Jugendstrafrecht: Zum Täter-Opfer-Ausgleich bei eingeschränktem Geständnis
published on 01/12/2011 12:22
Jugendstrafrecht: Zum Täter-Opfer-Ausgleich bei eingeschränktem Geständnis
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Der BGH hat mit dem Beschluss vom 20.09.2002 (Az: 2 StR 336/02) folgendes entschieden:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des LG Limburg a. d. Lahn vom 17. 12. 2001 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das LG hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Körperverletzung und wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten (Einzelstrafen: Geldstrafe 120 Tagessätze und Freiheitsstrafe ein Jahr) verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel erweist sich zum Schuldspruch als unbegründet i.S. von § 349 II StPO. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte, der in verantwortlicher Stellung im Unternehmen seines Vaters tätig ist, im Jahre 1996 einem Angestellten seines Vaters den Auftrag erteilt, einem früheren Mitarbeiter, dem Zeugen W., “eine Lektion“ zu erteilen, und ihm dafür 4.000,-- DM übergeben. Auf dessen Veranlassung wurde dem Zeugen ein Faustschlag in das Gesicht versetzt, durch den er eine blutende Wunde erlitt. Da der Zeuge sich davon wenig beeindruckt zeigte, hat der Angeklagte kurze Zeit später erneut den Auftrag erteilt, den Zeugen - nunmehr intensiver - zu verletzen. Durch einen von der Firma seines Vaters gesponserten Profiboxer wurde dem Zeugen u.a. der rechte Ellenbogen ausgekugelt, so dass er zehn Wochen einen Gipsverband tragen musste, außerdem erlitt er einen Unterkieferbruch. Nachdem der Zeuge sich an den Vater des Angeklagten gewandt hatte, ließ der Angeklagte, “um die Wogen zu glätten“, dem Zeugen 5.000,-- DM als Schmerzensgeld übergeben. Außerdem kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu einem Treffen mit dem Zeugen, bei dem er sich bei diesem entschuldigte und auch die zweite Anstiftungshandlung eingestand. Der Zeuge hat in der Hauptverhandlung angegeben, er habe dem Angeklagten verziehen und betrachte die Sache als erledigt.
Das LG hat die Zahlung von 5.000,-- DM als ein für beide Körperverletzungen bestimmtes Schmerzensgeld angesehen und sie nach § 46 II StGB strafmildernd berücksichtigt. Eine Strafrahmenmilderung nach § 46 a Nr. 1, 49 I StGB hat es abgelehnt. Der Angeklagte habe zwar die erste Tat gestanden, zur zweiten Tat habe er sich hingegen in der Hauptverhandlung nicht bekannt, sondern angegeben, dass sich sein Auftrag verselbständigt habe. Auch wenn der Angeklagte sie gegenüber dem Geschädigten zugegeben habe, erfordere der Täter-Opfer-Ausgleich, dass der Täter auch in der Hauptverhandlung dazu stehe. Er müsse auch gegenüber der Gesellschaft die Verantwortung übernehmen. Zudem könne die Zahlung von 5.000,-- DM allenfalls als angemessener Schmerzensgeldbetrag betrachtet werden, eine in § 46 a Nr. 2 StGB geforderte erhebliche persönliche Leistung oder ein erheblicher persönlicher Verzicht könne angesichts der Einkommensverhältnisse des Angeklagten darin nicht gesehen werden.
Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken. Der Anwendung der Strafrahmenmilderung nach § 46 a StGB steht nicht zwingend entgegen, dass der Täter in der Hauptverhandlung kein volles Geständnis abgelegt hat.
§ 46 a Nr. 1 StGB, der hier in Betracht kommt, setzt voraus, dass der Täter im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder die Wiedergutmachung erstrebt, wobei die erreichte oder erstrebte Wiedergutmachung auf der Grundlage umfassender Ausgleichsbemühungen geleistet werden muss (BT-Drucks. 12/6853 S. 21). Dies bedeutet, dass der Täter sich schon vor seiner Verurteilung gegenüber dem Opfer zu seiner Schuld bekennen muss. Dem wird regelmäßig ein
Geständnis im Strafverfahren entsprechen. Ein bestimmtes Prozessverhalten des Täters ist nach dem Wortlaut der Vorschrift jedenfalls nicht ausdrücklich gefordert, eine solche Voraussetzung ist auch der Gesetzgebungsgeschichte nicht zu entnehmen. Erfahrungshintergrund für die durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. 10. 1994 eingefügte Bestimmung des § 46 a StGB bildete der im Jugendstrafrecht praktizierte Täter-Opfer-Ausgleich. Für die Regelung des § 45 II JGG, die ein Absehen von der Verfolgung bei einem Täter-Opfer-Ausgleich vorsieht, wird überwiegend ein Geständnis nicht für erforderlich gehalten. Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 46 a StGB ist ein uneingeschränktes Geständnis als weitere Voraussetzung des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht zwingend gefordert. Ein solches Geständnis kann allerdings Anzeichen für einen gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich sein. Oftmals wird dem Opfer gerade ein Bekennen des Täters zu seiner Tat auch im Strafverfahren besonders wichtig sein, eine angestrebte Wiedergutmachung des Täters ohne ein Geständnis kaum denkbar sein. Ist für das Opfer aber nach gelungenen Ausgleichsbemühungen die strafrechtliche Ahndung und das Verteidigungsverhalten des Täters nicht mehr von besonderem Interesse, so steht ein nur eingeschränktes Geständnis nach dem Sinn und Zweck der Regelung, die gerade dem friedensstiftenden kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer besondere Bedeutung beimisst, der Anwendung des § 46 a StGB nicht entgegen. So kann es hier sein. Der Zeuge hatte keinen Strafantrag gestellt und in der Hauptverhandlung erklärt, dass für ihn die Sache erledigt sei. Demgegenüber verlangen Sinn und Zweck des § 46 a StGB nicht, wie das LG meint, dass der Täter gegenüber der Gesellschaft die Verantwortung für die Tat übernimmt und sich zu dieser in öffentlicher Hauptverhandlung bekennt.
Soweit das LG eine Strafrahmenmilderung auch deshalb abgelehnt hat, weil die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 2 StGB nicht vorliegen, verkennt es, dass § 46 a Nr. 2 den materiellen Schadensersatz betrifft. Dass der Zeuge auch materielle Schäden erlitten hat, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
Die Anwendung des § 46 a StGB bedarf danach erneuter Prüfung. Der Senat kann trotz der strafmildernden Berücksichtigung der Schmerzensgeldzahlung und der an sich maßvollen Strafe nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei einer Strafrahmenmilderung nach §§ 46 a, 49 I StGB zu einer niedrigeren Strafe gekommen wäre.
Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer, nachdem eine Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer nicht mehr gegeben ist.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des LG Limburg a. d. Lahn vom 17. 12. 2001 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das LG hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Körperverletzung und wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten (Einzelstrafen: Geldstrafe 120 Tagessätze und Freiheitsstrafe ein Jahr) verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel erweist sich zum Schuldspruch als unbegründet i.S. von § 349 II StPO. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte, der in verantwortlicher Stellung im Unternehmen seines Vaters tätig ist, im Jahre 1996 einem Angestellten seines Vaters den Auftrag erteilt, einem früheren Mitarbeiter, dem Zeugen W., “eine Lektion“ zu erteilen, und ihm dafür 4.000,-- DM übergeben. Auf dessen Veranlassung wurde dem Zeugen ein Faustschlag in das Gesicht versetzt, durch den er eine blutende Wunde erlitt. Da der Zeuge sich davon wenig beeindruckt zeigte, hat der Angeklagte kurze Zeit später erneut den Auftrag erteilt, den Zeugen - nunmehr intensiver - zu verletzen. Durch einen von der Firma seines Vaters gesponserten Profiboxer wurde dem Zeugen u.a. der rechte Ellenbogen ausgekugelt, so dass er zehn Wochen einen Gipsverband tragen musste, außerdem erlitt er einen Unterkieferbruch. Nachdem der Zeuge sich an den Vater des Angeklagten gewandt hatte, ließ der Angeklagte, “um die Wogen zu glätten“, dem Zeugen 5.000,-- DM als Schmerzensgeld übergeben. Außerdem kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu einem Treffen mit dem Zeugen, bei dem er sich bei diesem entschuldigte und auch die zweite Anstiftungshandlung eingestand. Der Zeuge hat in der Hauptverhandlung angegeben, er habe dem Angeklagten verziehen und betrachte die Sache als erledigt.
Das LG hat die Zahlung von 5.000,-- DM als ein für beide Körperverletzungen bestimmtes Schmerzensgeld angesehen und sie nach § 46 II StGB strafmildernd berücksichtigt. Eine Strafrahmenmilderung nach § 46 a Nr. 1, 49 I StGB hat es abgelehnt. Der Angeklagte habe zwar die erste Tat gestanden, zur zweiten Tat habe er sich hingegen in der Hauptverhandlung nicht bekannt, sondern angegeben, dass sich sein Auftrag verselbständigt habe. Auch wenn der Angeklagte sie gegenüber dem Geschädigten zugegeben habe, erfordere der Täter-Opfer-Ausgleich, dass der Täter auch in der Hauptverhandlung dazu stehe. Er müsse auch gegenüber der Gesellschaft die Verantwortung übernehmen. Zudem könne die Zahlung von 5.000,-- DM allenfalls als angemessener Schmerzensgeldbetrag betrachtet werden, eine in § 46 a Nr. 2 StGB geforderte erhebliche persönliche Leistung oder ein erheblicher persönlicher Verzicht könne angesichts der Einkommensverhältnisse des Angeklagten darin nicht gesehen werden.
Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken. Der Anwendung der Strafrahmenmilderung nach § 46 a StGB steht nicht zwingend entgegen, dass der Täter in der Hauptverhandlung kein volles Geständnis abgelegt hat.
§ 46 a Nr. 1 StGB, der hier in Betracht kommt, setzt voraus, dass der Täter im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder die Wiedergutmachung erstrebt, wobei die erreichte oder erstrebte Wiedergutmachung auf der Grundlage umfassender Ausgleichsbemühungen geleistet werden muss (BT-Drucks. 12/6853 S. 21). Dies bedeutet, dass der Täter sich schon vor seiner Verurteilung gegenüber dem Opfer zu seiner Schuld bekennen muss. Dem wird regelmäßig ein
Geständnis im Strafverfahren entsprechen. Ein bestimmtes Prozessverhalten des Täters ist nach dem Wortlaut der Vorschrift jedenfalls nicht ausdrücklich gefordert, eine solche Voraussetzung ist auch der Gesetzgebungsgeschichte nicht zu entnehmen. Erfahrungshintergrund für die durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. 10. 1994 eingefügte Bestimmung des § 46 a StGB bildete der im Jugendstrafrecht praktizierte Täter-Opfer-Ausgleich. Für die Regelung des § 45 II JGG, die ein Absehen von der Verfolgung bei einem Täter-Opfer-Ausgleich vorsieht, wird überwiegend ein Geständnis nicht für erforderlich gehalten. Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 46 a StGB ist ein uneingeschränktes Geständnis als weitere Voraussetzung des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht zwingend gefordert. Ein solches Geständnis kann allerdings Anzeichen für einen gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich sein. Oftmals wird dem Opfer gerade ein Bekennen des Täters zu seiner Tat auch im Strafverfahren besonders wichtig sein, eine angestrebte Wiedergutmachung des Täters ohne ein Geständnis kaum denkbar sein. Ist für das Opfer aber nach gelungenen Ausgleichsbemühungen die strafrechtliche Ahndung und das Verteidigungsverhalten des Täters nicht mehr von besonderem Interesse, so steht ein nur eingeschränktes Geständnis nach dem Sinn und Zweck der Regelung, die gerade dem friedensstiftenden kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer besondere Bedeutung beimisst, der Anwendung des § 46 a StGB nicht entgegen. So kann es hier sein. Der Zeuge hatte keinen Strafantrag gestellt und in der Hauptverhandlung erklärt, dass für ihn die Sache erledigt sei. Demgegenüber verlangen Sinn und Zweck des § 46 a StGB nicht, wie das LG meint, dass der Täter gegenüber der Gesellschaft die Verantwortung für die Tat übernimmt und sich zu dieser in öffentlicher Hauptverhandlung bekennt.
Soweit das LG eine Strafrahmenmilderung auch deshalb abgelehnt hat, weil die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 2 StGB nicht vorliegen, verkennt es, dass § 46 a Nr. 2 den materiellen Schadensersatz betrifft. Dass der Zeuge auch materielle Schäden erlitten hat, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
Die Anwendung des § 46 a StGB bedarf danach erneuter Prüfung. Der Senat kann trotz der strafmildernden Berücksichtigung der Schmerzensgeldzahlung und der an sich maßvollen Strafe nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei einer Strafrahmenmilderung nach §§ 46 a, 49 I StGB zu einer niedrigeren Strafe gekommen wäre.
Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer, nachdem eine Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer nicht mehr gegeben ist.
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