Arbeitsgericht Gelsenkirchen Urteil, 09. März 2016 - 3 Ga 3/16

ECLI:ECLI:DE:ARBGGE:2016:0309.3GA3.16.00
bei uns veröffentlicht am09.03.2016

Tenor

  • 1. Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es zu unterlassen

a)      Mitarbeitern eine Mitarbeitertreueprämie oder sonstige Vorteile für den Fall zu versprechen, dass sie eine verbindliche Kündigungsbestätigung ihrer bisherigen Mitgliedschaft in einer Arbeitnehmervertretung vorweisen können,

b)      im Betrieb der Verfügungsbeklagten Mitteilungen auszuhängen, in welchen darauf hingewiesen wird, dass man sich im Büro einen Vordruck für die Kündigung abholen könne, wenn man aus der Gewerkschaft austreten möchte,

c)      die Mitarbeiter zu befragen, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, es sei denn, es besteht ein rechtlich anerkennenswerter Grund,

d)     Mitarbeiter mündlich oder schriftlich aufzufordern, aus der Gewerkschaft auszutreten.

  • 2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziffer 1.) wird der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 € angedroht, das in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird, das aber 4.000,00 € im Einzelfall nicht unterschreitet,ersatzweiseOrdnungshaft gegen den gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten.

  • 3. Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

  • 4. Der Streitwert wird auf 80.000,00 € festgesetzt.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand


Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes


Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 62 Zwangsvollstreckung


(1) Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, sind vorläufig vollstreckbar. Macht der Beklagte glaubhaft, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so hat das Arbeitsgericht auf se

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1 Sachliche Zuständigkeit


Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.

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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(1) Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, sind vorläufig vollstreckbar. Macht der Beklagte glaubhaft, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so hat das Arbeitsgericht auf seinen Antrag die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung kann die Zwangsvollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Satz 3 erfolgt ohne Sicherheitsleistung. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss.

(2) Im übrigen finden auf die Zwangsvollstreckung einschließlich des Arrests und der einstweiligen Verfügung die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozeßordnung Anwendung. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann in dringenden Fällen, auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Absatz 1 der Zivilprozessordnung eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht.

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. März 2011 - 2 Sa 83/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen.

2

Der klagende Arbeitgeberverband ist ein rechtsfähiger Verein mit Sitz in Kiel. Seine Gründung im Jahr 1979 beruhte auf einer Entscheidung der Synode der vormaligen Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (NEK).

3

Nach Art. 19 der Verfassung der NEK vom 12. Juni 1976 (Verfassung NEK, GVOBl. S. 159) gliedert sich das der Kirche anvertraute Amt in verschiedene Dienste. Die in diese Dienste haupt-, neben- und ehrenamtlich Berufenen tragen die Verantwortung dafür, dass jeweils in ihren Aufgabenbereichen der Auftrag der Kirche wahrgenommen wird. Damit dienen sie der Einheit der Kirche. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen im Rahmen ihres besonderen Dienstes verantwortlich an der Ausrichtung von Verkündigung, Seelsorge und Unterweisung teil (Art. 21 Satz 1 Verfassung NEK).

4

Im Bereich der NEK galten seit 1961 mit Gewerkschaften abgeschlossene und als Tarifverträge bezeichnete Vereinbarungen. Die NEK schloss auch nach der im Jahr 1978 ausgesprochenen Empfehlung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für den sog. „Dritten Weg“ Tarifverträge ab. In dem Beschluss der Synode der NEK zur Arbeitsrechtsregelung (Vierte Tagung vom 17. - 19. Februar 1978 in Rendsburg) vom 18. Februar 1978 heißt es:

        

„Die ‚Vorbedingungen’

        

…       

        

Gemäß dem Antrag der Kirchenkreissynode Blankenese vom 19.11.1977 und dem Antrag der Kirchenkreissynode Kiel vom 18.1.1978 erklärt die Synode der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche ihr Einverständnis zum Abschluss von Tarifverträgen mit den Arbeitnehmer-Organisationen. Dabei müssen folgende Bedingungen gewährleistet sein:

        

1.    

Gründung eines ‚Verbandes kirchlicher Anstellungsträger’, dem die Nordelbische Kirche selbst beitritt und dem die Kirchengemeinden, Kirchenkreise sowie deren Verbände sowie die selbständigen Dienste und Werke beitreten können.

        

2.    

Erfüllung von Mindestbedingungen, mit denen der Besonderheit des kirchlichen Dienstes Rechnung getragen wird; dazu gehören insbesondere die in den Anlagen IV und V zur Vorlage 3 formulierten Bedingungen.

        

…       

        
        

Anlage IV zu Vorlage 3 der Februar-Synode

        

Vorbedingungen für den Abschluss von Tarifverträgen durch die NEK

        

1.    

…       

        

2.    

Streik und Aussperrung sind ausgeschlossen.

        

3.    

Es wird eine unkündbare im Tarifvertrag verankerte Schlichtungsvereinbarung abgeschlossen.

        

…“    

        
5

Das am 9. Juni 1979 erlassene Kirchengesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Mitarbeiter in der NEK (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG-NEK) lautet:

        

        
        

„§ 1   

        

Tarifvertragliche Regelung der Arbeitsbedingungen

        

Die Arbeitsbedingungen der in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschäftigten Mitarbeiter der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, ihrer Kirchenkreise, Kirchengemeinden und deren Verbände einschließlich ihrer rechtlich unselbständigen Dienste, Werke und Einrichtungen sind nach den zwischen dem Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger Nordelbien (VKDA-NEK) und den Mitarbeiterorganisationen (Gewerkschaften) abgeschlossenen Tarifverträgen sowie den sonstigen vom VKDA-NEK nach Maßgabe seiner Satzung getroffenen Regelungen zu gestalten. …

                 
        

§ 2     

        

Differenzierungsverbot

        

Die Regelungen nach § 1 sind auf alle Mitarbeiter anzuwenden ohne Rücksicht darauf, ob sie Mitglieder einer Mitarbeiterorganisation sind oder nicht. Eine Prüfung des Bestehens von Mitgliedschaften ist unzulässig.

        

…“    

6

Der Kläger hat ca. 630 Mitglieder und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Nach § 2 seiner Satzung vom 26. September 1979 idF vom 3. Dezember 2009 ist sein Verbandszweck die Wahrung der Interessen der Vereinsmitglieder an der Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen im kirchlichen und diakonischen Dienst. Hierzu schließt der Kläger insbesondere Tarifverträge und Vereinbarungen ab, die dem gleichen Zweck dienen. Er ist dabei an die Entscheidung der Synode im Rahmen des Kirchengesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse der in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigten Mitarbeiter in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 9. Juni 1979 in seiner jeweiligen Fassung gebunden. Nach § 6 der Satzung sind die Mitglieder ua. verpflichtet, die vom Verband geschlossenen Tarifverträge durchzuführen. Sie dürfen eigene Tarifverträge und Vereinbarungen nur mit Zustimmung des Gesamtvorstandes des Klägers oder dessen Mitgliederversammlung abschließen.

7

Der Kläger vereinbarte am 5. November 1979 mit den Gewerkschaften ÖTV, DAG, dem Verband kirchlicher Mitarbeiter Nordelbien sowie der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Fortwirtschaft den „Tarifvertrag zur Regelung der Grundlagen einer kirchengemäßen Tarifpartnerschaft“ (Grundlagentarifvertrag). Nach dessen § 1 besteht zwischen den Tarifvertragsparteien für die Dauer des Grundlagentarifvertrags eine absolute Friedenspflicht. Am selben Tag schloss der Kläger mit den vorbenannten Verbänden eine Schlichtungsvereinbarung ab. Darin heißt es:

        

„§ 1   

        

Bereitschaft zur Schlichtung

        

(1)     

Die Tarifvertragsparteien gehen von dem Gedanken aus, dass bei allen Kollektivstreitigkeiten die Verständigung stets das erstrebenswerte Ziel sein muss.

        

(2)     

Die Tarifvertragsparteien vereinbaren daher ein Schlichtungsverfahren, das zur Anwendung kommen muss, wenn die zunächst durchgeführten freien Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien zu keiner Verständigung geführt haben oder aber eine der Tarifvertragsparteien die Aufnahme von Verhandlungen oder Gesprächen überhaupt ablehnt.

        

(3)     

Zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens wird eine Schlichtungsstelle errichtet.

        

§ 2     

        

Zusammensetzung der Schlichtungsstelle

        

(1)     

Die Schlichtungsstelle setzt sich aus einem unparteiischen Vorsitzenden und in der ersten Schlichtungsrunde aus je zwei, in der Schlichtung gemäß § 8 dieser Vereinbarung aus je vier von den Tarifvertragsparteien zu benennenden Beisitzern zusammen. Sie sollen zu kirchlichen Ämtern wählbar sein.

        

(2)     

Der Vorsitzende darf weder haupt-, neben- noch ehrenamtlich im kirchlichen oder gewerkschaftlichen Dienst stehen.

        

…       

        
        

§ 3     

        

Eintritt in die Schlichtung

        

(1)     

Sind die Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien gescheitert oder verweigert eine Tarifvertragspartei die Aufnahme von Verhandlungen, so richtet die betreibende Tarifvertragspartei unter Angabe des Streitfalles, unter Benennung ihrer Beisitzer und unter Vorschlag eines unparteiischen Vorsitzenden an die andere Tarifvertragspartei die schriftliche Aufforderung, innerhalb einer einwöchigen Frist ihre Beisitzer zu benennen und zu dem Vorschlag über den Vorsitzenden Stellung zu nehmen.

        

(2)     

Kommt eine Einigung über den Vorsitzenden nicht zu Stande, so bestellt auf Antrag einer Tarifvertragspartei der Präsident des Landgerichts in Kiel den Vorsitzenden.

        

(3)     

Die Verhandlung gilt als gescheitert, wenn eine Tarifvertragspartei dies der anderen Tarifvertragspartei gegenüber erklärt oder eine Tarifvertragspartei es ablehnt, weiter oder überhaupt zu verhandeln.

        

(4)     

Die Tarifvertragsparteien sind alsdann verpflichtet, sich auf das Schlichtungsverfahren einzulassen.

        

§ 4     

        

Verfahren

        

(1)     

…       

        

(4)     

Die Schlichtungsstelle hat durch Anhörung der Tarifvertragsparteien die Streitpunkte und die für ihre Beurteilung wesentlichen Verhältnisse klarzustellen. Soweit sie es für erforderlich hält, kann sie Auskünfte einholen, den Tarifvertragsparteien die Beibringung von Unterlagen aufgeben sowie Auskunftspersonen und Sachverständige hören.

        

…       

        

§ 6     

        

Entscheidung der Schlichtungsstelle

        

(1)     

Kommt eine Einigung nach § 5 Abs. 1 nicht innerhalb von vier Wochen oder nach Ablauf einer im beiderseitigen Einvernehmen vereinbarten Verlängerung dieser Frist zu Stande, so entscheidet die Schlichtungsstelle mit Mehrheit. Kein Mitglied der Schlichtungsstelle darf sich der Stimme enthalten.

        

…       

        
        

(4)     

Der Vorsitzende verkündet im Anschluss an die Verhandlung nach Beratung mit den Beisitzern die schriftlich abgefasste und von den Mitgliedern der Schlichtungsstelle unterzeichnete Entscheidung. Sie ist - versehen mit einer schriftlichen Begründung - den Tarifvertragsparteien durch einen eingeschriebenen Brief zuzustellen.

        

(5)     

Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, innerhalb einer Frist von einem Monat dem Vorsitzenden der Schlichtungsstelle durch eingeschriebenen Brief die Annahme oder Ablehnung der Entscheidung der Schlichtungsstelle bekannt zu geben. Die Frist beginnt mit der Zustellung des schriftlichen Entscheides der Schlichtungsstelle (Absatz 4).

        

(6)     

Die Entscheidung der Schlichtungsstelle hat im Falle der Annahme durch die Tarifvertragsparteien die materielle Wirkung eines Tarifvertrages.

        

§ 7     

        

Aussetzung des Schlichtungsverfahrens

        

(1)     

Lehnt eine Tarifvertragspartei die Entscheidung der Schlichtungsstelle ganz oder teilweise ab, so gilt das Verfahren für die Dauer eines Monats als ausgesetzt. …

        

(2)     

Während dieser Frist sollen die Tarifvertragsparteien versuchen, zu einer Verständigung zu kommen. Erfolgt keine Verständigung, so setzt der Vorsitzende nach Ablauf der Aussetzungsfrist einen weiteren Verhandlungstermin an. Die Schlichtungsstelle ist gemäß § 2 Abs. 1 um je zwei von den Tarifvertragsparteien zu benennende zusätzliche Beisitzer zu ergänzen. Die Zusammensetzung der Schlichtungsstelle soll im Übrigen unverändert bleiben, es sei denn, die Tarifvertragsparteien wünschen in beiderseitigem Einvernehmen ihre Neubesetzung. Die §§ 3 bis 5 finden Anwendung.

        

§ 8     

        

Erneute Entscheidung der Schlichtungsstelle

        

(1)     

Die Schlichtungsstelle ist an die vorangegangene Entscheidung nicht gebunden. Sie soll erneut frei entscheiden.

        

(2)     

Die Schlichtungsstelle fasst ihre Entscheidung mit Zweidrittelmehrheit. Im Übrigen findet § 6 Abs. 1 bis 5 entsprechende Anwendung.

        

(3)     

Die Entscheidung hat die materielle Wirkung eines Tarifvertrages.

        

…“    

        
8

Die NEK schloss sich am 27. Mai 2012 mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) zusammen. Die Nordkirche ist eine Landeskirche der Evangelischen Kirche in Deutschland. Nach § 55 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vom 7. Januar 2012 (EinführungsG Nordkirche, GVOBl. S. 94) sind Arbeitnehmer, die bei Inkrafttreten der Verfassung in einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis zur NEK standen, Mitarbeitende der Nordkirche. Das ARRG-NEK und der Grundlagentarifvertrag gelten nach Wirksamwerden der Gründung der Nordkirche weiter (§ 56 Abs. 2 EinführungsG Nordkirche). Die Arbeitsrechtssetzung für die rechtlich selbstständigen Diakonischen Werke richtet sich jeweils nach dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung in den Diakonischen Werken geltenden Recht (§ 56 Abs. 6 EinführungsG Nordkirche). Derzeit sind die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer im Bereich der ehemaligen NEK im Wesentlichen in dem „Kirchlicher Arbeitnehmerinnen Tarifvertrag“ (KAT) vom 1. Dezember 2006 und dem „Kirchlicher Tarifvertrag Diakonie“ (KTD) vom 15. August 2002 geregelt.

9

Der Beklagte zu 2) ist der Bundesverband des Verbands der angestellten und beamteten Ärzte in Deutschland (Bundesverband). Beklagter zu 1) ist dessen Landesverband Hamburg (Landesverband).

10

Der Bundesverband forderte den Kläger mit Schreiben vom 22. Mai 2007 zu Tarifverhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrags für die Ärzte bei den kirchlichen und diakonischen Anstellungsträgern der NEK auf. In seinem Antwortschreiben vom 15. Juni 2007 machte der Kläger seine Verhandlungsbereitschaft von dem vorherigen Abschluss des Grundlagentarifvertrags abhängig. Im Schreiben vom 19. Dezember 2008 erklärte der Landesverband, dass die Tarifverhandlungen unter den vom Kläger gestellten Bedingungen nicht fortgesetzt würden.

11

Der Landesverband wandte sich in einem Schreiben vom 19. August 2009 an die Geschäftsführung der Bethesda Allgemeines Krankenhaus gGmbH (Bethesda gGmbH) in Hamburg-Bergedorf. In diesem teilte er mit, dass sich die Ärzte des Krankenhauses in einer Urabstimmung für einen Streik ab dem 31. August 2009 ausgesprochen hätten, um den Kläger zum Abschluss eines arztspezifischen Tarifvertrags zu zwingen. Die Bethesda gGmbH ist aus einem Zusammenschluss des Allgemeinen Krankenhauses Bergedorf mit dem Evangelischen Krankenhaus Bethesda entstanden. Sie ist Mitglied im Diakonischen Werk Hamburg - Landesverband der Inneren Mission e. V. und beschäftigt ca. 500 Arbeitnehmer, davon ca. 90 Ärzte. Die Bethesda gGmbH gehörte zuvor dem Verband der hamburgischen Krankenhausarbeitgeber (KAH) an. Während ihrer dortigen Mitgliedschaft fanden zwischen ihr und dem Landesverband Verhandlungen über die Übernahme des TV-Ärzte KAH statt. Diese blieben erfolglos und führten letztendlich zum Austritt der Bethesda gGmbH aus dem KAH und zu ihrem Beitritt beim Kläger.

12

Der Kläger forderte den Landesverband am 20. August 2009 zur Unterlassung des angekündigten Streiks auf und erklärte erneut Verhandlungsbereitschaft unter den Vorbehalten einer absoluten Friedenspflicht und dem Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung. Da der Landesverband hierauf nicht reagierte, beantragten der Kläger und die Bethesda gGmbH eine einstweilige Verfügung mit dem Antrag, es dem Landesverband zu untersagen, „Kampfmaßnahmen in den Betrieben und Unternehmen der Bethesda gGmbH selbst durchzuführen, zu übernehmen oder durchführen zu lassen, insbesondere die Arbeitnehmer dieses Betriebes zu Arbeitsniederlegungen aufzurufen oder aufrufen zu lassen“. Das Arbeitsgericht Hamburg wies den Antrag durch Urteil vom 27. August 2009 (- 5 Ga 3/09 - ArbuR 2009, 430) ab. Gegen das den Verfügungsklägern am 1. September 2009 zugestellte Urteil haben diese kein Rechtsmittel eingelegt. Der Streik wurde am 31. August 2009 durchgeführt.

13

Der Kläger hat gemeint, das Führen von Arbeitskämpfen in den Einrichtungen seiner Mitglieder sei generell unzulässig. Diese seien entweder unmittelbar oder durch ihre Mitgliedschaft in den Diakonischen Werken der NEK zugeordnet. Die Erfüllung ihres geistig-religiösen Auftrags könne nicht ohne Preisgabe ihres kirchlichen Selbstverständnisses unter den Vorbehalt eines Arbeitskampfes gestellt werden. Der christlich motivierte Dienst am Nächsten dürfe nicht - auch nicht vorübergehend - wegen eines Arbeitskampfes ausgesetzt werden. Diese Entscheidung beruhe auf der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und damit der unmittelbar durch Art. 4 GG geschützten Religionsausübung. Dienststellenleitung und Arbeitnehmer bildeten eine Dienstgemeinschaft, deren Gedanke den gesamten Dienst in den Einrichtungen seiner Mitglieder präge. Durch einen Arbeitskampf werde die Dienstgemeinschaft aufgelöst. Die Mitglieder des Klägers würden wegen ihres christlichen Bekenntnisses unter keinen Umständen zum Mittel der Aussperrung oder anderen Abwehrmaßnahmen greifen. Hierdurch entstehe eine gestörte Arbeitskampfparität. Die mit einem Arbeitskampf verbundenen Beeinträchtigungen des kirchlichen Dienstes stellten einen schwerwiegenden Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der NEK dar. Art. 9 Abs. 3 GG könne einen solchen nicht rechtfertigen, da die Norm kein „für alle geltendes Gesetz“ sei. Ebenso führe die Abwägung der von Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Grundrechtspositionen nicht zur Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen im Bereich der NEK. Deren Selbstbestimmungsrecht würde hierdurch unverhältnismäßig beschränkt und letztlich entwertet. Die Konfliktlösung durch einen Arbeitskampf sei nicht erforderlich. Das erforderliche Verhandlungsgleichgewicht werde durch ein verbindliches Schlichtungsverfahren hergestellt. Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Grundrechtspositionen überwiege das Interesse der kirchlichen Arbeitgeber an einem Streikverbot gegenüber dem Interesse der Gewerkschaften an einer kampfweisen Durchsetzung ihrer Forderungen.

14

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1a.     

die Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, die Arbeitnehmer in den Mitgliedseinrichtungen des Klägers zu Streiks, Warnstreiks oder sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in den Mitgliedseinrichtungen des Klägers zu organisieren und durchzuführen,

        

hilfsweise zu 1a.,

        

1b.     

die Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, die Arbeitnehmer in den Mitgliedseinrichtungen des Klägers zu Streiks, Warnstreiks oder sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in den Mitgliedseinrichtungen des Klägers zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit der Kläger zur Aufnahme von Tarifverhandlungen mit den Beklagten auf der Grundlage des ARRG-NEK bei vorherigem Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung, die inhaltsgleich mit der bestehenden Schlichtungsvereinbarung vom 5. November 1979 ist, bereit ist,

        

hilfsweise zu 1b.,

        

1c.     

die Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, das bei den Mitgliedern des Klägers beschäftigte ärztliche Personal zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen, solange und soweit der Kläger zur Aufnahme von Tarifverhandlungen mit den Beklagten auf der Grundlage des ARRG-NEK bei vorherigem Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung, die inhaltsgleich mit der bestehenden Schlichtungsvereinbarung vom 5. November 1979 ist, bereit ist,

        

2.    

den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro anzudrohen.

15

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

16

Sie haben gemeint, wegen der Entscheidung der NEK für den Abschluss von Tarifverträgen, gelte unmittelbar das Tarifvertragsgesetz. Zur Aufrechterhaltung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie sei der Arbeitskampf unerlässlich. Dass Streiks ein geeignetes Kampfmittel zur Durchsetzung von Arbeitsbedingungen seien, sei unbestritten. Das Führen von Arbeitskämpfen sei nicht unverhältnismäßig. Durch Streikmaßnahmen sowie deren Androhung werde erst ein Verhandlungsgleichgewicht hergestellt. Die Durchführung von Arbeitskämpfen gegenüber den Mitgliedern des Klägers sei auch unter Berücksichtigung ihrer Religionsfreiheit zulässig. Streiks und die damit einhergehende zeitweise Einschränkung der Patientenversorgung müsse sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren. Das kirchliche Verständnis von der Dienstgemeinschaft könne das Streikrecht nicht ausschließen. Es würden zahlreiche Arbeitnehmer im kirchlichen und diakonischen Bereich beschäftigt, die keinen Dienst am Nächsten leisteten. Der freiwillige Aussperrungsverzicht könne den Beklagten nicht das grundrechtlich gewährleistete Streikrecht nehmen. Für die Mitglieder des Klägers bestünden alternative Mittel der Streikabwehr. Die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmer werde durch die paritätische Besetzung der Schlichtungsstelle nicht ausgeglichen. Dort könnten die Arbeitnehmer nicht den gleichen Druck aufbauen wie im Arbeitskampf. Wie die staatliche sei auch eine kirchliche Zwangsschlichtung mit der Koalitionsfreiheit unvereinbar.

17

Das Arbeitsgericht hat die erstinstanzlich allein gestellten Anträge zu 1a und 1b sowie den Antrag zu 2 abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und seine Anträge um den Hilfsantrag zu 1c erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist unbegründet.

19

A. Die Klage ist zulässig.

20

I. Die Anträge bedürfen der Auslegung.

21

1. Die Anträge zu 1a und 1b sind nach ihrem Wortlaut auf die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern gerichtet, die in den Einrichtungen der beim Kläger organisierten Mitglieder beschäftigt sind. Eine Beschränkung auf das ärztliche Personal enthält nur der Hilfsantrag zu 1c. Dies entspricht dem Antragsverständnis des Klägers. Dieser hat in den Vorinstanzen zur Begründung der Anträge zu 1a und 1b angeführt, Spartengewerkschaften seien berechtigt, auch die nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer anderer Berufsgruppen zum Streik aufzurufen. Von den Anträgen zu 1a und 1b wird daher jeder Aufruf sowohl an die bei den Beklagten organisierten Mitglieder als auch an anders oder nicht organisierte Arbeitnehmer erfasst.

22

2. Mit dem Antrag zu 1c verlangt der Kläger von den Beklagten die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen gegenüber dem bei den Mitgliedern des Klägers beschäftigten ärztlichen Personal. Von diesem Begriff werden die Arbeitnehmer erfasst, die als Arzt in den Mitgliedseinrichtungen des Klägers tätig sind. Der Antrag erfasst nicht nur die in Hamburg gelegenen Einrichtungen, soweit deren Träger beim Kläger organisiert sind. Eine Beschränkung auf Träger im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg enthält das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers nicht. Dieser wollte mit seinem Antrag zu 1c nach seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 28. Februar 2011 auch Arbeitskampfmaßnahmen des bei der Heinrich Sengelmann Krankenhaus gGmbH in Bargfeld-Stegen und der Fachkliniken Nordfriesland gGmbH in Bredstedt beschäftigten ärztlichen Personals erfassen. Ein entsprechendes Antragsverständnis hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage bestätigt.

23

3. Soweit sich die Anträge gegen den Bundesverband richten, sind sie dahin gehend zu verstehen, dass dessen Unterlassungspflichten unabhängig von denen des Landesverbands gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern gelten sollen, die in Einrichtungen der Mitglieder des Klägers beschäftigt sind. Nach den Ausführungen in der Klageschrift soll hierdurch verhindert werden, dass die von einem obsiegenden Urteil nicht erfassten Landesverbände die von dem Bundesverband eingeleiteten Arbeitskampfmaßnahmen fortführen.

24

II. Die so verstandenen Klageanträge sind hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

25

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird. Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können(BAG 14. März 2012 - 7 ABR 67/10 - Rn. 9, EzA SGB IX § 95 Nr. 4). Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, da andernfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 15, DB 2012, 2351). Zukunftsgerichtete Verbote lassen sich häufig nur generalisierend formulieren. Die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung steht daher der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag nicht generell entgegen (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 11, BAGE 132, 140).

26

2. Diesen Anforderungen genügen die Anträge.

27

a) Bei den vom Kläger gestellten Unterlassungsanträgen handelt es sich zwar um Globalanträge, die eine unbestimmte Vielzahl möglicher zukünftiger Fallgestaltungen erfassen. Dies steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen, weil sie auf ausnahmslos alle denkbaren Fälle gerichtet sind. Ob die Anträge für sämtliche Fälle berechtigt sind, betrifft ihre Begründetheit und nicht deren Zulässigkeit (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 25, BAGE 122, 134).

28

b) Die Anträge zu 1a und 1b lassen mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, welche Aufrufe den Beklagten jeweils untersagt werden sollen. Sie beziehen sich ihrem Wortlaut nach nicht nur auf Aufrufe zu den im Antrag genannten Arbeitskampfmaßnahmen mit einem bestimmten Streikziel. Was Streiks und Warnstreiks sind, ist im Einzelfall ohne Weiteres feststellbar. Hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit. Mit dem Merkmal „sonstige Arbeitsniederlegungen“ will der Kläger erkennbar sonstige Arbeitskampfformen in den Antrag einbeziehen, die von einem gewerkschaftlichen Kampfaufruf erfasst sind. Mit dem Begriff „Aufruf“ wird eine nach Zeitpunkt, Ort und Teilnehmerkreis näher bezeichnete Aufforderung zu einer bestimmten konkreten Arbeitskampfmaßnahme bezeichnet.

29

c) Ebenso ist der Begriff „Mitgliedseinrichtung“ hinreichend konkret. Hierunter sind organisatorische Einheiten in kirchlicher oder diakonischer Trägerschaft zu verstehen, in denen Mitarbeiter aufgrund von Dienstverträgen tätig sind. Er erfasst alle Organisationseinheiten kirchlicher und karitativer Art, wie etwa Krankenhäuser, Heime, Betreuungseinrichtungen, soweit deren Träger zum Zeitpunkt des Arbeitskampfes Mitglied des Klägers sind.

30

d) Mit dem Antrag zu 1b will der Kläger Arbeitskampfmaßnahmen der Beklagten verhindern, solange und soweit er selbst zu Tarifverhandlungen bereit ist, die Beklagten aber den vorherigen Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung verweigern. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger beiden Beklagten die Aufnahme der Tarifverhandlungen nach dem Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung angeboten. Deren Inhalt ergibt sich aus der Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 2. Januar 1980 (GVOBl. 1980 S. 12). Die im Antrag formulierte Bedingung ist nur von dem Willen der jeweiligen Beklagten abhängig. Diese können also beurteilen, ob sie gegen eine etwaige ausgeurteilte Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Im Vollstreckungsverfahren kann auch festgestellt werden, ob die Bereitschaft des Klägers bei der Durchführung der im Antrag beschriebenen Arbeitskampfmaßnahmen fortbestanden hat oder nicht und die Beklagten das Angebot auf Abschluss der Schlichtungsvereinbarung angenommen haben.

31

B. Die Anträge sind unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber den Beklagten auf eine gerichtliche Untersagung von Arbeitskämpfen in den Einrichtungen seiner Mitglieder. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die Beklagten rechtsfehlerhaft für berechtigt gehalten, Arbeitskämpfe in den der NEK zugeordneten Einrichtungen durchzuführen. Die Klage erweist sich dennoch als unbegründet, weil die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht vorliegen.

32

I. Der Kläger besitzt die erforderliche Aktivlegitimation. Ein tarifvertragsschließender Arbeitgeberverband hat gegen eine Gewerkschaft nach § 1004 Abs. 1 BGB iVm. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG einen eigenen Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Arbeitskampfmaßnahmen gegen seine Mitglieder(BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 54, BAGE 122, 134). Eine solche Verletzung seiner aus Art. 9 Abs. 3 GG folgenden Rechtsstellung macht der Kläger geltend. Nach seiner Auffassung sind Arbeitskampfmaßnahmen gegen die der NEK zugeordneten Einrichtungen seiner Mitglieder ausnahmslos rechtswidrig.

33

II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, ein generelles Streikverbot in den bei dem Kläger organisierten Einrichtungen der NEK sei nicht durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gedeckt. Die Entscheidung der NEK, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten solcher Einrichtungen durch Tarifvertrag zu regeln, soweit sich die Gewerkschaft einer Schlichtung unterwirft und damit auf Arbeitskampfmaßnahmen verzichtet, dient dem Schutz des religiösen Bekenntnisses und schränkt die Koalitionsbetätigungsfreiheit der Beklagten verfassungskonform ein.

34

1. Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer.

35

a) Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben zu treffen sind, wie zB Vorgaben struktureller Art, aber auch die Personalauswahl und die mit diesen Entscheidungen untrennbar verbundene Vorsorge zur Sicherstellung der „religiösen Dimension“ des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses. Dies schließt die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluss privatrechtlicher Arbeitsverträge ein (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - zu B II 1 b bis c der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das kirchliche Proprium, nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - zu B II 1 d der Gründe, aaO).

36

b) Erstreckt sich der Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts auf die Entscheidung, die Arbeitsverhältnisse kirchlicher Arbeitnehmer einheitlich auszugestalten, also das „Ob“, kann die Religionsgesellschaft auch das „Wie“ der Ausgestaltung bestimmen. Dazu gehört die Entscheidung über die Art und Weise der kollektiven Arbeitsrechtssetzung, also der Gestaltungsmittel. Danach kann eine Religionsgesellschaft grundsätzlich darüber befinden, ob sie die Arbeitsbedingungen durch den Abschluss von Tarifverträgen regelt oder in Arbeitsrechtlichen Kommissionen und Schiedskommissionen vereinbart (von Campenhausen/de Wall Staatskirchenrecht 4. Aufl. S. 184; Kästner in Bonner Kommentar zum Grundgesetz Stand November 2012 Art. 140 Rn. 326; Korioth in Maunz/Dürig Komm. z. GG Stand November 2012 Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 42; Robbers Streikrecht in der Kirche S. 27 ff.; Schubert RdA 2011, 270, 274).

37

2. Entscheidet sich eine christliche Religionsgesellschaft dazu, das Verfahren zur kollektiven Arbeitsrechtssetzung am Leitbild der Dienstgemeinschaft auszurichten, wird auch diese Entscheidung vom Selbstbestimmungsrecht umfasst. Das gilt unabhängig davon, ob der Begriff der Dienstgemeinschaft in seinem theologischen Ursprung völlig geklärt oder im Bereich der Evangelischen Kirche einheitlich ist oder nicht (vgl. dazu Jurina ZevKR 1984, 171 ff.; Heinig ZevKR 2009, 62, 72 f.; Joussen RdA 2007, 328, 331; Lührs Die Zukunft der Arbeitsrechtlichen Kommissionen S. 115 ff.; Robbers Streikrecht in der Kirche S. 34 ff.).

38

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Dienstgemeinschaft wurzelt nach dem Selbstverständnis der Kirche einerseits im Priestertum aller Gläubigen, in dem mit der Taufe einhergehenden Auftrag, Gott in geistiger Einkehr und Zuwendung an die Welt zu dienen, andererseits knüpft sie funktional an den Missionsauftrag der Kirche an (Heinig ZevKR 2009, 62, 73; Robbers Streikrecht in der Kirche S. 35). Sie verbindet alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Mit Dienstgemeinschaft wird damit das theologisch geprägte Selbstverständnis des Dienstes der Gläubigen in der Kirche und durch die Kirche an der Welt umschrieben, nach dem jede Arbeitsleistung ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht. Ausfluss dessen ist eine gemeinsame Verantwortung der jeweiligen Dienstgeber und der Dienstnehmer für das gedeihliche Wirken der Kirche und ihrer Diakonie (vgl. KGH-EKD 9. Oktober 2006 - II-0124/M35-06 - Rn. 58, NZA 2007, 761).

39

b) Danach verlangt das Bestehen einer Dienstgemeinschaft keine konfessionelle Gebundenheit aller Beschäftigten zu einer christlichen - hier zur evangelischen - Kirche. Es ist vielmehr Ausdruck des kirchlichen Dienstes selbst, der durch den Auftrag bestimmt wird, das Evangelium in Wort und Tat zu verkünden. Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und demnach ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (Art. 19 Satz 2, Art. 21 Verfassung NEK; allgemein Hammer Kirchliches Arbeitsrecht S. 175; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 4 Rn. 24). Die Dienstgemeinschaft hängt deshalb nicht davon ab, ob oder in welchem Umfang nicht evangelische Christen oder Nichtchristen in einer kirchlichen Einrichtung beschäftigt sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die jeweiligen Arbeitsverhältnisse verkündigungsnahe oder verkündigungsferne Tätigkeiten betreffen. Auch insoweit entscheidet die Kirche darüber, was Teil ihres Bekenntnisses ist, ob eine solche Differenzierung ihrem Bekenntnis entspricht und sich auf die Dienstgemeinschaft auswirkt (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138).

40

3. Das Selbstbestimmungsrecht erfasst auch die Ausgestaltung des Verfahrens, in dem die kollektiven Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in diakonischen Einrichtungen zustande kommen. Zu den eigenen Angelegenheiten iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV gehört nach kirchlichem Selbstverständnis das diakonische Wirken als Ausdruck des christlichen Bekenntnisses(vgl. BVerfG 25. März 1980 - 2 BvR 208/76 - [KrankenhausG-NRW] zu C I 3 der Gründe, BVerfGE 53, 366). Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Weise eine Einrichtung ihren diakonischen Auftrag wahrnimmt. Erfasst sind vielmehr alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - zu B II 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 70, 138). Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der Betrieb einer diakonischen Einrichtung substanziell von dem nichtkirchlicher Träger unterscheidet. Die Religionsgesellschaft hat grundsätzlich die Kompetenz zur Qualifizierung einer Angelegenheit als eigene (Hesse in HdbStKirchR 2. Aufl. Bd. 1 S. 521, 541 f.; Kästner in Bonner Kommentar zum Grundgesetz Stand November 2012 Art. 140 Rn. 304). Sie entscheidet darüber, wie sie ihr Glaubensbekenntnis lebt. Da sie ihr Wirken in diakonischen Einrichtungen als tätige Nächstenliebe und sozialen Dienst am Menschen begreift, ist dies zugleich Ausdruck ihres Glaubensbekenntnisses (Schubert RdA 2011, 270, 273). Dies gilt auch dann, wenn die Religionsgesellschaft beim Betrieb diakonischer Einrichtungen im Wettbewerb mit nichtkirchlichen Trägern steht.

41

4. Die Ausrichtung der kollektiven Arbeitsrechtsordnung der NEK am Leitbild der Dienstgemeinschaft ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

42

a) Die Behauptung einer Religionsgesellschaft, eine Angelegenheit sei ihre eigene, unterliegt einer eingeschränkten gerichtlichen Plausibilitätskontrolle. Genügen die einzelnen Vorgaben einer derartigen Kontrolle, sind staatliche Gerichte hieran gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), sowie den guten Sitten iSd. § 138 BGB oder dem sog. ordre public ihren Niederschlag gefunden haben (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138).

43

b) Danach betrifft die Entscheidung der NEK, ihre kollektive Arbeitsrechtsordnung auf der Grundlage des Tarifvertragsgesetzes zu regeln und dieses entsprechend dem Leitbild der Dienstgemeinschaft zu modifizieren, eine eigene Angelegenheit iSd. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV. Es ist nachvollziehbar, dass es nach ihrem in Art. 19, Art. 21 Verfassung NEK zum Ausdruck gekommenen Selbstverständnis Auftrag des kirchlichen Dienstes ist, das Evangelium in Wort und Tat zu verkünden, hierbei Dienstgeber und Dienstnehmer eine Dienstgemeinschaft bilden und darin versuchen, die nicht zu leugnenden Interessenkonflikte kooperativ und nicht konfrontativ zu lösen. Das Leitbild der Dienstgemeinschaft und seine Auswirkungen auf das Verfahren zur kollektiven Arbeitsrechtsordnung stehen auch nicht im Widerspruch zu sonstigen Prinzipien der Rechtsordnung. Die grundrechtlichen Gewährleistungen und damit auch Art. 9 Abs. 3 GG sind nicht ohne Weiteres Teil des ordre public(so aber Kühling AuR 2001, 241, 243 f.). Ein solches Verständnis führte zu einer unmittelbaren Grundrechtsbindung der Kirchen. Diese könnten ihr Selbstbestimmungsrecht nur insoweit in Anspruch nehmen, wie andere grundrechtliche Gewährleistungen hiervon nicht beeinträchtigt werden. Eine derartige Grundrechtsbindung käme einer von Art. 1 Abs. 3 GG für die staatliche Gewalt angeordneten Grundrechtsbindung weitgehend gleich und ginge darüber hinaus, als sie bereits den Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts begrenzte. Konflikte des Selbstbestimmungsrechts mit anderen grundrechtlichen Gewährleistungen betreffen jedoch nicht den Schutzbereich, sondern dessen Beschränkbarkeit (vgl. dazu BVerfG 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - [Zeugen Jehovas] zu C V 1 b der Gründe, BVerfGE 102, 370).

44

5. Die Entscheidung der NEK, bei einem Scheitern von Tarifverhandlungen durch ein obligatorisches Schlichtungsverfahren den Interessenkonflikt zu lösen, schließt den Arbeitskampf zur Durchsetzung der wechselseitigen Tarifforderungen der Dienstgeberseite und der Gewerkschaften aus.

45

a) Nach der am Leitbild der Dienstgemeinschaft orientierten Verfahrenskonzeption des von der NEK angewandten Tarifvertragssystems werden die Tarifverträge grundsätzlich durch die Gewerkschaften und den Kläger als Vertreter der Dienstgeberseite ausgehandelt. Lediglich im Konfliktfall obliegt es einer Schlichtungsstelle nach Maßgabe der Schlichtungsvereinbarung (SchlV), anstelle der Tarifvertragsparteien eine normative Regelung zu beschließen. Entsprechend dem Leitbild der Dienstgemeinschaft sollen damit die Interessenkonflikte zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern nicht im Wege wechselseitiger Konfrontation, sondern durch Kooperation unter Wahrung des Gebots der Parität verbindlich zum Ausgleich gebracht werden (Joussen RdA 2007, 328, 333). Diese Konzeption beruht auf der Überzeugung, dass nach dem Selbstverständnis der Kirchen jede Arbeitsleistung ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht und in einer darauf gerichteten Dienstgemeinschaft Interessengegensätze durch Verhandlungen und wechselseitiges Nachgeben ggf. mit Hilfe eines neutralen Dritten überwunden werden.

46

b) Das bei der NEK bestehende Schlichtungsstellenverfahren kann von jeder Tarifvertragspartei eingeleitet werden, wenn die zunächst durchgeführten freien Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien zu keiner Verständigung geführt haben oder aber eine der Tarifvertragsparteien die Aufnahme von Verhandlungen oder Gesprächen überhaupt ablehnt (§ 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 SchlV). Diese setzt sich aus einem unparteiischen Vorsitzenden und einer jeweils gleichen Zahl von den Tarifvertragsparteien zu benennenden Beisitzer zusammen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SchlV). Auf den unparteiischen Vorsitzenden müssen sich die Tarifvertragsparteien einigen, ansonsten wird er auf Antrag einer Tarifvertragspartei vom Präsidenten des Landgerichts Kiel bestellt (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 SchlV). Die Schlichtungsstelle entscheidet im Konfliktfall mit Stimmenmehrheit, bei der Abstimmung darf sich kein Mitglied der Schlichtungsstelle der Stimme enthalten (§ 6 Abs. 1 SchlV). Diese Entscheidung wird verbindlich, sofern nicht eine Tarifvertragspartei die Entscheidung der Schlichtungsstelle ganz oder teilweise ablehnt (§ 7 Abs. 1 SchlV). Wird binnen eines Monats zwischen den Tarifvertragsparteien keine Einigung über den Gegenstand der abgelehnten Entscheidung erzielt, trifft die Schlichtungsstelle eine erneute Entscheidung mit Zweidrittelmehrheit (§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 SchlV).

47

c) Das für den Fall einer Nichteinigung der Tarifvertragsparteien von der NEK bestimmte Verfahren schließt den Arbeitskampf zur Durchsetzung der wechselseitigen Tarifforderungen aus. Dieser ist darauf gerichtet, durch das Vorenthalten von Arbeitskraft und einen hierdurch ausgelösten wirtschaftlichen Schaden Druck auf die Arbeitgeberseite auszuüben, damit diese über die Arbeitsbedingungen überhaupt verhandelt und somit jenes Kräftegleichwicht geschaffen wird, das ein Zustandekommen einer Regelung und die sachgerechte Lösung des zugrunde liegenden Interessenkonflikts erst ermöglicht. Diese Kampfmöglichkeit widerspricht jedoch dem Grundgedanken der Dienstgemeinschaft. Die damit verbundene Arbeitsniederlegung würde nicht nur den kirchlichen Dienst am Nächsten suspendieren und damit die Erfüllung des Missionsauftrags hindern, sondern aus Sicht der Kirchen auch eine bestehende Gemeinsamkeit von Dienstnehmern und Dienstgebern auflösen (vgl. Joussen RdA 2007, 328, 333).

48

6. Ein Ausschluss von Arbeitskampfmaßnahmen in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen kollidiert mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit einer Gewerkschaft, mit dem Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder kollektiv im Wege von Tarifverträgen auszuhandeln und hierfür Arbeitskämpfe zu führen.

49

a) Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet nicht nur die Bildung und den Bestand einer Arbeitnehmerkoalition, sondern auch deren koalitionsmäßige Betätigung. Der Schutzbereich dieses Grundrechts ist dabei nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt, die für die Sicherung des Bestands der Koalitionen unerlässlich sind, er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - Rn. 21, BVerfGK 10, 250). Dazu gehört auch die Tarifautonomie als das Recht, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen mit der Arbeitgeberseite auszuhandeln und durch Verträge verbindlich für die Mitglieder zu regeln. Die Regelung der Arbeitsbedingungen in Kollektivverträgen dient der Verwirklichung der Interessen der strukturell unterlegenen Arbeitnehmer. Eine wirkungsvolle Interessendurchsetzung ist den Gewerkschaften nur möglich, wenn sie ihren Forderungen durch Streiks Nachdruck verleihen können. Der Arbeitskampf ist deshalb funktional auf die Tarifautonomie bezogen und insoweit grundrechtlich geschützt (vgl. BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 84, 212; 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGK 4, 60). Ein Grundrecht auf Streik, losgelöst von seiner funktionalen Bezugnahme auf die Tarifautonomie, gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG nicht.

50

b) In den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG ist grundsätzlich auch die koalitionsmäßige Betätigung in diakonischen Einrichtungen einbezogen. Dieses Grundrecht entfaltet gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG unmittelbare Drittwirkung gegenüber privatrechtlich als eingetragener Verein oder gemeinnützige GmbH oder in sonstiger Weise organisierte kirchliche Einrichtungen(Richardi in HdbStKirchR 2. Aufl. Bd. 2 S. 929 f.; Schubert RdA 2011, 270, 272). Bedienen sich diese zur Begründung von Arbeitsverhältnissen des Privatrechts, nehmen sie grundsätzlich in Bezug auf ihre Beschäftigten eine Arbeitgeberstellung ein. Insoweit gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG den Gewerkschaften auch das Recht, mit der Arbeitgeberseite über Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu verhandeln, verbindliche Abreden vor allem durch den Abschluss von Tarifverträgen zu treffen und ihren Forderungen nach der Aufnahme von Verhandlungen und der Durchsetzung bestimmter Regelungen mit Streik Nachdruck zu verleihen.

51

7. Für die Auflösung dieser Kollisionslage ist es ohne Belang, ob Art. 9 Abs. 3 GG wegen seiner unmittelbaren Drittwirkung den Anforderungen des Schrankenvorbehalts aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV genügt oder nicht. Diese im Schrifttum kontrovers diskutierte Frage bedarf keiner Entscheidung des Senats (ablehnend Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 9 Rn. 30 f.; Robbers Streikrecht in der Kirche S. 55 f.; auch Korioth in Maunz/Dürig Komm. z. GG Stand November 2012 Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 45; zweifelnd offenbar Richardi/Thüsing AuR 2002, 94, 96; dies befürwortend Oswald Streikrecht im kirchlichen Dienst und in anderen karitativen Einrichtungen S. 88; Czycholl Anm. LAGE GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 88; Kühling AuR 2001, 241, 247; Gamillscheg FS Zeuner S. 39, 45; Waldhoff GS Heinze S. 995, 1004). In beiden Fällen wären die Arbeitsgerichte wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei einer - wie vorliegend - Auslegung und Anwendung einer zivilrechtlichen Unterlassungsnorm das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind vielmehr gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils konfligierenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen. Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 9 Abs. 3 GG ebenso wie bei Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG um vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1). In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht etwa die Kollision des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts mit der durch Art. 5 Abs. 3 GG vorbehaltlos gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit unter Heranziehung des Grundsatzes der praktischen Konkordanz aufgelöst(BVerfG 28. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 - [Lüdemann] Rn. 47, 65, BVerfGE 122, 89).

52

8. Der Grundsatz praktischer Konkordanz verlangt nach einem schonenden Ausgleich der gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen mit dem Ziel ihrer Optimierung (BVerfG 7. März 1990 - 1 BvR 266/86 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 81, 278). Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz konfligierender Rechtsgüter herzustellen (Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland 20. Aufl. Rn. 72; ebenso Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. III/2 S. 656). Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth GG 11. Aufl. Vorb. vor Art. 1 Rn. 52). Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor, verwehrt aber pauschale Vorrangentscheidungen, wie sie die Parteien des Verfahrens jeweils für sich in Anspruch nehmen (für den Kläger insbesondere Robbers Streikrecht in der Kirche S. 26 ff.; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 10 Rn. 20 f.; Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. IV/1 [2006] S. 2091; Kemper in v. Mangoldt/Klein/Starck GG Bd. I 6. Aufl. Art. 9 Abs. 3 Rn. 200; Manterfeld KuR 2011, 86, 100; für die Gewerkschaftsseite Kühling AuR 2001, 241 ff.).

53

9. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt. Das Selbstbestimmungsrecht einer Religionsgesellschaft und die Koalitionsfreiheit einer Gewerkschaft schließen sich nicht wechselseitig völlig aus. Zur Kollision führt vielmehr erst die Ausübung einer bestimmten verfassungsrechtlichen Gewährleistung. Das ist hier die Entscheidung für ein bestimmtes Verfahren zur kollektiven Regelung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten, die auf der Grundlage privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse in der Diakonie oder im kirchlichen Dienst tätig sind und für die staatliches Arbeitsrecht gilt (Schubert RdA 2011, 270, 274). Hierbei wollen sich Kirche wie Gewerkschaft des staatlichen Tarifrechts bedienen. In diesem sichert die Möglichkeit zum Arbeitskampf denjenigen Verhandlungsdruck, der Angemessenheit und Richtigkeit der Verhandlungsergebnisse garantiert. Diesen will die NEK entsprechend dem Leitbild der Dienstgemeinschaft durch ein Schlichtungsverfahren und einen damit verbundenen Verzicht auf Arbeitskampfmaßnahmen erreichen, von dessen vorheriger Vereinbarung sie die Aufnahme von Tarifverhandlungen abhängig macht. Demgegenüber setzt die Gewerkschaft darauf, durch Androhung und Einsatz von Arbeitskampfmaßnahmen zu einem fairen Interessenausgleich zu kommen. Das Gebot praktischer Konkordanz verlangt daher nur einen Vergleich dieser beiden Konzepte und deren schonenste Annäherung.

54

a) Sowohl das Regelungsverfahren der Kirche als auch das der Gewerkschaft ist darauf gerichtet, durch autonom ausgehandelte Tarifverträge den von der staatlichen Rechtsordnung frei gelassenen Raum des Arbeitslebens sinnvoll zu ordnen und für die Tarifgebundenen verbindlich zu regeln. Dazu bedienen sie sich des staatlichen Tarifrechts, das den Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Tarifgebundenen betreffen, unmittelbare und zwingende Wirkung verleiht (§ 4 Abs. 1 TVG). Ausnahmen hiervon lässt § 4 TVG nur zu, soweit der Tarifvertrag sie gestattet oder es sich um Änderungen zugunsten des Arbeitnehmers handelt(§ 4 Abs. 3 TVG). Das garantiert die Verbindlichkeit von Tarifabschlüssen als Mindestarbeitsbedingung. Abweichungen zulasten tarifgebundener Arbeitnehmer sind dem Dienstgeber verwehrt. Die Nutzung dieses Konzepts ermöglicht also der Gewerkschaft eine koalitionsspezifische Betätigung zugunsten ihrer Mitglieder. Damit können sie sich in einem durch Art. 9 Abs. 3 GG zentral gewährleisteten Bereich betätigen. Ihre Attraktivität und die damit einhergehende Möglichkeit zur Mitgliederwerbung sind weniger schwer betroffen als im Verfahren des sog. Dritten Weges (dazu BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 -). Sie können zudem Tarifverhandlungen durch die von ihnen bestimmten Personen führen und müssen dafür nicht Delegierte einschalten.

55

b) Ein fairer und angemessener Ausgleich widerstreitender Arbeitsvertragsinteressen im Wege kollektiver Verhandlungen verlangt aber nach annähernd gleicher Verhandlungsstärke und Durchsetzungskraft (vgl. BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 b aa der Gründe, BVerfGE 84, 212). Diese lassen sich weder formal und situationsungebunden feststellen noch normativ anordnen (BAG 10. Juni 1980 - 1 AZR 822/79 - zu A IV 1 a der Gründe, BAGE 33, 140). Im System der Tarifautonomie werden sie durch die Androhung oder den Einsatz von Kampfmaßnahmen gesichert. Abweichend hiervon will die Kirche entsprechend ihrem Leitbild der Dienstgemeinschaft den Arbeitskampf zur Herstellung eines Verhandlungsgleichgewichts ausschließen und durch ein Schlichtungsverfahren ersetzen, das ihrem durch Art. 4 GG geschützten Bekenntnis Rechnung trägt. Eine damit verbundene Modifikation des staatlichen Tarifrechts ist zwar zum Schutz religiöser Betätigungsfreiheit zu akzeptieren. Doch muss die Kirche Rücksicht auf die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Art. 9 Abs. 3 GG nehmen. Ihr Schlichtungsmodell darf das Konzept der Tarifautonomie nur insoweit verändern, wie es für die Wahrung ihres Leitbildes erforderlich ist und ein Verhandlungsgleichgewicht ermöglicht. Nur insoweit ist es mit dem sozialstaatlichen Gesamtkonzept, das Art. 9 Abs. 3 GG zugrunde liegt, vereinbar.

56

aa) Zum Ausgleich der strukturellen Verhandlungsschwäche der Arbeitnehmer bedarf es - soweit der Arbeitskampf hierfür nicht zur Verfügung steht - weiterer Instrumente, die geeignet sind, Verhandlungsblockaden zu lösen und die Kompromissbereitschaft der Gegenseite zu fördern. Das damit verbundene Ziel, ein „kollektives Betteln“ der Arbeitnehmer zu vermeiden, kann durch eine paritätisch und zwingend vereinbarte Schlichtung erreicht werden. Allerdings ist eine Zwangsschlichtung zur Vermeidung von Arbeitskämpfen mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsbetätigungsfreiheit unvereinbar. Das gilt jedoch nur für staatlich angeordnete Schlichtungsverfahren (vgl. BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B III 2 a der Gründe, BVerfGE 18, 18). Es hindert Tarifvertragsparteien nicht daran, sich im Rahmen der ihnen zustehenden Tarifautonomie darauf zu verständigen, dass im Konfliktfall an die Stelle einer Einigung ein Schlichtungsspruch tritt (ErfK/Dieterich 13. Aufl. Art. 9 GG Rn. 286).

57

bb) Ein Schlichtungsverfahren ist dem Grunde nach zur Herstellung eines Verhandlungsgleichgewichts geeignet, da die mit dieser Entscheidungsstruktur verbundenen Unwägbarkeiten sowie die Verlagerung der Konfliktlösung auf eine andere Verhandlungsebene bei den vorgelagerten Tarifverhandlungen die Bereitschaft zum Kompromiss fördert und die Gewerkschaft nicht in die Rolle eines Bittstellers zwingt. Das setzt allerdings voraus, dass die Arbeitgeberseite die Aufnahme von Verhandlungen nur von der Einwilligung der Gewerkschaft in eine obligatorische Schlichtung abhängig machen kann und für diesen Fall das Führen von Tarifverhandlungen nicht verweigert. Schließlich kann eine Schlichtung ihren Zweck auch nur erreichen, wenn die Anrufung der Schlichtungskommission und die Überleitung des Verfahrens in dieses Gremium der Gewerkschaft uneingeschränkt offen steht und im Falle einer Nichteinigung beider Seiten die Unabhängigkeit und Neutralität des Vorsitzenden auch durch das Bestellungsverfahren gewahrt wird.

58

10. Danach hat das Streikrecht der Beklagten gegenüber dem im Zweiten Weg zum Ausdruck kommenden Selbstbestimmungsrecht der NEK zurückzutreten.

59

a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt die Zulässigkeit von Streik und anderen Arbeitskampfmaßnahmen nicht schon aus der Entscheidung der NEK, die Arbeitsbedingungen der in ihren Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer durch Tarifverträge auszugestalten. Allerdings ist diese im Jahr 1978 nicht der Empfehlung der EKD für die Einführung des Dritten Weges gefolgt und schließt - anders als die anderen Evangelischen Landeskirchen in Deutschland - weiterhin Tarifverträge mit Gewerkschaften ab. Zwar fallen die abgeschlossenen Vereinbarungen als Folge der Rechtswahl der NEK in den Geltungsbereich des Tarifvertragsgesetzes. Dies führt aber nicht zu einer uneingeschränkten Anwendung des für die Erstreikbarkeit von Tarifverträgen geltenden Arbeitskampfrechts. Vielmehr sind die Besonderheiten des kirchlichen Dienstes zu beachten. Die NEK ist nicht gehalten, sich entweder für das Zustandekommen von Kollektivvereinbarungen auf dem Dritten Weg oder der uneingeschränkten Übernahme des aus ihrer Sicht „weltlichen“ Tarifvertragssystems zu entscheiden. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist ungeachtet der getroffenen Rechtswahl auch bei der Frage, wie Tarifverträge für die der NEK zugeordneten Einheiten zustande kommen, von Bedeutung. Es ist daher von Verfassungs wegen geboten, den Kirchen nicht nur den Abschluss von zunächst unverbindlichen kollektiven Vereinbarungen auf dem Dritten Weg zu ermöglichen, sondern auch die normative Regelung von Arbeitsbedingungen mit den tarifzuständigen Gewerkschaften unter Berücksichtigung der Besonderheiten des kirchlichen Dienstes (vgl. BAG 25. März 2009 - 7 AZR 710/07 - Rn. 30, BAGE 130, 146). Die Frage, ob schon der arbeitskampfrechtliche Grundsatz der Kampfparität zur Rechtswidrigkeit von Streiks führt (verneinend BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - zu B III 11 a cc der Gründe), stellt sich danach nicht.

60

b) Die in der SchlV vorgesehene Konfliktlösung durch die Tarifvertragsparteien und einen neutralen Schlichter erweist sich als ein verfassungsrechtlich gebotenes Verfahren, um zwischen den Tarifvertragsparteien ein Verhandlungsgleichgewicht herzustellen, an dem es ansonsten wegen der Unzulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen fehlen würde. Der nach der SchlV an die Stelle einer Tarifeinigung tretende Spruch der Schlichtungsstelle ist dazu bestimmt, Pattsituationen bei den Tarifverhandlungen im Bereich der NEK aufzulösen. Der Spruch muss die gegenseitigen Interessen der kirchlichen Dienstgeber und der Gewerkschaftsmitglieder angemessen berücksichtigen und zu einem billigen Ausgleich bringen. Zur Vorbereitung ihrer Entscheidung hat die Schlichtungsstelle nach Maßgabe des § 4 Abs. 4 SchlV den hierfür maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären. Es ist weder ersichtlich noch von den Beklagten dargetan, dass das von der NEK geregelte Verfahren ungeeignet ist, im Konfliktfall eine befriedigende Lösung der bestehenden Interessengegensätze zwischen der Dienstgeber- und der Arbeitnehmerseite herbeizuführen. Der Spruch hat grundsätzlich keinen anderen Rechtscharakter als eine von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifnorm. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist einer Einflussnahme durch die Tarifvertragsparteien nicht entzogen. Die Geltung der durch Spruch zustande gekommenen Regelung kann durch eine Kündigung beendet oder durch eine nachfolgende Tarifnorm ersetzt werden.

61

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Verhandlungsparität zwischen den Tarifvertragsparteien auch nicht deshalb gestört, weil für die Durchsetzung der arbeitnehmerseitig erhobenen Tarifforderungen im Konfliktfall eine Zweidrittelmehrheit erforderlich sein soll. Dies ist nicht der Fall. Nach der SchlV kann die nach § 6 Abs. 1 SchlV mit einfacher Mehrheit getroffene Entscheidung nur durch eine anderslautende erneute Entscheidung der Schlichtungsstelle nach § 8 SchlV abgeändert werden. Kommt bei der Abstimmung die nach § 8 Abs. 2 SchlV erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht zustande, bleibt es bei der zuvor von der Schlichtungsstelle nach § 6 Abs. 1 SchlV getroffenen Entscheidung. Nur wenn die Schlichtungsstelle eine aufhebende oder abändernde Sachentscheidung trifft, tritt diese an die Stelle der vorangegangenen Entscheidung der Schlichtungsstelle. Die Arbeitgeberseite kann daher nicht durch eine Ablehnung der mit Stimmenmehrheit getroffenen Entscheidung der Schlichtungsstelle und dem Erfordernis einer erneuten Entscheidung der Schlichtungsstelle mit Zweidrittelmehrheit eine Blockade der arbeitnehmerseitig erhobenen Tarifforderungen erreichen.

62

d) Ferner begegnet weder die Zusammensetzung der Schlichtungsstelle noch das Verfahren zur Bestellung ihres unabhängigen Vorsitzenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach § 2 SchlV obliegt die Benennung der Beisitzer allein den Tarifvertragsparteien. Zwar sollen die Beisitzer und damit auch die von der Gewerkschaft zu benennenden zu kirchlichen Ämtern wählbar sein. Das schränkt jedoch die Auswahlbefugnis der Gewerkschaft nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandener Weise ein. Dieses Qualifikationserfordernis soll die Sachnähe der Beisitzer sichern. Als Sollvorschrift erlaubt sie es der Gewerkschaft in begründeten Fällen abzuweichen. Hinsichtlich der Person des Vorsitzenden sichert § 2 Abs. 2 SchlV dessen Unabhängigkeit. Die darin geregelte Unvereinbarkeit mit kirchlichen oder gewerkschaftlichen Aufgabenstellungen schließt eine darauf bezogene Abhängigkeit aus. Soweit sich die Tarifvertragsparteien nicht auf die Person des Vorsitzenden einigen können, hindert § 3 Abs. 2 SchlV, dass sich eine Tarifvertragspartei gegen die andere durchsetzt. Dazu wird einem - von den Tarifvertragsparteien unabhängigen - Repräsentanten der staatlichen Gerichtsbarkeit ein einseitiges Bestellungsrecht zugewiesen.

63

11. Diese Güterabwägung steht im Einklang mit Unions- und Völkerrecht.

64

a) Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(GRC) ist vorliegend nicht anwendbar.

65

aa) Nach dieser Vorschrift haben alle Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeber oder ihre jeweiligen Organisationen nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks, zu ergreifen (dazu Bryde SR 2012, 2, 9 ff.; Thüsing/Traut RdA 2012, 65). Allerdings ist der Geltungsbereich des Unionsrechts nicht eröffnet. Die Europäische Union hat gemäß Art. 153 Abs. 5 AEUV keine Kompetenz zur Regelung des Koalitionsrechts, Streikrechts sowie des Aussperrungsrechts. Gemäß Art. 51 Abs. 2 GRC dehnt die Grundrechtecharta den Geltungsbereich des Unionsrechts auch nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union und ändert auch nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben. Der Gerichtshof der Europäischen Union überprüft lediglich im Licht der Grundrechtecharta das Unionsrecht in den Grenzen der der Union übertragenen Zuständigkeiten (EuGH 15. November 2011 - C-256/11 - [Dereci ua.] Rn. 71, NVwZ 2012, 97).

66

bb) Eine Anwendungspflicht für Unionsrecht wird auch nicht durch Art. 6 Abs. 3 EUV eröffnet. Zwar sind nach Art. 6 Abs. 3 EUV die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention und die darin geregelte Religions- und Vereinigungsfreiheit als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Doch regelt diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht das Verhältnis zwischen der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und bestimmt auch nicht, welche Konsequenzen ein nationales Gericht aus einem Widerspruch zwischen den durch die Konvention gewährleisteten Rechten und einer Regelung des nationalen Rechts zu ziehen hat. Die in Art. 6 Abs. 3 EUV enthaltene Verweisung auf die Europäische Menschenrechtskonvention gebietet einem nationalen Gericht nicht, im Falle eines Widerspruchs zwischen einer Regelung des nationalen Rechts und der Konvention deren Bestimmungen unmittelbar anzuwenden und eine mit ihr unvereinbare nationale Regelung unangewendet zu lassen(EuGH 24. April 2012 - C-571/10 - Rn. 62 f., NVwZ 2012, 950).

67

cc) Zur Anwendbarkeit der GRC und des EUV ist kein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV durchzuführen. Aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 16. Januar 2008 (- C-361/07 - [Polier] Slg. 2008, I-6) ist hinreichend geklärt, dass ein nationaler Sachverhalt ohne Anknüpfungspunkt an das Unionsrecht den Geltungsbereich der GRC nicht eröffnet. Gleiches gilt für die aus Art. 6 EUV folgenden Anwendungspflichten nationaler Gerichte(vgl. EuGH 24. April 2012 - C-571/10 - Rn. 62 f., NVwZ 2012, 950).

68

b) Die gebotene völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes fordert ebenfalls kein anderes Ergebnis.

69

aa) Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle sind ebenso wie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes als Auslegungshilfe heranzuziehen. Dies verlangt allerdings keine schematische Gleichsetzung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern ein Aufnehmen der Wertungen der Konvention, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist. Das Grundgesetz setzt der völkerrechtsfreundlichen Auslegung allerdings auch Grenzen: Diese darf nicht zu einer Beschränkung des durch das Grundgesetz gewährleisteten Grundrechtsschutzes führen. Das schließt auch Art. 53 EMRK aus(BVerfG 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - [Sicherungsverwahrung] Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326).

70

bb) Vorliegend sind die durch Art. 9 EMRK gewährleistete Religionsfreiheit und die durch Art. 11 EMRK geschützte Versammlung- und Vereinigungsfreiheit zu berücksichtigen.

71

(1) Gemäß Art. 9 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Diese Freiheitsrechte dürfen nach Abs. 2 dieser Bestimmung nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die in Art. 9 EMRK garantierte Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler der „demokratischen Gesellschaft” im Sinne der Konvention. Sie ist in ihrer religiösen Dimension eines der wichtigsten Elemente, das die Identität der Gläubigen und ihre Auffassung vom Leben bestimmt. Aus dem Recht des Gläubigen auf Religionsfreiheit einschließlich des Rechts, seine Religion in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen, folgt die Erwartung, dass Gläubige sich frei und ohne willkürliche staatliche Eingriffe zusammenschließen können. Das unabhängige Bestehen von Religionsgemeinschaften ist unabdingbare Voraussetzung für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft und damit Kernstück des durch Art. 9 EMRK gewährten Schutzes(EGMR [I. Sektion] 5. April 2007 - 18147/02 - [Scientology Kirche Moskau/Russland] Rn. 71 f., NJW 2008, 495). Das Recht auf Religionsfreiheit schließt dabei jede Beurteilung der Legitimität der religiösen Überzeugungen oder deren Ausdrucksformen durch den Staat aus (EGMR [III. Sektion] 31. Januar 2012 - 2330/09 - [Sindicatul Pastorul cel Bun] Rn. 74).

72

(2) Nach Art. 11 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen oder ihnen beizutreten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung darf die Ausübung dieser Rechte nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Das Recht, Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein wesentliches Element des in Art. 11 EMRK garantierten Rechts(dazu EGMR [Große Kammer] 12. November 2008 - 34503/97 - [Demir u. Baykara] Rn. 144 und 154, NZA 2010, 1425; EGMR [III. Sektion] 21. April 2009 - 68959/01 - [Enerji Yapi-Yol Sen] Rn. 24, NZA 2010, 1423; dazu Claudia Schubert AöR 137 [2012] S. 92 ff.). Allerdings kann ein Arbeitgeber, dessen Berufsethos auf der Religion beruht, von seinen Angestellten besondere Loyalitätspflichten verlangen, soweit diese nach einer Abwägung der maßgeblichen Interessen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten (EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69, NZA 2011, 279).

73

cc) Die Koalitionsbetätigungsfreiheit der Beklagten wird auch nicht durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der NEK ausgeschlossen (ebenso Joussen in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Bd. 46 [2012] S. 53, 89 f.; Walter ZevKR 2012, 233, 259 f.). Der Gerichtshof hat mit seinen Entscheidungen zu Art. 11 EMRK vielmehr verdeutlicht, dass an die Rechtfertigung einer Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und des damit verbundenen Streikrechts nicht unerhebliche Anforderungen zu stellen sind. Gleichwohl kann auch der jüngst ergangenen Entscheidung in der Sache „Sindicatul Pastorul cel Bun“ (EGMR [III. Sektion] 31. Januar 2012 - 2330/09 -) sowie den zum Streikrecht im öffentlichen Dienst ergangenen Urteilen (EGMR [Große Kammer] 12. November 2008 - 34503/97 - [Demir u. Baykara] NZA 2010, 1425 und EGMR [III. Sektion] 21. April 2009 - 68959/01 - [Enerji Yapi-Yol Sen] NZA 2010, 1423) nicht die uneingeschränkte Zulässigkeit von Streiks in diakonischen Einrichtungen entnommen werden. Anders als der öffentliche Dienst können sich Kirchen ihrerseits auf die durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützte Religionsfreiheit berufen. Dementsprechend fordert der Gerichtshof bei einer Kollision dieser beiden Rechte eine verhältnismäßige Abwägung (EGMR [III. Sektion] 31. Januar 2012 - 2330/09 - [Sindicatul Pastorul cel Bun] Rn. 79 f.). Das geht über die Anforderungen einer Abwägung zur Herstellung praktischer Konkordanz für die Auflösung einer konkreten Grundrechtskollision nicht hinaus.

74

c) Der Beschränkung des Streikrechts der Beklagten in diakonischen Einrichtungen steht schließlich weder die Europäische Sozialcharta (ESC, BGBl. II 1964 S. 1262) noch das ILO-Abkommen Nr. 87 entgegen.

75

aa) Die ESC stellt eine von der Bundesrepublik Deutschland eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung dar, deren Regeln die Gerichte beachten müssen, wenn sie die im Gesetzesrecht bezüglich der Ordnung des Arbeitskampfes bestehenden Lücken anhand von Wertentscheidungen der Verfassung ausfüllen (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 104, 155; Bepler FS Wißmann S. 97, 106). Eine Einschränkung oder Begrenzung des in Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC anerkannten Streikrechts ist nach Teil V Art. 31 Abs. 1 ESC nur zulässig, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Sicherheit des Staates, der Volksgesundheit und der Sittlichkeit notwendig sind(BAG 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 46, 322). Rechte und Freiheiten anderer, die geeignet sind, das Streikrecht einzuschränken, ergeben sich aus der verfassungsrechtlich und völkerrechtlich anerkannten Religionsfreiheit. Insoweit bedarf es auch hier einer verhältnismäßigen Abwägung beider Gewährleistungen.

76

bb) Auch das Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes vom 9. Juli 1948 lässt eine Beschränkung des Streikrechts der Beklagten in diakonischen Einrichtungen zu. Es gehört zum einfachen innerstaatlichen Recht (Zustimmungsgesetz vom 20. Dezember 1956, BGBl. II S. 2072, in Kraft seit dem 20. März 1958, laut Bekanntmachung vom 2. Mai 1958, BGBl. II S. 113). Seine Gewährleistungen gehen jedoch nicht über die Grundsätze hinaus, die ohnehin durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gelten(BVerfG 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I 5 c der Gründe, BVerfGE 58, 233).

77

III. Gleichwohl erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis als richtig. Der Kläger hat keine durch Tatsachen begründete Besorgnis dargetan, dass die Beklagten durch Streiks oder sonstige Arbeitsniederlegungen zukünftig das kirchliche Selbstbestimmungsrecht von Mitgliedern des Klägers verletzen werden. Die Beklagten haben weder rechtswidrig gehandelt noch ist solches künftig zu befürchten.

78

1. Der Anspruch des Arbeitgeberverbands auf Unterlassung rechtswidriger Arbeitskampfmaßnahmen gegen seine Mitglieder setzt das Bestehen einer Wiederholungs- oder einer Erstbegehungsgefahr voraus.

79

a) Eine auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. § 823 Abs. 1 BGB,Art. 9 Abs. 3 GG gestützte Verurteilung der Beklagten kommt in Betracht, wenn diese bereits durch Arbeitskampfmaßnahmen eine geschützte Rechtsposition des Klägers verletzt haben und die Gefahr der Wiederholung, dh. die auf Tatsachen gegründete ernstliche Besorgnis weiterer Störungen, besteht. Der allgemeine Unterlassungsanspruch setzt - im Gegensatz zur vorbeugenden Unterlassungsklage - voraus, dass eine Rechtsverletzung bereits stattgefunden hat und eine Wiederholungsgefahr besteht. Ein zukunftsbezogener Unterlassungsantrag ist begründet, wenn das beanstandete Verhalten des Störers rechtswidrig in eine geschützte Rechtsposition des Berechtigten eingegriffen hat und dieses auch schon zum Zeitpunkt seiner Begehung rechtswidrig war (vgl. BGH 14. April 2011 - I ZR 50/09 - Rn. 13, MDR 2011, 1059). Dies folgt aus § 1004 Abs. 2 BGB, wonach der Abwehranspruch ausgeschlossen ist, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Die Rechtswidrigkeit bezieht sich dabei nicht auf die Handlung, die zur Beeinträchtigung führt, sondern auf den durch sie geschaffenen Störungszustand (Bamberger/Roth/Fritzsche BGB 3. Aufl. Bd. 2 § 1004 Rn. 53). Wiederholungsgefahr ist die objektive Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung. Die Wiederholungsgefahr beschränkt sich dabei nicht auf die identische Verletzungsform, sondern umfasst alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (BGH 9. September 2004 - I ZR 93/02 - zu II 4 b der Gründe, GRUR 2005, 443).

80

b) Ein auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. § 823 Abs. 1 BGB,Art. 9 Abs. 3 GG gestützter Unterlassungsanspruch besteht auch, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Beklagten in naher Zukunft rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahmen gegenüber Mitgliedern des Klägers durchführen. Der auf eine erstmalige Begehung gestützte vorbeugende Unterlassungsanspruch besteht, wenn ein rechtswidriger Eingriff in ein absolutes Recht oder ein sonst vom Recht geschütztes Gut oder Interesse unmittelbar drohend bevorsteht. Es muss zu befürchten sein, dass der Anspruchsgegner die zu unterlassende Handlung demnächst vornehmen wird. Die sie begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret erkennen lassen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (BGH 13. März 2008 - I ZR 151/05 - Rn. 17, NJW-RR 2009, 184). Eine Erstbegehungsgefahr kann auch begründen, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen. Eine solche Berühmung kann unter Umständen auch in Erklärungen zu sehen sein, die im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren abgegeben werden. Eine Rechtsverteidigung begründet eine Erstbegehungsgefahr nicht schon dann, wenn allein der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten, sondern erst dann, wenn den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (BGH 17. August 2011 - I ZR 57/09 - Rn. 44, BGHZ 191, 19). Anders als bei der Wiederholungsgefahr spricht für das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr keine Vermutung, so dass derjenige, der sie geltend macht, alle Umstände darlegen und beweisen muss, aus denen sie sich im konkreten Fall ergeben soll (Teplitzky 10. Aufl. Kapitel 10 Rn. 8).

81

c) Bei der Wiederholungs- und der Erstbegehungsgefahr handelt es sich um materielle Anspruchsvoraussetzungen des Unterlassungsanspruchs (vgl. BGH 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - zu II 3 a der Gründe, NJW 2005, 594). Stützt sich der Kläger zur Begründung seines Unterlassungsbegehrens sowohl auf eine Wiederholungsgefahr wegen einer behaupteten Verletzungshandlung als auch auf eine Erstbegehungsgefahr wegen bestimmter Erklärungen der Beklagten, handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände, da die einheitliche Rechtsfolge aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten hergeleitet wird (vgl. BGH 23. Februar 2006 - I ZR 272/02 - Rn. 25, BGHZ 166, 253).

82

d) Die Beurteilung der Wiederholungsgefahr ist ebenso wie die einer Erstbegehungsgefahr im Wesentlichen tatsächlicher Natur und in der Revisionsinstanz nur beschränkt darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist und keine wesentlichen Tatumstände außer Acht gelassen hat ( vgl. BGH 14. Oktober 1994 - V ZR 76/93 - zu II 4 b der Gründe, NJW 1995, 132).

83

2. Nach diesen Grundsätzen ist die gegen den Bundesverband gerichtete Unterlassungsklage abzuweisen. Es fehlt bereits an einer Wiederholungsgefahr. Der Bundesverband hat in der Vergangenheit weder selbst Arbeitskampfmaßnahmen gegenüber Mitgliedern des Klägers durchgeführt noch sich an Streikmaßnahmen des Landesverbands beteiligt. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass solche Handlungen des Bundesverbands konkret zu befürchten sind. Darüber hinaus besteht auch keine Erstbegehungsgefahr. Allein die Möglichkeit, dass der Bundesverband rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahmen des Landesverbands als eigene fortführt, begründet nicht die Annahme einer solchen Gefahr.

84

3. Die gegen den Landesverband gerichteten Globalanträge bleiben schon deshalb ohne Erfolg, weil es sowohl an einer Wiederholungs- wie auch Erstbegehungsgefahr in Bezug auf in Schleswig-Holstein gelegenen Mitgliedseinrichtungen des Klägers fehlt. Der Organisationsbereich des Landesverbands ist auf das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg beschränkt. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 der Satzung des Landesverbands vom 11. Februar 1976 idF vom 3. April 2006. Danach organisiert dieser die in Hamburg tätigen und dort angestellten Ärzte. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Landesverband Arbeitskämpfe in Einrichtungen außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs durchgeführt hat oder solche Maßnahmen unmittelbar bevorstehen.

85

4. Die Voraussetzungen eines deliktischen Unterlassungsanspruchs gegenüber dem beklagten Landesverband liegen auch deshalb nicht vor, weil der Kläger bisher nicht in einer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechtsposition beeinträchtigt worden ist. Der Senat hat aufgrund der sich aus der Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. August 2009 (- 5 Ga 3/09 - ArbuR 2009, 430) ergebenden Bindungswirkung davon auszugehen, dass der Landesverband den am 31. August 2009 von ihm organisierten Streik im Bethesda Allgemeinen Krankenhaus durchführen durfte. Insoweit fehlt es an einer Wiederholungsgefahr.

86

a) Die Rechtskraft eines früheren Urteils über denselben Streitgegenstand ist als negative Prozessvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten. Aber auch dann, wenn eine im Vorprozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfrage lediglich Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist, hat das Revisionsgericht die sich aus der Rechtskraft der früheren Entscheidung ergebende Bindungswirkung auch ohne Rüge eines Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen (BGH 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05 - Rn. 9, NJW 2008, 1227).

87

b) Die Grundsätze über die Rechtskraft und die Bindungswirkung von Unterlassungsurteilen (§ 322 Abs. 1 ZPO) gelten auch in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

88

aa) Bei den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt es sich um Erkenntnisverfahren. Auf diese finden die Vorschriften des Ersten und Zweiten Buchs der ZPO Anwendung. Diese werden lediglich verdrängt, soweit die Bestimmungen in §§ 916 ff. ZPO über den Arrest und die einstweilige Verfügung Sonderregelungen enthalten. Danach gilt der in § 322 Abs. 1 ZPO für das Erkenntnisverfahren normierte Grundsatz der materiellen Rechtskraft auch für das einstweilige Verfügungsverfahren. Die §§ 927, 936 ZPO stehen einer solchen Sichtweise nicht entgegen(Stürner ZZP 2012, 3, 14). Die Vorschriften regeln nur die besonderen Voraussetzungen für die Aufhebung des Arrestes und der einstweiligen Verfügung und ergänzen funktional die Bestimmungen über die Abänderung (§ 323 ZPO) sowie die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO). Diese setzen aber gerade die Bestandskraft der zuvor erwirkten Entscheidungen in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes voraus. Für die materielle Rechtskraft von einstweiligen Verfügungen spricht auch die sich aus § 929 Abs. 1 ZPO ergebende Verweisung auf die Titelumschreibung(§ 727 ZPO) und die damit verbundene Rechtskraftregelung in § 325 ZPO(Baur FS Schiedermair S. 19, 25 f.). Entscheidungen in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind daher einer - allerdings durch den Vorbehalt erleichterter Abänderbarkeit durch das Gericht (§ 927 ZPO) beschränkten - Rechtskraft fähig (BGH 9. Dezember 2004 - III ZR 200/04 - zu I 6 der Gründe, BGHZ 161, 298). Dass auch eine im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene Entscheidung Bindungswirkung entfalten kann, ist anerkannt (vgl. BGH 31. Mai 2012 - I ZR 45/11 - Rn. 36, MDR 2012, 982; Baur Studien zum einstweiligen Rechtsschutz S. 80 f.; Stürner ZZP 2012, 3, 19).

89

bb) Rechtskräftige Urteile entfalten gemäß § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit Bindungswirkung für ein nachfolgendes Verfahren, als über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Sie beschränkt sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, dh. auf die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Sachverhalts bei Schluss der mündlichen Verhandlung den Entscheidungssatz bildet. Einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut, werden dagegen von der Rechtskraft nicht erfasst (BGH 26. Juni 2003 - I ZR 269/00 - zu II 1 a der Gründe, NJW 2003, 3058). Danach besteht eine Bindungswirkung, wenn der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der im neuen Prozess geltend gemachten Rechtsfolge gehört (Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 154 Rn. 8). Der rechtskräftig festgestellte Anspruch bildet nach materiellem Recht eine Voraussetzung für die Entscheidung über den Gegenstand des Zweitprozesses (MünchKomm ZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rn. 50). Das Gericht hat die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Verfahren zugrunde zu legen, wenn diese eine Vorfrage darstellt. Bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung (BGH 24. Juni 1993 - III ZR 43/92 - zu III 1 der Gründe, NJW 1993, 3204; 6. Oktober 1989 - V ZR 263/86 - zu II 2 b der Gründe, WM 1989, 1897).

90

cc) Bei einer Unterlassungsklage besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot einer bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag abstrahierend beschreiben muss. Die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung wird durch den Klageantrag sowie die vom Antragsteller vorgetragene und vom Gericht dieser Entscheidung zugrunde gelegte Verletzungshandlung begrenzt. Diese stellt den Klagegrund dar, durch den der Streitgegenstand der Unterlassungsklage neben dem Klageziel bestimmt wird. In Rechtskraft erwächst der in die Zukunft gerichtete Verbotsausspruch nicht als solcher, sondern nur in seinem Bezug auf die vom Gericht festgestellte Verletzungshandlung (BGH 23. Februar 2006 - I ZR 272/02 - Rn. 29, BGHZ 166, 253). Bei einem Unterlassungsanspruch wird eine Entscheidung über dessen Bestehen oder Nichtbestehen zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung getroffen, auf die das Urteil ergeht (BGH 31. Mai 2012 - I ZR 45/11 - Rn. 36, MDR 2012, 982). Wird die Klage abgewiesen, steht damit zugleich die Berechtigung des Beklagten zu dem vom Antrag umfassten Handeln fest (BGH 14. Oktober 1964 - V ZR 249/62 - NJW 1965, 42).

91

c) Für den vom Kläger auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch fehlt es an einer vorangegangenen Verletzungshandlung.

92

aa) Der Kläger hat sich als Zuwiderhandlung allein auf den vom Landesverband am 31. August 2009 im Bethesda Allgemeinen Krankenhaus durchgeführten Streik berufen. Das Arbeitsgericht hat den dagegen gerichteten Unterlassungsantrag abgewiesen. Seine Entscheidung ist in formelle Rechtskraft erwachsen. In seinen Gründen hat das Gericht den Unterlassungsanspruch aus Rechtsgründen verneint und sämtliche von den Verfügungsklägern gegen die Zulässigkeit des Arbeitskampfes angeführten Gründe gewürdigt. Zu diesen gehörte auch die Unzulässigkeit der angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen wegen des damit verbundenen Eingriffs in die durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützte Rechtsposition des Krankenhausträgers. Das arbeitsgerichtliche Urteil ist nicht mit der fehlenden Glaubhaftmachung oder einem fehlenden Verfügungsgrund begründet. Bei dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt es sich nicht um eine solche, die als Regelungs- oder Sicherungsverfügung nur zu einer vorübergehenden Sicherung des von den Verfügungsklägern geltend gemachten Anspruchs führen sollte. Vielmehr war sie als Leistungsverfügung auf eine Untersagung des ab dem 31. August 2009 beabsichtigten Streiks und damit auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet.

93

bb) Mit der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung steht als die aus dem vorgetragenen Sachverhalt sich für die Parteien ergebende Rechtsfolge bindend fest, dass der Landesverband am 31. August 2009 zur Durchführung des angekündigten Streiks berechtigt war. Dies steht einer erneuten Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit im vorliegenden Verfahren entgegen. Der Unterlassungsanspruch war im Vorprozess ausgeurteilter Streitgegenstand und nicht nur eine Vorfrage für den Entscheidungsausspruch, die nicht in Rechtskraft erwächst. Dies entspricht der Rechtslage bei Leistungsurteilen. So entfaltet die rechtskräftige Verurteilung zur Herausgabe Bindungswirkung in einem Folgeprozess, für den es als Vorfrage darauf ankommt, ob die zur Herausgabe verurteilte Partei die Herausgabe verweigern darf (BGH 31. Mai 2012 - I ZR 45/11 - Rn. 37, MDR 2012, 982). Die Berücksichtigung der vom Landesverband am 31. August 2009 durchgeführten Arbeitskampfmaßnahme als rechtswidrige Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts des betroffenen Krankenhausträgers scheidet danach aus.

94

cc) Die vorstehenden Grundsätze zur Tatbestandswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren stehen nicht im Widerspruch zu den Rechtssätzen in der Senatsentscheidung vom 10. Dezember 2002 (- 1 AZR 96/02 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 104, 155). In dieser hat der Senat das Verschulden der kampfführenden Gewerkschaft für einen rechtswidrigen Streik um einen Firmentarifvertrag bejaht, obwohl ein dagegen gerichteter Unterlassungsantrag des Unternehmens im einstweiligen Verfügungsverfahren rechtskräftig abgewiesen worden ist. Der Senat hat den von der Gewerkschaft geführten Arbeitskampf für rechtswidrig gehalten, weil diese die gegenüber dem bestreikten Unternehmen bestehende relative Friedenspflicht verletzt hatte. Dieser rechtliche Gesichtspunkt war nicht Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens. Die Verfügungsklägerin hatte ihr Unterlassungsbegehren nicht auf das Bestehen von einschlägigen tariflichen Regelungen gestützt. Auch die im einstweiligen Verfügungsverfahren angerufenen Gerichte sind auf die Friedenspflicht nicht eingegangen.

95

5. Für einen auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG gestützten(vorbeugenden) Unterlassungsanspruch fehlt es an einer Erstbegehungsgefahr. Anhaltspunkte, aus denen sich eine ernsthafte und greifbare Gefahr ergeben könnte, dass der Landesverband in Zukunft zu rechtswidrigen Arbeitskämpfen in Mitgliedseinrichtungen des Klägers aufrufen wird, sind weder ersichtlich noch von diesem vorgetragen. Ebenso hat sich der Kläger nicht auf verfahrensgegenständliche Ausführungen des Landesverbands bezogen, die das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr nahelegen.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch     

        

        

        

    Schwitzer    

        

    Hann    

                 

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. November 2012 - 12 Sa 654/11 - wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das genannte Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2011 - 10 Ca 6462/10 - zurückgewiesen hat. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Befugnis der Arbeitgeberin, betriebszugehörige Arbeitnehmer nach ihrer Mitgliedschaft in einer bestimmten Gewerkschaft zu befragen.

2

Die Klägerin - die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) - organisiert ua. das Fahrpersonal von Nahverkehrsunternehmen im Freistaat Bayern und ist Mitglied der dbb tarifunion. Die Beklagte ist als kommunales Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in M ua. im Personennahverkehr tätig und gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser schloss am 18. August 2006 mit der dbb tarifunion sowie mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) - Landesbezirk Bayern - jeweils einen gleichlautenden, am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen „Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N Bayern)“. Seitdem enthalten die Arbeitsverträge der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer eine Bezugnahme auf den TV-N Bayern. Zuvor geschlossene „Alt“arbeitsverträge verweisen - in unterschiedlichen Formulierungen - auf die Bestimmungen des „Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe“.

3

Nach Kündigungen des jeweils mit ihnen geschlossenen TV-N Bayern (in den Fassungen des 2. Änderungstarifvertrags) zum 30. Juni 2010 verhandelten ver.di und dbb tarifunion zunächst gemeinsam mit dem KAV Bayern über einen neuen Tarifabschluss. Am 20. August 2010 erzielten ver.di und der KAV Bayern eine Einigung. Die dbb tarifunion erklärte in einem an den KAV Bayern gerichteten Schreiben vom 25. August 2010 „die Verhandlungen … formal für gescheitert“ und teilte mit, dass „der Vorstand … die Durchführung der Urabstimmung beschlossen“ habe. Mit Schreiben vom selben Tag wandte sich die Beklagte an „die Tarifbeschäftigten des Unternehmensbereichs Verkehr“. Das Schreiben und ein ihm beigelegtes Antwortformular lauten:

        

„…    

        

es hat nach Kündigung des Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N Bayern) durch die Gewerkschaft ver.di und GDL/dbb Tarifunion mehrere Verhandlungsrunden, zuletzt am 20. August 2010, in Nürnberg gegeben.

        

Mit der Gewerkschaft ver.di wurde am 20. August 2010 eine Tarifeinigung erzielt.

        

Diese Einigung sieht unter anderem bereits zum 1. September eine Erhöhung des Tabellenentgeltes um 1,6% sowie eine Einmalzahlung von 240 € vor.

        

Ebenfalls wurde mit ver.di vereinbart, dass die Schicht- und Wechselschichtzulagen ab dem 1. September 2010 um 1,6 % erhöht werden und es zu zusätzlichen strukturellen Verbesserungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit kommt.

        

Im Gegensatz dazu, hat die GDL / dbb tarifunion die Verhandlungen für gescheitert erklärt.

        

Ansprüche aus der Einigung mit der Gewerkschaft ver.di können GDL Mitglieder daher nicht geltend machen.

        

Für die Mitglieder der GDL gibt es keine entsprechende Einigung über eine prozentuale Erhöhung des Tabellenentgeltes, der Erhöhung der Schicht- und Wechselschichtzulagen, der strukturellen Verbesserungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit sowie über eine Einmalzahlung zum 01. September 2010.

                 
        

Damit die S M GmbH ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen auf die Umsetzung des mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages nachkommen kann und - wie auch in der Vergangenheit - die nichtorganisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls an der Umsetzung teilhaben, sind wir auf Ihre Mitwirkung angewiesen.

        

Dies ist in Ihrem eigenen Interesse, da wir ohne Beantwortung und Rückmeldung der als Anlage beigeführten Frage davon ausgehen müssen, dass Sie keinen Anspruch auf die Umsetzung des Tarifergebnisses aus der Einigung vom 20.08.2010 haben.

        

Ihre Antwort wird ausschließlich für die Prüfung eines Anspruches auf die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di verwendet.

        

Bitte senden oder faxen Sie uns Ihre Antwort unterschrieben bis spätestens 10. September 2010 in beigefügtem Rückantwortkuvert an Herrn D, P-SC-S1. Sollten Sie an der zeitgerechten Rückmeldung gehindert sein, holen Sie diese schnellstmöglich nach. Solange keine Rückmeldung erfolgt, kann die Tarifeinigung für Sie in der Entgeltabrechnung nicht umgesetzt werden.

        

…       

        

Rückantwort

                 
        

Name: 

…       

        

Vorname:

…       

        

Personalnummer:

…       

                          
        

Hiermit erkläre ich, dass ich Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL bin (bitte ankreuzen).

                 
        

ja

☐  

        

nein

☐    

                          
        

M, den ……………………

                          
        

Unterschrift“

4

Im Anschluss an eine Urabstimmung vom 1. bis 6. September 2010 rief die dbb tarifunion - in Abstimmung mit der GDL - erstmals für den 10. September 2010 zum Streik auf. Nach weiteren Streikaufrufen einigten sich die dbb tarifunion und der KAV Bayern am 15. November 2010 über Änderungen des TV-N Bayern mit Wirkung ua. zum 1. September 2010.

5

Durch die Befragungsaktion vom 25. August 2010 sieht sich die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt. Mit ihrer am 22. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage - und späteren Klageerweiterungen um Hilfsanträge - hat sie die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Zur Begründung hat sie erstinstanzlich vorgebracht, es gehe nicht darum, ob ein Arbeitgeber generell berechtigt sei, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nach einer bestimmten Gewerkschaftszugehörigkeit zu fragen; eine Befugnis der Beklagten zur Frage nach der Zugehörigkeit zur GDL sei „in der momentanen konkreten Situation“ aber „nicht geraten“ gewesen. Das Schreiben vom 25. August 2010 habe auf die Einschätzung ihres Organisationsgrades im Unternehmen der Beklagten gezielt. Das verletze sie in ihrer Koalitionsfreiheit. Unter den konkreten betrieblichen und koalitionsspezifischen Umständen seien keine Fallkonstellationen denkbar, in denen die Beklagte die Tarifgebundenheit der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer kennen müsse. Vor allem in der Berufungsinstanz hat die Klägerin den Standpunkt eingenommen, ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer bestehe grundsätzlich nicht. Eine solche Frage sei immer, also unabhängig von einem Zusammenhang mit Arbeitskampf oder Tarifvertragsverhandlungen und auch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Mitgliedschaft von Arbeitnehmern in anderen Gewerkschaften eruiere, ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Koalitionsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft. Das gelte auch in einem tarifpluralen Betrieb.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL sind oder nicht;

        

hilfsweise,

        

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer GDL sind oder nicht, es sei denn, dass die Frage zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, im Hinblick auf die Geltung mehrerer Tarifverträge in ihrem Betrieb sei sie zu der mit dem Schreiben vom 25. August 2010 formulierten Aufforderung berechtigt gewesen. Wegen der mit ver.di erzielten Tarifeinigung habe sie wissen müssen, wer Mitglied der GDL sei, denn diesen Beschäftigten hätten keine - auch keine vertraglichen - Ansprüche aus der Einigung zugestanden. Zudem folge ihre Berechtigung zu der gestellten Frage in einer Arbeitskampfsituation wie der im August/September 2010 bestehenden daraus, dass sie wegen der auf die Mitglieder der GDL zu beschränkenden Möglichkeit von Aussperrungen wissen müsse, wer in dieser als der streikführenden Gewerkschaft organisiert sei. Auch für das Aufstellen von Noteinsatzplänen in ihrem Unternehmen der Daseinsvorsorge sei diese Kenntnis unerlässlich gewesen. Ungeachtet dessen setze die Anerkennung der Tarifpluralität ein generelles Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zumindest während des Bestands des Arbeitsverhältnisses voraus. Nur so könne sich der Arbeitgeber gesetzeskonform verhalten.

8

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben und ausgeführt, die Befragung der Arbeitnehmer nach ihrer Zugehörigkeit zur Klägerin verletze diese in ihrem Koalitionsrecht „unabhängig von ihrer zeitlichen Lage im Zusammenhang mit einem Arbeitskampf oder Tarifverhandlungen und unabhängig davon, ob auch die Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften und die Nichtorganisation erfragt“ werde. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten den Hauptantrag abgewiesen und nach dem zuletzt gestellten Hilfsantrag erkannt. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und beantragt außerdem „äußerst hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, Arbeitnehmer ihres Betriebes nach der Mitgliedschaft in der Klägerin zu befragen, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen haben, die im Betrieb Geltung haben, zu fragen“. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision die Abweisung auch des Hilfsantrags. Im Übrigen beantragen beide Parteien jeweils die Zurückweisung der gegnerischen Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das hauptsächliche Unterlassungsbegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der nicht auf einen Sachverhalt wie den Anlassfall des Schreibens vom 25. August 2010 beschränkte, sondern alle denkbaren Fallgestaltungen umfassende Unterlassungsanspruch besteht schon aus deliktsrechtlichen Gründen nicht. Die Revision der Beklagten hat dagegen Erfolg. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht nach dem Hilfsantrag der Klägerin erkannt. Dieser ist unzulässig. Bei dem höchst hilfsweisen Antrag der Klägerin handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

10

A. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

11

I. Sie hat nicht bereits deshalb Erfolg, weil das Landesarbeitsgericht mit der Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils und der Abweisung des Hauptantrags unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über einen anderen Streitgegenstand als den von der Klägerin zur Entscheidung gestellten befunden hat. Allerdings kommt es durchaus in Betracht, dass jedenfalls das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verletzt hat.

12

1. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste. Das ist Ausdruck der den Zivilprozess beherrschenden Dispositionsmaxime. Das Gericht darf der klagenden Partei weder quantitativ mehr noch qualitativ etwas anderes zuerkennen. Ein in den Vorinstanzen erfolgter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 10 mwN, BAGE 117, 137).

13

2. Vorliegend kann im Ergebnis offen bleiben, ob das Arbeitsgericht der Klägerin etwas anderes zugesprochen hat als diese erstinstanzlich beantragt hatte.

14

a) Der arbeitsgerichtliche Entscheidungsausspruch ist sprachlich nicht anders gefasst als der von der Klägerin gestellte Hauptantrag. Ausgehend vom Antragsverständnis liegt es dennoch nahe, dass das Arbeitsgericht über etwas anderes entschieden hat als das von der Klägerin Begehrte.

15

aa) Entscheidend für die Beurteilung der Frage, welchen Streitgegenstand ein Kläger mit einem Antrag zur Entscheidung gestellt und über welchen Streitgegenstand das Gericht entschieden hat, ist nicht allein der Wortlaut von Antrag und Urteilsausspruch. Es kommt vielmehr auf deren - ggf. durch Auslegung zu ermittelnden - streitgegenständlichen Inhalte an. Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. zB BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 16 mwN). Nach diesem „zweigliedrigen Streitgegenstand“ im Zivilprozess kennzeichnet allein das Klageziel den Streitgegenstand nicht. Zum Streitgegenstand zählen vielmehr alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, der zur Stützung des Rechtsschutzbegehrens unterbreitet wird (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 23, BAGE 145, 142; 11. Oktober 2011 - 3 AZR 795/09 - Rn. 17 mwN; vgl. zum identischen Streitgegenstandsbegriff im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zB BAG 5. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 13). Der Streitgegenstand wird ausschließlich vom Kläger mit seinem Klagebegehren bestimmt. Das Vorbringen des Beklagten oder Verteidigungsvorbringen des Klägers gegenüber dem Beklagtenvortrag verändert den vom Kläger mit seinem Antrag und seinem Klagevorbringen festgelegten Streitgegenstand nicht (BAG 25. September 2013 - 10 AZR 454/12 - Rn. 17, BAGE 146, 123; BGH 23. Juli 2008 - XII ZR 158/06 - Rn. 20). Er ändert sich iSv. § 263 ZPO jedoch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist(BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18).

16

bb) Bei einem Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot einer bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat und mit dem Antrag abstrahierend beschreiben muss. Die Verletzungshandlung stellt den Klagegrund dar, durch den der Streitgegenstand der Unterlassungsklage neben dem Klageziel bestimmt wird (vgl. BAG 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 - Rn. 16 mwN, BAGE 133, 75). Die umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt den Inhalt des Klagebegehrens.

17

cc) Gemessen hieran spricht vieles dafür, dass die Klägerin den erstinstanzlich gestellten Unterlassungshauptantrag nur auf solche schriftliche Befragungen der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer nach deren Zugehörigkeit zur GDL bezogen hat, die in einem Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen und - sei es sich abzeichnenden oder bevorstehenden - Arbeitskampfmaßnahmen stehen. Sie hat als behauptete Verletzungshandlung auf das Schreiben vom 25. August 2010 und die Begleitumstände seiner Fertigung verwiesen. Unter Zugrundelegung einer aus ihrer Sicht gegebenen Zielrichtung der schriftlichen Befragung, den Organisationsgrad der GDL im Beklagtenunternehmen ergründen zu wollen, hat sie den von ihr verfolgten Anspruch auf einen unzulässigen Eingriff in ihre Koalitionsfreiheit gestützt. Es ging ihr (zunächst) nicht allgemein und unabhängig von den Umständen darum, dass die Beklagte jegliche schriftliche Aufforderungen an die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer unterlässt, eine Erklärung abzugeben, ob sie Mitglied der Klägerin sind oder nicht. Das zeigt sich vor allem darin, dass sie die Befugnis der Beklagten zu der Fragestellung „in der momentanen konkreten Situation“ in Abrede gestellt und „unter den konkreten betrieblichen und koalitionsspezifischen Umständen keinerlei Fallkonstellationen“ als „denkbar“ angesehen hat, „in denen die Beklagte darauf angewiesen ist, exakt zu wissen, welche normativen tariflichen Bindungen zu den … beschäftigten Arbeitnehmern bestehen“. Demgegenüber hat das Arbeitsgericht ohne nähere Ausführungen das Begehren offensichtlich so verstanden, dass es auf die Untersagung jeglicher schriftlicher Befragungen von Arbeitnehmern im Unternehmen der Beklagten zu einer Mitgliedschaft bei der GDL zielt. Es hat die erstrebte Unterlassung als Globalantrag angesehen und ausgeführt, es seien „keine Konstellationen ersichtlich“, in denen eine Aufforderung zur Offenlegung der Zugehörigkeit zur Klägerin keinen Eingriff in deren Koalitionsfreiheit darstellte. Damit hat es aber letztlich den mit der Klage zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt erweitert.

18

b) Ein darin liegender Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO wäre allerdings in zweiter Instanz geheilt.

19

aa) Die Verletzung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann geheilt werden, wenn die klagende Partei sich die angefochtene Entscheidung im zweiten Rechtszug durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung zu Eigen macht(vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 15 mwN, BAGE 117, 137).

20

bb) Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht vorbehaltlos die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt. Damit hat sie sich das erstinstanzliche Urteil - und insbesondere dessen Antragsverständnis - zu Eigen gemacht. Das zeigen auch ihre Ausführungen in der Berufungserwiderung, die sich nunmehr losgelöst vom konkreten Anlassfall - dem Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 - auf jegliche Befragungen der Beklagten zu einer Mitgliedschaft ihrer Beschäftigten bei der Klägerin beziehen. Die Beklagte hat hiergegen keine Einwendungen erhoben. Sie hat weder die Verletzung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gerügt noch sich gegen die in dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung etwa liegende Klageerweiterung gewandt.

21

II. Das hauptsächliche Unterlassungsbegehren ist in der Fassung, das es jedenfalls im zweiten Rechtszug erfahren hat, zulässig, aber unbegründet.

22

1. Der Antrag ist zulässig.

23

a) Die Klägerin verlangt die Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen der Beklagten an die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu einer schriftlichen Erklärung, ob sie bei der Klägerin organisiert sind oder nicht. Dieses Begehren ist dahin zu verstehen, dass die Unterlassungspflicht der Beklagten unabhängig von der Zielrichtung und den konkreten Einzelfallumständen einer schriftlichen Aufforderung zu der beschriebenen Erklärung bestehen soll.

24

b) In diesem Verständnis begegnen dem in erster Linie verfolgten Antrag keine Zulässigkeitsbedenken; insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er lässt mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, welche Handlung der Beklagten untersagt werden soll. Dass es sich um einen Globalantrag handelt, der eine unbestimmte Vielzahl möglicher zukünftiger Fallgestaltungen erfasst, steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen. Er ist ausnahmslos auf alle denkbaren Fälle gerichtet. Ob das verfolgte Unterlassungsbegehren für sämtliche Fälle berechtigt ist, betrifft die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit des Antrags (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 25, BAGE 122, 134).

25

2. Der Antrag ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen an die in deren Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu einer schriftlichen Erklärung, ob sie Mitglied der GDL sind oder nicht. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Zwar verletzt das Schreiben der Beklagten vom 25. August 2010 die Klägerin in ihrer von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten kollektiven Koalitionsfreiheit. Die beanspruchte Unterlassung umfasst aber auch Fallgestaltungen, bei denen es schon an einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr fehlt, die eine - von der Klägerin darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist.

26

a) Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer vom Störer die Beseitigung und weitere Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Diese Ansprüche sind nicht auf Eigentumsverletzungen beschränkt, sondern bestehen darüber hinaus zur Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen(BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 39, BAGE 138, 68). Hierzu gehört auch die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit. Gegen rechtswidrige Eingriffe in diese Freiheit kann sich eine Koalition mit auf § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG gestützten Unterlassungsklagen wehren(zum Unterlassungsanspruch einer Gewerkschaft vgl. BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 39, aaO; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 91, 210; zum Unterlassungsanspruch eines Arbeitgeberverbandes vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 54, BAGE 122, 134).

27

b) Für die mit dem Hauptantrag erstrebte Unterlassung liegen die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs aber nicht vor.

28

aa) Allerdings hat die Beklagte mit ihrer Frageaktion die kollektive Koalitionsfreiheit der Klägerin aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt.

29

(1) Die Befragung von Arbeitnehmern nach Maßgabe des Schreibens vom 25. August 2010 beeinträchtigt die kollektive Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin.

30

(a) Der sich auf alle koalitionsspezifischen Betätigungsweisen erstreckende Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht(BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe mwN; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, BAGE 132, 140). Ihre Aufgabe ist es, den von der staatlichen Rechtsetzung frei gelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, insbesondere die Höhe der Arbeitsvergütung für die verschiedenen Berufstätigkeiten festzulegen, und so letztlich die Gemeinschaft sozial zu befrieden (BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - BVerfGE 18, 18). Dazu versuchen die Koalitionen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in gemeinsamen Verhandlungen zu einem Interessenausgleich zu gelangen und die jeweils andere Seite zur Übernahme der selbst für richtig befundenen Position ganz oder in Teilen zu bewegen (BAG 13. Juli 1993 - 1 AZR 676/92 - zu III 1 b der Gründe, BAGE 73, 320). Die Verhandlungsstärke einer Arbeitnehmerkoalition hängt von der Zahl ihrer Mitglieder ab (BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 352). Diese sichern nicht nur deren finanziellen Bestand, sondern sind auch Garanten ihrer Durchsetzungsfähigkeit in den Vertragsverhandlungen mit dem sozialen Gegenspieler. Der Organisationsgrad einer Gewerkschaft wie die Verteilung ihrer Mitglieder in den Betrieben des jeweiligen Tarifgebiets sind bestimmend für die Wahl der Mittel, die eine Arbeitnehmerkoalition einsetzen kann, um in Tarifverhandlungen mit der Arbeitgeberseite zum Abschluss zu gelangen. Ein solches Mittel ist auch der Arbeitskampf. Welches Arbeitskampfmittel die Arbeitnehmerorganisation in welchem Umfang einsetzt und welches Kampfgebiet sie hierfür wählt, geben vor allem der Organisationsgrad und die betriebliche Zuordnung ihrer Mitglieder vor. Sind der Arbeitgeberseite diese Daten bekannt, kann sie sowohl ihre Verhandlungsposition als auch im Falle eines Arbeitskampfes ihre Arbeitskampfmittel hierauf einstellen. Die Ungewissheit des sozialen Gegenspielers über die tatsächliche Durchsetzungskraft der Arbeitnehmerkoalition in einer konkreten Verhandlungssituation ist demnach grundlegend dafür, dessen Verhandlungsbereitschaft zu fördern und zu einem angemessenen Interessenausgleich zu gelangen. Im Hinblick darauf schützt Art. 9 Abs. 3 GG eine Gewerkschaft auch darin, diese Angaben der Arbeitgeberseite in einer konkreten Verhandlungssituation vorzuenthalten, um sich nicht selbst zu schwächen.

31

(b) Die Befragungsaktion der Beklagten ist eine gegen die koalitionsspezifische Betätigungsfreiheit der Klägerin gerichtete Maßnahme. Die von ihren Arbeitnehmern geforderten Auskünfte verschaffen der Beklagten Kenntnis vom Umfang des Mitgliederbestandes der GDL in ihrem „Unternehmensbereich Verkehr“ sowie dessen konkreter innerbetrieblicher Verteilung. Bei wahrheitsgemäßer Beantwortung erlangte die Beklagte anhand des geforderten Namens sowie der Personalnummer Informationen über den Organisationsgrad der GDL und zum konkreten Einsatzort des einzelnen GDL-Mitglieds. Diese Informationen des gewerkschaftlichen Binnenbereichs erlauben es ihr, die Verhandlungsstärke der Gewerkschaftsseite in einer laufenden Tarifauseinandersetzung konkret einzuschätzen und damit die Verhandlungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite hierauf einzustellen. Darüber hinaus ist die mit der Befragungsaktion verbundene Zusage, allen Arbeitnehmern, die nicht Mitglied der GDL sind, ungeachtet einer Gewerkschaftszugehörigkeit den mit ver.di erzielten Tarifabschluss zukommen zu lassen, geeignet, durch finanzielle Anreize Nichtorganisierte von einem Beitritt zur GDL abzuhalten und damit Einfluss auf deren Mitgliederbestand zu nehmen. Diesen Druck verstärkt die weitere Ankündigung der Beklagten, bei Ausbleiben einer Antwort die Tarifeinigung in der Entgeltabrechnung nicht umzusetzen.

32

(2) Die von der Beklagten vorgebrachten Gründe für die Befragungsaktion vermögen die Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin nicht zu rechtfertigen.

33

(a) Untauglich ist schon die als Begründung für die Aufforderung vom 25. August 2010 angegebene Tarifeinigung zwischen ver.di und dem KAV Bayern. In ihrem Schreiben geht die Beklagte von „ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung“ zur „Umsetzung des mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages“ aus. Hierfür ist die Kenntnis von einer Mitgliedschaft zur GDL aber unmaßgeblich. Nach ihrem eigenen Vorbringen verwendet die Beklagte in ihren Formulararbeitsverträgen Bezugnahmeklauseln, die nicht nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit differenzieren. Soweit diese Tarifabschlüsse mit ver.di erfassen, ist die Beklagte vertraglich allen Arbeitnehmern zur Anwendung dieser Tarifverträge verpflichtet, deren Verträge eine entsprechende Bezugnahme enthalten. Ansonsten begründen diese Tarifabschlüsse nur eine normative Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern von ver.di (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Hierzu muss die Beklagte einzig die Tarifgebundenheit dieser Arbeitnehmer und nicht die von Anders- oder Nichtorganisierten kennen.

34

(b) Gleiches gilt für ihre Annahme, sie habe die Zugehörigkeit einzelner Arbeitnehmer zur GDL kennen müssen, um einem zu erwartenden Streikdruck der GDL mit einer selektiven Aussperrung von deren Mitgliedern begegnen zu können. Unabhängig davon, dass die Beklagte in dem Schreiben vom 25. August 2010 ausdrücklich angegeben hat, die Antwort der Arbeitnehmer werde „ausschließlich für die Prüfung eines Anspruchs auf die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di verwendet“, verletzt eine selektive Aussperrung, die gezielt nur die Mitglieder der streikenden Gewerkschaft erfasst, also schon Nichtorganisierte hiervon ausnimmt, ihrerseits die positive Koalitionsbetätigungsfreiheit der kampfführenden Gewerkschaft (st. Rspr. BAG 10. Juni 1980 - 1 AZR 331/79 - BAGE 33, 195). Darüber hinaus wäre die Beklagte schon aus allgemeinen arbeitskampfrechtlichen Grundsätzen zu einer Abwehraussperrung nicht befugt gewesen. Sie befand sich in einer Auseinandersetzung um einen Verbandstarifvertrag. In einem solchen Fall liegt die Entscheidung über Kampfmaßnahmen der Arbeitgeberseite allein in der Verantwortung des kampfführenden Arbeitgeberverbandes und nicht in der eines einzelnen Mitglieds (vgl. BAG 31. Oktober 1995 - 1 AZR 217/95 - zu I 1 der Gründe, BAGE 81, 213).

35

(c) Zur sachlichen Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Koalitionsbetätigungsfreiheit ist auch der Hinweis der Beklagten, zur Aufrechterhaltung einer Grundversorgung im öffentlichen Nahverkehr auf das Wissen um die Zugehörigkeit ihrer Arbeitnehmer zur GDL angewiesen zu sein, nicht geeignet. Abgesehen davon, dass es Aufgabe des kampfführenden Arbeitgeberverbandes wäre, entsprechende Notdienstvereinbarungen mit der streikführenden Gewerkschaft zu treffen, wäre hierfür die Kenntnis, welcher Arbeitnehmer der Beklagten bei der Klägerin organisiert ist, ohne jede Bedeutung.

36

bb) Gleichwohl hat der nicht auf die Befragungsaktion vom 25. August 2010 beschränkte Unterlassungsantrag keinen Erfolg. Das zur Entscheidung gestellte Globalbegehren umfasst auch Fallgestaltungen, in denen sich der Unterlassungsanspruch bereits aus deliktsrechtlichen Gründen als unbegründet erweist.

37

(1) Das in die Revisionsinstanz gelangte Begehren ist nicht nur - im Sinn einer abstrakten Beschreibung der mit dem Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 erfolgten Verletzungshandlung - auf die Untersagung von Befragungen der Arbeitnehmer im Unternehmen der Beklagten nach ihrer Zugehörigkeit zu der Klägerin im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen oder bevorstehenden Arbeitskampfmaßnahmen gerichtet. Es erfasst vielmehr jegliche schriftliche Aufforderungen der Beklagten an die im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Klägerin sind oder nicht.

38

(2) Ob in solch einer Aufforderung generell und ausnahmslos eine rechtswidrige Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit der Klägerin liegt - oder ob und unter welchen Umständen der Arbeitgeber in einem tarifpluralen Betrieb nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer fragen darf -, muss nicht entschieden werden. Es fehlt bei den nicht vom Anlassfall umfassten Fallgestaltungen an der für einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG notwendigen Begehungsgefahr. Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (vgl. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 82, BAGE 143, 354).

39

(a) Künftige Beeinträchtigungen eines geschützten Rechts sind grundsätzlich zu besorgen, wenn sie auf einer bereits erfolgten Verletzungshandlung beruhen (Wiederholungsgefahr) oder eine solche ernsthaft zu befürchten ist (Erstbegehungsgefahr). Wiederholungsgefahr ist die objektive Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung. Sie ist nicht auf die identische Verletzungsform beschränkt, sondern umfasst alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (vgl. BGH 9. September 2004 - I ZR 93/02 - zu II 4 b der Gründe). Eine Erstbegehungsgefahr besteht, wenn ein rechtswidriger Eingriff in ein absolutes Recht oder ein sonst vom Recht geschütztes Gut oder Interesse unmittelbar bevorsteht. Dafür muss die Beeinträchtigung eines geschützten Rechts konkret drohen (vgl. BGH 18. September 2009 - V ZR 75/08 - Rn. 12); sie muss ernsthaft und greifbar zu befürchten sein (BGH 15. April 1999 - I ZR 83/97 - zu II 2 b der Gründe). Berühmt sich eine Partei eines Rechts, begründet dies eine Erstbegehungsgefahr, wenn den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (BGH 4. Dezember 2008 - I ZR 94/06 - Rn. 14). Anders als bei der Wiederholungsgefahr spricht für das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr keine Vermutung, so dass derjenige, der sie geltend macht, alle Umstände darlegen und beweisen muss, aus denen sie sich im konkreten Fall ergeben soll (zu all dem BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 81 mwN, BAGE 143, 354).

40

(b) Bei der Erstbegehungs- und der Wiederholungsgefahr handelt es sich um materielle Anspruchsvoraussetzungen des Unterlassungsanspruchs. Stützt der Kläger sein Unterlassungsbegehren sowohl auf eine Wiederholungsgefahr wegen einer behaupteten Verletzungshandlung als auch auf eine Erstbegehungsgefahr wegen bestimmter Erklärungen des Beklagten, sind zwei verschiedene Streitgegenstände zur Entscheidung gestellt, da die einheitliche Rechtsfolge aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten hergeleitet wird. Hat der Kläger sein Unterlassungsbegehren zunächst nur mit einer Wiederholungsgefahr begründet, kann er sich in der Revision nicht auf eine Erstbegehungsgefahr stützen, denn in das Revisionsverfahren kann kein neuer Streitgegenstand eingeführt werden (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 82 mwN, BAGE 143, 354).

41

(c) Nach diesen Grundsätzen besteht im Hinblick auf das Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 zwar eine Wiederholungsgefahr für Fragen nach der Zugehörigkeit der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zur Klägerin, allerdings nur hinsichtlich der in dem Schreiben liegenden - im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen und mit (bevorstehenden) Arbeitskampfmaßnahmen anzunehmenden - Verletzungshandlung. Das Schreiben begründet daher keine Wiederholungsgefahr zu belegschaftsbezogenen Befragungen, die keinen solchen situativen und zeitlichen Kontext aufweisen. Eine solche hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Auf eine Erstbegehungsgefahr in anderen konkreten Zusammenhängen hat sie sich nicht berufen.

42

B. Die Revision der Beklagten ist begründet. Der von ihr erfasste Hilfsantrag ist mangels hinreichender Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

43

I. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Fall einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird(BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 25, BAGE 144, 1). Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können (BAG 14. März 2012 - 7 ABR 67/10 - Rn. 9). Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, weil andernfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 15, BAGE 141, 360). Zukunftsgerichtete Verbote lassen sich häufig nur generalisierend formulieren. Die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung steht daher der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag nicht generell entgegen (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 11, BAGE 132, 140).

44

II. Danach ist der Unterlassungshilfsantrag nicht hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat von der begehrten Unterlassung die Konstellation ausgenommen, „dass die Frage zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist“. Diese den Antrag einschränkende Bedingung („…, es sei denn, dass…“) ist nicht ausreichend klar. Die Problematik, wann die beschriebene Fragestellung „zur Klärung“ der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin geschlossenen Tarifvertrag „erforderlich“ - also nicht von der erstrebten Unterlassung umfasst - ist, kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, so insbesondere dem jeweiligen Geltungs- oder Anwendungsanspruch eines mit der Klägerin geschlossenen Tarifvertrags beurteilt werden. Ebenso wie die Parteien gerade auch im vorliegenden Rechtsstreit unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob das Schreiben der Beklagten vom 25. August 2010 zur Klärung der Anwendung der Arbeitsbedingungen aus der mit ver.di am 20. August 2010 erzielten Tarifeinigung „erforderlich“ war, sind - je nach Fallkonstellation - unterschiedliche Einschätzungen zur Notwendigkeit der Befragung der Arbeitnehmer nach ihrer Zugehörigkeit zur Klägerin zu erwarten, wenn diese einen einschlägigen Tarifvertrag geschlossen hat. Die im Antrag formulierte Bedingung ist auch nicht nur von dem Willen der Beklagten abhängig (vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 30, BAGE 144, 1). Die Entscheidung über die Unerlässlichkeit der Fragestellung zu einem bestimmten Zweck würde in das Vollstreckungsverfahren verlagert und damit für die Beklagte als Unterlassungsschuldnerin eine unzumutbare Unsicherheit über die Reichweite des ihr auferlegten Unterlassungsgebots bedeuten.

45

C. Bei dem wegen der Zurückweisung der Revision der Klägerin und der Stattgabe der Revision der Beklagten zur Senatsentscheidung anfallenden „äußerst hilfsweise gestellten“ Antrag der Klägerin, „die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, Arbeitnehmer ihres Betriebes nach der Mitgliedschaft in der Klägerin zu befragen, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen haben, die im Betrieb Geltung haben, zu fragen“, handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

46

I. Im Revisionsverfahren können neue prozessuale Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden (vgl. BAG 5. Dezember 2012 - 7 AZR 698/11 - Rn. 60 mwN, BAGE 144, 85). Klageänderungen und Klageerweiterungen können in der Revisionsinstanz nur dann ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn sich der neue Antrag - abgesehen von den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO(hierzu BAG 14. Dezember 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 21 mwN) - auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt oder ggf. auf den unstreitigen Parteivortrag stützt (vgl. zB [im Beschlussverfahren] BAG 20. April 2010 - 1 ABR 78/08 - Rn. 37, BAGE 134, 62). Erforderlich ist außerdem, dass berechtigte Interessen der gegnerischen Partei nicht beeinträchtigt werden (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 15 mwN).

47

II. Danach ist die mit dem äußerst hilfsweisen Unterlassungsbegehren angebrachte Klageänderung unzulässig. Die Klägerin hat damit ihren Haupt- oder Hilfsantrag nicht im Wege einer Teilklagerücknahme iSd. § 264 Nr. 2 ZPO beschränkt. Die Unterlassung von Fragen nach der Mitgliedschaft bei der Klägerin, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen und die im Betrieb Geltung haben, zu fragen, betrifft mit den damit aufgeworfenen Gleichbehandlungsfragen einen anderen Streitgegenstand und ändert das rechtliche Prüfprogramm.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    H. Schwitzer    

                 

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. November 2012 - 12 Sa 654/11 - wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das genannte Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2011 - 10 Ca 6462/10 - zurückgewiesen hat. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Befugnis der Arbeitgeberin, betriebszugehörige Arbeitnehmer nach ihrer Mitgliedschaft in einer bestimmten Gewerkschaft zu befragen.

2

Die Klägerin - die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) - organisiert ua. das Fahrpersonal von Nahverkehrsunternehmen im Freistaat Bayern und ist Mitglied der dbb tarifunion. Die Beklagte ist als kommunales Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in M ua. im Personennahverkehr tätig und gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser schloss am 18. August 2006 mit der dbb tarifunion sowie mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) - Landesbezirk Bayern - jeweils einen gleichlautenden, am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen „Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N Bayern)“. Seitdem enthalten die Arbeitsverträge der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer eine Bezugnahme auf den TV-N Bayern. Zuvor geschlossene „Alt“arbeitsverträge verweisen - in unterschiedlichen Formulierungen - auf die Bestimmungen des „Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe“.

3

Nach Kündigungen des jeweils mit ihnen geschlossenen TV-N Bayern (in den Fassungen des 2. Änderungstarifvertrags) zum 30. Juni 2010 verhandelten ver.di und dbb tarifunion zunächst gemeinsam mit dem KAV Bayern über einen neuen Tarifabschluss. Am 20. August 2010 erzielten ver.di und der KAV Bayern eine Einigung. Die dbb tarifunion erklärte in einem an den KAV Bayern gerichteten Schreiben vom 25. August 2010 „die Verhandlungen … formal für gescheitert“ und teilte mit, dass „der Vorstand … die Durchführung der Urabstimmung beschlossen“ habe. Mit Schreiben vom selben Tag wandte sich die Beklagte an „die Tarifbeschäftigten des Unternehmensbereichs Verkehr“. Das Schreiben und ein ihm beigelegtes Antwortformular lauten:

        

„…    

        

es hat nach Kündigung des Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N Bayern) durch die Gewerkschaft ver.di und GDL/dbb Tarifunion mehrere Verhandlungsrunden, zuletzt am 20. August 2010, in Nürnberg gegeben.

        

Mit der Gewerkschaft ver.di wurde am 20. August 2010 eine Tarifeinigung erzielt.

        

Diese Einigung sieht unter anderem bereits zum 1. September eine Erhöhung des Tabellenentgeltes um 1,6% sowie eine Einmalzahlung von 240 € vor.

        

Ebenfalls wurde mit ver.di vereinbart, dass die Schicht- und Wechselschichtzulagen ab dem 1. September 2010 um 1,6 % erhöht werden und es zu zusätzlichen strukturellen Verbesserungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit kommt.

        

Im Gegensatz dazu, hat die GDL / dbb tarifunion die Verhandlungen für gescheitert erklärt.

        

Ansprüche aus der Einigung mit der Gewerkschaft ver.di können GDL Mitglieder daher nicht geltend machen.

        

Für die Mitglieder der GDL gibt es keine entsprechende Einigung über eine prozentuale Erhöhung des Tabellenentgeltes, der Erhöhung der Schicht- und Wechselschichtzulagen, der strukturellen Verbesserungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit sowie über eine Einmalzahlung zum 01. September 2010.

                 
        

Damit die S M GmbH ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen auf die Umsetzung des mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages nachkommen kann und - wie auch in der Vergangenheit - die nichtorganisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls an der Umsetzung teilhaben, sind wir auf Ihre Mitwirkung angewiesen.

        

Dies ist in Ihrem eigenen Interesse, da wir ohne Beantwortung und Rückmeldung der als Anlage beigeführten Frage davon ausgehen müssen, dass Sie keinen Anspruch auf die Umsetzung des Tarifergebnisses aus der Einigung vom 20.08.2010 haben.

        

Ihre Antwort wird ausschließlich für die Prüfung eines Anspruches auf die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di verwendet.

        

Bitte senden oder faxen Sie uns Ihre Antwort unterschrieben bis spätestens 10. September 2010 in beigefügtem Rückantwortkuvert an Herrn D, P-SC-S1. Sollten Sie an der zeitgerechten Rückmeldung gehindert sein, holen Sie diese schnellstmöglich nach. Solange keine Rückmeldung erfolgt, kann die Tarifeinigung für Sie in der Entgeltabrechnung nicht umgesetzt werden.

        

…       

        

Rückantwort

                 
        

Name: 

…       

        

Vorname:

…       

        

Personalnummer:

…       

                          
        

Hiermit erkläre ich, dass ich Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL bin (bitte ankreuzen).

                 
        

ja

☐  

        

nein

☐    

                          
        

M, den ……………………

                          
        

Unterschrift“

4

Im Anschluss an eine Urabstimmung vom 1. bis 6. September 2010 rief die dbb tarifunion - in Abstimmung mit der GDL - erstmals für den 10. September 2010 zum Streik auf. Nach weiteren Streikaufrufen einigten sich die dbb tarifunion und der KAV Bayern am 15. November 2010 über Änderungen des TV-N Bayern mit Wirkung ua. zum 1. September 2010.

5

Durch die Befragungsaktion vom 25. August 2010 sieht sich die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt. Mit ihrer am 22. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage - und späteren Klageerweiterungen um Hilfsanträge - hat sie die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Zur Begründung hat sie erstinstanzlich vorgebracht, es gehe nicht darum, ob ein Arbeitgeber generell berechtigt sei, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nach einer bestimmten Gewerkschaftszugehörigkeit zu fragen; eine Befugnis der Beklagten zur Frage nach der Zugehörigkeit zur GDL sei „in der momentanen konkreten Situation“ aber „nicht geraten“ gewesen. Das Schreiben vom 25. August 2010 habe auf die Einschätzung ihres Organisationsgrades im Unternehmen der Beklagten gezielt. Das verletze sie in ihrer Koalitionsfreiheit. Unter den konkreten betrieblichen und koalitionsspezifischen Umständen seien keine Fallkonstellationen denkbar, in denen die Beklagte die Tarifgebundenheit der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer kennen müsse. Vor allem in der Berufungsinstanz hat die Klägerin den Standpunkt eingenommen, ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer bestehe grundsätzlich nicht. Eine solche Frage sei immer, also unabhängig von einem Zusammenhang mit Arbeitskampf oder Tarifvertragsverhandlungen und auch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Mitgliedschaft von Arbeitnehmern in anderen Gewerkschaften eruiere, ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Koalitionsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft. Das gelte auch in einem tarifpluralen Betrieb.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL sind oder nicht;

        

hilfsweise,

        

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer GDL sind oder nicht, es sei denn, dass die Frage zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, im Hinblick auf die Geltung mehrerer Tarifverträge in ihrem Betrieb sei sie zu der mit dem Schreiben vom 25. August 2010 formulierten Aufforderung berechtigt gewesen. Wegen der mit ver.di erzielten Tarifeinigung habe sie wissen müssen, wer Mitglied der GDL sei, denn diesen Beschäftigten hätten keine - auch keine vertraglichen - Ansprüche aus der Einigung zugestanden. Zudem folge ihre Berechtigung zu der gestellten Frage in einer Arbeitskampfsituation wie der im August/September 2010 bestehenden daraus, dass sie wegen der auf die Mitglieder der GDL zu beschränkenden Möglichkeit von Aussperrungen wissen müsse, wer in dieser als der streikführenden Gewerkschaft organisiert sei. Auch für das Aufstellen von Noteinsatzplänen in ihrem Unternehmen der Daseinsvorsorge sei diese Kenntnis unerlässlich gewesen. Ungeachtet dessen setze die Anerkennung der Tarifpluralität ein generelles Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zumindest während des Bestands des Arbeitsverhältnisses voraus. Nur so könne sich der Arbeitgeber gesetzeskonform verhalten.

8

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben und ausgeführt, die Befragung der Arbeitnehmer nach ihrer Zugehörigkeit zur Klägerin verletze diese in ihrem Koalitionsrecht „unabhängig von ihrer zeitlichen Lage im Zusammenhang mit einem Arbeitskampf oder Tarifverhandlungen und unabhängig davon, ob auch die Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften und die Nichtorganisation erfragt“ werde. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten den Hauptantrag abgewiesen und nach dem zuletzt gestellten Hilfsantrag erkannt. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und beantragt außerdem „äußerst hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, Arbeitnehmer ihres Betriebes nach der Mitgliedschaft in der Klägerin zu befragen, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen haben, die im Betrieb Geltung haben, zu fragen“. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision die Abweisung auch des Hilfsantrags. Im Übrigen beantragen beide Parteien jeweils die Zurückweisung der gegnerischen Revision.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das hauptsächliche Unterlassungsbegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der nicht auf einen Sachverhalt wie den Anlassfall des Schreibens vom 25. August 2010 beschränkte, sondern alle denkbaren Fallgestaltungen umfassende Unterlassungsanspruch besteht schon aus deliktsrechtlichen Gründen nicht. Die Revision der Beklagten hat dagegen Erfolg. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht nach dem Hilfsantrag der Klägerin erkannt. Dieser ist unzulässig. Bei dem höchst hilfsweisen Antrag der Klägerin handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

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A. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

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I. Sie hat nicht bereits deshalb Erfolg, weil das Landesarbeitsgericht mit der Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils und der Abweisung des Hauptantrags unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über einen anderen Streitgegenstand als den von der Klägerin zur Entscheidung gestellten befunden hat. Allerdings kommt es durchaus in Betracht, dass jedenfalls das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verletzt hat.

12

1. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste. Das ist Ausdruck der den Zivilprozess beherrschenden Dispositionsmaxime. Das Gericht darf der klagenden Partei weder quantitativ mehr noch qualitativ etwas anderes zuerkennen. Ein in den Vorinstanzen erfolgter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 10 mwN, BAGE 117, 137).

13

2. Vorliegend kann im Ergebnis offen bleiben, ob das Arbeitsgericht der Klägerin etwas anderes zugesprochen hat als diese erstinstanzlich beantragt hatte.

14

a) Der arbeitsgerichtliche Entscheidungsausspruch ist sprachlich nicht anders gefasst als der von der Klägerin gestellte Hauptantrag. Ausgehend vom Antragsverständnis liegt es dennoch nahe, dass das Arbeitsgericht über etwas anderes entschieden hat als das von der Klägerin Begehrte.

15

aa) Entscheidend für die Beurteilung der Frage, welchen Streitgegenstand ein Kläger mit einem Antrag zur Entscheidung gestellt und über welchen Streitgegenstand das Gericht entschieden hat, ist nicht allein der Wortlaut von Antrag und Urteilsausspruch. Es kommt vielmehr auf deren - ggf. durch Auslegung zu ermittelnden - streitgegenständlichen Inhalte an. Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. zB BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 16 mwN). Nach diesem „zweigliedrigen Streitgegenstand“ im Zivilprozess kennzeichnet allein das Klageziel den Streitgegenstand nicht. Zum Streitgegenstand zählen vielmehr alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, der zur Stützung des Rechtsschutzbegehrens unterbreitet wird (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 23, BAGE 145, 142; 11. Oktober 2011 - 3 AZR 795/09 - Rn. 17 mwN; vgl. zum identischen Streitgegenstandsbegriff im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zB BAG 5. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 13). Der Streitgegenstand wird ausschließlich vom Kläger mit seinem Klagebegehren bestimmt. Das Vorbringen des Beklagten oder Verteidigungsvorbringen des Klägers gegenüber dem Beklagtenvortrag verändert den vom Kläger mit seinem Antrag und seinem Klagevorbringen festgelegten Streitgegenstand nicht (BAG 25. September 2013 - 10 AZR 454/12 - Rn. 17, BAGE 146, 123; BGH 23. Juli 2008 - XII ZR 158/06 - Rn. 20). Er ändert sich iSv. § 263 ZPO jedoch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist(BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18).

16

bb) Bei einem Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot einer bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat und mit dem Antrag abstrahierend beschreiben muss. Die Verletzungshandlung stellt den Klagegrund dar, durch den der Streitgegenstand der Unterlassungsklage neben dem Klageziel bestimmt wird (vgl. BAG 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 - Rn. 16 mwN, BAGE 133, 75). Die umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt den Inhalt des Klagebegehrens.

17

cc) Gemessen hieran spricht vieles dafür, dass die Klägerin den erstinstanzlich gestellten Unterlassungshauptantrag nur auf solche schriftliche Befragungen der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer nach deren Zugehörigkeit zur GDL bezogen hat, die in einem Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen und - sei es sich abzeichnenden oder bevorstehenden - Arbeitskampfmaßnahmen stehen. Sie hat als behauptete Verletzungshandlung auf das Schreiben vom 25. August 2010 und die Begleitumstände seiner Fertigung verwiesen. Unter Zugrundelegung einer aus ihrer Sicht gegebenen Zielrichtung der schriftlichen Befragung, den Organisationsgrad der GDL im Beklagtenunternehmen ergründen zu wollen, hat sie den von ihr verfolgten Anspruch auf einen unzulässigen Eingriff in ihre Koalitionsfreiheit gestützt. Es ging ihr (zunächst) nicht allgemein und unabhängig von den Umständen darum, dass die Beklagte jegliche schriftliche Aufforderungen an die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer unterlässt, eine Erklärung abzugeben, ob sie Mitglied der Klägerin sind oder nicht. Das zeigt sich vor allem darin, dass sie die Befugnis der Beklagten zu der Fragestellung „in der momentanen konkreten Situation“ in Abrede gestellt und „unter den konkreten betrieblichen und koalitionsspezifischen Umständen keinerlei Fallkonstellationen“ als „denkbar“ angesehen hat, „in denen die Beklagte darauf angewiesen ist, exakt zu wissen, welche normativen tariflichen Bindungen zu den … beschäftigten Arbeitnehmern bestehen“. Demgegenüber hat das Arbeitsgericht ohne nähere Ausführungen das Begehren offensichtlich so verstanden, dass es auf die Untersagung jeglicher schriftlicher Befragungen von Arbeitnehmern im Unternehmen der Beklagten zu einer Mitgliedschaft bei der GDL zielt. Es hat die erstrebte Unterlassung als Globalantrag angesehen und ausgeführt, es seien „keine Konstellationen ersichtlich“, in denen eine Aufforderung zur Offenlegung der Zugehörigkeit zur Klägerin keinen Eingriff in deren Koalitionsfreiheit darstellte. Damit hat es aber letztlich den mit der Klage zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt erweitert.

18

b) Ein darin liegender Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO wäre allerdings in zweiter Instanz geheilt.

19

aa) Die Verletzung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann geheilt werden, wenn die klagende Partei sich die angefochtene Entscheidung im zweiten Rechtszug durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung zu Eigen macht(vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 15 mwN, BAGE 117, 137).

20

bb) Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht vorbehaltlos die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt. Damit hat sie sich das erstinstanzliche Urteil - und insbesondere dessen Antragsverständnis - zu Eigen gemacht. Das zeigen auch ihre Ausführungen in der Berufungserwiderung, die sich nunmehr losgelöst vom konkreten Anlassfall - dem Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 - auf jegliche Befragungen der Beklagten zu einer Mitgliedschaft ihrer Beschäftigten bei der Klägerin beziehen. Die Beklagte hat hiergegen keine Einwendungen erhoben. Sie hat weder die Verletzung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gerügt noch sich gegen die in dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung etwa liegende Klageerweiterung gewandt.

21

II. Das hauptsächliche Unterlassungsbegehren ist in der Fassung, das es jedenfalls im zweiten Rechtszug erfahren hat, zulässig, aber unbegründet.

22

1. Der Antrag ist zulässig.

23

a) Die Klägerin verlangt die Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen der Beklagten an die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu einer schriftlichen Erklärung, ob sie bei der Klägerin organisiert sind oder nicht. Dieses Begehren ist dahin zu verstehen, dass die Unterlassungspflicht der Beklagten unabhängig von der Zielrichtung und den konkreten Einzelfallumständen einer schriftlichen Aufforderung zu der beschriebenen Erklärung bestehen soll.

24

b) In diesem Verständnis begegnen dem in erster Linie verfolgten Antrag keine Zulässigkeitsbedenken; insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er lässt mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, welche Handlung der Beklagten untersagt werden soll. Dass es sich um einen Globalantrag handelt, der eine unbestimmte Vielzahl möglicher zukünftiger Fallgestaltungen erfasst, steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen. Er ist ausnahmslos auf alle denkbaren Fälle gerichtet. Ob das verfolgte Unterlassungsbegehren für sämtliche Fälle berechtigt ist, betrifft die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit des Antrags (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 25, BAGE 122, 134).

25

2. Der Antrag ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen an die in deren Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu einer schriftlichen Erklärung, ob sie Mitglied der GDL sind oder nicht. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Zwar verletzt das Schreiben der Beklagten vom 25. August 2010 die Klägerin in ihrer von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten kollektiven Koalitionsfreiheit. Die beanspruchte Unterlassung umfasst aber auch Fallgestaltungen, bei denen es schon an einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr fehlt, die eine - von der Klägerin darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist.

26

a) Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer vom Störer die Beseitigung und weitere Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Diese Ansprüche sind nicht auf Eigentumsverletzungen beschränkt, sondern bestehen darüber hinaus zur Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen(BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 39, BAGE 138, 68). Hierzu gehört auch die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit. Gegen rechtswidrige Eingriffe in diese Freiheit kann sich eine Koalition mit auf § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG gestützten Unterlassungsklagen wehren(zum Unterlassungsanspruch einer Gewerkschaft vgl. BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 39, aaO; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 91, 210; zum Unterlassungsanspruch eines Arbeitgeberverbandes vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 54, BAGE 122, 134).

27

b) Für die mit dem Hauptantrag erstrebte Unterlassung liegen die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs aber nicht vor.

28

aa) Allerdings hat die Beklagte mit ihrer Frageaktion die kollektive Koalitionsfreiheit der Klägerin aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt.

29

(1) Die Befragung von Arbeitnehmern nach Maßgabe des Schreibens vom 25. August 2010 beeinträchtigt die kollektive Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin.

30

(a) Der sich auf alle koalitionsspezifischen Betätigungsweisen erstreckende Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht(BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe mwN; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, BAGE 132, 140). Ihre Aufgabe ist es, den von der staatlichen Rechtsetzung frei gelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, insbesondere die Höhe der Arbeitsvergütung für die verschiedenen Berufstätigkeiten festzulegen, und so letztlich die Gemeinschaft sozial zu befrieden (BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - BVerfGE 18, 18). Dazu versuchen die Koalitionen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in gemeinsamen Verhandlungen zu einem Interessenausgleich zu gelangen und die jeweils andere Seite zur Übernahme der selbst für richtig befundenen Position ganz oder in Teilen zu bewegen (BAG 13. Juli 1993 - 1 AZR 676/92 - zu III 1 b der Gründe, BAGE 73, 320). Die Verhandlungsstärke einer Arbeitnehmerkoalition hängt von der Zahl ihrer Mitglieder ab (BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 352). Diese sichern nicht nur deren finanziellen Bestand, sondern sind auch Garanten ihrer Durchsetzungsfähigkeit in den Vertragsverhandlungen mit dem sozialen Gegenspieler. Der Organisationsgrad einer Gewerkschaft wie die Verteilung ihrer Mitglieder in den Betrieben des jeweiligen Tarifgebiets sind bestimmend für die Wahl der Mittel, die eine Arbeitnehmerkoalition einsetzen kann, um in Tarifverhandlungen mit der Arbeitgeberseite zum Abschluss zu gelangen. Ein solches Mittel ist auch der Arbeitskampf. Welches Arbeitskampfmittel die Arbeitnehmerorganisation in welchem Umfang einsetzt und welches Kampfgebiet sie hierfür wählt, geben vor allem der Organisationsgrad und die betriebliche Zuordnung ihrer Mitglieder vor. Sind der Arbeitgeberseite diese Daten bekannt, kann sie sowohl ihre Verhandlungsposition als auch im Falle eines Arbeitskampfes ihre Arbeitskampfmittel hierauf einstellen. Die Ungewissheit des sozialen Gegenspielers über die tatsächliche Durchsetzungskraft der Arbeitnehmerkoalition in einer konkreten Verhandlungssituation ist demnach grundlegend dafür, dessen Verhandlungsbereitschaft zu fördern und zu einem angemessenen Interessenausgleich zu gelangen. Im Hinblick darauf schützt Art. 9 Abs. 3 GG eine Gewerkschaft auch darin, diese Angaben der Arbeitgeberseite in einer konkreten Verhandlungssituation vorzuenthalten, um sich nicht selbst zu schwächen.

31

(b) Die Befragungsaktion der Beklagten ist eine gegen die koalitionsspezifische Betätigungsfreiheit der Klägerin gerichtete Maßnahme. Die von ihren Arbeitnehmern geforderten Auskünfte verschaffen der Beklagten Kenntnis vom Umfang des Mitgliederbestandes der GDL in ihrem „Unternehmensbereich Verkehr“ sowie dessen konkreter innerbetrieblicher Verteilung. Bei wahrheitsgemäßer Beantwortung erlangte die Beklagte anhand des geforderten Namens sowie der Personalnummer Informationen über den Organisationsgrad der GDL und zum konkreten Einsatzort des einzelnen GDL-Mitglieds. Diese Informationen des gewerkschaftlichen Binnenbereichs erlauben es ihr, die Verhandlungsstärke der Gewerkschaftsseite in einer laufenden Tarifauseinandersetzung konkret einzuschätzen und damit die Verhandlungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite hierauf einzustellen. Darüber hinaus ist die mit der Befragungsaktion verbundene Zusage, allen Arbeitnehmern, die nicht Mitglied der GDL sind, ungeachtet einer Gewerkschaftszugehörigkeit den mit ver.di erzielten Tarifabschluss zukommen zu lassen, geeignet, durch finanzielle Anreize Nichtorganisierte von einem Beitritt zur GDL abzuhalten und damit Einfluss auf deren Mitgliederbestand zu nehmen. Diesen Druck verstärkt die weitere Ankündigung der Beklagten, bei Ausbleiben einer Antwort die Tarifeinigung in der Entgeltabrechnung nicht umzusetzen.

32

(2) Die von der Beklagten vorgebrachten Gründe für die Befragungsaktion vermögen die Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin nicht zu rechtfertigen.

33

(a) Untauglich ist schon die als Begründung für die Aufforderung vom 25. August 2010 angegebene Tarifeinigung zwischen ver.di und dem KAV Bayern. In ihrem Schreiben geht die Beklagte von „ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung“ zur „Umsetzung des mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages“ aus. Hierfür ist die Kenntnis von einer Mitgliedschaft zur GDL aber unmaßgeblich. Nach ihrem eigenen Vorbringen verwendet die Beklagte in ihren Formulararbeitsverträgen Bezugnahmeklauseln, die nicht nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit differenzieren. Soweit diese Tarifabschlüsse mit ver.di erfassen, ist die Beklagte vertraglich allen Arbeitnehmern zur Anwendung dieser Tarifverträge verpflichtet, deren Verträge eine entsprechende Bezugnahme enthalten. Ansonsten begründen diese Tarifabschlüsse nur eine normative Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern von ver.di (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Hierzu muss die Beklagte einzig die Tarifgebundenheit dieser Arbeitnehmer und nicht die von Anders- oder Nichtorganisierten kennen.

34

(b) Gleiches gilt für ihre Annahme, sie habe die Zugehörigkeit einzelner Arbeitnehmer zur GDL kennen müssen, um einem zu erwartenden Streikdruck der GDL mit einer selektiven Aussperrung von deren Mitgliedern begegnen zu können. Unabhängig davon, dass die Beklagte in dem Schreiben vom 25. August 2010 ausdrücklich angegeben hat, die Antwort der Arbeitnehmer werde „ausschließlich für die Prüfung eines Anspruchs auf die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di verwendet“, verletzt eine selektive Aussperrung, die gezielt nur die Mitglieder der streikenden Gewerkschaft erfasst, also schon Nichtorganisierte hiervon ausnimmt, ihrerseits die positive Koalitionsbetätigungsfreiheit der kampfführenden Gewerkschaft (st. Rspr. BAG 10. Juni 1980 - 1 AZR 331/79 - BAGE 33, 195). Darüber hinaus wäre die Beklagte schon aus allgemeinen arbeitskampfrechtlichen Grundsätzen zu einer Abwehraussperrung nicht befugt gewesen. Sie befand sich in einer Auseinandersetzung um einen Verbandstarifvertrag. In einem solchen Fall liegt die Entscheidung über Kampfmaßnahmen der Arbeitgeberseite allein in der Verantwortung des kampfführenden Arbeitgeberverbandes und nicht in der eines einzelnen Mitglieds (vgl. BAG 31. Oktober 1995 - 1 AZR 217/95 - zu I 1 der Gründe, BAGE 81, 213).

35

(c) Zur sachlichen Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Koalitionsbetätigungsfreiheit ist auch der Hinweis der Beklagten, zur Aufrechterhaltung einer Grundversorgung im öffentlichen Nahverkehr auf das Wissen um die Zugehörigkeit ihrer Arbeitnehmer zur GDL angewiesen zu sein, nicht geeignet. Abgesehen davon, dass es Aufgabe des kampfführenden Arbeitgeberverbandes wäre, entsprechende Notdienstvereinbarungen mit der streikführenden Gewerkschaft zu treffen, wäre hierfür die Kenntnis, welcher Arbeitnehmer der Beklagten bei der Klägerin organisiert ist, ohne jede Bedeutung.

36

bb) Gleichwohl hat der nicht auf die Befragungsaktion vom 25. August 2010 beschränkte Unterlassungsantrag keinen Erfolg. Das zur Entscheidung gestellte Globalbegehren umfasst auch Fallgestaltungen, in denen sich der Unterlassungsanspruch bereits aus deliktsrechtlichen Gründen als unbegründet erweist.

37

(1) Das in die Revisionsinstanz gelangte Begehren ist nicht nur - im Sinn einer abstrakten Beschreibung der mit dem Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 erfolgten Verletzungshandlung - auf die Untersagung von Befragungen der Arbeitnehmer im Unternehmen der Beklagten nach ihrer Zugehörigkeit zu der Klägerin im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen oder bevorstehenden Arbeitskampfmaßnahmen gerichtet. Es erfasst vielmehr jegliche schriftliche Aufforderungen der Beklagten an die im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Klägerin sind oder nicht.

38

(2) Ob in solch einer Aufforderung generell und ausnahmslos eine rechtswidrige Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit der Klägerin liegt - oder ob und unter welchen Umständen der Arbeitgeber in einem tarifpluralen Betrieb nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer fragen darf -, muss nicht entschieden werden. Es fehlt bei den nicht vom Anlassfall umfassten Fallgestaltungen an der für einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG notwendigen Begehungsgefahr. Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (vgl. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 82, BAGE 143, 354).

39

(a) Künftige Beeinträchtigungen eines geschützten Rechts sind grundsätzlich zu besorgen, wenn sie auf einer bereits erfolgten Verletzungshandlung beruhen (Wiederholungsgefahr) oder eine solche ernsthaft zu befürchten ist (Erstbegehungsgefahr). Wiederholungsgefahr ist die objektive Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung. Sie ist nicht auf die identische Verletzungsform beschränkt, sondern umfasst alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (vgl. BGH 9. September 2004 - I ZR 93/02 - zu II 4 b der Gründe). Eine Erstbegehungsgefahr besteht, wenn ein rechtswidriger Eingriff in ein absolutes Recht oder ein sonst vom Recht geschütztes Gut oder Interesse unmittelbar bevorsteht. Dafür muss die Beeinträchtigung eines geschützten Rechts konkret drohen (vgl. BGH 18. September 2009 - V ZR 75/08 - Rn. 12); sie muss ernsthaft und greifbar zu befürchten sein (BGH 15. April 1999 - I ZR 83/97 - zu II 2 b der Gründe). Berühmt sich eine Partei eines Rechts, begründet dies eine Erstbegehungsgefahr, wenn den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (BGH 4. Dezember 2008 - I ZR 94/06 - Rn. 14). Anders als bei der Wiederholungsgefahr spricht für das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr keine Vermutung, so dass derjenige, der sie geltend macht, alle Umstände darlegen und beweisen muss, aus denen sie sich im konkreten Fall ergeben soll (zu all dem BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 81 mwN, BAGE 143, 354).

40

(b) Bei der Erstbegehungs- und der Wiederholungsgefahr handelt es sich um materielle Anspruchsvoraussetzungen des Unterlassungsanspruchs. Stützt der Kläger sein Unterlassungsbegehren sowohl auf eine Wiederholungsgefahr wegen einer behaupteten Verletzungshandlung als auch auf eine Erstbegehungsgefahr wegen bestimmter Erklärungen des Beklagten, sind zwei verschiedene Streitgegenstände zur Entscheidung gestellt, da die einheitliche Rechtsfolge aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten hergeleitet wird. Hat der Kläger sein Unterlassungsbegehren zunächst nur mit einer Wiederholungsgefahr begründet, kann er sich in der Revision nicht auf eine Erstbegehungsgefahr stützen, denn in das Revisionsverfahren kann kein neuer Streitgegenstand eingeführt werden (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 82 mwN, BAGE 143, 354).

41

(c) Nach diesen Grundsätzen besteht im Hinblick auf das Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 zwar eine Wiederholungsgefahr für Fragen nach der Zugehörigkeit der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zur Klägerin, allerdings nur hinsichtlich der in dem Schreiben liegenden - im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen und mit (bevorstehenden) Arbeitskampfmaßnahmen anzunehmenden - Verletzungshandlung. Das Schreiben begründet daher keine Wiederholungsgefahr zu belegschaftsbezogenen Befragungen, die keinen solchen situativen und zeitlichen Kontext aufweisen. Eine solche hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Auf eine Erstbegehungsgefahr in anderen konkreten Zusammenhängen hat sie sich nicht berufen.

42

B. Die Revision der Beklagten ist begründet. Der von ihr erfasste Hilfsantrag ist mangels hinreichender Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

43

I. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Fall einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird(BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 25, BAGE 144, 1). Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können (BAG 14. März 2012 - 7 ABR 67/10 - Rn. 9). Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, weil andernfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 15, BAGE 141, 360). Zukunftsgerichtete Verbote lassen sich häufig nur generalisierend formulieren. Die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung steht daher der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag nicht generell entgegen (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 11, BAGE 132, 140).

44

II. Danach ist der Unterlassungshilfsantrag nicht hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat von der begehrten Unterlassung die Konstellation ausgenommen, „dass die Frage zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist“. Diese den Antrag einschränkende Bedingung („…, es sei denn, dass…“) ist nicht ausreichend klar. Die Problematik, wann die beschriebene Fragestellung „zur Klärung“ der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin geschlossenen Tarifvertrag „erforderlich“ - also nicht von der erstrebten Unterlassung umfasst - ist, kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, so insbesondere dem jeweiligen Geltungs- oder Anwendungsanspruch eines mit der Klägerin geschlossenen Tarifvertrags beurteilt werden. Ebenso wie die Parteien gerade auch im vorliegenden Rechtsstreit unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob das Schreiben der Beklagten vom 25. August 2010 zur Klärung der Anwendung der Arbeitsbedingungen aus der mit ver.di am 20. August 2010 erzielten Tarifeinigung „erforderlich“ war, sind - je nach Fallkonstellation - unterschiedliche Einschätzungen zur Notwendigkeit der Befragung der Arbeitnehmer nach ihrer Zugehörigkeit zur Klägerin zu erwarten, wenn diese einen einschlägigen Tarifvertrag geschlossen hat. Die im Antrag formulierte Bedingung ist auch nicht nur von dem Willen der Beklagten abhängig (vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 30, BAGE 144, 1). Die Entscheidung über die Unerlässlichkeit der Fragestellung zu einem bestimmten Zweck würde in das Vollstreckungsverfahren verlagert und damit für die Beklagte als Unterlassungsschuldnerin eine unzumutbare Unsicherheit über die Reichweite des ihr auferlegten Unterlassungsgebots bedeuten.

45

C. Bei dem wegen der Zurückweisung der Revision der Klägerin und der Stattgabe der Revision der Beklagten zur Senatsentscheidung anfallenden „äußerst hilfsweise gestellten“ Antrag der Klägerin, „die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, Arbeitnehmer ihres Betriebes nach der Mitgliedschaft in der Klägerin zu befragen, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen haben, die im Betrieb Geltung haben, zu fragen“, handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

46

I. Im Revisionsverfahren können neue prozessuale Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden (vgl. BAG 5. Dezember 2012 - 7 AZR 698/11 - Rn. 60 mwN, BAGE 144, 85). Klageänderungen und Klageerweiterungen können in der Revisionsinstanz nur dann ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn sich der neue Antrag - abgesehen von den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO(hierzu BAG 14. Dezember 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 21 mwN) - auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt oder ggf. auf den unstreitigen Parteivortrag stützt (vgl. zB [im Beschlussverfahren] BAG 20. April 2010 - 1 ABR 78/08 - Rn. 37, BAGE 134, 62). Erforderlich ist außerdem, dass berechtigte Interessen der gegnerischen Partei nicht beeinträchtigt werden (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 15 mwN).

47

II. Danach ist die mit dem äußerst hilfsweisen Unterlassungsbegehren angebrachte Klageänderung unzulässig. Die Klägerin hat damit ihren Haupt- oder Hilfsantrag nicht im Wege einer Teilklagerücknahme iSd. § 264 Nr. 2 ZPO beschränkt. Die Unterlassung von Fragen nach der Mitgliedschaft bei der Klägerin, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen und die im Betrieb Geltung haben, zu fragen, betrifft mit den damit aufgeworfenen Gleichbehandlungsfragen einen anderen Streitgegenstand und ändert das rechtliche Prüfprogramm.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    H. Schwitzer    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 18. Juni 2009 - 2 Sa 176/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Anspruch einer Gewerkschaft auf Beseitigung der individualrechtlichen Folgen einer tarifwidrigen betrieblichen Arbeitszeit- und Vergütungsregelung.

2

Die Beklagte vertreibt und montiert medizinisch-technische Geräte. Bei ihr bestehen aufgrund einer Betriebsvereinbarung nach § 3 BetrVG ein Betriebsrat für den Außendienst und ein Betriebsrat für den Innendienst. Im Außendienst beschäftigt die Beklagte rund 650 Arbeitnehmer, im Innendienst ca. 320 Arbeitnehmer. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

3

Rechtsvorgängerin der Beklagten ist die P M S GmbH. Deren Vermögen übernahm die Beklagte im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme, die am 6. August 2008 ins Handelsregister eingetragen wurde.

4

Die P M S GmbH war Mitglied von Nordmetall, einem Verband der Metall- und Elektroindustrie. Sie wandte in ihren Betrieben die zwischen Nordmetall und der Klägerin abgeschlossenen Tarifverträge an. Die Klägerin ist in den Betrieben der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin vertreten.

5

Nach dem Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Hamburg/Schleswig-Holstein (MTV) beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden.

6

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten schloss Ende 2005 mit dem Betriebsrat für den Außendienst die am 1. März 2006 in Kraft getretene Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst“ (BV technischer Außendienst). Darin war ua. ab 1. März 2006 eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden geregelt. Als Ausgleich hierfür erhielten die Mitarbeiter anstelle etwaiger anderer Vergütungsansprüche einen „leistungs- bzw. erfolgsabhängigen Bonus“.

7

Mit dem Betriebsrat für den Innendienst vereinbarte die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 16. Februar 2007 die ab dem 1. März 2007 geltende Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst“ (BV Innendienst). Danach richtete sich die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach dem Arbeitsvertrag bzw. dem jeweils gültigen Tarifvertrag. In einer zeitgleich abgeschlossenen und in Kraft getretenen Protokollnotiz Nr. 1 war ergänzend bestimmt, dass alle Arbeitnehmer verpflichtet sind, bei entsprechendem Arbeitsanfall durchschnittlich fünf Stunden pro Woche Mehrarbeit zu leisten. Als Ausgleich hierfür erhielten sie einen Zielerreichungsbonus.

8

Beide Betriebsvereinbarungen wurden am 4. August 2008 durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die beiden Betriebsräte mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Gleichzeitig vereinbarten sie den Inhalt der Betriebsvereinbarungen erneut als Regelungsabrede.

9

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Betriebsvereinbarungen seien unwirksam, weil sie die Dauer der tariflich geregelten regelmäßigen Arbeitszeit um fünf Stunden erhöhten. Zudem werde die über 35 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit nicht mit der tariflich geltenden (Mehrarbeits-)Vergütung entlohnt, sondern durch eine Bonuszahlung abgegolten. Das tarifwidrige Verhalten habe sie in ihrer Koalitionsfreiheit beeinträchtigt. Ihr stehe deshalb gegen die Beklagte ein Beseitigungsanspruch zu.

10

Die Klägerin hat beantragt:

        

1.    

Die Beklagte wird verurteilt, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die von der Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (VM-PW-1004/2005) erfasst werden, für die in der Zeit vom 1. März 2006 bis 3. August 2008 über 35 Stunden pro Woche hinausgehenden Mehrarbeitsstunden (Ausgleichszeiträume 1. März 2006 bis 31. August 2006, 1. September 2006 bis 28. Februar 2007, 1. März 2007 bis 31. August 2007, 1. September 2007 bis 29. Februar 2008, 1. März 2008 bis 3. August 2008) anzubieten, die Zeitguthaben durch Bezahlung oder in Freizeit abzugelten;

        

2.    

die Beklagte wird verurteilt, den von der Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (VM-PW-1004/2005) betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anzubieten, alle gemäß Ziffer 4.1 der BV „Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (VM-PW-1004/2005)“ bis zum 1. August 2008 verfallenen Zeitguthaben durch Freizeit oder Bezahlung abzugelten;

        

3.    

die Beklagte wird verurteilt, den in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst (VM-PW 1001/2007)“ fallenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anzubieten, alle im Zeitraum 1. März 2007 bis 3. August 2008 über durchschnittlich 35 Stunden pro Woche (Ausgleichszeitraum 1. März 2007 bis 31. August 2007, 1. September 2007 bis 29. Februar 2008, 1. März 2008 bis 3. August 2008) hinausgehenden Mehrarbeitsstunden durch Freizeit oder Bezahlung abzugelten;

        

4.    

die Beklagte wird verurteilt, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst (VM-PW 1001/2007)“ fallen, anzubieten, alle gemäß Ziffer 4.1 Absatz 2 dieser BV bis zum 1. August 2008 verfallenen Zeitguthaben durch Bezahlung oder Freizeit abzugelten.

11

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, weil die Klageanträge mangels namentlicher Nennung der Gewerkschaftsmitglieder nicht hinreichend bestimmt seien. Die Betriebsvereinbarungen verstießen auch nicht gegen den MTV, weil sie die regelmäßige Arbeitszeit nicht dauerhaft erhöhten, sondern lediglich vorübergehende Mehrarbeit anordneten. Bei voller Zielerreichung führe die Bonusregelung nicht zu einer Tarifunterschreitung. Die Klägerin begehre schließlich nicht die Beseitigung tarifwidriger normativer Zustände, sondern die Erfüllung individueller Ansprüche. Hierzu sei sie jedoch nicht befugt.

12

Die Klägerin hat in einem einheitlichen Beschlussverfahren Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat die in der Revision noch streitgegenständlichen Anträge durch Beschluss vom 9. Januar 2008 abgetrennt und in das Urteilsverfahren verwiesen. Insoweit hat es sodann die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

14

I. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts war nicht deswegen aufzuheben, weil das Arbeitsgericht den Rechtsstreit in das Urteilsverfahren überführt hat. Für den Anspruch einer Gewerkschaft auf die Beseitigung von Folgen tarifwidriger Betriebsvereinbarungen und Regelungsabreden, die dazu bestimmt sind, die tarifliche Ordnung zu verdrängen, ist wie für deren Unterlassungsbegehren (hierzu BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 91, 210) das Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart. Nach § 73 Abs. 2 iVm. § 65 ArbGG ist allerdings die Zulässigkeit der Verfahrensart in der Revision nicht mehr zu prüfen. Das Arbeitsgericht hat nach einer Rüge der Arbeitgeberin die zunächst im Beschlussverfahren anhängig gemachten Ansprüche durch rechtskräftigen Beschluss vom 9. Januar 2008 in das Urteilsverfahren verwiesen. Daran war das Landesarbeitsgericht gebunden (§§ 88, 65 ArbGG).

15

II. Die Klage ist zulässig.

16

1. Die Anträge bedürfen allerdings der Auslegung.

17

a) Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abgabe von Angeboten an die Beschäftigten, die in die Geltungsbereiche der BV technischer Außendienst und der BV Innendienst fallen. Hierzu hat sie in den Vorinstanzen ausgeführt, sie wolle damit erreichen, dass die Beklagte den einzelnen Arbeitnehmern das Angebot einer Vereinbarung macht, das die Folgen der nach Auffassung der Klägerin tarifwidrigen Vorgehensweise der Beklagten beseitigt. Die Anträge sind damit auf die Vornahme von Handlungen, nämlich die Ausarbeitung und Unterbreitung von Angeboten durch die Beklagte an die in den Anträgen bezeichneten Beschäftigten gerichtet. Es geht der Klägerin nicht unmittelbar um die Abgabe einer bestimmten Willenserklärung, sondern die Ausarbeitung eines auf die einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenen Angebots. Dieses soll sich unter Außerachtlassung tarifvertraglicher Ausschlussfristen auf die in den benannten Zeiträumen entstandenen Vergütungsdifferenzen beziehen, die sich nach Maßgabe der Tarifregelungen unter Zugrundelegung der jeweils tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden aus der hierfür zu zahlenden tariflichen Mehrarbeitsvergütung abzüglich des ausgezahlten Bonus ergeben.

18

Die Vollstreckung des von der Klägerin erstrebten Titels richtet sich bei diesem Antragsverständnis nach § 888 ZPO. Die Vorschrift des § 894 ZPO ist bei einer solchen Antragsauslegung nicht anwendbar, weil die Klägerin von der Beklagten nicht die Abgabe ausformulierter Angebote begehrt, sondern deren Ausarbeitung.

19

b) Von den Anträgen werden in zeitlicher Hinsicht alle Arbeitnehmer erfasst, die bis zur Aufhebung der Betriebsvereinbarungen am 4. August 2008 in deren Geltungsbereich fielen. In persönlicher Hinsicht sind hiervon nach dem Vorbringen der Klägerin leitende und AT-Angestellte sowie die Beschäftigten ausgenommen, mit denen zuvor tarifvertragsgemäß (§ 3 Nr. 1.2 MTV) eine individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart war.

20

2. In dieser Auslegung sind die Anträge zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

21

a) Danach muss die Klageschrift neben der Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Klageantrag ist grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet. Dadurch werden der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis ( § 308 ZPO ) abgesteckt und Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung ( § 322 ZPO ) festgelegt. Zugleich wird vermieden, dass das Risiko eines Unterliegens des Klägers durch eine vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt wird oder der Streit in ein sich anschließendes Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird. Maßgeblich für die Bestimmtheit eines Klageantrags sind die Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und die Umstände des Einzelfalls. Hierbei ist das zu schützende Interesse eines Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie sein Interesse an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz abzuwägen (BGH 28. November 2002 - I ZR 168/00 - zu II 2 b (1) der Gründe, BGHZ 153, 69). Generalisierende Formulierungen können daher im Einzelfall unvermeidlich sein. Andernfalls würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert, wenn nicht gar beseitigt (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 179/09 - Rn. 18, AP GG Art. 9 Nr. 142 = EzA GG Art. 9 Nr. 101).

22

b) Nach diesen Grundsätzen sind die begehrten Handlungen so konkretisiert, dass die Beklagte erkennen kann, was von ihr verlangt wird.

23

aa) Der Personenkreis ist bestimmbar bezeichnet. Gleiches gilt für die Anspruchszeiträume. Die Beklagte hat nur auf die einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittene Angebote auszuarbeiten. Es bleibt den einzelnen Arbeitnehmern überlassen, die inhaltliche Richtigkeit der jeweiligen Angebote zu überprüfen und sich dann für einen Freizeit- und/oder Abgeltungsanspruch in Geld zu entscheiden. Die von der Klägerin gewählte Antragsformulierung ist hinzunehmen, weil es für sie keinen anderen Weg zur prozessualen Durchsetzung der von ihr behaupteten Ansprüche gibt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ihr die zur Formulierung konkreter Angebote erforderlichen tatsächlichen Umstände nicht bekannt sind. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) muss ihr jedoch die Möglichkeit eröffnet werden, die Frage klären zu lassen, ob sie wegen der von ihr behaupteten Verletzung der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) aus eigenem Recht von der Beklagten die Beseitigung der hierdurch bewirkten Beeinträchtigungen in Gestalt der den einzelnen Arbeitnehmern entstandenen wirtschaftlichen Nachteile verlangen kann.

24

bb) Der Bestimmtheit der Anträge steht nicht entgegen, dass den Arbeitnehmern die Wahl eingeräumt werden soll, sich zwischen Auszahlung der Arbeitsvergütung oder Freizeit entscheiden zu können. Hierbei handelt es sich um eine Wahlschuld iSd. § 262 BGB. Eine solche liegt vor, wenn mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass nach späterer Wahl nur eine von ihnen zu erbringen ist. Auch eine Wahlschuld kann eine bestimmte Leistung sein, weil nur ein einheitlicher Anspruch besteht, der jedoch einen alternativen Inhalt hat (Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. § 262 Rn. 1). Besteht im Einzelfall Streit über die inhaltliche Richtigkeit eines Angebots, wäre dieser in einem Individualverfahren zwischen dem jeweiligen Arbeitnehmer und der Beklagten zu klären.

25

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten musste die Klägerin in den Anträgen nicht die Personen namentlich bezeichnen, die bei ihr Mitglied sind. Die Beklagte beruft sich insoweit zu Unrecht auf die Entscheidung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2003 (- 4 AZR 271/02 - BAGE 105, 275). Diese betrifft einen anderen Sachverhalt. Der Vierte Senat hatte gerade nicht über einen auf alle Arbeitnehmer bezogenen Antrag zu entscheiden, sondern über einen Unterlassungsantrag, der nur die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Mitglieder der klagenden Gewerkschaft betraf. Den einschränkungslos auf alle Mitarbeiter gerichteten Hauptantrag hatten die Vorinstanzen bereits rechtskräftig abgewiesen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihren Antrag jedoch nicht auf Gewerkschaftsmitglieder beschränkt. Die namentliche Benennung der Gewerkschaftsmitglieder ist für die Bestimmtheit des Antrags jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Antrag nicht auf diese eingegrenzt ist (vgl. K. Schmidt RdA 2004, 152, 157 f.).

26

III. Die Klage ist unbegründet. Die BV technischer Außendienst und die BV Innendienst verstoßen zwar gegen den Tarifvorrang aus § 77 Abs. 3 BetrVG und sind deshalb unwirksam. Hierdurch ist die Klägerin in ihrer Koalitionsfreiheit beeinträchtigt worden. Mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung der P M S GmbH auf die Beklagte am 6. August 2008 hat dieser Eingriff jedoch geendet, weil die Beklagte selbst nicht tarifgebunden ist. Für ein auf die Nachzahlung von Arbeitsvergütung an die Arbeitnehmer gerichtetes Klagebegehren fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

27

1. Die BV technischer Außendienst und die BV Innendienst haben tariflich geregelte Arbeitsbedingungen zum Gegenstand und verstoßen deshalb gegen § 77 Abs. 3 BetrVG.

28

a) Nach dieser Bestimmung können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine solche Öffnungsklausel enthalten die hier maßgebenden Tarifverträge allerdings nicht. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob der Tarifvorrang auch für Regelungsabreden gilt (dazu BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 1 b der Gründe, BAGE 91, 210). Die in den Klageanträgen bezeichneten Zeiträume reichen nur bis zu der von den Betriebsparteien vereinbarten Aufhebung der beiden Betriebsvereinbarungen.

29

b) Die Betriebsparteien haben in diesen die tarifvertraglich geregelte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden erhöht und hierfür ein eigenständiges Vergütungsregime in Form von Bonuszahlungen errichtet. Diese Arbeitszeitverlängerung ist in Nr. 2.1 der BV technischer Außendienst eindeutig vereinbart, gilt aber auch für die in der Protokollnotiz Nr. 1 zur BV Innendienst getroffenen Regelung. Zwar ist hierin nicht ausdrücklich eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vorgesehen, sondern nur die Verpflichtung der Mitarbeiter, bei entsprechendem Arbeitsanfall durchschnittlich fünf Stunden pro Woche Mehrarbeit zu leisten. Aus der in Nr. 3.1 BV Innendienst vereinbarten täglichen Sollarbeitszeit von einem Fünftel der jeweils gültigen Wochenarbeitszeit, die in der Regel an fünf Werktagen in der Woche von Montag bis Freitag zu erbringen ist, sowie der Regelung bei Abwesenheit in Nr. 11 der Protokollnotiz Nr. 1, wonach bezahlte Abwesenheit sowie Urlaub und Krankheit bei Vollzeitbeschäftigten mit acht Stunden täglich im Arbeitszeitkonto berücksichtigt werden, ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass auch im Geltungsbereich der BV Innendienst eine Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden erfolgt ist.

30

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht entfallen, weil die BV technischer Außendienst und die Protokollnotiz Nr. 1 zur BV Innendienst Arbeitszeitfragen betreffen, für die ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Zwar gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Sperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dann nicht, wenn es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen(GS 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C I 4 der Gründe, BAGE 69, 134; 9. Dezember 2003 - 1 ABR 52/02 - zu B II 1 b der Gründe, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 6). Hieran fehlt es vorliegend. Regelungsgegenstand der Betriebsvereinbarungen ist nicht die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.

31

aa) Vorübergehend ist eine Verlängerung der Arbeitszeit, wenn für einen überschaubaren Zeitraum von deren regulärem Volumen abgewichen wird, um anschließend zum betriebsüblichen Umfang zurückzukehren. Die Verlängerung darf nicht auf Dauer erfolgen. Maßgeblich ist die zum Zeitpunkt der Änderung bestehende Planung des Arbeitgebers. Der vorübergehende Charakter einer Veränderung der Arbeitszeit wird insbesondere dann deutlich, wenn diese Maßnahme bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bis zur Erreichung eines bestimmten Zwecks befristet wird (BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 17, BAGE 122, 127).

32

bb) Für eine nur vorübergehende Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit gibt es in den Betriebsvereinbarungen und Protokollnotizen keine objektiven Anhaltspunkte. Diese sind weder auf einen bestimmten Zeitpunkt oder bis zur Erreichung eines bestimmten Zwecks befristet. Auch der Gesamtzusammenhang der getroffenen Vereinbarungen weist nicht auf eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Arbeitszeit hin. Vielmehr macht die Präambel der BV technischer Außendienst gerade deutlich, dass es den Betriebsparteien um eine dauerhafte Arbeitszeiterhöhung ging, um „steigenden Kunden- und Marktanforderungen“ gerecht zu werden. Die BV Innendienst sollte es nach ihrer Präambel den Arbeitnehmern ermöglichen, durch die darin enthaltene Gleitzeitregelung Beginn und Ende der Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Auch dies spricht für eine unbefristete Regelung.

33

2. Durch die tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen ist die Klägerin in ihrer Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt worden.

34

a) Art. 9 Abs. 3 GG schützt nicht nur den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben oder sie zu verlassen. Geschützt ist auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt, die für die Sicherung des Bestands der Koalitionen unerlässlich sind. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Dazu gehören sämtliche Betätigungen, die dem Zweck der Koalitionen dienen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern (BVerfG 6. Februar 2007 1 BvR 978/05  - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394 ). Das betrifft insbesondere den Abschluss von Tarifverträgen, in denen das Arbeitsentgelt und andere materielle Arbeitsbedingungen wie etwa die Arbeitszeit geregelt sind.

35

b) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit wird nicht erst dann beeinträchtigt, wenn eine Koalition daran gehindert wird, Tarifrecht zu schaffen. Eine Einschränkung oder Behinderung dieses Freiheitsrechts liegt nach der Senatsrechtsprechung (20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 91, 210) auch in Abreden oder Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Wirkung des von Koalitionen geschaffenen Tarifrechts zu vereiteln oder leerlaufen zu lassen. Unschädlich ist, dass entsprechende Abreden nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nichtig sind, also die tarifliche Ordnung nicht in rechtlich erzwingbarer Weise ersetzen können. Die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit liegt nämlich in der Eignung solcher Absprachen, aufgrund ihres erklärten Geltungsanspruchs faktisch an die Stelle der tariflichen Regelung zu treten. Darauf zielen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen ab. Ihr offenkundiger Zweck ist es, Tarifnormen als kollektive Ordnung zu verdrängen und sie damit ihrer zentralen Funktion zu berauben.

36

c) Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin durch die BV technischer Außendienst und die BV Innendienst in ihrer Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt worden. Die Betriebsparteien haben hierdurch versucht, ein tarifwidriges Arbeitszeit- und darauf bezogenes Entgeltregime in dem Betrieb zu implementieren und die bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten geltenden Tarifnormen als kollektive Ordnung bezüglich der Regelung der Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und der hierfür zu entrichteten Vergütung außer Kraft zu setzen.

37

3. Die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit der klagenden Gewerkschaft hat aber am 6. August 2008 mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 UmwG)geendet. Mit diesem Zeitpunkt endete die normative Wirkung der maßgeblichen Verbandstarifverträge, weil die Beklagte ihrerseits nicht tarifgebunden ist. Nur im Falle eines Firmentarifvertrags wäre die Beklagte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in die vom verschmolzenen Rechtsträger vereinbarten Tarifverträge als Tarifvertragspartei eingetreten (BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - BAGE 123, 213). Flächen- und Verbandstarifverträge werden dagegen von der Gesamtrechtsnachfolge nicht erfasst (BAG 24. Juni 1998 -  4 AZR 208/97  - BAGE 89, 193 ).

38

4. Die Ansprüche der Klägerin, mit denen sie von der Beklagten die Ausarbeitung von Angeboten zum Ausgleich von Vergütungsdifferenzen fordert, die den Beschäftigten durch die Anwendung der tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen entstanden sind, ergeben sich nicht aus dem in § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG geregelten Beseitigungsanspruch. Sie sind nicht auf die Beseitigung von Beeinträchtigungen der kollektiven Koalitionsfreiheit gerichtet, die der Klägerin durch die tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen entstanden sind.

39

a) Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer vom Störer die Beseitigung und weitere Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Diese Ansprüche sind nicht auf Eigentumsverletzungen beschränkt, sondern bestehen darüber hinaus zur Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen(MünchKommBGB/Baldus 5. Aufl. § 1004 Rn. 9). Zu den nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern und Interessen gehört auch das durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Recht einer von Arbeitnehmern gebildeten Koalition auf gewerkschaftliche Betätigung. Aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG ergibt sich deshalb nach der Senatsrechtsprechung bei tarifwidrigen betrieblichen Regelungen ein Unterlassungsanspruch der Gewerkschaften gegen den Arbeitgeber(20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 91, 210).

40

b) Zwar kann in diesen Fällen auch ein Beseitigungsanspruch der Gewerkschaft aus § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht kommen. Doch ist dieser nicht auf die Wiederherstellung eines tarifgemäßen Zustands durch Nachzahlung tariflicher Leistungen an die betroffenen Beschäftigten gerichtet.

41

aa) Die Voraussetzungen eines Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB und eines auf Unterlassung gerichteten Anspruchs nach Satz 2 dieser Vorschrift unterscheiden sich darin, dass Letzterer die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen verlangt, der Beseitigungsanspruch hingegen auf die Aufhebung fortdauernder Beeinträchtigungen gerichtet ist. Das umfasst auch die Beseitigung solcher Beeinträchtigungen, die zwangsläufig durch die primäre Störung entstehen. Beeinträchtigungen, die aber als weitere Folge dieser Störung entstehen, können nur im Wege eines auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzes nach § 823 Abs. 1 BGB ausgeglichen werden(vgl. BGH 4. Februar 2005 - V ZR 142/04 - NJW 2005, 1366; 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03 - NJW 2004, 1035). Dabei ist die Abgrenzung von Beseitigung und Schadensersatz eine Frage des Einzelfalls (vgl. Bamberger/Roth/Fritzsche BGB 2. Aufl. § 1004 Rn. 57 ff.; MünchKommBGB/Baldus § 1004 Rn. 103 ff.).

42

bb) Hiernach ergeben sich die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Der darauf gestützte Beseitigungsanspruch umfasst nicht die Wiederherstellung des tarifkonformen Zustands durch Nachzahlung der tariflichen Leistungen an die Arbeitnehmer. Hierdurch wird die bereits beendete Störung der Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin nicht beseitigt. Die nachträgliche Erbringung der tariflichen Leistungen zielt vielmehr auf einen individualrechtlichen Ausgleich der den Arbeitnehmern durch die tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen entstandenen wirtschaftlichen Nachteile und nicht auf die Beseitigung fortwirkender kollektivrechtlicher Störungen. Die Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit liegt nicht in der Nichtzahlung der tariflichen Leistungen für tarifwidrig geleistete Arbeitszeit, sondern in der Vereinbarung einer tarifwidrigen betrieblichen Regelung, welche die tariflichen Vorschriften als kollektive Ordnung im Betrieb zu verdrängen versucht. Diese Beeinträchtigung kann durch die Nichtanwendung der (ohnehin rechtsunwirksamen) Betriebsvereinbarung und eine darauf gerichtete, gegenüber den Arbeitnehmern abzugebende ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers beseitigt werden.

43

5. Der geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Die Klägerin hat durch das Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten keinen materiellen Schaden erlitten. Das behauptet sie selbst nicht. Sie hat aber auch keinen Nichtvermögensschaden iSd. § 253 BGB erlitten. Durch die Verletzung ihrer Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG ist der Klägerin bei normativer Betrachtung ebenfalls kein immaterieller Schaden der geltend gemachten Art entstanden, dessen Höhe sich nach den Verdiensteinbußen der betroffenen Arbeitnehmer richtet.

44

6. Die Klägerin kann ihre Ansprüche nicht aus § 23 Abs. 3 BetrVG herleiten. Die begehrte Rechtsfolge einer ausschließlich vergangenheitsbezogenen Restitution zurückliegender Verstöße gegen den Tarifvorrang aus § 77 Abs. 3 BetrVG gibt diese Vorschrift nicht her. Das Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG zielt vielmehr auf ein künftiges Verhalten des Arbeitgebers. Mit dem Wegfall der Tarifbindung am 6. August 2008 war jedoch die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit der Klägerin beendet.

45

7. Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht auch kein unabweisbares Bedürfnis für eine richterliche Rechtsfortbildung zur Begründung des begehrten Folgenbeseitigungsanspruchs. Die Klägerin ist im Hinblick auf die Beseitigung des tarifwidrigen Zustands verfahrensrechtlich nicht rechtlos gestellt. Sie kann eine solche Beeinträchtigung ihrer kollektiven Koalitionsfreiheit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch eine Regelungsverfügung nach § 940 ZPO verhindern oder zumindest verkürzen. Das genügt dem Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung. Dementsprechend hätte sie zu der Zeit, zu der sie Kenntnis von den tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen erhielt, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Unterlassung der Anwendung der Betriebsvereinbarungen und eine Erklärung der Beklagten verlangen können, die auf die Beseitigung des faktischen Geltungsanspruchs der tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen gegenüber der Belegschaft zielt.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Federlin    

        

    Platow    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. November 2012 - 12 Sa 654/11 - wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das genannte Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 2011 - 10 Ca 6462/10 - zurückgewiesen hat. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Befugnis der Arbeitgeberin, betriebszugehörige Arbeitnehmer nach ihrer Mitgliedschaft in einer bestimmten Gewerkschaft zu befragen.

2

Die Klägerin - die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) - organisiert ua. das Fahrpersonal von Nahverkehrsunternehmen im Freistaat Bayern und ist Mitglied der dbb tarifunion. Die Beklagte ist als kommunales Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in M ua. im Personennahverkehr tätig und gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser schloss am 18. August 2006 mit der dbb tarifunion sowie mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) - Landesbezirk Bayern - jeweils einen gleichlautenden, am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen „Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N Bayern)“. Seitdem enthalten die Arbeitsverträge der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer eine Bezugnahme auf den TV-N Bayern. Zuvor geschlossene „Alt“arbeitsverträge verweisen - in unterschiedlichen Formulierungen - auf die Bestimmungen des „Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe“.

3

Nach Kündigungen des jeweils mit ihnen geschlossenen TV-N Bayern (in den Fassungen des 2. Änderungstarifvertrags) zum 30. Juni 2010 verhandelten ver.di und dbb tarifunion zunächst gemeinsam mit dem KAV Bayern über einen neuen Tarifabschluss. Am 20. August 2010 erzielten ver.di und der KAV Bayern eine Einigung. Die dbb tarifunion erklärte in einem an den KAV Bayern gerichteten Schreiben vom 25. August 2010 „die Verhandlungen … formal für gescheitert“ und teilte mit, dass „der Vorstand … die Durchführung der Urabstimmung beschlossen“ habe. Mit Schreiben vom selben Tag wandte sich die Beklagte an „die Tarifbeschäftigten des Unternehmensbereichs Verkehr“. Das Schreiben und ein ihm beigelegtes Antwortformular lauten:

        

„…    

        

es hat nach Kündigung des Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N Bayern) durch die Gewerkschaft ver.di und GDL/dbb Tarifunion mehrere Verhandlungsrunden, zuletzt am 20. August 2010, in Nürnberg gegeben.

        

Mit der Gewerkschaft ver.di wurde am 20. August 2010 eine Tarifeinigung erzielt.

        

Diese Einigung sieht unter anderem bereits zum 1. September eine Erhöhung des Tabellenentgeltes um 1,6% sowie eine Einmalzahlung von 240 € vor.

        

Ebenfalls wurde mit ver.di vereinbart, dass die Schicht- und Wechselschichtzulagen ab dem 1. September 2010 um 1,6 % erhöht werden und es zu zusätzlichen strukturellen Verbesserungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit kommt.

        

Im Gegensatz dazu, hat die GDL / dbb tarifunion die Verhandlungen für gescheitert erklärt.

        

Ansprüche aus der Einigung mit der Gewerkschaft ver.di können GDL Mitglieder daher nicht geltend machen.

        

Für die Mitglieder der GDL gibt es keine entsprechende Einigung über eine prozentuale Erhöhung des Tabellenentgeltes, der Erhöhung der Schicht- und Wechselschichtzulagen, der strukturellen Verbesserungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit sowie über eine Einmalzahlung zum 01. September 2010.

                 
        

Damit die S M GmbH ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen auf die Umsetzung des mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages nachkommen kann und - wie auch in der Vergangenheit - die nichtorganisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls an der Umsetzung teilhaben, sind wir auf Ihre Mitwirkung angewiesen.

        

Dies ist in Ihrem eigenen Interesse, da wir ohne Beantwortung und Rückmeldung der als Anlage beigeführten Frage davon ausgehen müssen, dass Sie keinen Anspruch auf die Umsetzung des Tarifergebnisses aus der Einigung vom 20.08.2010 haben.

        

Ihre Antwort wird ausschließlich für die Prüfung eines Anspruches auf die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di verwendet.

        

Bitte senden oder faxen Sie uns Ihre Antwort unterschrieben bis spätestens 10. September 2010 in beigefügtem Rückantwortkuvert an Herrn D, P-SC-S1. Sollten Sie an der zeitgerechten Rückmeldung gehindert sein, holen Sie diese schnellstmöglich nach. Solange keine Rückmeldung erfolgt, kann die Tarifeinigung für Sie in der Entgeltabrechnung nicht umgesetzt werden.

        

…       

        

Rückantwort

                 
        

Name: 

…       

        

Vorname:

…       

        

Personalnummer:

…       

                          
        

Hiermit erkläre ich, dass ich Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL bin (bitte ankreuzen).

                 
        

ja

☐  

        

nein

☐    

                          
        

M, den ……………………

                          
        

Unterschrift“

4

Im Anschluss an eine Urabstimmung vom 1. bis 6. September 2010 rief die dbb tarifunion - in Abstimmung mit der GDL - erstmals für den 10. September 2010 zum Streik auf. Nach weiteren Streikaufrufen einigten sich die dbb tarifunion und der KAV Bayern am 15. November 2010 über Änderungen des TV-N Bayern mit Wirkung ua. zum 1. September 2010.

5

Durch die Befragungsaktion vom 25. August 2010 sieht sich die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt. Mit ihrer am 22. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage - und späteren Klageerweiterungen um Hilfsanträge - hat sie die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Zur Begründung hat sie erstinstanzlich vorgebracht, es gehe nicht darum, ob ein Arbeitgeber generell berechtigt sei, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nach einer bestimmten Gewerkschaftszugehörigkeit zu fragen; eine Befugnis der Beklagten zur Frage nach der Zugehörigkeit zur GDL sei „in der momentanen konkreten Situation“ aber „nicht geraten“ gewesen. Das Schreiben vom 25. August 2010 habe auf die Einschätzung ihres Organisationsgrades im Unternehmen der Beklagten gezielt. Das verletze sie in ihrer Koalitionsfreiheit. Unter den konkreten betrieblichen und koalitionsspezifischen Umständen seien keine Fallkonstellationen denkbar, in denen die Beklagte die Tarifgebundenheit der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer kennen müsse. Vor allem in der Berufungsinstanz hat die Klägerin den Standpunkt eingenommen, ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer bestehe grundsätzlich nicht. Eine solche Frage sei immer, also unabhängig von einem Zusammenhang mit Arbeitskampf oder Tarifvertragsverhandlungen und auch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Mitgliedschaft von Arbeitnehmern in anderen Gewerkschaften eruiere, ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Koalitionsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft. Das gelte auch in einem tarifpluralen Betrieb.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL sind oder nicht;

        

hilfsweise,

        

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer GDL sind oder nicht, es sei denn, dass die Frage zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, im Hinblick auf die Geltung mehrerer Tarifverträge in ihrem Betrieb sei sie zu der mit dem Schreiben vom 25. August 2010 formulierten Aufforderung berechtigt gewesen. Wegen der mit ver.di erzielten Tarifeinigung habe sie wissen müssen, wer Mitglied der GDL sei, denn diesen Beschäftigten hätten keine - auch keine vertraglichen - Ansprüche aus der Einigung zugestanden. Zudem folge ihre Berechtigung zu der gestellten Frage in einer Arbeitskampfsituation wie der im August/September 2010 bestehenden daraus, dass sie wegen der auf die Mitglieder der GDL zu beschränkenden Möglichkeit von Aussperrungen wissen müsse, wer in dieser als der streikführenden Gewerkschaft organisiert sei. Auch für das Aufstellen von Noteinsatzplänen in ihrem Unternehmen der Daseinsvorsorge sei diese Kenntnis unerlässlich gewesen. Ungeachtet dessen setze die Anerkennung der Tarifpluralität ein generelles Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zumindest während des Bestands des Arbeitsverhältnisses voraus. Nur so könne sich der Arbeitgeber gesetzeskonform verhalten.

8

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben und ausgeführt, die Befragung der Arbeitnehmer nach ihrer Zugehörigkeit zur Klägerin verletze diese in ihrem Koalitionsrecht „unabhängig von ihrer zeitlichen Lage im Zusammenhang mit einem Arbeitskampf oder Tarifverhandlungen und unabhängig davon, ob auch die Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften und die Nichtorganisation erfragt“ werde. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten den Hauptantrag abgewiesen und nach dem zuletzt gestellten Hilfsantrag erkannt. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und beantragt außerdem „äußerst hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, Arbeitnehmer ihres Betriebes nach der Mitgliedschaft in der Klägerin zu befragen, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen haben, die im Betrieb Geltung haben, zu fragen“. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision die Abweisung auch des Hilfsantrags. Im Übrigen beantragen beide Parteien jeweils die Zurückweisung der gegnerischen Revision.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das hauptsächliche Unterlassungsbegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der nicht auf einen Sachverhalt wie den Anlassfall des Schreibens vom 25. August 2010 beschränkte, sondern alle denkbaren Fallgestaltungen umfassende Unterlassungsanspruch besteht schon aus deliktsrechtlichen Gründen nicht. Die Revision der Beklagten hat dagegen Erfolg. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht nach dem Hilfsantrag der Klägerin erkannt. Dieser ist unzulässig. Bei dem höchst hilfsweisen Antrag der Klägerin handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

10

A. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

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I. Sie hat nicht bereits deshalb Erfolg, weil das Landesarbeitsgericht mit der Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils und der Abweisung des Hauptantrags unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über einen anderen Streitgegenstand als den von der Klägerin zur Entscheidung gestellten befunden hat. Allerdings kommt es durchaus in Betracht, dass jedenfalls das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verletzt hat.

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1. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste. Das ist Ausdruck der den Zivilprozess beherrschenden Dispositionsmaxime. Das Gericht darf der klagenden Partei weder quantitativ mehr noch qualitativ etwas anderes zuerkennen. Ein in den Vorinstanzen erfolgter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten(BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 10 mwN, BAGE 117, 137).

13

2. Vorliegend kann im Ergebnis offen bleiben, ob das Arbeitsgericht der Klägerin etwas anderes zugesprochen hat als diese erstinstanzlich beantragt hatte.

14

a) Der arbeitsgerichtliche Entscheidungsausspruch ist sprachlich nicht anders gefasst als der von der Klägerin gestellte Hauptantrag. Ausgehend vom Antragsverständnis liegt es dennoch nahe, dass das Arbeitsgericht über etwas anderes entschieden hat als das von der Klägerin Begehrte.

15

aa) Entscheidend für die Beurteilung der Frage, welchen Streitgegenstand ein Kläger mit einem Antrag zur Entscheidung gestellt und über welchen Streitgegenstand das Gericht entschieden hat, ist nicht allein der Wortlaut von Antrag und Urteilsausspruch. Es kommt vielmehr auf deren - ggf. durch Auslegung zu ermittelnden - streitgegenständlichen Inhalte an. Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. zB BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 16 mwN). Nach diesem „zweigliedrigen Streitgegenstand“ im Zivilprozess kennzeichnet allein das Klageziel den Streitgegenstand nicht. Zum Streitgegenstand zählen vielmehr alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, der zur Stützung des Rechtsschutzbegehrens unterbreitet wird (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 23, BAGE 145, 142; 11. Oktober 2011 - 3 AZR 795/09 - Rn. 17 mwN; vgl. zum identischen Streitgegenstandsbegriff im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zB BAG 5. März 2013 - 1 ABR 75/11 - Rn. 13). Der Streitgegenstand wird ausschließlich vom Kläger mit seinem Klagebegehren bestimmt. Das Vorbringen des Beklagten oder Verteidigungsvorbringen des Klägers gegenüber dem Beklagtenvortrag verändert den vom Kläger mit seinem Antrag und seinem Klagevorbringen festgelegten Streitgegenstand nicht (BAG 25. September 2013 - 10 AZR 454/12 - Rn. 17, BAGE 146, 123; BGH 23. Juli 2008 - XII ZR 158/06 - Rn. 20). Er ändert sich iSv. § 263 ZPO jedoch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist(BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18).

16

bb) Bei einem Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot einer bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat und mit dem Antrag abstrahierend beschreiben muss. Die Verletzungshandlung stellt den Klagegrund dar, durch den der Streitgegenstand der Unterlassungsklage neben dem Klageziel bestimmt wird (vgl. BAG 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 - Rn. 16 mwN, BAGE 133, 75). Die umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt den Inhalt des Klagebegehrens.

17

cc) Gemessen hieran spricht vieles dafür, dass die Klägerin den erstinstanzlich gestellten Unterlassungshauptantrag nur auf solche schriftliche Befragungen der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer nach deren Zugehörigkeit zur GDL bezogen hat, die in einem Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen und - sei es sich abzeichnenden oder bevorstehenden - Arbeitskampfmaßnahmen stehen. Sie hat als behauptete Verletzungshandlung auf das Schreiben vom 25. August 2010 und die Begleitumstände seiner Fertigung verwiesen. Unter Zugrundelegung einer aus ihrer Sicht gegebenen Zielrichtung der schriftlichen Befragung, den Organisationsgrad der GDL im Beklagtenunternehmen ergründen zu wollen, hat sie den von ihr verfolgten Anspruch auf einen unzulässigen Eingriff in ihre Koalitionsfreiheit gestützt. Es ging ihr (zunächst) nicht allgemein und unabhängig von den Umständen darum, dass die Beklagte jegliche schriftliche Aufforderungen an die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer unterlässt, eine Erklärung abzugeben, ob sie Mitglied der Klägerin sind oder nicht. Das zeigt sich vor allem darin, dass sie die Befugnis der Beklagten zu der Fragestellung „in der momentanen konkreten Situation“ in Abrede gestellt und „unter den konkreten betrieblichen und koalitionsspezifischen Umständen keinerlei Fallkonstellationen“ als „denkbar“ angesehen hat, „in denen die Beklagte darauf angewiesen ist, exakt zu wissen, welche normativen tariflichen Bindungen zu den … beschäftigten Arbeitnehmern bestehen“. Demgegenüber hat das Arbeitsgericht ohne nähere Ausführungen das Begehren offensichtlich so verstanden, dass es auf die Untersagung jeglicher schriftlicher Befragungen von Arbeitnehmern im Unternehmen der Beklagten zu einer Mitgliedschaft bei der GDL zielt. Es hat die erstrebte Unterlassung als Globalantrag angesehen und ausgeführt, es seien „keine Konstellationen ersichtlich“, in denen eine Aufforderung zur Offenlegung der Zugehörigkeit zur Klägerin keinen Eingriff in deren Koalitionsfreiheit darstellte. Damit hat es aber letztlich den mit der Klage zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt erweitert.

18

b) Ein darin liegender Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO wäre allerdings in zweiter Instanz geheilt.

19

aa) Die Verletzung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann geheilt werden, wenn die klagende Partei sich die angefochtene Entscheidung im zweiten Rechtszug durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung zu Eigen macht(vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 15 mwN, BAGE 117, 137).

20

bb) Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht vorbehaltlos die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt. Damit hat sie sich das erstinstanzliche Urteil - und insbesondere dessen Antragsverständnis - zu Eigen gemacht. Das zeigen auch ihre Ausführungen in der Berufungserwiderung, die sich nunmehr losgelöst vom konkreten Anlassfall - dem Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 - auf jegliche Befragungen der Beklagten zu einer Mitgliedschaft ihrer Beschäftigten bei der Klägerin beziehen. Die Beklagte hat hiergegen keine Einwendungen erhoben. Sie hat weder die Verletzung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gerügt noch sich gegen die in dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung etwa liegende Klageerweiterung gewandt.

21

II. Das hauptsächliche Unterlassungsbegehren ist in der Fassung, das es jedenfalls im zweiten Rechtszug erfahren hat, zulässig, aber unbegründet.

22

1. Der Antrag ist zulässig.

23

a) Die Klägerin verlangt die Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen der Beklagten an die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu einer schriftlichen Erklärung, ob sie bei der Klägerin organisiert sind oder nicht. Dieses Begehren ist dahin zu verstehen, dass die Unterlassungspflicht der Beklagten unabhängig von der Zielrichtung und den konkreten Einzelfallumständen einer schriftlichen Aufforderung zu der beschriebenen Erklärung bestehen soll.

24

b) In diesem Verständnis begegnen dem in erster Linie verfolgten Antrag keine Zulässigkeitsbedenken; insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er lässt mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, welche Handlung der Beklagten untersagt werden soll. Dass es sich um einen Globalantrag handelt, der eine unbestimmte Vielzahl möglicher zukünftiger Fallgestaltungen erfasst, steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen. Er ist ausnahmslos auf alle denkbaren Fälle gerichtet. Ob das verfolgte Unterlassungsbegehren für sämtliche Fälle berechtigt ist, betrifft die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit des Antrags (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 25, BAGE 122, 134).

25

2. Der Antrag ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen an die in deren Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu einer schriftlichen Erklärung, ob sie Mitglied der GDL sind oder nicht. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Zwar verletzt das Schreiben der Beklagten vom 25. August 2010 die Klägerin in ihrer von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten kollektiven Koalitionsfreiheit. Die beanspruchte Unterlassung umfasst aber auch Fallgestaltungen, bei denen es schon an einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr fehlt, die eine - von der Klägerin darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist.

26

a) Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer vom Störer die Beseitigung und weitere Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Diese Ansprüche sind nicht auf Eigentumsverletzungen beschränkt, sondern bestehen darüber hinaus zur Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen(BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 39, BAGE 138, 68). Hierzu gehört auch die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit. Gegen rechtswidrige Eingriffe in diese Freiheit kann sich eine Koalition mit auf § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG gestützten Unterlassungsklagen wehren(zum Unterlassungsanspruch einer Gewerkschaft vgl. BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 39, aaO; 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 91, 210; zum Unterlassungsanspruch eines Arbeitgeberverbandes vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 54, BAGE 122, 134).

27

b) Für die mit dem Hauptantrag erstrebte Unterlassung liegen die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs aber nicht vor.

28

aa) Allerdings hat die Beklagte mit ihrer Frageaktion die kollektive Koalitionsfreiheit der Klägerin aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt.

29

(1) Die Befragung von Arbeitnehmern nach Maßgabe des Schreibens vom 25. August 2010 beeinträchtigt die kollektive Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin.

30

(a) Der sich auf alle koalitionsspezifischen Betätigungsweisen erstreckende Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht(BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe mwN; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, BAGE 132, 140). Ihre Aufgabe ist es, den von der staatlichen Rechtsetzung frei gelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, insbesondere die Höhe der Arbeitsvergütung für die verschiedenen Berufstätigkeiten festzulegen, und so letztlich die Gemeinschaft sozial zu befrieden (BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - BVerfGE 18, 18). Dazu versuchen die Koalitionen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in gemeinsamen Verhandlungen zu einem Interessenausgleich zu gelangen und die jeweils andere Seite zur Übernahme der selbst für richtig befundenen Position ganz oder in Teilen zu bewegen (BAG 13. Juli 1993 - 1 AZR 676/92 - zu III 1 b der Gründe, BAGE 73, 320). Die Verhandlungsstärke einer Arbeitnehmerkoalition hängt von der Zahl ihrer Mitglieder ab (BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 352). Diese sichern nicht nur deren finanziellen Bestand, sondern sind auch Garanten ihrer Durchsetzungsfähigkeit in den Vertragsverhandlungen mit dem sozialen Gegenspieler. Der Organisationsgrad einer Gewerkschaft wie die Verteilung ihrer Mitglieder in den Betrieben des jeweiligen Tarifgebiets sind bestimmend für die Wahl der Mittel, die eine Arbeitnehmerkoalition einsetzen kann, um in Tarifverhandlungen mit der Arbeitgeberseite zum Abschluss zu gelangen. Ein solches Mittel ist auch der Arbeitskampf. Welches Arbeitskampfmittel die Arbeitnehmerorganisation in welchem Umfang einsetzt und welches Kampfgebiet sie hierfür wählt, geben vor allem der Organisationsgrad und die betriebliche Zuordnung ihrer Mitglieder vor. Sind der Arbeitgeberseite diese Daten bekannt, kann sie sowohl ihre Verhandlungsposition als auch im Falle eines Arbeitskampfes ihre Arbeitskampfmittel hierauf einstellen. Die Ungewissheit des sozialen Gegenspielers über die tatsächliche Durchsetzungskraft der Arbeitnehmerkoalition in einer konkreten Verhandlungssituation ist demnach grundlegend dafür, dessen Verhandlungsbereitschaft zu fördern und zu einem angemessenen Interessenausgleich zu gelangen. Im Hinblick darauf schützt Art. 9 Abs. 3 GG eine Gewerkschaft auch darin, diese Angaben der Arbeitgeberseite in einer konkreten Verhandlungssituation vorzuenthalten, um sich nicht selbst zu schwächen.

31

(b) Die Befragungsaktion der Beklagten ist eine gegen die koalitionsspezifische Betätigungsfreiheit der Klägerin gerichtete Maßnahme. Die von ihren Arbeitnehmern geforderten Auskünfte verschaffen der Beklagten Kenntnis vom Umfang des Mitgliederbestandes der GDL in ihrem „Unternehmensbereich Verkehr“ sowie dessen konkreter innerbetrieblicher Verteilung. Bei wahrheitsgemäßer Beantwortung erlangte die Beklagte anhand des geforderten Namens sowie der Personalnummer Informationen über den Organisationsgrad der GDL und zum konkreten Einsatzort des einzelnen GDL-Mitglieds. Diese Informationen des gewerkschaftlichen Binnenbereichs erlauben es ihr, die Verhandlungsstärke der Gewerkschaftsseite in einer laufenden Tarifauseinandersetzung konkret einzuschätzen und damit die Verhandlungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite hierauf einzustellen. Darüber hinaus ist die mit der Befragungsaktion verbundene Zusage, allen Arbeitnehmern, die nicht Mitglied der GDL sind, ungeachtet einer Gewerkschaftszugehörigkeit den mit ver.di erzielten Tarifabschluss zukommen zu lassen, geeignet, durch finanzielle Anreize Nichtorganisierte von einem Beitritt zur GDL abzuhalten und damit Einfluss auf deren Mitgliederbestand zu nehmen. Diesen Druck verstärkt die weitere Ankündigung der Beklagten, bei Ausbleiben einer Antwort die Tarifeinigung in der Entgeltabrechnung nicht umzusetzen.

32

(2) Die von der Beklagten vorgebrachten Gründe für die Befragungsaktion vermögen die Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin nicht zu rechtfertigen.

33

(a) Untauglich ist schon die als Begründung für die Aufforderung vom 25. August 2010 angegebene Tarifeinigung zwischen ver.di und dem KAV Bayern. In ihrem Schreiben geht die Beklagte von „ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung“ zur „Umsetzung des mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages“ aus. Hierfür ist die Kenntnis von einer Mitgliedschaft zur GDL aber unmaßgeblich. Nach ihrem eigenen Vorbringen verwendet die Beklagte in ihren Formulararbeitsverträgen Bezugnahmeklauseln, die nicht nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit differenzieren. Soweit diese Tarifabschlüsse mit ver.di erfassen, ist die Beklagte vertraglich allen Arbeitnehmern zur Anwendung dieser Tarifverträge verpflichtet, deren Verträge eine entsprechende Bezugnahme enthalten. Ansonsten begründen diese Tarifabschlüsse nur eine normative Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern von ver.di (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Hierzu muss die Beklagte einzig die Tarifgebundenheit dieser Arbeitnehmer und nicht die von Anders- oder Nichtorganisierten kennen.

34

(b) Gleiches gilt für ihre Annahme, sie habe die Zugehörigkeit einzelner Arbeitnehmer zur GDL kennen müssen, um einem zu erwartenden Streikdruck der GDL mit einer selektiven Aussperrung von deren Mitgliedern begegnen zu können. Unabhängig davon, dass die Beklagte in dem Schreiben vom 25. August 2010 ausdrücklich angegeben hat, die Antwort der Arbeitnehmer werde „ausschließlich für die Prüfung eines Anspruchs auf die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di verwendet“, verletzt eine selektive Aussperrung, die gezielt nur die Mitglieder der streikenden Gewerkschaft erfasst, also schon Nichtorganisierte hiervon ausnimmt, ihrerseits die positive Koalitionsbetätigungsfreiheit der kampfführenden Gewerkschaft (st. Rspr. BAG 10. Juni 1980 - 1 AZR 331/79 - BAGE 33, 195). Darüber hinaus wäre die Beklagte schon aus allgemeinen arbeitskampfrechtlichen Grundsätzen zu einer Abwehraussperrung nicht befugt gewesen. Sie befand sich in einer Auseinandersetzung um einen Verbandstarifvertrag. In einem solchen Fall liegt die Entscheidung über Kampfmaßnahmen der Arbeitgeberseite allein in der Verantwortung des kampfführenden Arbeitgeberverbandes und nicht in der eines einzelnen Mitglieds (vgl. BAG 31. Oktober 1995 - 1 AZR 217/95 - zu I 1 der Gründe, BAGE 81, 213).

35

(c) Zur sachlichen Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Koalitionsbetätigungsfreiheit ist auch der Hinweis der Beklagten, zur Aufrechterhaltung einer Grundversorgung im öffentlichen Nahverkehr auf das Wissen um die Zugehörigkeit ihrer Arbeitnehmer zur GDL angewiesen zu sein, nicht geeignet. Abgesehen davon, dass es Aufgabe des kampfführenden Arbeitgeberverbandes wäre, entsprechende Notdienstvereinbarungen mit der streikführenden Gewerkschaft zu treffen, wäre hierfür die Kenntnis, welcher Arbeitnehmer der Beklagten bei der Klägerin organisiert ist, ohne jede Bedeutung.

36

bb) Gleichwohl hat der nicht auf die Befragungsaktion vom 25. August 2010 beschränkte Unterlassungsantrag keinen Erfolg. Das zur Entscheidung gestellte Globalbegehren umfasst auch Fallgestaltungen, in denen sich der Unterlassungsanspruch bereits aus deliktsrechtlichen Gründen als unbegründet erweist.

37

(1) Das in die Revisionsinstanz gelangte Begehren ist nicht nur - im Sinn einer abstrakten Beschreibung der mit dem Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 erfolgten Verletzungshandlung - auf die Untersagung von Befragungen der Arbeitnehmer im Unternehmen der Beklagten nach ihrer Zugehörigkeit zu der Klägerin im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen oder bevorstehenden Arbeitskampfmaßnahmen gerichtet. Es erfasst vielmehr jegliche schriftliche Aufforderungen der Beklagten an die im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Klägerin sind oder nicht.

38

(2) Ob in solch einer Aufforderung generell und ausnahmslos eine rechtswidrige Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit der Klägerin liegt - oder ob und unter welchen Umständen der Arbeitgeber in einem tarifpluralen Betrieb nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer fragen darf -, muss nicht entschieden werden. Es fehlt bei den nicht vom Anlassfall umfassten Fallgestaltungen an der für einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG notwendigen Begehungsgefahr. Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (vgl. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 82, BAGE 143, 354).

39

(a) Künftige Beeinträchtigungen eines geschützten Rechts sind grundsätzlich zu besorgen, wenn sie auf einer bereits erfolgten Verletzungshandlung beruhen (Wiederholungsgefahr) oder eine solche ernsthaft zu befürchten ist (Erstbegehungsgefahr). Wiederholungsgefahr ist die objektive Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung. Sie ist nicht auf die identische Verletzungsform beschränkt, sondern umfasst alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (vgl. BGH 9. September 2004 - I ZR 93/02 - zu II 4 b der Gründe). Eine Erstbegehungsgefahr besteht, wenn ein rechtswidriger Eingriff in ein absolutes Recht oder ein sonst vom Recht geschütztes Gut oder Interesse unmittelbar bevorsteht. Dafür muss die Beeinträchtigung eines geschützten Rechts konkret drohen (vgl. BGH 18. September 2009 - V ZR 75/08 - Rn. 12); sie muss ernsthaft und greifbar zu befürchten sein (BGH 15. April 1999 - I ZR 83/97 - zu II 2 b der Gründe). Berühmt sich eine Partei eines Rechts, begründet dies eine Erstbegehungsgefahr, wenn den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (BGH 4. Dezember 2008 - I ZR 94/06 - Rn. 14). Anders als bei der Wiederholungsgefahr spricht für das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr keine Vermutung, so dass derjenige, der sie geltend macht, alle Umstände darlegen und beweisen muss, aus denen sie sich im konkreten Fall ergeben soll (zu all dem BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 81 mwN, BAGE 143, 354).

40

(b) Bei der Erstbegehungs- und der Wiederholungsgefahr handelt es sich um materielle Anspruchsvoraussetzungen des Unterlassungsanspruchs. Stützt der Kläger sein Unterlassungsbegehren sowohl auf eine Wiederholungsgefahr wegen einer behaupteten Verletzungshandlung als auch auf eine Erstbegehungsgefahr wegen bestimmter Erklärungen des Beklagten, sind zwei verschiedene Streitgegenstände zur Entscheidung gestellt, da die einheitliche Rechtsfolge aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten hergeleitet wird. Hat der Kläger sein Unterlassungsbegehren zunächst nur mit einer Wiederholungsgefahr begründet, kann er sich in der Revision nicht auf eine Erstbegehungsgefahr stützen, denn in das Revisionsverfahren kann kein neuer Streitgegenstand eingeführt werden (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 82 mwN, BAGE 143, 354).

41

(c) Nach diesen Grundsätzen besteht im Hinblick auf das Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 zwar eine Wiederholungsgefahr für Fragen nach der Zugehörigkeit der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zur Klägerin, allerdings nur hinsichtlich der in dem Schreiben liegenden - im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen und mit (bevorstehenden) Arbeitskampfmaßnahmen anzunehmenden - Verletzungshandlung. Das Schreiben begründet daher keine Wiederholungsgefahr zu belegschaftsbezogenen Befragungen, die keinen solchen situativen und zeitlichen Kontext aufweisen. Eine solche hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Auf eine Erstbegehungsgefahr in anderen konkreten Zusammenhängen hat sie sich nicht berufen.

42

B. Die Revision der Beklagten ist begründet. Der von ihr erfasste Hilfsantrag ist mangels hinreichender Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

43

I. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Fall einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird(BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 25, BAGE 144, 1). Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können (BAG 14. März 2012 - 7 ABR 67/10 - Rn. 9). Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, weil andernfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 15, BAGE 141, 360). Zukunftsgerichtete Verbote lassen sich häufig nur generalisierend formulieren. Die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung steht daher der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag nicht generell entgegen (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 11, BAGE 132, 140).

44

II. Danach ist der Unterlassungshilfsantrag nicht hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat von der begehrten Unterlassung die Konstellation ausgenommen, „dass die Frage zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist“. Diese den Antrag einschränkende Bedingung („…, es sei denn, dass…“) ist nicht ausreichend klar. Die Problematik, wann die beschriebene Fragestellung „zur Klärung“ der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit der Klägerin geschlossenen Tarifvertrag „erforderlich“ - also nicht von der erstrebten Unterlassung umfasst - ist, kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, so insbesondere dem jeweiligen Geltungs- oder Anwendungsanspruch eines mit der Klägerin geschlossenen Tarifvertrags beurteilt werden. Ebenso wie die Parteien gerade auch im vorliegenden Rechtsstreit unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob das Schreiben der Beklagten vom 25. August 2010 zur Klärung der Anwendung der Arbeitsbedingungen aus der mit ver.di am 20. August 2010 erzielten Tarifeinigung „erforderlich“ war, sind - je nach Fallkonstellation - unterschiedliche Einschätzungen zur Notwendigkeit der Befragung der Arbeitnehmer nach ihrer Zugehörigkeit zur Klägerin zu erwarten, wenn diese einen einschlägigen Tarifvertrag geschlossen hat. Die im Antrag formulierte Bedingung ist auch nicht nur von dem Willen der Beklagten abhängig (vgl. BAG 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 30, BAGE 144, 1). Die Entscheidung über die Unerlässlichkeit der Fragestellung zu einem bestimmten Zweck würde in das Vollstreckungsverfahren verlagert und damit für die Beklagte als Unterlassungsschuldnerin eine unzumutbare Unsicherheit über die Reichweite des ihr auferlegten Unterlassungsgebots bedeuten.

45

C. Bei dem wegen der Zurückweisung der Revision der Klägerin und der Stattgabe der Revision der Beklagten zur Senatsentscheidung anfallenden „äußerst hilfsweise gestellten“ Antrag der Klägerin, „die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, Arbeitnehmer ihres Betriebes nach der Mitgliedschaft in der Klägerin zu befragen, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen haben, die im Betrieb Geltung haben, zu fragen“, handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

46

I. Im Revisionsverfahren können neue prozessuale Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden (vgl. BAG 5. Dezember 2012 - 7 AZR 698/11 - Rn. 60 mwN, BAGE 144, 85). Klageänderungen und Klageerweiterungen können in der Revisionsinstanz nur dann ausnahmsweise aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn sich der neue Antrag - abgesehen von den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO(hierzu BAG 14. Dezember 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 21 mwN) - auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt oder ggf. auf den unstreitigen Parteivortrag stützt (vgl. zB [im Beschlussverfahren] BAG 20. April 2010 - 1 ABR 78/08 - Rn. 37, BAGE 134, 62). Erforderlich ist außerdem, dass berechtigte Interessen der gegnerischen Partei nicht beeinträchtigt werden (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 15 mwN).

47

II. Danach ist die mit dem äußerst hilfsweisen Unterlassungsbegehren angebrachte Klageänderung unzulässig. Die Klägerin hat damit ihren Haupt- oder Hilfsantrag nicht im Wege einer Teilklagerücknahme iSd. § 264 Nr. 2 ZPO beschränkt. Die Unterlassung von Fragen nach der Mitgliedschaft bei der Klägerin, ohne gleichzeitig auch nach der Mitgliedschaft in anderen Gewerkschaften, die Tarifverträge abgeschlossen und die im Betrieb Geltung haben, zu fragen, betrifft mit den damit aufgeworfenen Gleichbehandlungsfragen einen anderen Streitgegenstand und ändert das rechtliche Prüfprogramm.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    H. Schwitzer    

                 

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Tenor

1. Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Januar 2011 - 8 Sa 788/10 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit von Arbeitskämpfen in Einrichtungen der Diakonie.

2

Die Klägerin zu 1), die Evangelische Krankenhaus Bielefeld gGmbH, beschäftigt an ihren beiden Standorten in Bielefeld ca. 4.200 Mitarbeiter. Sie ist Mitglied beim Kläger zu 5), dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. Gesellschafter der Klägerin zu 1) sind neben dem Kläger zu 2) die kirchlichen Stiftungen Bethel, Sarepta und Nazareth. Nach dem Gesellschaftsvertrag erfüllt sie Aufgaben der Krankenpflege und andere soziale Aufgaben in Wahrnehmung des kirchlich-diakonischen Auftrags.

3

Der Kläger zu 2), das Evangelische Johanneswerk, Bielefeld, ist ein Zusammenschluss von Trägern diakonischer Anstalten und Einrichtungen in der Rechtsform eines e. V. (im Folgenden: Johanneswerk). In mehr als 70 Einrichtungen beschäftigen die Mitglieder des Klägers zu 2) ca. 6.000 Arbeitnehmer. Seinen karitativen Zweck verwirklicht er nach seiner Satzung durch den Betrieb von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Werkstätten für Behinderte sowie in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Er ist Mitglied beim Kläger zu 5). Dem Verwaltungsrat des Klägers zu 2) gehören Amtsträger der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Klägerin zu 6), an.

4

Die Klägerin zu 3), die Evangelische Jugendhilfe Friedenshort GmbH Heimat für Heimatlose, beschäftigt bundesweit ca. 850 Mitarbeiter. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist Zweck der Gesellschaft, die Kinder-, Jugend-, Alten-, und Familienhilfe zu fördern. Sie versteht ihre Arbeit als Lebens- und Wesensäußerung der evangelischen Kirche und als Auftrag zur Ausübung christlicher Nächstenliebe im Sinne der Diakonie in christlich-kirchlicher Verantwortung. Die Klägerin zu 3) ist Mitglied beim Kläger zu 5).

5

Der Kläger zu 4), das Diakonische Werk Christophorus, Göttingen, widmet sich in der Rechtsform eines e. V. der Förderung, Pflege und Betreuung von geistig, körperlich und seelisch behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie der Pflege älterer Menschen. Er ist Mitglied des Diakonischen Werks der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers e. V., dem Kläger zu 8).

6

Der Kläger zu 5), Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V., bildet den Zusammenschluss von ca. 1.250 Trägern diakonisch-missionarischer Dienste im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen. Er verwirklicht seinen diakonischen Auftrag durch rechtlich selbständige Träger diakonisch-missionarischer Arbeit. Grundlage seiner Arbeit ist die Satzung vom 18. Juli 1977 idF vom 12. Dezember 2011 sowie das Kirchengesetz über die Ordnung der diakonischen Arbeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 13. November 2003 (DiakonieG-Westfalen). Danach wird der diakonische Auftrag durch rechtlich selbständige Träger diakonisch-missionarischer Arbeit wahrgenommen, die sich im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen als Landesverband zusammenschließen. Diese sind teils privatrechtlich, teils öffentlich-rechtlich organisiert. Nach § 9 Nr. 1 Buchst. b DiakonieG-Westfalen ist die Satzung des Klägers zu 5) durch die Klägerin zu 6), die Evangelische Kirche von Westfalen, zu genehmigen.

7

Die Klägerin zu 6), die Evangelische Kirche von Westfalen, ist die als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte westfälische Landeskirche. Die Verbindung zum Kläger zu 5) ist durch das DiakonieG-Westfalen geregelt.

8

Der Kläger zu 7), der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e. V., ist der größte regionale kirchliche Sozialverband der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Zu seinen Gründungsmitgliedern gehören ua. die Diakonischen Werke Rheinland, Westfalen und Lippe sowie diese drei Landeskirchen. In den Einrichtungen der Mitglieder sind ca. 135.000 Mitarbeiter beschäftigt. Zweck des Vereins ist nach § 2 Abs. 1 der Satzung die „Beschaffung von Mitteln zur Förderung aller Gebiete der Diakonie als Religionsausübung der Evangelischen Kirche“. Dieser Zweck wird durch die Unterstützung seiner Mitglieder, namentlich der drei gliedkirchlichen Diakonischen Werke Rheinland, Westfalen und Lippe, sowie deren Mitgliedern verwirklicht. Der Verein berät diese in fachlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung ist wesentliche Aufgabe des Klägers zu 7), in übergreifenden Grundsatzfragen der diakonisch-missionarischen Arbeit und in Fragen der Zuordnung zu den Kirchen die Abstimmung mit den drei Landeskirchen über deren drei Diakonische Werke nach dem gliedkirchlichen Recht zu gewährleisten.

9

Der Kläger zu 8), Diakonisches Werk der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers e. V., unterstützt und koordiniert als Dachverband die ihm angeschlossenen Verbände und Einrichtungen. In ihnen werden etwa 40.000 Mitarbeiter beschäftigt. Grundlage der Tätigkeit ist das Kirchengesetz über die Ordnung der diakonischen Arbeit vom 19. Juli 1978 (DiakonieG-Hannovers) sowie das Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie (Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie, ARRGD-Niedersachsen) vom 11. Oktober 1997. Änderungen der Satzung des Klägers zu 8) bedürfen des Einvernehmens mit dem Kirchensenat der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

10

Die Klägerin zu 9), die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.

11

Der Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) hat in einer Richtlinie vom 8. Oktober 1976 empfohlen, die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst auf der Grundlage eines von ihm verabschiedeten Musterentwurfs eines Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst zu regeln. Dem sind die meisten Landeskirchen gefolgt, wobei die konkrete Ausgestaltung der Kirchengesetze Unterschiede aufweist. Die Synode der EKD hat am 9. November 2011 das Kirchengesetz über die Grundsätze zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Diakonie (ARRG-Diakonie-EKD) beschlossen. Dieses gilt in den Gliedkirchen der EKD nach deren Zustimmung. Arbeitsbedingungen für die Dienstverhältnisse werden hiernach in einer paritätisch gebildeten Arbeitsrechtlichen Kommission und einer Schiedskommission festgelegt (sog. Dritter Weg). Streik und Aussperrung sind gemäß § 1 Abs. 3 Satz 5 ARRG-Diakonie-EKD ausgeschlossen.

12

Für die Evangelische Kirche von Westfalen und ihre Diakonischen Werke werden die Arbeitsrechtsregelungen nach dem Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst vom 15. November 2001 idF vom 17. November 2011 (Arbeitsrechtsregelungsgesetz, ARRG-Westfalen) durch eine paritätisch besetzte Arbeitsrechtliche Kommission und eine Schiedskommission geregelt. Voraussetzung der Mitgliedschaft in der Arbeitsrechtlichen Kommission ist die Befähigung zum Amt eines Presbyters oder eines Kirchenältesten in einer Gliedkirche der EKD bzw. ein entsprechendes Amt. Zwei Drittel der von Mitarbeitervereinigungen entsandten Vertreter - also insgesamt sechs - müssen im kirchlichen Dienst tätig sein. Der unparteiische Vorsitzende der Schiedskommission wird grundsätzlich durch Beschlüsse der entsendenden Stellen bestimmt. Persönliche Voraussetzung ist die Befähigung zum Richteramt. Im Wesentlichen Entsprechendes gilt für den Bereich der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

13

Die Kläger zu 1) bis 3) sind nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a der Satzung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. verpflichtet, die Mitarbeitenden nach Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Dienstgeber- und der Dienstnehmerseite beruht. Der Kläger zu 4) hat nach § 8 Abs. 2 Buchst. e Unterpunkt 5 der Satzung des Diakonischen Werks der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers die Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen für Einrichtungen, die sich dem ARRGD-Niedersachsen angeschlossen haben, oder ein anderes kirchliches Arbeitsvertragsrecht in ihrer jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Das Präsidium kann auf Antrag ein Mitglied von dieser Verpflichtung befreien, wenn ein zwingender Grund vorliegt.

14

Die beklagte Gewerkschaft ver.di hatte im Jahr 2009 die Beschäftigten der Kläger zu 1) bis 3) zu Warnstreiks aufgerufen. Des Weiteren hat es bei der B Jugendhilfe gGmbH, Hannover, die Mitglied des Klägers zu 8) ist, am 4. Mai und am 24. September 2009 von der Beklagten organisierte Streiks gegeben. Dem Kläger zu 4) teilte die Beklagte am 7. August 2009 Folgendes mit:

        

„...   

        

da die Verhandlungen der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD zu Vergütungsfragen nach wie vor gescheitert sind, möchten wir Sie darüber informieren, dass auch Sie als Einrichtung der Diakonie die Möglichkeit haben, mit uns als einer in ihrer Dienststelle vertretenen Gewerkschaft, Tarifverhandlungen aufzunehmen. Unter Bezugnahme auf unser Schreiben an den VdDD vom 29.08.2008 fordern wir Sie hiermit auf, mit uns den Abschluss von Tarifverträgen auf der Grundlage des TVöD zu verhandeln.

        

Sollten Sie die Aufnahme von Tarifverhandlungen ablehnen oder unser Schreiben bis Freitag, den 28. August 2009, 12.00 Uhr, nicht beantworten, muss ihre Einrichtung damit rechnen, in Arbeitskampfmaßnahmen zur Durchsetzung von Tarifverträgen bei den Diakonischen Werken einbezogen zu werden.

        

...“   

15

Zu den angestrebten Tarifverhandlungen ist es nicht gekommen.

16

Die Kläger haben geltend gemacht, Streiks in diakonischen Einrichtungen verletzten das kirchliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Dieses erlaube der verfassten Kirche und ihren diakonischen Einrichtungen, die privatrechtlich begründeten Rechtsverhältnisse am Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft auszurichten. Die Dienstgemeinschaft beruhe auf dem Bekenntnis, dass alle in einer diakonischen Einrichtung beschäftigten Dienstnehmer gemeinsam mit dem dortigen Dienstgeber den diakonischen Auftrag der Kirche erfüllen. Diese gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche verpflichte zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und gebiete eine konsensuale Lösung arbeitsrechtlicher Konflikte um den Inhalt von Arbeitsbedingungen. Das verlange nach einem kollektiven Regelungsverfahren, das die von der Dienstgemeinschaft gebotenen Grundsätze der Partnerschaft und Kooperation wahre. Dieses gewährleiste der sog. Dritte Weg, bei dem die Arbeitsbedingungen in paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommissionen verbindlich ausgehandelt und im Konfliktfall durch eine Schlichtungskommission mit einem neutralen Vorsitzenden festgesetzt würden. Mit dem Wesen der Dienstgemeinschaft seien Verhandlungen um den Abschluss eines Tarifvertrags, die systemnotwendig mit der Möglichkeit des Arbeitskampfes verbunden seien, unvereinbar. Dieser zerstöre die Dienstgemeinschaft und hindere die Kirche für dessen Dauer an der Erbringung des diakonischen Auftrags. Die Erfüllung des religiösen Auftrags könne nicht unter dem Vorbehalt eines auf Konfrontation angelegten Arbeitskampfes gestellt werden. Ein Arbeitskampf in diakonischen Einrichtungen verstieße auch gegen den Grundsatz der Kampfparität, da ein auf Kontinuität angelegter diakonischer Dienst sie an Betriebsstilllegungen wie Aussperrungen hindere. Streiks in diakonischen Einrichtungen seien demnach ungeachtet ihres konkreten Verlaufs rechtswidrig. Sie könnten daher von der Beklagten die Unterlassung von Arbeitskämpfen verlangen.

17

Die Kläger zu 1) bis 3) haben beantragt:

        

1. a) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer der Kläger zu 1) bis 3) zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen der Kläger zu 1) bis 3) zu organisieren und durchzuführen.

        

Hilfsweise zu 1. a):

        

1. b) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer der Kläger zu 1) bis 3) zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen der Kläger zu 1) bis 3) zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die Kläger zu 1) bis 3) mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB - regelhaft die Anwendung solcher Arbeitsbedingungen vereinbart haben, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beruht und ein geregeltes Schlichtungsverfahren beinhaltet.

        

Hilfsweise zu 1. b):

        

1. c) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer der Kläger zu 1) bis 3) zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen der Kläger zu 1) bis 3) zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die Kläger zu 1) bis 3) mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder des Rheinisch-Westfälisch-Lippischen BAT-KF/MTArb-KF in der jeweils geltenden Fassung vereinbart haben.

        

Hilfsweise für den Fall der Abweisung der Anträge zu 1. a) bis 1. c):

        

1. d) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer der Kläger zu 1), bzw. zu 2), bzw. zu 3), in deren Arbeitsverträgen die vollumfängliche Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder des Rheinisch-Westfälisch-Lippischen BAT-KF/MTArb-KF in der jeweils geltenden Fassung vereinbart ist, zu Streiks aufzurufen und es zu unterlassen, Streikaufrufe, die keine auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung der AVR-DW-EKD bzw. BAT-KF/MTArb-KF bezogene Differenzierung enthalten, zu verbreiten.

        

2.    

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht nach Ziff. 1. ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten, angedroht.

        

Der Kläger zu 4) hat beantragt:

        

3. a) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer des Klägers zu 4) zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen des Klägers zu 4) zu organisieren und durchzuführen.

        

Hilfsweise zu 3. a):

        

3. b) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer des Klägers zu 4) zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen des Klägers zu 4) zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit der Kläger zu 4) mit seinen nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB - regelhaft die Anwendung solcher Arbeitsbedingungen vereinbart hat, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beruht und ein geregeltes Schlichtungsverfahren beinhaltet.

        

Hilfsweise zu 3. b):

        

3. c) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer des Klägers zu 4) zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen des Klägers zu 4) zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit der Kläger zu 4) mit seinen nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder die AVR-Konföderation in der jeweils geltenden Fassung vereinbart hat.

        

Hilfsweise für den Fall der Abweisung der Anträge zu 3. a) und 3. c):

        

3. d) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer des Klägers zu 4), in deren Arbeitsverträgen die vollumfängliche Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung vereinbart ist, zu Streiks aufzurufen und es zu unterlassen, Streikaufrufe, die keine auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung der AVR-DW-EKD bezogene Differenzierung enthalten, zu verbreiten.

        

4.    

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht nach Ziff. 3. ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten, angedroht.

                 
        

Die Kläger zu 5) und 6) haben beantragt:

        

5. a) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger Mitglieder des Klägers zu 5) sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder des Klägers zu 5) sind, zu organisieren und durchzuführen.

        

Hilfsweise zu 5. a):

        

5. b) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger Mitglieder des Klägers zu 5) sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder des Klägers zu 5) sind, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB - regelhaft die Anwendung von Arbeitsbedingungen vereinbart haben, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beruht und ein geregeltes Schlichtungsverfahren beinhaltet.

        

Hilfsweise zu 5. b):

        

5. c) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger Mitglieder des Klägers zu 5) sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder des Klägers zu 5) sind, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB - regelhaft die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder des Rheinisch-Westfälisch-Lippischen BAT-KF/MTArb-KF in der jeweils geltenden Fassung vereinbart haben.

        

Hilfsweise zu 5. c):

        

5. d) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG beschäftigt sind, deren Rechtsträger Mitglieder des Klägers zu 5) sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder des Klägers zu 5) sind, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen(bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder des Rheinisch-Westfälisch-Lippischen BAT-KF/MTArb-KF in der jeweils geltenden Fassung vereinbart haben.

        

Hilfsweise für den Fall der Abweisung der Anträge 5. a) und 5. d):

        

5. e) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die

                 

-       

in kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG beschäftigt sind und

-       

deren Arbeitgeber Vollmitglied des Klägers zu 5) ist und

-       

in deren Arbeitsverträgen die vollumfängliche Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder des Rheinisch-Westfälisch-Lippischen BAT-KF/MTArb-KF in der jeweils geltenden Fassung vereinbart ist,

                 

zu Streiks aufzurufen und es zu unterlassen, Streikaufrufe, die keine auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung der AVR-DW-EKD bzw. BAT-KF/MTArb-KF bezogene Differenzierung enthalten, zu verbreiten.

        

6.    

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht nach Ziff. 5. ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten, angedroht.

        

Der Kläger zu 7) hat beantragt:

        

7. a) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines dem Kläger zu 7) angehörenden Diakonischen Werks sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines dem Kläger zu 7) angehörenden Diakonischen Werks sind, zu organisieren und durchzuführen.

        

Hilfsweise zu 7. a):

        

7. b) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines dem Kläger zu 7) angehörenden Diakonischen Werks sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines dem Kläger zu 7) angehörenden Diakonischen Werks sind, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung von Arbeitsbedingungen vereinbart haben, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beruht und ein geregeltes Schlichtungsverfahren beinhaltet.

        

Hilfsweise zu 7. b):

        

7. c) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines Diakonischen Werks sind, welches dem Kläger zu 7) angehört, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines Diakonischen Werks sind, das dem Kläger zu 7) angehört, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder des Rheinisch-Westfälisch-Lippischen BAT-KF/MTArb-KF in der jeweils geltenden Fassung vereinbart haben.

        

Hilfsweise zu 7. c):

        

7. d) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG beschäftigt sind, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines Diakonischen Werks sind, welches dem Kläger zu 7) angehört, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen in kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines Diakonischen Werks sind, das dem Kläger zu 7) angehört, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen(bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder des Rheinisch-Westfälisch-Lippischen BAT-KF/MTArb-KF in der jeweils geltenden Fassung vereinbart haben.

        

Hilfsweise für den Fall der Abweisung der Anträge zu 7. a) und 7. d):

        

7. e) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die

                 

-       

in kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG beschäftigt sind und

                 

-       

deren Arbeitgeber Vollmitglied eines Diakonischen Werks ist, welches dem Kläger zu 7) angehört, und

                 

-       

in deren Arbeitsverträgen die vollumfängliche Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder des Rheinisch-Westfälisch-Lippischen BAT-KF/MTArb-KF in der jeweils geltenden Fassung vereinbart ist,

                 

zu Streiks aufzurufen und es zu unterlassen, Streikaufrufe, die keine auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung der AVR-DW-EKD bzw. BAT-KF/MTArb-KF bezogene Differenzierung enthalten, zu verbreiten.

        

8.    

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht nach Ziff. 7. ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten, angedroht.

        

Die Kläger zu 8) und 9) haben beantragt:

        

9. a) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger Mitglieder des Klägers zu 8) sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder des Klägers zu 8) sind, zu organisieren und durchzuführen.

        

Hilfsweise zu 9. a):

        

9. b) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger Mitglieder des Klägers zu 8) sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder des Klägers zu 8) sind, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung von Arbeitsbedingungen vereinbart haben, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beruht und ein geregeltes Schlichtungsverfahren beinhaltet.

        

Hilfsweise zu 9. b):

        

9. c) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen Einrichtungen beschäftigt sind, deren Rechtsträger Mitglieder des Klägers zu 8) sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in Einrichtungen, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder des Klägers zu 8) sind, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder die AVR-Konföderation in der jeweils geltenden Fassung oder die Dienstvertragsordnung-Konföderation in der jeweils geltenden Fassung vereinbart haben.

        

Hilfsweise zu 9. c):

        

9. d) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die in solchen kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG beschäftigt sind, deren Rechtsträger Mitglieder des Klägers zu 8) sind, zu Streiks, Warnstreiks und sonstigen Arbeitsniederlegungen aufzurufen sowie Streiks, Warnstreiks und sonstige Arbeitsniederlegungen in kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG, deren Rechtsträger zugleich Mitglieder des Klägers zu 8) sind, zu organisieren und durchzuführen, solange und soweit die jeweiligen Einrichtungsträger mit ihren nicht den Dienststellenleitungen im Sinne der geltenden MVG und nicht der Gruppe der Chefärztinnen und Chefärzte angehörenden Arbeitnehmern - vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen(bspw. aus § 613a BGB ) - regelhaft die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der jeweils geltenden Fassung oder die AVR-Konföderation in der jeweils geltenden Fassung oder die Dienstvertragsordnung-Konföderation in der jeweils geltenden Fassung vereinbart haben.

        

Hilfsweise für den Fall der Abweisung der Anträge zu 9. a) und 9. d):

        

9. e) 

Die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Mitglieder und andere Arbeitnehmer, die

                 

-       

in kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG beschäftigt sind und

                 

-       

deren Arbeitgeber Vollmitglied des Klägers zu 8) ist und

                 

-       

in deren Arbeitsverträgen die vollumfängliche Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD (AVR-DW-EKD) in der AVR-Konföderation oder der Dienstvertragsordnung-Konföderation, jeweils in der geltenden Fassung, vereinbart ist,

                 

zu Streiks aufzurufen und es zu unterlassen, Streikaufrufe, die keine auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung der AVR-DW-EKD bzw. AVR-Konföderation bzw. Dienstvertragsordnung-Konföderation bezogene Differenzierung enthalten, zu verbreiten.

        

10.     

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht nach Ziff. 9. ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten, angedroht.

18

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, die Unterlassungsanträge der Kläger zu 4) bis 9) seien schon deshalb unbegründet, weil es insoweit an einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr fehle. Der Kläger zu 4) sei zwar zur Aufnahme von Tarifverhandlungen aufgefordert worden, bei ihm sei es jedoch nicht zu Streiks oder konkreten Streikandrohungen gekommen. In Bezug auf die Kläger zu 5) bis 9) habe es weder eine Aufforderung zu Tarifverhandlungen noch Streikankündigungen gegeben. Im Übrigen stehe das Leitbild der Dienstgemeinschaft Tarifverhandlungen und Arbeitskämpfen in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen nicht entgegen. Auch Tarifverhandlungen seien darauf gerichtet, die unterschiedlichen Interessen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite in einem Vertrag zusammenzuführen und zu befrieden. Der Dritte Weg sei dem nicht ebenbürtig. Das zeige schon ein Vergleich mit Arbeitsbedingungen, die in vergleichbaren Tarifverträgen wie den für den öffentlichen Dienst geregelt und für dessen Beschäftigten durchweg günstiger seien. In den Arbeitsrechtlichen Kommissionen und Schlichtungsausschüssen würden die Arbeitnehmer auch nicht gleichberechtigt beteiligt, weil ohne die Zustimmung des Arbeitgebers Regelungen nicht getroffen werden und Vorsitzende nicht ernannt werden könnten. Schließlich sei das Streikrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG vorbehaltlos gewährleistet. Als Teil des ordre public setze es dem aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV hergeleiteten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Grenzen und gehe diesem vor, da dieses nur innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes gewährleistet sei. Der Vorrang des Streikrechts folge auch aus Art. 6 der Europäischen Sozialcharta(ESC), Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention(EMRK) sowie dem Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Übereinkommen Nr. 87). Im Rahmen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes seien diese völkerrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen. Schließlich sei das Streikrecht auch durch Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(GRC) gewährleistet.

19

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu 1. a), 3. c), 5. d), 7. d) und 9. d) entsprochen und im Übrigen die Klagen abgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Kläger das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klagen insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren uneingeschränkt weiter.

Entscheidungsgründe

20

Die Revisionen sind unbegründet.

21

A. In der gebotenen Auslegung sind die Anträge nur teilweise zulässig.

22

I. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Falle einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird, um sich künftig rechtmäßig verhalten zu können(BAG 14. März 2012 - 7 ABR 67/10 - Rn. 9, EzA SGB IX § 95 Nr. 4). Der Unterlassungsantrag darf nicht derart ungenau gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (vgl. BAG 14. September 2010 - 1 ABR 32/09 - Rn. 14, EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 4). Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer Verpflichtung nachgekommen ist, und nicht, wie diese aussieht. Gleichwohl sind bei Unterlassungsanträgen bisweilen generalisierende Formulierungen unvermeidlich. Andernfalls würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert, wenn nicht gar beseitigt. Dementsprechend sind die Gerichte auch verpflichtet, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass eine Sachentscheidung ergehen kann (vgl. BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 11/11 - Rn. 15 mwN, DB 2012, 2351). Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe ist deshalb hinnehmbar und im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht (BGH 22. November 2007 - I ZR 12/05 - Rn. 22, GRUR 2008, 357). Etwas anderes gilt jedoch, wenn zwischen den Parteien Streit besteht, ob das beanstandete Verhalten unter den verwendeten Begriff fällt und dessen Merkmale auch im Wege der Auslegung nicht hinreichend deutlich festzustellen sind. In diesem Fall kann der Begriff nicht in der Urteilsformel verwendet werden, weil sonst der im Erkenntnisverfahren beizulegende Streit in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde (vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - zu I 1 der Gründe, BGHZ 143, 214).

23

II. Diesen Bestimmtheitsanforderungen werden die Anträge nur zum Teil gerecht.

24

1. Der Antrag zu 1. a) der Kläger zu 1) bis 3) ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

25

a) Es handelt sich um einen Globalantrag, der eine unbestimmte Vielzahl möglicher zukünftiger Fallgestaltungen erfasst. Dies steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen, weil er auf ausnahmslos alle denkbaren Fälle gerichtet ist. Ob der Antrag für sämtliche Fälle berechtigt ist, betrifft die Begründetheit und nicht dessen Zulässigkeit (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 25, BAGE 122, 134).

26

b) Was Streiks und Warnstreiks sind, ist im Einzelfall ohne Weiteres feststellbar. Hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit. Mit dem Merkmal „sonstige Arbeitsniederlegungen“ wollen die Kläger erkennbar sonstige Arbeitskampfformen in den Antrag einbeziehen, die von einem gewerkschaftlichen Kampfaufruf erfasst sind.

27

c) Ebenso ist der Begriff „Einrichtung“ hinreichend konkret. Hierunter sind organisatorische Einheiten mit karitativer Zielsetzung in kirchlicher oder diakonischer Trägerschaft zu verstehen, in denen Mitarbeiter aufgrund von Dienstverträgen tätig sind. Er erfasst alle Organisationseinheiten kirchlicher und karitativer Art, wie etwa Krankenhäuser, Heime und Betreuungseinrichtungen. Von ihm ist der Begriff des „Rechtsträgers“ zu unterscheiden, der eine oder mehrere Einrichtungen haben kann (BAG 9. September 2010 - 2 AZR 582/09 - Rn. 35, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 16). Der Begriff „Einrichtung“ entspricht damit im Wesentlichen dem des Betriebs. In Bezug auf das Evangelische Krankenhaus in Bi hat die Klägerin zu 1) den Begriff „Einrichtung“ im zweiten Rechtszug weiter dahin konkretisiert, dass damit allein das Krankenhaus mit seinen beiden dortigen Standorten und 28 Fachabteilungen in Bi gemeint sei. Der Antrag bezieht sich dagegen nicht auf die Tochtergesellschaften W GmbH, Z GmbH, M GmbH, S GmbH und K GmbH.

28

2. Die Anträge zu 1. b) und 1. c) genügen nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

29

a) Das in diesen Anträgen enthaltene Merkmal „regelhaft“ ist nicht hinreichend bestimmt. Nach Auffassung der Kläger soll mit diesem Begriff zum Ausdruck gebracht werden, dass das Arbeitskampfverbot bereits dann eingreife, wenn die ganz überwiegende Zahl der Arbeitnehmer in Einrichtungen der Kläger zu 1) bis 3) nach Regelungen des Dritten Wegs beschäftigt werde. Auch mit dieser Erläuterung der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bleibt jedoch die Quantifizierung des Regelhaften im Ungewissen. Es ist nicht hinreichend bestimmt feststellbar, wann konkret Arbeitnehmer „regelhaft“ nach den auf dem Dritten Weg zustande gekommenen Bestimmungen beschäftigt werden. Nachdem zwischen den Parteien über den Inhalt des Begriffs „regelhaft“ Streit besteht und dieser eine wesentliche Voraussetzung der Anträge zu 1. b) und 1. c) darstellt, kann die Klärung der Frage, ob die auf dem Dritten Weg zustande gekommenen Arbeitsbedingungen „regelhaft“ vereinbart sind, nicht dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten bleiben. Entgegen der Auffassung der Kläger führt dieses Verständnis nicht zu einer Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Kläger im Einzelfall immer noch die Möglichkeit haben, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Arbeitskampfmaßnahmen der Beklagten in Einrichtungen vorzugehen, in denen ihrer Auffassung nach die Anwendung der auf dem Dritten Weg zustande gekommenen Arbeitsvertragsbedingungen auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten vereinbart ist.

30

b) Als nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erweist sich des Weiteren der in den Anträgen zu 1. b) und 1. c) enthaltene Einschub „vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen (bspw. aus § 613a BGB)“.

31

aa) Soweit sich der Vorbehalt beispielhaft auf § 613a BGB bezieht, genügt er allerdings den Bestimmtheitsanforderungen. Der Verweis auf § 613a BGB macht deutlich, dass hiervon die Fälle eines Betriebsübergangs im Sinne der gesetzlichen Bestimmung erfasst sein sollen. Auch wenn im Einzelfall streitig sein mag, ob der Tatbestand des § 613a BGB erfüllt ist, führt das entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Unbestimmtheit des Antrags. Vielmehr hat das Vollstreckungsgericht dann zu klären, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Insoweit gilt für den Rechtsbegriff „Betriebsübergang“ nichts anderes als für den Begriff „Betriebsänderung“ (vgl. dazu BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 40, BAGE 122, 134). Der Bestimmtheit dieses Vorbehalts steht jedoch entgegen, dass nicht klar ist, was die Kläger zu 1) bis 3) unter „anderslautenden gesetzlichen Verpflichtungen“ verstehen. Es ist schon nicht erkennbar, ob hiermit nur staatlich gesetzte Bestimmungen oder auch kirchengesetzliche Vorschriften gemeint sind.

32

bb) Unklar ist ferner, was in dem Antrag zu 1. b) unter einem „kirchengesetzlich anerkannten Verfahren“ zu verstehen ist, das auf „strukturellem Gleichgewicht der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beruht und ein geregeltes Schlichtungsverfahren beinhaltet“. Diese Formulierung knüpft offenbar an § 4 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a der Satzung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. an. Danach sind die Mitglieder des Diakonischen Werks verpflichtet, die Mitarbeitenden nach Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf strukturellem Gleichgewicht der Dienstgeber- und der Dienstnehmerseite beruht. Wann ein derartiges Verfahren vorliegt und welche Anforderungen an dieses zu stellen sind, ist indessen unbestimmt. Es gibt keine abstrakten Merkmale, anhand derer geprüft werden kann, ob ein kirchengesetzlich anerkanntes Verfahren vorliegt, das auf „strukturellem Gleichgewicht der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beruht und ein geregeltes Schlichtungsverfahren beinhaltet“. Hierbei handelt es sich - anders als beim Begriff des „Betriebsübergangs“ oder der „Betriebsänderung“ - auch nicht um einen Gesetzesbegriff, der durch die Rechtsprechung näher ausgeformt worden ist. Die Klärung dieser Anforderungen darf deshalb nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden.

33

3. Der Antrag zu 1. d) der Kläger zu 1) bis 3) genügt in der gebotenen Auslegung den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und ist deshalb zulässig.

34

a) Soweit der Antrag voraussetzt, dass in den Arbeitsverträgen die „vollumfängliche Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der EKD“ (AVR) vereinbart ist, ist dies dahin zu verstehen, dass damit die uneingeschränkte Geltung dieser AVR gemeint ist und demzufolge Fälle einer nur teilweisen arbeitsvertraglichen Bezugnahme hierauf vom Antrag nicht erfasst sein sollen. Dieser bezieht sich allerdings auch auf die Fälle, in denen die Kläger in den Arbeitsverträgen auf die AVR verweisen und diese damit vollumfänglich gelten, einzelne Arbeitnehmer jedoch - wie etwa die bei der Klägerin zu 1) beschäftigten Ärzte - darüber hinaus eine Differenzzulage zu den Tabellenwerten des TVöD-K erhalten. Entscheidend ist insoweit, dass die AVR insgesamt gelten. Darüber hinaus gewährte zusätzliche Leistungen stehen dem nicht entgegen.

35

b) Der letzte Satzteil des Antrags zu 1. d), wonach die Beklagte verpflichtet werden soll, es zu unterlassen, „Streikaufrufe, die keine auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung der AVR-DW-EKD bzw. BAT-KF/MTArb-KF bezogene Differenzierung enthalten, zu verbreiten“, ist nach dem Vortrag der Kläger zu 1) bis 3) so zu verstehen, dass jegliche Streikaufrufe ausdrücklich nur an solche Arbeitnehmer gerichtet werden dürfen, mit denen arbeitsvertraglich keine vollumfängliche Anwendung der genannten Regelungen des Dritten Wegs vereinbart ist. Diese Anforderung ist objektiv bestimmbar. Dass die Beklagte vor einem Streikaufruf nicht zuverlässig feststellen kann, welche Arbeitnehmer derartige arbeitsvertragliche Vereinbarungen getroffen haben, führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrags. Die Durchführbarkeit dieser Verpflichtung betrifft vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

36

4. Der Antrag zu 3. a) des Klägers zu 4) ist zulässig. Insoweit gilt das für die Kläger zu 1) bis 3) zum Antrag zu 1. a) Ausgeführte entsprechend. Die Anträge zu 3. b) bis 3. c) sind aus den zu den Anträgen zu 1. b) und 1. c) ausgeführten Gründen unzulässig. Der Antrag zu 3. d) ist dagegen aus den zum Antrag zu 1. d) ausgeführten Gründen zulässig.

37

5. In der gebotenen Auslegung sind die Anträge zu 5. a) und 5. e) der Kläger zu 5) und 6) zulässig, die Anträge zu 5. b) bis 5. d) dagegen unzulässig.

38

a) Die Anträge zu 5. a) bis 5. d) sind aufgrund des prozessualen Vorbringens der Kläger teilweise einschränkend auszulegen.

39

aa) Die Anträge 5. a) bis 5. d) sind aufgrund der Ausführungen der Kläger im zweiten Rechtszug zunächst dahin auszulegen, dass mit dem dort verwendeten Begriff „Mitglieder des Klägers zu 5)“ nur „Vollmitglieder“ gemeint sind. Hierdurch soll eine Abgrenzung von Gastmitgliedern (§ 5 der Satzung des Klägers zu 5)) und ruhenden Mitgliedschaften (§ 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Satzung des Klägers zu 5)) erfolgen, die vom Antrag nicht erfasst sind.

40

bb) Nach dem Vortrag der Kläger zu 5) und 6) ist in Bezug auf die zu 5. a) bis 5. c) gestellten Anträge des Weiteren die formelle Mitgliedschaft im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. maßgeblich. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen im Schriftsatz vom 23. Februar 2010. Dort haben die Kläger mit Blick auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2007 (- 7 ABR 72/06 - BAGE 125, 100) geltend gemacht, das vom Bundesarbeitsgericht dort beanstandete Fehlen von Personen, die aufgrund eines kirchlichen Auftrags in entscheidungsbefugten Organen der Einrichtung mitwirkten, habe einen Sonderfall betroffen, der hier nicht vorliege. Dieser Fallkonstellation werde durch die weiteren Hilfsanträge Rechnung getragen. Damit erfassen die Anträge zu 5. a) bis 5. c) als Globalanträge auch Rechtsträger von Einrichtungen, in denen nicht sichergestellt ist, dass die verfasste Kirche ausreichende Einflussmöglichkeiten besitzt, um dauerhaft eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Zielen sicherzustellen. Nur bei einem solchen Antragsverständnis macht der im Schriftsatz vom 23. Februar 2010 angebrachte Hilfsantrag zu 5. d) Sinn.

41

cc) Die Anträge zu 5. a) bis 5. c) betreffen nur Streikaufrufe der Beklagten in Einrichtungen des Klägers zu 5), deren Rechtsträger Vollmitglieder des Diakonischen Werks sind. Nicht erfasst sind dagegen Aufrufe zu Arbeitskampfmaßnahmen bei den Klägern zu 5) und 6) selbst. Damit ist ein Streikaufruf der Beklagten beim Kläger zu 5), der als eingetragener Verein eine eigenständige juristische Person darstellt und damit nach dem Verständnis der Beklagten als Arbeitgeber eine mögliche Tarifvertragspartei (§ 3 Abs. 1 TVG), nicht vom Unterlassungsbegehren umfasst. Gleiches gilt für die Klägerin zu 6) als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

42

b) So verstanden ist der Antrag zu 5. a) zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

43

aa) Die formelle Vollmitgliedschaft eines Rechtsträgers beim Kläger zu 5) ist hinreichend bestimmbar. Die Unterscheidung zwischen Gast- und Vollmitgliedern ist zunächst grundsätzlich nach außen sichtbar. Die Mitglieder sind nach § 4 Abs. 3 der Satzung des Klägers zu 5) gehalten, das Kronenkreuz als eingeführtes Markenzeichen der Diakonie zu führen. Gastmitglieder sind demgegenüber nach § 5 Abs. 3 der Satzung des Klägers zu 5) dazu in der Regel ebenso wenig berechtigt wie den Bezeichnungen ihrer Einrichtungen einen Vermerk hinzuzufügen, aus dem sich die Zugehörigkeit zum Diakonischen Werk ergibt. Entscheidend ist jedoch, dass nach § 3 Abs. 2 der Satzung des Klägers zu 5) - abgesehen von Kirchengemeinden, Kirchenkreisen sowie Verbänden von Kirchengemeinden und Kirchenkreisen der Evangelischen Kirche von Westfalen - die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. aufgrund eines Aufnahmeantrags erworben wird, der gegenüber dem Vorstand abzugeben ist und über den der Vorstand entscheidet. Eine einem solchen Antrag stattgebende Entscheidung bestätigt die - formelle - Mitgliedschaft beim Kläger zu 5). Ob eine derartige Entscheidung getroffen worden ist, ist in der Zwangsvollstreckung feststellbar. Entsprechendes gilt für die Entscheidung des Vorstands des Klägers zu 5) nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Satzung des Klägers zu 5), die Mitgliedschaftsrechte eines Mitglieds ruhen zu lassen. In diesem Fall darf im Übrigen auch das Kronenkreuz nicht mehr verwendet werden.

44

bb) Der Antrag zu 5. a) ist in Bezug auf die Tochtergesellschaften einzelner Mitglieder hinreichend bestimmt. Entscheidend ist auch insoweit allein, ob diese formal Mitglied des Diakonischen Werks sind. Ob dies materiellrechtlich ausreichend ist, ist eine Frage der Begründetheit der Anträge.

45

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen gegen die Bestimmtheit des Begriffs „Rechtsträger“ keine Bedenken. Die Kläger haben diesen Begriff dahin erläutert, dass hiermit gekennzeichnet werde, welcher juristischen Person eine rechtlich selbständige oder unselbständige Organisationseinheit zugeordnet ist. Das genügt den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

46

c) Die Anträge zu 5. b) bis 5. d) sind unzulässig. Wie bereits zu den Anträgen zu 1. b) und 1. c) ausgeführt, sind der darin enthaltene Begriff „regelhaft“ sowie der Einschub „vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen“ nicht hinreichend bestimmt.

47

d) Der Antrag zu 5. e) ist in der das prozessuale Vorbringen der Kläger zu 5) und 6) berücksichtigenden Auslegung hinreichend bestimmt und damit zulässig.

48

Soweit der Antrag voraussetzt, dass Arbeitnehmer in „kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG“ beschäftigt sind und deren Arbeitgeber Vollmitglied des Klägers zu 5) ist, bezieht er sich auf karitative und erzieherische Einrichtungen, die der Klägerin zu 6) institutionell zugeordnet sind. Für dieses Antragsverständnis ist maßgeblich, dass die Kläger zu 5) und 6) diese Formulierung erstmals im ersten Rechtszug im Schriftsatz vom 23. Februar 2010 in den Hilfsantrag zu 5. d) aufgenommen und dann später im Hilfsantrag zu 5. e) wiederholt haben, nachdem die Beklagte zuvor unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2007 (- 7 ABR 72/06 - BAGE 125, 100) gerügt hatte, allein aus der Zugehörigkeit zum Diakonischen Werk könne nicht geschlossen werden, dass es sich bei der jeweiligen Einrichtung um eine solche der Evangelischen Kirche handele. Hiernach setzt die Zuordnung zur Kirche iSd. § 118 Abs. 2 BetrVG eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Die Kirche muss in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden. Bestehen danach ausreichende inhaltliche und personelle Einflussmöglichkeiten der Kirche auf die religiöse Tätigkeit der Einrichtung, ist das tatsächliche Maß der Einflussnahme oder Kontrolle durch die Amtskirche ohne Bedeutung für die Zuordnung iSd. § 118 Abs. 2 BetrVG(BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 31 f., aaO unter Bezugnahme auf BVerfG 11. Oktober 1977 - 2 BvR 209/76 - [Goch] zu B II 2 b aa bis kk der Gründe, BVerfGE 46, 73). Im Hinblick darauf ist der Antrag zu 5. e) so zu verstehen, dass „kirchlichen Einrichtungen iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG“ nur solche sind, die den dargestellten Anforderungen gerecht werden. Auch wenn dies im Einzelfall nicht einfach feststellbar sein wird, führt dies nicht zur Unbestimmtheit des Antrags (vgl. BAG 23. Oktober 2002 -  7 ABR 59/01 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 103, 163). Insoweit gilt nichts anderes als für die im Einzelfall schwierige Feststellung der Voraussetzungen eines Betriebsübergangs oder einer Betriebsänderung durch das Vollstreckungsgericht.

49

6. Die Anträge zu 7. a) bis 7. e) des Klägers zu 7) entsprechen im Wesentlichen denen der Kläger zu 5) und 6). Alle Anträge setzen jedoch zusätzlich voraus, dass die Arbeitnehmer in Einrichtungen beschäftigt sind, „deren Rechtsträger zugleich Mitglieder eines dem Kläger zu 7) angehörenden Diakonischen Werks sind“. Damit nimmt der Kläger zu 7) darauf Bedacht, dass er ein von den Diakonischen Werken des Rheinlands, von Westfalen und der Lippischen Landeskirche gebildeter rechtsfähiger Verein ist. Auch für diesen Antrag gilt, dass von ihm Streikaufrufe beim Kläger zu 7) selbst nicht erfasst sind. Aus den zum Antrag zu 5. a) ausgeführten Gründen ist der Antrag zu 7. a) als Globalantrag zulässig, die Anträge zu 7. b) bis 7. d) sind dagegen wegen des unbestimmten Begriffs „regelhaft“ und des nicht hinreichend bestimmten Vorbehalts anderslautender gesetzlicher Verpflichtungen unzulässig. Der Antrag zu 7. e) ist zulässig.

50

7. Die Anträge zu 9. a) bis 9. d) der Kläger zu 8) und 9) entsprechen im Wesentlichen den Anträgen der Kläger zu 5) und 6). Demzufolge ist der Antrag zu 9. a) als Globalantrag zulässig. Die Anträge zu 9. b) bis 9. d) sind allerdings aus den in Bezug auf die Kläger zu 5) und 6) dargelegten Gründen unzulässig, der Antrag zu 9. e) ist dagegen zulässig.

51

III. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass jeder der Kläger gegen die Beklagte einen eigenen Unterlassungsanspruch geltend macht und nicht etwa - wie noch im ersten Rechtszug erörtert - einen gemeinsamen, den betreffenden Klägern als Gesamtgläubiger zustehenden Anspruch im Wege der subjektiven Klagehäufung verfolgt. Damit erweisen sich die Bedenken der Beklagten gegen eine unzulässige Mehrfachtitulierung als unbegründet. Die örtliche Zuständigkeit für die Anträge der Kläger zu 3), 4), 5), 7), 8) und 9) war in der Revision nicht zu prüfen (§ 73 Abs. 2, § 65 ArbGG).

52

B. Die Anträge sind - soweit zulässig - unbegründet. Als Anspruchsgrundlage für die von den Klägern geltend gemachten Unterlassungsansprüche kommt allein § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht. In Bezug auf den Kläger zu 7) fehlt schon die erforderliche Aktivlegitimation, weil er durch die Streikaufrufe der Beklagten nicht in einem eigenen absoluten Recht verletzt ist. Beim Kläger zu 4) sowie den Klägern zu 8) und 9) besteht nicht die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen iSd. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Streikaufrufe der Beklagten. Bezüglich der Kläger zu 1) bis 3) sowie zu 5) und 6) fehlt es hinsichtlich der Globalanträge zu 1. a) und 5. a) an der Gefahr einer ausnahmslosen Beeinträchtigung eines absoluten Rechts. Im Hinblick auf die zulässigen Hilfsanträge zu 1. d) und 5. e) besteht nicht die Sorge weiterer Beeinträchtigungen durch die dort bezeichneten Verletzungshandlungen.

53

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, in Bezug auf die Kläger zu 1) bis 3) könnte ein von der Beklagten geführter rechtswidriger Streik einen Eingriff in deren eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetriebe darstellen, der als „sonstiges Recht“ iSd. § 823 Abs. 1 BGB geschützt sei. Ob dies im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit dieser Kläger zutrifft, kann dahinstehen. Das Landesarbeitsgericht wird mit diesem Verständnis des Prozessvortrags der Kläger deren Darlegungen nicht gerecht. Diese haben zur Begründung ihrer Unterlassungsanträge ausschließlich darauf abgestellt, durch Arbeitskampfmaßnahmen in ihrem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht verletzt zu werden. Dieses aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV folgende Recht ist ein deliktsrechtlich geschütztes sonstiges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB, zu dessen Schutz § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog anzuwenden ist.

54

1. Der Anwendungsbereich des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht auf Eigentumsbeeinträchtigungen beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle deliktsrechtlich geschützten Rechtsgüter und erfasst auch absolute Rechte(BGH 13. März 1998 - V ZR 190/97 - zu II 2 a der Gründe, NJW 1998, 2058). Letzteres setzt voraus, dass es dem Gläubiger zugeordnet ist und gegenüber jedermann unabhängig von einer rechtsgeschäftlichen Verbundenheit wirkt (MünchKommBGB/Wagner 5. Aufl. § 823 Rn. 142).

55

2. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV erfüllt die Anforderungen eines absoluten Rechts.

56

a) Die durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleistete freie Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgesellschaften die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt(BVerfG 14. Mai 1986 - 2 BvL 19/84 - [Berufsbildung] zu C 1 der Gründe, BVerfGE 72, 278). Beide Gewährleistungen entstammen einem vom Verfassungsgeber anerkannten unantastbaren Freiheitsraum, der nicht etwa vom Staat zur Verfügung gestellt oder von ihm abgeleitet ist (BVerfG 17. Februar 1981 - 2 BvR 384/78 - [Volmarstein] zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 57, 220). Sie kommen nicht nur den Religionsgesellschaften und deren rechtlich selbständigen Teilen zugute, sondern allen der verfassten Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfG 25. März 1980 - 2 BvR 208/76 - [KrankenhausG-NRW] zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 53, 366).

57

Die Religionsgesellschaften iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV sind unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, die diesen zugeordneten Einrichtungen leiten dieses Recht von ihnen ab. Religionsgesellschaften vermitteln es ihnen, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - [Loyalitätspflichten] zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Maßstab für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist das Ausmaß der institutionellen Verbindung mit einer Religionsgesellschaft oder die Art der mit der Vereinigung verfolgten Ziele (vgl. BVerfG 11. Oktober 1977 - 2 BvR 209/76 - [Goch] zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 46, 73; 25. März 1980 - 2 BvR 208/76 - [KrankenhausG-NRW] zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 53, 366).

58

b) Hiernach erfüllt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV die Anforderungen, die an ein absolutes Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB gestellt werden(vgl. BGH 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - zu II 2 der Gründe, NJW 2000, 1555). Es ist Religionsgesellschaften und allen ihnen in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen und damit auch den Diakonischen Werken und den diesen zugeordneten Einrichtungen zugewiesen. Diese können sich hierauf auch gegenüber Dritten berufen.

59

3. Die Kläger zu 1) bis 6) sowie zu 8) und 9) sind Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und deshalb aktivlegitimiert, eine Verletzung dieses Rechts geltend zu machen, nicht dagegen der Kläger zu 7).

60

a) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht steht zunächst den Klägern zu 6) und 9) zu. Die Evangelische Landeskirche von Westfalen und die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers sind in der Rechtsform von Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 4 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 1. Dezember 1953 idF der Bekanntmachung vom 14. Januar 1999 und Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers vom 1. Juli 1971) Teil der verfassten Kirche und damit unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts.

61

b) Den weiteren Klägern zu 1) bis 5) und zu 8) wird dieses Recht durch die verfasste Kirche vermittelt, da sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen.

62

aa) Die Zuordnung des Klägers zu 5) zur Evangelischen Kirche von Westfalen ergibt sich zunächst aus der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 1. Dezember 1953 idF der Bekanntmachung vom 14. Januar 1999 (im Folgenden: Kirchenordnung). Nach Art. 164 Kirchenordnung geschieht der Dienst der Verkündung und der Liebe, zu dem alle Glieder der Kirche gerufen sind, in besonderer Weise durch die missionarisch-diakonischen Werke der Kirche. Diese haben gemäß Art. 165 Kirchenordnung innerhalb der kirchlichen Ordnung die Freiheit, ihre Arbeit so zu gestalten, wie es ihrem besonderen Auftrag und ihrer Geschichte entspricht. Die Verbindung der einzelnen Werke mit der Evangelischen Kirche von Westfalen ist entsprechend Art. 166 Kirchenordnung durch das DiakonieG-Westfalen vom 13. November 2003 geordnet. Nach § 2 DiakonieG-Westfalen wird der diakonische Auftrag durch die Kirchengemeinden, durch rechtlich selbständige Träger diakonisch-missionarischer Arbeit, die sich im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen als Landesverband zusammenschließen, und durch die Evangelische Kirche von Westfalen in Verbindung mit dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen wahrgenommen. Dabei hat die Evangelische Kirche von Westfalen gemäß § 8 Abs. 1 DiakonieG-Westfalen die Verantwortung für die diakonische Ausrichtung der kirchlichen Arbeit und für die Förderung diakonischer Arbeit in ihrem Bereich. Näheres regelt die Satzung des Diakonischen Werks. Deren Erlass, Änderung und Aufhebung kann wiederum nur im Einvernehmen mit der Kirchenleitung erfolgen (§ 9 Nr. 1 Buchst. b DiakonieG-Westfalen). Ebenso erfolgt die Wahl des Vorsitzenden des Verwaltungsrats des Diakonischen Werks im Einvernehmen mit der Kirchenleitung (§ 9 Nr. 1 Buchst. e DiakonieG-Westfalen). Der Hauptversammlung des Diakonischen Werks gehören gemäß § 10 DiakonieG-Westfalen bis zu zehn von der Landessynode entsandte Vertreter an. Daneben gehören dem Verwaltungsrat des Diakonischen Werks der Präses und ein Beauftragter der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen an. In diesen kirchenrechtlichen Regelungen kommt eine hinreichende institutionelle Verbundenheit zwischen dem Diakonischen Werk und der Evangelischen Kirche zum Ausdruck (dazu BVerfG 11. Oktober 1977 - 2 BvR 209/76 - [Goch] zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 46, 73; BAG 5. Dezember 2007 -  7 ABR 72/06  - Rn. 35, BAGE 125, 100). Die Evangelische Kirche von Westfalen ist in den Organen des Klägers zu 5) vertreten. Sie hat damit ausreichende Einflussmöglichkeiten, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit den kirchlichen Vorstellungen zu gewährleisten.

63

bb) Gleiches gilt für das Diakonische Werk der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers (Kläger zu 8)). Die institutionelle und personelle Verbundenheit mit der Landeskirche folgt aus kirchengesetzlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen. Nach § 2 DiakonieG-Hannover ist das Diakonische Werk der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers mit den ihm angehörenden Einrichtungen, Werken, Verbänden und sonstigen Diensten auf der Grundlage seiner Satzung gemäß Art. 118 Abs. 1 der Kirchenverfassung als landeskirchliches Werk anerkannt. Es erfüllt seine Aufgaben in Bindung an die Kirchenverfassung und unter Mitwirkung der kirchenleitenden Organe der Landeskirche. Nach § 10 Abs. 1 DiakonieG-Hannover achten diese im Rahmen ihrer Aufgaben darauf, dass die Arbeit des Diakonischen Werks auf der Grundlage dieses Kirchengesetzes geschieht. Gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung des Klägers zu 8) nimmt das Diakonische Werk diakonische Aufgaben der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers wahr und sorgt für die Ausrichtung kirchlicher Arbeit in diakonischer Verantwortung. Gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung des Klägers zu 8) müssen die Mitglieder des Präsidiums evangelischen Bekenntnisses sein. Zwei Mitglieder des Präsidiums werden dabei vom Landeskirchenamt entsandt. Der Landesbischof ist nach § 13 Abs. 5 der Satzung des Klägers zu 8) zu den Sitzungen des Präsidiums einzuladen. Er kann dabei jederzeit das Wort ergreifen und Anträge stellen. Nach § 18 Abs. 3 der Satzung des Klägers zu 8) fällt bei Auflösung oder Aufhebung des Diakonischen Werks dessen Vermögen der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers zu(vgl. dazu BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 35 mwN, BAGE 125, 100).

64

cc) Des Weiteren kann sich die Klägerin zu 1) auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen.

65

(1) Sie ist Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. Aufgrund der Regelungen des Gesellschaftsvertrags hat die Evangelische Kirche von Westfalen hinreichende institutionelle und personelle Möglichkeiten, um eine Übereinstimmung der Betätigung der Klägerin zu 1) mit kirchlichen Vorstellungen sicherzustellen.

66

(a) Nach § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags sind die Anstalt Bethel, kirchliche Stiftung des privaten Rechts, die Westfälische Diakonissenanstalt Sarepta, kirchliche Stiftung des privaten Rechts, die Westfälische Diakonenanstalt Nazareth, kirchliche Stiftung des privaten Rechts und das Johanneswerk Gesellschafter der Klägerin zu 1). Nach § 2 der Satzung der Stiftung Bethel ist Zweck dieser Stiftung die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die Förderung der Wohlfahrtspflege, des öffentlichen Gesundheitswesens, der Jugend- und Altenhilfe, der Bildung und Erziehung, der Wissenschaft und Forschung. Die Stiftung verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Sie ist Mitglied des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. Nach § 7 Nr. 2 der Satzung der Stiftung Bethel sollen im Verwaltungsrat in angemessener Weise die Verbindung der Stiftung mit Kirche und Diakonie, die Zusammenarbeit mit Repräsentanten des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens, fachliche Beratungsmöglichkeiten des Vorstands sowie Mitverantwortung und Mitarbeit zum Ausdruck kommen. Der Verwaltungsrat bestellt nach § 8 Nr. 1 der Satzung der Stiftung Bethel die einzelnen Vorstandsmitglieder und auch den Vorstandsvorsitzenden. Dieser soll Pastor sein. Entsprechendes gilt für die Satzungen der Stiftungen Nazareth und Sarepta. Auch diese verfolgen ausschließlich gemeinnützige Zwecke und gehören der Evangelischen Kirche von Westfalen und dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. an. Ebenso wie bei der Stiftung Bethel soll auch in diesen beiden Stiftungen der Vorstandsvorsitzende ein Pastor sein.

67

(b) Der vierte Gesellschafter der Klägerin zu 1), das Johanneswerk, will nach seiner Satzung als karitative und erzieherische Einrichtung der Evangelischen Kirche von Westfalen Menschen in leiblicher Not, seelischer Bedrängnis und in sozial belasteten Verhältnissen helfen. Dieser Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch den Betrieb von Krankenhäusern, Wohnheimen, Wohn- und Pflegeheimen sowie Werkstätten für Behinderte. Das Johanneswerk verfolgt gemeinnützige Zwecke. Den Organen des Vereins, Mitgliederversammlung und Verwaltungsrat, können nach § 5 Abs. 2 der Satzung des Johanneswerks nur Personen angehören, die Mitglied der Evangelischen Kirche oder einer anderen der in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Bundesrepublik e. V. vertretenen evangelischen Kirche sind. Der Vorstand des Johanneswerks besteht aus bis zu fünf Mitgliedern, die vom Verwaltungsrat berufen werden. Der Vorsitzende oder sein Stellvertreter muss ordinierter Theologe sein. Die Berufung oder Abberufung der einzelnen Mitglieder des Vorstands erfolgt nach Beratung mit dem Vorsitzenden Geschäftsführer des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. und im Benehmen mit der Leitung der Evangelischen Kirche von Westfalen (§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 der Satzung des Johanneswerks).

68

(c) Dem Aufsichtsrat der Klägerin zu 1) obliegt nach § 18 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags die Überwachung der Geschäftsführung. Er ist zuständig für die Bestellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführung. Diese benötigt im Innenverhältnis für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinausgehen, die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats. Dieser hat ein Vetorecht bei der Einstellung und Entlassung leitender Ärzte einschließlich späterer Änderungen ihrer Anstellungsverträge (§ 18 Abs. 3 Buchst. b des Gesellschaftsvertrags). Gemäß § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags werden drei Aufsichtsratsmitglieder von den Stiftungen Bethel, Nazareth und Sarepta nominiert und zwei weitere Aufsichtsratsmitglieder vom Johanneswerk. Dem Handelsregister ist zu entnehmen, dass derzeit drei Pastoren, ein Diplom-Kaufmann und ein Jurist dem Aufsichtsrat angehören.

69

(2) Aufgrund dieser Gesellschafterstruktur und Besetzung des Aufsichtsrats ist ein ausreichender personeller Einfluss der Kirche auf die Arbeit der Klägerin zu 1) sichergestellt. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht am 5. Dezember 2007 (- 7 ABR 72/06 - BAGE 125, 100) entschiedenen Fall, in dem eine nicht kirchliche Stiftung Alleingesellschafterin eines Krankenhauses war und eine Beteiligung von Vertretern der Evangelischen Kirche oder ihres Diakonischen Werks in den entscheidungsbefugten Organen der Arbeitgeberin nicht vorgesehen war, ist hier aufgrund der Gesellschafterstruktur und der Vorschriften über die Bestellung des Aufsichtsrats bereits eine ausreichende Einflussnahme der Kirche sichergestellt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Klägerin zu 1) um eine historisch mit der Evangelischen Kirche verbundene Einrichtung handelt. Diese ist im Jahre 2005 nach einer Fusion des evangelischen Krankenhauses Gilead und des Johannes-Krankenhauses entstanden. Bei diesen beiden handelt es sich um evangelische Krankenhäuser mit einer zum Teil über hundertjährigen kirchlichen Tradition.

70

dd) Auch der Kläger zu 2) (Johanneswerk) kann sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen. Er gehört dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. an. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus seiner Satzung eine hinreichende Einflussmöglichkeit der Landeskirche auf die Arbeit dieses Vereins.

71

ee) Schließlich können sich auch die Kläger zu 3) und 4) auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen.

72

(1) Die Klägerin zu 3) (Evangelische Jugendhilfe Friedenshort GmbH Heimat für Heimatlose) verfolgt nach ihrem Gesellschaftsvertrag den Zweck, die Kinder-, Jugend-, Alten- und Familienhilfe zu fördern. Die Gesellschaft versteht ihre Arbeit als Lebens- und Wesensäußerung der evangelischen Kirche und als Auftrag zur Ausübung christlicher Nächstenliebe im Sinne der Diakonie in christlich-kirchlicher Verantwortung (§ 2 des Gesellschaftsvertrags). Die Stammeinlage wird nach § 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin zu 3) von der Diakonissenmutterhaus Stiftung Friedenshort gehalten. Die Gesellschaft verfolgt nach § 4 ihres Gesellschaftsvertrags ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Der Gesellschafterversammlung gehören nach § 6 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin zu 3) neben dem Vorstand der Diakonissenmutterhaus Stiftung Friedenshort die Mitglieder ihres Kuratoriums an. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrags werden zu Geschäftsführern diejenigen Personen bestellt, die dem Vorstand der Diakonissenmutterhaus Stiftung Friedenshort angehören. Damit ist sowohl personell wie institutionell ein ausreichender Einfluss der Kirche auf die Arbeit der Gesellschaft gewährleistet.

73

(2) Der Kläger zu 4) (Diakonisches Werk Christophorus e. V.) widmet sich nach § 2 seiner Satzung der Förderung, Pflege und Betreuung von geistig, körperlich, seelisch und mehrfach behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit dem Ziel, ein Höchstmaß an Selbständigkeit und Lebensqualität zu vermitteln. Der Verein ist nach § 3 Nr. 2 seiner Satzung Mitglied des Diakonischen Werks der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers e. V. und verfolgt nach § 4 Nr. 1 der Satzung ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Die Mitglieder des Aufsichtsrats müssen nach § 8 Nr. 1 der Satzung des Klägers zu 4) einer christlichen Kirche angehören und in ihrer Mehrheit Mitglieder der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers sein. Ein Mitglied des Aufsichtsrats soll Pastor und Inhaber einer Pfarrstelle sein. Nach § 10 Nr. 1 der Satzung des Klägers zu 4) fällt das Vermögen im Falle der Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall seines bisherigen Zwecks an einen anderen diakonischen oder kirchlichen Rechtsträger, der die Vereinszwecke weiterverfolgt. Aufgrund dieser Satzungsbestimmungen ist institutionell und personell ein hinreichender kirchlicher Einfluss auf die Vereinsarbeit gewährleistet.

74

c) Der Kläger zu 7) (Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e. V.) kann sich nicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen. Der Satzung ist nicht zu entnehmen, dass er die Aufgabe hat, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen.

75

aa) Nach der Präambel der Satzung des Klägers zu 7) sind das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland e. V., das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. und das Diakonische Werk der Lippischen Landeskirche e. V. aufgrund der sozialen, ökonomischen und finanziellen Entwicklung übereingekommen, den Kläger zu 7) zu bilden (dazu im Einzelnen Linzbach KuR 2008, 155, 156 ff.). Nach § 2 der Satzung des Klägers zu 7) ist Zweck des Vereins insbesondere die Beschaffung von Mitteln zur Förderung aller Gebiete der Diakonie als Religionsausübung der Evangelischen Kirche, namentlich zur Förderung der Religion, der Jugend- und Altenhilfe, des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege, der Bildung und Erziehung, des Wohlfahrtswesens und des Schutzes der Familie. Dieser Zweck wird satzungsgemäß insbesondere verwirklicht durch die Unterstützung der Mitglieder des Vereins, namentlich der drei gliedkirchlichen Werke Rheinland, Westfalen und Lippe. Dazu berät der Verein in fachlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. In Grundsatzfragen der diakonisch-missionarischen Arbeit und in Fragen der Zuordnung zu den Kirchen organisiert der Verein die Abstimmung mit den drei Landeskirchen über deren Diakonische Werke nach gliedkirchlichem Recht. Der Verein ist gemäß § 3 seiner Satzung ausschließlich gemeinnützig tätig. Der Vorstand besteht nach § 12 der Satzung des Klägers zu 7) aus mindestens zwei Personen, von denen jeweils eine vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland e. V. und eine vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. vorgeschlagen wird. Der Sprecher muss ordinierter Theologe sein. Dem Verwaltungsrat gehören nach § 9 Abs. 1 der Satzung des Klägers zu 7) der jeweilige Vorsitz und der stellvertretende Vorsitz des Diakonischen Rats des Diakonischen Werks Rheinland und des Verwaltungsrats des Diakonischen Werks Westfalen an sowie zwei weitere Mitglieder des Diakonischen Rats des Diakonischen Werks Rheinland und des Verwaltungsrats des Diakonischen Werks Westfalen sowie ein Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland, das wiederum dem Diakonischen Rat des Diakonischen Werks angehört.

76

bb) Aufgrund dieser Satzungsbestimmungen ist zwar davon auszugehen, dass ein personeller Einfluss der Evangelischen Kirche von Westfalen auf den Kläger zu 7) gewährleistet ist. Dem in § 2 der Satzung des Klägers zu 7) beschriebenen Vereinszweck ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Kläger zu 7) dazu berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen oder zu erfüllen. Zu seinen Aufgaben gehört gerade nicht ein karitatives Wirken im Sinne tätiger Nächstenliebe, sondern die Beratung namentlich der drei gliedkirchlichen Diakonischen Werke Rheinland, Westfalen und Lippe in fachlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Des Weiteren koordiniert er die Abstimmung mit den drei Landeskirchen. Aufgabe des Klägers zu 7) ist demzufolge nicht, sich der Menschen in leiblicher Not, seelischer Bedrängnis und in sozial ungerechten Verhältnissen anzunehmen und die Ursache dieser Nöte zu beheben, wie es nach § 1 DiakonieG-Westfalen Auftrag der Diakonie ist. Dieser vollzieht sich nach dieser Bestimmung in Wort und Tat als ganzheitlicher Dienst mit und an den Menschen. Er richtet sich an Einzelne und Gruppen ungeachtet des Geschlechts, der Abstammung, der Herkunft oder der Religion. Mit allen diesen Zielsetzungen der Diakonie hat der Kläger zu 7) nichts gemein. Es handelt sich bei ihm letztlich um eine Art „Unternehmensberatung“ in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, dessen Aufgabe die Beratung der drei gliedkirchlichen Diakonischen Werke Rheinland, Westfalen und Lippe in fachlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht ist (§ 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung des Klägers zu 7)).

77

cc) Ist der Kläger zu 7) danach nicht Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, ist seine Klage unbegründet und schon deshalb im vollen Umfang abzuweisen, weil die Verletzung dieses absoluten Rechts nicht zu besorgen ist. Eine Beeinträchtigung durch Verletzung anderer absoluter Rechte hat der Kläger zu 7) nicht behauptet. Im Übrigen ist die Klage aus denselben Gründen abzuweisen wie die der Kläger zu 5) und 6) (dazu unten zu B III 11 a dd und ee der Gründe).

78

II. Weitere Aufrufe zu Arbeitskampfmaßnahmen und daraus nach Auffassung der Kläger folgende weitere Beeinträchtigungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) haben nur die Kläger zu 1) bis 3) sowie zu 5) und 6) zu besorgen, nicht dagegen die Kläger zu 4), 8) und 9).

79

1. Künftige Beeinträchtigungen eines geschützten Rechts sind grundsätzlich zu besorgen, wenn sie auf einer bereits erfolgten Verletzungshandlung beruhen (Wiederholungsgefahr) oder eine solche ernsthaft zu befürchten ist (Erstbegehungsgefahr).

80

a) Wiederholungsgefahr ist die objektive Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung. Sie ist nicht auf die identische Verletzungsform beschränkt, sondern umfasst alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (st. Rspr., vgl. BGH 9. September 2004 - I ZR 93/02 - zu II 4 b der Gründe, GRUR 2005, 443).

81

b) Eine Erstbegehungsgefahr besteht, wenn ein rechtswidriger Eingriff in ein absolutes Recht oder ein sonst vom Recht geschütztes Gut oder Interesse unmittelbar bevorsteht. Dafür muss die Beeinträchtigung eines geschützten Rechts konkret drohen (vgl. BGH 18. September 2009 - V ZR 75/08 - Rn. 12, NJW 2009, 3787), sie muss ernsthaft und greifbar zu befürchten sein (BGH 15. April 1999 - I ZR 83/97 - zu II 2 b der Gründe, NJW-RR 1999, 1563). Berühmt sich eine Partei eines Rechts, begründet dies eine Erstbegehungsgefahr, wenn den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (BGH 4. Dezember 2008 - I ZR 94/06 - Rn. 14, GRUR-RR 2009, 299). Anders als bei der Wiederholungsgefahr spricht für das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr keine Vermutung, so dass derjenige, der sie geltend macht, alle Umstände darlegen und beweisen muss, aus denen sie sich im konkreten Fall ergeben soll (Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren 10. Aufl. Kap. 10 Rn. 8 mwN).

82

2. Bei der Erstbegehungs- und der Wiederholungsgefahr handelt es sich um materielle Anspruchsvoraussetzungen des Unterlassungsanspruchs (vgl. BGH 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - zu II 3 a der Gründe, NJW 2005, 594). Stützt der Kläger sein Unterlassungsbegehren sowohl auf eine Wiederholungsgefahr wegen einer behaupteten Verletzungshandlung als auch auf eine Erstbegehungsgefahr wegen bestimmter Erklärungen des Beklagten, handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände, da die einheitliche Rechtsfolge aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten hergeleitet wird (BGH 23. Februar 2006 - I ZR 272/02 - Rn. 25, BGHZ 166, 253). Hat der Kläger sein Unterlassungsbegehren zunächst nur mit einer Wiederholungsgefahr begründet, kann er sich in der Revision nicht auf eine Erstbegehungsgefahr stützen, da in das Revisionsverfahren kein neuer Streitgegenstand eingeführt werden kann (vgl. BGH 30. April 2009 - I ZR 191/05 - Rn. 58, NJW-RR 2009, 1558).

83

3. Die Beurteilung der Erstbegehungsgefahr ebenso wie die einer Wiederholungsgefahr ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur und in der Revisionsinstanz nur beschränkt darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist und keine wesentlichen Tatumstände außer Acht gelassen hat (BGH 24. April 1986 - I ZR 56/84 - zu B II 1 b der Gründe, GRUR 1987, 45).

84

4. Nach diesen Grundsätzen besteht bei den Klägern zu 1) bis 3) sowie zu 5) und 6) hinsichtlich der in den Anträgen zu 1. a) und 5. a) bezeichneten Arbeitskampfmaßnahmen wegen in der Vergangenheit bereits durchgeführten Streiks die Gefahr, dass die Beklagte zu derartigen Arbeitsniederlegungen erneut aufrufen wird. Für die in den Anträgen zu 1. d) und 5. e) beschriebenen Streiks besteht eine derartige Gefahr dagegen nicht.

85

a) In Bezug auf den Antrag zu 1. a) der Klägerin zu 1) ist von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Deren Beschäftigte wurden im Oktober 2008 und im Mai 2009 von der Beklagten zu einem befristeten Warnstreik aufgerufen. Dies begründet die Vermutung, dass es zukünftig zu weiteren Streikaufrufen kommen kann, da die Beklagte nicht erklärt hat, künftig keine Streiks mehr durchführen zu wollen. Von der Vermutung erfasst werden nicht nur befristete Warnstreiks, sondern auch die weiteren im Antrag bezeichneten Streikaufrufe der Beklagten. Im Hinblick auf die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts handelt es sich hierbei um im Kern gleiche Verletzungshandlungen. Entsprechendes gilt für den Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3). Deren Beschäftigte hat die Beklagte im Mai und September 2009 zu Warnstreiks aufgerufen. Da die Kläger zu 1) bis 3) ihr Selbstbestimmungsrecht von der verfassten Kirche ableiten, begründet die bei ihnen bestehende Wiederholungsgefahr zugleich in Bezug auf den Antrag zu 5. a) eine Begehungsgefahr bei den Klägern zu 5) und 6), da diese den Klägern zu 1) bis 3) aufgrund deren Zuordnung zur Evangelischen Kirche von Westfalen diese Rechtsposition abgestuft vermitteln.

86

b) Bezüglich der Anträge zu 1. d) und 5. e) besteht dagegen keine Wiederholungsgefahr. Streikaufrufe der Beklagten, die sich nur an solche Arbeitnehmer richten, die arbeitsvertraglich die vollumfängliche Anwendung der im Antrag genannten Regelungen des Dritten Wegs vereinbart haben, hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Hierbei handelt es sich auch nicht um Streikaufrufe, die mit den bereits erfolgten im Kern gleichartig sind. Während sich diese - wie üblich - auf alle Beschäftigten der Kläger zu 1) bis 3) bezogen haben, würde ein den Anträgen zu 1. d) und 5. e) entsprechender Aufruf eine Personengruppe erfassen, deren Größe die Beklagte im Voraus nicht einmal annähernd bestimmen kann, weil sie die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Beschäftigten nicht kennt und auch nicht rechtssicher in Erfahrung bringen kann. Der in diesem Antrag formulierte Streikaufruf weicht deshalb von den typischen Aufrufen zu Arbeitsniederlegungen ganz erheblich ab und ist letztlich wirklichkeitsfremd. Für das Bestehen einer Erstbegehungsgefahr haben die Kläger nichts vorgetragen.

87

5. Für den Kläger zu 4) hat das Landesarbeitsgericht eine Wiederholungs- und Erstbegehungsgefahr in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.

88

a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, es habe bislang beim Kläger zu 4) noch keine Arbeitsniederlegungen gegeben. Eine Wiederholungsgefahr bestehe deshalb nicht. Auch eine Erstbegehungsgefahr sei nicht feststellbar. Diese setze einen aktuell drohenden Eingriff voraus, was sich aus bereits begonnenen Vorbereitungshandlungen ergeben könne. Die Aufforderung zu Tarifverhandlungen könne jedoch nicht als Vorbereitungshandlung zu Streikmaßnahmen verstanden werden. Zwar könne sich eine Erstbegehungsgefahr im Einzelfall auch schon daraus ergeben, dass der Gegner sich einer diesbezüglichen Berechtigung berühme. Voraussetzung für eine aus der bloßen Berühmung folgende Begehungsgefahr sei jedoch, dass der abzuwehrende Angriff allein vom Willen des Gegners abhänge. Andernfalls fehle es trotz des Berühmens an einer aktuellen Begehungsgefahr. Diese Voraussetzungen einer Erstbegehungsgefahr hat das Landesarbeitsgericht dem Schreiben der Beklagten vom 7. August 2009 nicht entnehmen können. Dies enthalte eine Aufforderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen verbunden mit der ganz allgemein gehaltenen Androhung von Arbeitskampfmaßnahmen. Auch wenn es für die Durchführung von Warnstreiks keiner Urabstimmung bedürfe und im Übrigen die Rechtmäßigkeit von Streiks im Verhältnis zum Gegner nicht von der Einhaltung satzungsmäßiger Regelungen der Gewerkschaft abhänge, bedürfe es doch vor Durchführung eines Streiks zumindest der Klärung, ob tatsächlich in der Belegschaft eine ausreichende Zahl von Personen vorhanden ist, welche zu offen bekundetem Protest bereit seien und Kampfeswillen bekennen wollten. Anders als bei überwiegend gewerkschaftlich organisierten Betrieben könne dies bei Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft nicht als selbstverständlich angesehen werden. Dementsprechend folge aus der Verknüpfung zwischen der Aufforderung zu Tarifverhandlungen und der allgemeinen Androhung von Maßnahmen eines Arbeitskampfes noch keine aktuelle Begehungsgefahr. Anderes käme in Betracht, wenn die Gewerkschaft nach Zurückweisung der Verhandlungsaufforderung „nunmehr“ mit Kampfmaßnahmen drohe und ihre in der Einrichtung tätigen Mitglieder zur Teilnahme auffordere.

89

b) Die hiergegen von der Revision erhobenen Rügen sind unbegründet. Das Berufungsgericht ist in seinen Obersätzen von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen und hat keine wesentlichen Tatumstände außer Acht gelassen. Soweit der Kläger zu 4) unter Bezug auf die Senatsrechtsprechung versucht, einen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzuzeigen, übersieht er, dass es in den von ihm hierbei angeführten Fällen in der Vergangenheit entweder einen konkreten Streikaufruf gegeben hat oder sogar Streikaktionen stattgefunden haben. Dies war jedoch beim Kläger zu 4) nach den insoweit nicht angegriffenen und damit nach § 559 Abs. 1 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gerade nicht der Fall. Soweit die Revision ausführt, bei lebensnaher Betrachtung des Schreibens vom 7. August 2009 habe ein verständiger Arbeitgeber davon ausgehen können, dass nach fruchtlosem Ablauf des Ultimatums Streikmaßnahmen folgen, setzt sie lediglich ihre Auffassung an die Stelle der Würdigung des Landesarbeitsgerichts. Dies genügt nicht, weil nicht aufgezeigt wird, aus welchen konkreten Gründen die vom Berufungsgericht vorgenommene Sachverhaltswürdigung fehlerhaft sein soll. Die Rüge der Revision, die Begründung des Landesarbeitsgerichts, aufgrund des niedrigen Organisationsgrads beim Kläger zu 4) sei auch die Streikbereitschaft gering, sei nicht nachvollziehbar und bloße Spekulation, viel naheliegender sei vielmehr die Annahme, die Beklagte habe gerade den Kläger zu 4) zum Opfer von Streikmaßnahmen auserkoren, weil dort sämtliche Mitglieder der Mitarbeitervertretung zugleich Mitglieder der Beklagten seien, genügt nicht zur Begründung einer Erstbegehungsgefahr. Auch wenn man diese Annahme als zutreffend unterstellt, ergibt sich daraus noch kein hinreichend konkreter Anhaltspunkt für einen unmittelbar bevorstehenden, greifbar nahen Streik. Die bloße Mitgliedschaft der Mitglieder einer Mitarbeitervertretung bei der Beklagten ist auch in der Zusammenschau mit dem Schreiben vom 7. August 2009 nicht geeignet, einen solchen zu begründen.

90

6. Da es in Bezug auf den Kläger zu 4) an einer Begehungsgefahr fehlt, kann er sie auch nicht den Klägern zu 8) und 9) (Diakonisches Werk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e. V. und Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers) vermitteln. In Bezug auf diese ist auch aus anderen Gründen nicht von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.

91

a) Nach dem Vortrag beider Parteien hat es im Bereich der B Jugendhilfe gGmbH, Hannover, im Mai und September 2009 Streiks gegeben. Hierauf haben sich die Kläger auch ausdrücklich berufen. Diese Streiks sind zwar an sich geeignet, die tatsächliche Vermutung einer erneuten Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zu begründen. Die Kläger haben jedoch nicht dargelegt, dass es sich bei dieser Gesellschaft um eine der Kirche zugeordnete Einrichtung handelt, die nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck und ihrer Aufgabe entsprechend berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen oder zu erfüllen. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag. Die bloße Mitgliedschaft der B Jugendhilfe gGmbH beim Kläger zu 8) genügt hierfür nicht. Die Kläger hätten vielmehr aufzeigen müssen, dass der Kirche ein hinreichender institutioneller und personeller Einfluss auf die B Jugendhilfe gGmbH ermöglicht ist. Dies ist indes nicht erfolgt.

92

b) Ein Hinweis an die Kläger nach § 139 Abs. 2 ZPO war nicht geboten. Diesen ist nach dem gesamten Akteninhalt bekannt, dass nach der einschlägigen Rechsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts die bloße Mitgliedschaft im Diakonischen Werk keine hinreichende Bedingung für die Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche darstellt. Des Weiteren bestand für die Kläger zu 4), 8) und 9) aufgrund der im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze hinreichende Veranlassung, hierzu weiteren Vortrag zu halten. Es lag damit an ihnen, den Vortrag zu vervollständigen.

93

III. Die von den Klägern zu 1) bis 3) sowie zu 5) und 6) zu besorgenden weiteren Aufrufe der Beklagten zu Arbeitskampfmaßnahmen im Sinne der als Globalanträge gestellten Unterlassungsanträge zu 1. a) und 5. a) führen nicht ausnahmslos zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Zwar ist die Entscheidung der betroffenen Kirchen, ihre kollektive Arbeitsrechtsordnung nicht mit Gewerkschaften durch erstreikbare Tarifverträge zu gestalten, sondern paritätisch besetzten, am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichteten Arbeitsrechtlichen Kommissionen und Schiedskommissionen zu überlassen (sog. Dritter Weg), von ihrem Selbstbestimmungsrecht umfasst. Doch führt ein Arbeitskampf in ihren diakonischen Einrichtungen zur Durchsetzung von Tarifforderungen nur dann zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, wenn in den jeweiligen Einrichtungen die auf dem Dritten Weg zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelungen verbindlich sind und Gewerkschaften in dieses Arbeitsrechtsregelungsverfahren organisatorisch eingebunden werden.

94

1. Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer.

95

a) Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben zu treffen sind, wie zB Vorgaben struktureller Art, aber auch die Personalauswahl und die mit diesen Entscheidungen untrennbar verbundene Vorsorge zur Sicherstellung der „religiösen Dimension“ des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses. Dies schließt die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluss privatrechtlicher Arbeitsverträge ein (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - [Loyalitätspflichten] zu B II 1 b bis c der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das kirchliche Proprium, nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - [Loyalitätspflichten] zu B II 1 d der Gründe, aaO).

96

b) Erstreckt sich der Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts auf die Entscheidung, die Arbeitsverhältnisse kirchlicher Arbeitnehmer einheitlich auszugestalten, also das „Ob“, kann die Religionsgesellschaft auch das „Wie“ der Ausgestaltung bestimmen. Dazu gehört die Entscheidung über die Art und Weise der kollektiven Arbeitsrechtssetzung, also der Gestaltungsmittel. Danach kann eine Religionsgesellschaft grundsätzlich darüber befinden, ob sie die Arbeitsbedingungen durch den Abschluss von Tarifverträgen regelt oder in Arbeitsrechtlichen Kommissionen und Schiedskommissionen vereinbart (von Campenhausen/de Wall Staatskirchenrecht 4. Aufl. S. 184; Kästner in Bonner Kommentar zum Grundgesetz Stand November 2012 Art. 140 Rn. 326; Korioth in Maunz/Dürig Komm. z. GG Stand November 2012 Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 42; Robbers Streikrecht in der Kirche S. 27 ff.; Schubert RdA 2011, 270, 274).

97

2. Entscheidet sich eine christliche Religionsgesellschaft dazu, das Verfahren zur kollektiven Arbeitsrechtssetzung am Leitbild der Dienstgemeinschaft auszurichten, wird auch diese Entscheidung vom Selbstbestimmungsrecht umfasst. Das gilt unabhängig davon, ob dieser Begriff in seinem theologischen Ursprung völlig geklärt oder im Bereich der Evangelischen Kirche völlig einheitlich ist oder nicht (vgl. dazu Jurina ZevKR 1984, 171 ff.; Heinig ZevKR 2009, 62 f., 72; Joussen RdA 2007, 328, 331; Lührs Die Zukunft der Arbeitsrechtlichen Kommissionen S. 115 ff.; Robbers Streikrecht in der Kirche S. 34 ff.).

98

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - [Loyalitätspflichten] zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Dienstgemeinschaft wurzelt nach dem Selbstverständnis der Kirche einerseits im Priestertum aller Gläubigen, in dem mit der Taufe einhergehenden Auftrag, Gott in geistiger Einkehr und Zuwendung an die Welt zu dienen, andererseits knüpft sie funktional an den Missionsauftrag der Kirche an (Heinig ZevKR 2009, 62, 73; Robbers Streikrecht in der Kirche S. 35). Sie verbindet alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Mit Dienstgemeinschaft wird damit das theologisch geprägte Selbstverständnis des Dienstes der Gläubigen in der Kirche und durch die Kirche an der Welt umschrieben, nach dem jede Arbeitsleistung ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht. Ausfluss dessen ist eine gemeinsame Verantwortung der jeweiligen Dienstgeber und der Dienstnehmer für das gedeihliche Wirken der Kirche und ihrer Diakonie (vgl. KGH-EKD 9. Oktober 2006 - II-0124/M35-06 - Rn. 58, NZA 2007, 761).

99

b) Danach verlangt das Bestehen einer Dienstgemeinschaft keine konfessionelle Gebundenheit aller Beschäftigten zu einer christlichen - hier zur evangelischen - Kirche. Es ist vielmehr Ausdruck des kirchlichen Dienstes selbst, der durch den Auftrag bestimmt wird, das Evangelium in Wort und Tat zu verkünden. Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und demnach ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (vgl. Hammer Kirchliches Arbeitsrecht S. 175; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 4 Rn. 24). Die Dienstgemeinschaft hängt deshalb nicht davon ab, ob oder in welchem Umfang nicht evangelische Christen oder Nichtchristen in einer kirchlichen Einrichtung beschäftigt sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die jeweiligen Arbeitsverhältnisse verkündigungsnahe oder verkündigungsferne Tätigkeiten betreffen. Auch insoweit entscheidet die Kirche darüber, was Teil ihres Bekenntnisses ist, ob eine solche Differenzierung ihrem Bekenntnis entspricht und sich auf die Dienstgemeinschaft auswirkt (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - [Loyalitätspflichten] zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138).

100

c) Die Ausrichtung des kollektiven Arbeitsrechtsregelungsverfahrens am Leitbild der Dienstgemeinschaft bezweckt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die Sicherung einer sog. haushaltsmäßigen Beweglichkeit, also die Förderung wirtschaftlicher Belange (dazu BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - [Loyalitätspflichten] zu B II 4 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Es ist seiner Zwecksetzung nach auf das Gegenteil gerichtet, nämlich einer allein an wirtschaftlichen Interessen der Dienstgeberseite orientierten Festsetzung der Arbeitsbedingungen und der einseitigen Entgeltfindung entgegenzuwirken.

101

3. Das Selbstbestimmungsrecht erfasst auch die Erstreckung des Dritten Wegs auf die Arbeitnehmer diakonischer Einrichtungen. Zu den eigenen Angelegenheiten iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV gehört nach kirchlichem Selbstverständnis das diakonische Wirken als Ausdruck des christlichen Bekenntnisses(vgl. BVerfG 25. März 1980 - 2 BvR 208/76 - [KrankenhausG-NRW] zu C I 3 der Gründe, BVerfGE 53, 366). Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Weise eine Einrichtung ihren diakonischen Auftrag wahrnimmt. Erfasst sind vielmehr alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - [Loyalitätspflichten] zu B II 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 70, 138). Ohne Bedeutung ist deshalb, ob sich der Betrieb einer diakonischen Einrichtung substanziell von dem nichtkirchlicher Träger unterscheidet. Die Religionsgesellschaft hat grundsätzlich die Kompetenz zur Qualifizierung einer Angelegenheit als eigene (Hesse in HdbStKirchR 2. Aufl. Bd. 1 S. 521, 541 f.; Kästner in Bonner Kommentar zum Grundgesetz Stand November 2012 Art. 140 Rn. 304). Sie entscheidet darüber, wie sie ihr Glaubensbekenntnis lebt. Da sie ihr Wirken in diakonischen Einrichtungen als tätige Nächstenliebe und sozialen Dienst am Menschen begreift, ist dies zugleich Ausdruck ihres Glaubensbekenntnisses (Schubert RdA 2011, 270, 273). Dies gilt auch dann, wenn die Religionsgesellschaft beim Betrieb diakonischer Einrichtungen im Wettbewerb mit nichtkirchlichen Trägern steht.

102

Der Einwand der Beklagten, die Kirche bediene sich wie die Privatwirtschaft der Instrumente der Ausgliederung und der Leiharbeit durch eigene Personalservicegesellschaften, betrifft nicht den Umfang des Schutzbereichs, sondern ist bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob solche Einrichtungen Träger des Selbstbestimmungsrechts sein können, also ihrer Zwecksetzung nach der Glaubensverwirklichung dienen. Nach der Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland steht substituierende Leiharbeit dem Wesen der Dienstgemeinschaft entgegen (KGH-EKD 9. Oktober 2006 - II-0124/M35-06 - Rn. 58, NZA 2007, 761). Ist Gegenstand einer Einrichtung das Verleihen von Arbeitnehmern für diakonische Einrichtungen (Servicegesellschaften) oder setzen Einrichtungen Leiharbeitnehmer dauerhaft ein, kann diese Form der Personalgestellung oder des Personaleinsatzes Auswirkungen auf das Bestehen einer Dienstgemeinschaft haben oder die Einordnung als diakonische Einrichtung in Frage stellen. Auf die Inhaltsbestimmung der grundrechtlichen Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts hat das jedoch keinen Einfluss.

103

4. Die Ausrichtung der kollektiven Arbeitsrechtsordnung am Leitbild der Dienstgemeinschaft ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

104

a) Die Behauptung einer Religionsgesellschaft, eine Angelegenheit sei ihre eigene, unterliegt einer eingeschränkten gerichtlichen Plausibilitätskontrolle. Genügen die einzelnen Vorgaben einer derartigen Kontrolle, sind staatliche Gerichte hieran gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), sowie den guten Sitten iSd. § 138 BGB oder dem sog. ordre public ihren Niederschlag gefunden haben (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - [Loyalitätspflichten] zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138).

105

b) Danach betrifft die Entscheidung der Kirche, ihre kollektive Arbeitsrechtsordnung auf dem Dritten Weg zu regeln, eine eigene Angelegenheit iSd. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV. Es ist nachvollziehbar, dass es nach kirchlichem Selbstverständnis Auftrag des kirchlichen Dienstes ist, das Evangelium in Wort und Tat zu verkünden, hierbei Dienstgeber und Dienstnehmer eine Dienstgemeinschaft bilden und darin versuchen, die nicht zu leugnenden Interessenkonflikte kooperativ und nicht konfrontativ zu lösen. Das Leitbild der Dienstgemeinschaft und seine Auswirkungen auf das Verfahren zur kollektiven Arbeitsrechtsordnung stehen auch nicht im Widerspruch zu sonstigen Prinzipien der Rechtsordnung. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind grundrechtliche Gewährleistungen und damit auch Art. 9 Abs. 3 GG nicht ohne Weiteres Teil des ordre public(so aber Kühling AuR 2001, 241, 243 f.). Ein solches Verständnis führte zu einer unmittelbaren Grundrechtsbindung der Kirchen. Diese könnten ihr Selbstbestimmungsrecht nur insoweit in Anspruch nehmen, wie andere grundrechtliche Gewährleistungen hiervon nicht beeinträchtigt werden. Eine derartige Grundrechtsbindung käme einer von Art. 1 Abs. 3 GG für die staatliche Gewalt angeordneten Grundrechtsbindung weitgehend gleich und ginge darüber hinaus, als sie bereits den Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts begrenzte. Konflikte des Selbstbestimmungsrechts mit anderen grundrechtlichen Gewährleistungen betreffen jedoch nicht den Schutzbereich, sondern dessen Beschränkbarkeit (dazu BVerfG 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - [Zeugen Jehovas] zu C V 1 b der Gründe, BVerfGE 102, 370).

106

5. Die Entscheidung der beteiligten Kirchen, das Verfahren ihrer kollektiven Arbeitsrechtssetzung am bekenntnismäßigen Leitbild der Dienstgemeinschaft auszurichten und nach den Grundsätzen einer partnerschaftlichen Lösung von Interessengegensätzen auszugestalten, schließt den Arbeitskampf zur Gestaltung von Arbeitsverhältnissen durch Tarifvertrag aus.

107

a) Nach der am Leitbild der Dienstgemeinschaft orientierten Verfahrenskonzeption des Dritten Wegs obliegt es Arbeitsrechtlichen Kommissionen, Regelungen zu schaffen, die den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen betreffen. Arbeitsrechtliche Kommissionen sind paritätisch mit Vertretern der Dienstnehmer- und der Dienstgeberseite besetzt und können von beiden Seiten angerufen werden. Kommt es zu keiner Einigung, kann jede Seite eine ebenfalls paritätisch besetzte Schiedsstelle (Schlichtungskommission) mit der streitigen Angelegenheit befassen. Dieser sitzt ein neutraler Dritter vor. Die in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen und Schlichtungskommissionen gefundenen Regelungen wirken zwar nicht normativ (st. Rspr., vgl. BAG 24. Februar 2011 - 6 AZR 634/09 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 18), doch hat der Dienstgeber sie kraft kirchenrechtlicher oder satzungsrechtlicher Verpflichtung anzuwenden, indem er sie durch vertragliche Inbezugnahme zur Geltung bringt.

108

b) Entsprechend dem Leitbild der Dienstgemeinschaft sollen damit die Interessenkonflikte zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern nicht im Wege wechselseitiger Konfrontation, sondern durch Kooperation unter Wahrung des Gebots der Parität verbindlich zum Ausgleich gebracht werden (Joussen RdA 2007, 328, 333). Diese Konzeption beruht auf der Überzeugung, dass nach dem Selbstverständnis der Kirchen jede Arbeitsleistung ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht und in einer darauf gerichteten Dienstgemeinschaft Interessengegensätze durch Verhandlungen und wechselseitiges Nachgeben ggf. mit Hilfe eines neutralen Dritten überwunden werden.

109

c) Ein solches Verfahren kollektiver Arbeitsrechtssetzung schließt den Arbeitskampf zur Regelung von Arbeitsbedingungen durch einen Tarifvertrag aus. Dieser ist darauf gerichtet, durch das Vorenthalten von Arbeitskraft und einen hierdurch ausgelösten wirtschaftlichen Schaden Druck auf die Arbeitgeberseite auszuüben, damit diese über die Arbeitsbedingungen überhaupt verhandelt und somit jenes Kräftegleichwicht geschaffen wird, das ein Zustandekommen einer Regelung und die sachgerechte Lösung des zugrunde liegenden Interessenkonflikts erst ermöglicht. Diese Kampfmöglichkeit widerspricht jedoch dem Grundgedanken der Dienstgemeinschaft. Die damit verbundene Arbeitsniederlegung würde nicht nur den kirchlichen Dienst am Nächsten suspendieren und damit die Erfüllung des Missionsauftrags hindern, sondern aus Sicht der Kirchen auch eine bestehende Gemeinsamkeit von Dienstnehmern und Dienstgebern auflösen (Joussen RdA 2007, 328, 333).

110

6. Ein Ausschluss von Arbeitskampfmaßnahmen in diakonischen Einrichtungen kollidiert mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit einer Gewerkschaft, mit dem Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder kollektiv im Wege von Tarifverträgen auszuhandeln und hierfür Arbeitskämpfe zu führen.

111

a) Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet nicht nur die Bildung und den Bestand einer Arbeitnehmerkoalition, sondern auch deren koalitionsmäßige Betätigung. Der Schutzbereich dieses Grundrechts ist dabei nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt, die für die Sicherung des Bestands der Koalitionen unerlässlich sind, er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - Rn. 21 ff., BVerfGK 10, 250). Dazu gehört auch die Tarifautonomie als das Recht, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen mit der Arbeitgeberseite auszuhandeln und durch Verträge verbindlich für die Mitglieder zu regeln. Die Regelung der Arbeitsbedingungen in Kollektivverträgen dient der Verwirklichung der Interessen der strukturell unterlegenen Arbeitnehmer. Eine wirkungsvolle Interessendurchsetzung ist den Gewerkschaften nur möglich, wenn sie ihren Forderungen durch Streiks Nachdruck verleihen können. Der Arbeitskampf ist deshalb funktional auf die Tarifautonomie bezogen und insoweit grundrechtlich geschützt (vgl. BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 84, 212; 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGK 4, 60). Ein Grundrecht auf Streik, losgelöst von seiner funktionalen Bezugnahme auf die Tarifautonomie, gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG nicht.

112

b) In den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG ist grundsätzlich auch die koalitionsmäßige Betätigung in diakonischen Einrichtungen einbezogen. Dieses Grundrecht entfaltet gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG unmittelbare Drittwirkung gegenüber privatrechtlich als eingetragener Verein oder gemeinnützige GmbH oder in sonstiger Weise organisierte kirchliche Einrichtungen(Richardi in HdbStKirchR 2. Aufl. Bd. 2 S. 929 f.; Schubert RdA 2011, 270, 272). Bedienen sich diese zur Begründung von Arbeitsverhältnissen des Privatrechts, nehmen sie grundsätzlich in Bezug auf ihre Beschäftigten eine Arbeitgeberstellung ein. Insoweit gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG den Gewerkschaften auch das Recht, mit der Arbeitgeberseite über Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu verhandeln, verbindliche Abreden vor allem durch den Abschluss von Tarifverträgen zu treffen und ihren Forderungen nach der Aufnahme von Verhandlungen und der Durchsetzung bestimmter Regelungen mit Streik Nachdruck zu verleihen.

113

7. Für die Auflösung dieser Kollisionslage ist es ohne Belang, ob Art. 9 Abs. 3 GG wegen seiner unmittelbaren Drittwirkung den Anforderungen des Schrankenvorbehalts aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV genügt oder nicht. Diese im Schrifttum kontrovers diskutierte Frage bedarf keiner Entscheidung des Senats (ablehnend Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 9 Rn. 30 f.; Robbers Streikrecht in der Kirche S. 55 f.; auch Korioth in Maunz/Dürig Komm. z. GG Stand November 2012 Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 45; zweifelnd offenbar Richardi/Thüsing AuR 2002, 94, 96; dies befürwortend Oswald Streikrecht im kirchlichen Dienst und in anderen karitativen Einrichtungen S. 88; Czycholl Anm. LAGE GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 88; Kühling AuR 2001, 241, 247; Gamillscheg FS Zeuner S. 39, 45; Waldhoff GS Heinze S. 995, 1004). In beiden Fällen wären die Arbeitsgerichte wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei einer - wie vorliegend - Auslegung und Anwendung einer zivilrechtlichen Unterlassungsnorm das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind vielmehr gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils konfligierenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen. Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 9 Abs. 3 GG ebenso wie bei Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG um vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1). In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht etwa die Kollision des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts mit der durch Art. 5 Abs. 3 GG vorbehaltlos gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit unter Heranziehung des Grundsatzes der praktischen Konkordanz aufgelöst(BVerfG 28. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 - [Lüdemann] Rn. 47, 65, BVerfGE 122, 89).

114

8. Der Grundsatz praktischer Konkordanz verlangt nach einem schonenden Ausgleich der gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen mit dem Ziel ihrer Optimierung (BVerfG 7. März 1990 - 1 BvR 266/86 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 81, 278). Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz konfligierender Rechtsgüter herzustellen (Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland 20. Aufl. Rn. 72; ebenso Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. III/2 S. 656). Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth GG 11. Aufl. Vorb. vor Art. 1 Rn. 52). Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor, verwehrt aber pauschale Vorrangentscheidungen, wie sie die Parteien des Verfahrens jeweils für sich in Anspruch nehmen (für die Kläger insbesondere Robbers Streikrecht in der Kirche S. 26 ff.; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 10 Rn. 20 f.; Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. IV/1 S. 2091; Kemper in v. Mangoldt/Klein/Starck GG Bd. I 6. Aufl. Art. 9 Abs. 3 Rn. 200; Manterfeld KuR 2011, 86, 100; für die Beklagte Kühling AuR 2001, 241 ff.).

115

9. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt. Das Selbstbestimmungsrecht einer Religionsgesellschaft und die Koalitionsfreiheit einer Gewerkschaft schließen sich nicht wechselseitig völlig aus. Zur Kollision führt vielmehr erst die Ausübung einer bestimmten verfassungsrechtlichen Gewährleistung. Das ist hier die Entscheidung für ein bestimmtes Verfahren zur kollektiven Regelung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten, die auf der Grundlage privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse in der Diakonie tätig sind und staatlichem Arbeitsrecht unterliegen (Schubert RdA 2011, 270, 274). Während die Kirche sich hierzu eines am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichteten kooperativen Verfahrens bedient, in dem letztlich die Möglichkeit einer Schlichtung durch einen neutralen Dritten, also den Vorsitzenden einer Schlichtungskommission einen fairen Interessenausgleich garantieren soll, setzt die Gewerkschaft auf das damit unvereinbare Regelungsmodell des staatlichen Tarifrechts, in dem erst durch Druck und Gegendruck angemessene Verhandlungsergebnisse erreicht werden. Das Gebot praktischer Konkordanz verlangt daher nur einen Vergleich dieser beiden Regelungskonzepte und deren schonendste Annäherung.

116

Ein Vergleich beider Regelungsmodelle zeigt, dass sie sich nicht im Ziel, sondern nur in der Wahl der zu dessen Erreichung gebotenen Mittel unterscheiden. Sowohl das Regelungsverfahren der Kirche als auch das der Koalitionen ist darauf gerichtet, den von der staatlichen Rechtsordnung frei gelassenen Raum des Arbeitslebens sinnvoll zu ordnen, indem der typische Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch kollektives Handeln zu einem angemessenen Ausgleich gebracht wird. Dieses Interessengegensatzes wie der strukturellen Unterlegenheit des einzelnen Arbeitnehmers ist sich auch die Kirche bewusst (Robbers Streikrecht in der Kirche S. 16; Schubert RdA 2011, 270, 277). Sie zu überwinden bedarf auch aus ihrer Sicht eines kollektiven Ausgleichsmechanismus, der die schwächere Verhandlungsposition des Arbeitnehmers gegenüber der des Arbeitgebers kompensiert. Diese Grunderkenntnis, auf der die verfassungsrechtliche Gewährleistung von Koalitionsfreiheit mit Tarifautonomie und Arbeitskämpfen aufbaut (vgl. BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - [Aussperrung] zu C I 3 b aa der Gründe, BVerfGE 84, 212), will die Kirche allerdings mit einem Regelungskonzept erfassen, das sich mit dem Leitbild der Dienstgemeinschaft vereinbaren lässt und damit ihrem durch Art. 4 GG geschützten Bekenntnis Rechnung trägt. Ein solches Regelungsmodell ist zwar zum Schutz religiöser Betätigungsfreiheit von Verfassungs wegen zu respektieren. Doch sind die Kirchen in der Ausgestaltung dieses Konzeptes nicht völlig frei, sondern müssen Rücksicht auf die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Art. 9 Abs. 3 GG nehmen. Ihr Regelungsmodell darf die Koalitionsfreiheit und das Konzept der Tarifautonomie nur insoweit verdrängen, wie es für die Wahrung ihres Leitbildes von der Dienstgemeinschaft erforderlich ist und das angestrebte Ziel eines fairen, sachgerechten und verbindlichen Interessenausgleichs tatsächlich und in kohärenter Weise erreicht. Nur insoweit ist es mit dem sozialstaatlichen Gesamtkonzept, das Art. 9 Abs. 3 GG zugrunde liegt, vereinbar.

117

a) Ein fairer und angemessener Ausgleich widerstreitender Arbeitsvertragsinteressen im Wege kollektiver Verhandlungen verlangt nach annähernd gleicher Verhandlungsstärke und Durchsetzungskraft (vgl. BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - [Aussperrung] zu C I 3 b aa der Gründe, BVerfGE 84, 212). Diese lassen sich weder formal und situationsungebunden feststellen noch normativ anordnen (BAG 10. Juni 1980 - 1 AZR 822/79 - zu A IV 1 a der Gründe, BAGE 33, 140). Im System der Koalitionen und der Tarifautonomie werden sie durch die Androhung oder den Einsatz von Kampfmaßnahmen gesichert. Ein Regelungsmodell, das den Arbeitskampf ausschließt, muss diese Funktionsbedingung eines angemessenen und sachlich richtigen Interessenausgleichs durch entsprechende Verfahrensgestaltung gewährleisten. Dazu muss es darauf angelegt sein, die strukturelle Verhandlungsschwäche der Dienstnehmer auszugleichen. Paritätische Besetzungsregeln genügen hierfür allein nicht. Vielmehr bedarf es weiterer Instrumente, die geeignet sind, Verhandlungsblockaden zu lösen und die Kompromissbereitschaft der Gegenseite zu fördern. Dieser Erkenntnis verschließt sich der Dritte Weg grundsätzlich nicht. Auch er ist letztlich darauf angelegt, ein Verhandlungsgleichgewicht zu schaffen. Kommt es in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen nicht zu einer Einigung, werden die gescheiterten Verhandlungen paritätisch besetzten Schiedskommissionen übertragen, die ein unabhängiger und neutraler Dritter leitet und mit seiner Stimme zu einem Ergebnis führt. Ein solches Schlichtungsverfahren kann dem Grunde nach zur Herstellung eines Verhandlungsgleichgewichts geeignet sein, wenn die mit dessen Entscheidungsstrukturen verbundenen Unwägbarkeiten sowie die Verlagerung der Konfliktlösung auf eine andere Verhandlungsebene schon in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen die Bereitschaft zum Kompromiss fördert und so ein „kollektives Betteln“ der Dienstnehmerseite ausschließt. Das setzt aber voraus, dass die Anrufung der Schiedskommission und die Überleitung des Verfahrens in dieses Gremium der Dienstnehmerseite uneingeschränkt offensteht und im Falle einer Nichteinigung beider Seiten die Unabhängigkeit und Neutralität des Vorsitzenden der Schlichtungskommission nicht in Frage steht und auch durch das Bestellungsverfahren gewährleistet wird.

118

b) Ein am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichtetes kollektives Regelungsverfahren steht zudem einer gewerkschaftlichen Unterstützung der Dienstnehmerseite nicht entgegen. Das Leitbild der Dienstgemeinschaft ist nicht darauf gerichtet, Gewerkschaften von Verhandlungen in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen oder Schiedskommissionen fernzuhalten und sie daran zu hindern, aufgrund eigener Entscheidung ihr Sach- und Fachwissen in das Verfahren zugunsten der Dienstnehmer einzubringen. Eine organisatorische Einbindung von Gewerkschaften in das Verfahren des Dritten Wegs zu regeln ist zwar Aufgabe der Kirche, der hierbei ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht. Sie darf diesen jedoch nicht dazu nutzen, Gewerkschaften durch Besetzungsregeln für Arbeitsrechtliche Kommissionen und Schiedskommissionen von einer frei gewählten Mitwirkung am Dritten Weg auszuschließen. Das würde die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Freiheit koalitionsspezifischer Betätigung über Gebühr beschneiden. Diese vom Leitbild der Dienstgemeinschaft nicht gebotene Beschränkung ist von besonderem Gewicht, da sie sich auch verzerrend auf die Tarifpolitik der einzelnen Gewerkschaften auswirkt. Die Attraktivität und Wirkkraft einer Gewerkschaft wird erheblich eingeschränkt, wenn sie gehindert wird, die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber dem Arbeitgeber im Wege von Kollektivverhandlungen zu verfolgen. Denn von der Zahl ihrer Mitglieder hängt nicht nur die finanzielle Leistungsfähigkeit ihrer Organisation ab, sondern auch die Wahrnehmung ihrer ureigensten Aufgabe, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu fördern. Das wiegt umso schwerer, als die in Diakonie und Caritas Beschäftigten mit etwa 1,3 Mio. Arbeitnehmern keine Randgruppe darstellen.

119

c) Das Verfahrenskonzept des Dritten Wegs ist darauf gerichtet, das auch im kirchlichen und diakonischen Bereich vorhandene Kräfteungleichgewicht zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern unter Beachtung der bekenntnismäßigen Besonderheiten des kirchlichen oder diakonischen Dienstes auszugleichen. Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, soweit das Ergebnis dieser Verhandlungen einschließlich einer darauf gerichteten Schlichtung für die Arbeitsvertragsparteien verbindlich und einer einseitigen Abänderung durch den Dienstgeber entzogen ist. Im Konzept der Tarifautonomie wird dieses Ziel durch § 4 Abs. 1 TVG erreicht, der den Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses betreffen, zwischen den Tarifgebundenen unmittelbare und zwingende Wirkung verleiht. Ausnahmen hiervon lässt § 4 TVG nur zu, soweit der Tarifvertrag sie gestattet oder es sich um Änderungen zugunsten des Arbeitnehmers handelt(§ 4 Abs. 3 TVG). Diese, die Tarifautonomie ausgestaltende und sichernde Regelung des staatlichen Rechts, steht für den Dritten Weg nicht zur Verfügung. Dem trägt die Kirche dem Grunde nach Rechnung, indem die jeweiligen Dienstgeber durch Kirchen- oder Satzungsrecht verpflichtet werden, das Ergebnis der Kollektivverhandlungen des Dritten Wegs durch einzelvertragliche Inbezugnahme zur Geltung zu bringen. Beide Regelungskonzepte erreichen durch unterschiedliche Regularien, dass die von Repräsentanten der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ausgehandelten Vertragsbedingungen das einzelne Arbeitsverhältnis gestalten. Dieses Ziel wird allerdings verfehlt, wenn der Dienstgeberseite die Möglichkeit eröffnet ist, zwischen mehreren auf einem Dritten Weg zustande gekommenen Regelungen wählen zu können. Ein solches Wahlrecht verlagert faktisch die Festlegung von Arbeitsbedingungen auf die jeweilige Einrichtungsebene und überlässt sie dem Dienstgeber. Nicht eine im Voraus feststehende Arbeitsrechtliche Kommission, in der die Repräsentanten der Einrichtung mitwirken, bestimmt über die Arbeitsbedingungen der Dienstnehmer, sondern der dortige Dienstgeber. Das ist mit den Strukturprinzipien des Dritten Wegs ebenso unvereinbar wie kirchen- oder satzungsrechtlich geregelte einseitige Abweichungsbefugnisse für Einrichtungen (vgl. Joussen in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Bd. 46 [2012] S. 53, 75; Schliemann NZA 2011, 1189, 1193). In all diesen Fällen wird gerade nicht dem Leitbild der Dienstgemeinschaft entsprechend gemeinsam durch Vertreter der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite in einem von der Einrichtung losgelösten Gremium über den Inhalt von Arbeitsrechtsregelungen gleichberechtigt verhandelt. Vielmehr legt der Dienstgeber einseitig die Arbeitsbedingungen für seine Einrichtung fest (sog. Erster Weg, vgl. BAG 20. März 2002 - 4 AZR 101/01 - zu III 2 b cc (2) der Gründe, BAGE 101, 9). Solch einseitige Bestimmungsrechte sind mit der Konzeption des Dritten Wegs unvereinbar und bedürfen zugunsten religiöser Betätigungsfreiheit keines Schutzes. Wählt eine Kirche oder eine ihrer Einrichtungen diesen Weg, stellt sie sich einem sonstigen Arbeitgeber gleich, der sich nach der Wertentscheidung des Grundgesetzes Verhandlungen mit einer Gewerkschaft über den Abschluss eines Tarifvertrags nicht entziehen und ggf. durch einen Arbeitskampf hierzu gezwungen werden kann. Für ein Zurückweichen des Rechts einer Gewerkschaft, sich koalitionsmäßig zu betätigen und ihren Forderungen mit Streikmaßnahmen Nachdruck zu verleihen, fehlt es in einem solchen Fall an einem schützenswerten Bedürfnis der Kirche.

120

10. Diese Güterabwägung steht im Einklang mit Unions- und Völkerrecht.

121

a) Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(Grundrechtecharta, GRC) ist vorliegend nicht anwendbar.

122

aa) Nach dieser Vorschrift haben alle Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeber oder ihre jeweiligen Organisationen nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks, zu ergreifen (dazu Bryde SR 2012, 2, 9 ff.; Thüsing/Traut RdA 2012, 65). Allerdings ist der Geltungsbereich des Unionsrechts nicht eröffnet. Die Europäische Union hat gemäß Art. 153 Abs. 5 AEUV keine Kompetenz zur Regelung des Koalitionsrechts, Streikrechts sowie des Aussperrungsrechts. Gemäß Art. 51 Abs. 2 GRC dehnt die Grundrechtecharta den Geltungsbereich des Unionsrechts auch nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union und ändert auch nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben. Der Gerichtshof der Europäischen Union überprüft lediglich im Licht der Grundrechtecharta das Unionsrecht in den Grenzen der der Union übertragenen Zuständigkeiten (EuGH 15. November 2011 - C-256/11 - [Dereci] Rn. 71, NVwZ 2012, 97).

123

bb) Eine Anwendungspflicht für Unionsrecht wird auch nicht durch Art. 6 Abs. 3 EUV eröffnet. Zwar sind nach Art. 6 Abs. 3 EUV die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention und die darin geregelte Religions- und Vereinigungsfreiheit als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Doch regelt diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht das Verhältnis zwischen der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und bestimmt auch nicht, welche Konsequenzen ein nationales Gericht aus einem Widerspruch zwischen den durch die Konvention gewährleisteten Rechten und einer Regelung des nationalen Rechts zu ziehen hat. Die in Art. 6 Abs. 3 EUV enthaltene Verweisung auf die Europäische Menschenrechtskonvention gebietet einem nationalen Gericht nicht, im Falle eines Widerspruchs zwischen einer Regelung des nationalen Rechts und der Konvention deren Bestimmungen unmittelbar anzuwenden und eine mit ihr unvereinbare nationale Regelung unangewendet zu lassen(EuGH 24. April 2012 - C-571/10 - [Kamberaj] Rn. 62 f., NVwZ 2012, 950).

124

cc) Zur Anwendbarkeit der GRC und des EUV ist kein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV durchzuführen. Aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 16. Januar 2008 (- C-361/07 - [Polier] Slg. 2008, I-6) ist hinreichend geklärt, dass ein nationaler Sachverhalt ohne Anknüpfungspunkt an das Unionsrecht den Geltungsbereich der GRC nicht eröffnet. Gleiches gilt für die aus Art. 6 EUV folgenden Anwendungspflichten nationaler Gerichte(vgl. EuGH 24. April 2012 - C-571/10 - [Kamberaj] Rn. 62 f., NVwZ 2012, 950).

125

b) Die gebotene völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes fordert ebenfalls kein anderes Ergebnis.

126

aa) Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle sind ebenso wie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes als Auslegungshilfe heranzuziehen. Dies verlangt allerdings keine schematische Gleichsetzung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern ein Aufnehmen der Wertungen der Konvention, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist. Das Grundgesetz setzt der völkerrechtsfreundlichen Auslegung allerdings auch Grenzen: Diese darf nicht zu einer Beschränkung des durch das Grundgesetz gewährleisteten Grundrechtsschutzes führen. Das schließt auch Art. 53 EMRK aus(BVerfG 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - [Sicherungsverwahrung] Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326).

127

bb) Vorliegend sind die durch Art. 9 EMRK gewährleistete Religionsfreiheit und die durch Art. 11 EMRK geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu berücksichtigen.

128

(1) Gemäß Art. 9 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Diese Freiheitsrechte dürfen nach Abs. 2 dieser Bestimmung nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die in Art. 9 EMRK garantierte Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler der „demokratischen Gesellschaft“ im Sinne der Konvention. Sie ist in ihrer religiösen Dimension eines der wichtigsten Elemente, das die Identität der Gläubigen und ihre Auffassung vom Leben bestimmt. Aus dem Recht des Gläubigen auf Religionsfreiheit einschließlich des Rechts, seine Religion in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen, folgt die Erwartung, dass Gläubige sich frei und ohne willkürliche staatliche Eingriffe zusammenschließen können. Das unabhängige Bestehen von Religionsgemeinschaften ist unabdingbare Voraussetzung für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft und damit Kernstück des durch Art. 9 EMRK gewährten Schutzes(EGMR [I. Sektion] 5. April 2007 - 18147/02 - [Scientology Kirche Moskau/Russland] Rn. 71 f., NJW 2008, 495). Das Recht auf Religionsfreiheit schließt dabei jede Beurteilung der Legitimität der religiösen Überzeugungen oder deren Ausdrucksformen durch den Staat aus (EGMR [III. Sektion] 31. Januar 2012 - 2330/09 - [Sindicatul Pastorul cel Bun] Rn. 74).

129

(2) Nach Art. 11 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen oder ihnen beizutreten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung darf die Ausübung dieser Rechte nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Das Recht, Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein wesentliches Element des in Art. 11 EMRK garantierten Rechts(dazu EGMR [Große Kammer] 12. November 2008 - 34503/97 - [Demir u. Baykara] Rn. 144, 154, NZA 2010, 1425; EGMR [III. Sektion] 21. April 2009 - 68959/01 - [Enerji Yapi-Yol Sen] Rn. 24, NZA 2010, 1423; dazu Claudia Schubert AöR 137 [2012] S. 92 ff.). Allerdings kann ein Arbeitgeber, dessen Berufsethos auf der Religion beruht, von seinen Angestellten besondere Loyalitätspflichten verlangen, soweit diese nach einer Abwägung der maßgeblichen Interessen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten (EGMR [V. Sektion] 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69, NZA 2011, 279).

130

cc) Danach ist die von den Klägern vertretene Rechtsauffassung, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht schließe von vornherein die Koalitionsbetätigungsfreiheit der Beklagten in diakonischen Einrichtungen aus, nicht haltbar (ebenso Joussen in Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Bd. 46 [2012] S. 53, 89 f.; Walter ZevKR 2012, 233, 259 f.). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit seinen Entscheidungen zu Art. 11 EMRK vielmehr verdeutlicht, dass an die Rechtfertigung einer Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und des damit verbundenen Streikrechts nicht unerhebliche Anforderungen zu stellen sind. Gleichwohl kann entgegen der Auffassung der Beklagten der Entscheidung in der Sache „Sindicatul Pastorul cel Bun“ (EGMR [III. Sektion] 31. Januar 2012 - 2330/09 -) sowie den zum Streikrecht im öffentlichen Dienst ergangenen Urteilen (EGMR [Große Kammer] 12. November 2008 - 34503/97 - [Demir u. Baykara] NZA 2010, 1425 und EGMR [III. Sektion] 21. April 2009 - 68959/01 - [Enerji Yapi-Yol Sen] NZA 2010, 1423) nicht die uneingeschränkte Zulässigkeit von Streiks in diakonischen Einrichtungen entnommen werden. In Bezug auf Letztere lässt die Beklagte außer Acht, dass sich Kirchen - anders als der öffentliche Dienst - ihrerseits auf die durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützte Religionsfreiheit berufen können. Dementsprechend fordert der Gerichtshof bei einer Kollision dieser beiden Rechte eine verhältnismäßige Abwägung (EGMR [III. Sektion] 31. Januar 2012 - 2330/09 - [Sindicatul Pastorul cel Bun] Rn. 79 f.). Das geht über die Anforderungen einer Abwägung zur Herstellung praktischer Konkordanz für die Auflösung einer konkreten Grundrechtskollision nicht hinaus.

131

c) Der Beschränkung des Streikrechts der Beklagten in diakonischen Einrichtungen steht schließlich weder die Europäische Sozialcharta (ESC, BGBl. 1964 II S. 1262) noch das ILO-Übereinkommen Nr. 87 entgegen.

132

aa) Die ESC stellt eine von der Bundesrepublik Deutschland eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung dar, deren Regeln die Gerichte beachten müssen, wenn sie die im Gesetzesrecht bezüglich der Ordnung des Arbeitskampfes bestehenden Lücken anhand von Wertentscheidungen der Verfassung ausfüllen (BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 104, 155; Bepler FS Wißmann S. 97, 106). Eine Einschränkung oder Begrenzung des in Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC anerkannten Streikrechts ist nach Teil V Art. 31 Abs. 1 ESC nur zulässig, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Sicherheit des Staates, der Volksgesundheit und der Sittlichkeit notwendig ist(BAG 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 46, 322). Rechte und Freiheiten anderer, die geeignet sind, das Streikrecht einzuschränken, ergeben sich aus der verfassungsrechtlich und völkerrechtlich anerkannten Religionsfreiheit. Insoweit bedarf es auch hier einer verhältnismäßigen Abwägung beider Gewährleistungen.

133

bb) Auch das ILO-Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes vom 9. Juli 1948 lässt eine Beschränkung des Streikrechts der Beklagten in diakonischen Einrichtungen zu. Es gehört zum einfachen innerstaatlichen Recht (Zustimmungsgesetz vom 20. Dezember 1956, BGBl. II S. 2072, in Kraft seit dem 20. März 1958 laut Bekanntmachung vom 2. Mai 1958, BGBl. II S. 113). Seine Gewährleistungen gehen jedoch nicht über die Grundsätze hinaus, die ohnehin durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gelten(BVerfG 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I 5 c der Gründe, BVerfGE 58, 233).

134

11. Nach diesen Grundätzen gilt für die zulässigen Klageanträge Folgendes:

135

a) Der Antrag zu 1. a) der Kläger zu 1) bis 3) ist als Globalantrag unbegründet. Die Kläger werden durch Streikaufrufe der Beklagten mangels Verbindlichkeit der auf dem Dritten Weg zustande gekommenen Regelungen schon nicht ausnahmslos in ihrem durch die Kläger zu 5) und 6) vermittelten Selbstbestimmungsrecht verletzt.

136

aa) Die kirchengesetzlichen Regelungen der Evangelischen Kirche von Westfalen ordnen für die in diakonischen Einrichtungen Beschäftigten keine ausreichend verbindliche Geltung der in einer bestimmten Arbeitsrechtlichen Kommission oder deren Schiedskommission beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen an. Nach § 2 Abs. 2 ARRG-Westfalen hat die für diesen Bereich gebildete Arbeitsrechtliche Kommission die Aufgabe, Regelungen zu finden, die den Inhalt, die Begründung und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen betreffen. Kommt es hierbei zu keiner Einigung, entscheidet die nach § 16 ARRG-Westfalen gebildete Schiedskommission. Auf diesem Weg zustande gekommene Regelungen sind zwar nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ARRG-Westfalen verbindlich. Auch dürfen nach Abs. 2 dieser Vorschrift nur Arbeitsverhältnisse geschlossen werden, denen solche Arbeitsrechtsregelungen zugrunde liegen. Diese Vorschriften gelten jedoch nach der Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der EKD nicht für die einzelnen Dienststellen oder Einrichtungen der Träger diakonischen Wirkens, auch wenn sie Mitglieder des Diakonischen Werks sind, da der in § 23 Abs. 1 ARRG-Westfalen geregelte Geltungsbereich nur die Beschäftigten der Evangelischen Kirche von Westfalen selbst und die bei deren Diakonischem Werk unmittelbar Beschäftigten erfasst(vgl. KGH-EKD 23. September 2009 - I-0124/R12-09 - zu II 2 b der Gründe, ZMV 2010, 91 zur wortgleichen Regelung im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland).

137

bb) Die vom Prinzip der praktischen Konkordanz geforderte Verbindlichkeit folgt auch nicht aus satzungsrechtlichen Bestimmungen des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. (Kläger zu 5)), die nach § 2 Abs. 1 ARRG-Diakonie-EKD den nach diesem Gesetz getroffenen Regelungen vorgehen. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a der Satzung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche von Westfalen e. V. sind dessen Mitglieder lediglich verpflichtet, die Mitarbeitenden nach Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, die in einem kirchengesetzlich anerkannten Verfahren gesetzt werden, das auf strukturellem Gleichgewicht der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite beruht. Hierdurch wird den Dienstgebern nach der Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der EKD zumindest ein stichtagbezogenes Wahlrecht zwischen unterschiedlichen Arbeitsrechtsregelungswerken eröffnet (KGH-EKD 23. September 2009 - I-0124/R12-09 - zu II 2 c der Gründe, ZMV 2010, 91 zu einer entsprechenden Regelung im Bereich des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche im Rheinland). Eine derartige einseitige Auswahlmöglichkeit für die Dienstgeberseite, die durch eine entsprechende einzelvertragliche Gestaltung von Bezugnahmeklauseln noch erweitert werden kann und bereits durch die übliche Personalfluktuation auch tatsächlich erweitert wird, kommt dem sog. Ersten Weg gleich, bei dem der kirchliche Dienstgeber die Arbeitsbedingungen letztlich einseitig festsetzt (dazu BAG 20. März 2002 - 4 AZR 101/01 - zu III 2 b cc (2) der Gründe, BAGE 101, 9).

138

cc) Die Kläger zu 1) bis 3) können sich zur Begründung einer generellen Rechtswidrigkeit von Kampfmaßnahmen nicht auf den Grundsatz der Arbeitskampfparität berufen. Das von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelte Prinzip zur Bestimmung des äußeren Rahmens eines auf Art. 9 Abs. 3 GG beruhenden Arbeitskampfsystems(dazu ErfK/Dieterich 13. Aufl. Art. 9 GG Rn. 112 ff.) findet in dem davon abweichenden Regelungsmodell des Dritten Wegs keine Anwendung und lässt sich wegen der unterschiedlichen Regularien zur Herstellung von Verhandlungsparität hierauf auch nicht übertragen. Fehlt es an einer verfassungskonformen Ausgestaltung des Dritten Wegs oder weicht eine Einrichtung hiervon ab, besteht für einen weitergehenden Schutz religiöser Betätigungsfreiheit kein Raum (Schubert RdA 2011, 270, 279).

139

dd) Aus den vorstehenden Gründen ist auch der Antrag zu 5. a) der Kläger zu 5) und 6) abzuweisen. Ebenso ist der Antrag zu 7. a) des Klägers zu 7) selbst dann als unbegründet abzuweisen, wenn man ihn als Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ansieht und bei ihm eine durch die Kläger zu 1) bis 3) vermittelte Begehungsgefahr bejaht. Insoweit gilt nichts anderes als für die Kläger zu 5) und 6).

140

ee) Die Hilfsanträge zu 1. d) und 5. e) der Kläger zu 1) bis 3) sowie zu 5) und 6) sind - wie oben dargelegt - wegen fehlender Begehungsgefahr unbegründet und daher abzuweisen. Entsprechendes gilt im Übrigen für den Antrag zu 7. e).

141

b) Selbst wenn beim Kläger zu 4) die für den erhobenen Unterlassungsanspruch erforderliche Begehungsgefahr vorläge, wären die Anträge zu 3. a) und 9. a) der Kläger zu 4), 8) und 9) abzuweisen. Auch diese Kläger werden durch Streikaufrufe der Beklagten mangels Verbindlichkeit der nach dem dort geltenden Kirchenrecht zustande gekommenen Regelungen nicht ausnahmslos in ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt. Es kann deshalb dahinstehen, ob das für diese Kläger geltende Verfahren des Dritten Wegs geeignet ist, eine gleichgewichtige Konfliktlösung zu gewährleisten und ob sich Gewerkschaften in verfassungskonformer Weise darin einbringen können.

142

Nach § 8 Abs. 2 Buchst. e der Satzung des Diakonischen Werks der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers e. V. sind dessen Mitglieder lediglich verpflichtet, die unmittelbar geltenden oder die vom Präsidium oder der Mitgliederversammlung für das Diakonische Werk übernommenen Rechtsvorschriften, insbesondere die Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen für Einrichtungen, die sich dem ARRGD- Niedersachsen angeschlossen haben, oder ein anderes kirchliches Arbeitsvertragsrecht in ihrer jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Hierdurch wird der Dienstgeberseite ein Wahlrecht eingeräumt, weil die von den zuständigen Arbeitsrechtlichen Kommissionen nach § 2 Abs. 2 ARRGD-Niedersachsen beschlossenen Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation, die nach § 3 Satz 1 ARRGD-Niedersachsen an sich verbindlich sind, nicht zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der im Zuständigkeitsbereich der Arbeitsrechtlichen Kommission Beschäftigten zur Anwendung kommen. Hinzu kommt, dass nach § 8 Abs. 2 Buchst. e der Satzung des Diakonischen Werks der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers e. V. dessen Präsidium auf Antrag ein Mitglied von der dort geregelten Verpflichtung befreien kann, wenn ein zwingender Grund vorliegt. Auch dies ist mit der geforderten Verbindlichkeit nicht zu vereinbaren, da nicht die Arbeitsrechtliche Kommission oder die zuständige Schiedskommission hierüber befindet, sondern die Dienstgeberseite.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Schwitzer    

        

    Hann    

                 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 93/02 Verkündet am:
9. September 2004
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Ansprechen in der Öffentlichkeit II
Die gezielte Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken
ist grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7
Abs. 1 UWG, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher
eindeutig erkennbar ist.
BGH, Urt. v. 9. September 2004 - I ZR 93/02 - OLG Frankfurt a.M
LG Frankfurt a.M.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. September 2004 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof.
Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen, soweit die Klage auch darauf gerichtet ist, der Beklagten die beanstandeten Werbemaßnahmen in öffentlichen Verkehrsmitteln zu untersagen.
Im übrigen wird das Berufungsurteil aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Telekommunikationsdienstleistungen. Sie streiten darüber, ob es wettbewerbsrechtlich zulässig ist, zur Werbung von Kunden für Pre-Selection-Verträge Passanten im öffentlichen Verkehrsraum gezielt und individuell anzusprechen oder ansprechen zu lassen.

Eine Kundin der klagenden D. AG wurde im Mai und Juni 2000 im Eingangsbereich eines Warenhauses in A. vor einem Werbestand der Beklagten von Werbern mit dem Ziel angesprochen, sie für den Abschluß eines Pre-Selection-Vertrages mit der Beklagten zu gewinnen.
Die Klägerin ist der Ansicht, das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken sei unter dem Gesichtspunkt des belästigenden Anreißens von Kunden wettbewerbswidrig. Zur Begründung dafür, daß für ein gezieltes individuelles Ansprechen von Passanten seitens der Beklagten auch auf anderen öffentlichen Plätzen als dem Eingangsbereich eines Kaufhauses Erstbegehungsgefahr bestehe, hat die Klägerin weitere Vorfälle aus dem Jahre 2000 vorgetragen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden Passanten auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufszentren oder Geschäftspassagen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der Klageantrag sei unbestimmt und erfasse zudem nicht die vorgetragenen Fälle. Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, die angegriffene Werbeform könne aufgrund geänderter Gepflogenheiten und Wertungsmaßstäbe nicht mehr allgemein als wettbewerbswidrig angesehen werden.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß im Urteilsausspruch nach dem Wort "lassen" folgender Nebensatz angefügt wird: "die weder ausdrücklich noch konkludent das Interesse an dem Angebot der Beklagten zum Ausdruck gebracht haben."
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG Frankfurt a.M. TMR 2002, 232).
Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils nach Maßgabe ihres im Berufungsverfahren gestellten Antrags. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat den Klageantrag als hinreichend bestimmt angesehen, den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aber für nicht begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Soweit der Unterlassungsantrag das Ansprechen von Passanten in öffentlichen Verkehrsmitteln betreffe, fehle es sowohl an einer Wiederholungs- als auch an einer Erstbegehungsgefahr, da die Klägerin keinen Vorfall vorgetragen habe, bei dem die Beklagte Passanten in einem öffentlichen Verkehrsmittel habe ansprechen lassen.

Die Klage sei auch im übrigen unbegründet. Das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken sei nicht mehr ohne weiteres als sittenwidrig zu bewerten. Das gelte vor allem dann, wenn das gezielte Ansprechen im Umkreis eines Werbestandes geschehe. Derartige Werbeformen prägten inzwischen das Alltagsbild in den Geschäftszonen der Städte. Erst bei Hinzutreten weiterer Umstände, die über das bloße überraschende Ansprechen hinausgingen und den Kunden in eine Zwangslage brächten, könne die in Rede stehende Werbeform als unlauter zu beurteilen sein.
Diese Wertung werde durch die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes bestätigt, nach denen ein gezieltes Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum nicht grundsätzlich verboten sei. Die nur geringfügige Belästigung der Passanten werde auch nicht durch die theoretische Möglichkeit einer in der Summe nicht mehr hinnehmbaren Häufung derartiger Werbeaktionen zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten.
II. Die Revision hat überwiegend Erfolg. Sie führt in diesem Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann auf der bisherigen Tatsachengrundlage nicht davon ausgegangen werden, daß der geltend gemachte Unterlassungsanspruch insgesamt unbegründet ist. Soweit die Klage darauf gerichtet ist, der Beklagten die beanstandeten Werbemaßnahmen auch in öffentlichen Verkehrsmitteln zu untersagen, ist die Revision jedoch unbegründet.
1. Der Unterlassungsantrag richtet sich allgemein gegen das gezielte und individuelle Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbe-
zwecken. Anders als in dem der Senatsentscheidung vom 1. April 2004 (I ZR 227/01, GRUR 2004, 699 = WRP 2004, 1160 - Ansprechen in der Öffentlichkeit
I) zugrundeliegenden Fall schließt dies Fallgestaltungen ein, in denen die Werbenden für Passanten ohne weiteres als solche erkennbar sind.
2. Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch der Klägerin, der auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht nur, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten zur Zeit seiner Begehung den Unterlassungsanspruch begründet hat und dieser Anspruch auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 290/00, GRUR 2003, 622, 623 = WRP 2003, 891 - Abonnementvertrag; Urt. v. 1.4.2004 - I ZR 317/01, GRUR 2004, 693, 694 = WRP 2004, 899 - Schöner Wetten, für BGHZ bestimmt). Die Rechtsänderung durch das Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414 ff.) ist dementsprechend auch im Revisionsverfahren zu beachten. Dies bedeutet, daß die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der beanstandeten Werbehandlungen der Beklagten sowohl an § 1 UWG a.F. als auch am Maßstab der §§ 3, 7 Abs. 1 UWG zu messen ist.
3. Das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken ist unter der Geltung des § 1 UWG a.F. von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich als wettbewerbswidrig angesehen worden (vgl. die Nachweise in BGH GRUR 2004, 699, 700 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I). Es ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 jedenfalls dann grundsätzlich als eine unzumutbare Belästigung im Sinne von §§ 3, 7 Abs. 1 UWG anzusehen, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher eindeutig erkennbar ist (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbs-
recht, 23. Aufl., § 7 UWG Rdn. 96; a.A. Harte/Henning/Ubber, UWG, § 7 Rdn.

29).



a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß das Ansprechen von Passanten in Geschäftszonen der Städte eine gewisse Belästigung darstelle. Die Angesprochenen könnten dem aber, solange nicht besondere Umstände wie etwa Aufdringlichkeit oder Hartnäckigkeit des Werbers, Irreführung über den Grund des Ansprechens oder gleichzeitiges Anbieten eines Geschenks hinzuträten, durch Nichtbeachtung oder eine kurze abweisende Bemerkung ausweichen, was in aller Regel auch tatsächlich geschehe. Das gezielte Ansprechen zu Werbezwecken im Umkreis eines zugehörigen Werbestandes schaffe keine Situation, in der sich ein erheblicher Teil der Angesprochenen aus Höflichkeit oder Verlegenheit auf ein Werbegespräch und in der Folge auf eine wirtschaftliche Bindung einlasse, obwohl an der angebotenen Leistung kein wirkliches Interesse bestehe.

b) Dieser Beurteilung kann jedenfalls für die Fallgestaltung nicht zugestimmt werden, daß der Werbende einen Passanten gezielt und individuell anspricht , ohne daß der Werbezweck für diesen eindeutig erkennbar ist.
aa) Das Regelbeispiel des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist in solchen Fällen allerdings nicht anwendbar, weil der Werbende nicht als solcher erkennbar ist und der Angesprochene daher seinen entgegenstehenden Willen gar nicht zum Ausdruck bringen kann. Dies schließt eine Anwendung der Generalklausel des § 7 Abs. 1 UWG jedoch nicht aus (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 21).
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die gezielte Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten durch einen Werbenden, der als solcher nicht eindeutig erkennbar ist, grundsätzlich als unzumutbare Belästigung zu beurteilen.
(1) Wie sich aus § 3 UWG ergibt, genügt für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes die Feststellung der Eignung einer solchen Handlung, unzumutbar belästigend zu wirken. Die Feststellung, daß sich die beanstandete Wettbewerbshandlung in einem konkreten Einzelfall tatsächlich so ausgewirkt hat, ist nicht erforderlich.
(2) Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei angenommen, daß eine gezielte individuelle Ansprache unter den heutigen Verhältnissen für sich genommen noch nicht bei einem erheblichen Teil der Angesprochenen eine psychische Zwangslage schafft, die sie geneigt machen kann, auf ein beworbenes Angebot einzugehen (vgl. BGH GRUR 2004, 699, 700 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I).
(3) Eine gezielte und individuelle Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten ist aber eine unerbetene Kontaktaufnahme und damit ein belästigender Eingriff in die Individualsphäre des Umworbenen. Der Passant wird dadurch in seinem Bedürfnis, auch im öffentlichen Raum möglichst ungestört zu bleiben, beeinträchtigt und unmittelbar persönlich für die gewerblichen Zwecke des werbenden Unternehmens in Anspruch genommen (vgl. BGH GRUR 2004, 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I). Wenn sich der Werbende einem Passanten zuwendet, ohne eindeutig als solcher erkennbar zu sein, macht er sich zudem den Umstand zunutze, daß es einem Gebot der Höflichkeit unter zivilisierten Menschen entspricht, einer fremden Person, die sich beispielsweise nach dem Weg erkundigen möchte, nicht von vornherein abweisend und ableh-
nend gegenüberzutreten (BGH GRUR 2004, 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I). Darin liegt ein unlauteres Erschleichen von Aufmerksamkeit für die eigenen, zunächst verdeckt gehaltenen gewerblichen Zwecke.
(4) Die von der gezielten Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten ausgehende Belästigung ist für den Angesprochenen, der mit einer Kontaktaufnahme zu Werbezwecken nicht rechnet, auch unzumutbar, selbst wenn die Belästigung in der Regel als nur gering eingeschätzt wird. Ob eine Werbemaßnahme im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG unzumutbar belästigend ist, ist nicht nur nach dem Maß der Belästigung im Einzelfall zu beurteilen. Der Begriff der unzumutbaren Belästigung ist vielmehr im Licht des Gesetzeszwecks auszulegen , dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb zu dienen (§ 1 UWG). Eine Belästigung ist deshalb um so eher als unzumutbar zu beurteilen, je mehr sie - wie im vorliegenden Fall - nicht eine ungewollte oder nur gelegentliche Nebenwirkung einer Werbemaßnahme darstellt, sondern mit der beanstandeten Werbemethode notwendig und regelmäßig verbunden ist. Eine Werbemethode, bei der ein belästigendes Verhalten bewußt und gezielt im eigenen Werbeinteresse angewandt wird, ist deshalb regelmäßig als unzumutbar belästigend einzustufen. Hinzu kommt die gerade bei einer Werbemaßnahme dieser Art naheliegende Gefahr, daß zahlreiche Anbieter sie anwenden würden, falls sie als wettbewerbsrechtlich zulässig beurteilt würde, und sich dann auch solche Mitbewerber , die selbst an sich dieser Art von Werbung nicht zuneigen, aus Wettbewerbsgründen zu einer Nachahmung gezwungen sehen können (vgl. BGHZ 103, 203, 208 f. - Btx-Werbung; BGH GRUR 2004, 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I).
Eine methodisch angewandte unzumutbare Belästigung wie das gezielte Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten zu zunächst nicht eindeutig
erkennbaren Werbezwecken ist in jedem Fall geeignet, den Wettbewerb nicht unerheblich zum Nachteil der anderen Marktteilnehmer zu verfälschen (§ 3 UWG).
(5) Der Bewertung der in Rede stehenden Werbemethode als wettbewerbswidrig stehen - anders als das Berufungsgericht meint - nicht die gesetzlichen Regelungen zur Widerrufbarkeit von Rechtsgeschäften gemäß § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB (früher: § 1 Abs. 1 Nr. 3 HausTürWG) entgegen (vgl. BGH GRUR 2004, 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I; Baumbach/Hefermehl /Köhler aaO § 7 UWG Rdn. 96). Ebensowenig bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Verbot der beanstandeten Werbeform (vgl. BGH GRUR 2004, 699, 701 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I, m.w.N.).

c) Die gezielte Direktansprache von Passanten auf öffentlichen Straßen oder Plätzen zu Werbezwecken kann dagegen nicht ohne weiteres als unzumutbare Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG) des Angesprochenen angesehen werden , wenn der Werbende von vornherein als solcher eindeutig erkennbar ist.
Die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken ist für den Passanten in solchen Fällen in aller Regel nicht überraschend und unvorhergesehen. Er hat - worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat - fast immer die Möglichkeit , sich einem Gespräch ohne große Mühe durch Nichtbeachtung des Werbenden oder eine kurze abweisende Bemerkung oder Geste zu entziehen. Anders liegt es aber, wenn dies nach den gegebenen Verhältnissen (z.B. in einer engen Straße) nicht möglich ist oder wenn der Werbende einen erkennbar entgegenstehenden Willen des Angesprochenen mißachtet, etwa indem er diesen am Weitergehen hindert oder ihm folgt. In solchen Fällen ist die Anwendung des § 7 UWG auch dann geboten, wenn sich der Werbende von vornherein als
solcher zu erkennen gegeben hat (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler aaO § 7 UWG Rdn. 96). Auf Umstände dieser Art stellt der Klageantrag jedoch nicht ab.
4. Da sich der Unterlassungsantrag allgemein gegen die gezielte individuelle Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken richtet, erfaßt er auch Werbehandlungen, die grundsätzlich keine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG darstellen und daher wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Die zu weite Fassung des Unterlassungsantrags rechtfertigt aber nicht die vollständige Abweisung der Klage und die Zurückweisung der Revision insgesamt.

a) Eine Abweisung der Klage kommt bei dem gegenwärtigen Verfahrensstand nicht in Betracht, weil es der Klägerin auch darum geht, der Beklagten die gezielte Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken zu untersagen, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht eindeutig als solcher erkennbar ist. Im Hinblick darauf, daß die Rechtslage im Berufungsverfahren noch ungeklärt war, ist es aus Gründen der prozessualen Fairneß geboten, der Klägerin durch erneute Eröffnung des Berufungsverfahrens Gelegenheit zu geben, sich durch eine sachdienliche Antragsfassung auf die dargelegte Rechtslage einzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2004 - I ZR 221/01, GRUR 2004, 696, 699 = WRP 2004, 1017 - Direktansprache am Arbeitsplatz, für BGHZ 158, 174 vorgesehen).
Ein Antrag, der darauf abstellt, ob der Werbende eindeutig als solcher erkennbar ist, wäre als hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzusehen, auch wenn dadurch die nähere Abgrenzung, was einem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsverfahren überlassen wird.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungsund Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (vgl. BGHZ 144, 255, 263 - Abgasemissionen; 156, 1, 8 f. - Paperboy, m.w.N.). In besonders gelagerten Fällen können aber bei der Bemessung der Anforderungen, die zur Sicherung der Bestimmtheit des Unterlassungsantrags und des entsprechenden Urteilsausspruchs aufzustellen sind, die Erfordernisse der Gewährung eines wirksamen Rechtsschutzes mit abzuwägen sein (vgl. BGHZ 142, 388, 391 - Musical-Gala). Die Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Unterlassungsantrag sind demgemäß auch abhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Sachgebiets (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2002 - I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 = WRP 2002, 1269 - Zugabenbündel; GRUR 2004, 696, 699 - Direktansprache am Arbeitsplatz , für BGHZ 158, 174 vorgesehen).
Müßte in Fällen der vorliegenden Art ein auf § 8 Abs. 1 i.V. mit §§ 3, 7 Abs. 1 UWG gestützter Unterlassungsantrag entsprechend den Besonderheiten des festgestellten Einzelfalls gefaßt werden, wäre für den Kläger eine antragsgemäße Verurteilung in aller Regel nutzlos, weil der konkrete Wettbewerbsverstoß kaum jemals in gleicher Weise wiederholt werden wird. Dies würde auch die Wirksamkeit des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb durch Belästigung von Passanten, wie sie hier in Rede steht, entscheidend beeinträchtigen. Es ist deshalb bei der Fassung des Klageantrags und des entsprechenden Urteilsausspruchs hinzunehmen, daß das Vollstreckungsgericht bei der Beurteilung behaupteter Verstöße gegen ein in der dargelegten Weise gefaßtes Unterlassungsgebot auch Wertungen vornehmen muß (vgl. BGH GRUR 2004, 696, 699
- Direktansprache am Arbeitsplatz, m.w.N.). Die Rechtsverteidigung des Beklagten und sein schützenswertes Interesse an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen werden dadurch nicht unzumutbar beeinträchtigt.

b) Soweit die Klage allerdings darauf gerichtet ist, der Beklagten die beanstandeten Werbemaßnahmen auch in öffentlichen Verkehrsmitteln zu untersagen , hat das Berufungsgericht sie mit Recht abgewiesen. In diesem Umfang hat die Revision keinen Erfolg, weil es an der erforderlichen Begehungsgefahr fehlt.
Die von der Klägerin beanstandete konkrete Verletzungshandlung hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darin bestanden, daß eine Kundin der Klägerin im Eingangsbereich eines Warenhauses vor einem Werbestand der Beklagten von Werbern angesprochen wurde, die versuchten, sie für den Abschluß eines Pre-Selection-Vertrages mit der Beklagten zu gewinnen. Das Charakteristische des beanstandeten Verhaltens der Beklagten besteht also darin, daß sie Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken gezielt und individuell ansprechen läßt. Bei der Fassung eines Unterlassungsantrags sind zwar im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Dies hat seinen Grund darin, daß eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (vgl. BGHZ 126, 287, 295 - Rotes Kreuz; BGH, Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 909 = WRP 2000, 1258 - Filialleiterfehler; Urt. v. 4.9.2003 - I ZR 44/01, GRUR 2004, 154, 156 = WRP 2004, 232 - Farbmarkenverletzung II, m.w.N.). Die Grenze der zulässigen Verallgemeinerung ist jedoch die Begehungsgefahr (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1994
- I ZR 201/92, GRUR 1995, 125 f. = WRP 1995, 183 - Editorial I; BGH GRUR 2000, 907, 910 - Filialleiterfehler). Diese ist hinsichtlich einer Direktansprache von Fahrgästen in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gegeben.
Eine Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln durch direktes Ansprechen der Fahrgäste ist weitaus belästigender als ein Ansprechen von Passanten im öffentlichen Straßenraum. Auch wenn festgestellt werden sollte, daß die Beklagte in den konkret beanstandeten Fällen wettbewerbswidrig gehandelt hat, könnte deshalb nicht ohne weiteres angenommen werden, sie wolle auch in öffentlichen Verkehrsmitteln für den Abschluß von Pre-Selection-Verträgen werben.
III. Danach erweist sich die Revision teilweise als unbegründet. Im übrigen Umfang führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision , an das Berufungsgericht.
v. Ungern-Sternberg Bornkamm Pokrant Schaffert Bergmann

(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.