Falles erfolgt ist, aus Gründen befreit werden, die bereits Gegenstand der Abwägung waren (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 14.7.1972 - IV C 69.70 - BVerwGE 40, 272 f.; ebenso NdsOVG, Urt. v. 12.10.1994 - 1 L 555/93 - NVwZ 1995, 914).
36 
Andere Gründe liegen hier aber nicht vor. Soweit die Klägerin betont, sie habe ihr Grundstück von der Beigeladenen erworben, ist dies, wie sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, ein Umstand, den nahezu sämtliche Grundstückseigentümer im Plangebiet anführen können, da das Gebiet ursprünglich fast vollständig im Eigentum der Beigeladenen stand. Soweit sich die Klägerin weiter darauf beruft, die Baugrenzen auf ihrem Grundstück seien entsprechend dem im Grundstückskaufvertrag vereinbarten Baugesuch festgesetzt worden, der geplante Pfand- und Lagerraum könne nicht in die bestehenden Lagerflächen integriert werden, solle von außen zugänglich sein und in einem Bereich verwirklicht werden, auf dem sich jetzt ein Teil der Stellplatzanlage befinde, ohne dass dadurch notwendige Stellplätze wegfielen, werden von ihr keine Gesichtspunkte genannt, die nicht bereits Gegenstand der bauplanerischen Abwägung waren.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils 15.000 EUR festgesetzt. Der Senat bemisst den Erweiterungsvorteil durch den begehrten Anbau in entsprechender Anwendung von 9.1.4 des Streitwertkatalogs 2004 mit mindestens 150,-- EUR je m² zusätzlicher Nettonutzfläche (so bereits Beschlüsse des Senats vom 29.11.2011 - 3 S 2819/11 - und - 3 S 2820/11 - in zwei Verfahren der Klägerin), die nach den Bauvorlagen 99,71 m² beträgt.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19 
1. Ob der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung (§§ 58 Abs. 1 Satz 1, 49 LBO) zusteht, ist nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats zu entscheiden, also bauplanungsrechtlich nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des erst nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts in Kraft getretenen Bebauungsplans der Beigeladenen „Gewerbegebiet...“ vom 19.7.2011. Dessen Festsetzungen stehen der Genehmigung des Anbaus unstreitig entgegen, da dieser mit einer Fläche von 79,72 m² (27,49 m x 2,9 m) und damit ganz überwiegend jenseits der auf dem Grundstück der Klägerin festgesetzten südöstlichen Baugrenze liegt (vgl. zeichnerischer Teil des Plans i.V.m. Ziff. 3 der textlichen Festsetzungen).
20 
Entgegen der Auffassung der Klägerin verletzt die festgesetzte Baugrenze nicht das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB). Die Beigeladene hat das Abwägungsmaterial fehlerfrei ermittelt und bewertet (§ 2 Abs. 3 BauGB) und in ihre Abwägung alles an Belangen eingestellt, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (dazu a), sie hat die Bedeutung der betroffenen Belange nicht verkannt (dazu b) und auch den Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen nicht in einer Weise vorgenommen, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis stünde (dazu c).
21 
a) Der Gemeinderat der Beigeladenen hat den konkreten Erweiterungswunsch der Klägerin in seine Abwägung eingestellt, wie sich aus der Beschlussvorlage für den Satzungsbeschluss ergibt. In der Vorlage wird der Antrag der Klägerin, „die östliche Baugrenze um 5,00 m nach Osten zu verschieben“, wörtlich wiedergegeben und angemerkt, dass die Klägerin den Antrag unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 22.2.2011 damit begründet habe, dass die Baufenstererweiterung für den Anbau eines Pfand- und Lagerraums vorgesehen sei und der Nachweis der erforderlichen Stellplätze von diesem geplanten Anbau nicht beeinträchtigt werde. In der Stellungnahme zu dem Antrag heißt es: „Die Einrichtung eines Pfand- und Lagerraums wäre auch innerhalb der bestehenden Kubaturen oder durch Anbau innerhalb der bestehenden Baufenster möglich. Durch die Baufenstererweiterung nach Osten um 5,00 m könnten bei voller Inanspruchnahme ca. 18 der 49 ebenerdigen Stellplätze verloren gehen. Beschlussempfehlung: Die Festsetzungen werden beibehalten.“ Wie das Zitat aus dem Schreiben der Klägerin vom 22.2.2011 in der Beschlussvorlage belegt, hat der Gemeinderat insbesondere auch zur Kenntnis genommen, dass es sich bei den wegfallenden Stellplätzen nicht um notwendige Stellplätze handelt.
22 
Der Auffassung der Klägerin, die Beigeladene hätte den Stellplatzverlust bei der Abwägung gar nicht berücksichtigen dürfen, weil die wegfallenden Stellplätze baurechtlich nicht notwendig und damit städtebaulich irrelevant seien, ist nicht zu folgen. Auch der Erhalt baurechtlich nicht notwendiger, aber tatsächlich genutzter Stellplätze ist ein städtebaulicher Belang, der in die Abwägung eingestellt werden durfte. Die bisherige Stellplatzzahl entspricht dem Bauantrag der Klägerin aus dem Jahr 2002. Es liegt fern anzunehmen, dass ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen wie die Klägerin die Anlage überflüssiger Stellplätze beantragt hat. Sie hat auch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) nie behauptet, dass die Stellplätze, die sie jetzt wegfallen lassen möchte, nicht genutzt würden. Zudem ging es der Beigeladenen, wie die Erwägungen in der Beschlussvorlage deutlich machen, gerade um den Erhalt ebenerdiger Stellplätze, von denen durch das Erweiterungsvorhaben immerhin ein Drittel weggefallen wären.
23 
b) Der Gemeinderat hat auch die Bedeutung der betrieblichen Belange der Klägerin nicht verkannt. Er hat das Anliegen der Klägerin, einen Pfand- und Lagerraum einzurichten, anerkannt, ist aber davon ausgegangen, dass es dafür keiner Verschiebung der Baugrenze bedarf. Das ist nicht zu beanstanden, da die planende Stelle das, was sie nicht „sieht“ und unter den gegebenen Umständen auch nicht zu „sehen“ braucht, bei ihrer Abwägung nicht berücksichtigen kann und auch nicht zu berücksichtigen braucht (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 10.7.2006 - 4 BN 19.06 - m.w.N.). Der Gemeinderat der Beigeladenen konnte danach bei seiner Entscheidung über den Plan zu Grunde legen, dass es zur Errichtung des geplanten Pfand- und Lagerraums keiner Verschiebung der Baugrenze bedarf, da etwas anderes für ihn nicht zu erkennen und insbesondere den Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen war. Die Klägerin hatte bei dem Gespräch mit der Gemeindeverwaltung am 21.2.2011 laut Aktenvermerk der Beigeladenen vom 28.2.2011 vorgebracht, die östliche Baugrenze könne für die Zukunft nicht akzeptiert werden, da sie lediglich den ursprünglichen Bedarf entsprechend der damaligen Baugenehmigung berücksichtige, und heute wegen der geänderten gesetzlichen Situation ein separat zugänglicher Raum für Pfandflaschen benötigt werde, der von einer Fremdfirma von außen bedient werden könne, ohne dass der Laden selbst betreten werden müsse. Außerdem werde ein Bereich zum Aufbacken von Brötchen und Ähnlichem benötigt. In ihrem Schreiben vom 22.2.2011 hatte sie nach einem Verweis auf die mündlichen Erläuterungen ihres Vertreters bei dem Gespräch vom 21.2.2011 betont, eine Einrichtung des Pfandraums in dem bereits bestehenden Lagerraum scheide aus, weil dieser Pfandraum von Kunden nicht betreten werden könne und im Übrigen zukünftig ausschließlich von außen zugänglich sein solle. Aus diesen Äußerungen ergibt sich nicht, dass der gewünschte Pfand- und Lagerraum nicht innerhalb des bestehenden Baufensters, gegebenenfalls durch einen Anbau, verwirklicht werden könnte.
24 
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, ein solcher Anbau sei ihr mit zumutbaren Mitteln nicht möglich, und der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auf das Betriebskonzept der Klägerin verwiesen hat, das einen Anbau gerade an der gewünschten Stelle erfordere, kann dies schon deshalb keinen Abwägungsfehler begründen, weil dies so im Rahmen des Planungsverfahrens nicht vorgetragen worden und damit für die Beigeladene auch nicht zu erkennen gewesen ist. Zudem ist auch diesen weiteren Ausführungen nicht zu entnehmen, weshalb die Einrichtung eines separaten Pfand- und Lagerraums nicht innerhalb des bestehenden Baufensters, gegebenenfalls durch Verlagerung der für den Pfandraum benötigten Fläche in einen Anbau an anderer Stelle, nicht zumutbar zu realisieren sein sollte.
25 
c) Auch der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen ist nicht zu beanstanden. Der Festsetzung von Baugrenzen ist immanent, dass sie städtebaulich dazu dienen, Freiflächen zwischen den überbaubaren Flächen zu erhalten. Dass es der Beigeladenen hier um den Erhalt solcher Freiflächen ging, zeigt sich auch daran, dass sie die Zulassung von Nebenanlagen nach § 14 Abs. 1 BauNVO außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen (vgl. dazu § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO) ausgeschlossen hat (Ziff. 5 der textlichen Festsetzungen), und zwar, anders als im Vorgängerplan vom 27.6.2006, ohne Ausnahmemöglichkeit. Auch die im Vorgängerplan vorgesehene Ausnahme für die Überschreitung der Baugrenzen durch untergeordnete Bauteile (Ziff. 1.4 Nr. 2 des Plans vom 27.6.2006) ist im Plan vom 19.7.2011 nicht mehr enthalten.
26 
Das städtebauliche Ziel der Freihaltung von Flächen ergibt sich zudem aus der Begründung zum Plan vom 27.6.2006, dessen Baugrenzen der Plan vom 19.7.2011 ausdrücklich übernehmen wollte. Dort wurde unter „Ziel und Zweck des Bebauungsplans“ (Ziffer 1.4 der Begründung vom 27.6.2006) die „maßvolle Überbauung“ der „neugebildeten Baugrundstücke für gewerbliche Nutzungen“ angeführt und die nur ausnahmsweise Zulassung von Nebenanlagen außerhalb der überbaubaren Flächen (Ziff. 1.1.4 der textlichen Festsetzungen) damit begründet, dass sonst die Gefahr bestünde, dass die nicht überbaubaren Flächen langfristig überbaut würden“ (Ziff. 1.5.1 der Begründung vom 27.6.2006). Diese Begründungselemente, insbesondere der zuletzt zitierte Satz, belegen, dass es der Beigeladenen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur um die „Durchgrünung“ des Plangebiets, sondern gerade auch darum ging, die nicht überbaubaren Flächen im Plangebiet langfristig von Bebauung freizuhalten.
27 
Dass die Beigeladene diesem städtebaulichen Belang Vorrang vor dem Wunsch der Klägerin eingeräumt hat, die Baugrenze auf ihrem Grundstück nach Südosten zu verschieben, lässt keinen Abwägungsfehler erkennen. Eine Gemeinde ist grundsätzlich rechtlich ungebunden, sich im Rahmen der ihr aufgetragenen Abwägung für die Vorzugswürdigkeit eines bestimmten Belangs unter Hintansetzung eines anderen Belangs zu entscheiden (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 15.10.2002 - 4 BN 51.02 - NVwZ-RR 2003, 171).
28 
2. Ein Anspruch auf Befreiung von der Baugrenze steht der Klägerin nicht zu.
29 
Nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB - eine andere Anspruchsgrundlage kommt hier auch aus Sicht der Klägerin nicht in Betracht - kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, die Abweichung städtebaulich vertretbar ist und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
30 
a) Die Abweichung wäre hier zwar städtebaulich vertretbar. Was i.S.d. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB städtebaulich vertretbar ist, beurteilt sich danach, ob die Abweichung ein nach § 1 BauGB zulässiger Inhalt des Bebauungsplans sein könnte (BVerwG, Urt. v. 17.12.1998 - 4 C 16.97 - 4 C 16.97 - BVerwGE 108, 190, Urt. v. 19.9.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50). Das Leitbild einer geordneten städtebaulichen Entwicklung wäre sicherlich nicht verlassen worden, wenn die Beigeladene dem Wunsch der Klägerin entsprechend die Baugrenze 5,00 m nach Südosten verschoben hätte.
31 
b) Es spricht auch vieles für die Auffassung der Klägerin, dass die Befreiung hier nicht die Grundzüge der Planung, das planerische Grundkonzept (BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 4 C 10.09 - BauR 2011, 623), berührt. Mit den planerischen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, mit denen die Einzelhandelsentwicklung gesteuert werden soll und die sicherlich zum Grundkonzept des Plans vom 19.7.2011 zu rechnen sind, sind die festgesetzten Baugrenzen inhaltlich nicht verknüpft; dies gilt auch für die südöstliche Baugrenze auf dem Grundstück der Klägerin. Die Fremdkörperfestsetzung auf ihrem Grundstück ermöglicht ihr, ihren Markt bis zur Grenze der Großflächigkeit zu erweitern, ohne dass dies an den bisherigen baulichen Bestand gebunden wäre (Ziff. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen). Die zunächst im Planentwurf vorgesehene Formulierung, dass Erweiterungen „innerhalb der bestehenden Geschossflächen erfolgen“ müssen - was bedeutet hätte, dass sie auch nur innerhalb der Baugrenzen hätten erfolgen dürfen -, wurde vor dem Satzungsbeschluss gestrichen. Auch folgen Lage und Verlauf der Baugrenzen im Plangebiet keinem durchgehenden städtebaulichen Ordnungsprinzip; die Baufenster sind für jedes Grundstück unterschiedlich festgesetzt und die Abstände der Baugrenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen und zu Nachbargrundstücken variieren. Gemeinsam ist den Baugrenzen im Plan nur, dass sie bis auf „geringfügige Anpassungen … im Bereich bereits bestehender Gebäude“ (Ziff. IV.2 der Planbegründung) aus dem vorherigen Plan übernommen wurden, dass die Beigeladene also die Überbauung neuer Flächen über die bisherigen Baufenster hinaus verhindern wollte. Dies allein dürfte jedoch nicht genügen, um die Baugrenzen hier zum Grundkonzept der Planung zu rechnen; ob dies für die einzelne Baugrenze auf dem Grundstück der Klägerin deshalb anders gesehen werden kann, weil die Beigeladene diese Grenze in Kenntnis des Erweiterungswunsches der Klägerin festgesetzt hat, erscheint fraglich .
32 
c) Die Voraussetzungen für eine Befreiung liegen aber auch dann nicht vor, wenn man die Baugrenze hier nicht zu den Grundzügen der Planung zählt, sondern sie als „einfache“ Festsetzung ansieht.
33 
Mit der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB stellt der Gesetzgeber ein Instrument zur Verfügung, das trotz der grundsätzlich strikt verbindlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans, der Rechtsnormcharakter hat, im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit ein Mindestmaß an Flexibilität für Vorhaben schafft, die den Festsetzungen zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen (BVerwG, Beschl. v. Urt. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1). Mit der Reform des Befreiungstatbestandes durch das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung 1998 - BauROG -, mit der das Merkmal „Einzelfall“ im Tatbestand des § 31 Abs. 2 BauGB gestrichen wurde, sollte der Befreiung zwar ein im Vergleich zum früheren Rechtszustand weiterer Anwendungsbereich erschlossen werden (BVerwG, Beschl. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - BauR 1999, 1280); sie soll „entgegen der bisherigen Regelung nicht nur ausschließlich im Einzelfall zulässig sein, sondern auch in mehreren Fällen“ (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 13/6392 S. 56). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Befreiungen in unbegrenzter Zahl zulässig wären (anders wohl Schmidt-Eichstaedt, NVwZ 1998, 571, 575: „Totalbefreiungen denkbar“). Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung ausdrücklich festgehalten, dass die Grenze für mehrere Befreiungen erreicht sein soll, wenn es sich um so viele zu regelnde Fälle handelt, dass gemäß § 1 Abs. 3 die Schwelle des Planungserfordernisses überschritten wird“ (BT-Drucks. 13/6392 S. 56; zum Planungsbedürfnis als wesensimmanente Schranke der Befreiung vgl. auch BVerwG, Urt. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1). Durch die Zahl der Befreiungen soll einer Festsetzung also nicht die notwendige städtebauliche Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 27.3.2013 - 4 C 13.11 - juris) entzogen werden können. Ungeachtet der Diskussion, inwieweit die in der Gesetzesbegründung ebenfalls geäußerte Absicht, die Schranke der „Atypik im Sinne der bisherigen Rechtsprechung“ aufzugeben, im Tatbestand des § 31 Abs. 2 BauGB verankert ist, nachdem die Atypik nicht nur eine quantitative Komponente („Einzelfall“), sondern auch eine qualitative („Sonderfall in bodenrechtlicher Beziehung“, vgl. dazu insbesondere BVerwG, Urt. v. 14.7.1972 - IV C 69.70 - BVerwGE 40, 268) aufweist (zur Diskussion vgl. etwa Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Kommentar, Stand: Sept. 2012, § 31 Rn. 27 m. w. N. für Beibehaltung der Atypik, dagegen VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.6.2003 - 3 S 2324/02 -, BauR 2003, 1527 m. w. N.), ist jedenfalls die vom Gesetzgeber gewollte Grenze des Planungserfordernisses aus der Systematik des BauGB abzuleiten. Denn Änderungen eines Bebauungsplans, seien es die Grundzüge der Planung oder andere, einfache Festsetzungen, obliegen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 8 BauGB allein der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit und nicht der für Befreiungen zuständigen Baurechtsbehörde. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit Befreiungen wiederholt betont (vgl. nur Urt. v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1; Beschl. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - BauR 1999, 1280). Nur dies entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dass Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, zu denen bauplanerische Festsetzungen zählen (vgl. dazu etwa BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 15.9.2011 - 1 BvR 2232/10 - NVwZ 2012, 429 sowie Beschluss vom 22.2.1999 - 1 BvR 565/91 - NVwZ 1999, 979), nur durch Gesetz möglich sind.
34 
Die Befreiung darf daher, gerade im Rahmen des weiten Tatbestands des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, nicht zum Planungsersatz werden; Befreiung und Planänderung sind keine austauschbaren Instrumente (Roeser, in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: April 2013, § 31 Rn. 8; a. A. Schmidt-Eichstaedt, NVwZ 1998, 571, 575). Dies dürfte der Gesetzgeber, der mit dem BauROG die gemeindliche Planungshoheit stärken wollte (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 13/6392, S. 31), auch nicht bezweckt haben. Vielmehr grenzt die Gesetzesbegründung die Planänderung im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB i. d. F. des BauROG ausdrücklich von der Befreiung ab und führt aus, beide unterschieden sich durch die Grenze des Planungserfordernisses und die in § 31 Abs. 2 Nummern 1 bis 3 zusätzlich festgelegten Anforderungen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 13/6392, S. 56).
35 
Eine Befreiung ist deshalb ausgeschlossen, wenn sie dazu führte, dass eine planerische Festsetzung außer Kraft gesetzt würde. Soll eine Festsetzung außer Kraft gesetzt werden, ist eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich. Dies ist allein Sache der Gemeinde. Die behördliche Befreiung darf kein Vehikel sein, eine von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben (BVerwG, Beschl. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - BauR 1999, 1280). Eine Befreiung darf daher nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer solchen Vielzahl gleich gelagerter und gleich zu behandelnder Fälle anführen ließen, dass die Festsetzung außer Kraft gesetzt würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.3.1999 - 4 B 5.99 - BauR 1999, 1280: „jedenfalls für die Planung tragende Festsetzungen“, von denen als Grundzüge der Planung allerdings ohnehin keine Befreiung erteilt werden kann; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 31 Rn. 28; im Ergebnis wohl ebenso Mager, DVBl 1999, 205, 209). Ebensowenig darf von einer Festsetzung, die im Angesicht eines konkreten Falles erfolgt ist, aus Gründen befreit werden, die bereits Gegenstand der Abwägung waren (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 14.7.1972 - IV C 69.70 - BVerwGE 40, 272 f.; ebenso NdsOVG, Urt. v. 12.10.1994 - 1 L 555/93 - NVwZ 1995, 914).
36 
Andere Gründe liegen hier aber nicht vor. Soweit die Klägerin betont, sie habe ihr Grundstück von der Beigeladenen erworben, ist dies, wie sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, ein Umstand, den nahezu sämtliche Grundstückseigentümer im Plangebiet anführen können, da das Gebiet ursprünglich fast vollständig im Eigentum der Beigeladenen stand. Soweit sich die Klägerin weiter darauf beruft, die Baugrenzen auf ihrem Grundstück seien entsprechend dem im Grundstückskaufvertrag vereinbarten Baugesuch festgesetzt worden, der geplante Pfand- und Lagerraum könne nicht in die bestehenden Lagerflächen integriert werden, solle von außen zugänglich sein und in einem Bereich verwirklicht werden, auf dem sich jetzt ein Teil der Stellplatzanlage befinde, ohne dass dadurch notwendige Stellplätze wegfielen, werden von ihr keine Gesichtspunkte genannt, die nicht bereits Gegenstand der bauplanerischen Abwägung waren.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils 15.000 EUR festgesetzt. Der Senat bemisst den Erweiterungsvorteil durch den begehrten Anbau in entsprechender Anwendung von 9.1.4 des Streitwertkatalogs 2004 mit mindestens 150,-- EUR je m² zusätzlicher Nettonutzfläche (so bereits Beschlüsse des Senats vom 29.11.2011 - 3 S 2819/11 - und - 3 S 2820/11 - in zwei Verfahren der Klägerin), die nach den Bauvorlagen 99,71 m² beträgt.
41 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

3

a) Die Beschwerde hält (sinngemäß) für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,

ob es mit dem planerischen Abwägungsgebot vereinbar ist, in einem verkehrsbelasteten Gebiet, in dem die einschlägigen Grenzwerte schon im Bestand nahezu erreicht und die Orientierungswerte der DIN 18005 um mehr als 10 dB(A) überschritten werden, eine Nutzung zu planen, die zu zusätzlichen, nicht sicher prognostizierbaren Lärmbelastungen führt, wenn die Lärm verursachende Nutzung ohne Nachteile für die Öffentlichkeit auch an anderer Stelle ausgeführt werden könnte.

4

Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Die Behauptung der Beschwerde, die Lärm verursachende Nutzung (durch das Vorhaben der Beigeladenen) könne ohne Nachteile für die Öffentlichkeit auch an anderer Stelle ausgeführt werden, findet in den tatsächlichen Feststellungen des Normenkontrollgerichts keine Stütze. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass sich in dem von der Änderungsplanung erfassten Bereich ein brachliegendes Anwesen befinde, dessen rückwärtige Grundstücksbereiche "untergenutzt" seien; diese Erwägungen trügen das Konzept der Antragsgegnerin, den Bebauungsplan zu ändern, der in seiner Ursprungsfassung zwar ebenfalls eine Aufwertung des Änderungsbereichs habe bewirken sollen, jedoch - offenbar mangels entsprechender Investitionsbereitschaft - keine Umsetzung erfahren habe; die Antragsgegnerin habe daher die Interessen der Beigeladenen auf Vereinbarkeit mit ihrem städtebaulichen Handlungskonzept prüfen und in die Planänderung aufnehmen dürfen, um so ihrer Zielsetzung näher zu kommen, den Änderungsbereich einer entsprechenden Nutzungsentwicklung zuzuführen (UA S. 23 f.). Das Normenkontrollgericht hat damit Gründe benannt, die der Behauptung des Antragstellers widersprechen. Aber auch unabhängig davon ist die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass Lärmbelästigungen nicht erst dann abwägungsbeachtlich sind, wenn sie als schädliche Umwelteinwirkungen zu qualifizieren sind oder gar die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschreiten (Beschluss vom 8. Juni 2004 - BVerwG 4 BN 19.04 - BRS 67 Nr. 19). Die Werte der DIN 18005-1 "Schallschutz im Städtebau" können zur Bestimmung der zumutbaren Lärmbelastung eines Wohngebiets im Rahmen einer gerechten Abwägung lediglich als Orientierungshilfe herangezogen werden; je weiter die Orientierungswerte der DIN 18005 überschritten werden, desto gewichtiger müssen allerdings die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern (Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 15). Welche öffentlichen Belange und privaten Interessen konkret in die Abwägung einzustellen sind und welches Gewicht den miteinander konkurrierenden Belangen hierbei beizumessen ist, bleibt eine Frage des Einzelfalls, die sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entzieht.

5

Die Beschwerde möchte in diesem Zusammenhang noch klären lassen,

ob der (Lärm-) Konflikt durch einen städtebaulichen Vertrag gelöst werden kann, der nachts eine zusätzliche Lärmbelastung möglicherweise ausschließt, obwohl es sich nicht um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan handelt.

6

Sie macht geltend, das Oberverwaltungsgericht verkenne, dass der städtebauliche Vertrag nur den Investor, nicht jedoch einen anderen Bauinteressenten binde. Soweit das Gericht den Rat der Antragsgegnerin für den Fall eines Investorwechsels für verpflichtet halte zu erwägen, ob aus städtebaulichen Gründen eine Planänderung in Betracht zu ziehen sei, könne dies nicht richtig sein, weil ein Bebauungsplan, der abwägungsfehlerfrei erlassen worden sei, vor seiner Realisierung nicht noch einmal überdacht und gegebenenfalls eingeschränkt werden müsse. Insoweit übersieht die Beschwerde, dass das Oberverwaltungsgericht den Einwand, es könne eine Nachfolgenutzung in Betracht zu ziehen sein, die auch nächtlichen Verkehr auslöse, aus zwei selbstständig tragenden Gründen zurückgewiesen hat. Es hat in erster Linie darauf abgestellt, dass eine Nachfolgenutzung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht im Raum gestanden habe; eine abwägungserhebliche Veränderung aufgrund einer Nachfolgenutzung sei für den Rat weder vorhersehbar noch prognostizierbar gewesen. "Darüber hinaus" würde die Antragsgegnerin gegebenenfalls zu erwägen haben, ob sie an dem Bebauungsplan unverändert festhielte oder aus städtebaulichen Gründen eine Bebauungsplanänderung in Betracht zu ziehen wäre (UA S. 28). In Bezug auf die erste, selbstständig tragende Erwägung zeigt die Beschwerde einen Grund für die Zulassung der Revision nicht auf. Schon aus diesem Grund kann ihre Rüge keinen Erfolg haben.

7

b) Rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf sieht die Beschwerde schließlich hinsichtlich der Frage,

welche Anforderungen an eine - etwa im Wege eines Pflanzgebots durchsetzbare - Anpflanzung zu stellen sind, damit sie als ausreichende Berücksichtigung denkmalschutzrechtlicher Belange im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB bewertet werden kann.

8

Die Beantwortung dieser Frage hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Grundsatzrüge kann hierauf nicht mit Erfolg gestützt werden.

9

2. Zur Zulassung der Revision führen auch die geltend gemachten Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht.

10

a) Die Beschwerde macht einen Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend, weil das Oberverwaltungsgericht den vom Antragsteller im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu 1 zu der Frage, ob die Umplanung die in der Ursprungsfassung des Bebauungsplans vorgesehene Entlastung der Königstraße durch eine geänderte Verkehrsführung verhindere, als unerheblich abgelehnt habe. Ein Verfahrensfehler ist insoweit schon nicht schlüssig vorgetragen. Die Frage, ob im vorinstanzlichen Verfahren gegen die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung verstoßen worden ist, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt des Gerichts der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 m.w.N.). Insoweit räumt die Beschwerde selbst ein, dass die in der Ursprungsfassung des Bebauungsplans vorgesehene Verkehrsführung nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht abwägungsrelevant gewesen sei. Das Normenkontrollgericht hat sich nämlich auf den Standpunkt gestellt, dass die geplante Verkehrsführung nicht verwirklicht worden und eine Verkehrsminderung dementsprechend auch gar nicht eingetreten sei, weshalb die Antragsgegnerin abwägungsfehlerfrei von der derzeitigen tatsächlichen Verkehrsbelastung der Königstraße ausgegangen sei (UA S. 29). Ausgehend von diesem - mit Grundsatz- oder Divergenzrügen nicht angegriffenen - Rechtsstandpunkt war der Beweisantrag zu 1 des Antragstellers nicht entscheidungserheblich und konnte deshalb ohne Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO abgelehnt werden.

11

b) Gleiches gilt, soweit die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe durch die Ablehnung der Beweisanträge zu 2 Unterpunkte a und b zur behaupteten Fehlerhaftigkeit der Verkehrslärmprognose gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Auch insoweit räumt die Beschwerde ein, dass der Beweisantrag nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht entscheidungserheblich war. Das Oberverwaltungsgericht hat sich insoweit auf den Standpunkt gestellt, die seitens des Antragstellers behaupteten und unter Beweis gestellten Fehler des Verkehrslärmgutachtens, die sich angeblich daraus ergäben, dass die angegebenen Berechnungsergebnisse nicht überprüfbar seien, seien für die Entscheidung des Rats der Antragsgegnerin nicht von Belang gewesen und deshalb auch nicht entscheidungserheblich; selbst wenn das Gutachten nachbesserungsbedürftig sei, sei nicht ansatzweise erkennbar, dass sich ein etwaiger Mangel auf die Entscheidung des Rats ausgewirkt haben könnte (UA S. 30); schon gar nicht könne davon die Rede sein, dass eine fehlerhafte Begutachtung im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB offensichtlich und auf das Ergebnis der Abwägung von Einfluss gewesen wäre (UA S. 31 f.).

12

c) Soweit sich die Beschwerde schließlich dagegen wendet, dass auch der Beweisantrag zu 2 Unterpunkt c mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt wurde, ist ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz ebenfalls nicht ersichtlich. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beweisantrag dahin ausgelegt, dass er auf die Behauptung ziele, die Abwägung sei deshalb rechtsfehlerhaft, weil ihr ein Gutachten zugrunde gelegen habe, das hinsichtlich des Discountmarktes der Beigeladenen von einem zu niedrigen Verkehrsaufkommen ausgehe. Es hat aber keinen Anhaltspunkt dafür gesehen, dass ein größeres als das vom Rat der Antragsgegnerin berücksichtigte Verkehrsaufkommen zu einer erheblichen Erhöhung der Lärmbelastung führen könne. Als rechtlich erheblich hat es eine Pegelerhöhung um mehr als 1 dB(A) oder auf über 70 dB(A) angesehen. Demgegenüber würde - so das Oberverwaltungsgericht - selbst die vom Antragsteller für den geplanten Discounter auf der Grundlage der Parkplatzstudie des Bayerischen Landesamtes für Umwelt genannte Zahl von 1 792 zu-sätzlichen Kfz/Tag zu einer Erhöhung der Schallimmission von lediglich 0,259 dB(A) führen (UA S. 32 f.). Nach diesen Maßstäben konnte das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag ebenfalls ohne Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ablehnen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man zugunsten der Beschwerde unterstellt, dass tatsächlich von einer Erhöhung um 0,7 dB(A) auszugehen sei. Weitere Lärm erhöhende Umstände und Zweifel an der Korrektheit der Verkehrslärmprognose insgesamt hat die Beschwerde zwar behauptet, aber nicht substantiiert dargetan.

13

3. Die behauptete Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

14

Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei bei der Ablehnung des Beweisantrags zu 2 Unterpunkt c von dem Rechtssatz ausgegangen, auch bei Vorliegen nur urkundlich in den Prozess eingeführter Gutachten trotz eines dahingehenden Beweisantrags nicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet zu sein, womit es von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. November 1993 - 2 BvR 594/93 - juris Rn. 22) abweiche. Tatsächlich hat das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag aber nicht aus den vom Antragsteller unterstellten Gründen, sondern - wie dargelegt - wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit abgelehnt. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz ist deshalb schon nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Tatbestand

1

Streitgegenstand ist eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Krematoriums mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet, die die Beklagte der Beigeladenen im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilt hat.

2

Die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der das hier betroffene Gebiet als Gewerbegebiet festsetzt. Das Grundstück der Beigeladenen liegt am nördlichen Rand des Gewerbegebiets und grenzt an ein Waldgebiet mit Wiese und Aufforstungen an. Die technischen Bereiche des Krematoriums sind dem Gewerbegebiet zugewandt, während die Bereiche für Besucher, insbesondere der Abschiedsraum in Richtung des Waldgebiets liegen. Die Zufahrt zum Krematorium erfolgt über eine Straße außerhalb des Gewerbegebiets. Das Krematorium ist mittlerweile errichtet und in Betrieb.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Baugenehmigung abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Vorhaben sei nicht schon als Gewerbebetrieb nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig, weil es der Zweckbestimmung des Gebiets widerspreche. Ein Krematorium mit Abschiedsraum sei jedoch eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, wobei diese Vorschrift nur solche Anlagen erfasse, die - wie hier - dem Gemeinbedarf dienten. Die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum wegen des Bedürfnisses, das Abschiednehmen von den Verstorbenen in ein kontemplatives Umfeld einzubetten, dem Leitbild eines Gewerbegebiets widerspreche. Gründe der Pietät und die Notwendigkeit eines kontemplativen Umfelds zwängen nicht dazu, Krematorien mit Pietätsräumen von vornherein ausnahmslos, ungeachtet ihrer konkreten Lage und Nachbarschaft in Gewerbegebieten als gebietsunverträglich auszuschließen. Abschiedsräume in Feuerbestattungsanlagen seien mit Kapellen und Betsälen vergleichbar, deren ausnahmsweise Zulässigkeit in Gewerbegebieten unbestritten sei. Von derartigen Anlagen unterscheide sich ein Krematorium im Wesentlichen durch den hinzutretenden gewerblich-technischen Charakter. Dieser sei mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets für sich gesehen sogar eher vereinbar als etwa eine kirchliche Anlage. Die ausnahmsweise Zulässigkeit des Krematoriums sei auch nicht durch § 15 Abs. 1 BauNVO ausgeschlossen. Durch den gewählten Standort des Krematoriums, seine bauliche Gestaltung und die Ausrichtung der Bereiche für den Publikumsverkehr sei eine pietätvolle Bestattung gewährleistet, die mit der werktäglichen Geschäftigkeit des Gewerbegebiets verträglich sei. Die angefochtene Baugenehmigung verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot.

4

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision: Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs der Anlage für kulturelle Zwecke entspreche weder dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO noch der Systematik der Baunutzungsverordnung noch dem Willen des Gesetzgebers. Es sei im Übrigen wenig überzeugend, die allgemeine Zulässigkeit des Vorhabens in einem Gewerbegebiet mangels Gebietsverträglichkeit zu verneinen, um dann im Ausnahmewege die Zulässigkeit mit der Begründung zu bejahen, es widerspreche nicht der Zweckbestimmung des Baugebiets.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist zwar die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein als Gemeinbedarfsanlage betriebenes Krematorium mit Abschiedsraum eine Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Eine solche Anlage verträgt sich aber nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets. Das Oberverwaltungsgericht verkennt die Anforderungen, die an das ungeschriebene Erfordernis der Gebietsverträglichkeit zu stellen sind. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung war daher aufzuheben.

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1. Die Baugenehmigung ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts rechtswidrig. Die Beklagte hätte das Vorhaben der Beigeladenen nicht gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulassen dürfen.

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1.1 Mit Bundesrecht im Einklang steht allerdings die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum unter den Begriff der Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO fällt.

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"Anlagen für kulturelle Zwecke" sind nicht auf die traditionellen Bereiche der Kunst, Wissenschaft und Bildung beschränkt. Die Zweckbeschreibung bezeichnet Anlagen, die in einem weiten Sinne einen kulturellen Bezug aufweisen. Ein Krematorium mit Abschiedsraum hat einen kulturellen Bezug, der in der gesellschaftlichen Vorstellung von dem Umgang mit dem Tod wurzelt. Ebenso wie eine kirchliche Bestattungsanlage einem kirchlichen Zweck dient (Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 17), dient ein Krematorium als säkulare Bestattungseinrichtung einem kulturellen Zweck. Zur Feuerbestattung gehört nicht nur die Beisetzung der Asche des Verstorbenen in einer Grabstätte, sondern auch der Vorgang der Einäscherung der Leiche. Die Einäscherung ist Teil des Bestattungsvorgangs. Diese Form der Bestattung ist Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Bestattungskultur, zu der es auch gehört, in einem kontemplativen Umfeld von den Verstorbenen Abschied nehmen zu können.

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Der Begriff der "Anlagen für kulturelle Zwecke", der nicht nur in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, sondern in zahlreichen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung Verwendung findet, ist ebenso offen angelegt wie die ebenfalls in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und anderen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung genannten Anlagen für kirchliche, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Die Baunutzungsverordnung verwendet die Begriffsgruppe als eine bewusst weit gefasste Kategorie. Sie ist für eine "dem Wandel der Zeiten" anpassungsfähige Auslegung offen (Urteil vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 4 C 16.97 - BVerwGE 108, 190 <197>). Damit sollen gerade auch neue Erscheinungsformen baulicher Vorhaben städtebaulich erfasst werden, um eine geordnete Bodennutzung und städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten. Dass sich im Laufe der Zeit das Begriffsverständnis und damit auch die Art der Anlagen ändern kann, die im jeweiligen Gebiet zulässig sind, ist vom Verordnungsgeber gewollt.

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Eine weite Auslegung der Begriffsgruppe führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einer uferlosen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm. Die begriffliche Offenheit des Tatbestands wird in zweifacher Hinsicht begrenzt. Aus dem systematischen und historischen Zusammenhang wird deutlich, dass Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke nur die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB definierten Gemeinbedarfsanlagen sind. Die Baunutzungsverordnung hat die Begriffsgruppe von Anfang an auf Gemeinbedarfsanlagen beschränkt gesehen (Urteile vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 17.95 - BVerwGE 102, 351 <354> und vom 28. April 2004 - BVerwG 4 C 10.03 - Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 15 S. 6). Darüber hinaus wirkt das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit begrenzend, das vor allem jene Nutzungsarten betrifft, die die Baunutzungsverordnung begrifflich verselbständigt und mehreren der Baugebietstypen in §§ 2 bis 9 BauNVO zugeordnet hat (Beschluss vom 6. Dezember 2000 - BVerwG 4 B 4.00 - Buchholz 406.12 § 7 BauNVO Nr. 4 S. 2).

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1.2 Bei dem streitigen Krematorium handelt es sich - wie als eingrenzendes Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt - um eine Gemeinbedarfsanlage. Der Begriff des Gemeinbedarfs wird in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB näher bestimmt. Danach sind Gemeinbedarfsanlagen solche baulichen Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen. Beispielhaft werden Schulen und Kirchen sowie sonstigen kirchlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen aufgezählt. Der Allgemeinheit dient eine Anlage im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, wenn sie, ohne dass die Merkmale des Gemeingebrauchs erfüllt zu sein brauchen (Beschluss vom 18. Mai 1994 - BVerwG 4 NB 15.94 - NVwZ 1994, 1004 <1005>), einem nicht fest bestimmten, wechselnden Teil der Bevölkerung zugänglich ist. Gemeint sind Einrichtungen der Infrastruktur, die der Gesetzgeber dem Oberbegriff der "Einrichtungen und Anlagen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des öffentlichen und privaten Bereichs" zugeordnet hat (Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 4 CN 7.03 - BVerwGE 121, 192 <195> = Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 101 S. 32 f.). Auf die Rechtsform des Einrichtungsträgers kommt es nicht entscheidend an (Urteil vom 12. Dezember 1996 a.a.O. S. 356). Die Trägerschaft kann auch in der Hand einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts liegen. Auch eine staatliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit kann je nach ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung geeignet sein, den vorausgesetzten Gemeinwohlbezug solcher Anlagen und Einrichtungen herzustellen, deren Leistungserbringung sich nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen vollzieht und auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 196 f.).

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Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht beachtet und in Auslegung von Landesrecht und damit für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend (§ 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) festgestellt, dass nach den Bestimmungen des Bestattungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen eine hoheitliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlichkeit der Beklagten besteht, die den erforderlichen Gemeinwohlbezug der Anlage herstellt und die zudem durch den zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 6. September 2006 abgesichert wird, der bestimmt, dass die Beigeladene als Beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnimmt.

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1.3 Ein Krematorium mit Abschiedsraum verträgt sich aber nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets.

14

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ist das Oberverwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum mangels Gebietsverträglichkeit nicht bereits gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in einem Gewerbegebiet allgemein zulässig ist (Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21).

15

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist ein Krematorium mit Abschiedsraum aber auch nicht im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet zulässig. Der Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, Gründe der Pietät und die Notwendigkeit eines kontemplativen Umfelds würden es nicht gebieten, Krematorien mit Pietätsräumen von vornherein ausnahmslos, ungeachtet ihrer konkreten Lage und Nachbarschaft in Gewerbegebieten als gebietsunverträglich auszuschließen, steht nicht in Übereinstimmung mit Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht verkennt die Anforderungen, die an das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit zu stellen sind.

16

Die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens innerhalb eines Baugebiets der Baunutzungsverordnung richtet sich nicht allein nach der Einordnung des Vorhabens in eine bestimmte Begriffskategorie (Nutzungs- oder Anlagenart), sondern auch nach der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets. Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (stRspr, vgl. nur Urteile vom 18. November 2010 - BVerwG 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 19 und vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6 m.w.N.). Diesen rechtlichen Maßstab hat das Bundesverwaltungsgericht in zahlreichen Fällen angelegt, in denen zu entscheiden war, ob ein Vorhaben nach der Art der Nutzung in dem jeweils festgesetzten Baugebiet allgemein (regelhaft) zulässig ist. Er gilt auch für die in einem Baugebiet ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Zwischen der Zweckbestimmung des Baugebiets und den jeweils zugeordneten Nutzungsarten besteht ein funktionaler Zusammenhang, der für die Auslegung und Anwendung jeder tatbestandlich normierten Nutzungsart maßgeblich ist (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.; Beschluss vom 28. Februar 2008 a.a.O. Rn. 7). Die nach den Baugebietsvorschriften nur ausnahmsweise zulässigen Nutzungen können die Eigenart eines Baugebiets zwar auch prägen. Diesem Muster folgt beispielsweise die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Immissionsverträglichkeit des Wohnens für bestimmte Baugebiete im Wege einer typisierenden Betrachtung zu modifizieren und unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 1 und § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise eine eingeschränkte Wohnnutzung zuzulassen, weil typischerweise ein gebietsspezifischer Bedarf besteht. Den in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genannten Anlagen fehlt es aber an einer funktionalen Ausrichtung auf den Zweck des jeweiligen Baugebiets. Solche Anlagen, die ohne nähere Umschreibung in fast allen Baugebieten der §§ 2 bis 9 BauNVO allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, können nach Größe, betrieblicher Ausrichtung, räumlichem Einzugsbereich und Immissionspotenzial von sehr unterschiedlicher Art sein.

17

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Baugebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 21). Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass im Geltungsbereich eines ausgewiesenen Baugebiets grundsätzlich auf jedem Baugrundstück die nach dem Katalog der Nutzungsarten der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung möglich sein soll. Das typische Störpotenzial kann nicht nur im Störgrad, sondern auch in der Störempfindlichkeit eines Vorhabens liegen. Im Rahmen dieser Beurteilung kommt es nicht auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft an. Unerheblich ist daher, dass das streitige Krematorium nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO durch den gewählten Standort, seine bauliche Gestaltung und die Ausrichtung der auf Publikumsverkehr ausgerichteten Bereiche eine pietätvolle Bestattung gewährleistet. Die Gebietsverträglichkeit ist der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vorgelagert.

18

Ein Krematorium mit Abschiedsraum verträgt sich nicht mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, das geprägt ist von werktätiger Geschäftigkeit. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen gearbeitet wird. Nach dem Leitbild der Baunutzungsverordnung ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Betrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können, sofern es sich um nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe handelt.

19

Ein Krematorium mit Abschiedsraum erweist sich in besonderer Weise als störempfindlich. Es stellt - ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Verbrennungsanlagen - ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen dar. Die Privatisierung dieser Art der Bestattung mag bewirkt haben, dass Krematorien auch an Standorten außerhalb eines Friedhofs angesiedelt werden. Das ändert aber nichts an der Anforderung, dass eine Bestattung ein würdevolles und kontemplatives Umfeld erfordert. Wie auch das Oberverwaltungsgericht angemerkt hat, ist nicht zu erkennen, dass sich die gesellschaftlichen Anschauungen im Umgang mit dem Tod wesentlich gewandelt haben. Der übliche Umgebungslärm und die allgemeine Geschäftigkeit eines Gewerbegebiets stehen dazu im Widerspruch. Eine derartige Umgebung ist regelmäßig geeignet, den Vorgang der Einäscherung als Teil der Bestattung in einer Weise gewerblich-technisch zu prägen, die mit der kulturellen Bedeutung eines Krematoriums mit Abschiedsraum nicht vereinbar ist.

20

2. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung kann nicht über § 31 Abs. 2 BauGB hergestellt werden. Eine Befreiung hat die Beklagte nicht erteilt; sie könnte auch nicht erteilt werden.

21

Der Umstand, dass eine Anlage in einem Baugebiet weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann, steht einer Befreiung zwar nicht von vornherein entgegen (Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 29). Es spricht viel dafür, dass das streitige Vorhaben Grundzüge der Planung berührt, wenngleich tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen. Eine Befreiung scheitert hier aber jedenfalls daran, dass es zur Bewältigung der gegenläufigen Nutzungskonflikte, die mit der Ansiedlung eines Krematoriums mit Abschiedsraum verbunden sind, einer Planung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf.

22

Der Gesetzgeber stellt mit der Abweichung nach § 31 Abs. 2 BauGB ein Instrument zur Verfügung, das im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit für Vorhaben, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zwar widersprechen, sich mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen lassen, ein Mindestmaß an Flexibilität schafft (Beschluss vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39). Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht (Urteile vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <79> und vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <53 f.>). Generelle, d.h. typischerweise mit der Zulassung eines bestimmten Vorhabens verbundene Nutzungskonflikte, die eine auf die Standortfrage ausgerichtete Planung mit Abwägung gegenläufiger Interessen erforderlich machen, lassen sich nicht im Wege einer Befreiung bewältigen. Was den Bebauungsplan in seinen "Grundzügen", was seine "Planungskonzeption" verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 78). Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde. Hierfür ist in § 3 ff. BauGB ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter den in § 13 BauGB genannten Voraussetzungen abgesehen werden kann (Urteil vom 4. August 2009 - BVerwG 4 CN 4.08 - BVerwGE 134, 264 Rn. 12).

23

Ein Krematorium mit Abschiedsraum in einem Gewerbegebiet löst Nutzungskonflikte aus, die sich nur im Wege einer Abwägung bewältigen lassen. Wie dargelegt zeichnet sich ein Krematorium mit Abschiedsraum durch die Besonderheit der Gleichzeitigkeit von Störgrad und Störempfindlichkeit aus. Das führt zu bodenrechtlich relevanten Spannungen, die nur durch Planung zu lösen sind. Ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Anlage - mit Blick auf den Schutz der Gesundheit - entstehen bodenrechtliche Spannungen vor allem dadurch, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum in einer Umgebung anzusiedeln ist, die eine würdevolle Bestattung erlaubt. Der Schutz der Bestattung und des Totengedenkens fordert Rücksichtnahme durch die Nachbarschaft; zugleich ist Rücksichtnahme auf Nachbarn gefordert. Eine Koordination dieser widerstreitenden Belange lässt sich sachgerecht nur im Wege einer Abwägung unter Würdigung der öffentlichen und nachbarlichen Interessen sicherstellen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage des Standorts und seiner Anbindung. Diese Frage sowie die Frage nach Planungsalternativen fordert planerische Gestaltungsfreiheit unter Beachtung des Verfahrens der Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Gesetzgeber stellt für diese städtebauliche Konfliktlage auch spezifische Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Art der baulichen Nutzung kann nicht nur durch die Festsetzung von Baugebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung erfolgen (Beschluss vom 13. Juli 1989 - BVerwG 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1 S. 5 - juris Rn. 11). Auch "Flächen für den Gemeinbedarf" legen die Art der baulichen Nutzung fest (Beschluss vom 23. Dezember 1997 - BVerwG 4 BN 23.97 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 86 - juris Rn. 7). § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB eröffnet nicht nur die Möglichkeit, sondern verweist auch auf die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung einer Gemeinbedarfsanlage im Fall eines städtebaulich relevanten Nutzungskonflikts. Sofern durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt, hat die Gemeinde überdies die Möglichkeit, ein sonstiges Sondergebiet gemäß § 11 Abs. 1 BauNVO festzusetzen.

24

3. Die rechtswidrige Baugenehmigung verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger kann sich auf bauplanungsrechtlichen Nachbarschutz berufen. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (Urteile vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 und vom 23. August 1996 - BVerwG 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364; Beschluss vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 4 B 55.07 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 32 Rn. 5). Ein Nachbar im Baugebiet kann sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden, wenn er - wie hier - durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.