Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 11. Nov. 2014 - L 5 R 910/12
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom
Der 1972 geborene Kläger erwarb am
Seit
Der Kläger besitzt weder eine Fahrschulerlaubnis noch ist er Mitunternehmer oder Gesellschafter der Beigeladenen.
Seit September 2009 beschäftigte der Kläger zwei Hilfskräfte auf geringfügiger Basis. Dies sind eine Bürohilfe mit einer Vergütung von 400,00 € monatlich und ein Fahrzeugwart mit einer monatlichen Vergütung von 62,00 €. Ferner unterhielt der Kläger einen eigenen Büroraum.
Die Durchführung der Fahrstunden erfolgte mit dem eigenen Fahrschulfahrzeug des Klägers. Den entsprechenden Leasingvertrag der Beigeladenen übernahm er mit Wirkung zum 01.09.2009 im Wege der Vertragsumschreibung. Nach ca. zwei Jahren leaste er ein neues Fahrschulauto. Diese Fahrschulfahrzeuge waren bzw. sind nach dem Tarif Gewerbe versichert und auf den Kläger zugelassen. Der Kläger entrichtet hierfür die Kraftfahrzeugsteuer, Benzin-, Reparatur- und alle weiteren Nebenkosten. Daneben besitzt er zu privaten Zwecken einen weiteren PKW. Für seine Tätigkeit als Fahrlehrer zahlt er Gewerbe-, Umsatz- und Mehrwertsteuer und versteuert seine Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er hat eine Berufs- und Verkehrsrechtsschutzversicherung für Selbstständige abgeschlossen. Wegen der Fahrlehrertätigkeit wurden keine Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt.
Bei der Beigeladenen waren in dem streitigen Zeitraum drei Fahrlehrer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließlich für die Beigeladene tätig. Ferner war ein Fahrlehrer geringfügig beschäftigt. Lediglich der Kläger war als „Rechnungsfahrer“, d. h. als selbstständiger Fahrlehrer eingesetzt.
Zwischen dem Kläger und der Beigeladenen waren keine schriftlichen Verträge abgeschlossen worden. Die Beauftragung erfolgte mündlich. Der Kläger hatte gegen die Beigeladene keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung wegen Sonntags- oder Nachtarbeit, auf Fortzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit sowie auf bezahlten Urlaub. Er konnte die Aufträge der Beigeladenen ablehnen oder annehmen. Die Fahrten erfolgten ausschließlich mit dem eigenen Fahrschulfahrzeug des Klägers. Der theoretische Unterricht fand in den Räumen der Fahrschule der Beigeladenen statt. Die Fahrstunden wurden vom Kläger jeweils mit den Fahrschülern vereinbart. Der Kläger stellte der Beigeladenen zwei Mal monatlich eine Rechnung entsprechend dem vorher vereinbarten Stundenpreis und berechnete ein Entgelt für die Nutzung des Fahrschulfahrzeugs. Die Stundenpreise für die Fahrstunde waren vom Kläger mit den verschiedenen Fahrschulen - meist abhängig von den Fahrklassen und den Regionen - in unterschiedlicher Höhe (12 € - 20 €) vereinbart worden.
Am
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur beabsichtigten Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses legte der Kläger im Rahmen seiner Gegenäußerung Auszüge aus der „Fahrlehrerpost Ihre Fortbildung“ von 02/09 vor. Aus diesen ergibt sich, dass die Beklagte im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens in einem Parallelverfahren die selbstständige Tätigkeit eines Fahrlehrers ohne Fahrschulerlaubnis bei Benutzung eines eigenen Fahrzeuges festgestellt hatte.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs verwies der Kläger auf einen Bescheid der Beklagten vom
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit seiner Fahrlehrertätigkeit beantragt.
Mit Urteil vom 14.09.2012
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt: Ohne Fahrschulerlaubnis sei es nach den gesetzlichen Bestimmungen (insb. § 1 Abs. 4, 10 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 FahrlG) rechtlich nicht zulässig, als Fahrlehrer selbstständig tätig zu sein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verkenne, dass § 1 Abs. 4 FahrlG einer anderen Form der Beschäftigung als der eines abhängigen Arbeitsverhältnisses nicht entgegenstünde.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten.
Gründe
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht Würzburg hat den angefochtenen Bescheid der Beklagten zu Unrecht aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 28.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger war als Fahrlehrer bei der Beigeladenen im Zeitraum vom 01.09.2009 bis Mai 2010 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig. Verwaltungsrechtlich ist es nicht zulässig, dass von einer Fahrlehrererlaubnis ohne Fahrschulerlaubnis im Wege einer selbstständigen Fahrlehrertätigkeit Gebrauch gemacht wird. Dies ist auch im Sozialversicherungsrecht zu beachten.
1. Rechtsgrundlage der gegenständlichen Entscheidung der Beklagten ist § 7a SGB IV. Danach entscheidet die Beklagte auf Antrag, ob eine Tätigkeit versicherungspflichtig in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird oder als selbstständige Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 V; § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI; § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; § 25 Abs. 1 SGB III). Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei eine in Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder es sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Ein im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vergleiche hierzu insgesamt BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 Rdnr. 17,
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt die Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles davon auszugehen, dass der Kläger in der Zeit ab 01.09.2009 bis Mai 2010 seine Tätigkeit als Fahrlehrer im Rahmen eines abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat.
a) Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Fahrlehrtätigkeit des Klägers als abhängige Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu qualifizieren ist, ist zunächst der rechtliche Rahmen in dem die Tätigkeit ausgeübt wurde. § 1 Abs. 4 Fahrlehrergesetz (FahrlG) als geltendes Verwaltungsrecht steht dabei der Ausübung einer selbstständigen Fahrlehrertätigkeit ohne Fahrschulerlaubnis entgegen.
Nach § 1 Abs. 4 FahrlG darf von der Fahrlehrerlaubnis nur zusammen mit einer Fahrschulerlaubnis oder im Rahmen eines Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses mit dem Inhaber einer Fahrschule Gebrauch gemacht werden. Der Kläger ist nicht Besitz einer Fahrschulerlaubnis. § 2 Abs. 3 Satz 2 FahrlGDV konkretisiert das Beschäftigungsverhältnis im Sinne des FahrlG dahingehend, dass ein Arbeitsvertrag vorausgesetzt ist, der den Inhaber der Fahrlehrererlaubnis zu einer bestimmten Ausbildungsleistung nach Weisung und unter Aufsicht des Inhabers der Fahrschulerlaubnis oder gegebenenfalls des verantwortlichen Leiters des Ausbildungsbetriebes verpflichtet. Aus der Zusammenschau von FahrlG und FahrlGDV ergibt sich somit, dass für ein selbstständiges Tätigwerden eines Fahrlehrers ohne Fahrschulerlaubnis kein Raum ist.
Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht Sigmaringen (Urteil v. 09.10.2012 - 4 K 4032/11) die Ansicht vertreten sollte, dass für eine Konkretisierung des Begriffes „Beschäftigungsverhältnis“ aus § 1 Abs. 4 FahrlG durch den Verordnungsgeber in § 2 Abs. 3 Satz 2 FahrlGDV es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlte, so führte auch eine Auslegung des § 1 Abs. 4 FahrlG im Sinne der Methodenlehre zu keinem anderen Ergebnis.
aa) Bereits eine am Wortlaut orientierte Auslegung von § 1 Abs. 4 FahrlG spricht dafür, dass ein „Beschäftigungsverhältnis“ mit dem Inhaber einer Fahrschule ein „Freies Mitarbeiterverhältnis“ ausschließt.
Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ist ein Fachbegriff aus dem Sozialrecht. Ein Beschäftigungsverhältnis besteht regelmäßig bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV), wobei unter Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit verstanden wird (§ 7 SGB IV). Gerade die identische Übernahme der Definition von § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV in § 1 Abs. 4 FahrlG macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber bei der Formulierung von § 1 Abs. 4 FahrlG an dem sozialrechtlichen Beschäftigungsbegriff nicht nur orientiert, sondern diesem wortgleich übernommen hat. In der neueren arbeitsrechtlichen Gesetzgebung werden statt der Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Arbeitsverhältnis“ vermehrt die Begriffe „Beschäftigter“ und „Beschäftigungsverhältnis“ verwendet (vgl. Richardi, NZA 2010, 1101). Auch im Arbeits- und Wirtschaftsleben wird unter einem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig ein zweiseitiges Verhältnis verstanden, in dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Art gegenüberstehen, dass der Arbeitnehmer sich gegenüber dem Arbeitgeber in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit befindet und der Arbeitgeber seinerseits Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers ausübt (vgl. Berkowsky, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, § 111 Rn. 13; Becker, in: Gabler, Wirtschaftslexikon,http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/beschaeftigungsverhaeltnis.html).
bb) Ferner steht eine Auslegung nach dem Regelungs- und Bedeutungszusammenhang (systematische Auslegung) einer selbstständigen Ausübung der Fahrlehrererlaubnis ohne Fahrschulerlaubnis entgegen.
Das Fahrlehrergesetz legt dem Fahrschulinhaber eine Reihe von Pflichten gegenüber den nach § 1 Abs. 4 FahrlG „beschäftigten“ Fahrlehrern auf. Zentrale Norm ist hierbei § 16 FahrlG, der die allgemeinen Pflichten des Inhabers der Fahrschule bzw. des verantwortlichen Leiters definiert. Der Fahrschulinhaber hat die „beschäftigten“ Fahrlehrer gründlich in die Aufgaben einer Fahrschule einzuführen und sie bei der Ausbildung der Fahrschüler und bei der Durchführung von Aufbauseminaren im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes sachgerecht anzuleiten und zu überwachen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 FahrlG). Der Leiter darf danach seine Fahrlehrer nicht ohne inhaltliche und organisatorische Vorgaben arbeiten lassen und muss ständig kontrollieren, ob diese Vorgaben eingehalten werden (vgl. Dauer, Fahrlehrerrecht, § 16 Anm. 7). Diese Überwachungs- und Anleitungsaufgabe kann der verantwortliche Leiter nur effektiv wahrnehmen, wenn er gegenüber den beschäftigten Fahrlehrern mit wirksamen und umfassenden Weisungsbefugnissen ausgestattet ist, die eine jederzeitige und bedingungslose Durchsetzung der Vorgaben sicherstellen. Weisungsbefugnisse dieser Art widersprechen einer selbstständigen Tätigkeit; sie belegen das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses.
Der Gesetzgeber hat zudem im FahrlG ausdrücklich geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Fahrlehrer im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit Fahrschüler ausbilden darf. In § 10 Abs. 1 Satz 1 FahrlG ist normiert, dass „wer als selbstständiger Fahrlehrer Fahrschüler ausbildet oder durch von ihm beschäftigte Fahrlehrer ausbilden lässt, einer Fahrschulerlaubnis bedarf.“ Zur rechtmäßigen Ausübung einer selbstständigen Fahrlehrertätigkeit war für den Kläger somit neben der Fahrlehrererlaubnis eine Fahrschulerlaubnis notwendig gewesen.
cc) Namentlich gelangt auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm zu diesem Ergebnis.
Sinn und Zweck der Vorschrift von § 1 Abs. 4 FahrlG liegt darin, dass die Ausbildung von Fahrschülern nach der Weisung des Fahrschulinhabers erfolgt, um so eine fundierte Ausbildung zu garantieren und damit die mit dem Erwerb einer Fahrerlaubnis verbundenen Gefahren für die Allgemeinheit zu minimieren aber auch eine besondere Schutzpflicht gegenüber den Fahrschülern zu garantieren. Garant dafür, dass die notwendige, staatlich vorgeschriebene und für den Fahrschüler zeit- und kostenaufwendige Ausbildung vorschriftsmäßig und qualitativ hochwertig angeboten und durchgeführt wird, ist nach dem Gesetz letztverantwortlich der Fahrschulinhaber. Eine (Teil-)Delegation dieser Verantwortung auf Fahrlehrer als „Freie Mitarbeiter“ die als weisungsfreie Tätige diesen Garantenpflichten nicht unterworfen sind, ist rechtlich nicht möglich.
dd) Schließlich stellt sich die Frage, welcher Regelungssinn § 1 Abs. 4 FahrlG verbliebe, falls von der Fahrlehrererlaubnis auch auf Basis einer selbstständigen Tätigkeit Gebrauch gemacht werden dürfte. Der begrenzende Charakter der Vorschrift würde entfallen und ihr Schutzzweck verfehlt. Wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte, hätte er auf die Regelung in Gänze verzichten müssen. Wie auch ein Vergleich mit § 10 Abs. 1 Satz 1 FahrlG zeigt, war der Wille des Gesetzgebers ein anderer.
Nach dem Regelungssystem des FahrlG insbesondere aus der Zusammenschau von § 1 Abs. 4 FahrlG und § 10 Abs. 1 FahrlG setzt die selbstständige Berufsausübung als Fahrlehrer somit das Vorhandensein beider Erlaubnisse (Fahrlehrererlaubnis + Fahrschulerlaubnis) voraus (so auch LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.1996 - 5 Ta 1/96, BeckRS 1996, 30865702; Weber, SVR 2013, 401; ders. SVR 2009, 202).
Gegen die Regelungen der § 1 Abs. 4 FahrlG und § 10 Abs. 1 FahrlG bestehen im Hinblick auf Art. 12 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Berufsausübungsregelungen sind grundsätzlich zulässig, wenn der Gesetzgeber im Interesse des Gemeinwohls zur Lösung solcher Sachaufgaben handelt, die ein Tätigwerden des Gesetzgebers überhaupt zu rechtfertigen vermögen und die der Wertordnung des Grundgesetzes nicht widersprechen. Die vom Gesetzgeber gewählten Mittel müssen geeignet und erforderlich und die Beschränkung muss dem Betroffenen zumutbar sein (BVerfGE 36, 47 [58 ff.]; 37, 1 [18 f.]; 47, 109 [116]). Es ist nicht zu beanstanden, dass im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs und zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter, wie Leben und körperliche Unversehrtheit die selbstständige Ausübung der Fahrlehrertätigkeit neben der Fahrlehrererlaubnis auch eine Fahrschulerlaubnis erfordert.
b) Neben dem nicht dispositiven rechtlichen Rahmen sprechen auch weitere Gesichtspunkte für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 SGB IV.
Der Kläger war in die Organisation der Beigeladenen eingebunden. So fand insbesondere der theoretische Unterricht in den Räumen der Beigeladenen statt. Auch im Außenverhältnis nahm der Kläger keine rechtswirksamen Handlungen vor. Der Vertragsabschluss mit den Fahrschülern erfolgte jeweils im Namen und auf Rechnung des Fahrschulinhabers. Ebenso erfolgte die Anmeldung bei der Prüforganisation ausschließlich durch den Fahrschulinhaber.
c) Der Senat verkennt nicht, dass im Falle der Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen in tatsächlicher Hinsicht gewichtige Gesichtspunkte für eine Selbstständigkeit der ausgeübten Fahrlehrertätigkeit sprechen. Dies sind:
- Der Kläger war für mehrere Fahrschulen tätig.
- Er hat eigenes Kapital eingesetzt und sächliche Betriebsmittel wie z. B. ein eigenes Fahrschulfahrzeug auf eigenen Rechnung angeschafft.
- Der Kläger hat zur Abwicklung seiner Geschäfte ein eigenes Büro mit entsprechender Ausstattung (Möbel, PC, Telefon etc.) eingerichtet.
- Der Kläger beschäftigte zwei eigene Mitarbeiter; eine Bürokraft für 400 €/Monat und einen Fahrzeugwart für 62 €/Monat.
- Kläger konnte selbst entscheiden, ob, wann und in welchem Umfang er für die Beigeladene oder für andere Fahrschulen tätig wurde.
Diese Gesichtspunkte treten jedoch im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung zurück, da die Rechtsbeziehung wie sie praktiziert wurde nur soweit maßgeblich ist, wie diese (hier: verwaltungs-)rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - JURIS-Dokument, Rd.Nr. 17 mit weiteren Nachweisen).
Der Kläger ist damit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis für die Beigeladene im Zeitraum vom
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Es bestehen nach § 160 Abs. 2 SGG keine Gründe, die Revision zuzulassen.

Referenzen - Gesetze
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144
Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143
Gesetz über den Lastenausgleich

Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBayerisches Landessozialgericht Urteil, 11. Nov. 2014 - L 5 R 910/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 09. Okt. 2012 - 4 K 4032/11
Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Tenor
Dem Beklagten wird untersagt, Fahrschulen im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes R. schriftlich, mündlich oder in sonstiger Form aufzufordern, den Kläger im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als „freier Mitarbeiter“ unabhängig von dessen konkreter Ausgestaltung nicht zu beschäftigen oder mit ihm bestehende Beschäftigungsverhältnisse in ein Arbeitsverhältnis umzuwandeln.
Der Beklagte wird verurteilt, die Fahrschulen im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes R. schriftlich zu informieren, dass der Kläger als Fahrlehrer auch im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als „freier Mitarbeiter“ beschäftigt werden kann, solange seine Anleitung und Überwachung nach § 16 FahrlG davon unbeeinträchtigt bleibt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Sprungrevision und die Berufung werden zugelassen.
Tatbestand
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Entscheidungsgründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.