Amtsgericht Köln Urteil, 14. Sept. 2016 - 642 Ls 270/16
Gericht
Tenor
Der Angeklagte ist schuldig
des Schwarzfahrens, des Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und des unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes
und
des dreifachen Ladendiebstahls.
Er wird zu einer
Einheitsjugendstrafe von 6 Monaten
verurteilt.
Im Übrigen wird der Angeklagte
freigesprochen.
Verfall oder Einziehung der asservierten 400 € werden nicht angeordnet betreffend das verbundene Verfahren 642 Ls 332/16.
Dem Angeklagten steht keine Entschädigung nach dem StrEG zu für die in diesem Verfahren erlittene Untersuchungshaft.
Auf Kosten und Auslagen wird verzichtet.
Angew. Vorschr.: §§ 242 Abs.1, 265a, 303, 52, 53 StGB; 29 Abs.1Nr.3 BtMG; 1, 105 JGG
1
G r ü n d e :
2I.
3Eigenen Angaben zufolge wurde C.C. als 2. der insgesamt 3 Kinder aus der Ehe des Herrn S.C., ca. 54 Jahre alt, von Beruf Werkstattleiter in einem Aluminiumwerk, und der Frau S.N., ca. 45 Jahre alt, von Beruf Hausfrau, in D./ Marokko geboren. Bei den beiden Geschwistern handelt es sich um den älteren 25-jährigen Bruder Z.C., Arbeit in dem Aluminiumwerk, für das der Vater als Werkstattleiter beschäftigt ist, und um die jüngere 18-jährige Schwester V.C., die als Schülerin eines Gymnasiums im Sommer 2016 vermutlich die Allgemeine Hochschulreife/Abitur abgelegt hat. Alle 3 Kinder sind kontinuierlich in D. im elterlichen Haushalt aufgewachsen, wo die beiden Geschwister nach C.C. Einschätzung auch heute noch versorgt werden.
4C.C. erklärte, mit finanzieller Unterstützung des Vaters und des Bruder im August 2015 als 19-jähriger D./Marokko über die sogenannte Balkanroute Richtung Bundesrepublik Deutschland verlassen zu haben. Vorausgegangen sei, dass er in D. mit 2 Berufsabschlüssen/Zertifikaten keinerlei berufliche Perspektiven gehabt haben soll. Vor diesem Hintergrund habe er sich mit Zustimmung und Unterstützung der Familie schließlich im August 2015 auf den Weg nach Deutschland gemacht, um hier Möglichkeiten einer Berufsausbildung und einer Einkommensgrundlage zu finden.
5In der Bundesrepublik Deutschland angekommen, wurde er von einer zentralen Unterbringungseinrichtung in Willich am 15.01.2016 einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in X. zugewiesen. Frau O. von der Jugendgerichtshilfe X. gab gegen der Jugendgerichtshilfe mit Schreiben vom 18. August 2016 Auskunft darüber, dass C.C. in der X. Gemeinschaftsunterkunft von Beginn an durch grenzüberschreitendes Verhalten aufgefallen sein soll. So soll er unter anderem in die Bereiche der Unterkunft eingedrungen sein, die ausschließlich den Frauen und Kindern vorbehalten sind.
6Am 20.01.2016 soll C.C. andere Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft mit einem Messer bedroht haben.
7Dies habe dazu geführt, dass der junge Mann nicht mehr in der ihm zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft verbleiben konnte und in eine Obdachlosenunterkunft habe verlegt werden müssen. Nach Kenntnisstand des Jugendamtes X. hat sich C.C. ab dem 17.02.2016 nicht mehr in der Obdachlosenunterkunft aufgehalten und war ab diesem Zeitpunkt für dortige Stelle unbekannten Aufenthaltes.
8Zusammenfassend erklärte der Angeklagte gegenüber der Jugendgerichtshilfe Köln, dass aus heutiger Sicht von Beginn an „alles schief gelaufen“ sei. Schnell sei er „in schlechte Kreise“ geraten, habe situativ nur noch zum Zwecke des eigenen Vorteils handeln können, und somit sein eigentliches Ziel nicht mehr vor Augen gehabt. C.C. betonte, aus guten Familienverhältnissen zu stammen und dass die Eltern/Bruder viel in ihn und seine Zukunft investiert hätten - gescheitert und mit leere Händen nach D. zur Familie zurückkehren, dies könne und wolle er sich nicht vorstellen. Er wolle sein Leben korrigieren und verbessern, dies könne jedoch nicht in D. – in dem Armenviertel, aus dem er stamme – geschehen. C.C. betonte, sich mit den Ereignissen seiner Entwicklung seit August 2015 gegenüber seiner Familie in einem „großen Dilemma“ zu befinden- mit dem Scheitern könne er seiner Familie alleine schon aus Scham nicht unter die Augen treten. Vor diesem Hintergrund habe er seine Familie in Marokko auch nicht über seine derzeitige Inhaftierung in Kenntnis gesetzt.
9Bezüglich seiner schulischen und beruflichen Entwicklung ist seitens der Jugendgerichtshilfe Köln zu berichten gewesen, dass C.C. hierzu angibt, im Alter von 6 Jahren in einen Grundschule in D. eingeschult worden zu sein, die er nach den obligatorischen 6 Schuljahren zu einem Gymnasium in D. verlassen habe. Im Jahr 2013 habe er das Gymnasium aufgrund von Leistungsschwierigkeiten kurz vor den Abiturabschlussprüfungen zu einer staatlichen berufsbildenden Schule verlassen, an der er mit 2 Schuljahren, im April 2015, 2 Abschlüsse/Zertifikate (als Rohbau-Elektriker und in der Metallverarbeitung) erlangt haben will. Seinen Angaben zufolge erfolgte 4 Monate später, im August 2015, aufgrund der prekären Arbeitsmarktlage in Marokko der Aufbruch nach Deutschland.
10Er ist bislang wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
111.
12Entscheidungsdatum : 08.01.2016
13entscheidende Behörde : Amtsgericht Köln
14Aktenzeichen: 520 Ds 5/16 – 166 Js 2/16
15Rechtskräftig seit : 08.01.2016
16Tatbezeichnung : Diebstahl
17Datum der letzten Tat : 03.01.2016
18angewendete Vorschriften: StGB § 242 Abs.1, § 25 Abs.2, JGG § 1, § 105
19zusätzliche Angaben: 1 Woche Jugendarrest
202.
21Entscheidungsdatum : 22.01.2016
22entscheidende Behörde : Staatsanwaltschaft Essen
23Aktenzeichen: 55 Js 82/16
24zusätzliche Angaben: Gesucht wegen Strafverfolgung
253.
26Entscheidungsdatum : 29.03.2016
27entscheidende Behörde : Staatsanwaltschaft Düsseldorf
28Aktenzeichen: 70 Js 1687/16
29zusätzliche Angaben: Gesucht wegen Strafverfolgung
304.
31Entscheidungsdatum : 21.04.2016
32entscheidende Behörde : Staatsanwaltschaft Düsseldorf
33Aktenzeichen: 70 Js 4679/16
34zusätzliche Angaben: Gesucht wegen Strafverfolgung
35Der rechtskräftigen Verurteilung vom 08.01.2016 (520 Ds 5/16) lag ausweislich der verlesenen Urteilsgründe folgender Sachverhalt zu Grunde:
36Am 03.01.2016 sprachen die Angeklagten entsprechend einem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan die Zeugen K. und D. auf Gleis 7 im Hauptbahnhof in Köln an. Sie gaben zunächst vor, nach dem Weg zu fragen. Der Angeklagte C.C. erzählte dem Zeugen D. sodann etwas über Fußball, um ihn abzulenken. Währenddessen sprach auch der Angeklagte L. mit dem Zeugen K. über Fußball und versuchte dabei einen Fußballtrick zu demonstrieren. Dabei kam er nah an den Körper des Zeugen K. heran und es gelang ihm, dessen Mobiltelefon Samsung S3 Mini aus der rechten Hosentasche des Zeugen K. zu ziehen. Das Handy hatte einen Wert von 120,- EUR. Anschließend verabschiedeten sich die Angeklagten und erweckten den Anschein, das Gleis wechseln zu wollen. Die Angeklagten handelten in der Absicht, das Mobiltelefon für sich zu behalten.
37In dem vorgenannten Verfahren wurde der Angeklagte am 03.01.2016 festgenommen und befand sich bis zur Urteilsverkündung am 08.01.2016 in Untersuchungshaft, die mit dem einwöchigen Dauerarrest aus dem Urteil verrechnet wurde gemäß § 52 JGG.
38II.
39Die Hauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt:
401. 642 Ls 270/16
41a) Fall 1
42Das Gericht hat nicht sicher festzustellen vermocht, dass es der Angeklagte war, der dem Zeugen E.E. am Abend des 28.12.2015 gegen 22 Uhr in Köln am S. das Mobiltelefon entwendete mittels eines Antanztricks.
43b) Fall 2
44Der Angeklagte befand sich mit mehreren nicht näher bekannten arabisch-nordafrikanischen Begleitern in der Silvesternacht am 01.01.2016 gegen 0.30 Uhr oberhalb der Treppe zwischen Kölner Dom und Vorplatz des Kölner Hauptbahnhofs, als die Geschädigte T.T. mit ihrem Freund H.H. versuchte, durch die Gruppe des Angeklagten zum Bahnhof zu gelangen. Die beiden Zeugen wurden von dem Angeklagten und seinen Begleitern eingekeilt, welche die Zeugen wie auch andere Personen bzw. sich selbst ziellos hin- und her schubsten. Während die Geschädigte T.T. mehrfach zunächst oberhalb, dann auch unterhalb der Jeanshose sexuell belästigt wurde von zwei hinter ihr befindlichen Personen, stand der Angeklagte rechts vor ihr und neben dem – vor ihr gehenden – Zeugen H.H. Faktisch begünstigte er wie auch andere Personen die sexuellen Übergriffe auf die Geschädigte T.T., indem er sie und ihren Begleiter durch Schubsen und Einkeilen zeitweise an der Flucht hinderte.
45Das Gericht hat – ausgehend von den Angaben der Zeugin T.T. – keinerlei Hinweise darauf feststellen können, dass der Angeklagte die rückwärtigen sexuellen Übergriffe auf die Zeugin trotz des dichten Gedränges überhaupt wahrnehmen konnte oder – etwa durch verbale oder nonverbale Kommunikation – in das Handeln der beiden hinter der Zeugin befindlichen unbekannten Haupttäter bewusst einbezogen war.
462. 642 Ls 306/16
47a)
48Der Angeklagte fuhr am 11.01.2016 gegen 11:41 Uhr mit dem Zug 75027 der NordWestBahn von M. nach F. ohne im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein. Er hatte von Beginn der Fahrt an vor, das Fahrgeld in Höhe von 5,70 Euro nicht zu entrichten.
49b)
50Am 23.01.2016 gegen 16:00 Uhr entnahm der Angeklagte aus den Auslagen des Bekleidungsgeschäfts P. in der Q-straße 00 in 00000 R. ein Hemd der Marke Pepe Jeans im Wert von 79,95 Euro und begab sich damit in eine Umkleidekabine, wo er die an dem Hemd befestigte Magnetsicherung mittels einer Nagelschere herausschnitt. Dabei entstand – wie von dem Angeklagten jedenfalls billigend in Kauf genommen – ein Loch in dem Stoff, so dass sich das Hemd nicht mehr für den Verkauf eignete. Sodann steckte der Angeklagte das Hemd in den von ihm mitgeführten Rucksack, passierte den Kassenbereich und verließ das Geschäft ohne für die Ware zu zahlen. Er handelte, um das Hemd für sich zu behalten.
51c)
52Am 25.01.2016 gegen 12:55 Uhr verfügte der Angeklagte am Bushof in der U-straße in 00000 R. ohne Erlaubnis in seiner linken Jackentasche über 0,09 g. Marihuana netto.
533. 642 Ls 329/16
54a)
55Der Angeklagte entnahm am 29.12.2015 gegen 19:40 Uhr den Auslagen des Bekleidungsgeschäft C&A in der V-straße 00 in A. einen Pullover im Wert von 12,00 Euro, eine Jacke im Wert von 49,00 Euro, eine Hose im Wert von 15,00 Euro sowie ein T-Shirt im Wert von 7.00 Euro und begab sich damit in eine Umkleidekabine. Dort zog der Angeklagte die bezeichneten Bekleidungsstücke unter die von ihm getragene Kleidung und verließ sodann die Umkleidekabine, um die Bekleidungsstücke für sich zu behalten, ohne den entsprechenden Kaufpreis zu zahlen.
56b)
57Am 01.01.2016 gegen 18:20 Uhr betrat der Angeklagte den DM-Drogerie-Markt am B- Platz 00 in F. und entwendete ein Eau de Toilette der Marke 007 mit einem Wert von 25,95 Euro sowie ein Eau de Toilette der Marke S‘ Oliver mit einem Wert von 10,95 Euro, indem er die Waren an sich nahm und in seine Jackentasche steckte. Sodann passierte er den Kassenbereich und verließ das Geschäft, ohne für die Waren zu zahlen. Er handelte, um das Parfum für sich zu behalten bzw. gewinnbringend zu veräußern.
584. 642 Ls 332/16
59Am 19.01.2016 gegen 13:58 Uhr entwendete der Angeklagte eine Brille Dolce & Gabana im Wert von 140 € und Parfum im Wert von 91,99 € aus den Geschäftsräumen der Firma Kaufhof, G.-straße 00 in R.
60III.
61Diese Feststellungen beruhen auf der umfassend geständigen Einlassung des Angeklagten, was die unter II. 2. bis 4. festgestellten Taten betrifft.
62Soweit der Angeklagte zu den weiteren Taten aus dem Verfahren 642 Ls 270/16 und insbesondere zum Vorwurf der Vergewaltigung geschwiegen hat, konnte der Tatnachweis aus tatsächlichen Gründen nicht geführt werden.
63Während der Zeuge H.H. betreffend den Fall 2) zu den eigentlichen sexuellen Übergriffen auf seine Freundin keinerlei Angaben machen konnte, weil er als Vorausgehender sie schlicht nicht wahrgenommen hat, hat die Zeugin T.T. glaubhaft und überzeugend zum Tatgeschehen bekundet wie unter II. 1. b) festgestellt. Weitergehend hat sie dazu ausgeführt, dass die beiden Haupttäter, zu denen sie sich nach dem ersten Antatschen erbost umdrehte, unerwartet kleiner gewesen seien als sei selbst; dazu hat siie angegeben, sie selbst sei 1,75 m groß, während der Angeklagte tatsächlich – nach Anschauung in der Hauptverhandlung – über 1,90 m groß ist.
64Auf Nachfrage des Vorsitzenden dazu, hat sie klargestellt, dass sie den Angeklagten zwar eindeutig als anwesend erkannt bei Vorlage der Lichtvorzeigekartei; er sei jedoch nicht einer der beiden Haupttäter gewesen, die hinter ihr gestanden hätten, sondern er habe rechts vor ihr gestanden auf ihrem Weg durch die Menge in Richtung Hauptbahnhof.
65Dies hat im Übrigen auch der Zeuge H.H. so bestätigt, der glaubhaft angegeben hat, der Angeklagte sei Teil der Gruppe gewesen, er könne ihm aber keine Tathandlungen zuordnen; der Angeklagte habe rechts neben ihm gestanden, in Richtung des Hauptbahnhofs gesehen. Ach danach steht fest, dass der Angeklagte keinesfalls einer der beiden hinter der Geschädigten befindlichen Haupttäter gewesen sein kann.
66Im Übrigen hat die Zeugin T.T. selbst angegeben, dass sie nicht davon ausgehe, dass der Angeklagte etwas von den Übergriffen (von hinten) mitbekommen habe in dem Gedränge; auch habe es seitens des Angeklagten keinerlei Kommunikation (mutmaßlich auf Arabisch) mit den Haupttätern gegeben, sondern mit einem neben ihm stehenden Begleiter.
67Zum Fall 1) (II. 1. a)) meinte der Zeuge E.E. zwar noch im Gerichtssaal, den Angeklagten erkannt zu haben als den Täter der ihn betreffenden Trickdiebstahlstat. Dagegen spricht jedoch zum einen, dass er seinerzeit bei der Polizei angegeben hatte, der Täter sei 1,65 m bis 1,70 m groß gewesen und damit deutlich kleiner als der – eigenen Angaben 1,89 m große – Zeuge E.E. Tatsächlich aber ist der Angeklagte sogar etwas größer als der Zeuge E.E., wie der Zeuge beim Aufstehen beider Personen in der Hauptverhandlung zugeben musste. Zum anderen hat sich mit dem Zeugen E.E. nicht eindeutig klären lassen, anhand welcher TV-Bilder er den Angeklagten seinerzeit erkannt haben will. Denn die in der Akte befindlichen Fotos aus dem Gerichtssaal des Verfahren 520 Ds 5/16 waren verpixelt und damit unzureichend für eine Wiedererkennung anhand der Gesichtszüge, wie der Zeuge hat zugegeben müssen. Die in der Akte befindlichen Screenshots von der Rückseite des Justizzentrums Köln im Übergang zur Staatsanwaltschaft Köln waren dem Zeugen hingegen unbekannt. Eine stichhaltige Überprüfung der damaligen Wiedererkennenssituation anhand der konkreten Bilder war damit nicht möglich. Insgesamt überwiegen daher die Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, so dass er nach dem Zweifelsgrundsatz freizusprechen gewesen ist.
68IV.
69Auf Grund dessen hat der Angeklagte sich im Einzelnen wie tenoriert strafbar gemacht. Auf ihn ist seiner Entwicklung nach Jugendstrafrecht anzuwenden, § 105 JGG.
70Bezüglich aller Tatvorwürfe im führenden Verfahren 642 Ls 270/16 ist der Angeklagte hingegen aus tatsächlichen Gründen freizusprechen gewesen aus den oben genannten Gründen.
71V.
72Angesichts der Vielzahl der hiesigen Straftaten, der hohen Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten nach Haftentlassung am 08.01.2016 und wegen der einschlägigen (teilweisen Vor-)Belastung im Verfahren 520 Ds 5/16 ist unter weiterer Berücksichtigung der völlig fehlenden sozialen Integration des Angeklagten seit seiner Ankunft in Deutschland im Spätsommer 2016 (einschließlich bewusster Führung zweier unterschiedlicher Personalien nebst zweier Asylanträge) nach wie vor von schädlichen Neigungen des Angeklagten im Sinne von § 17 JGG auszugehen. Daran ändert auch nichts die zwischenzeitlich und im erheblichen Umfang von viereinhalb Monaten erlittene Untersuchungshaft. Denn auch die vorausgehend erlittene Untersuchungshaft von einer Woche Dauer im Verfahren 520 Ds 5/16 hielt ihn kaum eine Woche lang von weiteren Straftaten ab. Zudem findet nach wie vor kein ehrlicher Umgang mit den eigenen Personalien statt. Während der Angeklagte etwa seinen Vater gegenüber der Jugendgerichtshilfe als festbeschäftigten Werkstattleiter in einem Aluminiumwerk bezeichnete, nannte er diesen in der Hauptverhandlung einen Gelegenheitsarbeiter, ebenso wie seinen Bruder.
73Für den Angeklagten sprechen sein umfassendes Geständnis und die in diesem Verfahren bereits erheblich erlittene Untersuchungshaft, gegen ihn vor allem die Vielzahl der hiesigen Straftaten, die hohe Rückfallgeschwindigkeit sowie seine einschlägige (teilweise Vor-)Belastung im Verfahren 520 Ds 5/16.
74Insgesamt erscheint eine
75Einheitsjugendstrafe von 6 Monaten
76und damit am untersten Rand des Möglichen angemessen unter Berücksichtigung vor allem der zwischenzeitlichen Untersuchungshaft, um den Straftaten und dem Täter und seiner Person gerecht zu werden.
77Diese Strafe konnte mangels geeigneter Rückfallprognose nicht zur Bewährung ausgesetzt werden gemäß § 21 Abs.1 JGG. Der Angeklagte hat kein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik und trägt – trotz der Stellung zweier Asylanträge unter zwei unterschiedlichen, nicht gesicherten Identitäten – nicht einmal selbst einen Hintergrund vor, der irgendeinen Asylgrund erkennen lässt.
78Zudem hat der Angeklagte sich auch bis dato nicht mit den öffentlichen Unterstützungsleistungen begnügen können, wie die hiesigen Straftaten belegen.
79Insgesamt ist nach wie vor sehr wahrscheinlich nach Haftentlassung mit weiteren Straftaten des Angeklagten im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte zu rechnen.
80VI.
811.
82Verfall oder Einziehung kommen in Bezug auf die im Verfahren 642 Ls 332/16 sichergestellten Barbeträge des Angeklagten in Höhe von 400 € nicht in Betracht nach Maßgabe der §§ 73, 73d, 74, 74a StGB. Denn es steht zum einen fest, dass die sichergestellte Summe nicht aus dem unter II. 4. festgestellten Diebstahlsgeschehen stammt. Zudem kommt ein erweiterter Verfall gemäß § 73d StGB nur bei besonderer gesetzlicher Verweisung in Betracht, die der Gesetzgeber aber nur für Fälle besonders schwerer Banden- bzw. gewerblicher Kriminalität wie zum Beispiel § 244 Abs.4 StGB vorgesehen hat, nicht aber für schlichte Diebstahlsdelikte.
832.
84Trotz des Teilfreispruchs betreffend den ehemals schwersten Tatvorwurf der gemeinschaftlichen schweren Vergewaltigung (vgl. II. 1. b)) steht dem Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft von bisher viereinhalb Monaten richtigerweise keine Entschädigung nach dem StrEG zu angesichts der Verurteilung zu 6 Monaten Einheitsjugendstrafe ohne Aussetzung zur Bewährung bei Aufrechterhaltung des Haftbefehls.
85VII.
86Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 JGG.
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(1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
- 1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
Wird auf Jugendarrest erkannt und ist dessen Zweck durch Untersuchungshaft oder eine andere wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung ganz oder teilweise erreicht, so kann der Richter im Urteil aussprechen, daß oder wieweit der Jugendarrest nicht vollstreckt wird.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
- 1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.
(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
(1) Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendliche sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Jugendlichen, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Das Gericht setzt die Vollstreckung der Strafe auch dann zur Bewährung aus, wenn die in Satz 1 genannte Erwartung erst dadurch begründet wird, dass neben der Jugendstrafe ein Jugendarrest nach § 16a verhängt wird.
(2) Das Gericht setzt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist.
(3) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Jugendstrafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.
(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.
Verweist ein Gesetz auf diese Vorschrift, können Gegenstände abweichend von § 74 Absatz 3 auch dann eingezogen werden, wenn derjenige, dem sie zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen,
- 1.
mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass sie als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen sind, oder - 2.
sie in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben hat.
(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.
(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
- 2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt oder - 3.
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(4) Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.