Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. August 2017 - 8 K 6266/17 - geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 8. Mai 2017 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2017 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. August 2017 - 8 K 6266/17 - wird von Amts wegen geändert. Der Streitwert für dieses Verfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist zulässig. Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde wurde am 8. September 2017 innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses am 29. August 2017 gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingelegt und am 29. September 2017 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO hinreichend begründet. Unerheblich ist es, dass der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin (Antragsgegnerin) nicht - wie im Schriftsatz vom 8. September 2017 angekündigt - eine Prozessvollmacht vorgelegt hat. Denn dies wurde vom Beschwerdegegner (Antragsteller) nicht gerügt (vgl. § 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO; Schenk in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 67 Rn. 101; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 67 Rn. 45). Vor dem Verwaltungsgericht war die Antragsgegnerin noch von einer anderen Rechtsanwaltskanzlei vertreten worden.
Des Weiteren bedarf es keiner Entscheidung, ob der Antragsteller gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO im Beschwerdeverfahren hinreichend vertreten ist. Dies wurde vom Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen bestritten, weil in der vom Antragsteller mandatierten Rechtsanwaltskanzlei mit xxx-xxx xxx ein Rechtsanwalt tätig ist, der zugleich Mitglied des Gemeinderates der Antragsgegnerin ist und der deshalb dem Vertretungsverbot des § 17 Abs. 3 Satz 1 GemO unterliegen könnte. Jedoch hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt oder sonstigen Prozesshandlungen vorgenommen, auf deren Wirksamkeit es für die Entscheidung über die Beschwerde ankommt (vgl. dazu Senatsurteil vom 24.10.2017 - 5 S 1003/16 - juris Rn. 30; OVG B.-Bbg., Beschluss vom 21.8.2008 - OVG 4 S 26.08 - juris Rn. 3; dagegen die Postulationsfähigkeit auch für bloßen Sach- und Rechtsvortrag verlangend: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.6.2010 - 12 S 1184/10 - juris Rn. 3). Aber selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerdeinstanz wegen fehlender Postulationsfähigkeit unbeachtlich sein sollte - was im Hinblick darauf, dass der Antragsteller nicht von dem als Gemeinderat tätigen Kanzleimitglied, sondern von einer in der Kanzlei offenbar nur angestellten Rechtsanwältin vertreten wird, fraglich ist (vgl. Schenk in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 67 Rn. 109), wären die vom Antragsteller vorgebrachten tatsächlichen Umstände wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes dennoch zu berücksichtigen (vgl. Schenk in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 67 Rn. 74; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 67 Rn. 32).
2. Die Beschwerde ist begründet. Die von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben Anlass, die vom Verwaltungsgericht zum Nachteil der Antragsgegnerin getroffene Abwägungsentscheidung gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 und § 80 Abs. 5 VwGO zu ändern und den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes abzulehnen. Das (besondere) öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen, von der kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a Abs. 1 BauGB) sofort vollziehbaren Baugenehmigung sofort Gebrauch machen zu dürfen, überwiegen das private Interesse des Antragstellers, von den Wirkungen der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung des Antragsgegnerin vom 2. Mai 2017 vorläufig verschont zu bleiben.
Aufgrund der von der Antragsgegnerin am 29. September 2017 erteilten Befreiung der Beigeladenen von der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO liegt nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 21. August 2017 noch angenommene Verletzung der drittschützenden Vorschriften über Abstandsflächen in §§ 5 und 6 LBO nicht mehr vor (a). Damit kann dahinstehen, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass hier eine Abstandsfläche auch im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO erforderlich war, dass eine geringere Tiefe der Abstandsflächen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 LBO nicht zuzulassen war, dass auch eine Abweichung nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO nicht zuzulassen war und dass die Berufung des Antragstellers auf die nachbarschützenden Vorschriften nicht gegen Treu und Glauben verstieß. Die vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist zudem nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 25.11.2004 - 8 S 1870/04 - juris Rn. 6 f., vom 14.3.2013 - 8 S 2504/12 - juris Rn. 11 und vom 30.6.2017 - 8 S 2507/16 - juris Rn. 3). Die vom Antragsteller geltend gemachte Verletzung seiner subjektiven Rechte aus § 34 Abs. 1 BauGB - nämlich des Gebots der Rücksichtnahme - durch die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2017 ist nach summarischer Prüfung nicht feststellbar (b).
a) Die von der Antragsgegnerin am 29. September 2017 noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erteilte Befreiung nach § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 LBO ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Befreiung wegen einer offenbar nicht beabsichtigten Härte kommt es damit nicht an (§ 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LBO).
aa) Die nach dem hier angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts erlassene Entscheidung der Antragsgegnerin, von der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO über das Erfordernis von Abstandsflächen vor den Außenwänden von baulichen Anlagen insoweit eine Befreiung zu erteilen, als eine Abstandsfläche zum westlich an das Grundstück der Beigeladenen angrenzenden Grundstück des Antragstellers nicht erforderlich ist, ist im hier anhängigen Beschwerdeverfahren, das die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 8. Mai 2017 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 2. Mai 2017 durch das Verwaltungsgericht zum Gegenstand hat, auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Zwar handelt es sich bei der nachträglich erteilten Befreiung um einen Verwaltungsakt. Allerdings ist dieser im Verhältnis zur Baugenehmigung unselbständig. Der Antrag auf Befreiung war bereits im Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung enthalten. Die nachträglich erteilte Befreiung hat die zuvor ohne sie erteilte Baugenehmigung geändert. Daher kann ihre Rechtmäßigkeit ohne besonderes Vorverfahren im anhängigen Prozess zusammen mit der Baugenehmigung überprüft werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.2.1971 - IV C 2.68 - juris Rn. 34 f.; Beschluss vom 12.9.1979 - 4 B 182/79 - juris Rn. 2 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.2.2014 - 3 S 1992/13 - juris Rn. 25).
bb) Die am 29. September 2017 erteilte Befreiung wurde von der Antragsgegnerin aller Voraussicht nach zu Recht auf § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 LBO gestützt.
(1) Nach § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 LBO kann von den Vorschriften in den §§ 4 bis 39 LBO oder auf Grund der Landesbauordnung eine Befreiung erteilt werden, wenn Gründe des allgemeinen Wohls die Abweichung erfordern und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Gründe des allgemeinen Wohls liegen auch bei Vorhaben zur Deckung dringenden Wohnbedarfs vor. Bei diesen Vorhaben kann nach § 56 Abs. 5 Satz 3 LBO auch in mehreren vergleichbaren Fällen eine Befreiung erteilt werden (dazu: LT-Drs. 11/5337, S. 117).
10 
Die namentliche Nennung des Allgemeinwohlbelangs „Deckung dringenden Wohnbedarfs“ in § 56 Abs. 5 Satz 2 LBO erfolgte durch die am 1. Januar 1996 in Kraft getretene Novellierung der Landesbauordnung durch Gesetz vom 8. August 1995 (GBl. S. 617). § 56 Abs. 5 Satz 2 LBO sollte sich an § 4 Abs. 1a des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466, 473) anlehnen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 11/5337, S. 117). Der dringende Wohnbedarf im Sinne von § 4 Abs. 1a des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch von 1993 wurde so verstanden, dass er nicht auf den Wohnbedarf der Bevölkerung insgesamt oder einer Gemeinde oder eines Gemeindeteils beschränkt war. Ausreichend war auch ein individueller oder individualisierbarer Wohnbedarf. Er war als dringend anzusehen, wenn seine Befriedigung im Baugenehmigungsverfahren, dem die Erteilung der Befreiung diente, und mit der nach Erteilung der Baugenehmigung durchgeführten Maßnahme erfolgen sollte. Dies war nicht nur der Fall, wenn ein Planänderungsverfahren nicht abgewartet werden konnte, sondern auch, wenn zweckmäßigerweise die Entscheidung im Baugenehmigungsverfahren erfolgen sollte (so Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 31 Rn. 71; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 1.2.1994 - 3 S 1455/93 - juris Rn. 3; zu § 4 Abs. 1a Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch 1993: BT-Drs.12/3944; BT-Drs. 12/4317, S. 28; BT-Drs. 12/4340, S. 14; zur Vorgängerregelung in § 4 Abs. 1 Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch: BT-Drs. 11/6636, S. 8 und 25). Dabei ist in Rechtsprechung und Literatur streitig, ob nach der Aufhebung des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch im Jahr 1998 ein dringender Wohnbedarf weiterhin zu einer Befreiung aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB berechtigt (dagegen: Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, BauGB, § 31 Rn. 43; dafür: Reidt in Battis/Krautz-berger/Löhr, BauGB, 13. Aufl., § 31 Rn. 34; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.6.1998 - 8 S 1522/98 - juris Rn. 3).
11 
Diese zu § 4 Abs. 1a des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch von 1993 entwickelte Definition des „dringenden Wohnbedarfs“ kann in Anbetracht der Systematik und des Zwecks von § 56 Abs. 5 LBO nur mit Modifikationen auf den dort enthaltenen Begriff des dringenden Wohnbedarfs übertragen werden. Denn § 56 Abs. 5 LBO dient der Befreiung von baupolizeilichen Vorschriften, wohingegen § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB und § 4 Abs. 1a des Maßnahmen-gesetzes zum Baugesetzbuch von 1993 eine Befreiung von städtebaulichen Festsetzungen ermöglich(t)en, die - anstelle einer Befreiung - einer Planänderung durch die Gemeinde grundsätzlich zugänglich waren und sind. Die Dringlichkeit des Wohnbedarfs kann sich im Rahmen von § 56 Abs. 5 Satz 2 LBO damit nicht danach bemessen, ob und gegebenenfalls wie schnell die von der Befreiung betroffene Norm geändert werden könnte. Ob - wie im Rahmen von § 4 Abs. 1a des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch von 1993 - auch im Rahmen von § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 LBO der dringende Wohnbedarf eines Einzelnen ausreichend ist (so Schlotterbeck in ders./Hager/Busch/Gammerl, LBO, 7. Aufl., § 56 Rn. 57; Sauter, LBO, § 56 Rn. 43; Söfker in Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 31 Rn. 71) oder ob bei einem nur individuellen Wohnbedarf auf eine Befreiung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LBO wegen im Einzelfall vorliegender Härtegründe verwiesen werden muss, kann hier offen bleiben. Denn die Antragsgegnerin hat die hier gegenständliche Befreiung allein mit einem allgemeinen Wohnbedarf begründet.
12 
Dringender Wohnbedarf liegt jedenfalls vor, wenn für die Bevölkerung im Bereich einer Gemeinde, die - wie die Antragsgegnerin - zugleich die zuständige untere Baurechtsbehörde ist, kein ausreichender Wohnraum vorhanden ist, weil die Nachfrage das Angebot längerfristig übersteigt (dazu: einen Wohnbedarf allein „innerhalb des Gemeindegebiets“ für maßgeblich haltend: BayVGH, Urteil vom 30.7.2007 - 15 N 06.741 - juris Rn. 36 zu § 1 Abs. 1 Satz 1 des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch von 1990 und 1993; dagegen VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.6.1998 - 8 S 1522/98 - juris Rn. 4 zu § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB und § 4 Abs. 1a des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch von 1993, der auch den Raum um eine Gemeinde in die Betrachtung einbezieht). Dabei sind der Bestand an Wohnungen sowie die bestehenden Baumöglichkeiten und Baulandausweisungen zu berücksichtigen (vgl. Sauter, LBO, § 56 Rn. 43). Das Bestehen eines Wohnbedarfs ist durch konkrete Tatsachen nachzuweisen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 22.10.1991 - 5 S 2348/91 - juris Rn. 3).
13 
Der Wohnbedarf wird durch ein Vorhaben insbesondere dann gedeckt, wenn neuer Wohnraum geschaffen wird. Die bloße Verbesserung des Wohnkomforts einer vorhandenen Wohnung genügt nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8.4.1992 - 3 S 2585/91 - juris Rn. 28; Beschluss vom 1.2.1994 – 3 S 1455/93 - juris Rn. 5; Schlotterbeck in ders./Hager/Busch/Gammerl, LBO, 7. Aufl., § 56 Rn. 57; Söfker in Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 31 Rn. 71).
14 
Gründe des allgemeinen Wohls „erfordern“ eine Befreiung nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf keine andere Weise als durch Befreiung entsprochen werden könnte, sondern schon dann, wenn es zur Verwirklichung des jeweiligen öffentlichen Interesses vernünftigerweise geboten ist, das Vorhaben mit Hilfe der Befreiung zu verwirklichen (vgl. Schlotterbeck in ders./Hager/Busch/Gammerl, LBO, 7. Aufl., § 56 Rn. 58; Sauter, § 56 Rn. 46; zu § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB: BVerwG, Urteile vom 18.11.2010 - 4 C 10/09 - BVerwGE 138, 166 - juris Rn. 26 und vom 9.6.1978 - IV C 54.75 - BVerwGE 56, 71 - juris Rn. 19 ff.; Beschlüsse vom 5.2.2004 - 4 B 110/03 - juris Rn. 6 und vom 6.3.1996 - 4 B 184/95 - juris Rn. 6; zu § 37 Abs. 1 BauGB: BVerwG, Beschluss vom 16.7.1981 - 4 B 96/81 - juris Rn. 4; die Begründung des Entwurfs der Landesbauordnung von 1995 zu § 56 Abs. 5 verweist auf einen Beschluss des VGH Bad.-Württ. vom 21.1.1992 - 3 S 2677/91 - juris Rn. 5, der für § 31 Abs. 2 BauGB der Definition des BVerwG folgt; dagegen bzgl. § 56 Abs. 5 LBO wohl auf ein „Stehen und Fallen“ abstellend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.3.2009 - 3 S 1953/07 - juris Rn. 42).
15 
Erfordert die Deckung dringenden Wohnbedarfs als Grund des Wohls der Allgemeinheit eine Befreiung, liegt die erforderliche Besonderheit des Einzelfalls (Atypik) grundsätzlich in dem festgestellten Sonderinteresse. Die Befreiungsmöglichkeit ist dann nicht auf den Einzelfall beschränkt. Vielmehr kann eine Befreiung nach § 56 Abs. 5 Satz 3 LBO auch in mehreren vergleichbaren Fällen erfolgen (vgl. LT-Drs. 11/5337, S. 117; zu § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB: VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 20.1.1992 - 3 S 2677/91 - juris Rn. 7 und vom 25.5.1992 - 5 S 2775/91 - juris Rn. 23).
16 
Allerdings müssen die Gründe des allgemeinen Wohls, welche eine Befreiung erfordern, mit anderen öffentlichen Belangen unter Würdigung der nachbarlichen Interessen abgewogen werden. Dabei ist maßgebend, in welchem Umfang und in welcher Intensität der Nachbar von dem Vorhaben selbst oder von dessen Folgewirkungen beeinträchtigt werden kann (vgl. Sauter, LBO, § 56 Rn. 47). Das Vorhaben darf hinsichtlich des Nachbarn das in § 56 Abs. 5 Satz 1 LBO verankerte Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzen (vgl. Schlotterbeck in ders./Hager/Busch/Gammerl, LBO, 7. Aufl., § 56 Rn. 65). Dabei sind alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere die tatsächliche und rechtliche Vorbelastung der Grundstücke, die tatsächliche und rechtliche Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie die Art und Intensität aller in Betracht kommenden bauordnungsrechtlichen relevanten Nachteile zu beurteilen (entsprechend zum bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.11.2007 - 3 S 1923/07 - juris Rn. 3). Nachbarliche Interessen stehen einer Befreiung unter anderem dann nicht entgegen, wenn sich eine Beeinträchtigung nur dadurch ergibt, dass der Nachbar auf seinem Grundstück einen nicht genehmigungsfähigen baurechtswidrigen Zustand geschaffen hat (vgl. Sauter, LBO, § 56 Rn. 53). Das Gebot zur Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach § 3 Abs. 1 LBO ist jedoch in jedem Fall zu beachten.
17 
(2) Ausgehend von diesen Maßstäben liegen nach summarischer Prüfung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 LBO für eine Befreiung von § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO vor.
18 
(a) Die Antragsgegnerin, die hier als Große Kreisstadt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 und § 19 LVG und § 46 Abs. 1 Nr. 3 und § 48 Abs. 1 LBO sowie § 3 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG die sachlich und örtlich zuständige Baurechtsbehörde ist, ist aller Voraussicht nach zu Recht davon ausgegangen, dass bezüglich des Vorhabens der Beigeladenen Gründe des allgemeinen Wohls in der Gestalt der Deckung dringenden Wohnbedarfs gegeben sind. Die vorliegenden Erkenntnisse tragen jedenfalls für das Eilverfahren die Annahme, dass im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin - der Stadt Nagold - die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot längerfristig übersteigt. Dies ergibt sich aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Aufstellungen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg. Danach betrug die Einwohnerzahl der Stadt Nagold am 31. Dezember 2014 noch 21.470. Nach der vom Statistischen Landesamt prognostizierten voraussichtlichen Entwicklung sollte die Einwohnerzahl in der Hauptvariante bis zum Jahr 2024 auf 22.389 Einwohner ansteigen (vgl. Anlage AG 09). Tatsächlich betrug die Einwohnerzahl jedoch bereits zum 31. Dezember 2016 schon 22.549 Einwohner (vgl. Anlage AG 10), sie war also schon innerhalb von zwei Jahren stärker gestiegen als noch im Jahr 2014 für einen Zehnjahreszeitraum prognostiziert. Auch wenn die Entwicklung der Einwohnerzahl allein nicht ausreicht, um eine gestiegene Nachfrage nach Wohnraum zu begründen, ist sie doch ein Indiz hierfür. Als weiteres Anzeichen für eine gestiegene Nachfrage nach Wohnraum konnte von der Antragsgegnerin der Anstieg der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten herangeführt werden, die von 10.523 im Jahr 2014 auf 10.808 im Jahr 2016 gestiegen ist (vgl. Anlage AG 11). Da anzunehmen ist, dass die meisten der in Nagold beschäftigten Personen auch im Gebiet der Gemeinde leben oder es zumindest beabsichtigen, ist diese Zahl auch für die Ermittlung des Wohnbedarfs von Bedeutung. Betrachtet man die Entwicklung der Bevölkerungszahl und der Beschäftigtenzahl zusammen, wird deutlich, dass in Nagold bei einem Vergleich der Jahre 2014 und 2016 mehr Menschen leben und arbeiten, dass mithin zwischenzeitlich mehr Erwachsene vorhanden sind, die typischerweise eigenen Wohnraum für sich und ihre Familie benötigen. Bestätigt wird die Nachfrage nach Wohnraum auch durch die Angaben der Antragsgegnerin über die Anzahl der Bewerber für Bauplätze, die von ihr in letzter Zeit vergeben wurden (vgl. S. 10 des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 22. November 2017). Danach überstieg die Zahl der Bewerber für einen Bauplatz um ein Vielfaches die Zahl der angebotenen Bauplätze.
19 
Zur Deckung dieses dringenden Wohnbedarfs trägt das Vorhaben der Beigeladenen bei. Es werden drei Wohneinheiten geschaffen werden, die aufgrund des vorhandenen Aufzugs auch den Bedarf nach einem altersgerechten, innenstadtnahen Wohnen decken können.
20 
Das Vorbringen des Antragstellers gegen den damit von der Antragsgegnerin belegten dringenden Wohnbedarf greift nicht durch. Soweit er behauptet, in Nagold hätten zum 30. Juni 2012 bereits 22.500 Einwohner gelebt, wurde diese durch nichts nachgewiesene Behauptung von der Antragsgegnerin widerlegt. Ausweislich der von ihr vorgelegten Statistik betrug zum 30. Juni 2012 die Einwohnerzahl 21.716 (vgl. Anlage AG 15). Weiter hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass die vom Antragsteller geforderten Angaben über die Wohnungszahl und deren Entwicklung sowie die Entwicklung der Zahlen der erteilten Baugenehmigungen wenig über die Nachfrage nach Wohnraum aussagten. Denn die Wohnungszahl betrifft allein den Bestand an Wohnungen. Die Anzahl der Baugenehmigungen ist durch das Vorhandensein von Bauland begrenzt.
21 
Auch wird der von der Antragsgegnerin hinreichend begründete dringende Bedarf an Wohnraum nicht durch den Umstand widerlegt, dass die Stadt Nagold nicht in die Kündigungssperrfristverordnung Baden-Württemberg vom 9. Juni 2015 (GBl. S. 346) aufgenommen wurde. Denn diese auf § 577a Abs. 2 Satz 1 BGB beruhende Norm dient zwar der Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen. Allerdings will sie vor allem die Angemessenheit der Mietbedingungen sichern. Hierzu ermöglicht § 577a Abs. 2 Satz 1 BGB die Verlängerung der bereits nach § 577a Abs. 1 BGB geltenden Sperrfrist für Kündigungen nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB insbesondere in Fällen, in denen eine vermietete Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wurde. Ob sich das Land mit Blick auf eine Gemeinde für eine solche weitere Beschränkung des Eigentumsrechts der Vermieter entscheidet, unterliegt dem Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum der Landesregierung als Verordnungsgeber (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 9.11.2004 - 5 K 2058/03 - juris Rn. 29). Wurde eine Gemeinde nicht in die Verordnung einbezogen, schließt dies die Annahme eines dringenden Wohnbedarfs nicht aus.
22 
Entsprechendes gilt hinsichtlich des vom Antragsteller vorgebrachten Umstands, dass die Antragsgegnerin nicht in die aufgrund von § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB von der Landesregierung erlassene Kappungsgrenzenverordnung Baden-Württemberg vom 9. Juni 2015 (GBl. S. 346) aufgenommen wurde. Auch widerlegt das Fehlen einer Satzung nach § 2 des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes (ZwEWG) vom 19. Dezember 2013 (GBl. S. 484) nicht den von der Antragsgegnerin hinreichend dargelegten dringenden Wohnbedarf im Sinne von § 56 Abs. 5 Satz 2 LBO. Denn eine Gemeinde kann dieses sozial- und wohnungspolitisch begründete Instrument der Eigentumsbeschränkung nur ergreifen, soweit sie einem Wohnraummangel nicht mit anderen zumutbaren Mitteln in angemessener Zeit begegnen kann (vgl. § 1 ZwEWG und Senatsbeschluss vom 26.1.2017 - 5 S 1791/16 - juris Rn. 23).
23 
(b) Die Antragsgegnerin hat aller Voraussicht nach auch zu Recht angenommen, dass die Deckung dringenden Wohnbedarfs hier die Abweichung von der Pflicht zur Einhaltung von Abstandsflächen im Verhältnis zum Grundstück des Antragstellers „erfordert“. Die Abweichung ist hier vernünftigerweise geboten, um drei Wohneinheiten zu schaffen. Denn bei Beachtung der regelmäßig zu beachtenden Tiefe der Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO von 0,4 der Wandhöhe oder auch nur der Mindesttiefe von 2,5 m nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO wäre das Grundstück mit Wohnraum nicht zumutbar bebaubar. Das Grundstück zeichnet sich dadurch aus, dass es von der Straße aus gesehen nach links „verschwenkt“ und zudem im Verlauf nach hinten zunächst etwas breiter und dann wieder enger wird. Nach Angaben der Antragsgegnerin, die Blick auf den mit dem Baugesuch eingereichten Übersichtsplan plausibel sind, weist das Grundstück der Beigeladenen unmittelbar an der xxxstraße eine Breite von 9,20 m auf. Im weiteren Verlauf nach hinten wird es dann zwar zunächst etwas breiter (etwa 10,50 m). Am hinteren Ende ist es dann allerdings wieder nur 9,65 m breit. Würde das Gebäude an die Straße angebaut und müsste es die mindestens erforderliche Tiefe der Abstandsflächen von 2,5 m zu beiden seitlichen Grenzen einhalten, hätte der entstehende Raum unter Berücksichtigung der Breite des Mauerwerks von zweimal je 0,35 m eine lichte Breite von nur 3,5 m. Im hinteren Bereich hätte das Gebäude eine lichte Breite von 3,95 m. Die Schaffung von zumutbarem Wohnraum wäre bei Beachtung dieser Vorgaben nicht möglich.
24 
(c) Die Abweichung von den nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO gebotenen Abstandsflächen ist hier auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Das Vorhaben verletzt nicht das in § 56 Abs. 5 Satz 1 LBO verankerte Rücksichtnahmegebot zulasten des Antragstellers. Insbesondere wird das Grundstück des Antragstellers im Hinblick auf Belichtung, Besonnung und Belüftung durch das Bauvorhaben nicht unzumutbar belastet. Dabei ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, dass das Grundstück des Antragstellers nur eingeschränkt schutzwürdig und in tatsächlicher Hinsicht vorbelastet ist. Zudem kommt den durch § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO geschützten Belangen hier auch deshalb nur geringes Gewicht zu, weil eine Ausnahme nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO allein wegen der fehlenden „öffentlich-rechtlichen Sicherung“ ausscheidet, dass auf dem Grundstück des Antragstellers ebenfalls im Sinne dieser Vorschrift „an die Grenze gebaut“ wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris Rn. 26 f.; Urteil vom 2.6.2015 - 8 S 1914/14 - juris Rn. 49 ff.). Dagegen darf hier - wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat - bauplanungsrechtlich „an die Grenze gebaut werden“. Diese der Verwirklichung des Vorrangs des Bauplanungsrechts dienende Voraus-setzung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO ist im Hinblick auf das Vorhaben der Beigeladenen somit erfüllt.
25 
(aa) Zwar entsteht auf der Grenze zwischen den Grundstücken der Beigeladenen und des Antragstellers mit dem Bauvorhaben der Beigeladenen ein Wohngebäude mit einer Länge von 15,85 m und einer Höhe von 13,03 m. Dem schließt sich auf dem hinteren Bereich der Grenze ein als Garage genutzter Gebäudeteil mit einer Länge von 2,51 m und einer Höhe von 3,34 m an. Dies stellt eine nicht unerhebliche Belastung des Grundstücks des Antragstellers dar. Jedoch bleibt ausgehend von den Erkenntnismöglichkeiten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes eine zumutbare Belichtung, Besonnung und Belüftung des Grundstücks des Antragstellers gewahrt.
26 
Im Hinblick auf die im Erdgeschoss des Gebäudes des Antragstellers gelegenen Werkstatträume, bei denen es sich um Aufenthaltsräume im Sinne von § 2 Abs. 7 und § 34 Abs. 2 LBO handelt, ist auch bei Verwirklichung des Bauvorhabens der Beigeladenen noch von einer hinreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung auszugehen. Die zur Seite des Bauvorhabens der Beigeladenen gelegenen Fensterflächen, die bereits durch die nördlich und südlich davon gelegenen Gebäudeteile des Antragstellers in ihrer Belichtungs- und Belüftungsfunktion eingeschränkt sind, werden durch die Grenzbebauung der Beigeladenen nicht unzumutbar in ihrer Funktionstauglichkeit zur Belichtung und Belüftung der Werkstatträume des Antragstellers beeinträchtigt. Denn die Fenster befinden sich in einem Abstand von 1,70 bis 2,25 m zur auf der Grenze geplanten Wand des Gebäudes der Beigeladenen. Die von § 34 Abs. 2 Satz 2 LBO gestellten Anforderungen für die Anzahl der notwendigen Fenster bleiben damit im Wesentlichen gewahrt.
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Soweit der Antragsteller angibt, die nach seinen Angaben deutlich über 100 qm große Werkstatt verfüge lediglich über eine Fensterfläche von 6,24 qm, wovon sich eine Fläche von 2,94 qm auf der zum Baugrundstück gelegenen Seite befinde, ist sein Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat nämlich - vom Antragsteller unwidersprochen - vorgebracht, auf der zum Baugrundstück gelegenen Seite des Gebäudes des Antragstellers befänden sich nicht nur drei Fenster (zu je 1,41 x 0,70 m), sondern insgesamt fünf Fenster (vier Fenster zu 1,41 x 0,70 m und ein Fenster zu 0,58 x 1,15 m) mit einer Fläche von insgesamt 4,62 qm. Dafür, dass das Vorbringen der Antragsgegnerin insoweit zutreffend ist, spricht auch der vom Antragsteller als Anlage K 21 vorgelegte Grundriss seines Erdgeschosses. Zudem befinden sich in der westlichen Wand des hinteren Werkstattraumes des Gebäudes des Antragstellers Fenster, deren Größe von ihm mit je 1,77 x 0,95 m angegeben (insgesamt 3,36 qm) wird. Nach den vom Antragsteller unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin müsste die Fläche der beiden Fenster entsprechend der zum Baugesuch vom 13. Mai 1966 eingereichten Pläne allerdings größer sein und sogar jeweils 2 x 2 m betragen (vgl. Bautagebuch Nr. 91/66), wobei sie aufgrund der nachträglichen Baugenehmigung vom 23. Mai 1966 mit Glasbausteinen geschlossen werden dürfen, was aber - dies ist den Angaben des Antragstellers zu entnehmen - offenbar nicht geschehen ist, weil sich dort Fenster befinden sollen. Des Weiteren gibt es an der nördlichen Wand des Werkstattraumes eine Fensteröffnung von 1,95 x 1,13 m (2,20 qm), die mit Glasbausteinen verschlossen ist, aber ebenfalls Licht einlässt. Bezüglich dieser Öffnungen in den nördlich und westlich gelegenen grenzständischen Wänden des hinteren Werkstattbaus bestimmt allerdings die nachträgliche Baugenehmigung vom 23. Mai 1966, dass kein Rechtsanspruch auf das Bestehenbleiben der widerruflich zugelassenen Glasbausteine erhoben werden könne, wenn ein Grundstücksnachbar ein Bauvorhaben dort auf der Grenze erstelle. Gleichwohl ist für das vorliegende Verfahren vom derzeit bestehenden Zustand auszugehen. Damit wird der hintere Werkstattbereich zur Zeit jedenfalls mit Öffnungen mit einer Fläche von insgesamt 10,18 qm mit Licht versorgt und könnte ausgehend von der nachträglichen Baugenehmigung vom 23. Mai 1966 sogar über Lichtöffnungen mit einer Fläche von 14,82 qm verfügen. Die vorhandenen sieben Fenster lassen außerdem eine Belüftung zu.
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Hinsichtlich der im 1. Obergeschoss errichteten Wohnräume – insbesondere des Kinderzimmers und des Badezimmers – beeinträchtigt die von den Beigeladenen beabsichtigte Grenzbebauung voraussichtlich ebenfalls nicht unzumutbar die Versorgung mit Licht, Sonne und Luft. Denn die Grenzbebauung der Beigeladenen findet sich im Osten des Gebäudes des Antragstellers und nimmt diesem lediglich die „Morgensonne“. Zudem wahrt die an dieser Seite des Gebäudes des Antragstellers gelegene Giebelwand zumindest einen Abstand von 1,70 bis zu 2,25 m zur Grenze zum Grundstück der Beigeladenen. Nach Süden zur xxxstraße hin erweitertet sich der Abstand dieser Giebelwand zum Grundstück der Beigeladenen über dem als Abstellraum oder Garage genutzten Gebäudeteil auf 3,48 m (vgl. den als Anlage K 21 vom Antragsteller vorgelegte Grundriss). Daraus ergibt sich für die genannten Fenster im Kinderzimmer und im Badezimmer ein nach Süden größer werdender Zugang zu Licht und Luft.
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Entsprechendes gilt für die im Dachgeschoss befindlichen beiden Wohnräume des Antragstellers, die auf der zum Grundstück der Beigeladenen gerichteten Gebäudeseite liegen und ausweislich des Grundrissplanes jeweils über ein 0,77 x 1,00 m großes Fenster verfügen (vgl. Anlage K 23).
30 
(bb) Die Schutzwürdigkeit des Grundstücks des Antragstellers ist dadurch reduziert, dass das darauf befindliche Gebäude selbst nicht die nach § 5 Abs. 1 und 7 LBO erforderliche Tiefe der Abstandsflächen wahrt. Das Hauptgebäude des Antragstellers hält zur Grenze zum Grundstück der Beigeladenen in weiten Teilen noch nicht einmal die nach § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO aktuell gebotenen Mindesttiefe von 2,50 m ein. Der Abstand des Gebäudes des Antragstellers zur Grundstücksgrenze beträgt in deren mittlerem Bereich nur 1,7 bis 2,25 m. Darüber hinaus wurden vom Rechtsvorgänger des Antragstellers zwei nicht nach § 6 Abs. 1 LBO privilegierte Gebäudeteile unmittelbar auf der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen errichtet. So findet sich im vorderen Bereich über die Länge von 6 m ein als Abstellraum oder Garage genutzter Raum, der eine Höhe von 3,6 m aufweist. Bei der Errichtung dieses Gebäudeteils war offenbar nach § 5 Abs. 1 der damals gültigen Ortsbausatzung ein Mindestabstand von 2 m einzuhalten (vgl. die Gutachterliche Äußerung des Ortsbautechnikers vom 24.5.1950, Bautagebuch Nr. 27/50). Von deren Einhaltung wurde der Rechtsvorgänger des Antragstellers in der Baugenehmigung vom 26. Mai 1950 befreit. Auch im hinteren Bereich wurde ein als Werkstatt genutztes Gebäudeteil des Antragstellers auf der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen errichtet, und zwar über eine Länge von 3,51 m mit einer Höhe von 3,30 m. Auch insoweit wurde der Rechtsvorgänger des Antragstellers in der Baugenehmigung vom 10. September 1965 von der Beachtung der damals gültigen Grenzabstandsvorschrift in § 7 LBO befreit (vgl. das Bautagebuch Nr. 38/65). Der Umstand, dass für das Gebäude des Antragstellers selbst Befreiungen von Grenzabstandsregelungen erteilt wurden, reduziert die im Rahmen der Prüfung des bauordnungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots einzustellende Schutzwürdigkeit seines Gebäudes weiter.
31 
Auf die Nutzung der Terrasse, die sich auf dem Dach des im vorderen Bereich gelegenen Grenzbaus befindet, kann sich der Antragsteller zur Begründung einer bauordnungsrechtlichen Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen aller Voraussicht nach nicht berufen. Dies ist ausgeschlossen, wenn sie baurechtlich nicht genehmigt ist (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.11.2004 - 8 S 1870/04 - juris Rn. 3). Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren vorgebracht, die Dachterrasse sei baurechtlich nicht genehmigt und in der derzeitigen Ausgestaltung auch nicht genehmigungsfähig. Dies ist plausibel, weil sich in den vorgelegten, das Grundstück des Antragstellers betreffenden Bauakten kein Vorgang hierzu findet. Vielmehr hat der Antragsteller das Vorbringen der Antragsgegnerin unwidersprochen gelassen.
32 
Darüber hinaus war das auf dem Grundstück des Antragstellers errichtete Gebäude in tatsächlicher Hinsicht bereits vorbelastet. Denn auf dem Grundstück der Beigeladenen befand sich bis vor Kurzem ein altes Wohnhaus, das - nach Angaben der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren - vermutlich über 100 Jahre alt gewesen sei. Dieses Bauwerk war nahezu auf die Grenze zum Grundstück der Antragsteller gebaut, mit einem Abstand von etwa 20 bis 80 cm. Entlang der Grenze zum Grundstück des Antragstellers befand sich eine Gebäudeaußenwand mit einer Länge von 10,73 m, einer Traufhöhe von etwa 5,50 m und einer Firsthöhe von 11,08 m. Bereits durch dieses Gebäude war die Belichtung, Besonnung und Belüftung des Grundstücks des Antragstellers eingeschränkt (vgl. die als Anlage AG 08 vorgelegten Lichtbilder und die dreidimensionalen Graphiken, vorgelegt als Anlage AG 02 bis 06.4). Auf diese Situation hat sich der Rechtsvorgänger des Antragstellers bei seinen baulichen Maßnahmen eingelassen. Durch das geplante Bauvorhaben der Beigeladenen, das über eine Länge von 15,85 m eine Höhe von 13,03 m erreichen soll, wird der Zustand auf dem Grundstück der Antragsteller im Vergleich zur vorher gegebenen Lage im Hinblick auf die Belichtung, Besonnung und Belüftung nicht in einer Weise verschlechtert, die als unzumutbar zu qualifizieren wäre. Dies gilt insbesondere für die im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss befindlichen Zimmer, weil beide Stockwerke zusammen eine Höhe von 6,20 m erreichen und damit in etwa die gleiche Höhe aufweisen wie die Außenwand des früher auf dem Grundstück der Beigeladenen gelegenen Gebäudes. Hinsichtlich der beiden im Dachgeschoss des Wohnhauses des Antragstellers gelegenen Räume ist die Veränderung im Vergleich zum früher gegeben Zustand zwar stärker als für die unteren Geschosse. Sie ist aber angesichts der geringeren Schutzwürdigkeit des Gebäudes des Antragstellers und der noch vorhandenen Belichtung und Belüftung noch nicht unzumutbar.
33 
Auf die vom Antragsteller geltend gemachte „erdrückende Wirkung“ des Vorhabens kommt es bei der Bewertung der nachbarlichen Interessen aus bauordnungsrechtlicher Sicht nicht an. Dieser Belang wird vom Schutzbereich der §§ 5 ff. LBO nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.11.2007 - 3 S 1923/07 - juris Rn. 5).
34 
Schließlich ist im Rahmen der hier zu treffenden Abwägung auch der Einwand des Antragstellers unerheblich, dass der Wert seines Grundstücks durch das Bauvorhaben maßgeblich gemindert würde. Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden. Nur soweit, wie ein Nachbar aus städtebaulichen oder bauordnungsrechtlichen Gründen Rücksichtnahme verlangen kann, schlägt auch der Gesichtspunkt der Wertminderung zu Buche (zum Städtebaurecht: BVerwG, Beschluss vom 13.11.1997 - 4 B 195.97 - juris Rn. 6; Senatsurteil vom 29.10.2003 - 5 S 138/03 - juris Rn. 37).
35 
cc) Die von der Antragsgegnerin getroffene Ermessensentscheidung nach § 56 Abs. 5 Satz 1 LBO ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ermessensfehler im Sinne von § 40 LVwVfG sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Entscheidungen die nach § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 LBO einzustellenden Belange des Antragstellers und der Beigeladenen sowie die Deckung eines dringenden Wohnbedarfs als Grund des allgemeinen Wohls jeweils und im Verhältnis zueinander hinreichend in ihre Entscheidung einbezogen.
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b) Ausgehend von den Erkenntnismöglichkeiten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist nicht feststellbar, dass das Bauvorhaben das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verletzt. Einen über das Gebot der Rücksichtnahme hinausgehenden nach-barschützenden Gehalt besitzt § 34 Abs. 1 BauGB nicht (vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl., Vor §§ 29-38 Rn. 69).
37 
aa) Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann vorliegen, wenn sich ein Vorhaben entgegen § 34 Abs. 1 BauGB nach den dort genannten Merkmalen nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Maßgebend für den Verstoß gegen Rechte eines Nachbarn ist insoweit, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.3.2015 - 4 C 12/14 - juris Rn. 11). Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dabei ist das Gebot der Rücksichtnahme nicht schon dann verletzt, wenn eine dem Nachbarn günstigere bauliche Lösung möglich ist. Andererseits setzt ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auch nicht voraus, dass der Nachbar schwer und unerträglich betroffen ist (vgl. Senatsurteil vom 17.4.2013 - 5 S 3140/11 - juris Rn. 55).
38 
Im Hinblick auf eine möglicherweise erdrückende Wirkung liegt eine Verletzung des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots vor, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird. Eine erdrückende Wirkung liegt danach nicht schon dann vor, wenn die bisherigen Verhältnisse durch eine bauliche Verdichtung geändert werden. Vielmehr muss von dem Vorhaben aufgrund der Massivität und Lage eine qualifizierte handgreifliche Störung auf das Nachbargrundstück ausgehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 2.6.2015 - 8 S 1914/14 - juris Rn. 64; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.12.2011 - 2 M 162/11 - juris Rn. 11).
39 
bb) Eine solche rücksichtslose Wirkung hat das Bauvorhaben der Beigeladenen auf das Gebäude des Antragstellers aller Voraussicht nach nicht. Die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe der Baukörper des Bauvorhabens und des Wohnhauses des Antragstellers unterscheiden sich nicht erheblich (vgl. BayVGH, Beschluss vom 17.7.2013 - 14 ZB 12.1153 - juris Rn. 14). Das Bauvorhaben soll vier Vollgeschosse erhalten. Das Wohnhaus des Antragstellers bleibt dahinter nicht wesentlich zurück. Es weist jedenfalls zwei Vollgeschosse, ein Dachgeschoss, das möglicherweise ebenfalls ein Vollgeschoss im Sinne von § 20 Abs. 1 BauNVO und § 2 Abs. 6 LBO ist, sowie einen Dachboden auf. Die Fristhöhe des Gebäudes des Antragstellers beträgt rund 11 m wohingegen das Bauvorhaben eine Höhe von rund 13 m erreichen soll. Auch in der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, die vom Verwaltungsgericht mit den Erkenntnismitteln des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zutreffend bestimmt wurde, befinden sich Gebäude mit vergleichbarer Zahl der Vollgeschosse und vergleichbaren oder höheren Firsthöhen als der des Bauvorhabens der Beigeladenen (vgl. zur Bestimmung der näheren Umgebung S. 10 der angegriffenen Entscheidung, die vorgelegten Lichtbilder AG 01, die als Anlage AG 07 vorgelegte Karte des Stadtplanungsamts der Antragsgegnerin mit First- und Traufhöhen sowie die als Anlagen AG 02 bis 06.4 vorgelegten dreidimensionalen graphischen Darstellungen).
40 
Auch der Umstand, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen unmittelbar auf der Grenze zum Grundstück der Antragsteller errichtet werden soll, ist - wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat - in der maßgeblichen näheren Umgebung nicht ungewöhnlich. Vielmehr ist das Grundstück des Antragstellers durch die in der Umgebung befindliche uneinheitliche, aber verdichtete Bauweise geprägt. Danach dürfte sich auch die geplante Grenzbebauung in den Rahmen der umgebenden Bauweise einfügen.
41 
Soweit es das Verwaltungsgericht schließlich für im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für offen befunden hat, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen für die auf dem als Abstellraum oder Garage genutzten Gebäudeteil befindliche Dachterrasse erdrückende Wirkung haben könnte, kann dem nach dem Vorbringen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht gefolgt werden. So war die Frage, ob das Interesse des Antragstellers an der Nutzung der Dachterrasse vermindert schutzwürdig ist, für das Verwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht aufklärbar. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Schutzwürdigkeit des Nutzungsinteresses an der Dachterrasse wäre eingeschränkt, wenn sie unter Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften errichtet worden wäre. Wie oben bereits ausgeführt, ist nach dem im Beschwerdeverfahren erreichten Erkenntnisstand davon auszugehen, dass die Nutzung der Dachterrasse formell und möglicherweise auch materiell baurechtswidrig ist.
42 
Soweit der Antragsteller geltend macht, das Bauvorhaben bewirke eine Wertminderung seines Grundstücks, genügt dies für sich genommen nicht, um eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu begründen (s.o.).
43 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht hier nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Antragsteller aufzuerlegen. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und auch das Verfahren nicht wesentlich gefördert (vgl. dazu: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.1.2011 - 8 S 2567/10 - juris Rn. 6 ff.).
44 
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, bei § 163). Der Senat hält in Anwendung des Rahmenvorschlags der Nr. 9.7.1 das Interesse des Antragstellers in der Hauptsache mit einem „mittleren“ Wert von 10.000 Euro für angemessen erfasst (vgl. Senatsbeschluss vom 3.9.2014 - 5 S 804/14 - juris Rn. 10). Denn vom „Normalfall“ abweichende Umstände, die eine höhere oder geringere Bewertung des Interesses an der Abwehr der geltend gemachten Beeinträchtigungen rechtfertigten, liegen nicht vor.
45 
Eine Reduktion nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs war entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht vorzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes des Nachbarn nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben wird, weil insofern die Entscheidung in der Sache faktisch vorweggenommen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Baunachbar nicht oder nicht allein gegen die Auswirkungen der zukünftigen Nutzung des Nachbargrundstücks, sondern - wie hier der Antragsteller - gegen die Auswirkungen zur Wehr setzt, die mit dem Baukörper selbst verbunden sind, und einen vorläufigen Stopp dessen Errichtung begehrt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 27.1.2016 - 3 S 2660/15 - juris Rn. 11, vom 29.3.2017 - 5 S 1389/16 - juris Rn. 26 und vom 13.8.2014 - 8 S 979/14 - juris Rn. 7).
46 
Der Streitwert des Ausgangsverfahrens ist - nach Anhörung der Beteiligten des Beschwerdeverfahrens sowie des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren - von Amts wegen entsprechend zu ändern (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 67


(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde 1. auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,2. auf Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 147


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 558 Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete


(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen kann fr

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 2 Kleinsiedlungsgebiete


(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. (2) Zulässig sind 1. Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebä

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters


(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen. (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des

Baugesetzbuch - BBauG | § 212a Entfall der aufschiebenden Wirkung


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung. (2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absa

Baugesetzbuch - BBauG | § 4 Beteiligung der Behörden


(1) Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, sind entsprechend § 3 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu unterrichten und zur Äußerung auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 20 Vollgeschosse, Geschossflächenzahl, Geschossfläche


(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden. (2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche i

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 577a Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung


(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf vo

Baugesetzbuch - BBauG | § 37 Bauliche Maßnahmen des Bundes und der Länder


(1) Macht die besondere öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des Bundes oder eines Landes erforderlich, von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften abzuweichen oder ist das Einvern

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 20. Jan. 2011 - 8 S 2567/10

bei uns veröffentlicht am 20.01.2011

Tenor Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. Oktober 2010 - 5 K 1991/10 - wird zurückgewiesen.Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtliche

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 18. Nov. 2010 - 4 C 10/09

bei uns veröffentlicht am 18.11.2010

Tatbestand 1 Die Klägerin ist eine als eingetragener Verein organisierte Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche. Im Jahre 1994 beantragte sie die Erteilung einer Ba

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 11. März 2009 - 3 S 1953/07

bei uns veröffentlicht am 11.03.2009

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 7. Juli 2006 - 4 K 94/05 - wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 08. Nov. 2007 - 3 S 1923/07

bei uns veröffentlicht am 08.11.2007

Tenor Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2007 - 2 K 3669/07 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte B

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 25. Nov. 2004 - 8 S 1870/04

bei uns veröffentlicht am 25.11.2004

Tenor Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2004 - 16 K 1272/04 - mit Ausnahme der Streitwertentscheidung geändert. Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehn

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 09. Nov. 2004 - 5 K 2058/03

bei uns veröffentlicht am 09.11.2004

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, die Beigeladene trägt ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst. Tatbestand   1  Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Einbeziehung der Stadt

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2013 - 6 K 331/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks FIst.Nr. ... (...) in S..., das mit seiner Westseite an die Straße „...“ grenzt. Die Beigeladene ist Eigentümerin des auf der gegenüber liegenden Seite der Straße befindlichen Grundstücks FIst.Nr. ... (...), das ebenfalls mit einem Wohnhaus sowie einer Garage sowie einem Carport bebaut ist. Die Beigeladene betreibt auf ihrem Grundstück einen Automobilhandel.
Die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Halberstung“ der Gemeinde S... vom 13.9.1989, der für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet (WA) festsetzt. Nach § 2 Nr. 2 der Bebauungsvorschriften zum Bebauungsplan sind die in § 4 BauNVO vorgesehenen Ausnahmen, „insbesondere sonstige nicht störende Gewerbebetriebe“ Bestandteil des Bebauungsplans.
Mit Schreiben vom 3.2.2011 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Stellplatzes als Verkaufsfläche für einen Autohandel auf ihrem Grundstück. In dem ihrem Bauantrag beigefügten Schreiben der Beigeladenen vom 31.1.2011 heißt es, dass sie jährlich nicht mehr als zwölf Fahrzeuge verkaufe und dauerhaft nicht mehr als ein Fahrzeug den Stellplatz belegen werde. Ferner würden an den Fahrzeugen keinerlei Reparaturen bzw. Wartungsarbeiten auf dem Grundstück durchgeführt. Der Stellplatz diene allein als Park- bzw. Verkaufsfläche.
Gegen das Vorhaben erhob der Kläger am 4.3.2011 Einwendungen, die er damit begründete, dass in einem allgemeinen Wohngebiet ein Autohandel nicht genehmigungsfähig sei. Die zum Verkauf vorgesehenen Fahrzeuge würden zwar auf dem Grundstück der Beigeladenen abgestellt, jedoch könnten hierdurch die Privatfahrzeuge nicht mehr auf dem Grundstück parken, sondern müssten auf der Straße abgestellt werden. Die hierdurch für die Anlieger entstehenden Belastungen bis hin zum eingeschränkten Winterdienst seien nicht zumutbar. Der Umfang des Autohandels könne praktisch nur sehr schwer nachgewiesen werden. Die Einhaltung möglicher Auflagen werde nicht überwacht.
Das Landratsamt Rastatt erteilte mit Bescheid vom 11.6.2011 die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren verbunden mit einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die unter dem Vorbehalt des jederzeitigen entschädigungslosen Widerrufs erteilte Baugenehmigung wurde ferner mit folgender „Auflage“ verbunden: „Das Schreiben des Antragstellers vom 31.1.2011 ist Bestandteil der Baugenehmigung. Der dort angegebene Umfang zur Größe des Autohandels ist bindend. Eine Vergrößerung ist nicht zulässig.“
Zur Begründung führte das Landratsamt aus, in einem allgemeinen Wohngebiet könnten gemäß § 4 Abs. 3 Ziff. 2 BauNVO sonstige nicht störende Gewerbebetriebe ausnahmsweise zugelassen werden. Dies sei auch im Bebauungsplan „Halberstung“ ausdrücklich vorgesehen. Der genehmigte Autohandel entspreche nach seinem Umfang eindeutig einem nicht störenden Gewerbebetrieb. Bei der Größe des Betriebs, die durch die Auflage in der Baugenehmigung reglementiert werde, sei nicht mit unzumutbaren Störungen zu rechnen. Auch bei vorhandenen Stellplätzen könne ein Parken von Privat-Pkws auf öffentlicher Verkehrsfläche nicht ausgeschlossen bzw. untersagt werden. Eine entsprechende Belastung der Angrenzer, insbesondere beim Winterdienst, könne bei der Erteilung einer Baugenehmigung nicht berücksichtigt werden. Ein Verstoß des Vorhabens gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht zu erkennen.
Der gegen die Baugenehmigung am 7.7.2011 eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10.1.2012 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 13.2.2012 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, die Baugenehmigung und den Widerspruchsbescheid aufzuheben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, der Autohandel der Beigeladenen verursache erhebliche Störungen. Die An- und Abfahrten, Besichtigungen und Probefahrten sowie die Tatsache, dass die Straße zugeparkt werde, führten zu einer erheblichen Belästigung. Zeitweise seien vier bis fünf Fahrzeuge auf oder vor dem Grundstück der Beigeladenen geparkt. Zusätzlich werde auch noch der Firmenanhänger auf dem naheliegenden Wendehammer abgestellt. Dies führe in den Wintermonaten dazu, dass die Schneeräumfahrzeuge den Schnee auf die andere Seite schieben müssten mit der Folge, dass der frisch gebahnte Fußgängerweg wieder zugeschüttet werde. Die Aussage, dass maximal zehn bis zwanzig Fahrzeuge verkauft würden, sei nicht nachprüfbar. Entscheidend sei zudem nicht, wieviele Fahrzeuge verkauft würden, sondern welche Störungen sich durch den Kundenverkehr ergäben.
10 
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Der von der Beigeladenen betriebene Autohandel unterscheide sich wesentlich von einem gewöhnlichen Kraftfahrzeughandel. Die Beigeladene veräußere maximal zwölf Fahrzeuge im Jahr. Bei einem so geringen Umfang könne nicht von großen Kundenströmen ausgegangen werden. Durch die Auflage in der Baugenehmigung werde gewährleistet, dass eine Vergrößerung des Handels nicht zulässig sei. Es handele sich daher um einen nicht störenden Gewerbebetrieb, der in einem allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig sei.
11 
Die Beigeladene hat ebenfalls Klagabweisung beantragt.
12 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 3.7.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die genehmigte Nutzung des Stellplatzes als Verkaufsfläche für einen Autohandel widerspreche nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der - nachbarschützenden - Art der baulichen Nutzung. Nach § 2 Nr. 2 der Bebauungsvorschriften zu dem Bebauungsplan seien die in § 4 BauNVO vorgesehenen Ausnahmen Bestandteil des Bebauungsplans. Ob der mit der Genehmigung eines Stellplatzes als Verkaufsfläche verbundene Automobilhandel einen sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieb darstelle, ergebe sich aus der Beurteilung der Gebietsverträglichkeit des Vorhabens. Ein Vorhaben sei dann gebietsunverträglich, wenn es den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets gefährde, da es aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirke. Eine solche gebietsunverträgliche Störung lasse sich für den Autohandel der Beigeladenen nicht feststellen. Zwar sei eine gewerbliche Nutzung außerhalb des Wohngebäudes grundsätzlich als gebietsunverträgliche Störung des Wohnens anzusehen, da der Handel mit Kraftfahrzeugen nicht dem Typus des allgemeinen Wohngebietes entspreche und in der Regel zu einer Störung der Wohnruhe führen könne. Bei dem von der Beigeladenen geplanten Autohandel handele es sich jedoch um eine atypische, von dem branchenüblichen Erscheinungsbild abweichende Betriebsform, so dass sich eine typisierende Betrachtungsweise gerade verbiete. Nach der Beschreibung im Bauantrag solle der Stellplatz als Verkaufs- und Parkfläche für nur ein Fahrzeug genutzt werden. An den Fahrzeugen sollten keinerlei Reparaturen bzw. Wartungsarbeiten auf dem Grundstück durchgeführt werden. Im Jahr würden nicht mehr als zwölf Fahrzeuge verkauft. Diese konkrete Ausgestaltung des Autohandels der Beigeladenen sei Bestandteil der erteilten Baugenehmigung. Zudem wiesen keine Werbeschilder auf den Autohandel hin. Es werde lediglich in der örtlichen Presse geworben. All diese Umstände sprächen gegen ein branchenübliches Erscheinungsbild des geplanten Kfz-Handels der Beigeladenen. Die einzig möglichen Lärmbelästigungen könnten sich aus dem Zu- und Abfahrtsverkehr von potenziellen Interessenten ergeben. Da sich aber ein Schlagen von Autotüren, Starten von Motoren, Gespräche auf der Straße auch bei Zu- und Abfahrten von Nachbarn und deren Besuch in einem allgemeinen Wohngebiet ergäben könnten und die gewerbliche Tätigkeit der Beigeladenen auf die Tageszeit beschränkt sei, gehe hiervon keine für ein allgemeines Wohngebiet unübliche Störung aus. Das Parken von Privatfahrzeugen auf der Straße könne auch ohne den beabsichtigten Autohandel nicht ausgeschlossen werden. Schließlich sei auch eine mögliche Behinderung des Räumdienstes im Winter durch das Abstellen von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenraum kein bei der Erteilung einer Baugenehmigung zu berücksichtigender Belang.
13 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 17.9.2013 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Während des Berufungsverfahrens hat das Landratsamt die angefochtene Baugenehmigung mit Schriftsatz vom 23.10.2013 durch eine auf § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB gestützte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ergänzt.
14 
Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend, die für die Erteilung einer Befreiung erforderlichen Ermessenserwägung könnten zwar grundsätzlich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Dies gelte allerdings nur insoweit, als Ermessenserwägungen ergänzt würden. Im bisherigen Bescheid sei aber eine Ermessensausübung nicht erfolgt. Eine komplette Nachholung des Ermessens sei nicht möglich. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung lägen zudem nicht vor. Die Beklagte führe selbst aus, dass der Betrieb der Beigeladenen zweifelsohne zu einer gewissen zusätzlichen Belastung des Wohngebiets führe. Die Argumentation des Landratsamts sei daher widersprüchlich. Eine Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen sei nicht gegeben. Der Gewerbebetrieb füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, auch wenn im Ortsteil Halberstung auch noch andere Gewerbebetriebe existierten. Die weiteren Gewerbebetriebe seien ausreichend weit entfernt, so dass von ihnen keine störenden Auswirkungen ausgingen.
15 
Der Kläger beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3.7.2013 - 6 K 331/12 - zu ändern und die Baugenehmigung des Landratsamts Rastatt vom 9.6.2011/23.10.2013 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10.1.2012 aufzuheben.
17 
Das beklagte Land beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Es erwidert: Nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB könne von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichung städtebaulich vertretbar sei und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei. Diese Voraussetzungen seien im Fall des Vorhabens der Beigeladenen gegeben. Durch die Befreiung würden die Grundzüge der Planung nicht berührt, wie sich daran zeige, dass typischerweise nicht störende Gewerbebetriebe in dem allgemeinen Wohngebiet im Wege der Ausnahme zugelassen werden könnten. Um eben einen solchen Betrieb handele es sich hier: Zwar führe der Betrieb der Beigeladenen zweifelsohne zu einer gewissen zusätzlichen Belastung des Wohngebiets. Wie bereits im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid ausgeführt, seien jedoch diese Belastungen nicht dergestalt, dass die Erheblichkeitsschwelle überschritten werde. So hätten denn auch die direkt angrenzenden Nachbarn keine Einwände gegen den Betrieb der Beigeladenen erhoben. Der Betrieb sei auch städtebaulich vertretbar im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Die Befreiung sei ferner auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar. Es sei dem Landratsamt nicht verwehrt, die für die Erteilung einer Befreiung erforderlichen Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 114 Satz 2 VwGO nachzuschieben, da es sich bei einer Befreiung um einen unselbstständigen Bestandteil der wesensgebenden Baugenehmigung handele: Für einen Austausch von Ausnahme und Befreiung im Rahmen einer ansonsten unveränderten Baugenehmigung mit identischem Regelungsgegenstand sei es deshalb nicht erforderlich, diese insgesamt zurückzunehmen und neu zu erlassen, da es sich letztlich nur um ein Auswechseln eines Teilaspekts der Begründung der Baugenehmigung handele. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein solches Vorgehen von § 114 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 45 Abs. 2 LVwVfG selbst dann gedeckt, wenn das Ermessen während des gerichtlichen Verfahrens erstmals ausgeübt werde. Die wesentlichen Ermessenserwägungen seien zudem bereits im Rahmen der erteilten Ausnahme angestellt worden und würden hier lediglich vor einem geänderten rechtlichen Hintergrund wiederholt und ergänzt.
20 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Berufung zurückzuweisen.
21 
Sie macht geltend, der Kläger fühlte sich nicht durch den PKW-Handel gestört. Er ärgere sich vielmehr nur darüber, dass ihr Ehemann sein Fahrzeug auf der Straße geparkt habe und es deshalb dazu gekommen sei, dass eine Schneeräummaschine den von dem Kläger gerade frei gemachten Weg wieder mit Schnee überhäuft habe. Dieses Problem sei aber im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zu lösen.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage gegen die angefochtene Baugenehmigung jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Wird eine - möglicherweise zunächst rechtswidrige - Baugenehmigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die nachträgliche Erteilung einer Befreiung geändert, so ist deren Rechtmäßigkeit ohne besonderes Vorverfahren im anhängigen Prozess zusammen mit der Baugenehmigung, zu der sie ergangen ist, zu prüfen. An der Berücksichtigung der vom Landratsamt nachgeschobenen Entscheidung ist der Senat somit nicht gehindert (unten 1). Die vom Landratsamt für das Vorhaben der Beigeladenen nachträglich erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist rechtmäßig. Ein der angefochtenen Baugenehmigung möglicherweise ursprünglich anhaftender Fehler ist damit geheilt (unten 2).
24 
1. An der Berücksichtigung der vom Landratsamt nachträglich erteilten Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung ist der Senat nicht gehindert.
25 
a) Ebenso wie die Erteilung des Einvernehmens der Gemeinde stellt die Befreiung im Verhältnis zu der Baugenehmigung nur einen unselbständigen Akt dar. Eine etwa erforderliche Befreiung ist deshalb konkludent als im Bauantrag mitbeantragt anzusehen. Widerspricht das Vorhaben den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans, führt das bei richtiger Handhabung des Verwaltungsverfahrens dazu, dass die beantragte Baugenehmigung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen unter gleichzeitiger Befreiung von den dem Vorhaben entgegenstehenden Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dementsprechend anerkannt, dass eine - möglicherweise zunächst rechtswidrige - Baugenehmigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die nachträgliche Erteilung einer Befreiung geändert werden kann. Macht die Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch, so ist die Rechtmäßigkeit der Befreiung ohne besonderes Vorverfahren im anhängigen Prozess zusammen mit der Baugenehmigung zu prüfen (BVerwG Urt. v. 17.2.1971 - IV C 2.68 - NJW 1971, 1147; Beschl. v. 12.9.1979 - 4 B 182.79 - BRS 35 Nr. 201).
26 
b) Aus § 114 Satz 2 VwGO ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nichts anderes. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Die Vorschrift stellt damit klar, dass ein nach materiellem Recht zulässiges Nachholen von Ermessenserwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert. Sie setzt jedoch voraus, dass bei der behördlichen Entscheidung bereits „Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts“ angestellt worden sind, das Ermessen also in irgendeiner Weise betätigt worden ist. In Fällen, in denen das Ermessen erstmals ausgeübt oder die Gründe einer Ermessensausübung (komplett oder doch in ihrem Wesensgehalt) ausgewechselt werden, findet § 114 Satz 2 VwGO dementsprechend nach ständiger Rechtsprechung keine Anwendung (BVerwG, Urt. v. 5.9.2006 - 1 C 20.05 - NVwZ 2007, 470; Beschl. v. 14.1.1999 - 6 B 133.98 - NJW 1999, 2912).
27 
Der in der Vorschrift angelegten prozessualen Ermächtigung der Behörde, ihre Ermessenserwägungen auch noch im gerichtlichen Verfahren zu ergänzen, ist jedoch kein generelles Verbot zu entnehmen, eine Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren zu treffen. Mit der Einführung von § 114 Satz 2 VwGO wollte der Gesetzgeber die Nachbesserung einer unzureichenden Behördenentscheidung erleichtern und nicht erschweren. Ziel der Vorschrift ist es, die Heilung eine defizitären Ermessensentscheidung aus verfahrensökonomischen Gründen durch nachgeschobene Erwägungen der Behörde zu ermöglichen, um zu vermeiden, dass die Entscheidung vom Gericht aufgehoben und durch eine neue behördliche Entscheidung ersetzt wird, die dann in einem weiteren gerichtlichen Verfahren überprüft werden muss (BVerwG, Urt. v. 13.12.2011 - 1 C 14.10 - BVerwGE 141, 253). § 114 Satz 2 VwGO schließt es deshalb nicht aus, im Rechtsstreit um die Ausweisung eines Ausländers eine behördliche Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren zu treffen und zur gerichtlichen Prüfung zu stellen, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (BVerwG, Urt. v. 13.12.2011, a.a.O.).
28 
Die Einbeziehung der vom Landratsamt nachträglich erteilten Befreiung in das Verfahren wird dementsprechend durch § 114 Satz 2 VwGO nicht gehindert. Durch die nachgeschobene Befreiung wird nicht eine bisher fehlende Ermessensausübung während des Prozesses nachgeholt, sondern der ursprüngliche Verwaltungsakt durch den Erlass eines weiteren Verwaltungsakts geändert und in dieser geänderten Form anstelle des bisherigen Verwaltungsakts in das Verwaltungsstreitverfahren eingeführt.
29 
2. Die für das Vorhaben der Beigeladenen nachträglich erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist rechtmäßig. Ein der angefochtenen Baugenehmigung möglicherweise ursprünglich anhaftender Fehler ist damit geheilt.
30 
a) Der Bebauungsplan „Halberstung“ weist den das Grundstück der Beigeladene umfassenden Bereich im nördlichen Teil des Plangebiets als allgemeines Wohngebiet aus. Die in einem solchen Gebiet allgemein zulässigen Nutzungen sind in § 4 Abs. 2 BauNVO in seiner im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans geltenden Fassung vom 19.11.1986 aufgeführt, zu denen ein Kfz-Handel nicht gehört. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts handelt es sich jedoch bei dem Kraftfahrzeughandel der Beigeladenen um einen „sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieb“ im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, der nach dieser Vorschrift in einem allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zugelassen werden könne. Zwar sei eine gewerbliche Nutzung außerhalb des Wohngebäudes grundsätzlich als gebietsunverträgliche Störung des Wohnens anzusehen und könne in der Regel zu einer Störung der Wohnruhe führen. Bei dem von der Beigeladenen geplanten Kraftfahrzeughandel handele es sich jedoch um eine atypische, von dem branchenüblichen Erscheinungsbild abweichende Betriebsform, so dass sich eine typisierende Betrachtungsweise gerade verbiete.
31 
Mit diesen Ausführungen setzt sich das Verwaltungsgericht in Widerspruch zu der im Beschluss des Senats vom 16.2.1987 - 3 S 261/87 - (VBlBW 1987, 342) geäußerten Auffassung. Nach dieser Entscheidung ist der Betrieb eines Kraftfahrzeughandels in einem allgemeinen Wohngebiet typischerweise unzulässig, weil er nicht dem Typus der dort (allgemein oder ausnahmsweise) zulässigen Gewerbebetriebe entspricht und in der Regel Störungen für die Wohnruhe mit sich bringen kann. Für atypische, die Wohnruhe in einem allgemeinen Wohngebiet im Einzelfall nicht oder zumindest nicht nennenswert störende Nutzungen erfolge die Korrektur der Typisierung durch Anwendung des § 31 Abs. 2 BBauG (nunmehr § 31 Abs. 2 BauGB), was bedeute, dass solche Nutzungen nur im Wege der Befreiung zugelassen werden könnten.
32 
b) Ob an dieser Auffassung festzuhalten ist, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Das Landratsamt hat für das Vorhaben der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 23.10.2013 nachträglich eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt. Die auf § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB gestützte Befreiung ist nicht zu beanstanden. Ein der angefochtenen Baugenehmigung möglicherweise anhaftender Fehler in Form einer zu Unrecht zugelassenen Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist damit geheilt.
33 
Nach der vom Landratsamt herangezogenen Vorschrift kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Abweichung städtebaulich vertretbar ist, die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Das ist hier der Fall.
34 
Mit dem Vorhaben der Beigeladenen sind keine dem Charakter eines allgemeinen Wohngebiets widersprechende Beeinträchtigungen verbunden. Das dem Bauantrag beigefügte Schreiben der Beigeladenen vom 31.1.2011 ist Teil des Bauantrags und damit auch Teil der Baugenehmigung. Danach werden von der Beigeladenen im Rahmen ihres Betriebs jährlich nicht mehr als zwölf Fahrzeuge verkauft. Der Stellplatz dient allein als Park- bzw. Verkaufsfläche. Reparaturen bzw. Wartungsarbeiten an den Fahrzeugen dürfen auf dem Grundstück nicht durchgeführt werden. Ein nennenswerter Kundenverkehr kann unter diesen Umständen ausgeschlossen werden. Störungen der Wohnruhe sind damit nicht zu erwarten. Die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist hiervon ausgehend städtebaulich vertretbar und lässt die Grundzüge der Planung unberührt.
35 
Die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist ferner auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Um festzustellen, ob nachbarliche Interessen der Erteilung einer Befreiung entgegenstehen, sind die Interessen des Bauherrn an der Befreiung und die Interessen des Nachbarn an der Einhaltung der Festsetzung nach den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zwar davon auszugehen, dass nachbarschützende Festsetzungen - insbesondere solche über die Art der baulichen Nutzung - im Interessengeflecht eines Bebauungsplans in der Regel eine derart zentrale Bedeutung haben, dass ihre Durchbrechung das Bedürfnis nach einer Änderung des Bebauungsplans hervorruft. Etwas anders gilt jedoch dann, wenn die Nachbarn weder von dem Vorhaben selbst noch von dessen zu erwartenden Folgewirkungen nennenswert beeinträchtigt werden können (BVerwG, Urt. v. 9.6.1978 - 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71). Im Hinblick auf die bereits genannten Umstände ist das hier der Fall.
36 
Das Vorbringen des Kläger rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach den vom Kläger während des Verfahrens erhobenen Einwendungen stört er sich nicht an dem - bereits seit einigen Jahren existierenden - Betrieb der Beigeladenen als solchem, sondern daran, dass die Beigeladene und ihr Ehemann die von ihnen selbst genutzten PKW wegen der zum Verkauf angebotenen Fahrzeuge nicht auf ihrem eigenen Grundstück, sondern auf der Straße abstellten. Ein damit verbundene konkrete Störung wird vom Kläger nur insoweit genannt, als das Abstellen der selbst genutzten PKW auf der öffentlichen Straße im Winter dazu führe, dass der von Räumfahrzeugen geräumte Schnee auf den Gehweg auf seiner Seite der Straße geschoben werde. Eine nennenswerte Beeinträchtigung kann darin nicht gesehen werden. Auf dem Grundstück der Beigeladenen sind im Übrigen außer dem für eine gewerbliche Nutzung vorgesehenen Stellplatz zwei weitere Abstellmöglichkeiten für die eigenen Kraftfahrzeuge der Beigeladenen und ihres Ehemanns vorhanden. Ein Zusammenhang zwischen dem Vorhaben der Beigeladenen und den vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen ist deshalb nicht ersichtlich. Das Abstellen von Kraftfahrzeugen am Straßenrand außerhalb eines Park- oder Halteverbots ist zudem in den Grenzen des § 1 Abs. 2 StVO allgemein zulässig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese auch im Berufungsverfahren einen Antrag gestellt und damit ein Prozessrisiko auf sich genommen hat.
38 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
41 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage gegen die angefochtene Baugenehmigung jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Wird eine - möglicherweise zunächst rechtswidrige - Baugenehmigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die nachträgliche Erteilung einer Befreiung geändert, so ist deren Rechtmäßigkeit ohne besonderes Vorverfahren im anhängigen Prozess zusammen mit der Baugenehmigung, zu der sie ergangen ist, zu prüfen. An der Berücksichtigung der vom Landratsamt nachgeschobenen Entscheidung ist der Senat somit nicht gehindert (unten 1). Die vom Landratsamt für das Vorhaben der Beigeladenen nachträglich erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist rechtmäßig. Ein der angefochtenen Baugenehmigung möglicherweise ursprünglich anhaftender Fehler ist damit geheilt (unten 2).
24 
1. An der Berücksichtigung der vom Landratsamt nachträglich erteilten Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung ist der Senat nicht gehindert.
25 
a) Ebenso wie die Erteilung des Einvernehmens der Gemeinde stellt die Befreiung im Verhältnis zu der Baugenehmigung nur einen unselbständigen Akt dar. Eine etwa erforderliche Befreiung ist deshalb konkludent als im Bauantrag mitbeantragt anzusehen. Widerspricht das Vorhaben den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans, führt das bei richtiger Handhabung des Verwaltungsverfahrens dazu, dass die beantragte Baugenehmigung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen unter gleichzeitiger Befreiung von den dem Vorhaben entgegenstehenden Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dementsprechend anerkannt, dass eine - möglicherweise zunächst rechtswidrige - Baugenehmigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die nachträgliche Erteilung einer Befreiung geändert werden kann. Macht die Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch, so ist die Rechtmäßigkeit der Befreiung ohne besonderes Vorverfahren im anhängigen Prozess zusammen mit der Baugenehmigung zu prüfen (BVerwG Urt. v. 17.2.1971 - IV C 2.68 - NJW 1971, 1147; Beschl. v. 12.9.1979 - 4 B 182.79 - BRS 35 Nr. 201).
26 
b) Aus § 114 Satz 2 VwGO ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nichts anderes. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Die Vorschrift stellt damit klar, dass ein nach materiellem Recht zulässiges Nachholen von Ermessenserwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert. Sie setzt jedoch voraus, dass bei der behördlichen Entscheidung bereits „Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts“ angestellt worden sind, das Ermessen also in irgendeiner Weise betätigt worden ist. In Fällen, in denen das Ermessen erstmals ausgeübt oder die Gründe einer Ermessensausübung (komplett oder doch in ihrem Wesensgehalt) ausgewechselt werden, findet § 114 Satz 2 VwGO dementsprechend nach ständiger Rechtsprechung keine Anwendung (BVerwG, Urt. v. 5.9.2006 - 1 C 20.05 - NVwZ 2007, 470; Beschl. v. 14.1.1999 - 6 B 133.98 - NJW 1999, 2912).
27 
Der in der Vorschrift angelegten prozessualen Ermächtigung der Behörde, ihre Ermessenserwägungen auch noch im gerichtlichen Verfahren zu ergänzen, ist jedoch kein generelles Verbot zu entnehmen, eine Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren zu treffen. Mit der Einführung von § 114 Satz 2 VwGO wollte der Gesetzgeber die Nachbesserung einer unzureichenden Behördenentscheidung erleichtern und nicht erschweren. Ziel der Vorschrift ist es, die Heilung eine defizitären Ermessensentscheidung aus verfahrensökonomischen Gründen durch nachgeschobene Erwägungen der Behörde zu ermöglichen, um zu vermeiden, dass die Entscheidung vom Gericht aufgehoben und durch eine neue behördliche Entscheidung ersetzt wird, die dann in einem weiteren gerichtlichen Verfahren überprüft werden muss (BVerwG, Urt. v. 13.12.2011 - 1 C 14.10 - BVerwGE 141, 253). § 114 Satz 2 VwGO schließt es deshalb nicht aus, im Rechtsstreit um die Ausweisung eines Ausländers eine behördliche Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren zu treffen und zur gerichtlichen Prüfung zu stellen, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (BVerwG, Urt. v. 13.12.2011, a.a.O.).
28 
Die Einbeziehung der vom Landratsamt nachträglich erteilten Befreiung in das Verfahren wird dementsprechend durch § 114 Satz 2 VwGO nicht gehindert. Durch die nachgeschobene Befreiung wird nicht eine bisher fehlende Ermessensausübung während des Prozesses nachgeholt, sondern der ursprüngliche Verwaltungsakt durch den Erlass eines weiteren Verwaltungsakts geändert und in dieser geänderten Form anstelle des bisherigen Verwaltungsakts in das Verwaltungsstreitverfahren eingeführt.
29 
2. Die für das Vorhaben der Beigeladenen nachträglich erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist rechtmäßig. Ein der angefochtenen Baugenehmigung möglicherweise ursprünglich anhaftender Fehler ist damit geheilt.
30 
a) Der Bebauungsplan „Halberstung“ weist den das Grundstück der Beigeladene umfassenden Bereich im nördlichen Teil des Plangebiets als allgemeines Wohngebiet aus. Die in einem solchen Gebiet allgemein zulässigen Nutzungen sind in § 4 Abs. 2 BauNVO in seiner im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans geltenden Fassung vom 19.11.1986 aufgeführt, zu denen ein Kfz-Handel nicht gehört. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts handelt es sich jedoch bei dem Kraftfahrzeughandel der Beigeladenen um einen „sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieb“ im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, der nach dieser Vorschrift in einem allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zugelassen werden könne. Zwar sei eine gewerbliche Nutzung außerhalb des Wohngebäudes grundsätzlich als gebietsunverträgliche Störung des Wohnens anzusehen und könne in der Regel zu einer Störung der Wohnruhe führen. Bei dem von der Beigeladenen geplanten Kraftfahrzeughandel handele es sich jedoch um eine atypische, von dem branchenüblichen Erscheinungsbild abweichende Betriebsform, so dass sich eine typisierende Betrachtungsweise gerade verbiete.
31 
Mit diesen Ausführungen setzt sich das Verwaltungsgericht in Widerspruch zu der im Beschluss des Senats vom 16.2.1987 - 3 S 261/87 - (VBlBW 1987, 342) geäußerten Auffassung. Nach dieser Entscheidung ist der Betrieb eines Kraftfahrzeughandels in einem allgemeinen Wohngebiet typischerweise unzulässig, weil er nicht dem Typus der dort (allgemein oder ausnahmsweise) zulässigen Gewerbebetriebe entspricht und in der Regel Störungen für die Wohnruhe mit sich bringen kann. Für atypische, die Wohnruhe in einem allgemeinen Wohngebiet im Einzelfall nicht oder zumindest nicht nennenswert störende Nutzungen erfolge die Korrektur der Typisierung durch Anwendung des § 31 Abs. 2 BBauG (nunmehr § 31 Abs. 2 BauGB), was bedeute, dass solche Nutzungen nur im Wege der Befreiung zugelassen werden könnten.
32 
b) Ob an dieser Auffassung festzuhalten ist, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Das Landratsamt hat für das Vorhaben der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 23.10.2013 nachträglich eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt. Die auf § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB gestützte Befreiung ist nicht zu beanstanden. Ein der angefochtenen Baugenehmigung möglicherweise anhaftender Fehler in Form einer zu Unrecht zugelassenen Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist damit geheilt.
33 
Nach der vom Landratsamt herangezogenen Vorschrift kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Abweichung städtebaulich vertretbar ist, die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Das ist hier der Fall.
34 
Mit dem Vorhaben der Beigeladenen sind keine dem Charakter eines allgemeinen Wohngebiets widersprechende Beeinträchtigungen verbunden. Das dem Bauantrag beigefügte Schreiben der Beigeladenen vom 31.1.2011 ist Teil des Bauantrags und damit auch Teil der Baugenehmigung. Danach werden von der Beigeladenen im Rahmen ihres Betriebs jährlich nicht mehr als zwölf Fahrzeuge verkauft. Der Stellplatz dient allein als Park- bzw. Verkaufsfläche. Reparaturen bzw. Wartungsarbeiten an den Fahrzeugen dürfen auf dem Grundstück nicht durchgeführt werden. Ein nennenswerter Kundenverkehr kann unter diesen Umständen ausgeschlossen werden. Störungen der Wohnruhe sind damit nicht zu erwarten. Die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist hiervon ausgehend städtebaulich vertretbar und lässt die Grundzüge der Planung unberührt.
35 
Die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ist ferner auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Um festzustellen, ob nachbarliche Interessen der Erteilung einer Befreiung entgegenstehen, sind die Interessen des Bauherrn an der Befreiung und die Interessen des Nachbarn an der Einhaltung der Festsetzung nach den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zwar davon auszugehen, dass nachbarschützende Festsetzungen - insbesondere solche über die Art der baulichen Nutzung - im Interessengeflecht eines Bebauungsplans in der Regel eine derart zentrale Bedeutung haben, dass ihre Durchbrechung das Bedürfnis nach einer Änderung des Bebauungsplans hervorruft. Etwas anders gilt jedoch dann, wenn die Nachbarn weder von dem Vorhaben selbst noch von dessen zu erwartenden Folgewirkungen nennenswert beeinträchtigt werden können (BVerwG, Urt. v. 9.6.1978 - 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71). Im Hinblick auf die bereits genannten Umstände ist das hier der Fall.
36 
Das Vorbringen des Kläger rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach den vom Kläger während des Verfahrens erhobenen Einwendungen stört er sich nicht an dem - bereits seit einigen Jahren existierenden - Betrieb der Beigeladenen als solchem, sondern daran, dass die Beigeladene und ihr Ehemann die von ihnen selbst genutzten PKW wegen der zum Verkauf angebotenen Fahrzeuge nicht auf ihrem eigenen Grundstück, sondern auf der Straße abstellten. Ein damit verbundene konkrete Störung wird vom Kläger nur insoweit genannt, als das Abstellen der selbst genutzten PKW auf der öffentlichen Straße im Winter dazu führe, dass der von Räumfahrzeugen geräumte Schnee auf den Gehweg auf seiner Seite der Straße geschoben werde. Eine nennenswerte Beeinträchtigung kann darin nicht gesehen werden. Auf dem Grundstück der Beigeladenen sind im Übrigen außer dem für eine gewerbliche Nutzung vorgesehenen Stellplatz zwei weitere Abstellmöglichkeiten für die eigenen Kraftfahrzeuge der Beigeladenen und ihres Ehemanns vorhanden. Ein Zusammenhang zwischen dem Vorhaben der Beigeladenen und den vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen ist deshalb nicht ersichtlich. Das Abstellen von Kraftfahrzeugen am Straßenrand außerhalb eines Park- oder Halteverbots ist zudem in den Grenzen des § 1 Abs. 2 StVO allgemein zulässig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese auch im Berufungsverfahren einen Antrag gestellt und damit ein Prozessrisiko auf sich genommen hat.
38 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
41 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, sind entsprechend § 3 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu unterrichten und zur Äußerung auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 aufzufordern. Hieran schließt sich das Verfahren nach Absatz 2 auch an, wenn die Äußerung zu einer Änderung der Planung führt.

(2) Die Gemeinde holt die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, zum Planentwurf und zur Begründung ein. Die Bereitstellung der Unterlagen sowie die Mitteilung hierüber sollen elektronisch erfolgen. Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange haben ihre Stellungnahmen innerhalb eines Monats abzugeben, wobei jedoch die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen 30 Tage nicht unterschreiten darf; die Gemeinde soll diese Frist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes angemessen verlängern. Die Stellungnahmen sollen elektronisch übermittelt werden. In den Stellungnahmen sollen sich die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange auf ihren Aufgabenbereich beschränken; sie haben auch Aufschluss über von ihnen beabsichtigte oder bereits eingeleitete Planungen und sonstige Maßnahmen sowie deren zeitliche Abwicklung zu geben, die für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung des Gebiets bedeutsam sein können. Verfügen sie über Informationen, die für die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials zweckdienlich sind, haben sie diese Informationen der Gemeinde zur Verfügung zu stellen.

(3) Nach Abschluss des Verfahrens zur Aufstellung des Bauleitplans unterrichten die Behörden die Gemeinde, sofern nach den ihnen vorliegenden Erkenntnissen die Durchführung des Bauleitplans erhebliche, insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hat.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, sind entsprechend § 3 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu unterrichten und zur Äußerung auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 aufzufordern. Hieran schließt sich das Verfahren nach Absatz 2 auch an, wenn die Äußerung zu einer Änderung der Planung führt.

(2) Die Gemeinde holt die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann, zum Planentwurf und zur Begründung ein. Die Bereitstellung der Unterlagen sowie die Mitteilung hierüber sollen elektronisch erfolgen. Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange haben ihre Stellungnahmen innerhalb eines Monats abzugeben, wobei jedoch die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen 30 Tage nicht unterschreiten darf; die Gemeinde soll diese Frist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes angemessen verlängern. Die Stellungnahmen sollen elektronisch übermittelt werden. In den Stellungnahmen sollen sich die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange auf ihren Aufgabenbereich beschränken; sie haben auch Aufschluss über von ihnen beabsichtigte oder bereits eingeleitete Planungen und sonstige Maßnahmen sowie deren zeitliche Abwicklung zu geben, die für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung des Gebiets bedeutsam sein können. Verfügen sie über Informationen, die für die Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials zweckdienlich sind, haben sie diese Informationen der Gemeinde zur Verfügung zu stellen.

(3) Nach Abschluss des Verfahrens zur Aufstellung des Bauleitplans unterrichten die Behörden die Gemeinde, sofern nach den ihnen vorliegenden Erkenntnissen die Durchführung des Bauleitplans erhebliche, insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hat.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine als eingetragener Verein organisierte Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche. Im Jahre 1994 beantragte sie die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer "Syrisch-Orthodoxen Kirche mit Mausoleum" sowie eines "Gemeindezentrums". In der Bauzeichnung für das Untergeschoss der Kirche war eine "Krypta" mit zehn Grabkammern eingezeichnet.

2

Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beigeladenen zu 1, der das gesamte Plangebiet als Industriegebiet (GI) festsetzt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind "Ausnahmen nach § 9 Abs. 3 BauNVO und Nebenanlagen nach § 14 BauNVO" zugelassen.

3

Die Beklagte erteilte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für das Kirchengebäude und das Gemeindezentrum. Hinsichtlich der Krypta lehnte sie den Antrag unter Hinweis auf das versagte gemeindliche Einvernehmen der Beigeladenen zu 1 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch gegen die Ablehnung, ließ dann aber in der Bauzeichnung ihres Bauantrags die Zweckbestimmung "Krypta" durch "Abstellraum" ersetzen und die Grabkammern streichen. Die Beklagte hob daraufhin den ablehnenden Teil des Genehmigungsbescheides auf. Die Kirche ist mittlerweile errichtet und wird von der Klägerin als solche genutzt.

4

Im Jahre 2005 beantragte die Klägerin, im betreffenden Raum im Untergeschoss der Kirche eine Krypta "als privaten Bestattungsplatz ausdrücklich ausschließlich für verstorbene Geistliche" ihrer Kirche zu genehmigen. Entsprechend der ursprünglichen Planung ist der Einbau von zehn Grabkammern in Wandnischen vorgesehen, die nach Beisetzung durch dicht verfugte Stahlbetonplatten zur Raumseite hin verschlossen und mit beschrifteten Marmorverkleidungen versehen werden sollen. Die Krypta soll nur von außen zugänglich sein.

5

Das Gesundheitsamt beim Landratsamt Heilbronn stimmte der Krypta aus hygienischer Sicht unter Auflagen zu. Die Beigeladene zu 1 versagte wiederum das gemeindliche Einvernehmen. Die Beklagte lehnte den Bauantrag ab, der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau einer Krypta im Untergeschoss der Kirche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

7

Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 hat der Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat er zurückgewiesen. Die Umwandlung des betreffenden Abstellraums in eine Krypta sei eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung. Sie sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans widerspreche. Zwar handle es sich bei der Krypta um eine - städtebaulich gegenüber der Kirche eigenständig zu würdigende - Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des Ausnahmekatalogs des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Sie sei jedoch wegen Unverträglichkeit mit dem Charakter eines Industriegebiets unzulässig. Das Ermessen für eine ausnahmsweise Zulassung nach § 31 Abs. 1 BauGB sei deshalb entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht eröffnet. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsanlage schon die Grundzüge der Planung berühre, die auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei. Jedenfalls fehle es aber an Befreiungsgründen. Insbesondere erforderten es Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht, die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle zu errichten. Dies gelte auch im Lichte der Art. 4 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Das Bedürfnis, über eine Krypta in der eigenen Kirche zu verfügen, sei nicht zwingender Bestandteil der Religionsausübung der Klägerin. Der durch die Ablehnung unterhalb dieser Schwelle angesiedelte Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei durch den Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken gerechtfertigt, das im Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei. Eine diskriminierende Ungleichbehandlung im Verhältnis zur katholischen Kirche sei ebenfalls nicht zu erkennen.

8

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen die vorinstanzlichen Urteile und macht eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie ihrer Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV geltend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

Die Einrichtung einer Krypta im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin ist eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB, deren bauplanungsrechtliche Zulässigkeit an §§ 30 ff. BauGB zu messen ist (1). Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass diese Nutzungsänderung im Industriegebiet nicht im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann, weil sie mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets unvereinbar ist, steht im Einklang mit Bundesrecht (2). Bundesrechtswidrig sind demgegenüber die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung gestützt hat, dass die Krypta auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden könne (3). Da die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für eine abschließende Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen nicht ausreichen, war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (4).

11

1. Die beantragte Nutzung des Abstellraums im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin als Krypta ist eine vom Vorhabenbegriff des § 29 Abs. 1 BauGB umfasste, mit geringfügigen baulichen Änderungen verbundene Nutzungsänderung.

12

Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - NVwZ 1991, 264 m.w.N.; Beschlüsse vom 14. April 2000 - BVerwG 4 B 28.00 - juris Rn. 6 und vom 7. November 2002 - BVerwG 4 B 64.02 - BRS 66 Nr. 70 S. 327). Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird auch dann überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum durch die Änderung erweitert wird (Urteil vom 27. August 1998 - BVerwG 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 64). So liegen die Dinge hier. Die Nutzung als Begräbnisstätte ist heute für eine Kirche nicht mehr charakteristisch. Im vorliegenden Fall wurde die Krypta zudem von der im Jahre 1994 erteilten Baugenehmigung für die Errichtung der Kirche ausdrücklich ausgenommen und sollte - auf Anregung des Regierungspräsidiums Stuttgart letztlich auch aus der Sicht der Klägerin - einem Nachtrags-Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben.

13

Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB und damit Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung ist jedoch nicht - wie vom Verwaltungsgerichtshof angenommen - die Krypta als selbständige "Hauptanlage", sondern die Änderung von einer Kirche mit Abstellraum zu einer Kirche mit Krypta als Gesamtvorhaben. Geht es um die Änderung einer Nutzung, dürfen die bauliche Anlage und ihre Nutzung nicht getrennt beurteilt werden; sie bilden eine Einheit (Urteil vom 15. November 1974 - BVerwG 4 C 32.71 - BVerwGE 47, 185 <188>). Soll nicht die Nutzung der baulichen Anlage insgesamt, sondern - wie hier - lediglich eines bestimmten Teils der Anlage geändert werden, kann die bauplanungsrechtliche Prüfung hierauf nur beschränkt werden, wenn der betroffene Anlagenteil auch ein selbständiges Vorhaben sein könnte; er muss von dem Vorhaben im Übrigen abtrennbar sein (Urteil vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72 S. 204). Daran fehlt es hier. Der streitgegenständliche, unter dem Altar gelegene Raum ist untrennbar mit der Kirche im Übrigen verbunden. Nur weil dies so ist, möchte die Klägerin in der Krypta ihre Gemeindepriester beisetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass nach den Glaubensvorstellungen der Klägerin die Verpflichtung besteht, syrisch-orthodoxe Priester in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen (UA S. 17 und 27). Kirche und Krypta stehen deshalb als Gesamtvorhaben zur bauplanungsrechtlichen Prüfung.

14

Die Nutzungsänderung ist auch städtebaulich relevant, weil durch die Aufnahme der neuen Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - a.a.O.). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Trauern und Gedenken nicht nur im Innern der Kirche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sondern auch außerhalb des Kirchengebäudes bemerkbar sein werde. Wie sich aus den Äußerungen der Klägerin im Baugenehmigungsverfahren sowie aus den von ihr in Bezug genommenen externen Stellungnahmen zum Ritual des Totengedenkens ergebe, solle das Gedenken feierlich zelebriert werden; die Toten sollen mit gelegentlichen Feiern geehrt werden. Zudem sei es Brauch der syrisch-orthodoxen Christen, nach jedem samstäglichen Abendgottesdienst vor den Priestergruften Gedenkgebete zu zelebrieren und an bestimmten Sonntagen und an hohen kirchlichen Feiertagen die Gottesdienste mit einer feierlichen Prozession in die Krypta abzuschließen. Bereits diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme, dass durch die beantragte Nutzungsänderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, auch wenn der Verwaltungsgerichtshof Quantität und Dauer dieser "externen" Traueraktivitäten nicht näher beschrieben und sie "letztlich" selbst nicht für ausschlaggebend gehalten, sondern entscheidend auf die funktionsmäßige städtebauliche Qualität der Krypta als Begräbnisstätte abgestellt hat (UA S. 22).

15

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass eine Kirche mit Krypta zwar grundsätzlich unter die im Industriegebiet gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen für kirchliche Zwecke fällt, eine Ausnahme vorliegend aber wegen Unverträglichkeit dieser Nutzung mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets nicht erteilt werden kann. Dagegen gibt es aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

16

Das Kirchengrundstück liegt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung für das gesamte Plangebiet ein Industriegebiet (GI) gemäß § 9 BauNVO festsetzt. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermocht. Anhaltspunkte dafür haben sich auch im Revisionsverfahren nicht ergeben. Maßstab für die Zulässigkeit des Vorhabens ist deshalb grundsätzlich § 30 Abs. 1 BauGB. Im Industriegebiet ist eine Kirche mit Krypta nicht gemäß § 9 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig. Zu Recht konzentriert der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung deshalb zunächst auf die Frage, ob die beantragte Nutzungsänderung im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann.

17

a) Im Einklang mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Vorhaben eine Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Unter diesen Begriff fallen Anlagen, die unmittelbar kirchlich-religiösen Zwecken dienen, wie insbesondere ein dem Gottesdienst dienendes Kirchengebäude. Die von der Klägerin errichtete Kirche erfüllt diese Voraussetzungen. Die Krypta ist - wie bereits dargelegt - untrennbar mit der Kirche verbunden. Sie ist nicht nur ein privater Bestattungsplatz im Sinne des § 9 BestattG, sondern, weil sie der Bestattung von Gemeindepriestern dienen soll, die nach der Glaubensvorstellung der Klägerin nur in einem geweihten kirchlichen Raum beigesetzt werden dürfen, selbst Anlage für kirchliche Zwecke.

18

b) In Übereinstimmung mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit der beantragten Nutzungsänderung aber am ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit scheitert.

19

Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (Urteil vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof deshalb davon aus, dass die Gebietsverträglichkeit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung ist, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist.

20

Industriegebiete dienen gemäß § 9 Abs. 1 BauNVO ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Die Unterbringung erheblich störender Betriebe ist deshalb dem Industriegebiet vorbehalten und zugleich dessen Hauptzweck.

21

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit dieser allgemeinen Zweckbestimmung des Industriegebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Da Industriegebiete der einzige Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung sind, in dem erheblich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden können, sind die in § 9 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Industriegebiets nicht in Konflikt geraten können. Diese Voraussetzung erfüllt eine Kirche - mit oder ohne Krypta - bei typisierender Betrachtung nicht (vgl. auch Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21). Eine auf störunempfindliche Anlagen beschränkte ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit von "Anlagen für kirchliche Zwecke" im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO führt auch nicht dazu, dass dieses Tatbestandsmerkmal leer liefe. Das gilt bereits deshalb, weil nicht alle Anlagen für kirchliche Zwecke in gleicher Weise störempfindlich sind (vgl. etwa die Beispiele bei Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band V, Stand: Juni 2010, Rn. 82 zu § 4 BauNVO). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch eine störempfindliche Nutzung gebietsverträglich sein kann, etwa weil sie einem aus dem Gebiet stammenden Bedarf folgt, kann offen bleiben, weil weder seitens der Verfahrensbeteiligten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich ist, dass hier derartige die Gebietsverträglichkeit begründende Umstände gegeben sein könnten.

22

3. Bundesrechtswidrig sind jedoch die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Annahme gestützt hat, das Vorhaben könne auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden.

23

Ob die Umwandlung des Abstellraums in eine Krypta die Grundzüge der Planung berührt, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend entschieden. Nach seiner Auffassung fehlt jedenfalls ein Befreiungsgrund. Auch Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten es nicht, dass die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle eingerichtet werde. Das gelte auch bei Bewertung der Grabstättennutzung im Licht der Art. 4 und 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV (UA S. 25). Die Bestattung der Gemeindepriester in der Hauskirche sei kein zwingender Bestandteil der Religionsausübung (UA S. 27). Der verbleibende Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei gerechtfertigt. Die Krypta erfordere ein Umfeld der Ruhe und Andacht. Dieses Umfeld sei in dem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet. Zudem befinde sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt. Diese Situation widerspreche der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten in hohem Maße. Insofern werde der Achtungsanspruch der Verstorbenen verletzt, der sich nachwirkend aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebe. Darüber hinaus werde bei objektiver Betrachtung auch das durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt. Diese verfassungsimmanente Schranke setze sich gegenüber der Beeinträchtigung der Religionsausübungsfreiheit durch und sei auch verhältnismäßig. Dabei sei besonders zu berücksichtigen, dass die Krypta keinesfalls nur am vorgesehenen Ort, sondern (zusammen mit der Kirche) an anderer geeigneter Stelle errichtet werden könnte oder damals hätte errichtet werden können. Das Planungsrecht biete zahlreiche Möglichkeiten, um städtebaulich die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen (UA S. 28 f.).

24

Mit diesen Erwägungen kann das Vorliegen eines Befreiungsgrundes nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht verneint werden.

25

a) Gründe des Wohls der Allgemeinheit beschränken sich nicht auf spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern erfassen alles, was gemeinhin unter öffentlichen Belangen oder öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wie sie beispielhaft etwa in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgelistet sind (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <76>). Vom Wortlaut des § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB erfasst werden die Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge zwar nur, soweit sie von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellt werden. Die in den Glaubensvorstellungen wurzelnden Belange privatrechtlich organisierter Kirchen und Religionsgesellschaften sind jedoch ebenfalls als öffentliche Belange zu berücksichtigen, sei es als kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB oder als ein in dem nicht abschließenden Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB nicht ausdrücklich erwähnter Belang (VGH München, Urteil vom 29. August 1996 - 26 N 95.2983 - VGH n.F. 49, 182 <186> = NVwZ 1997, 1016 <1017 f.> m.w.N.). Das gilt jedenfalls, wenn die betreffende Kirchengemeinde - wie dies bei der Klägerin der Fall sein dürfte - eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern hat.

26

b) Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

27

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Bedürfnis der Klägerin, ihre verstorbenen Gemeindepriester in der eigenen Kirche beisetzen zu können, kein zwingender Bestandteil ihrer Religionsausübung ist. Nach ihrer Begräbnisregel sei es zwar verboten, syrisch-orthodoxe Priester zusammen mit den Gemeindeangehörigen auf normalen Friedhöfen zu bestatten. Es bestehe die Verpflichtung, diesen Personenkreis in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen. Die Beisetzung müsse jedoch nicht zwingend in der "Hauskirche" erfolgen (UA S. 27).

28

Diese Feststellungen stehen der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht entgegen. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern die Zulassung der Krypta auch, wenn Alternativen zur Beisetzung in der eigenen Kirche an sich in Betracht kommen, der Klägerin aber unter den gegebenen Umständen nicht zugemutet werden können. Dass die Klägerin theoretisch an anderer Stelle eine Kirche mit Krypta neu errichten könnte, genügt nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann eine Befreiung auch nicht mit dem Argument verweigert werden, dass es planungsrechtlich bereits bei Errichtung der Kirche möglich gewesen wäre, an anderer geeigneter Stelle die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Maßgebend für die Zumutbarkeit ist vielmehr, ob der Klägerin tatsächlich zu nicht unangemessenen Bedingungen ein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta auf dem Gebiet der Beklagten zur Verfügung gestanden hätte oder, wenn dies nicht der Fall war, ob sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat. Feststellungen hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin ein besser geeignetes Grundstück zur Verfügung gestanden hätte, sind jedenfalls nach Aktenlage nicht ersichtlich. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat das Regierungspräsidium selbst angeregt, dass über die Zulässigkeit einer Krypta im Rahmen eines Nachtragsbaugesuchs entschieden wird. Ausgehend hiervon dürfte der Klägerin nicht entgegengehalten werden können, dass sie den Anspruch auf eine Krypta nicht bereits vor Errichtung der Kirche gerichtlich geltend gemacht hat. Mangels tatsächlicher Feststellungen kann der Senat hierüber jedoch nicht abschließend entscheiden. Eine Bestattung der Gemeindepriester in einem niederländischen Kloster kann der Klägerin wegen der großen Entfernung von fast 500 km jedenfalls nicht zugemutet werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Einwand "gut nachvollziehen" können (UA S. 27). Er hat ihn jedoch nicht - wie es geboten gewesen wäre - im Rahmen des "Erforderns" als für eine Befreiung sprechenden Umstand gewürdigt.

29

Die Annahme eines Befreiungsgrundes gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB scheitert auch nicht daran, dass die Krypta - wie der Verwaltungsgerichtshof anführt - an der vorgesehenen Stelle "bauplanungsrechtlich unzulässig" sei (UA S. 25). Richtig ist zwar, dass die Krypta weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann und - so ist zu ergänzen - wohl auch bereits die Kirche am betreffenden Standort nicht hätte genehmigt werden dürfen. Dies stellt jedoch kein Hindernis für die Erteilung einer Befreiung dar, sondern eröffnet im Gegenteil erst den Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 BauGB.

30

Schließlich darf bei der einzelfallbezogenen Prüfung des Befreiungsgrundes nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier eine Nutzungserweiterung in Frage steht, die zwar bei typisierender Betrachtung gebietsunverträglich ist, aber "vernünftigerweise" an ein vorhandenes Kirchengebäude anknüpft, das aufgrund bestandskräftiger Baugenehmigung im genehmigten Umfang formal legal weitergenutzt werden darf. Das gilt umso mehr, wenn die bestandsgeschützte Kirchennutzung - wie hier - im Einvernehmen mit der Gemeinde genehmigt wurde, die Gemeinde also gewissermaßen selbst den Keim für "vernünftigerweise gebotene" Nutzungserweiterungen gelegt hat. Ob die sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen an eine Begräbnisstätte der Befreiung entgegen stehen, ist keine Frage des Befreiungsgrundes, sondern der weiteren Voraussetzung, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss.

31

4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich geprüft. Auch mit den dargelegten grundrechtlichen Erwägungen verfehlt er die nach § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Prüfungsmaßstäbe. Für eine eigene abschließende Beurteilung dieser Frage durch den Senat fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen (a). Nicht abschließend entschieden hat der Verwaltungsgerichtshof, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Auch der Senat ist hierzu nicht in der Lage (b).

32

a) Der Verwaltungsgerichtshof verfehlt die gemäß § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Maßstäbe, soweit er der Religionsausübungsfreiheit der Klägerin den Achtungsanspruch der Toten und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken abstrakt gegenübergestellt und hierbei maßgebend auf die Typik und die Eigenart des Industriegebiets abgestellt hat, anstatt die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

33

Geboten ist eine Betrachtung, die die bisherige Situation (hier: Kirche ohne Krypta) dem durch die Abweichung zu ermöglichenden Gesamtvorhaben (hier: Kirche mit Krypta) gegenüberstellt und die Vereinbarkeit des sich daraus ergebenden Unterschieds mit öffentlichen Belangen untersucht. Welche Umstände als öffentliche Belange im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. In Betracht kommen insbesondere die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten öffentlichen Belange (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <78>), auch solche, die nicht in der gemeindlichen Planungskonzeption ihren Niederschlag gefunden haben (Roeser, in: Berliner Kommentar, 3. Aufl., Stand: August 2010, Rn. 17 zu § 31; vgl. auch Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <54>). Ist die Befreiung mit einem öffentlichen Belang in beachtlicher Weise unvereinbar, so vermag sich der die Befreiung rechtfertigende Gemeinwohlgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht durchzusetzen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77 f.). Da der Plan gerade unter den Nachbarn einen Ausgleich von Nutzungsinteressen zum Inhalt hat, muss ferner darauf abgehoben werden, ob in den durch den Bebauungsplan bewirkten nachbarlichen Interessenausgleich erheblich störend eingegriffen wird (Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

34

Diesen bauplanungsrechtlichen Anforderungen werden die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs auch der Sache nach nicht in jeder Hinsicht gerecht. Zutreffend ist zwar, dass auch der Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken als öffentliche Belange im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht kommen, wobei offen bleiben kann, ob der Verwaltungsgerichtshof mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG die richtige grundrechtliche Anknüpfung gewählt hat. Mit den abstrakten Erwägungen, dass eine Krypta ein städtebauliches Umfeld der Ruhe und Andacht erfordere, um der Totenruhe und der Würde der Toten Rechnung zu tragen, und dass dieses Umfeld in einem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei, ferner, dass "bei objektiver Betrachtung" das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt werde, lässt sich die Versagung einer Befreiung nicht begründen. Maßgebend ist, ob im konkreten Einzelfall ausnahmsweise auch eine Begräbnisstätte in einem Industriegebiet den sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen genügt. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch die konkreten örtlichen Verhältnisse in den Blick genommen und darauf abgehoben hat, dass sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt befinde, in der auch im Schichtbetrieb gearbeitet werde und teilweise auch Lkw-Verkehr im Grenzbereich stattfinde, was in hohem Maße der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten widerspreche (UA S. 28), fehlen jedenfalls Feststellungen dazu, inwieweit dieser Belang durch die Geschäftigkeit und Betriebsamkeit der industriellen Umgebung konkret beeinträchtigt werden kann, obwohl die Krypta in dem gegenüber der Außenwelt abgeschirmten Kircheninnern gelegen ist. Ähnliches gilt, soweit der Verwaltungsgerichtshof "bei objektiver Betrachtung" auch das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt sieht. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass die Beisetzung in einem geweihten Kirchenraum nach den Glaubensvorstellungen nicht nur der Syrisch-Orthodoxen Kirche eine besonders würdevolle Form der Bestattung ist.

35

Es fehlen auch Feststellungen, inwieweit durch die Zulassung der Abweichung nachbarliche Interessen konkret betroffen werden können, etwa, ob und gegebenenfalls in welcher Intensität gewerbliche Nutzungen in der Umgebung der Kirche durch die Krypta mit Nutzungseinschränkungen rechnen müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mögliche Nutzungskonflikte bereits mit der Errichtung und Nutzung der Kirche entstanden sein dürften. Allein auf die Feststellung, dass das Trauern und Gedenken auch außerhalb des Kirchengebäudes "bemerkbar" sein werde (UA S. 21), kann die Ablehnung einer Befreiung nicht gestützt werden, weil dies auch auf die in einer Kirche ohne Krypta abgehaltenen Beerdigungs- und Trauergottesdienste zutrifft.

36

b) Mit der Formulierung, es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsstätte die Grundzüge der Planung berühre, hat der Verwaltungsgerichtshof zwar deutlich gemacht, dass er dieser Auffassung zuneigt. Tragend festgelegt hat er sich insoweit aber nicht. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen lässt sich derzeit auch hierzu Abschließendes nicht sagen.

37

Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschlüsse vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 S. 2 und vom 19. Mai 2004 - BVerwG 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83). Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band II, Stand: Juni 2010, Rn. 35 zu § 31 BauGB).

38

Zur ersten Frage hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Planung - zum maßgeblichen Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970, aber auch nach der tatsächlichen Bebauung - auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei (UA S. 25). Weder die Festsetzungen noch die Begründung des Bebauungsplans enthielten Hinweise für die Absicht des Plangebers, das Baugebiet in einer vom Regelfall des § 9 Abs. 1 BauGB abweichenden Weise auszugestalten. Auch die seither verwirklichten Gewerbebetriebe in der näheren und weiteren Umgebung der Kirche ließen eine geradezu "klassische" Industriegebietsnutzung erkennen (UA S. 24), die vorhandenen Betriebe im Bebauungsplangebiet entsprächen der Nutzungsstruktur eines normtypischen Industriegebiets geradezu beispielhaft (UA S. 21). Diese Feststellungen haben zwar Tatsachen (§ 137 Abs. 2 VwGO) sowie die Auslegung des Bebauungsplans als Teil des nicht revisiblen Landesrechts (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) zum Gegenstand. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber mehrere für die Grundzüge der Planung bedeutsame Umstände außer Acht gelassen. Soweit er auf den Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970 abstellt, hat er unberücksichtigt gelassen, dass die Plangeberin in Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans (konfliktträchtige) Ausnahmenutzungen gemäß § 9 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich zugelassen hat. Auch wenn diese Festsetzung nicht über das hinausgeht, was gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 3 BauNVO auch ohne sie gegolten hätte, bedarf es der Prüfung, welche Bedeutung dem Umstand, dass sich die Gemeinde gleichwohl zu einer ausdrücklichen Regelung veranlasst gesehen hat, bei der Bestimmung der Planungskonzeption beizumessen ist. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch auf die tatsächliche Bebauung im Industriegebiet abgestellt hat, hätte er nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass nicht nur Gewerbebetriebe verwirklicht wurden, sondern im Einvernehmen mit der Beigeladenen zu 1 auch die Kirche der Klägerin. Das ist ein Umstand, dem eine starke Indizwirkung für eine auch gegenüber konfliktträchtigen Ausnahmenutzungen offene Planungskonzeption zukommen kann.

39

Zu der weiteren Frage, ob die planerische Grundkonzeption durch die Befreiung berührt würde, hat der Verwaltungsgerichtshof keine Feststellungen getroffen. Verlässliche Rückschlüsse lassen auch die in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen nicht zu. Diese Feststellungen wird der Verwaltungsgerichtshof nachzuholen haben, falls es für seine Entscheidung hierauf ankommt. Weil eine planerische Grundkonzeption durch ein Vorhaben nicht mehr berührt werden kann, wenn der mit der Planung verfolgte Interessenausgleich bereits durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet nachhaltig gestört ist (zutreffend VGH München, Urteil vom 9. August 2007 - 25 B 05.1337 - juris Rn. 41; nachfolgend Beschluss vom 28. April 2008 - BVerwG 4 B 16.08 -), wird er sich hierbei auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob die Grundzüge der Planung bereits durch die Errichtung und Nutzung der Kirche nachhaltig gestört sind und deshalb durch das Hinzutreten der Krypta nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können.

(1) Macht die besondere öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des Bundes oder eines Landes erforderlich, von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften abzuweichen oder ist das Einvernehmen mit der Gemeinde nach § 14 oder § 36 nicht erreicht worden, entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde.

(2) Handelt es sich dabei um Vorhaben, die der Landesverteidigung, dienstlichen Zwecken der Bundespolizei oder dem zivilen Bevölkerungsschutz dienen, ist nur die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich. Vor Erteilung der Zustimmung hat diese die Gemeinde zu hören. Versagt die höhere Verwaltungsbehörde ihre Zustimmung oder widerspricht die Gemeinde dem beabsichtigten Bauvorhaben, entscheidet das zuständige Bundesministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministerien und im Benehmen mit der zuständigen Obersten Landesbehörde.

(3) Entstehen der Gemeinde infolge der Durchführung von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 Aufwendungen für Entschädigungen nach diesem Gesetzbuch, sind sie ihr vom Träger der Maßnahmen zu ersetzen. Muss infolge dieser Maßnahmen ein Bebauungsplan aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden, sind ihr auch die dadurch entstandenen Kosten zu ersetzen.

(4) Sollen bauliche Anlagen auf Grundstücken errichtet werden, die nach dem Landbeschaffungsgesetz beschafft werden, sind in dem Verfahren nach § 1 Absatz 2 des Landbeschaffungsgesetzes alle von der Gemeinde oder der höheren Verwaltungsbehörde nach den Absätzen 1 und 2 zulässigen Einwendungen abschließend zu erörtern. Eines Verfahrens nach Absatz 2 bedarf es in diesem Falle nicht.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 7. Juli 2006 - 4 K 94/05 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verfügung zum Umbau ihres Walmdachs in ein Satteldach. Bei dem Wohnhaus handelt es sich um ein Fertighaus der Firma ... („...-Massivhaus“), das in Stil und Farbe toskanischen Landhäusern nachempfunden ist. Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. ... (...-...-... …) in ... .... Das Grundstück ist bebaut mit einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung und einer angebauten Doppelgarage. Das Hauptgebäude ist mit einem auf vier Seiten abgewalmten Dach mit einer Dachneigung von 28° versehen. Die Firstlinie verläuft in Nord-Süd-Richtung und knickt auf der Nordseite über einem Vorbau nach Westen ab. Auch die Garage ist mit einem Walmdach (Dachneigung 16°) versehen. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans und der Örtlichen Bauvorschriften „Unter der ... Straße“ der Gemeinde ... vom 16.09.2002 (Satzungsbeschluss). Die Baugrundstücke befanden sich ursprünglich im Eigentum der Gemeinde. Der Bebauungsplan setzt u.a. die Stellung der Gebäude (Firstrichtung parallel zu der Erschließungsstraße mit Möglichkeit einer Drehung um 90° in besonderen Fällen) fest. Die Örtlichen Bauvorschriften schreiben zur Gestaltung der Gebäude Satteldächer mit einer Dachneigung von 28 - 32° vor; Abweichungen können bei untergeordneten Gebäudeteilen und Nebengebäuden zugelassen werden. Ausnahmsweise kann anstelle des Satteldachs ein gegeneinander höhenversetztes Pultdach zugelassen werden.
Mit Bauantrag vom 15.05.2003 beantragte die Klägerin, das Wohnhaus in der jetzt verwirklichten Gestalt mit einem Walmdach mit Dachneigung von 28° errichten zu dürfen. Mit Deckblatt vom 21.06.2003 wurde der Bauantrag dahin geändert, dass die Walmbedachung jeweils durch ein Satteldach mit gleicher Dachneigung ersetzt wurde. Mit dieser Maßgabe wurde das Vorhaben mit Baubescheid vom 11.08.2003 genehmigt und durch Nachtragsbaugenehmigung vom 13.11.2003 (bezüglich eines Stellplatzes und Überschreitung der Baugrenze durch die Garage) ergänzt. Nachdem festgestellt worden war, dass mit der Erstellung des Walmdachs begonnen wurde, stellte das Landratsamt Lörrach mit Verfügung vom 01.12.2003 den Bau sofort vollziehbar ein. Unter dem 27.11.2003 beantragte die Klägerin eine Befreiung von der Festsetzung der Dachform zugunsten eines Walmdachs bei Einhaltung der vorgeschriebenen Traufhöhe und Dachneigung. Diesen Antrag erhielt sie nicht aufrecht und beantragte stattdessen, ihr eine Änderung des Hauptdachs auf der Ostseite, einen Rückbau des Walmdachs zu einem Satteldach entsprechend der Genehmigung sowie umlaufende gleiche Traufhöhen am Gebäude zu gestatten. Diesem Antrag wurde durch eine weitere Nachtragsbaugenehmigung vom 05.02.2004 entsprochen. Die Genehmigungen vom 11.08.2003 und vom 05.02.2004 wiesen unter „besondere Bedingungen und Auflagen“ auf die Verpflichtung zur Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans hin, soweit in den Bescheiden nicht ausdrücklich eine Ausnahme oder Befreiung zugelassen worden sei.
In der Folgezeit wurde festgestellt, dass das Dach weitergebaut und das Dachflächenfenster in das nicht genehmigte Walmdach eingebracht war. Es fand ein Ortstermin der auf bauordnungsrechtliche Maßnahmen drängenden Gemeinde sowie Schriftwechsel zwischen den Prozessbevollmächtigten der Gemeinde und der Klägerin statt.
Mit Verfügung vom 22.07.2004 gab das Landratsamt Lörrach der Klägerin auf, die ungenehmigten Walmdächer auf dem Wohnhaus und der Garage ihres Anwesens durch Satteldächer entsprechend der Baugenehmigung vom 05.02.2004 oder auf eine andere zugelassene Ausführungsart innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Bestandskraft zu ersetzen. Für den Fall der Nichtdurchführung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000,-- EUR angedroht. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der verfügte Umbau der formell wie materiell baurechtswidrigen Walmdächer in Satteldächer sei geeignet aber auch erforderlich, um rechtmäßige Zustände der Gebäude herbeizuführen. Es seien bereits mehrere Anträge bzw. Anfragen von Bauwilligen aus dem Baugebiet bezüglich Walmdächern abschlägig beschieden worden, in zwei Fällen hätten die Bauherrn sogar Mehraufwand für die Dachänderung an ihrem Fertighaus in Kauf nehmen müssen. Eine Befreiung von den Gestaltungsvorschriften scheide aus. Die Umbauverfügung stehe auch nicht außer Verhältnis zur Zielsetzung. Gemeinde wie Landratsamt hätten von Anfang an zu erkennen gegeben, dass an der Dachgestaltung mit Satteldächern ausnahmslos festgehalten werde. Gegen diese Verfügung legte die Klägerin am 27.08.2004 Widerspruch ein, den sie, teilweise unter Bezugnahme auf einen Einspruch im parallel laufenden Bußgeldverfahren, ausführlich begründete.
Am 23.09.2004 leitete die Klägerin ein Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan und die Örtlichen Bauvorschriften „Unter der ... Straße“ ein (Az.: 3 S 2266/04). Das Verfahren wurde auf Anregung des Berichterstatters mit Zustimmung der Beteiligten durch Beschluss vom 15.03.2005 zum Ruhen gebracht.
Mit Bescheid vom 16.12.2004, zugestellt am 20.12.2004, wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch mit ausführlicher Begründung zurück: Es sei ermessensfehlerfrei, wenn der Umbau des formell wie materiell baurechtswidrigen Walmdachs verfügt worden sei. Die Umbauverpflichtung sei weder unverhältnismäßig noch widerspreche sie dem Gleichheitsgrundsatz. Der derzeit baurechtswidrige Zustand strahle negativ in die Öffentlichkeit aus. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindere jedenfalls bei Schwarzbauten die Behörden nicht daran, auch den Abbruch größerer Bauwerke zu verlangen. Denn der Bauherr habe in einem solchen Fall bewusst auf eigenes Risiko gebaut. Daher könne die Klägerin mit ihrem Vorbringen zu erheblichen technischen und finanziellen Aufwand nicht durchdringen. Hinzu komme, dass die Klägerin nicht nur in voller Kenntnis bewusst gegen geltende Bauvorschriften verstoßen, sondern sich in voller Absicht und zielstrebig über die maßgeblichen Vorschriften hinweggesetzt habe. Damit habe sie die Konsequenzen nicht nur billigend in den Kauf genommen, sondern geradezu provoziert. Zur Aufrechterhaltung der Baumoral sei es in solchen Fällen besonders notwendig, gegen rechtswidrige Bauvorhaben einzuschreiten. Auch wenn das Gebäude in architektonischer Hinsicht gelungen sei, könne nicht gestattet werden, dass objektiv-rechtliche städtebauliche Bestimmungen durch eigene subjektive Vorstellungen der Bauherrn ersetzt würden. Gegen die Zulässigkeit der Regelung über die Dachform nach § 74 Abs. 1 LBO bestünden keine Bedenken. Auf den Gleichheitsgrundsatz könne sich die Klägerin nicht berufen.
Mit ihrer am 19.01.2005 erhobenen Klage hat die Klägerin bestritten, bewusst oder auch nur in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der gewählten Dachform gebaut zu haben. Sowohl der damalige Planverfasser wie auch der Bauleiter hätten ihr erklärt, mit dem Walmdach, einer Sonderform des Satteldachs, gehe es in Ordnung. Die Örtlichen Bauvorschriften seien unwirksam, weil abwägungsfehlerhaft. Überdies beruhe die Verfügung auf Ermessensfehlern. Ihre erheblichen, dem geforderten Umbau entgegenstehenden Interessen seien nicht ausreichend gewichtet worden. Bei einem Umbau müsse die Statik massiv verändert werden und es entstehe ein erheblicher finanzieller Aufwand. Ein Auszug während der Bauarbeiten sei der pflegebedürftigen alten Mutter der Klägerin nicht zumutbar. Das Verschulden der Klägerin sei falsch bewertet worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klagebegründung verwiesen.
Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage mit Urteil vom 07.07.2006 - 4 K 94/05 - abgewiesen: Das ungenehmigt errichtete Walmdach widerspreche den Örtlichen Bauvorschriften. Das dort geforderte Satteldach sei eine technisch und rechtlich eingeführte Dachform. Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot sei nicht festzustellen. Eine Abwägung durch den Gemeinderat der Gemeinde ... zwischen den widerstreitenden Interessen der Gemeinde und der Grundstückseigentümer habe stattgefunden, auch wenn sich dies nicht deutlich aus den Verfahrensakten entnehmen lasse. Es handle sich bei den Regelungen über die Dachform um eine Vorschrift, die weder die bauliche Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke einschränke noch den Bauherrn übermäßige gestalterische Vorgaben mache. Die jeweils berührten Interessen lägen im Übrigen auch offen zu Tage. Der Gemeinde gehe es ersichtlich darum, durch Vorgabe einer bestimmten Dachform ein in sich geschlossenes Baugebiet zu schaffen und dadurch für eine gewisse Einheitlichkeit der Dachlandschaft im Plangebiet zu sorgen. Nach Darstellung der Gemeinde sollten die neuen Gebäude in das bestehende bauliche und landschaftliche Umfeld eingebunden werden, um die angestrebte architektonische und städtebauliche Qualität zu sichern. Hinter diesem gestalterischen Ziel seien die Eigentümerinteressen an möglichst ungeschmälerter Erhaltung der Gestaltungsfreiheit nicht unangemessen zurückgestellt. Die Klägerin könne auch keine Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO von diesen Festsetzungen verlangen. Dass im Baugebiet bislang von der Festsetzung „Satteldach“ nur in einem Fall „für ein Pultdach“ befreit worden sei, belege nichts Gegenteiliges. Pultdächer seien als Ausnahmen in den Örtlichen Bauvorschriften ausdrücklich vorgesehen.
Ermessensfehler lägen nicht vor. Bei der Entscheidung über das „ob“ einer Abbruchsanordnung handle es sich um ein sog. intendiertes Ermessen. Insofern werde auf die Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen. Bei der Ermessensentscheidung seien die Belange der Klägerin (Kosten) ebenso berücksichtigt worden, wie die hartnäckige Verfolgung der Errichtung eines Walmdachs. Die Klägerin habe ersichtlich bewusst versucht, durch immer neue Bauanträge Zeit zu gewinnen und das Landratsamt hinzuhalten. Während sie in den Bauanträgen nach der Baueinstellung stets bekundet habe, sie werde das Walmdach in ein Satteldach umändern, habe sie auf der Baustelle genau das Gegenteil realisiert. Letztlich spreche alles dafür, dass sie von Anfang an versucht habe, ein Walmdach - ob mit oder ohne Baugenehmigung - zu verwirklichen. Dies werde dadurch bestätigt, dass bereits der „Unterbau“ des Wohnhauses stets nur für ein Walmdach konzipiert gewesen sein müsse. Mit dem Argument, der bauleitende Architekt sei „an allem Schuld“ könne die Klägerin nicht durchdringen, selbst wenn dieser nicht von ihr angewiesen worden wäre, ein Walmdach zu errichten. Ein Architekt, der keine genehmigungsfähige Planung leiste bzw. die genehmigte Planung umsetze, mache sich dem Bauherrn gegenüber schadensersatzpflichtig. Angesichts des dokumentierten Verfahrensgangs könne abgesehen davon auch keine Gutgläubigkeit der Klägerin in Bezug auf die Äußerung des bauleitenden Architekten angenommen werden, eine Befreiung sei ohne Weiteres zu bekommen. Die Umbauverfügung sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Da die Klägerin in Kenntnis der Rechtswidrigkeit bzw. der ablehnenden Haltung der Gemeinde gleichwohl die ursprüngliche nicht genehmigte Walmdachplanung verwirklicht habe, erscheine der geforderte Rückbau auch dann als verhältnismäßig, wenn dafür tatsächlich Kosten i.H.v. 140.000,-- EUR aufzuwenden wären. Auch im Verhältnis zu den gesamten Baukosten werde dadurch die der Klägerin zumutbare Opfergrenze nicht überschritten. Ein Regress gegen den bauleitenden Architekten erscheine durchaus erfolgversprechend, möglicherweise komme auch ein Regress gegen die Fertighausfirma ... in Betracht. Hierzu bedürfe es jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Eine Hinnahme des in die Öffentlichkeit ausstrahlenden Verstoßes durch die Klägerin und eine bloße Ahndung als Ordnungswidrigkeit könne als Kapitulation der Behörden vor der Schaffung vollendeter Tatsachen gedeutet und als Einladung zur Nachahmung missverstanden werden. Nach alldem komme es auf die Frage der sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin und ihrer Familie nicht mehr entscheidend an. Abschließend bleibe festzustellen, dass die von der Klägerin befürchteten Belastungen durch die Umbaumaßnahmen wie auch die von ihr angegebenen Gebäudeschäden infolge der Baueinstellung und die durch verzögerte Fertigstellung entstandenen Mehrkosten allein in ihren Verantwortungsbereich fielen und nichts für die Frage der Unverhältnismäßigkeit des Dachumbaus hergäben.
10 
Die Klägerin hat gegen dieses am 07.09.2006 zugestellte Urteil die vom Senat durch Beschluss vom 15.08.2007 - 3 S 2152/06 - zugelassene Berufung, nach mehrfacher, rechtzeitig beantragter Verlängerung der Begründungsfrist, am 17.12.2007 begründet. Sie macht, in Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags, zusammenfassend geltend: Die Umbauverfügung sei schon mangels materieller Baurechtswidrigkeit des Walmdachs rechtswidrig. Die ein Satteldach fordernden Örtlichen Bauvorschriften seien nichtig. Sie widersprächen dem nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geforderten Gebot der sachlichen Rechtfertigung. Es fehle an einem hinreichenden Gestaltungskonzept zur Verwirklichung bestimmter baugestalterischer Absichten. Die Gemeinde habe eine erforderliche Ortsbildanalyse nicht vorgenommen. Die Begründung zu den Gestaltungsvorschriften sei lediglich formelhaft. Die Festsetzung von Satteldächern verfehle auch das eigene gestalterische Ziel, eine „lebendige“ Dachlandschaft zu erhalten. Vor Aufstellung des Bebauungsplans habe es in ... keine Dachlandschaft mit Satteldächern gegeben. Die Örtlichen Bauvorschriften seien auch abwägungsfehlerhaft. Eine Abwägung habe schon nicht in der gebotenen Weise stattgefunden. Die Anforderungen müssten insofern angesichts des Gewichts von Regelungen zur Dachform nicht zu gering angesetzt werden. Es handle sich um einen Eingriff in die Baufreiheit. Das beanstandete Walmdach sei jedoch auch bei Gültigkeit der Örtlichen Bauvorschriften zulässig. Walmdächer seien eine Sonderform des Satteldachs. Vorliegend sei ein „Sattel“ vorhanden. Die Klägerin habe jedenfalls einen Befreiungsanspruch nach § 56 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 LBO im Zusammenspiel mit § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO, da sie auf der Südseite des Daches eine energiesparende Solaranlage angebracht habe. Solches habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg auch schon für eine Photovoltaikanlage entschieden. Das Walmdach sei auch mit öffentlichen Belangen vereinbar, da es einen Beitrag zur angestrebten lebendigen Dachlandschaft leiste. Schließlich sei das Umbauverlangen auch ermessensfehlerhaft. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz und belaste die Klägerin unverhältnismäßig. Die Klägerin habe nicht auf eigenes Risiko rechtswidriges Handeln in Kauf genommen und habe nicht in „schwarz gebaut“. Dies ergebe sich aus dem Geschehen vor und während des Baues. Sie habe sich in gutem Glauben an die Aussagen beider am Bau beteiligten Architekten mit dem Änderungswunsch an die Gemeinde gewandt. Beide Architekten hätten die Problemlosigkeit einer Befreiung hervorgehoben. Die Klägerin habe durch Stellung des Befreiungsantrag vom 01.12.2003 erst das behördliche Verfahren gegen sie in Lauf gesetzt. Die Maßnahme sei auch deswegen unverhältnismäßig, weil sie der Allgemeinheit keinen städtebaulichen Nutzen bringe. Das Gebäude sei, wie auch das Regierungspräsidium einräume, architektonisch gelungen und füge sich harmonisch in die Umgebung ein. Es falle gestalterisch nicht auf und stelle keinen Fremdkörper dar. Im Baugebiet sei ein ebenfalls satzungswidriges auffälliges Pultdach zugelassen worden.
11 
Die Klägerin beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 07. Juli 2006 - 4 K 94/05 - zu ändern und den Bescheid des Landratsamts Lörrach vom 22. Juli 2004 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 16. Dezember 2004 aufzuheben,
13 
hilfsweise, das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 07. Juli 2006
14 
- 4 K 94/05 - zu ändern und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 16. Dezember 2004 aufzuheben.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er verweist auf die Begründung des angegriffenen Urteils und führt zusätzlich aus: Das Satteldach sei verlangt worden, weil es in der Gemeinde ... die am weitesten verbreitete Dachform darstelle. Man habe damit ein Mindestmaß an ortstypischen Merkmalen festgelegt. Die Festsetzung habe nach dem Planungswillen des Gemeinderats gleichzeitig dazu gedient, Bauformen mediterraner Baukultur, wie sie unter der Bezeichnung „Typ Toskana“ von Fertigbaufirmen zunehmend vertrieben würden, in dem Baugebiet auszuschließen. Ein Bauvorhaben dieser Stilrichtung sei Ausgangspunkt für die Festlegung der Dachform Satteldach gewesen. In einem vergleichbaren Verfahren hätte die Gemeinde nach § 34 BauGB gezwungenermaßen zustimmen müssen. Eine Ortsbildanalyse hätte nicht durchgeführt werden müssen. Die Gemeinde habe zudem in den Kaufverträgen mit der Klägerin und den übrigen Bauwilligen im Plangebiet auf den Bebauungsplan und die Örtlichen Bauvorschriften hingewiesen; beim Abschluss des Kaufvertrags mit der Klägerin 2002 sei der Bebauungsplan in Kraft gewesen. Die Klägerin könne sich abgesehen davon wegen Fristablaufs nicht mehr auf Abwägungsmängel bei der Entscheidung über die Örtlichen Bauvorschriften berufen.
18 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Bau- und Bebauungsplanakten Bezug genommen sowie auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf die schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos und sonstigen Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die zulässige, insbesondere - nach rechtzeitig beantragter Verlängerung - fristgemäß und ausführlich begründete Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage gegen den Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zu Recht als unbegründet abgewiesen (A.). Die im Hilfsantrag auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage ist unzulässig (B.).
A.
20 
Die im Hauptantrag angegriffene Beseitigungs- bzw. Umbauverfügung vom 22.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2004 ist rechtmäßig (I.) und auch frei von Ermessensfehlern (II.). Sie verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. §§ 113 Abs. 1, 114 Satz 1 VwGO).
I.
21 
Die Beklagte war berechtigt, die streitige Verfügung aufgrund der (kumulativ einschlägigen) Ermächtigungen nach § 65 Satz 1 LBO (bezüglich Teilabbruch) und § 47 Abs. 1 LBO (bezüglich der statisch-baulichen Umgestaltung des Dachstuhls) zu erlassen. Denn das von der Klägerin errichtete Dach auf dem Hauptgebäude und auf der Garage ist von Anbeginn an fortlaufend sowohl formell wie materiell baurechtswidrig und es können auch nicht auf andere Weise - durch Befreiung - rechtmäßige Zustände hergestellt werden (zur Zugehörigkeit letzterer Voraussetzung zum Tatbestand des § 65 Satz 2 LBO vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, VBlBW 2004, 263 ff.).
22 
1. An der formellen Baurechtwidrigkeit des streitgegenständlichen Daches bestehen keine Zweifel. Dessen tatsächliche Ausführung weicht sowohl von den genehmigten Bauvorlagen der Ausgangsbaugenehmigung vom 11.08.2003 in der Fassung der ersten Nachtragsbaugenehmigungen vom 13.11.2003 als auch von der maßgeblichen - der Klägerin hinsichtlich der bereits verwirklichten Traufhöhe sowie der Dach- und Außenwandgestaltung an der Ost- und Nordseite entgegenkommenden - zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 05.02.2004 ab. Die Klägerin hat das Wohnhaus entsprechend ihrem ersten, nicht genehmigten Antrag vom 15.05.2003 mit einem auf vier Seiten abgewalmten Dach versehen und auch die im Norden an das Wohnhaus angebaute Doppelgarage hat auf ihren freien Seiten ein abgewalmtes Dach erhalten. Genehmigt ist jeweils aber nur ein durchgehendes, nach Westen hin abknickendes Satteldach auf dem Wohnhaus und ein ebensolches Satteldach im Garagenbereich (vgl. die mit Genehmigungsvermerk versehen Lagepläne vom 12.05.2003 bzw. vom 01.10.2003, den Plan Grundriss Obergeschoss vom 21.06.2003 sowie die Ansichtenpläne vom 07.12.2003).
23 
2. Das streitige Dach ist auch materiell baurechtswidrig. Es widerspricht der baugestalterischen Regelung über die Dachform in den Örtlichen Bauvorschriften der Gemeinde ... für das Baugebiet „Unter der ... Straße“ vom 16.09.2002 (künftig ÖBV). Nach Nr. 1.1. Satz 1 der ÖBV sind Satteldächer mit 28 - 35° Dachneigung (Änderung vom 20.01.2003) festgesetzt. Diese Dachform muss strikt eingehalten werden, die Abweichungsmöglichkeit nach Nr. 1.1 Satz 2 der ÖBV bezieht sich ersichtlich nur auf die Dachneigung. Als einzige Abweichungsmöglichkeit sieht Nr. 1.1 Satz 3 der ÖBV vor, dass ausnahmsweise statt der Satteldächer auch Pultdächer in einer bestimmten baugestalterischen Beschaffenheit zugelassen werden können.
24 
2.1 Das von der Klägerin verwirklichte Dach ist mit Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV nicht vereinbar. Es entspricht weder auf dem Hauptgebäude noch auf der Garage der Dachform des Satteldaches, sondern ist jeweils als Walmdach gestaltet.
25 
Der Begriff des „Walmdachs“ ist in der Rechtspraxis wie der Bautechnik geklärt. Ein Walmdach unterscheidet sich nach eindeutigen Kriterien von der Dachform des Satteldachs. Ein Satteldach zeichnet sich nach allgemeinem Sprachgebrauchs dadurch aus, dass sich zwei schräge Dachflächen in einer Firstlinie schneiden und an den Seitenwänden des Gebäudes dreieckige Giebel entstehen. Wesentlich sind mithin zwei Elemente: Zum einen ein in gerader Linie verlaufender Dachfirst (der „Sattel“) und zum anderen zwei meist auf der Schmalseite verlaufende, von den Dachflächen umschlossene, ein oberes Dreieck bildende und in der Regel senkrecht verlaufende Wandflächen (die Giebel); deswegen ist teilweise auch die Bezeichnung „Giebeldach“ geläufig. Ein Satteldach liegt auch bei abknickenden Gebäudeteilen (und abknickenden Dachfirsten) vor, sofern beide Gebäudeaußenwände als Giebelwände ausgestaltet sind. Mit den aufgezeigten Merkmalen lässt sich das - durchgehende wie das abknickende - Satteldach von der Dachform des Walmdachs klar abgrenzen. Maßgeblich für ein Walmdach ist, dass - anders als beim Zelt- oder Pyramidendach, bei dem die Dachflächen in einem oberen Punkt zusammenlaufen - zwar ein (im Verhältnis zum Satteldach verkürzter) Dachfirst vorhanden ist, es jedoch an senkrechten Giebelwänden fehlt, weil auch die seitlichen Begrenzungsflächen als abgeschrägte Dachflächen ausgebildet sind (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.02.2008 - 3 S 2555/07 -, ESVGH 58, 182 ff.; Urteil vom 17.03.2004 - 5 S 2591/93 -, ESVGH 44, 315). Auch beim Walmdach können die Gebäudeteile und der First abknicken, sofern die Dächer an den abknickenden Gebäudeseiten abgewalmt sind. Sind die Giebel nicht vollständig abgewalmt, sondern enden die seitlichen Dachflächen oberhalb der Traufe des Hauptdachs, spricht man von einem Schopfwalmdach oder Krüppelwalmdach (VGH Bad.-Württ., a.a.O.). Ein Walmdach mit verkürztem Sattel (sog. Mittelfirst) ist demnach entgegen der von der Klägerin im Verfahren vertretenen Auffassung kein Unterfall des Satteldachs, sondern eine eigenständige Dachform.
26 
Gemessen daran handelt es sich im vorliegenden Fall zweifelsfrei um ein typisches und „vollständiges“ - an beiden abknickenden Seitenwänden gleichmäßig bis zum umlaufenden Dachtrauf abgeschrägtes - Walmdach. Die für ein Satteldach notwendig erforderlichen Giebel sind weder am Hauptgebäude noch an der Garage vorhanden.
27 
2.2 Die Festsetzung von Satteldächern in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV ist auch wirksam.
28 
a) Verfahrensrechtliche Gültigkeitsbedenken gegen die ÖBV sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich. Gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 74 Abs. 1 LBO sind sie als Festsetzungen zulässigerweise zusammen mit dem Bebauungsplan beschlossen worden, wobei sich das Verfahren für ihren Erlass in vollem Umfang nach den bauplanungsrechtlichen Vorschriften richtet (§ 74 Abs. 7 LBO; zur Zulässigkeit der Aufnahme der ÖBV in einem Bebauungsplan, vgl. im Einzelnen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.04.2002 - 8 S 172/02 -, VBlBW 2003, 123). Verfahrensfehler aus dem Katalog der - auch auf ÖBV anwendbaren - Planerhaltungsvorschrift des § 214 BauGB (dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149) wären im Übrigen unbeachtlich geworden, da sie - trotz ordnungsgemäßen Hinweises gemäß § 215 Abs. 2 BauGB in der Bekanntmachung - nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB 1998 gegenüber der Gemeinde... gerügt worden sind. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs gilt die Rügefrist des § 215 Abs. 1 BauGB als Element der Planerhaltung nicht nur in Normenkontrollverfahren, sondern auch in Verfahren, in denen Bebauungspläne oder Örtliche Bauvorschriften, wie hier, inzident zu prüfen sind (Urteil vom 05.10.2006, a.a.O.).
29 
b) Auch materiell rechtlich entspricht die Satteldachpflicht in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV Satteldächern den gesetzlichen Anforderungen. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
30 
aa) Die Festsetzung der Dachform eines Satteldachs in den ÖBV ist bestimmt (zum Begriff des Satteldachs siehe oben) und auch von der Ermächtigungsgrundlage in § 74 Abs. 1 Nr. 1 LBO gedeckt. Danach können die Gemeinden u.a. zur Durchführung baugestalterischer Absichten in bestimmten unbebauten Gebieten Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen stellen. Dachformen sind in diesem Sinn Gestaltungselemente von Gebäuden. Mit derartigen Regelungen zur Gestaltung der Dachlandschaft greifen die ÖBV auch nicht unzulässig in die dem Bundesgesetzgeber (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) zugewiesene Kompetenz zur städtebaulichen Ortsbildgestaltung ein (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB). Denn bundesrechtlich steht der Gemeinde nur der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Regelungen über die Dachform oder die sonstige äußere Gestaltung baulicher Anlagen - mit Ausnahme von Regelungen über die Gebäudestellung (Firstrichtung) gehören nicht dazu, sie können auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 BauGB oder der BauNVO daher nicht getroffen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O. sowie BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169).
31 
bb) Die Festsetzung von Satteldächern als der ausschließlich zulässigen Dachform im Gebiet „Unter der ... Straße“ ist entgegen dem Einwand der Klägerin auch von „baugestalterischen Absichten“ i.S.v. § 74 Abs. 1 LBO getragen. Mit dieser Ermächtigung räumt der Gesetzgeber den Gemeinden nicht nur die Befugnis zur Abwehr verunstaltender Anlagen ein, sondern verleiht ihnen darüber hinaus das Recht zur positiven Gestaltungspflege in Teilen des Gemeindegebiets (so bereits VGH Bad.-Württ., NK-Beschluss vom 26.08.1982 - 5 S 858/82 -, VBlBW 1983, 1180 - zu § 111 LBO 1972). Mit dem Regelungskatalog in Nr. 1 der ÖBV (Dachform, Dachneigung, Dachaufbauten, Dacheinschnitte, Dach- und Wandmaterialien) macht die Gemeinde ... ersichtlich von diesem Recht zur Gestaltungspflege Gebrauch. Die dortigen Regelungen sollen - ergänzend zu den städtebaulichen Regelungen über die abgestuften Gebäudehöhen und Gebäudestellungen (vgl. Nrn. 2.2 - 2.5. Textteil des Bebauungsplans) - der „Gestaltung der Gebäude“ (so die Überschrift) in ihrer individuellen Erscheinungsform einerseits und in ihrem übergreifenden optischen Bezug zum Plan- und Gemeindegebiet andererseits dienen. Beide Zielrichtungen ergeben sich schon aus Art und Typus der einzelnen Gestaltungsvorgaben sowie aus Nr. 6 der Planbegründung („Städtebauliche Gestaltung“). Danach soll mit den die Gestaltungsregelungen die „Einbindung der neuen Gebäude in das bestehende bauliche und landschaftliche Umfeld“ gewährleistet werden, um die „angestrebte architektonische und städtebauliche Qualität auch rechtlich zu sichern“. Die Satteldachpflicht zielt in diesem Sinn auf die Einbettung der „Dachlandschaft“ des Plangebiets in dessen „bauliches Umfeld“ ab. Den Anforderungen an ein nachvollziehbares Konzept im Sinne von § 74 Abs. 1 LBO ist damit genügt. Die Frage, ob sich dieses Konzept gegenüber anderen Belangen durchsetzen kann, ist eine Frage der Abwägung (dazu nachfolgend).
32 
cc) Die Forderung nach Satteldächern verstößt auch nicht gegen das Gebot, die von der beabsichtigten Regelung berührten öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin, die entgegen der Auffassung der Beklagten innerhalb der hier geltenden Frist von 7 Jahren allerdings noch rügefähig wären (vgl. § 215 Abs. 2 BauGB 1998), teilt der Senat nicht.
33 
Zwar findet die nur für Bebauungspläne geltende Regelung des § 1 Abs. 6 BauGB a.F. / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. auf örtliche Bauvorschriften auch dann keine (unmittelbare) Anwendung, wenn diese - wie hier - zusammen mit einem Bebauungsplan beschlossen werden. Denn § 74 Abs. 7 LBO verweist nur für das Verfahren zum Erlass dieser Vorschriften auf das BauGB, während es sich bei § 1 Abs. 6 BauGB a.F. / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern eine materiell-rechtliche Regelung handelt. Die Verpflichtung der Gemeinde zu einer Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ergibt sich jedoch unabhängig von einer solchen Verweisung aus dem Umstand, dass mit den von ihr erlassenen Örtlichen Bauvorschriften Inhalt und Schranken des privaten Eigentums geregelt werden und hierbei die Interessen der Allgemeinheit sowie die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.06.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O.; Urteil des Senats vom 11.10.2006, a.a.O.; st. Rechtspr. auch der anderen Oberverwaltungsgerichte, vgl. dazu etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, DVBl. 2009, 56; OVG NRW, Urteil vom 07.11.1995 - 11 A 293/94 -, NVwZ-RR 1996, 491 f.; s. auch BVerwG, Beschluss vom 10.12.1979 - 4 B 164/79 -). Dem ist der Satzungsgeber vorliegend gerecht geworden.
34 
aaa) Fehler im Abwägungsvorgang liegen nicht vor.
35 
Zunächst sind Fehler in Gestalt eines Abwägungsausfalls (keine Abwägung mit privaten Interessen) oder eines Abwägungsdefizits (Ausklammerung erkennbarer abwägungserheblicher privater Interessen) nicht zu erkennen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gemeinderat sich mit den für und gegen eine Satteldachpflicht sprechenden Belangen in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass örtliche Baugestaltungsvorschriften nicht zu den zentralen Regelungen eines Bebauungsplans gehören, sondern die maßgeblichen bodenrechtlichen Festsetzungen lediglich ergänzen. Dies gilt auch für Regelungen über die Dachform für ein durch die städtebaulichen Festsetzungen zum Nutzungsmaß (Grundfläche, Höhe, Stockwerkszahl) bereits weitgehend determiniertes Gebäude. Das Verlangen nach einer bestimmten Dachform stellt auch keine im Verhältnis zu anderen typischen Gestaltungsvorschriften im Dachbereich (etwa: Farbe der Dacheindeckung, Vorgabe der Dachneigung, Regelung von Dachaufbauten) außergewöhnliche Belastung für die Grundstückseigentümer dar. Angesichts der beschränkten Bedeutung dieser Regelung kann allein aus dem Fehlen von Abwägungshinweisen in den Verfahrensakten nicht geschlossen werden, dass der Gemeinderat sich bei der Beschlussfassung nicht mit den für und gegen die Vorgabe einer bestimmten Dachform sprechenden Belangen abwägend befasst hat (BVerwG, Beschluss vom 29.01.1992 - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O.). Auch in der Begründung der ÖBV mussten die abwägungserheblichen Gesichtspunkte nicht umfassend zum Ausdruck kommen, zumal die Pflicht zur Begründung mangels Geltung des § 9 Abs. 8 BauGB, aber auch aus rechtsstaatlichen Gründen für Örtliche Bauvorschriften generell nicht besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.11.1992 - 4 NB 28.92 -, DVBl. 1993, 116 ff., sowie etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.05.1995 - 1 L 165/94 -, Juris). Vor diesem Hintergrund kommen die für die Dachform des Satteldachs angeführten öffentlichen Belange durch den knappen aber inhaltlich klaren Hinweis in der Begründung, dass die neuen Gebäude (unter anderem) in das bestehende bauliche Umfeld des Baugebiets eingebunden werden sollen, hinreichend zum Ausdruck. Mit dieser Einbindung war gewollt, wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeht, Satteldächer als die in der Gemeinde ... vorherrschende Dachform auch in dem großen Neubaugebiet verpflichtend einzuführen, diese Dachform mithin als dominierendes ortstypisches Gestaltungselement zu festigen und abzusichern. Gleichzeitig wollte man damit dem Haus der Klägerin vergleichbare Walmdachgebäude mediterranen Zuschnittes („Toskana-Häuser“) aus dem Baugebiet zugunsten herkömmlicher Hausformen heraushalten. Hintergrund war, dass ein derartiges, von der Gemeinde als gestalterisch unpassend empfundenes Wohnhaus von der Baurechtsbehörde auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 BauGB hätte zugelassen werden müssen. Da während des Bebauungsplanverfahrens Einwendungen der Grundstückseigentümer gegen das - aus den ausliegenden Plänen klar ersichtliche - Satteldachkonzept nicht erhoben wurden, brauchte der Gemeinderat auf diese Gestaltungsinteressen nicht ausdrücklich einzugehen.
36 
Der Gemeinderat ist bei der Definition des Gestaltungskonzepts auch von zutreffenden Tatsachengrundlagen ausgegangen. Es trifft entgegen dem Vorbringen der Klägerin zu, dass Satteldächer in ... quantitativ ein derartiges Übergewicht über andere Dachformen haben, dass sie das Ortsbild schon bisher maßgeblich prägen. Dies ergibt sich eindeutig aus den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und eingesehenen Luftbildern der Gemeinde und wird auch durch die von der Klägerin vorgelegten Fotos nicht widerlegt. Aus diesen ergibt sich zwar, was im Übrigen unstreitig ist, dass sich im Gemeindegebiet von ... auch eine Reihe meist älterer Häuser mit Walm- oder Krüppelwalmbedachung befinden, darunter auch zwei Gebäude unmittelbar östlich des Plangebiets (vgl. Fotos Bl. 89 ff. VG-Akte sowie Fotos aus der mündlichen Verhandlung). Die insgesamt deutliche Überzahl der Satteldachgebäude und deren prägende Wirkung auf das Ortsbild von ... wird dadurch nicht in Frage gestellt. Dies lässt sich auch ohne Ortstermin eindeutig aus den vorliegenden Luft- und Übersichtsbildern erkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.12.2008 - 4 BN 26.08 -, Juris).
37 
Schließlich ist das Plankonzept auch nicht in sich widersprüchlich. Die Aussage in der Planbegründung, man wolle die „lebendige optische Dachlandschaft“ in ... zur Geltung bringen, bezieht sich zweifelsfrei nur auf die im vorhergehenden Satz erwähnte Firstrichtung der Gebäude, die - historische Vorbilder aufgreifend - ausnahmsweise auch rechtwinklig um 90° abknicken darf (vgl. dazu Nr. 6 Satz 3 der Begründung); eine Vielfalt der Dachformen wird damit ersichtlich nicht angestrebt.
38 
bbb) Das dargelegte Gestaltungskonzept der Gemeinde ... begegnet auch im Ergebnis keinen Bedenken.
39 
Da die Baufreiheit der Eigentümer eingeschränkt wird, muss den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung getragen werden. Die Einschränkung der Baufreiheit muss mithin sachlich gerechtfertigt sein und die Interessen der Allgemeinheit und die privaten Interessen der Eigentümer müssen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs stellt die gezielte Gestaltung etwa des Orts- oder Landschaftsbildes ein bedeutsames öffentliches Anliegen dar, das prinzipiell zur Einschränkung privater Eigentümerbefugnisse führen kann. Je gewichtiger die konkrete Gestaltungsaufgabe (das Gestaltungskonzept) ist, umso eingehender dürfen gestalterische Festsetzungen sein, ohne das Übermaßverbot zu verletzen. Umgekehrt reicht das Ziel einer einheitlichen Gestaltung allein um der Einheit oder gar Uniformität willen regelmäßig nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 11.10.2006 - 3 S 337/06 -, VBlBW 2007, 220 ff. unter Zusammenfassung der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs; ähnlich OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, DVBl. 2009, 56 ff.; OVG Niedersachsen, Urteil vom 13.03.2002 - 1 KN 1310/01 -, ZfBR 2003, 54 ff.).
40 
Dem wird die Regelung in Nr. 1.1 der ÖBV noch gerecht. Das Ziel, die vorherrschende Satteldachlandschaft in ... zu erhalten und durch Einführung der Satteldachpflicht in dem recht großen und durch seine Hanglage besonders ortsbildprägenden Plangebiet zu festigen, ist schlüssig, nachvollziehbar und hat hinreichendes Gewicht. Es beschränkt sich nicht auf eine isolierte Betrachtung des Baugebiets, sondern strahlt auf das Ortsbild aus und die angestrebte Satteldachform ist auch kein der Uniformität dienender Selbstzweck (zum Schutzgut der Einheitlichkeit einer auf das Ortsbild ausstrahlenden Dachlandschaft vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149 ff.). Dass das Satteldachkonzept gestalterisch zwingend oder anderen Gestaltungskonzepten auch nur überlegen sein muss, ist nicht erforderlich. Es muss auch nicht ein das Ortsbild in bodenrechtlicher Hinsicht prägendes Gewicht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169 ff.).
41 
Die Interessen der Grundstückseigentümer an der freien Wahl der Dachform bzw. an der Verwirklichung von mediterranen Walmdachgebäuden gerade im Plangebiet konnten ohne Verstoß gegen das Übermaßverbot hinter die öffentlichen Gestaltungsinteressen zurückgestellt werden. Wie an anderer Stelle erwähnt, sind örtliche Gestaltungsvorschriften typischerweise nur von untergeordneter Bedeutung und mit zentralen städtebaulichen Eigentumsbeschränkungen nicht vergleichbar. Regelmäßig schränken solche Gestaltungsbestimmungen weder die bauliche Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke nennenswert ein noch beschränken sie den Bauherrn übermäßig in seinen Gestaltungswünschen oder verursachen erhebliche zusätzliche Kostenbelastungen (so zu Recht VGH Bad.-Württ., Urteile vom 22.04.2002 und vom 05.10.2006, a.a.O.). Auf dieser Bedeutungsebene sind außer Regelungen über Art und Farbgestaltung der Dacheindeckungen (so Urteile vom 22.04.2002 und vom 05.10.2006) auch Regelungen über bestimmte Dachformen anzusiedeln (siehe auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.09.2002 - 8 S 1046/02 -, BRS 65 Nr. 146: Anordnung von Flachdächern, zur Sicherung vorhandener Gartenhofbebauung). Die Pflicht, Satteldächer zu errichten, schränkt die durch das Maß der baulichen Nutzung vorgegebene Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke nicht zusätzlich ein. Vielmehr bietet ein Satteldach im Vergleich zu Walmdächern oder Zeltdächern dem Bauherrn die Möglichkeit, die planungsrechtlichen Nutzungswerte optimal auszuschöpfen. Die Errichtung von Satteldächern verursacht gegenüber Walm- oder Zeltdächern regelmäßig auch keinen höheren finanziellen Aufwand. Das Recht eines Bauherrn auf freie Wahl der Dachform aus bauästhetischen Gründen ist zwar nicht gering zu gewichten, es genießt hier aber keinen Vorrang gegenüber dem Gestaltungskonzept der Gemeinde. Dies würde erst recht gelten, wenn - wie vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung unbestritten vorgetragen und auch aus den Bebauungsplanakten ersichtlich - bereits in den Grundstückskaufverträgen der Gemeinde mit den Bauherren die Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug genommen und zur Bedingung der Bebaubarkeit gemacht worden sein sollten. Auf die Kunstfreiheit können sich Eigentümer im Plangebiet nicht zusätzlich berufen. Art. 5 Abs. 3 GG gewährt nicht die Befugnis, sich über die dem Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigerweise gezogenen Schranken hinwegzusetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.12.1979 - 4 B 164.79 -, BRS 35 Nr. 133).
42 
3. Das planwidrig erstellte Walmdach kann auch nicht im Wege einer Befreiung von der Festsetzung in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV legalisiert werden. Da die streitige Regelung ihre Rechtsgrundlage in § 74 Abs. 1 LBO findet, richten sich die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch sämtlich nicht vor. Gründe des allgemeinen Wohls erfordern die Zulassung des Walmdachs auf dem Hauptgebäude und der Garage nicht. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insofern im Hinblick auf die auf dem südlichen Walmdachflügel angebrachten Solarzellen auf § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LBO i.V.m. § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO. Zwar hat der erkennende Gerichtshof aus einem Zusammenwirken der Abweichungsregel des § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO mit der Befreiungsmöglichkeit nach § 56 Abs. 5 Nr. 1 LBO einen (sogar ermessensgebundenen) Anspruch auf Befreiung bejaht (Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149 ff.). Auf dieses Urteil kann die Klägerin sich aber nicht stützen, denn der dortige Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar. In der zitierten Entscheidung ging es um die Befreiung von Baugestaltungsvorschriften über die Dachfarbe für beide Dachflächen eines Satteldachs, weil die Anbringung von Modulen einer Photovoltaikanlage zwangsläufig dazu führte, dass etwa 99 % der Fläche der südlichen Dachhälfte optisch schwarz in Erscheinung trat, wobei die Voltaikanlage nur in dieser dunklen Farbe erhältlich und funktionsfähig war. Im vorliegenden Fall hängt die Funktionsfähigkeit der Solarzellen jedoch nicht davon ab, dass sie auf der Südseite des Daches angebracht werden. Dort entfalten sie zwar die höchste Energieeffektivität. Sie können jedoch auch auf einer anderen, insbesondere der westlichen Dachfläche mit einem durchaus noch angemessenen Auswirkungsgrad installiert werden. So handhaben es auch anders ausgerichtete Wohnhäuser im Plangebiet. Die Verwirklichung der Solaranlage auf sinnvoller energiewirtschaftlicher Basis „steht und fällt“ damit keineswegs, wenn das vorgeschriebene Satteldach gefordert wird. Zudem ist auf Nr. 2.5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zu verweisen, wonach bei Einzelhäusern die Firstrichtung in besonderen Fällen auch um 90° gedreht werden kann.
II.
43 
Der Beklagte hat den Umbau des Walmdachs in ein Satteldach auch ohne Ermessensfehler angeordnet. Er hat die für und gegen diese Maßnahme sprechenden öffentlichen und privaten Interessen umfassend und ihrem tatsächlichen und rechtlichen Gewicht entsprechend gegeneinander abgewogen und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der §§ 47 und 65 Satz 1 LBO entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).
44 
1. Der Beklagte hat erkannt, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung oder - wie hier - die Umgestaltung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Sauter, Komm. zur LBO, 3. Aufl., § 65 Rn. 44 m.w.N.). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen (sog. intendiertes Ermessen). Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, diesen Zustand ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 11.04.2002 - 4 C 4.01 -, NVwZ 2002, 1250 m.w.N.).
45 
Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Das öffentliche Interesse an der Umwandlung der baurechtswidrigen Walmbedachung in ein Satteldach hat vorliegend keinesfalls geringeres Gewicht als im gesetzlich intendierten Regelfall. Ihm kommt angesichts des Verhaltens der Klägerin im Gegenteil besondere Bedeutung zu. Darauf weisen sowohl der Ausgangs- wie der Widerspruchsbescheid zutreffend hin. Die Klägerin hat die Walmbedachung in voller Kenntnis der formellen wie der materiellen Baurechtswidrigkeit errichtet. Im Ursprungsbauantrag vom 15.05.2003 begehrte sie ein Walmdach in der heutigen Gestalt. Dem von ihr unterschriebenen Antrag war ein gesonderter Befreiungsantrag bezüglich dieser Dachform beigefügt. Der Befreiungsantrag wurde damit begründet, dass der Bauherr „ein Haus nach dem Vorbild eines (existierenden) Musterhauses einer Fertighausfirma“ wünsche, das „bei Satteldachausführung seinen gestalterischen Charakter komplett verlieren würde“. Dies zeigt, dass die Klägerin das Haus von Anfang an als unveränderte Einheit gemäß der Musterhausplanung errichten wollte. An dieser Absicht hielt sie auch fest, nachdem die Befreiung abgelehnt war (vgl. die durch Grüneintrag durchgestrichenen Ursprungspläne) und obwohl ihr Architekt geänderte Pläne für ein Satteldach einreichte, die dann Gegenstand der Baugenehmigung vom 11.08.2003 und der Nachtragsbaugenehmigung vom 13.11.2003 waren. Der Inhalt dieser Nachtragsgenehmigung war der Klägerin bekannt, denn sie hat die genehmigten Pläne für ein Satteldach durch Unterschrift gebilligt (vgl. insbesondere den genehmigten Quer- und Längsschnittplan vom 21.06.2003, Bl. 61 d. Bauakten). Der Klägerin war auch damals schon bewusst, dass die Baurechtsbehörde auf der Errichtung des Satteldachs bestehen würde. Denn die Baugenehmigung vom 11.08.2003 wies ausdrücklich darauf hin, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans einzuhalten sind, „soweit in diesem Bescheid nicht ausdrücklich eine Ausnahme oder Befreiung zugelassen wurde“. Ohne Rücksicht darauf wurde in der Folgezeit an dem Walmdach zügig weitergebaut (vgl. Fotos Bl. 218 d. Bauakten), was nach Entdeckung Ende November 2003 zum Erlass der für sofort vollziehbar erklären Baueinstellungsverfügung vom 01.12.2003 führte. Ein am gleichen Tag gestellter erneuter Befreiungsantrag bezüglich der Dachform wurde zurückgezogen. Stattdessen beantragte die Klägerin unter dem 07.12.2003 wiederum unterschriftlich den „Rückbau des Walmdaches zum Satteldach DN 28 o wie genehmigt“ und erhielt hierfür am 05.02.2004 die Nachtragsbaugenehmigung, die abermals auf die Pflicht zur strikten Einhaltung der planerischen Vorgaben hinwies. Ungeachtet dessen setzte die Klägerin (entgegen anderslautender Versprechungen ihres Architekten, vgl. AV vom 11.02.2004) aber weder diese Rückbaugenehmigung um noch kam sie der Verpflichtung zur Einstellung der Bauarbeiten nach. Stattdessen baute sie - über bloßen provisorischen Nässeschutz des Gebäudes weit hinausgehend - in der Zeit bis März 2004 zusätzlich Dachflächenfenster in das ungenehmigte Walmdach ein. Auf diesbezügliche Schreiben des Landratsamts Lörrach reagierte die Klägerin nicht, sondern setzte erneut die Dacharbeiten fort. Im Juni 2004 wurde schließlich festgestellt, dass am Walmdach Regenrinnen und Regenabläufe angebracht, neue Dachlattungen aufgenagelt und später auch die Dachziegel aufgebracht waren (Aktenvermerke v. 11.06. u.v. 23.06.2004, Bl. 489, 497 R d. Bauakten), was dann zur hier streitgegenständlichen Verfügung vom 22.07.2004 führte.
46 
2. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinerlei Zweifel, dass die Klägerin sich - zurechenbar - fortgesetzt und anhaltend baurechtswidrig verhalten hat. Von ihrem Ursprungsziel, ihr Wohnhaus gemäß den Plänen des Musterfertighauses mit Walmdach auf jeden Fall, gegebenenfalls auch ohne Rücksicht die Rechtslage zu errichten, ist sie niemals abgerückt. Hieraus haben die Behörden zutreffend ein gewichtiges öffentliches Interesse an baurechtlichem Einschreiten abgeleitet, um der Beachtung geltenden Baurechts Geltung zu verschaffen und derart beharrliche Verstöße im Interesse rechtstreuer Bauherrn wirksam zu unterbinden. Dahinter durften die bauästhetischen und finanziellen Interessen der Klägerin am Fortbestand der illegalen Walmbedachung zurückgestellt werden. Darauf, ob der Umbau im Verhältnis zum geforderten Satteldach einen gestalterischen „Gewinn“ bedeutet kommt es nicht an. Das Walmdachhaus im toskanischen Stil ist, wie die Fotos zeigen, für sich gesehen durchaus ansprechend und architektonisch gelungen. Die Klägerin kann aber nicht verlangen, dieses Fertighaus auch in einem Plangebiet zu errichten, in dem derartige Haustypen aus gestalterischen Gründen unerwünscht und ausgeschlossen sind. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der geforderte Rückbau wegen der hohen Kosten unverhältnismäßig sei. Da sie das Fertighaus ohne vorherige Baugenehmigung bestellt und errichtet hat, geht dies grundsätzlich zu ihren Lasten. Der zweifellos erhebliche finanzielle Aufwand für den geforderten - technisch allerdings unstreitig möglichen - Rückbau ist ihr daher zuzumuten, der Rahmen ihrer „Opfergrenze“ wird dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, nicht überschritten.
47 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch ein Verstoß der Umbauverfügung gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht zu erkennen. Unstreitig ist im Baugebiet bisher kein einziges Walmdach zugelassen worden, andere Bauanträge für Fertighäuser mit Walmbedachung Walmdächer wurden abgelehnt (vgl. Schriftverkehr der Gemeinde ... mit den Architekten, Band 4 der Bebauungsplanakten). Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene genehmigte Wohnhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... widerlegt die strikte Ablehnungspraxis für Walmdächer nicht, da es mit einem abknickenden Satteldach mit seitlichen Giebeln versehen ist. Es entspricht insofern dem Dach in der der Klägerin in der Baugenehmigung vom 05.02.2004 genehmigten Gestalt. Darauf, ob das - einzige - Walmdachgebäude der Klägerin im Plangebiet besonders prägend in Erscheinung tritt, kam es für die Ermessensbetätigung nicht entscheidend an.
B.
48 
Der auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Hilfsantrag ist unzulässig. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Der Widerspruchsbescheid kann gesondert nur dann angegriffen werden, wenn er eine erstmalige (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder eine im Verhältnis zum Ausgangsbescheid zusätzliche selbstständige Beschwer erhält. Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg bestätigt lediglich den Ausgangsbescheid des Landratsamts Lörrach, „verbösert“ ihn inhaltlich aber nicht. Eine zusätzliche Beschwer lediglich wegen - wie die Klägerin meint - „verbösernder“ Ermessenserwägungen, sieht das Gesetz nicht vor. Etwaige Rechtsfehler bei der Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid, die im Ausgangsbescheid noch nicht enthalten waren, wären der Ausgangsbehörde zuzurechnen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1989 - 6 S 2694/88 - VBlBW 1990, 297-298 m.w.N.; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. § 79 Rn. 11).
49 
Im Übrigen waren die dem Regierungspräsidium von der Klägerin vorgehaltenen Wertungen, sie habe sich „in voller Absicht zielstrebig“ über die baurechtlichen Vorschriften hinweggesetzt und habe die Konsequenzen „geradezu provoziert“, für dessen Entscheidung aber ersichtlich auch nicht tragend.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
51 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
52 
Beschluss vom 11. März 2009
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 140.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
19 
Die zulässige, insbesondere - nach rechtzeitig beantragter Verlängerung - fristgemäß und ausführlich begründete Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage gegen den Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zu Recht als unbegründet abgewiesen (A.). Die im Hilfsantrag auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage ist unzulässig (B.).
A.
20 
Die im Hauptantrag angegriffene Beseitigungs- bzw. Umbauverfügung vom 22.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2004 ist rechtmäßig (I.) und auch frei von Ermessensfehlern (II.). Sie verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. §§ 113 Abs. 1, 114 Satz 1 VwGO).
I.
21 
Die Beklagte war berechtigt, die streitige Verfügung aufgrund der (kumulativ einschlägigen) Ermächtigungen nach § 65 Satz 1 LBO (bezüglich Teilabbruch) und § 47 Abs. 1 LBO (bezüglich der statisch-baulichen Umgestaltung des Dachstuhls) zu erlassen. Denn das von der Klägerin errichtete Dach auf dem Hauptgebäude und auf der Garage ist von Anbeginn an fortlaufend sowohl formell wie materiell baurechtswidrig und es können auch nicht auf andere Weise - durch Befreiung - rechtmäßige Zustände hergestellt werden (zur Zugehörigkeit letzterer Voraussetzung zum Tatbestand des § 65 Satz 2 LBO vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, VBlBW 2004, 263 ff.).
22 
1. An der formellen Baurechtwidrigkeit des streitgegenständlichen Daches bestehen keine Zweifel. Dessen tatsächliche Ausführung weicht sowohl von den genehmigten Bauvorlagen der Ausgangsbaugenehmigung vom 11.08.2003 in der Fassung der ersten Nachtragsbaugenehmigungen vom 13.11.2003 als auch von der maßgeblichen - der Klägerin hinsichtlich der bereits verwirklichten Traufhöhe sowie der Dach- und Außenwandgestaltung an der Ost- und Nordseite entgegenkommenden - zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 05.02.2004 ab. Die Klägerin hat das Wohnhaus entsprechend ihrem ersten, nicht genehmigten Antrag vom 15.05.2003 mit einem auf vier Seiten abgewalmten Dach versehen und auch die im Norden an das Wohnhaus angebaute Doppelgarage hat auf ihren freien Seiten ein abgewalmtes Dach erhalten. Genehmigt ist jeweils aber nur ein durchgehendes, nach Westen hin abknickendes Satteldach auf dem Wohnhaus und ein ebensolches Satteldach im Garagenbereich (vgl. die mit Genehmigungsvermerk versehen Lagepläne vom 12.05.2003 bzw. vom 01.10.2003, den Plan Grundriss Obergeschoss vom 21.06.2003 sowie die Ansichtenpläne vom 07.12.2003).
23 
2. Das streitige Dach ist auch materiell baurechtswidrig. Es widerspricht der baugestalterischen Regelung über die Dachform in den Örtlichen Bauvorschriften der Gemeinde ... für das Baugebiet „Unter der ... Straße“ vom 16.09.2002 (künftig ÖBV). Nach Nr. 1.1. Satz 1 der ÖBV sind Satteldächer mit 28 - 35° Dachneigung (Änderung vom 20.01.2003) festgesetzt. Diese Dachform muss strikt eingehalten werden, die Abweichungsmöglichkeit nach Nr. 1.1 Satz 2 der ÖBV bezieht sich ersichtlich nur auf die Dachneigung. Als einzige Abweichungsmöglichkeit sieht Nr. 1.1 Satz 3 der ÖBV vor, dass ausnahmsweise statt der Satteldächer auch Pultdächer in einer bestimmten baugestalterischen Beschaffenheit zugelassen werden können.
24 
2.1 Das von der Klägerin verwirklichte Dach ist mit Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV nicht vereinbar. Es entspricht weder auf dem Hauptgebäude noch auf der Garage der Dachform des Satteldaches, sondern ist jeweils als Walmdach gestaltet.
25 
Der Begriff des „Walmdachs“ ist in der Rechtspraxis wie der Bautechnik geklärt. Ein Walmdach unterscheidet sich nach eindeutigen Kriterien von der Dachform des Satteldachs. Ein Satteldach zeichnet sich nach allgemeinem Sprachgebrauchs dadurch aus, dass sich zwei schräge Dachflächen in einer Firstlinie schneiden und an den Seitenwänden des Gebäudes dreieckige Giebel entstehen. Wesentlich sind mithin zwei Elemente: Zum einen ein in gerader Linie verlaufender Dachfirst (der „Sattel“) und zum anderen zwei meist auf der Schmalseite verlaufende, von den Dachflächen umschlossene, ein oberes Dreieck bildende und in der Regel senkrecht verlaufende Wandflächen (die Giebel); deswegen ist teilweise auch die Bezeichnung „Giebeldach“ geläufig. Ein Satteldach liegt auch bei abknickenden Gebäudeteilen (und abknickenden Dachfirsten) vor, sofern beide Gebäudeaußenwände als Giebelwände ausgestaltet sind. Mit den aufgezeigten Merkmalen lässt sich das - durchgehende wie das abknickende - Satteldach von der Dachform des Walmdachs klar abgrenzen. Maßgeblich für ein Walmdach ist, dass - anders als beim Zelt- oder Pyramidendach, bei dem die Dachflächen in einem oberen Punkt zusammenlaufen - zwar ein (im Verhältnis zum Satteldach verkürzter) Dachfirst vorhanden ist, es jedoch an senkrechten Giebelwänden fehlt, weil auch die seitlichen Begrenzungsflächen als abgeschrägte Dachflächen ausgebildet sind (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.02.2008 - 3 S 2555/07 -, ESVGH 58, 182 ff.; Urteil vom 17.03.2004 - 5 S 2591/93 -, ESVGH 44, 315). Auch beim Walmdach können die Gebäudeteile und der First abknicken, sofern die Dächer an den abknickenden Gebäudeseiten abgewalmt sind. Sind die Giebel nicht vollständig abgewalmt, sondern enden die seitlichen Dachflächen oberhalb der Traufe des Hauptdachs, spricht man von einem Schopfwalmdach oder Krüppelwalmdach (VGH Bad.-Württ., a.a.O.). Ein Walmdach mit verkürztem Sattel (sog. Mittelfirst) ist demnach entgegen der von der Klägerin im Verfahren vertretenen Auffassung kein Unterfall des Satteldachs, sondern eine eigenständige Dachform.
26 
Gemessen daran handelt es sich im vorliegenden Fall zweifelsfrei um ein typisches und „vollständiges“ - an beiden abknickenden Seitenwänden gleichmäßig bis zum umlaufenden Dachtrauf abgeschrägtes - Walmdach. Die für ein Satteldach notwendig erforderlichen Giebel sind weder am Hauptgebäude noch an der Garage vorhanden.
27 
2.2 Die Festsetzung von Satteldächern in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV ist auch wirksam.
28 
a) Verfahrensrechtliche Gültigkeitsbedenken gegen die ÖBV sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich. Gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 74 Abs. 1 LBO sind sie als Festsetzungen zulässigerweise zusammen mit dem Bebauungsplan beschlossen worden, wobei sich das Verfahren für ihren Erlass in vollem Umfang nach den bauplanungsrechtlichen Vorschriften richtet (§ 74 Abs. 7 LBO; zur Zulässigkeit der Aufnahme der ÖBV in einem Bebauungsplan, vgl. im Einzelnen VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.04.2002 - 8 S 172/02 -, VBlBW 2003, 123). Verfahrensfehler aus dem Katalog der - auch auf ÖBV anwendbaren - Planerhaltungsvorschrift des § 214 BauGB (dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149) wären im Übrigen unbeachtlich geworden, da sie - trotz ordnungsgemäßen Hinweises gemäß § 215 Abs. 2 BauGB in der Bekanntmachung - nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB 1998 gegenüber der Gemeinde... gerügt worden sind. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs gilt die Rügefrist des § 215 Abs. 1 BauGB als Element der Planerhaltung nicht nur in Normenkontrollverfahren, sondern auch in Verfahren, in denen Bebauungspläne oder Örtliche Bauvorschriften, wie hier, inzident zu prüfen sind (Urteil vom 05.10.2006, a.a.O.).
29 
b) Auch materiell rechtlich entspricht die Satteldachpflicht in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV Satteldächern den gesetzlichen Anforderungen. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
30 
aa) Die Festsetzung der Dachform eines Satteldachs in den ÖBV ist bestimmt (zum Begriff des Satteldachs siehe oben) und auch von der Ermächtigungsgrundlage in § 74 Abs. 1 Nr. 1 LBO gedeckt. Danach können die Gemeinden u.a. zur Durchführung baugestalterischer Absichten in bestimmten unbebauten Gebieten Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen stellen. Dachformen sind in diesem Sinn Gestaltungselemente von Gebäuden. Mit derartigen Regelungen zur Gestaltung der Dachlandschaft greifen die ÖBV auch nicht unzulässig in die dem Bundesgesetzgeber (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) zugewiesene Kompetenz zur städtebaulichen Ortsbildgestaltung ein (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB). Denn bundesrechtlich steht der Gemeinde nur der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Regelungen über die Dachform oder die sonstige äußere Gestaltung baulicher Anlagen - mit Ausnahme von Regelungen über die Gebäudestellung (Firstrichtung) gehören nicht dazu, sie können auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 BauGB oder der BauNVO daher nicht getroffen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O. sowie BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169).
31 
bb) Die Festsetzung von Satteldächern als der ausschließlich zulässigen Dachform im Gebiet „Unter der ... Straße“ ist entgegen dem Einwand der Klägerin auch von „baugestalterischen Absichten“ i.S.v. § 74 Abs. 1 LBO getragen. Mit dieser Ermächtigung räumt der Gesetzgeber den Gemeinden nicht nur die Befugnis zur Abwehr verunstaltender Anlagen ein, sondern verleiht ihnen darüber hinaus das Recht zur positiven Gestaltungspflege in Teilen des Gemeindegebiets (so bereits VGH Bad.-Württ., NK-Beschluss vom 26.08.1982 - 5 S 858/82 -, VBlBW 1983, 1180 - zu § 111 LBO 1972). Mit dem Regelungskatalog in Nr. 1 der ÖBV (Dachform, Dachneigung, Dachaufbauten, Dacheinschnitte, Dach- und Wandmaterialien) macht die Gemeinde ... ersichtlich von diesem Recht zur Gestaltungspflege Gebrauch. Die dortigen Regelungen sollen - ergänzend zu den städtebaulichen Regelungen über die abgestuften Gebäudehöhen und Gebäudestellungen (vgl. Nrn. 2.2 - 2.5. Textteil des Bebauungsplans) - der „Gestaltung der Gebäude“ (so die Überschrift) in ihrer individuellen Erscheinungsform einerseits und in ihrem übergreifenden optischen Bezug zum Plan- und Gemeindegebiet andererseits dienen. Beide Zielrichtungen ergeben sich schon aus Art und Typus der einzelnen Gestaltungsvorgaben sowie aus Nr. 6 der Planbegründung („Städtebauliche Gestaltung“). Danach soll mit den die Gestaltungsregelungen die „Einbindung der neuen Gebäude in das bestehende bauliche und landschaftliche Umfeld“ gewährleistet werden, um die „angestrebte architektonische und städtebauliche Qualität auch rechtlich zu sichern“. Die Satteldachpflicht zielt in diesem Sinn auf die Einbettung der „Dachlandschaft“ des Plangebiets in dessen „bauliches Umfeld“ ab. Den Anforderungen an ein nachvollziehbares Konzept im Sinne von § 74 Abs. 1 LBO ist damit genügt. Die Frage, ob sich dieses Konzept gegenüber anderen Belangen durchsetzen kann, ist eine Frage der Abwägung (dazu nachfolgend).
32 
cc) Die Forderung nach Satteldächern verstößt auch nicht gegen das Gebot, die von der beabsichtigten Regelung berührten öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin, die entgegen der Auffassung der Beklagten innerhalb der hier geltenden Frist von 7 Jahren allerdings noch rügefähig wären (vgl. § 215 Abs. 2 BauGB 1998), teilt der Senat nicht.
33 
Zwar findet die nur für Bebauungspläne geltende Regelung des § 1 Abs. 6 BauGB a.F. / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. auf örtliche Bauvorschriften auch dann keine (unmittelbare) Anwendung, wenn diese - wie hier - zusammen mit einem Bebauungsplan beschlossen werden. Denn § 74 Abs. 7 LBO verweist nur für das Verfahren zum Erlass dieser Vorschriften auf das BauGB, während es sich bei § 1 Abs. 6 BauGB a.F. / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern eine materiell-rechtliche Regelung handelt. Die Verpflichtung der Gemeinde zu einer Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ergibt sich jedoch unabhängig von einer solchen Verweisung aus dem Umstand, dass mit den von ihr erlassenen Örtlichen Bauvorschriften Inhalt und Schranken des privaten Eigentums geregelt werden und hierbei die Interessen der Allgemeinheit sowie die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.06.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O.; Urteil des Senats vom 11.10.2006, a.a.O.; st. Rechtspr. auch der anderen Oberverwaltungsgerichte, vgl. dazu etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, DVBl. 2009, 56; OVG NRW, Urteil vom 07.11.1995 - 11 A 293/94 -, NVwZ-RR 1996, 491 f.; s. auch BVerwG, Beschluss vom 10.12.1979 - 4 B 164/79 -). Dem ist der Satzungsgeber vorliegend gerecht geworden.
34 
aaa) Fehler im Abwägungsvorgang liegen nicht vor.
35 
Zunächst sind Fehler in Gestalt eines Abwägungsausfalls (keine Abwägung mit privaten Interessen) oder eines Abwägungsdefizits (Ausklammerung erkennbarer abwägungserheblicher privater Interessen) nicht zu erkennen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gemeinderat sich mit den für und gegen eine Satteldachpflicht sprechenden Belangen in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass örtliche Baugestaltungsvorschriften nicht zu den zentralen Regelungen eines Bebauungsplans gehören, sondern die maßgeblichen bodenrechtlichen Festsetzungen lediglich ergänzen. Dies gilt auch für Regelungen über die Dachform für ein durch die städtebaulichen Festsetzungen zum Nutzungsmaß (Grundfläche, Höhe, Stockwerkszahl) bereits weitgehend determiniertes Gebäude. Das Verlangen nach einer bestimmten Dachform stellt auch keine im Verhältnis zu anderen typischen Gestaltungsvorschriften im Dachbereich (etwa: Farbe der Dacheindeckung, Vorgabe der Dachneigung, Regelung von Dachaufbauten) außergewöhnliche Belastung für die Grundstückseigentümer dar. Angesichts der beschränkten Bedeutung dieser Regelung kann allein aus dem Fehlen von Abwägungshinweisen in den Verfahrensakten nicht geschlossen werden, dass der Gemeinderat sich bei der Beschlussfassung nicht mit den für und gegen die Vorgabe einer bestimmten Dachform sprechenden Belangen abwägend befasst hat (BVerwG, Beschluss vom 29.01.1992 - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 05.10.2006 und vom 22.04.2002, a.a.O.). Auch in der Begründung der ÖBV mussten die abwägungserheblichen Gesichtspunkte nicht umfassend zum Ausdruck kommen, zumal die Pflicht zur Begründung mangels Geltung des § 9 Abs. 8 BauGB, aber auch aus rechtsstaatlichen Gründen für Örtliche Bauvorschriften generell nicht besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.11.1992 - 4 NB 28.92 -, DVBl. 1993, 116 ff., sowie etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.05.1995 - 1 L 165/94 -, Juris). Vor diesem Hintergrund kommen die für die Dachform des Satteldachs angeführten öffentlichen Belange durch den knappen aber inhaltlich klaren Hinweis in der Begründung, dass die neuen Gebäude (unter anderem) in das bestehende bauliche Umfeld des Baugebiets eingebunden werden sollen, hinreichend zum Ausdruck. Mit dieser Einbindung war gewollt, wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeht, Satteldächer als die in der Gemeinde ... vorherrschende Dachform auch in dem großen Neubaugebiet verpflichtend einzuführen, diese Dachform mithin als dominierendes ortstypisches Gestaltungselement zu festigen und abzusichern. Gleichzeitig wollte man damit dem Haus der Klägerin vergleichbare Walmdachgebäude mediterranen Zuschnittes („Toskana-Häuser“) aus dem Baugebiet zugunsten herkömmlicher Hausformen heraushalten. Hintergrund war, dass ein derartiges, von der Gemeinde als gestalterisch unpassend empfundenes Wohnhaus von der Baurechtsbehörde auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 BauGB hätte zugelassen werden müssen. Da während des Bebauungsplanverfahrens Einwendungen der Grundstückseigentümer gegen das - aus den ausliegenden Plänen klar ersichtliche - Satteldachkonzept nicht erhoben wurden, brauchte der Gemeinderat auf diese Gestaltungsinteressen nicht ausdrücklich einzugehen.
36 
Der Gemeinderat ist bei der Definition des Gestaltungskonzepts auch von zutreffenden Tatsachengrundlagen ausgegangen. Es trifft entgegen dem Vorbringen der Klägerin zu, dass Satteldächer in ... quantitativ ein derartiges Übergewicht über andere Dachformen haben, dass sie das Ortsbild schon bisher maßgeblich prägen. Dies ergibt sich eindeutig aus den von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und eingesehenen Luftbildern der Gemeinde und wird auch durch die von der Klägerin vorgelegten Fotos nicht widerlegt. Aus diesen ergibt sich zwar, was im Übrigen unstreitig ist, dass sich im Gemeindegebiet von ... auch eine Reihe meist älterer Häuser mit Walm- oder Krüppelwalmbedachung befinden, darunter auch zwei Gebäude unmittelbar östlich des Plangebiets (vgl. Fotos Bl. 89 ff. VG-Akte sowie Fotos aus der mündlichen Verhandlung). Die insgesamt deutliche Überzahl der Satteldachgebäude und deren prägende Wirkung auf das Ortsbild von ... wird dadurch nicht in Frage gestellt. Dies lässt sich auch ohne Ortstermin eindeutig aus den vorliegenden Luft- und Übersichtsbildern erkennen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.12.2008 - 4 BN 26.08 -, Juris).
37 
Schließlich ist das Plankonzept auch nicht in sich widersprüchlich. Die Aussage in der Planbegründung, man wolle die „lebendige optische Dachlandschaft“ in ... zur Geltung bringen, bezieht sich zweifelsfrei nur auf die im vorhergehenden Satz erwähnte Firstrichtung der Gebäude, die - historische Vorbilder aufgreifend - ausnahmsweise auch rechtwinklig um 90° abknicken darf (vgl. dazu Nr. 6 Satz 3 der Begründung); eine Vielfalt der Dachformen wird damit ersichtlich nicht angestrebt.
38 
bbb) Das dargelegte Gestaltungskonzept der Gemeinde ... begegnet auch im Ergebnis keinen Bedenken.
39 
Da die Baufreiheit der Eigentümer eingeschränkt wird, muss den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung getragen werden. Die Einschränkung der Baufreiheit muss mithin sachlich gerechtfertigt sein und die Interessen der Allgemeinheit und die privaten Interessen der Eigentümer müssen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs stellt die gezielte Gestaltung etwa des Orts- oder Landschaftsbildes ein bedeutsames öffentliches Anliegen dar, das prinzipiell zur Einschränkung privater Eigentümerbefugnisse führen kann. Je gewichtiger die konkrete Gestaltungsaufgabe (das Gestaltungskonzept) ist, umso eingehender dürfen gestalterische Festsetzungen sein, ohne das Übermaßverbot zu verletzen. Umgekehrt reicht das Ziel einer einheitlichen Gestaltung allein um der Einheit oder gar Uniformität willen regelmäßig nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 11.10.2006 - 3 S 337/06 -, VBlBW 2007, 220 ff. unter Zusammenfassung der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs; ähnlich OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.10.2008 - 1 A 10362/08 -, DVBl. 2009, 56 ff.; OVG Niedersachsen, Urteil vom 13.03.2002 - 1 KN 1310/01 -, ZfBR 2003, 54 ff.).
40 
Dem wird die Regelung in Nr. 1.1 der ÖBV noch gerecht. Das Ziel, die vorherrschende Satteldachlandschaft in ... zu erhalten und durch Einführung der Satteldachpflicht in dem recht großen und durch seine Hanglage besonders ortsbildprägenden Plangebiet zu festigen, ist schlüssig, nachvollziehbar und hat hinreichendes Gewicht. Es beschränkt sich nicht auf eine isolierte Betrachtung des Baugebiets, sondern strahlt auf das Ortsbild aus und die angestrebte Satteldachform ist auch kein der Uniformität dienender Selbstzweck (zum Schutzgut der Einheitlichkeit einer auf das Ortsbild ausstrahlenden Dachlandschaft vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149 ff.). Dass das Satteldachkonzept gestalterisch zwingend oder anderen Gestaltungskonzepten auch nur überlegen sein muss, ist nicht erforderlich. Es muss auch nicht ein das Ortsbild in bodenrechtlicher Hinsicht prägendes Gewicht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169 ff.).
41 
Die Interessen der Grundstückseigentümer an der freien Wahl der Dachform bzw. an der Verwirklichung von mediterranen Walmdachgebäuden gerade im Plangebiet konnten ohne Verstoß gegen das Übermaßverbot hinter die öffentlichen Gestaltungsinteressen zurückgestellt werden. Wie an anderer Stelle erwähnt, sind örtliche Gestaltungsvorschriften typischerweise nur von untergeordneter Bedeutung und mit zentralen städtebaulichen Eigentumsbeschränkungen nicht vergleichbar. Regelmäßig schränken solche Gestaltungsbestimmungen weder die bauliche Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke nennenswert ein noch beschränken sie den Bauherrn übermäßig in seinen Gestaltungswünschen oder verursachen erhebliche zusätzliche Kostenbelastungen (so zu Recht VGH Bad.-Württ., Urteile vom 22.04.2002 und vom 05.10.2006, a.a.O.). Auf dieser Bedeutungsebene sind außer Regelungen über Art und Farbgestaltung der Dacheindeckungen (so Urteile vom 22.04.2002 und vom 05.10.2006) auch Regelungen über bestimmte Dachformen anzusiedeln (siehe auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.09.2002 - 8 S 1046/02 -, BRS 65 Nr. 146: Anordnung von Flachdächern, zur Sicherung vorhandener Gartenhofbebauung). Die Pflicht, Satteldächer zu errichten, schränkt die durch das Maß der baulichen Nutzung vorgegebene Ausnutzbarkeit der Baugrundstücke nicht zusätzlich ein. Vielmehr bietet ein Satteldach im Vergleich zu Walmdächern oder Zeltdächern dem Bauherrn die Möglichkeit, die planungsrechtlichen Nutzungswerte optimal auszuschöpfen. Die Errichtung von Satteldächern verursacht gegenüber Walm- oder Zeltdächern regelmäßig auch keinen höheren finanziellen Aufwand. Das Recht eines Bauherrn auf freie Wahl der Dachform aus bauästhetischen Gründen ist zwar nicht gering zu gewichten, es genießt hier aber keinen Vorrang gegenüber dem Gestaltungskonzept der Gemeinde. Dies würde erst recht gelten, wenn - wie vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung unbestritten vorgetragen und auch aus den Bebauungsplanakten ersichtlich - bereits in den Grundstückskaufverträgen der Gemeinde mit den Bauherren die Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug genommen und zur Bedingung der Bebaubarkeit gemacht worden sein sollten. Auf die Kunstfreiheit können sich Eigentümer im Plangebiet nicht zusätzlich berufen. Art. 5 Abs. 3 GG gewährt nicht die Befugnis, sich über die dem Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigerweise gezogenen Schranken hinwegzusetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.12.1979 - 4 B 164.79 -, BRS 35 Nr. 133).
42 
3. Das planwidrig erstellte Walmdach kann auch nicht im Wege einer Befreiung von der Festsetzung in Nr. 1.1 Satz 1 der ÖBV legalisiert werden. Da die streitige Regelung ihre Rechtsgrundlage in § 74 Abs. 1 LBO findet, richten sich die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch sämtlich nicht vor. Gründe des allgemeinen Wohls erfordern die Zulassung des Walmdachs auf dem Hauptgebäude und der Garage nicht. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insofern im Hinblick auf die auf dem südlichen Walmdachflügel angebrachten Solarzellen auf § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LBO i.V.m. § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO. Zwar hat der erkennende Gerichtshof aus einem Zusammenwirken der Abweichungsregel des § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO mit der Befreiungsmöglichkeit nach § 56 Abs. 5 Nr. 1 LBO einen (sogar ermessensgebundenen) Anspruch auf Befreiung bejaht (Urteil vom 05.10.2006 - 8 S 2417/05 -, VBlBW 2007, 149 ff.). Auf dieses Urteil kann die Klägerin sich aber nicht stützen, denn der dortige Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar. In der zitierten Entscheidung ging es um die Befreiung von Baugestaltungsvorschriften über die Dachfarbe für beide Dachflächen eines Satteldachs, weil die Anbringung von Modulen einer Photovoltaikanlage zwangsläufig dazu führte, dass etwa 99 % der Fläche der südlichen Dachhälfte optisch schwarz in Erscheinung trat, wobei die Voltaikanlage nur in dieser dunklen Farbe erhältlich und funktionsfähig war. Im vorliegenden Fall hängt die Funktionsfähigkeit der Solarzellen jedoch nicht davon ab, dass sie auf der Südseite des Daches angebracht werden. Dort entfalten sie zwar die höchste Energieeffektivität. Sie können jedoch auch auf einer anderen, insbesondere der westlichen Dachfläche mit einem durchaus noch angemessenen Auswirkungsgrad installiert werden. So handhaben es auch anders ausgerichtete Wohnhäuser im Plangebiet. Die Verwirklichung der Solaranlage auf sinnvoller energiewirtschaftlicher Basis „steht und fällt“ damit keineswegs, wenn das vorgeschriebene Satteldach gefordert wird. Zudem ist auf Nr. 2.5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zu verweisen, wonach bei Einzelhäusern die Firstrichtung in besonderen Fällen auch um 90° gedreht werden kann.
II.
43 
Der Beklagte hat den Umbau des Walmdachs in ein Satteldach auch ohne Ermessensfehler angeordnet. Er hat die für und gegen diese Maßnahme sprechenden öffentlichen und privaten Interessen umfassend und ihrem tatsächlichen und rechtlichen Gewicht entsprechend gegeneinander abgewogen und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der §§ 47 und 65 Satz 1 LBO entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).
44 
1. Der Beklagte hat erkannt, dass die Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung oder - wie hier - die Umgestaltung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet (Sauter, Komm. zur LBO, 3. Aufl., § 65 Rn. 44 m.w.N.). Es entspricht daher regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen (sog. intendiertes Ermessen). Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, diesen Zustand ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 11.04.2002 - 4 C 4.01 -, NVwZ 2002, 1250 m.w.N.).
45 
Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Das öffentliche Interesse an der Umwandlung der baurechtswidrigen Walmbedachung in ein Satteldach hat vorliegend keinesfalls geringeres Gewicht als im gesetzlich intendierten Regelfall. Ihm kommt angesichts des Verhaltens der Klägerin im Gegenteil besondere Bedeutung zu. Darauf weisen sowohl der Ausgangs- wie der Widerspruchsbescheid zutreffend hin. Die Klägerin hat die Walmbedachung in voller Kenntnis der formellen wie der materiellen Baurechtswidrigkeit errichtet. Im Ursprungsbauantrag vom 15.05.2003 begehrte sie ein Walmdach in der heutigen Gestalt. Dem von ihr unterschriebenen Antrag war ein gesonderter Befreiungsantrag bezüglich dieser Dachform beigefügt. Der Befreiungsantrag wurde damit begründet, dass der Bauherr „ein Haus nach dem Vorbild eines (existierenden) Musterhauses einer Fertighausfirma“ wünsche, das „bei Satteldachausführung seinen gestalterischen Charakter komplett verlieren würde“. Dies zeigt, dass die Klägerin das Haus von Anfang an als unveränderte Einheit gemäß der Musterhausplanung errichten wollte. An dieser Absicht hielt sie auch fest, nachdem die Befreiung abgelehnt war (vgl. die durch Grüneintrag durchgestrichenen Ursprungspläne) und obwohl ihr Architekt geänderte Pläne für ein Satteldach einreichte, die dann Gegenstand der Baugenehmigung vom 11.08.2003 und der Nachtragsbaugenehmigung vom 13.11.2003 waren. Der Inhalt dieser Nachtragsgenehmigung war der Klägerin bekannt, denn sie hat die genehmigten Pläne für ein Satteldach durch Unterschrift gebilligt (vgl. insbesondere den genehmigten Quer- und Längsschnittplan vom 21.06.2003, Bl. 61 d. Bauakten). Der Klägerin war auch damals schon bewusst, dass die Baurechtsbehörde auf der Errichtung des Satteldachs bestehen würde. Denn die Baugenehmigung vom 11.08.2003 wies ausdrücklich darauf hin, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans einzuhalten sind, „soweit in diesem Bescheid nicht ausdrücklich eine Ausnahme oder Befreiung zugelassen wurde“. Ohne Rücksicht darauf wurde in der Folgezeit an dem Walmdach zügig weitergebaut (vgl. Fotos Bl. 218 d. Bauakten), was nach Entdeckung Ende November 2003 zum Erlass der für sofort vollziehbar erklären Baueinstellungsverfügung vom 01.12.2003 führte. Ein am gleichen Tag gestellter erneuter Befreiungsantrag bezüglich der Dachform wurde zurückgezogen. Stattdessen beantragte die Klägerin unter dem 07.12.2003 wiederum unterschriftlich den „Rückbau des Walmdaches zum Satteldach DN 28 o wie genehmigt“ und erhielt hierfür am 05.02.2004 die Nachtragsbaugenehmigung, die abermals auf die Pflicht zur strikten Einhaltung der planerischen Vorgaben hinwies. Ungeachtet dessen setzte die Klägerin (entgegen anderslautender Versprechungen ihres Architekten, vgl. AV vom 11.02.2004) aber weder diese Rückbaugenehmigung um noch kam sie der Verpflichtung zur Einstellung der Bauarbeiten nach. Stattdessen baute sie - über bloßen provisorischen Nässeschutz des Gebäudes weit hinausgehend - in der Zeit bis März 2004 zusätzlich Dachflächenfenster in das ungenehmigte Walmdach ein. Auf diesbezügliche Schreiben des Landratsamts Lörrach reagierte die Klägerin nicht, sondern setzte erneut die Dacharbeiten fort. Im Juni 2004 wurde schließlich festgestellt, dass am Walmdach Regenrinnen und Regenabläufe angebracht, neue Dachlattungen aufgenagelt und später auch die Dachziegel aufgebracht waren (Aktenvermerke v. 11.06. u.v. 23.06.2004, Bl. 489, 497 R d. Bauakten), was dann zur hier streitgegenständlichen Verfügung vom 22.07.2004 führte.
46 
2. Vor diesem Hintergrund hat der Senat keinerlei Zweifel, dass die Klägerin sich - zurechenbar - fortgesetzt und anhaltend baurechtswidrig verhalten hat. Von ihrem Ursprungsziel, ihr Wohnhaus gemäß den Plänen des Musterfertighauses mit Walmdach auf jeden Fall, gegebenenfalls auch ohne Rücksicht die Rechtslage zu errichten, ist sie niemals abgerückt. Hieraus haben die Behörden zutreffend ein gewichtiges öffentliches Interesse an baurechtlichem Einschreiten abgeleitet, um der Beachtung geltenden Baurechts Geltung zu verschaffen und derart beharrliche Verstöße im Interesse rechtstreuer Bauherrn wirksam zu unterbinden. Dahinter durften die bauästhetischen und finanziellen Interessen der Klägerin am Fortbestand der illegalen Walmbedachung zurückgestellt werden. Darauf, ob der Umbau im Verhältnis zum geforderten Satteldach einen gestalterischen „Gewinn“ bedeutet kommt es nicht an. Das Walmdachhaus im toskanischen Stil ist, wie die Fotos zeigen, für sich gesehen durchaus ansprechend und architektonisch gelungen. Die Klägerin kann aber nicht verlangen, dieses Fertighaus auch in einem Plangebiet zu errichten, in dem derartige Haustypen aus gestalterischen Gründen unerwünscht und ausgeschlossen sind. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der geforderte Rückbau wegen der hohen Kosten unverhältnismäßig sei. Da sie das Fertighaus ohne vorherige Baugenehmigung bestellt und errichtet hat, geht dies grundsätzlich zu ihren Lasten. Der zweifellos erhebliche finanzielle Aufwand für den geforderten - technisch allerdings unstreitig möglichen - Rückbau ist ihr daher zuzumuten, der Rahmen ihrer „Opfergrenze“ wird dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, nicht überschritten.
47 
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch ein Verstoß der Umbauverfügung gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht zu erkennen. Unstreitig ist im Baugebiet bisher kein einziges Walmdach zugelassen worden, andere Bauanträge für Fertighäuser mit Walmbedachung Walmdächer wurden abgelehnt (vgl. Schriftverkehr der Gemeinde ... mit den Architekten, Band 4 der Bebauungsplanakten). Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene genehmigte Wohnhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... widerlegt die strikte Ablehnungspraxis für Walmdächer nicht, da es mit einem abknickenden Satteldach mit seitlichen Giebeln versehen ist. Es entspricht insofern dem Dach in der der Klägerin in der Baugenehmigung vom 05.02.2004 genehmigten Gestalt. Darauf, ob das - einzige - Walmdachgebäude der Klägerin im Plangebiet besonders prägend in Erscheinung tritt, kam es für die Ermessensbetätigung nicht entscheidend an.
B.
48 
Der auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Hilfsantrag ist unzulässig. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Der Widerspruchsbescheid kann gesondert nur dann angegriffen werden, wenn er eine erstmalige (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder eine im Verhältnis zum Ausgangsbescheid zusätzliche selbstständige Beschwer erhält. Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg bestätigt lediglich den Ausgangsbescheid des Landratsamts Lörrach, „verbösert“ ihn inhaltlich aber nicht. Eine zusätzliche Beschwer lediglich wegen - wie die Klägerin meint - „verbösernder“ Ermessenserwägungen, sieht das Gesetz nicht vor. Etwaige Rechtsfehler bei der Ermessensausübung im Widerspruchsbescheid, die im Ausgangsbescheid noch nicht enthalten waren, wären der Ausgangsbehörde zuzurechnen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1989 - 6 S 2694/88 - VBlBW 1990, 297-298 m.w.N.; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. § 79 Rn. 11).
49 
Im Übrigen waren die dem Regierungspräsidium von der Klägerin vorgehaltenen Wertungen, sie habe sich „in voller Absicht zielstrebig“ über die baurechtlichen Vorschriften hinweggesetzt und habe die Konsequenzen „geradezu provoziert“, für dessen Entscheidung aber ersichtlich auch nicht tragend.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
51 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
52 
Beschluss vom 11. März 2009
53 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 140.000,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2007 - 2 K 3669/07 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 14. Mai 2007 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die fristgerecht eingelegte und begründete sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.7.2007 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Anders als das Verwaltungsgericht misst der Senat bei der vorliegend gebotenen Interessenabwägung dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 14.5.2007 zwecks Verhinderung vollendeter Tatsachen Vorrang bei vor dem Interesse der Beigeladenen und der Antragsgegnerin, von der Baugenehmigung - dem gesetzlichen Regelfall entsprechend - sofortigen Gebrauch machen zu dürfen (vgl. §§ 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212 a BauGB). Die Baugenehmigung gestattet die Errichtung eines Neubaus mit 15 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit - bestehend aus einem langgestreckten Gebäude an der ... ... (Haus 1) und einem rechtwinklig angebauten Gebäude an der ... (Haus 2) sowie einer Tiefgarage mit Zufahrt für 19 Stellplätze. Nach derzeitigem - unvollständigem - Erkenntnisstand erscheint es durchaus denkbar, dass dieses Vorhaben gegen Vorschriften des Planungsrechts (Gebot der Rücksichtnahme) und des Bauordnungsrechts (§ 37 Abs. 7 LBO) verstößt, die (auch) dem Schutz der Antragsteller dienen, die Eigentümer eines westlich an das Baugrundstück an der... angrenzenden Wohngrundstücks sind. Diesbezügliche Einwendungen haben die Antragsteller im Baugenehmigungsverfahren auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 55 Abs. 2 S. 1 LBO erhoben.
I.
Bauplanungsrechtlich überschreitet das genehmigte Vorhaben in mehrfacher Hinsicht erheblich die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ vom 17.11.1987 zum Maß der baulichen Nutzung. Überschritten wird zunächst die Zahl der zulässigen Vollgeschosse. Der Bebauungsplan lässt höchstens (zwingend) zwei Vollgeschosse zu, während das Gebäude an der ... ... (Haus 1) dreigeschossig (mit Keller- und Dachgeschoss) ausgeführt ist und das - insofern wohl eigenständig zu beurteilende - Gebäude an der ... (Haus 2) wohl vier Vollgeschosse (zuzüglich eines Dachgeschosses mit weiteren Wohnungen) aufweist, da das „Untergeschoss“ mit der Gewerbeeinheit auf Grund der Topographie wohl die Voraussetzungen eines Vollgeschosses nach § 18 BauNVO 1977 i.V.m. § 1 Abs. 5 LBO 1983 erfüllen dürfte (vgl. dazu die Pläne „Ansicht Nord“ und „Schnitt B-B“; zur statischen Verweisung auf die LBO beim Vollgeschossbegriffs der BauNVO vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.1.1999 - 8 S 19/99 -, VBlBW 1999, 268). Von vier Vollgeschossen in diesem Bereich geht auch die Antragsgegnerin selbst aus (vgl. die baurechtliche Beurteilung der Verwaltung in der Vorlage für den Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats vom 1.12.2006, Bl. 22 d.A.). Massiv überschritten wird ferner die nach dem Bebauungsplan zulässige Geschossfläche. Während der Bebauungsplan (auf der Grundlage einer GFZ von höchstens 1,2) auf dem Baugrundstück nur 1.176 qm erlaubt, nimmt das genehmigte Gebäude auf Grund seiner Grundfläche und der erhöhten Geschosszahl schon nach den Berechnungen der Beigeladenen eine Geschossfläche von 1.118 qm in Anspruch. Dies entspricht einer Überschreitung der zulässigen Grenze von 55 %, wobei die wirkliche Geschossfläche und der Überschreitungsquotient noch höher liegen dürften, da die Antragsgegnerin bei ihrer Berechnung von insgesamt nur drei Vollgeschossen ausgegangen ist.
1. Der Senat hat angesichts dessen gewichtige Zweifel, ob die Befreiungen, welche die Antragsgegnerin ohne nähere Begründung „gemäß § 31 Abs. 2 BauGB“ in erster Linie zwecks Umsetzung eines kommunalpolitisch erwünschten städtebaulichen Wettbewerbsentwurfs erteilt hat, sich noch im Rahmen der Grundzüge der Planung des Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ vom 17.11.1987 halten - wobei es insofern auf die Vorstellungen des Plangebers beim Satzungsbeschluss ankommt (vgl. Urteil des Senats vom 13.6.2007 - 3 S 881/06 -, VBlBW 2007, 385) -, und ob sie ermessensfehlerfrei sind. Zwar können sich die Antragsteller auf eine derartige objektive Rechtswidrigkeit der Befreiungen nicht unmittelbar berufen, da die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, von denen befreit worden ist, mangels erkennbarer gegenteiliger Absicht des Plangebers wohl - wie regelmäßig - allgemeinen städtebaulichen Interessen und nicht gezielt auch dem Schutz der Gebietsanlieger dienen sollen (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5.11.1995 - 3 S 3096/94 -, BauR 1995, 512; zum fehlenden Nachbarschutz des § 31 Abs. 2 BauGB in solchen Fällen vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.7.1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206; ebenso Urteile vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, BauR 1987, 70 und vom 10.12.1982 - 4 C 49.79 -, DVBl. 1983, 348). § 31 Abs. 2 BauGB entfaltet drittschützende Wirkung aber mit dem Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen. Befreiungen verletzen den Nachbarn in seinen Rechten, sofern er handgreiflich betroffen ist und die Behörde seinen Interessen nicht die gebotene Beachtung schenkt. Dies ist nach Maßgabe der Kriterien des Gebots der Rücksichtnahme in seiner nachbarschützenden Ausprägung zu beurteilen. Ob sich ein Vorhaben danach rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile zu beurteilen (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits Beschluss vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, Juris). Art und Ausmaß einer „rücksichtslosen“ Betroffenheit lassen sich demgemäß nicht statisch-absolut festlegen, sondern enthalten jeweils auch relativ-wertende Elemente. Bei dieser Bewertung kommt der objektiven Rechtmäßigkeit des betreffenden Vorhabens sowie seiner regel- oder nur ausnahmsweisen Zulässigkeit Bedeutung zu. So tritt Drittschutz des Rücksichtnahmegebots nur selten ein, wo eine Baugenehmigung im Einklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans steht; solcher Drittschutz kommt aber eher zum Zug, wo die Baugenehmigung - wie hier und zudem in rechtlich nicht unbedenklicher Weise - von nicht nachbarschützenden Festsetzungen im Wege einer Ausnahme oder Befreiung abweicht. Die Interessen des Nachbarn gewinnen dann auch nach der Rechtsprechung des Bundesveraltungsgerichts größeres Gewicht. Der Nachbar kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangen, je empfindlicher seine Stellung durch die planabweichende Nutzung berührt wird und je schutzwürdiger er diesbezüglich ist. Umgekehrt braucht der Bauherr umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher, unabweisbarer und rechtlich schutzwürdiger seine Interessen sind. Daraus können sich für befreiungs- und nicht befreiungsbedürftige Vorhaben unterschiedliche Anforderungen an den Drittschutz ergeben (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409, und vom 6.10.1989 - 4 C 14.87 -, NJW 1990, 1192 = DVBl. 1990, 205). Handelt es sich um ein befreiungsbedürftiges und zudem möglicherweise nicht befreiungsfähiges Vorhaben, so kann die Schwelle rücksichtsloser Betroffenheit des Nachbarn schon bei Nachteilen von etwas geringerer Intensität erreicht sein als dann, wenn das beanstandete Vorhaben mit den Regelfestsetzungen des betreffenden Bebauungsplans übereinstimmt (vgl. Beschluss des Senats vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, Juris).
2. Gemessen daran kommt zumindest nach derzeitigem Erkenntnisstand in Betracht, dass es die Antragsgegnerin bei der Erteilung der Baugenehmigung unter tiefgreifenden Befreiungen an der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Antragsteller hat fehlen lassen. Durch die genehmigte Erhöhung der Vollgeschosse von zwei auf drei bzw. vier Vollgeschossen nimmt die streitige Wohnanlage erheblich an Höhe zu. So erreicht das Gebäude an der ... (Haus 2) auf der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Westseite eine Traufhöhe von 13 bis 14 m und eine Giebelhöhe von 16 bis 17 m (vgl. die unterschiedlichen Höhen in den Plänen „Schnitt B-B“ und „Ansicht Nord“ sowie „Ansicht West“). Genaue Höhenangaben sind nicht möglich, da es an den gebotenen Vermaßungen in den Plänen fehlt. Bei plankonformer Bebauung mit nur zwei Vollgeschossen wäre die Gebäudehöhe um einige Meter geringer. Die Zulassung von drei bzw. vier Vollgeschossen (zuzüglich des Dachgeschosses) bei gleichzeitiger massiver Überschreitung der zulässigen Geschoßfläche führt ferner dazu, dass sich die Zahl der im Gesamtgebäude unterzubringenden Wohnungen (im 1. OG sind 7, im 2. OG sind 6 Wohneinheiten vorgesehen) und als Folge davon die Zahl der notwendigen Stellplätze und damit auch die Anzahl der Fahrbewegungen über die Tiefgarageneinfahrt deutlich erhöht.
Sowohl die befreiungsbedingte Gebäudeerhöhung und -massierung als auch die Zunahme der Fahrbewegungen wirken sich für die Antragsteller nachteilig aus. Nach ihrem Vorbringen und den Eintragungen im Bebauungsplan ist davon auszugehen, dass ihr Wohnhaus lediglich eingeschossig errichtet ist und daher zum ihnen viergeschossig gegenübertretenden „Haus 2“ eine erhebliche Höhendisparität besteht. Deutliche Unterschiede dürften auch in der Bebauungstiefe des klägerischen Wohnhauses und dem ihm gegenüberliegenden Vorhaben bestehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass wohl sämtliche Fenster des Wohnhauses der Antragsteller nach Osten (zum Vorhaben hin) ausgerichtet sind und dass das Wohnhaus nur wenig mehr als 1 m von der Grundstücksgrenze und der hieran unmittelbar anschließenden Tiefgaragenzufahrt entfernt liegt. Bei dieser Sachlage kommt jedenfalls nach gegenwärtigem Erkenntnisstand in Betracht, dass von dem Gebäude an der ... (Haus 2) eine optisch erdrückende Wirkung auf das Wohnhaus und das Grundstück der Antragsteller ausgeht und dass zum anderen die unmittelbar an der Grundstücksgrenze genehmigte Tiefgaragenzufahrt zu den 19 Stellplätzen im Untergeschoss zu einer als rücksichtslos einzustufenden Lärmbetroffenheit der Antragsteller führt. Zwar lässt sich - trotz Fehlens der erforderlichen Abstandsflächenberechnung - feststellen, dass das Haus 2 - bei einer Wandhöhe von mindestens 13 m und einem Grenzabstand von ca. 5 m - jedenfalls die nachbarschützende Abstandsflächentiefe im hier festgesetzten Besonderen Wohngebiet einhält (zur Bemessung vgl. § 5 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 und S. 3 LBO). Dies schließt eine unzumutbare Betroffenheit der Antragsteller wegen erdrückender Wirkung des Baukörpers des Vorhabens in dessen nicht aus. Zwar konkretisieren die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen grundsätzlich auch im Rahmen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.1984 - 4 B 244.84 -, NVwZ 1985, 653; Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 -, NVwZ-RR 1997, 516; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.11.1993 - 3 S 2603/93 -, Juris). Dieser Grundsatz lässt je nach Lage im Einzelfall aber Ausnahmen selbst hinsichtlich dieser durch die Abstandsflächenbestimmungen geschützten nachbarlichen Belange zu. Er ist im Hinblick auf den vom Schutzbereich der §§ 5 ff. LBO nicht erfassten Belang der optisch erdrückenden Wirkung eines Vorhabens, der an planungsrechtliche Kriterien (Maß der baulichen Nutzung, Größe des Baukörpers) anknüpft, aber schon nicht anwendbar (so BVerwG, Urteil vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 -, NVwZ 1987, 34, 35).
3. Ob sich das Verdikt einer unzumutbar erdrückenden Wirkung des Vorhabens (vornehmlich Haus 2) für das Wohnhaus und Grundstück der Antragsteller bei einer abschließenden Prüfung aufrechterhalten lässt, muss im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Dies auch deswegen, weil eine umfassende Beurteilung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse derzeit schon nicht möglich ist. Dem steht entgegen, dass die genehmigten Pläne, worauf auch die Antragsteller zutreffend hinweisen, in mehrfacher Hinsicht unvollständig sind. So sind insbesondere weder die genauen Höhenmaße des Hauses 2 auf der Westseite angegeben, noch ist in den Plänen wohl die richtige Grundfläche des Wohnhauses der Antragsteller eingezeichnet. Völlig fehlen zudem Angaben zur Trauf- und zur Giebelhöhe des Wohnhauses der Antragsteller sowie Bauvorlagen, die den Blick sowohl auf Haus 2 als auch auf das Wohnhaus der Antragsteller zeigen und damit einen Vergleich der Gebäudehöhen und -dimensionen erst möglich machen. Derartige Darstellungen sind jedoch erforderlich und auch vorgeschrieben, um gesicherte Beurteilungsgrundlagen für die Rechtmäßigkeit (Nachbarverträglichkeit) des Vorhabens gewinnen zu können (zu den insofern notwendigen Bauvorlagen vgl. § 52 Abs. 1 LBO i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBO-VVO). Auf das Fehlen dieser erforderlichen Angaben können die Antragsteller sich berufen. Denn Regelungen über die Anforderungen an Bauvorlagen entfalten nach der Rechtsprechung des Senats dann eine nachbarschützende Wirkung, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht geprüft oder jedenfalls nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann (vgl. Beschluss vom 9.8.2005 - 3 S 1216/05 -, VBlBW 2005, 480; im Ergebnis ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.2.2007 - 5 S 2826/06 -, VBlBW 2007, 383). Die Antragsteller müssen sich entgegen dem Verwaltungsgericht für die Beurteilung ihrer aktuellen Betroffenheit auch nicht darauf verweisen lassen, dass sie nach dem Bebauungsplan ihr Grundstück auch stärker ausnutzen und zweigeschossig bebauen dürften. Den Antragstellern kann angesichts der besonderen Verhältnisse wohl auch nicht schutzmindernd entgegengehalten werden, dass ihr Wohnhaus in geringem Abstand zur Grenze errichtet ist. Denn ihr Wohnhaus war bereits bei Erlass des Bebauungsplans vorhanden und liegt wohl noch innerhalb des im Bebauungsplan grenznah festgesetzten Baufensters.
4. Nach Lage der Dinge hält der Senat auch einen Verstoß der Tiefgaragenzufahrt zu Lasten der Antragsteller gegen das Gebot der Rücksichtnahme für möglich, ohne dass auch insoweit eine abschließende Beurteilung getroffen werden kann. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu II. verwiesen.
II.
Bauordnungsrechtlich kommt ein Verstoß der genehmigten Tiefgaragenzufahrt zu 19 Stellplätzen gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 37 Abs. 7 LBO in Betracht. Danach sind Stellplätze einschließlich der Zufahrten so anzuordnen und einzurichten, dass u.a. das Wohnen und Arbeiten durch Lärm, Abgase und Gerüche nicht erheblich, d.h. unzumutbar gestört werden. Was erheblich ist, ist auch hier - spiegelbildlich zum und in Konkretisierung des Rücksichtnahmegebots - nach den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Einzelfalls (tatsächliche und rechtliche Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit, Intensität der Beeinträchtigung) zu entscheiden. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Nutzung von und die Zufahrt zu - wie hier - nach § 37 Abs. 1 LBO bedarfsnotwendigen Stellplätzen in Wohngebieten keine erheblichen, billigerweise nicht mehr zumutbaren Störungen hervorrufen (st.Rspr., vgl. Nachweise bei Sauter, LBO, § 37 Rdnr. 111). Auch dieser Grundsatz hat jedoch Ausnahmen. Eine solche Ausnahme ist vorliegend in Erwägung zu ziehen. Zunächst ist, wie dargelegt, zu berücksichtigen, dass die genehmigte Nutzungsfrequenz (Zu- und Abfahrten zu 19 Stellplätzen) zu einem erheblichen Teil Folge der durch die Befreiungen gestatteten höheren Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks ist. Ferner ist der die Antragsteller einseitig belastende Standort der Zufahrt in Rechnung zu stellen. Die Zufahrt soll unmittelbar an der Grenze und im Abstand von lediglich 1 bis 2 m vom Wohnhaus der Antragsteller entfernt angelegt werden, wobei wohl sämtliche Fenster sich in der Ostwand befinden und daher der Zufahrt zugewandt sind. Schließlich ist nach den Plänen auch der eigentliche Zufahrtsbereich bis zum Beginn der Rampe nach oben hin offen und gar nicht (so der Eindruck im Plan „Ansicht West“) bzw. allenfalls mit einer niedrigen Mauer nach Westen hin abgeschirmt (so wohl im Plan „Grundriss KG“). Eine nennenswerte Minderung der Zu- und Abfahrtsgeräusche im Einfahrtsbereich für das Wohnhaus der Antragsteller dürfte mit diesen Maßnahmen nicht verbunden sein. Endlich stellt sich die Frage, ob die beigeladene Bauherrin gerade auf den gewählten, einseitig die Antragsteller belastenden Einfahrtsstandort von der ... aus angewiesen ist, ob sich dieser Standort im öffentlichen Interesse aufdrängt oder ob - gegebenenfalls auch unter gewissen Einbußen an Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks - nachbarschonendere Planungsalternativen zur Verfügung stehen. Solche Alternativen vermag der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen. In Betracht käme zum einen die Anlegung einer Zufahrt über die ... .... Von dieser Straße aus werden ersichtlich auch die übrigen Anliegergrundstücke angefahren und es erscheint denkbar, dass die Zufahrt zu dem genehmigten Mehrfamilienhaus auch in einer mit der Verkehrssicherheit vereinbarenden Weise angelegt werden könnte. Diese Möglichkeit ist durch die bisher sehr vagen Gegenargumente der Antragsgegnerin nicht widerlegt. Als weitere Alternative wäre zumindest erwägenswert, ob die Zufahrt von Westen her über die im Zuge des Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ zur Erschließung des rückwärtigen Gebiets angelegten Straßen erfolgen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 3 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
10 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.

(1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter

1.
an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder
2.
zu Gunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird.
Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist.

(2) Die Frist nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a beträgt bis zu zehn Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 2 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete und die Frist nach Satz 1 durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens zehn Jahren zu bestimmen.

(2a) Wird nach einer Veräußerung oder Belastung im Sinne des Absatzes 1a Wohnungseigentum begründet, so beginnt die Frist, innerhalb der eine Kündigung nach § 573 Absatz 2 Nummer 2 oder 3 ausgeschlossen ist, bereits mit der Veräußerung oder Belastung nach Absatz 1a.

(3) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, die Beigeladene trägt ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Einbeziehung der Stadt Stuttgart in den Kreis der Städte, in denen nach der zweiten Verordnung der Landesregierung über einen erweiterten Kündigungsschutz bei umgewandelten Mietwohnungen vom 11.12.2001 (kurz: Kündigungssperrfristverordnung) die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. In die bis 31.12.2006 geltende Kündigungssperrfristverordnung sind mit Wirkung vom 01.01.2002 die Städte Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Konstanz, Mannheim und Tübingen einbezogen. Die Einbeziehung einer Gemeinde in die Gebietskulisse der Verordnung gewährt einem Mieter nach einer Wohnungsumwandlung durch eine bis auf 10 Jahre befristete Sperrfrist bei einer Eigenbedarfskündigung oder Verwertungskündigung eines Wohnungserwerbers erhöhten Kündigungsschutz.
Die Kläger sind seit 01.07.1977 Mieter einer Wohnung im Gebäude Bebelstr. 33 in Stuttgart. Diese Wohnung wurde durch Teilungserklärung vom 26.10.1993 in eine Eigentumswohnung umgewandelt. Die Eintragung des Miteigentumsanteils und des Sondereigentums erfolgte am 13.02.2001 in das Wohnungseigentum-Grundbuch. Die Kläger ließen vortragen, dass wegen der einzuhaltenden Sperrfrist eine Kündigung frühestens zum 30.11.2004 möglich sei. Eigenbedarf sei angemeldet.
Am 12.05.2003 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen,
a) eine Rechtsverordnung i. S. des § 577 a Abs. 2 BGB des Inhalts zu erlassen, dass auch der Stadtkreis Stuttgart als Gebiet bestimmt wird, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist;
b) - hilfsweise im Verhältnis zu dem Antrag zu Ziff. 1 a - die zweite Verordnung der Landesregierung über einen erweiterten Kündigungsschutz bei umgewandelten Mietwohnungen vom 11.12.2001 dergestalt zu ergänzen, dass der Stadtkreis Stuttgart in die Gebietskulisse der Rechtsverordnung einbezogen wird.
c) - höchst hilfsweise im Verhältnis zu den Anträgen zu Ziff. 1 a und b - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Erlass einer Verordnung i. S. des Antrages zu Ziff. 1 a, hilfsweise die Ergänzung der im Antrag zu Ziff. 1 b genannten Verordnung zu entscheiden.
2. hilfsweise im Verhältnis zum Antrag zu Ziff. 1 festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist,
a) eine Rechtsverordnung i.S. des § 577 a Abs. 2 BGB des Inhalts zu erlassen, dass der Stadtkreis Stuttgart als Gebiet bestimmt wird, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist;
10 
b) - hilfsweise im Verhältnis zum Antrag zu Ziff. 2 a - die zweite Verordnung der  Landesregierung über einen erweiterten Kündigungsschutz bei umgewandelten Mietwohnungen vom 11.12.2001 dergestalt zu ergänzen, dass der Stadtkreis Stuttgart in die Gebietskulisse nach § 1 der genannten Rechtsverordnung einbezogen wird,
11 
3. hilfsweise im Verhältnis zu den Anträgen zu Ziff. 1 und 2, für den Fall, dass das Verwaltungsgericht eine Normergänzung analog § 47 Abs. 5 VwGO befürworten sollte, den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu verweisen.
12 
Zur Begründung tragen sie im wesentlichen vor, sie hätten einen Anspruch auf Hereinnahme der Stadt Stuttgart in die Gebietskulisse eines erweiterten Kündigungsschutzes bei umgewandelten Mietwohnungen gemäß § 577 a Abs. 2 S. 2 BGB. Für die Klage sei der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht gegeben. Unerheblich sei, dass die Kündigungssperrfristverordnung regelmäßig im Zusammenhang mit Mietstreitigkeiten Anwendung finde. Entscheidend sei, welchem Rechtsgebiet die Verordnung zuzuordnen sei. Es handele sich um eine „Quasi-Wohnraumbewirtschaftung“. Die Bestimmung der Gebietskulisse gehöre dem öffentlichen Recht an, sie bestimme einseitig und hoheitlich, ob eine Kommune in die Gebietskulisse aufgenommen und in ihrem Gebiet eine abgemilderte Form der Wohnraumbewirtschaftung durchgeführt werde. Für einen Anspruch auf Normerlass bzw. Normergänzung sei unter den Voraussetzungen des § 40 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Soweit der Bürger solche Rechte auf Erlass von Rechtsnormen durch die Exekutive habe, stehe ihm nach Art. 19 Abs. 4 GG zur Durchsetzung seiner Rechte der Rechtsweg offen.
13 
Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage zulässig. Gegen die Feststellungsklage sei einzuwenden, dass sie gegenüber der Leistungsklage subsidiär sei.
14 
Die Kläger seien auch klagebefugt. Es könne ihnen nicht entgegengehalten werden, dass ihnen noch nicht (wirksam) gekündigt worden sei. Könnte ein Mieter den Mangel der Normsetzung erst geltend machen, nachdem ihm gekündigt worden sei, wäre ihm mit einer (ergänzenden) Normsetzung wegen der aus Rechtsgründen nicht möglichen Rückwirkung nicht mehr gedient. Die Klage sei begründet. Die seit 01.01.2002 in Kraft gesetzte Verordnung vom 11.12.2001 verstoße gegen höherrangiges Recht. Artikel 80 Abs. 1 GG sei verletzt. Die Landesregierung habe einen Korridor im Bereich eines Wohnungsversorgungsgrades von 90 bis 93 % geschaffen, innerhalb dessen dem Votum der Gemeinde ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werde. Die Landesregierung habe damit innerhalb des Korridors die Entscheidung faktisch auf die jeweilige Kommune übertragen und dadurch einen Teil der ihr eingeräumten Rechtsetzungsmacht delegiert. Die Bedenken wegen der unzulässigen Delegation würden noch verstärkt, weil die Entscheidung des Gemeinderates der Stadt Stuttgart politisch motiviert gewesen sei. Es handele sich nicht um eine sachliche Einschätzung aufgrund einer belastbaren Datenbasis. Die Verwaltung sei auch nachweislich anderer Auffassung als der Gemeinderat gewesen. Der Gemeinderat habe sich in seiner Sitzung vom 23.03.2000 und in der vom 15.11.2001 nicht mit dem in Rede stehenden erweiterten Kündigungsschutz bei umgewandelten Mietwohnungen befasst, sondern ausdrücklich mit dem Zweckentfremdungsverbot. Darüber hinaus verletze die Kündigungssperrfristverordnung  den allgemeinen Gleichheitssatz, soweit die Landeshauptstadt Stuttgart ihrer Entscheidung Daten des städtischen Amtes für Wohnungswesen zugrunde gelegt habe, die offensichtlich auf andere Weise erhoben worden seien als die Daten des Statistischen Landesamtes, auf denen Entscheidungen hinsichtlich der übrigen Stadtkreise basierten. Dieser Systembruch führe zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der Normadressaten. Bedenken ergäben sich darüber hinaus aus dem Vergleich der Wohnraumsituation in den Städten Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim, und zwar auch dann, wenn für Stuttgart die Daten zugrunde gelegt würden, die das Statistische Landesamt erhoben habe. Nach dem Stand 1998 habe der Wohnungsversorgungsgrad im Stadtkreis Stuttgart 89,5 %, im Stadtkreis Karlsruhe 91,2 % und in Mannheim 94,5 % betragen. Im Vergleich zum Stadtkreis Mannheim hätte der Stadtkreis Stuttgart erst Recht aufgenommen werden müssen. Die Wohnraumversorgung in Mannheim sei wesentlich besser als in Stuttgart. Als Rechtfertigung könnte allein die von der Landesregierung infolge eines Methodenwechsels nunmehr vorgesehene Beteiligung der betroffenen Stadtkreise dienen. Dies sei jedoch nicht zulässig. Den Klägern stehe auch ein subjektives Recht auf Erlass der Norm zu. Dieses subjektive Recht ergebe sich aus den Grundrechten und dem einfachen Recht. § 577 a Abs. 2 S. 1 BGB habe das Ziel im Vordergrund, die Mieter gegenüber den Erwerbern von umgewandelten Wohnungseigentum in den fraglichen Gebieten stärker zu schützen. Der erweiterte Kündigungsschutz stelle sich somit nicht lediglich als Rechtsreflex, sondern als Ziel der Regelung dar, weshalb an der angestrebten individuellen Begünstigung kein Zweifel bestehe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes zu einem Anspruch des benachteiligten Bürgers auf Normergänzung führe. Würden beide Argumente für einen Normerlass- bzw. Normergänzungsanspruch sowohl einfach gesetzlich aus der Ermächtigungsgrundlage als auch verfassungsrechtlich aus dem Gleichheitssatz zusammengenommen, so folge daraus, dass der betroffene Mieter nicht lediglich einen Anspruch darauf habe, dass die Landesregierung die zweite Verordnung vom 11.12.2001 in einer der Ermächtigungsgrundlage Rechnung tragenden Weise ergänze, sondern konkret darauf, dass der Stadtkreis Stuttgart aus Gründen der Gleichbehandlung in die Gebietskulisse aufgenommen werde.
15 
Das beklagte Land beantragt,
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet. Es mache dabei keinen Unterschied, dass die Kläger vorliegend nicht die Überprüfung einer erfolgten Aufnahme einer bestimmten Stadt in die Verordnung, sondern die Aufnahme einer bestimmten Stadt in den Geltungsbereich der Verordnung begehrten. In beiden Fällen gehe es letztlich um die Rechtmäßigkeit einer zivilrechtlichen Norm. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs sei auch nicht allein dadurch gegeben, dass mit der Schaffung oder Ergänzung einer Norm ein hoheitlicher Akt der öffentlichen Hand eingeklagt werde. Der Verwaltungsrechtsweg sei auch hier nur unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, also insbesondere, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege. Dies sei aber gerade nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25.06.2003 - 4 S 1999/02 - nicht der Fall. Abgesehen davon zwinge auch Art. 19 Abs. 4 GG nicht dazu den Verwaltungsrechtsweg zu eröffnen. Sofern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei, wäre ein Verfahren nach § 47 VwGO statthaft.
18 
Es fehle auch an der Klagebefugnis. Es bestehe kein subjektiv-öffentliches Recht auf Normerlass oder Normergänzung. § 577 a BGB diene nicht der Befriedigung von Individualinteressen. Die Einführung der zehnjährigen Kündigungssperrfrist solle insgesamt dem Schutz schwacher Mieter vor Kündigungen dienen. Dieses Ziel sei im öffentlichen allgemeinen Interesse verfolgt worden. Die Begünstigung der Kläger sei daher nur ein Rechtsreflex. Ein Rechtsanspruch aus Art. 3 GG sei ebenfalls nicht gegeben. Die Nichtberücksichtigung der Stadt Stuttgart sei nicht willkürlich. Die Landesregierung habe nach einem klaren System entschieden, welche Städte in die Gebietskulisse der Verordnung aufgenommen werden sollten. Das System sei nachvollziehbar und begründe ausreichend die unterschiedliche Behandlung von Stuttgart und Mannheim.
19 
Selbst wenn die Klage zulässig wäre, wäre sie nicht begründet. Der Verordnungsgeber habe bei der Bestimmung der Gebiete einen erheblichen Beurteilungsspielraum, der nur sehr beschränkt gerichtlicher Kontrolle zugänglich sei. Dementsprechend sei von der Verordnungsermächtigung auch unterschiedlich Gebrauch gemacht worden. Letztlich beschränke sich bei solchen Verordnungen die gerichtliche Kontrolle auf eine Missbrauchskontrolle. In der Kündigungssperrfristverordnung seien nur Städte berücksichtigt worden, die bestimmte quantitative und qualitative Kriterien erfüllten. Unter anderem sei Voraussetzung, dass der rechnerische Versorgungsgrad aller Haushalte mit Wohnungen - unter Berücksichtigung einer wohnwirtschaftlich gebotenen Fluktuationsreserve von 3 % - weniger als 93 % ausweise. Für die Städte Karlsruhe, Stuttgart und Mannheim ergäben sich rechnerische Wohnungsversorgungsgrade in einem Bereich von 90 bis 93 %. Die Stadt Mannheim habe diesen Bereich erreicht, da bei ihr abweichend von den übrigen Städten ein anderes Berechnungsverfahren bei der Fortschreibung der Haushaltszahlen angewendet worden sei. Während bei Stuttgart und den anderen Städten die Haushaltszahlen aus der Volkszählung 1987 mit einem durchschnittlichen Veränderungssatz für Entwicklung der Haushaltsgrößen in den Gemeinden von 50.000 bis über 500.000 Einwohnern aus den Ergebnissen des Mikrozensus Mai 2000 zugrunde gelegt worden seien, sei bei der Stadt Mannheim die im Mikrozensus Mai 2000 ermittelte durchschnittliche Haushaltsgröße für die spezifische Größenklasse der Stadt direkt in der Berechnung verwendet worden, da bei der Stadt Mannheim diese Zahlen - anders als bei den übrigen Städten - zu einem erheblich anderen Ergebnis geführt hätten, das aber nach den Angaben der Stadt Mannheim der tatsächlichen Wohnungssituation in der Stadt am nächsten gekommen sei. Die besondere Handhabung allein bei der Stadt Mannheim habe jedoch keine Auswirkungen auf die Behandlung der Stadt Stuttgart. Hätte man auch bei der Stadt Stuttgart den für ihre Gemeindegrößenklasse ermittelten Wert aus dem Mikrozensus Mai 2000 direkt zugrunde gelegt, wäre der Wohnungsversorgungsgrad sogar noch etwas angestiegen. Es habe auch keine unzulässige Delegation der Entscheidung auf die Gemeinden vorgelegen. Wegen der rechnerischen Ungenauigkeiten bei der Bestimmung des Wohnungsversorgungsgrades habe es vertretbar und geboten erschienen, den Verbleib oder Nichtverbleib in der Verordnung nicht allein maßgeblich von der Unter- oder Überschreitung eines fixen Grenzwertes von 93 % abhängig zu machen, sondern in einem bestimmten Grenzbereich zusätzliche Kriterien zu berücksichtigen. Insoweit habe die Einschätzung der örtlichen Wohnungssituation durch die Kommune selbst neben der ermittelten quantitativen Wohnungsversorgung zusätzlich eine stärkere Berücksichtigung finden können. Der kommunale Entschluss sei der Landesregierung nicht nur formell, sondern auch inhaltlich zuzurechnen. Es habe auch keinen Systembruch durch verschiedene Datengrundlagen gegeben. Die Datengrundlage des Wirtschaftsministeriums sei weiterhin Teil der Entscheidung seiner Abwägungsbasis gewesen. Bereits die Meldung der Stadt Stuttgart an das Wirtschaftsministerium vom 24.09.2001 mache deutlich, dass auch die Stadt Stuttgart inzwischen hinsichtlich der Einwohnerzahl bereits von den höheren Zahlen des Statistischen Landesamtes ausgegangen sei. Ausweislich der Tischvorlage der Stadtverwaltung vom 25.10.2001 für den zuständigen Gemeinderatsausschuss sei die Stadt von einem hohen Wohnungsversorgungsgrad von 98 % ausgegangen. Der Beschluss habe die seinerzeitige Sicht der Stadt widergespiegelt. Wenn der Gemeinderat formell nur die Wiedereinführung des Zweckentfremdungsrechts abgelehnt und damit das Vorliegen der besonderen Gefährdung der Wohnungsversorgung in der Stadt verneint habe, habe diese Entscheidung aufgrund der Verbindung der Sachverhalte direkte Auswirkungen auf die Frage der Wiedereinführung der erweiterten Kündigungssperrfrist in Stuttgart. Dies sei auch dem Gemeinderat bekannt gewesen. So habe der Oberbürgermeister anlässlich des ersten Gemeinderatsbeschlusses vom 22.03.2000 zur Vorgängerverordnung, in der der Gemeinderat sich für eine Streichung der Stadt aus der Zweckentfremdungsverbotsverordnung ausgesprochen habe, mitgeteilt, dass der Gemeinderat auf den Zusammenhang mit der Verordnung über einen erweiterten Kündigungsschutz hingewiesen worden sei.
20 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Wirtschaftsministeriums vor.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Klage ist im Hauptantrag Nr. 1 a-c als allgemeine Leistungsklage bzw. als Bescheidungsklage unzulässig. Der Hilfsantrag Nr. 2 a ist ebenfalls unzulässig. Auf den Hilfsantrag Nr. 2 b ist die Klage als Feststellungsklage nach § 43 Abs.1 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Der Hilfsantrags Nr. 3  ist gleichfalls unbegründet. Für das Klagebegehren der Kläger ist der Rechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zum Verwaltungsgericht eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.
22 
Die Beteiligten streiten darum, ob die Kläger einen Anspruch auf Erlass bzw. Ergänzung der Kündigungssperrfristverordnung haben, mit der die Stadt Stuttgart in die sog. Gebietskulisse dieser Verordnung einbezogen wird. Der Erlass bzw. die Ergänzung der Verordnung ist ein Akt der Rechtsetzung. Als solcher unterfällt er als „staatlicher Hoheitsakt“ dem öffentlichen Recht. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nicht vor. Es geht im Kern nicht um die Anwendung und Auslegung verfassungsrechtlicher Normen, vielmehr um die Anwendung des § 577a Abs. 2 BGB und der auf dieser Grundlage ergangenen Kündigungssperrfristverordnung der Landesregierung vom 11.12.2001. Eine verfassungsrechtliche Norm liegt nicht schon deshalb vor, weil verfassungsrechtliche Vorschriften eine Rolle spielen. Der Rechtsstreit ist auch nicht einem anderen Gericht zugewiesen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Antrag auf Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Auch die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in seinem Normenkontrollurteil vom 25.06.2003 - 4 S 1999/02 - (ESVGH 53, 255) stehen der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nicht entgegen, worin der Gerichtshof erkannt hat, dass der Normenkontrollantrag gegen die o.a. Kündigungssperrfristverordnung nicht statthaft sei. Nach § 47 Abs. 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit der dort genannten Rechtsvorschriften. Dieses Erfordernis ist nur dann erfüllt, wenn Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Vollzug der zur Überprüfung gestellten Vorschrift entstehen können, in die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte fallen würden (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 27.07.1995, NVwZ 1996, 63, 65). Rechtsstreitigkeiten, die sich aus der Anwendung der Kündigungssperrfristverordnung ergeben könnten, fallen danach ausschließlich in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, denn die fragliche Kündigungssperrfristverordnung hat ausschließlich mietrechtlichen Charakter. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten können sich aus der Anwendung der Kündigungssperrfristverordnung nicht ergeben. Die Annahme der Unzulässigkeit einer abstrakten Normenkontrolle widerspricht auch nicht dem Anliegen des Art. 19 Abs. 4 GG, lückenlosen und umfassenden Rechtsschutz zu gewähren. Denn die dortigen Vermieter haben die Möglichkeit, die Gültigkeit der angefochtenen Verordnung in einem Kündigungsschutzprozess vor den ordentlichen Gerichten im Wege der Inzidentkontrolle überprüfen zu lassen. Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Normenkontrollurteil vom 25.06.2003 (aaO) führen indessen für den hier vorliegenden Fall nicht weiter, wenn nämlich der Erlass bzw. die Ergänzung der Norm begehrt wird. So stellt sich in diesem Zusammenhang bei der Prüfung des § 40 VwGO schon nicht die im Normenkontrollverfahren maßgebliche Frage, ob die Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Vollzug der erst noch zu erlassenden Vorschrift entstehen können, in die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte fallen.
23 
Dennoch bleibt fraglich, ob im Verwaltungsrechtsweg der Erlass einer Norm erzwungen werden kann. Dagegen spricht immerhin das Argument, die Gerichte seien nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz nicht zur Rechtsetzung befugt und könnten deshalb auch nicht den Verordnungsgeber zum Tätigwerden verpflichten, auch wenn dieser hier als Teil der Exekutive tätig werde. Dem liegt auch die Vorstellung zugrunde, dass der Erlass von Rechtsnormen dem Wohl der Allgemeinheit dient und nicht dem (einklagbaren) Recht des Einzelnen (vgl. BVerwGE, 7, 188; BVerwG Urt. v. 26.1.1962, BVerwGE 13, 328; OVG Koblenz, NJW 1988, 1684; weitere beachtliche Gegenstimmen in der Literatur: Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. (1998), RdNr. 347, 1083; Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO 10. Aufl., § 47 RdNr. 19; Kalkbrenner, DÖV 1963, 41 (51)). Das Bundesverwaltungsgericht hat indessen seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und es nicht „von vornherein ausgeschlossen“, dass für ein solches Klagebegehren unter den Voraussetzungen des § 40 Abs.1 S.1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist (BVerwG, Urteil vom 3.11.1988, BVerwGE 80, 355; Urteil vom 7.09.1989, NVwZ 1990, 162; zum aktuellen Streitstand vgl. Sodan, Der Anspruch auf Rechtsetzung und seine prozessuale Durchsetzbarkeit, NVwZ 2000, 601). Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Soweit ein Bürger Rechte auf oder beim Erlass von untergesetzlichen Rechtsnormen durch die Exekutive hat, steht ihm nach Art. 19 Abs. 4 GG zur Durchsetzung seiner Rechte der Rechtsweg offen. Von dieser Rechtsschutzgarantie ist nach den Vorgaben des Grundgesetzes das hier nicht einschlägige förmliche Gesetzgebungsverfahren ausgenommen. Wohl hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 03.11.1988 (aaO) darauf hingewiesen, dass Individualansprüche auf oder beim Erlass von Rechtsnormen wegen der Eigenart der rechtsetzenden Tätigkeit des Staates im Allgemeinen nicht bestehen, aber nicht undenkbar sind. Diese Einschränkung spricht dafür, dass bei einer ausreichenden Inzidentkontrolle bei untergesetzlichen Rechtsnormen - hier im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses - Normerlassklagen vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG nicht zulässig sein dürften. So kann sich ein Vermieter, der sich gegen die Einbeziehung einer Stadt in die Gebietskulisse wendet, in einem Kündigungsschutzprozess darauf berufen, dass die Voraussetzungen für den erweiterten Kündigungsschutz nicht (mehr) vorliegen. Denn der erweiterte Kündigungsschutz tritt ohne Aufhebungsakt des Verordnungsgebers dann außer Kraft, wenn ein Ende der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt insgesamt deutlich in Erscheinung getreten und der erweiterte Kündigungsschutz daher offensichtlich entbehrlich geworden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.2003, NVwZ 2003, 1125, für den Fall der insoweit vergleichbaren Zweckentfremdungsverbotsverordnung). Das Zivilgericht kann die hier fragliche Verordnung im Rahmen eines Mietrechtsstreits hinsichtlich der Einbeziehung einer bestimmten Gemeinde unbeachtet lassen oder verwerfen, sollte es zu seiner Überzeugung feststellen, dass die Voraussetzungen für die Kündigungssperrfristverordnung nicht (mehr) vorliegen. Im umgekehrten Fall, dass ein Mieter sich auf den erweiterten Kündigungsschutz beruft, ohne dass die fragliche Stadt in der Gebietskulisse aufgeführt ist, vermag das Zivilgericht im Rahmen der Inzidentkontrolle die Kündigungssperrfristverordnung nicht zu ergänzen oder zu ersetzen. Selbst wenn das Zivilgericht bei der Tatsachenfeststellung zur Überzeugung käme, dass eine besondere Gefährdung der Mietwohnungsversorgung und damit eine Mangellage vorliege, könnte es nicht selbst Recht setzend tätig werden. Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. § 577a Abs. 2 BGB setzen hinsichtlich des Inhalts und Schranken des Eigentums eine entsprechende formale Rechtsverordnung voraus. Diese kann das Zivilgericht nicht ersetzen. Von dieser Sichtweise her bleibt es mit der bislang bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dabei, dass vorliegend der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
24 
Richtige Klageart ist die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Die in Nr. 1 a-c enthaltenen Klageanträge sind unstatthaft und damit unzulässig. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die von den Klägern mit ihrem Hauptantrag erhobene allgemeine Leistungsklage (für die Bescheidungsklage gilt nichts anderes) nicht schlechthin ausgeschlossen, in seiner Entscheidung vom 03.11.1988 (a.a.O.) aber eine deutliche Zurückhaltung in Abgrenzung zur Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erkennen lassen. Dem ist beizupflichten. Das Feststellungsbegehren entspricht hier dem im Gewaltenteilungsgrundsatz begründeten Gedanken, dass auf die Entscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe gerichtlich nur in dem für den Rechtsschutz des Bürgers unumgänglichen Umfang einzuwirken ist, wie dies bereits bei der Zulässigkeit der Normerlassklage überhaupt zu berücksichtigen ist. Gegen die allgemeine Leistungsklage und für die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO spricht außerdem, dass das Verfahren zur Kontrolle einer bereits erlassenen Norm gemäß § 47 VwGO als ein „besonders geartetes Feststellungsverfahren“ ausgestaltet ist (vgl. Sodan, NVwZ 2000, 609 m.w.N.). Gemessen an dem erwähnten Rechtsgedanken, bei einer Normerlassklage nur in unumgänglichem Umfang auf die Recht setzende Exekutive einzuwirken, ist allein der Klagantrag Nr. 2 b zulässig. Dem stünde die Befugnis der Landesregierung nicht entgegen, im Erfolgsfall der Klage anstelle einer Änderung der Verordnung auch deren vollständigen Neuerlass zu erwägen. Die allgemeine Leistungsklage ist demnach zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Erlass einer untergesetzlichen Norm nicht statthaft (vgl. zu den Gegenstimmen die Nachweise bei Sodan a.a.O., Fußnote 122). Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO seht der Feststellungsklage danach auch nicht entgegen.
25 
Es liegt in Ansehung der Normerlassklage auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO vor. Allerdings haben sich vorliegend die Kläger mit dem Beklagten nicht vor Erhebung der Klage über einen Anspruch auf Normerlass bzw. Ergänzung auseinandergesetzt. Die Beteiligten streiten sich aber nunmehr in diesem Klageverfahren darum, ob die Kläger einen Anspruch auf Ergänzung der Kündigungssperrfristverordnung haben bzw. umgekehrt der Beklagte zu deren Änderung verpflichtet ist. Ein konkretes Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO setzt rechtliche Beziehungen voraus, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden Norm für das Verhältnis von einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache ergeben, kraft dessen eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht tun braucht (vgl. BVerwG,  Urteil vom 26.01.1996, BVerwGE 100, 262). Hier liegt das Rechtsverhältnis bereits in den Rechtsbeziehungen zwischen den Klägern als Mieter und dem Beklagten als Normgeber mieterschutzrechtlicher Bestimmungen, aus denen die Kläger den vom Beklagten abgelehnten Normerlassanspruch begründen.
26 
Die Kläger haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Es reicht aus, dass die Kläger geltend machen können, dass von dem Feststellungsbegehren eigene Rechte der Kläger abhängen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.1996, aaO). Nach den Angaben der Kläger soll das Mietverhältnis frühestens zum 30.11.2004 gekündigt werden können. Das Mietrechtsverhältnis besteht momentan noch. Es ist deshalb jedenfalls rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine geänderte Kündigungssperrfristverordnung - im Wege der so genannten unechten Rückwirkung im Sinne herkömmlicher Terminologie - auch diesen Fall noch erfassen und die allerdings bald ablaufende Sperrfrist verlängern könnte (vgl. zur Zulässigkeit der Rückwirkung von Sozialklauseln BGH, Beschluss vom 15.11.2000, NJW 2001, 1421).
27 
Die Klage ist aber nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Sie können nicht verlangen, dass der Beklagte die Kündigungssperrfristverordnung in ihrem Sinne ergänzt und die Stadt Stuttgart in die Gebietskulisse einbezieht.
28 
Die Kläger berufen sich zum einen auf den einfachgesetzlichen Anspruch aus § 577 a Abs. 2 BGB. Danach können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung eine Kündigungssperre bis zur Dauer von 10 Jahren anordnen, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist.  Zugunsten der Kläger geht die Kammer davon aus, dass diese Regelung den Klägern als Mieter einer umgewandelten Wohnung auch ein subjektiv öffentliches Recht auf Tätigwerden verleiht und die Ermächtigung der Landesregierung auf Erlass der Verordnung nicht ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht und ihnen damit die Einbeziehung der Stadt Stuttgart in die fragliche Verordnung nicht lediglich als so genannter Rechtsreflex zugute käme.
29 
Indessen steht den Klägern ein Normsetzungsanspruch aus § 577a Abs. 2 BGB nicht zu. Dieser Anspruch scheitert bereits daran, dass § 577a Abs. 2 BGB den Landesregierungen den Erlass von Kündigungsbeschränkungen bei Wohnungsumwandlungen erlaubt, sie jedoch nicht dazu verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 11.03.1983, - 8 C 102/81 - NJW 1983, 2893 zum vergleichbaren Zweckentfremdungsverbot). Der gegenteiligen Auffassung der Kläger ist nicht zu folgen. Abgesehen davon steht der Landesregierung in diesem Normsetzungsbereich ein weiter Einschätzungs-, Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle im Normsetzungsbereich des Wohnungsrechts ist deshalb besonders gerechtfertigt, weil es hier um die Beurteilung längerfristiger Entwicklungen komplexer Art geht, bei denen die Bewertung der erwähnten konkurrierenden öffentlichen und privaten Interessen und die Berücksichtigung verschiedener quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte und Einzeltrends auf dem schwer zu beurteilenden Wohnungsmarkt unterschiedlich ausfallen kann (vgl. für deutliche Zurückhaltung gerichtlicher Kontrolle BVerwG, Urt. v. 12.12.1979, NJW 1980, 1970; BVerfG, Beschl. v. 12.10.1976, BVerfGE 42, 374, 395). Die Prüfung ist deshalb aufgrund des Beurteilungsspielraums demgemäß nicht der vergleichbar, wie sie gemäß § 114 VwGO bei der Nachprüfung des Ermessens bei Verwaltungsakten der Fall ist. Der Vorgang der Entscheidungsfindung einschließlich der subjektiven Vorstellungen und Motive der daran Beteiligten - also die Betätigung des „Normsetzungsermessens“ - ist einer gerichtlichen Prüfung nur eingeschränkt zugänglich (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.12.1995 - 4 S 93/93 - ; BVerwG, Urteil v. 11.03.1983, aaO). Vor diesem Hintergrund einer solch eingeschränkten Prüfung, die letztlich - wie der Beklagte zu Recht ausführt - auf eine Willkür- bzw. Missbrauchskontrolle hinausläuft, kann die Entscheidung der Landesregierung in diesem Klageverfahren rechtlich nicht beanstandet werden. Vielmehr hält sich diese im Rahmen des ihr von § 577a Abs. 2 BGB und der Verfassung zustehenden Spielraums.
30 
Die Kündigungsbeschränkungen nach § 577a Abs.2 BGB sollen - wie auch die vergleichbaren Bestimmungen zum Zweckentfremdungsverbot - die Sicherung der „Versorgung... mit ... Wohnraum“ ermöglichen. Die beim Wort genommenen an sich überflüssigen Zusätze „ausreichend“ und „angemessen“ bekräftigen, dass es im Schutzbestreben um die Wohnraumversorgung der Bevölkerung im allgemeinen und damit insbesondere der breiteren Bevölkerungsschichten geht (so schon BVerwG, Urteil vom 11.03.1983, aaO). Bekämpft werden soll eine in dieser Richtung gegebene „Mangelsituation“, ein in dieser Richtung gegebener Zustand „unzureichender Wohnraumversorgung" (BVerfGE 55, 249 ( 258 f.)). Dabei reicht allerdings aus, dass die Versorgung „gefährdet“ ist; es genügen mithin latente Versorgungsschwierigkeiten, vorausgesetzt allerdings, es handelt sich um Schwierigkeiten als Folge der Mangelsituation. Dass für jedermann ohne weiteres eine angemessene Wohnung zu angemessenem Mietzins zu finden ist, stellt den „wünschbaren Idealzustand" dar, überschreitet jedoch den Rahmen dessen, was durch diese Mieterschutzbestimmungen gewährleistet werden soll (vgl. BVerfGE 38, 348, 360 = NJW 1975, 727).
31 
Die Gefährdung der zureichenden Wohnraumversorgung muss nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts eine „besondere“ sein. Das Tatbestandsmerkmal „besonders“ verlangt eine qualitative Eigenart. Der Zusatz „besonders“ hat - anders ausgedrückt - nicht die Bedeutung, die Zulässigkeit eines erhöhten Mieterschutzes bei Wohnungsumwandlungen von einer quantitativen Steigerung der Unterversorgung derart abhängig zu machen, dass eine allgemeine Gefährdung bei jedem rechnerisch nicht voll ausgeglichenen Wohnungsmarkt, eine besondere Gefährdung dagegen erst bei einem Defizit von beispielsweise mehr als 10% anzunehmen wäre. Gegen ein solches Verständnis des Tatbestandmerkmals „besonders“ spricht bereits der Wortlaut des § 577a Abs.2 BGB. Nicht die Unterversorgung muss „besonders“ sein, sondern von der Gefährdung (der Versorgung) wird gefordert, dass sie „besonders“ - und damit von qualitativ besonderer Beschaffenheit - sein muss. Der Akzent liegt dementsprechend (insoweit) darauf, ob sich der Wohnungsmarkt einer Gemeinde durch sachliche Eigenarten auszeichnet, die geeignet sind, diesen für breitere Bevölkerungsschichten negativ zu beeinflussen und ihm so eine spezifische Labilität zu vermitteln. Das pflegt vor allem in Ballungsräumen, in Industriestädten, in Städten mit herausgehobener zentraler Lage oder Funktion (Oberzentren) sowie (bei entsprechenden Größenverhältnissen) in Universitätsstädten der Fall zu sein. Hiervon ging die Landesregierung auch aus, was in dem von den Klägern zitierten Redebeitrag des Staatssekretärs Dr. Mehrländer wie auch in den Akten zum Ausdruck kommt.
32 
Diese Auslegung des § 577a BGB rechtfertigt sich nach dem Sinn des Gesetzes vor allem deshalb, weil eine rein quantitative Betrachtungsweise zu sachwidrigen Ergebnissen führte. Dürften danach  Wohnungsumwandlungen oder Zweckentfremdungsverbote nur für solche Gemeinden erlassen werden, in denen das (Wohnraum-)Versorgungsdefizit eine gesteigerte Quantität erreicht, müsste die maßgebende Steigerung einigermaßen exakt beziffert und die Einhaltung der sich so ergebenden Schranke vom Verordnungsgeber im einzelnen geprüft werden. Steht im Mittelpunkt der Überlegungen die Bezifferung des entscheidenden (Grenz-)Defizits , muss zwangsläufig entscheidend auf erfahrungsgemäß nur sehr bedingt zuverlässige Statistiken zurückgegriffen werden, wobei die Zuverlässigkeit des zur Verfügung stehenden statistischen Materials zusätzlich noch dadurch geschmälert - wenn nicht generell in Frage gestellt - wird, dass der Wohnraumbedarf, auf welchen die Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlungen hinzielt, weder auf seiner Angebots- noch auf seiner Nachfrageseite statistisch überhaupt ermittelbar ist und angesichts dessen allenfalls mit Hilfe von Unterstellungen aus umfassenderem statistischen Material herausgerechnet werden könnte. Statistisches Material wird bei der stets erheblichen Fluktuation der Großstadtbevölkerung in einer offenen Gesellschaft und verbreiteten neuen Formen des Zusammenlebens, wie nichteheliche Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften - die sich auf die Zahl der Haushalte und damit auf den Wohnungsbedarf auswirken - nur bedingt zuverlässig und umstritten sein. Umso mehr kommt es angesichts der sehr fraglichen  Zuverlässigkeit jeden Rechenwerkes auf diesem Gebiet gerade auf die unterschiedliche Gewichtigkeit einzelner Rechnungsfaktoren an. Es kommt hinzu, dass zum einen seit Jahren mit dem Mikrozensus und Gemeindegrößen gearbeitet wird, deren Zuverlässigkeit aufgrund der genannten Gründe fraglich ist, zum anderen kommt hinzu, dass  der Rückgriff auf statistische Erhebungen die Festlegung eines Stichtags erfordert, und zwar eines Stichtags, der wegen der Dauer derartiger Erhebungen zwangsläufig zeitlich bereits so weit zurückliegt, dass die Daten schon wieder durch Zeitablauf in Frage gestellt sein können. Die rechnerische Unsicherheit hat auch die Landesregierung in ihre Erwägungen eingestellt, wie wiederum den Ausführungen von Staatssekretär Dr. Mehrländer entnommen werden kann. Des weiteren ist eine Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlungen durch Rechtsverordnung nur dann angemessen, wenn sich mit dem Erlass der Verordnung die Erwartung verbinden lässt, dass sich dieser Mieterschutz für einen gewissen Zeitraum rechtfertigt (in diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass sich die verhängte 10-jährige Sperrfrist und eine 5-jährige Laufzeit der Kündigungssperrfristverordnung kaum vereinbaren lassen). Eine solche Erwartung ist jedoch bei einer rein quantitativen Betrachtungsweise prinzipiell fragwürdig. Der Wohnungsmarkt wird in vielen Gegenden durch eine Labilität gekennzeichnet, die ihn ständig auf viele im einzelnen häufig nicht exakt ermittelbare Anstöße reagieren lässt. Wo dies zutrifft, ist von nur geringer Aussagekraft, wenn bei einer punktuellen Betrachtung des Marktes zufällig die eine oder andere Versorgungslage ermittelt wird.  Sachgerecht ist vielmehr eine insgesamt qualitative Betrachtung. Ausschlaggebend kann nicht allein sein, ob das Defizit an einem bestimmten Stichtag eine abstrakt festgelegte Grenze überschreitet oder nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.03.1983, aaO) wäre schon durch die Tatsache, dass eine Mangelsituation aus "besonderen" Gründen labil ist und infolge dieser Labilität selbst bei zeitweise eintretender Entspannung jederzeit kurzfristig wieder in einen stärker spürbaren Mangel umschlagen kann, eine Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs.2 BGB zu verhängen gerechtfertigt, solange nicht ein dauerhaft erträglicher Zustand erreicht ist (dort entschieden für das Zweckentfremdungsverbot). Die Erwägungen entheben die Landesregierung nicht der Pflicht, sich um möglichst  zuverlässige statistische Unterlagen zu bemühen. Aber gerade auch wegen der letztlich nicht behebbaren Unsicherheiten muss es weitgehend der Entscheidung des Landesregierung überlassen bleiben, wieweit sie sich auf einzelne Faktoren als maßgebende Indizien einer Mangelsituation stützen will.
33 
In der Sache hält es das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11.03.1983, aaO; ebenso Schmidt-Futter, Mietrecht, § 577a RdNr. 18) sogar im Einklang mit der Lebenserfahrung, dass selbst dann noch eine Unterversorgung mit Wohnraum für die breiteren Bevölkerungsschichten gegeben ist oder doch in beachtlicher Weise droht, wenn der Wohnungsmarkt in seinem vollen Umfang, d. h. bei Berücksichtigung des gesamten Angebots und der gesamten Nachfrage, einen Ausgleich bereits erreicht hat oder sogar schon ein leichtes Übergewicht des Angebots erreicht zu haben scheint. Immerhin hat auch die Landesregierung in den Vorgängerverordnungen von der Ermächtigung des § 577a Abs.2 BGB weit großzügiger Gebrauch gemacht, ebenso wie andere Bundesländer, wie der Beklagte dargelegt hat. Ob diese Sichtweise überzeugt, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls besteht unstreitig in der Landeshauptstadt Stuttgart ein  Wohnungsdefizit - je nach angewandter Statistik - zwischen ca. 10% und 2%.
34 
Hiervon ausgehend wäre die Landesregierung rechtlich nicht gehindert gewesen, auch die Landeshauptstadt Stuttgart in die Gebietskulisse aufzunehmen. Denn für die Annahme der in § 577 a Abs. 2 BGB beschriebenen Mangelsituation in der oben dargelegten Ausprägung durch die Rechtsprechung reicht es jedenfalls aus, wenn infolge knappen Wohnungsangebots der Marktzugang verengt ist. Es war nach den obigen Ausführungen allerdings geradezu geboten, das Mietwohnungsdefizit auch qualitativ zu bewerten. So können weitere Kriterien in die Beurteilung einfließen, etwa die Situation für besondere Gruppen von Wohnungssuchenden oder auch die Entwicklung des örtlichen Mietpreisniveaus im Vergleich zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten und eben die Beurteilung der örtlichen Situation durch die Gemeinde selbst. Dem dient die Entscheidung der Landesregierung, nunmehr bei einem statistischen Wohnungsversorgungsgrad von 90% - 93% einen Korridor zu bilden, in dem der Wille der Kommunen stärker berücksichtigt wird. Diese Entscheidung hält sich innerhalb des oben näher beschriebenen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums im Normsetzungsverfahren. Eine definitive Mangellage bzw. eine „besondere Gefährdung“ der Versorgung mit Mietwohnungen bei einem Versorgungsgrad von über 90,03% zu verneinen, ist schon mit Rücksicht auf die oben erwähnte unzureichende Aussagekraft der einschlägigen Statistiken (zumal die hauseigene Statistik der Landeshauptstadt Stuttgart von einem Versorgungsgrad von 98 % ausgeht) und der die Wohnraumversorgung bewertenden Stellungnahme der Gemeinde weder willkürlich noch missbräuchlich.
35 
In der Berücksichtigung des gemeindlichen Votums liegt keine unzulässige Delegation. Die Kläger meinen zu Unrecht, die Landesregierung habe innerhalb des ihr eröffneten Korridors bei einem Wohnungsversorgungsgrad von 90 bis 93 % die Entscheidung faktisch auf die jeweilige Kommune übertragen und dadurch einen Teil der ihr eingeräumten Rechtsetzungsmacht delegiert. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Erlass der Verordnung durch die Landesregierung hat das federführende Wirtschaftsministerium die der für die Einbeziehung in die Gebietskulisse in Betracht kommenden Kommunen angehört. Es ist von dem wiederholt oben angesprochenen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich des Verordnungsgebers umfasst, die zum Erlass der Verordnung ermächtigende Mangelsituation in gewissen Grenzen näher zu definieren. So hat die Landesregierung in früheren Verordnungen bereits in Städten mit einer geringeren Unterversorgung von Wohnraum eine Mangelsituation bejaht. Es ist auch - wie ausgeführt - sachgerecht, die Einschätzung der Wohnungssituation durch die betroffene Kommune selbst in einem Grenzbereich stärker zu berücksichtigen. Trotz Berücksichtigung des Votums bleibt es eine formal wie sachlich originäre Entscheidung der Landesregierung. Es bleibt der Landesregierung auch die Verantwortung, die Entscheidung der jeweiligen Kommune auf deren inhaltliche Plausibilität zu prüfen. Dies hat die Landesregierung aber ersichtlich getan, sie hat sich mit jedem einzelnen Fall befasst und die Stellungnahmen der Städte gewürdigt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Landesregierung willkürlich oder missbräuchlich vorgegangen ist. Vielmehr ist das beklagte Land bei der Behandlung der Stadt Stuttgart systemgerecht vorgegangen, d. h., es hat sich an die von ihr selbst gesetzten Kriterien gehalten. An ihre eigene Vorgabe, in dem Korridor von 90 bis 93 % die Einschätzung der örtlichen Wohnungsmarktsituation durch die Kommune trotz der ermittelten quantitativen Wohnungsmarktsituation stärker zu berücksichtigen, hat sich die Landesregierung gehalten. Aus der Begründung des Verordnungsentwurfs ergibt sich - ausgehend von den Berechnungen des Statistischen Landesamts Ende 1998 nach der Fortschreibungsmethode des Wirtschaftsministeriums unter Berücksichtigung einer 3-prozentigen Fluktuation zum September 2001 - ein Versorgungsgrad für Stuttgart von 90,03%. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat sich gegenüber dem Wirtschaftsministerium dahingehend geäußert, dass sie die Weitergeltung des erweiterten Kündigungsschutzes nicht befürwortet und sich hierzu auf einen Beschluss des Gemeinderats bezogen. Die Kläger rügen in diesem Zusammenhang, dass sich der Gemeinderat der Stadt Stuttgart formal nicht mit der Weitergeltung des erweiterten Kündigungsschutzes befasst habe, sondern mit dem Zweckentfremdungsverbot, und außerdem die Heranziehung der städtischen Statistik. Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass nach den Angaben der Landeshauptstadt Stuttgart der Oberbürgermeister den Gemeinderat mündlich darüber informiert habe, dass es auch um den erweiterten Kündigungsschutz bei Wohnungsumwandlung gehe. Es wäre transparenter gewesen, wenn formal der Gemeinderat auch zu dieser Frage eigenständig Stellung bezogen hätte. Die Kammer sieht hierin jedoch keinen Verstoß gegen die vom Land selbst aufgestellten Kriterien. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anhörung der Kommune zur Verordnung keine „laufende Angelegenheit“ ist, die gemäß § 44 GemO in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters fällt, durfte die Landesregierung die nach außen vom Oberbürgermeister bekundete Stellungnahme verwerten, zumal nach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 577 a Abs. 2 BGB keine Unterschiede zwischen Zweckentfremdungsverbot und erweitertem Kündigungsschutz bestehen. Beide Ermächtigungsgrundlagen stellen in gleicher Weise auf die besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung ab. Es kommt lediglich darauf an, dass die Landesregierung die von ihr gesetzten Kriterien auch im Fall der Stadt Stuttgart einhält. Unerheblich ist, ob bei der Stadt Stuttgart intern - kommunalverfassungsrechtlich - die Willensbildung bis ins Detail ordnungsgemäß abgelaufen ist, insbesondere auch, ob die Information der Gemeinderäte über den Versorgungsgrad mit Wohnungen umfassend genug war. Die Landesregierung hatte nicht gleichsam der Funktion einer Rechtsaufsichtsbehörde entsprechend das Zustandekommen der Willensbildung zu überprüfen. Es war ausreichend, dass neben der Berücksichtigung des eigenen Zahlenmaterials die Stadt Stuttgart nach außen dem Wirtschaftsministerium gegenüber eine eindeutige Stellungnahme abgegeben hat. Auch der Gemeinde steht bei ihrer Willensbildung anlässlich der Abgabe einer Stellungnahme ein Wertungs- und Einschätzungsspielraum aus den oben genannten Gründen zu.  Es blieb der Landesregierung unbenommen, die Stellungnahme der Landeshauptstadt Stuttgart unter diesem besonderen Aspekt des abweichenden Zahlenmaterials zu würdigen. Abgesehen davon hat die zu diesem Verfahren beigeladene Landeshauptstadt Stuttgart nach wie vor keine gegenteilige Erklärung abgegeben. Ergänzend ist zu bemerken, dass ausgehend von den Zahlen der Stadt Stuttgart ein Wohnungsversorgungsgrad von 98 % vorhanden wäre. Ginge man von dieser Zahl aus, wäre nach den angewendeten Kriterien der Landesregierung die Stadt Stuttgart von vornherein nicht in die Gebietskulisse aufgenommen worden, selbst wenn diese ausdrücklich darum gebeten hätte.
36 
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 GG liegt nicht vor. Die Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 kann unter Umständen zu einem Anspruch des benachteiligten Bürgers auf Normergänzung führen. Den Klägern ist zuzugeben, dass sich nach der allgemein angewandten Berechnungsmethode im Fall der Stadt Mannheim ein Versorgungsgrad von 98,28 % errechnet und somit ausgehend von diesem Wert eine Einbeziehung der Stadt Mannheim in die Gebietskulisse nicht in Betracht gekommen wäre. Die Landesregierung hat nun im Fall der Stadt Mannheim abweichend eine Durchschnittszahl von Personen je Haushalt im Mai 2000 von 1,79 aufgrund des Mikrozensusergebnisses für Gemeinden zwischen 200.000 und 500.000 Einwohner in Baden-Württemberg zugrunde gelegt. Dabei errechnet sich eine Wohnungsversorgung von 91,1 % bei einer Fluktuationsreserve von 3 %. Grundsätzlich liegt ein Gleichheitsverstoß vor, wenn sich für die Ungleichbehandlung kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender sachlicher Grund finden lässt. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Gebieten oder Gemeinden eines Landes ist - gerade mit Rücksicht auf das qualifizierende Merkmal der besonderen Gefährdung - so lange unbedenklich, wie sie zu sachlich vertretbaren, also sich nicht jeder Rechtfertigung entziehenden und deshalb willkürlichen Ergebnissen führt (vgl. zu dem den Landesregierungen eingeräumten „Beurteilungsfreiraum“ wiederum BVerfGE 38, 348, 363 = NJW 1975, 727 sowie BVerwGE 59, 195 ( 199)). Ob danach die Städte Stuttgart und Mannheim unterschiedlich behandelt wurden, braucht nicht weiter erörtert zu werden. Denn jedenfalls liegt  keine Ungleichbehandlung gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart und erst recht nicht im Verhältnis zu den Klägern vor, wenn sich - wie hier - die Landesregierung im Fall der Landeshauptstadt Stuttgart im Berechnungsverfahren an die von ihr selbst gesetzten Kriterien hält und lediglich im Falle der Stadt Mannheim hiervon abgewichen ist. Die Kläger können sich auf ein (systemwidriges) Abweichen im Fall Mannheim nicht berufen, denn „ungleich“ - wenn überhaupt - wurde der Stadtkreis Mannheim behandelt.  Einen Anspruch auf „Gleichheit im Unrecht“ gibt es jedoch nicht.  Die Kläger können nur verlangen, dass die Landesregierung im Fall der Landeshauptstadt Stuttgart entsprechend ihrer allgemeinen Vorgaben für die Ermittlung einer besonderen Gefährdung der Wohnraumversorgung systemgerecht entscheidet. Hieran hat sich die Landesregierung gehalten. Sie ging in allen übrigen Fällen, nämlich der Städte Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Konstanz und Tübingen nach den gleichen Kriterien vor. Lediglich für die Stadt Mannheim wurde eine andere Berechnungsgrundlage toleriert. Ob dieses Verfahren rechtlich bedenklich ist, mag auf sich beruhen.  Hierauf könnten sich möglicherweise betroffene Vermieter der Stadt Mannheim stützen, nicht aber umgekehrt ein Mieter der nicht berücksichtigten Landeshauptstadt Stuttgart.
37 
Der weiter hilfsweise gestellte Antrag, den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu verweisen, hat ebenfalls keinen Erfolg. Ein Normenkontrollantrag liegt nicht vor. Für eine analoge Anwendung des § 47 VwGO ist mangels Regelungslücke kein Raum. Als Normergänzungsklage hat das Verwaltungsgericht die Klage grundsätzlich für zulässig gehalten und sachlich entschieden. Es besteht deshalb schon bereits kein Rechtsschutzinteresse mehr daran, das angestrebte Ergebnis im Wege einer Normergänzung im prozessualen Rahmen des beim Oberverwaltungsgericht angesiedelten Normenkontrollverfahrens zuzulassen, abgesehen davon, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Statthaftigkeit des Normenkontrollverfahrens bereits für die hier einschlägige Kündigungssperrfristverordnung abgelehnt hat.

Gründe

 
21 
Die Klage ist im Hauptantrag Nr. 1 a-c als allgemeine Leistungsklage bzw. als Bescheidungsklage unzulässig. Der Hilfsantrag Nr. 2 a ist ebenfalls unzulässig. Auf den Hilfsantrag Nr. 2 b ist die Klage als Feststellungsklage nach § 43 Abs.1 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Der Hilfsantrags Nr. 3  ist gleichfalls unbegründet. Für das Klagebegehren der Kläger ist der Rechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zum Verwaltungsgericht eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.
22 
Die Beteiligten streiten darum, ob die Kläger einen Anspruch auf Erlass bzw. Ergänzung der Kündigungssperrfristverordnung haben, mit der die Stadt Stuttgart in die sog. Gebietskulisse dieser Verordnung einbezogen wird. Der Erlass bzw. die Ergänzung der Verordnung ist ein Akt der Rechtsetzung. Als solcher unterfällt er als „staatlicher Hoheitsakt“ dem öffentlichen Recht. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nicht vor. Es geht im Kern nicht um die Anwendung und Auslegung verfassungsrechtlicher Normen, vielmehr um die Anwendung des § 577a Abs. 2 BGB und der auf dieser Grundlage ergangenen Kündigungssperrfristverordnung der Landesregierung vom 11.12.2001. Eine verfassungsrechtliche Norm liegt nicht schon deshalb vor, weil verfassungsrechtliche Vorschriften eine Rolle spielen. Der Rechtsstreit ist auch nicht einem anderen Gericht zugewiesen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Antrag auf Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Auch die Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in seinem Normenkontrollurteil vom 25.06.2003 - 4 S 1999/02 - (ESVGH 53, 255) stehen der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nicht entgegen, worin der Gerichtshof erkannt hat, dass der Normenkontrollantrag gegen die o.a. Kündigungssperrfristverordnung nicht statthaft sei. Nach § 47 Abs. 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit der dort genannten Rechtsvorschriften. Dieses Erfordernis ist nur dann erfüllt, wenn Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Vollzug der zur Überprüfung gestellten Vorschrift entstehen können, in die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte fallen würden (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 27.07.1995, NVwZ 1996, 63, 65). Rechtsstreitigkeiten, die sich aus der Anwendung der Kündigungssperrfristverordnung ergeben könnten, fallen danach ausschließlich in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, denn die fragliche Kündigungssperrfristverordnung hat ausschließlich mietrechtlichen Charakter. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten können sich aus der Anwendung der Kündigungssperrfristverordnung nicht ergeben. Die Annahme der Unzulässigkeit einer abstrakten Normenkontrolle widerspricht auch nicht dem Anliegen des Art. 19 Abs. 4 GG, lückenlosen und umfassenden Rechtsschutz zu gewähren. Denn die dortigen Vermieter haben die Möglichkeit, die Gültigkeit der angefochtenen Verordnung in einem Kündigungsschutzprozess vor den ordentlichen Gerichten im Wege der Inzidentkontrolle überprüfen zu lassen. Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Normenkontrollurteil vom 25.06.2003 (aaO) führen indessen für den hier vorliegenden Fall nicht weiter, wenn nämlich der Erlass bzw. die Ergänzung der Norm begehrt wird. So stellt sich in diesem Zusammenhang bei der Prüfung des § 40 VwGO schon nicht die im Normenkontrollverfahren maßgebliche Frage, ob die Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Vollzug der erst noch zu erlassenden Vorschrift entstehen können, in die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte fallen.
23 
Dennoch bleibt fraglich, ob im Verwaltungsrechtsweg der Erlass einer Norm erzwungen werden kann. Dagegen spricht immerhin das Argument, die Gerichte seien nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz nicht zur Rechtsetzung befugt und könnten deshalb auch nicht den Verordnungsgeber zum Tätigwerden verpflichten, auch wenn dieser hier als Teil der Exekutive tätig werde. Dem liegt auch die Vorstellung zugrunde, dass der Erlass von Rechtsnormen dem Wohl der Allgemeinheit dient und nicht dem (einklagbaren) Recht des Einzelnen (vgl. BVerwGE, 7, 188; BVerwG Urt. v. 26.1.1962, BVerwGE 13, 328; OVG Koblenz, NJW 1988, 1684; weitere beachtliche Gegenstimmen in der Literatur: Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. (1998), RdNr. 347, 1083; Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO 10. Aufl., § 47 RdNr. 19; Kalkbrenner, DÖV 1963, 41 (51)). Das Bundesverwaltungsgericht hat indessen seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und es nicht „von vornherein ausgeschlossen“, dass für ein solches Klagebegehren unter den Voraussetzungen des § 40 Abs.1 S.1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist (BVerwG, Urteil vom 3.11.1988, BVerwGE 80, 355; Urteil vom 7.09.1989, NVwZ 1990, 162; zum aktuellen Streitstand vgl. Sodan, Der Anspruch auf Rechtsetzung und seine prozessuale Durchsetzbarkeit, NVwZ 2000, 601). Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Soweit ein Bürger Rechte auf oder beim Erlass von untergesetzlichen Rechtsnormen durch die Exekutive hat, steht ihm nach Art. 19 Abs. 4 GG zur Durchsetzung seiner Rechte der Rechtsweg offen. Von dieser Rechtsschutzgarantie ist nach den Vorgaben des Grundgesetzes das hier nicht einschlägige förmliche Gesetzgebungsverfahren ausgenommen. Wohl hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 03.11.1988 (aaO) darauf hingewiesen, dass Individualansprüche auf oder beim Erlass von Rechtsnormen wegen der Eigenart der rechtsetzenden Tätigkeit des Staates im Allgemeinen nicht bestehen, aber nicht undenkbar sind. Diese Einschränkung spricht dafür, dass bei einer ausreichenden Inzidentkontrolle bei untergesetzlichen Rechtsnormen - hier im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses - Normerlassklagen vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG nicht zulässig sein dürften. So kann sich ein Vermieter, der sich gegen die Einbeziehung einer Stadt in die Gebietskulisse wendet, in einem Kündigungsschutzprozess darauf berufen, dass die Voraussetzungen für den erweiterten Kündigungsschutz nicht (mehr) vorliegen. Denn der erweiterte Kündigungsschutz tritt ohne Aufhebungsakt des Verordnungsgebers dann außer Kraft, wenn ein Ende der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt insgesamt deutlich in Erscheinung getreten und der erweiterte Kündigungsschutz daher offensichtlich entbehrlich geworden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.2003, NVwZ 2003, 1125, für den Fall der insoweit vergleichbaren Zweckentfremdungsverbotsverordnung). Das Zivilgericht kann die hier fragliche Verordnung im Rahmen eines Mietrechtsstreits hinsichtlich der Einbeziehung einer bestimmten Gemeinde unbeachtet lassen oder verwerfen, sollte es zu seiner Überzeugung feststellen, dass die Voraussetzungen für die Kündigungssperrfristverordnung nicht (mehr) vorliegen. Im umgekehrten Fall, dass ein Mieter sich auf den erweiterten Kündigungsschutz beruft, ohne dass die fragliche Stadt in der Gebietskulisse aufgeführt ist, vermag das Zivilgericht im Rahmen der Inzidentkontrolle die Kündigungssperrfristverordnung nicht zu ergänzen oder zu ersetzen. Selbst wenn das Zivilgericht bei der Tatsachenfeststellung zur Überzeugung käme, dass eine besondere Gefährdung der Mietwohnungsversorgung und damit eine Mangellage vorliege, könnte es nicht selbst Recht setzend tätig werden. Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. § 577a Abs. 2 BGB setzen hinsichtlich des Inhalts und Schranken des Eigentums eine entsprechende formale Rechtsverordnung voraus. Diese kann das Zivilgericht nicht ersetzen. Von dieser Sichtweise her bleibt es mit der bislang bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dabei, dass vorliegend der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
24 
Richtige Klageart ist die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Die in Nr. 1 a-c enthaltenen Klageanträge sind unstatthaft und damit unzulässig. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die von den Klägern mit ihrem Hauptantrag erhobene allgemeine Leistungsklage (für die Bescheidungsklage gilt nichts anderes) nicht schlechthin ausgeschlossen, in seiner Entscheidung vom 03.11.1988 (a.a.O.) aber eine deutliche Zurückhaltung in Abgrenzung zur Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erkennen lassen. Dem ist beizupflichten. Das Feststellungsbegehren entspricht hier dem im Gewaltenteilungsgrundsatz begründeten Gedanken, dass auf die Entscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe gerichtlich nur in dem für den Rechtsschutz des Bürgers unumgänglichen Umfang einzuwirken ist, wie dies bereits bei der Zulässigkeit der Normerlassklage überhaupt zu berücksichtigen ist. Gegen die allgemeine Leistungsklage und für die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO spricht außerdem, dass das Verfahren zur Kontrolle einer bereits erlassenen Norm gemäß § 47 VwGO als ein „besonders geartetes Feststellungsverfahren“ ausgestaltet ist (vgl. Sodan, NVwZ 2000, 609 m.w.N.). Gemessen an dem erwähnten Rechtsgedanken, bei einer Normerlassklage nur in unumgänglichem Umfang auf die Recht setzende Exekutive einzuwirken, ist allein der Klagantrag Nr. 2 b zulässig. Dem stünde die Befugnis der Landesregierung nicht entgegen, im Erfolgsfall der Klage anstelle einer Änderung der Verordnung auch deren vollständigen Neuerlass zu erwägen. Die allgemeine Leistungsklage ist demnach zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Erlass einer untergesetzlichen Norm nicht statthaft (vgl. zu den Gegenstimmen die Nachweise bei Sodan a.a.O., Fußnote 122). Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO seht der Feststellungsklage danach auch nicht entgegen.
25 
Es liegt in Ansehung der Normerlassklage auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO vor. Allerdings haben sich vorliegend die Kläger mit dem Beklagten nicht vor Erhebung der Klage über einen Anspruch auf Normerlass bzw. Ergänzung auseinandergesetzt. Die Beteiligten streiten sich aber nunmehr in diesem Klageverfahren darum, ob die Kläger einen Anspruch auf Ergänzung der Kündigungssperrfristverordnung haben bzw. umgekehrt der Beklagte zu deren Änderung verpflichtet ist. Ein konkretes Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO setzt rechtliche Beziehungen voraus, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden Norm für das Verhältnis von einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache ergeben, kraft dessen eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht tun braucht (vgl. BVerwG,  Urteil vom 26.01.1996, BVerwGE 100, 262). Hier liegt das Rechtsverhältnis bereits in den Rechtsbeziehungen zwischen den Klägern als Mieter und dem Beklagten als Normgeber mieterschutzrechtlicher Bestimmungen, aus denen die Kläger den vom Beklagten abgelehnten Normerlassanspruch begründen.
26 
Die Kläger haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Es reicht aus, dass die Kläger geltend machen können, dass von dem Feststellungsbegehren eigene Rechte der Kläger abhängen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.1996, aaO). Nach den Angaben der Kläger soll das Mietverhältnis frühestens zum 30.11.2004 gekündigt werden können. Das Mietrechtsverhältnis besteht momentan noch. Es ist deshalb jedenfalls rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine geänderte Kündigungssperrfristverordnung - im Wege der so genannten unechten Rückwirkung im Sinne herkömmlicher Terminologie - auch diesen Fall noch erfassen und die allerdings bald ablaufende Sperrfrist verlängern könnte (vgl. zur Zulässigkeit der Rückwirkung von Sozialklauseln BGH, Beschluss vom 15.11.2000, NJW 2001, 1421).
27 
Die Klage ist aber nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Sie können nicht verlangen, dass der Beklagte die Kündigungssperrfristverordnung in ihrem Sinne ergänzt und die Stadt Stuttgart in die Gebietskulisse einbezieht.
28 
Die Kläger berufen sich zum einen auf den einfachgesetzlichen Anspruch aus § 577 a Abs. 2 BGB. Danach können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung eine Kündigungssperre bis zur Dauer von 10 Jahren anordnen, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist.  Zugunsten der Kläger geht die Kammer davon aus, dass diese Regelung den Klägern als Mieter einer umgewandelten Wohnung auch ein subjektiv öffentliches Recht auf Tätigwerden verleiht und die Ermächtigung der Landesregierung auf Erlass der Verordnung nicht ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht und ihnen damit die Einbeziehung der Stadt Stuttgart in die fragliche Verordnung nicht lediglich als so genannter Rechtsreflex zugute käme.
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Indessen steht den Klägern ein Normsetzungsanspruch aus § 577a Abs. 2 BGB nicht zu. Dieser Anspruch scheitert bereits daran, dass § 577a Abs. 2 BGB den Landesregierungen den Erlass von Kündigungsbeschränkungen bei Wohnungsumwandlungen erlaubt, sie jedoch nicht dazu verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 11.03.1983, - 8 C 102/81 - NJW 1983, 2893 zum vergleichbaren Zweckentfremdungsverbot). Der gegenteiligen Auffassung der Kläger ist nicht zu folgen. Abgesehen davon steht der Landesregierung in diesem Normsetzungsbereich ein weiter Einschätzungs-, Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle im Normsetzungsbereich des Wohnungsrechts ist deshalb besonders gerechtfertigt, weil es hier um die Beurteilung längerfristiger Entwicklungen komplexer Art geht, bei denen die Bewertung der erwähnten konkurrierenden öffentlichen und privaten Interessen und die Berücksichtigung verschiedener quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte und Einzeltrends auf dem schwer zu beurteilenden Wohnungsmarkt unterschiedlich ausfallen kann (vgl. für deutliche Zurückhaltung gerichtlicher Kontrolle BVerwG, Urt. v. 12.12.1979, NJW 1980, 1970; BVerfG, Beschl. v. 12.10.1976, BVerfGE 42, 374, 395). Die Prüfung ist deshalb aufgrund des Beurteilungsspielraums demgemäß nicht der vergleichbar, wie sie gemäß § 114 VwGO bei der Nachprüfung des Ermessens bei Verwaltungsakten der Fall ist. Der Vorgang der Entscheidungsfindung einschließlich der subjektiven Vorstellungen und Motive der daran Beteiligten - also die Betätigung des „Normsetzungsermessens“ - ist einer gerichtlichen Prüfung nur eingeschränkt zugänglich (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.12.1995 - 4 S 93/93 - ; BVerwG, Urteil v. 11.03.1983, aaO). Vor diesem Hintergrund einer solch eingeschränkten Prüfung, die letztlich - wie der Beklagte zu Recht ausführt - auf eine Willkür- bzw. Missbrauchskontrolle hinausläuft, kann die Entscheidung der Landesregierung in diesem Klageverfahren rechtlich nicht beanstandet werden. Vielmehr hält sich diese im Rahmen des ihr von § 577a Abs. 2 BGB und der Verfassung zustehenden Spielraums.
30 
Die Kündigungsbeschränkungen nach § 577a Abs.2 BGB sollen - wie auch die vergleichbaren Bestimmungen zum Zweckentfremdungsverbot - die Sicherung der „Versorgung... mit ... Wohnraum“ ermöglichen. Die beim Wort genommenen an sich überflüssigen Zusätze „ausreichend“ und „angemessen“ bekräftigen, dass es im Schutzbestreben um die Wohnraumversorgung der Bevölkerung im allgemeinen und damit insbesondere der breiteren Bevölkerungsschichten geht (so schon BVerwG, Urteil vom 11.03.1983, aaO). Bekämpft werden soll eine in dieser Richtung gegebene „Mangelsituation“, ein in dieser Richtung gegebener Zustand „unzureichender Wohnraumversorgung" (BVerfGE 55, 249 ( 258 f.)). Dabei reicht allerdings aus, dass die Versorgung „gefährdet“ ist; es genügen mithin latente Versorgungsschwierigkeiten, vorausgesetzt allerdings, es handelt sich um Schwierigkeiten als Folge der Mangelsituation. Dass für jedermann ohne weiteres eine angemessene Wohnung zu angemessenem Mietzins zu finden ist, stellt den „wünschbaren Idealzustand" dar, überschreitet jedoch den Rahmen dessen, was durch diese Mieterschutzbestimmungen gewährleistet werden soll (vgl. BVerfGE 38, 348, 360 = NJW 1975, 727).
31 
Die Gefährdung der zureichenden Wohnraumversorgung muss nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts eine „besondere“ sein. Das Tatbestandsmerkmal „besonders“ verlangt eine qualitative Eigenart. Der Zusatz „besonders“ hat - anders ausgedrückt - nicht die Bedeutung, die Zulässigkeit eines erhöhten Mieterschutzes bei Wohnungsumwandlungen von einer quantitativen Steigerung der Unterversorgung derart abhängig zu machen, dass eine allgemeine Gefährdung bei jedem rechnerisch nicht voll ausgeglichenen Wohnungsmarkt, eine besondere Gefährdung dagegen erst bei einem Defizit von beispielsweise mehr als 10% anzunehmen wäre. Gegen ein solches Verständnis des Tatbestandmerkmals „besonders“ spricht bereits der Wortlaut des § 577a Abs.2 BGB. Nicht die Unterversorgung muss „besonders“ sein, sondern von der Gefährdung (der Versorgung) wird gefordert, dass sie „besonders“ - und damit von qualitativ besonderer Beschaffenheit - sein muss. Der Akzent liegt dementsprechend (insoweit) darauf, ob sich der Wohnungsmarkt einer Gemeinde durch sachliche Eigenarten auszeichnet, die geeignet sind, diesen für breitere Bevölkerungsschichten negativ zu beeinflussen und ihm so eine spezifische Labilität zu vermitteln. Das pflegt vor allem in Ballungsräumen, in Industriestädten, in Städten mit herausgehobener zentraler Lage oder Funktion (Oberzentren) sowie (bei entsprechenden Größenverhältnissen) in Universitätsstädten der Fall zu sein. Hiervon ging die Landesregierung auch aus, was in dem von den Klägern zitierten Redebeitrag des Staatssekretärs Dr. Mehrländer wie auch in den Akten zum Ausdruck kommt.
32 
Diese Auslegung des § 577a BGB rechtfertigt sich nach dem Sinn des Gesetzes vor allem deshalb, weil eine rein quantitative Betrachtungsweise zu sachwidrigen Ergebnissen führte. Dürften danach  Wohnungsumwandlungen oder Zweckentfremdungsverbote nur für solche Gemeinden erlassen werden, in denen das (Wohnraum-)Versorgungsdefizit eine gesteigerte Quantität erreicht, müsste die maßgebende Steigerung einigermaßen exakt beziffert und die Einhaltung der sich so ergebenden Schranke vom Verordnungsgeber im einzelnen geprüft werden. Steht im Mittelpunkt der Überlegungen die Bezifferung des entscheidenden (Grenz-)Defizits , muss zwangsläufig entscheidend auf erfahrungsgemäß nur sehr bedingt zuverlässige Statistiken zurückgegriffen werden, wobei die Zuverlässigkeit des zur Verfügung stehenden statistischen Materials zusätzlich noch dadurch geschmälert - wenn nicht generell in Frage gestellt - wird, dass der Wohnraumbedarf, auf welchen die Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlungen hinzielt, weder auf seiner Angebots- noch auf seiner Nachfrageseite statistisch überhaupt ermittelbar ist und angesichts dessen allenfalls mit Hilfe von Unterstellungen aus umfassenderem statistischen Material herausgerechnet werden könnte. Statistisches Material wird bei der stets erheblichen Fluktuation der Großstadtbevölkerung in einer offenen Gesellschaft und verbreiteten neuen Formen des Zusammenlebens, wie nichteheliche Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften - die sich auf die Zahl der Haushalte und damit auf den Wohnungsbedarf auswirken - nur bedingt zuverlässig und umstritten sein. Umso mehr kommt es angesichts der sehr fraglichen  Zuverlässigkeit jeden Rechenwerkes auf diesem Gebiet gerade auf die unterschiedliche Gewichtigkeit einzelner Rechnungsfaktoren an. Es kommt hinzu, dass zum einen seit Jahren mit dem Mikrozensus und Gemeindegrößen gearbeitet wird, deren Zuverlässigkeit aufgrund der genannten Gründe fraglich ist, zum anderen kommt hinzu, dass  der Rückgriff auf statistische Erhebungen die Festlegung eines Stichtags erfordert, und zwar eines Stichtags, der wegen der Dauer derartiger Erhebungen zwangsläufig zeitlich bereits so weit zurückliegt, dass die Daten schon wieder durch Zeitablauf in Frage gestellt sein können. Die rechnerische Unsicherheit hat auch die Landesregierung in ihre Erwägungen eingestellt, wie wiederum den Ausführungen von Staatssekretär Dr. Mehrländer entnommen werden kann. Des weiteren ist eine Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlungen durch Rechtsverordnung nur dann angemessen, wenn sich mit dem Erlass der Verordnung die Erwartung verbinden lässt, dass sich dieser Mieterschutz für einen gewissen Zeitraum rechtfertigt (in diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass sich die verhängte 10-jährige Sperrfrist und eine 5-jährige Laufzeit der Kündigungssperrfristverordnung kaum vereinbaren lassen). Eine solche Erwartung ist jedoch bei einer rein quantitativen Betrachtungsweise prinzipiell fragwürdig. Der Wohnungsmarkt wird in vielen Gegenden durch eine Labilität gekennzeichnet, die ihn ständig auf viele im einzelnen häufig nicht exakt ermittelbare Anstöße reagieren lässt. Wo dies zutrifft, ist von nur geringer Aussagekraft, wenn bei einer punktuellen Betrachtung des Marktes zufällig die eine oder andere Versorgungslage ermittelt wird.  Sachgerecht ist vielmehr eine insgesamt qualitative Betrachtung. Ausschlaggebend kann nicht allein sein, ob das Defizit an einem bestimmten Stichtag eine abstrakt festgelegte Grenze überschreitet oder nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.03.1983, aaO) wäre schon durch die Tatsache, dass eine Mangelsituation aus "besonderen" Gründen labil ist und infolge dieser Labilität selbst bei zeitweise eintretender Entspannung jederzeit kurzfristig wieder in einen stärker spürbaren Mangel umschlagen kann, eine Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs.2 BGB zu verhängen gerechtfertigt, solange nicht ein dauerhaft erträglicher Zustand erreicht ist (dort entschieden für das Zweckentfremdungsverbot). Die Erwägungen entheben die Landesregierung nicht der Pflicht, sich um möglichst  zuverlässige statistische Unterlagen zu bemühen. Aber gerade auch wegen der letztlich nicht behebbaren Unsicherheiten muss es weitgehend der Entscheidung des Landesregierung überlassen bleiben, wieweit sie sich auf einzelne Faktoren als maßgebende Indizien einer Mangelsituation stützen will.
33 
In der Sache hält es das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11.03.1983, aaO; ebenso Schmidt-Futter, Mietrecht, § 577a RdNr. 18) sogar im Einklang mit der Lebenserfahrung, dass selbst dann noch eine Unterversorgung mit Wohnraum für die breiteren Bevölkerungsschichten gegeben ist oder doch in beachtlicher Weise droht, wenn der Wohnungsmarkt in seinem vollen Umfang, d. h. bei Berücksichtigung des gesamten Angebots und der gesamten Nachfrage, einen Ausgleich bereits erreicht hat oder sogar schon ein leichtes Übergewicht des Angebots erreicht zu haben scheint. Immerhin hat auch die Landesregierung in den Vorgängerverordnungen von der Ermächtigung des § 577a Abs.2 BGB weit großzügiger Gebrauch gemacht, ebenso wie andere Bundesländer, wie der Beklagte dargelegt hat. Ob diese Sichtweise überzeugt, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls besteht unstreitig in der Landeshauptstadt Stuttgart ein  Wohnungsdefizit - je nach angewandter Statistik - zwischen ca. 10% und 2%.
34 
Hiervon ausgehend wäre die Landesregierung rechtlich nicht gehindert gewesen, auch die Landeshauptstadt Stuttgart in die Gebietskulisse aufzunehmen. Denn für die Annahme der in § 577 a Abs. 2 BGB beschriebenen Mangelsituation in der oben dargelegten Ausprägung durch die Rechtsprechung reicht es jedenfalls aus, wenn infolge knappen Wohnungsangebots der Marktzugang verengt ist. Es war nach den obigen Ausführungen allerdings geradezu geboten, das Mietwohnungsdefizit auch qualitativ zu bewerten. So können weitere Kriterien in die Beurteilung einfließen, etwa die Situation für besondere Gruppen von Wohnungssuchenden oder auch die Entwicklung des örtlichen Mietpreisniveaus im Vergleich zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten und eben die Beurteilung der örtlichen Situation durch die Gemeinde selbst. Dem dient die Entscheidung der Landesregierung, nunmehr bei einem statistischen Wohnungsversorgungsgrad von 90% - 93% einen Korridor zu bilden, in dem der Wille der Kommunen stärker berücksichtigt wird. Diese Entscheidung hält sich innerhalb des oben näher beschriebenen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums im Normsetzungsverfahren. Eine definitive Mangellage bzw. eine „besondere Gefährdung“ der Versorgung mit Mietwohnungen bei einem Versorgungsgrad von über 90,03% zu verneinen, ist schon mit Rücksicht auf die oben erwähnte unzureichende Aussagekraft der einschlägigen Statistiken (zumal die hauseigene Statistik der Landeshauptstadt Stuttgart von einem Versorgungsgrad von 98 % ausgeht) und der die Wohnraumversorgung bewertenden Stellungnahme der Gemeinde weder willkürlich noch missbräuchlich.
35 
In der Berücksichtigung des gemeindlichen Votums liegt keine unzulässige Delegation. Die Kläger meinen zu Unrecht, die Landesregierung habe innerhalb des ihr eröffneten Korridors bei einem Wohnungsversorgungsgrad von 90 bis 93 % die Entscheidung faktisch auf die jeweilige Kommune übertragen und dadurch einen Teil der ihr eingeräumten Rechtsetzungsmacht delegiert. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Erlass der Verordnung durch die Landesregierung hat das federführende Wirtschaftsministerium die der für die Einbeziehung in die Gebietskulisse in Betracht kommenden Kommunen angehört. Es ist von dem wiederholt oben angesprochenen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich des Verordnungsgebers umfasst, die zum Erlass der Verordnung ermächtigende Mangelsituation in gewissen Grenzen näher zu definieren. So hat die Landesregierung in früheren Verordnungen bereits in Städten mit einer geringeren Unterversorgung von Wohnraum eine Mangelsituation bejaht. Es ist auch - wie ausgeführt - sachgerecht, die Einschätzung der Wohnungssituation durch die betroffene Kommune selbst in einem Grenzbereich stärker zu berücksichtigen. Trotz Berücksichtigung des Votums bleibt es eine formal wie sachlich originäre Entscheidung der Landesregierung. Es bleibt der Landesregierung auch die Verantwortung, die Entscheidung der jeweiligen Kommune auf deren inhaltliche Plausibilität zu prüfen. Dies hat die Landesregierung aber ersichtlich getan, sie hat sich mit jedem einzelnen Fall befasst und die Stellungnahmen der Städte gewürdigt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Landesregierung willkürlich oder missbräuchlich vorgegangen ist. Vielmehr ist das beklagte Land bei der Behandlung der Stadt Stuttgart systemgerecht vorgegangen, d. h., es hat sich an die von ihr selbst gesetzten Kriterien gehalten. An ihre eigene Vorgabe, in dem Korridor von 90 bis 93 % die Einschätzung der örtlichen Wohnungsmarktsituation durch die Kommune trotz der ermittelten quantitativen Wohnungsmarktsituation stärker zu berücksichtigen, hat sich die Landesregierung gehalten. Aus der Begründung des Verordnungsentwurfs ergibt sich - ausgehend von den Berechnungen des Statistischen Landesamts Ende 1998 nach der Fortschreibungsmethode des Wirtschaftsministeriums unter Berücksichtigung einer 3-prozentigen Fluktuation zum September 2001 - ein Versorgungsgrad für Stuttgart von 90,03%. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat sich gegenüber dem Wirtschaftsministerium dahingehend geäußert, dass sie die Weitergeltung des erweiterten Kündigungsschutzes nicht befürwortet und sich hierzu auf einen Beschluss des Gemeinderats bezogen. Die Kläger rügen in diesem Zusammenhang, dass sich der Gemeinderat der Stadt Stuttgart formal nicht mit der Weitergeltung des erweiterten Kündigungsschutzes befasst habe, sondern mit dem Zweckentfremdungsverbot, und außerdem die Heranziehung der städtischen Statistik. Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass nach den Angaben der Landeshauptstadt Stuttgart der Oberbürgermeister den Gemeinderat mündlich darüber informiert habe, dass es auch um den erweiterten Kündigungsschutz bei Wohnungsumwandlung gehe. Es wäre transparenter gewesen, wenn formal der Gemeinderat auch zu dieser Frage eigenständig Stellung bezogen hätte. Die Kammer sieht hierin jedoch keinen Verstoß gegen die vom Land selbst aufgestellten Kriterien. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anhörung der Kommune zur Verordnung keine „laufende Angelegenheit“ ist, die gemäß § 44 GemO in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters fällt, durfte die Landesregierung die nach außen vom Oberbürgermeister bekundete Stellungnahme verwerten, zumal nach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 577 a Abs. 2 BGB keine Unterschiede zwischen Zweckentfremdungsverbot und erweitertem Kündigungsschutz bestehen. Beide Ermächtigungsgrundlagen stellen in gleicher Weise auf die besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung ab. Es kommt lediglich darauf an, dass die Landesregierung die von ihr gesetzten Kriterien auch im Fall der Stadt Stuttgart einhält. Unerheblich ist, ob bei der Stadt Stuttgart intern - kommunalverfassungsrechtlich - die Willensbildung bis ins Detail ordnungsgemäß abgelaufen ist, insbesondere auch, ob die Information der Gemeinderäte über den Versorgungsgrad mit Wohnungen umfassend genug war. Die Landesregierung hatte nicht gleichsam der Funktion einer Rechtsaufsichtsbehörde entsprechend das Zustandekommen der Willensbildung zu überprüfen. Es war ausreichend, dass neben der Berücksichtigung des eigenen Zahlenmaterials die Stadt Stuttgart nach außen dem Wirtschaftsministerium gegenüber eine eindeutige Stellungnahme abgegeben hat. Auch der Gemeinde steht bei ihrer Willensbildung anlässlich der Abgabe einer Stellungnahme ein Wertungs- und Einschätzungsspielraum aus den oben genannten Gründen zu.  Es blieb der Landesregierung unbenommen, die Stellungnahme der Landeshauptstadt Stuttgart unter diesem besonderen Aspekt des abweichenden Zahlenmaterials zu würdigen. Abgesehen davon hat die zu diesem Verfahren beigeladene Landeshauptstadt Stuttgart nach wie vor keine gegenteilige Erklärung abgegeben. Ergänzend ist zu bemerken, dass ausgehend von den Zahlen der Stadt Stuttgart ein Wohnungsversorgungsgrad von 98 % vorhanden wäre. Ginge man von dieser Zahl aus, wäre nach den angewendeten Kriterien der Landesregierung die Stadt Stuttgart von vornherein nicht in die Gebietskulisse aufgenommen worden, selbst wenn diese ausdrücklich darum gebeten hätte.
36 
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 GG liegt nicht vor. Die Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 kann unter Umständen zu einem Anspruch des benachteiligten Bürgers auf Normergänzung führen. Den Klägern ist zuzugeben, dass sich nach der allgemein angewandten Berechnungsmethode im Fall der Stadt Mannheim ein Versorgungsgrad von 98,28 % errechnet und somit ausgehend von diesem Wert eine Einbeziehung der Stadt Mannheim in die Gebietskulisse nicht in Betracht gekommen wäre. Die Landesregierung hat nun im Fall der Stadt Mannheim abweichend eine Durchschnittszahl von Personen je Haushalt im Mai 2000 von 1,79 aufgrund des Mikrozensusergebnisses für Gemeinden zwischen 200.000 und 500.000 Einwohner in Baden-Württemberg zugrunde gelegt. Dabei errechnet sich eine Wohnungsversorgung von 91,1 % bei einer Fluktuationsreserve von 3 %. Grundsätzlich liegt ein Gleichheitsverstoß vor, wenn sich für die Ungleichbehandlung kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender sachlicher Grund finden lässt. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Gebieten oder Gemeinden eines Landes ist - gerade mit Rücksicht auf das qualifizierende Merkmal der besonderen Gefährdung - so lange unbedenklich, wie sie zu sachlich vertretbaren, also sich nicht jeder Rechtfertigung entziehenden und deshalb willkürlichen Ergebnissen führt (vgl. zu dem den Landesregierungen eingeräumten „Beurteilungsfreiraum“ wiederum BVerfGE 38, 348, 363 = NJW 1975, 727 sowie BVerwGE 59, 195 ( 199)). Ob danach die Städte Stuttgart und Mannheim unterschiedlich behandelt wurden, braucht nicht weiter erörtert zu werden. Denn jedenfalls liegt  keine Ungleichbehandlung gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart und erst recht nicht im Verhältnis zu den Klägern vor, wenn sich - wie hier - die Landesregierung im Fall der Landeshauptstadt Stuttgart im Berechnungsverfahren an die von ihr selbst gesetzten Kriterien hält und lediglich im Falle der Stadt Mannheim hiervon abgewichen ist. Die Kläger können sich auf ein (systemwidriges) Abweichen im Fall Mannheim nicht berufen, denn „ungleich“ - wenn überhaupt - wurde der Stadtkreis Mannheim behandelt.  Einen Anspruch auf „Gleichheit im Unrecht“ gibt es jedoch nicht.  Die Kläger können nur verlangen, dass die Landesregierung im Fall der Landeshauptstadt Stuttgart entsprechend ihrer allgemeinen Vorgaben für die Ermittlung einer besonderen Gefährdung der Wohnraumversorgung systemgerecht entscheidet. Hieran hat sich die Landesregierung gehalten. Sie ging in allen übrigen Fällen, nämlich der Städte Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Konstanz und Tübingen nach den gleichen Kriterien vor. Lediglich für die Stadt Mannheim wurde eine andere Berechnungsgrundlage toleriert. Ob dieses Verfahren rechtlich bedenklich ist, mag auf sich beruhen.  Hierauf könnten sich möglicherweise betroffene Vermieter der Stadt Mannheim stützen, nicht aber umgekehrt ein Mieter der nicht berücksichtigten Landeshauptstadt Stuttgart.
37 
Der weiter hilfsweise gestellte Antrag, den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu verweisen, hat ebenfalls keinen Erfolg. Ein Normenkontrollantrag liegt nicht vor. Für eine analoge Anwendung des § 47 VwGO ist mangels Regelungslücke kein Raum. Als Normergänzungsklage hat das Verwaltungsgericht die Klage grundsätzlich für zulässig gehalten und sachlich entschieden. Es besteht deshalb schon bereits kein Rechtsschutzinteresse mehr daran, das angestrebte Ergebnis im Wege einer Normergänzung im prozessualen Rahmen des beim Oberverwaltungsgericht angesiedelten Normenkontrollverfahrens zuzulassen, abgesehen davon, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Statthaftigkeit des Normenkontrollverfahrens bereits für die hier einschlägige Kündigungssperrfristverordnung abgelehnt hat.

(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 werden nicht berücksichtigt.

(2) Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. Ausgenommen ist Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist.

(3) Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.

(4) Die Kappungsgrenze gilt nicht,

1.
wenn eine Verpflichtung des Mieters zur Ausgleichszahlung nach den Vorschriften über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen wegen des Wegfalls der öffentlichen Bindung erloschen ist und
2.
soweit die Erhöhung den Betrag der zuletzt zu entrichtenden Ausgleichszahlung nicht übersteigt.
Der Vermieter kann vom Mieter frühestens vier Monate vor dem Wegfall der öffentlichen Bindung verlangen, ihm innerhalb eines Monats über die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung und über deren Höhe Auskunft zu erteilen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn die Verpflichtung des Mieters zur Leistung einer Ausgleichszahlung nach den §§ 34 bis 37 des Wohnraumförderungsgesetzes und den hierzu ergangenen landesrechtlichen Vorschriften wegen Wegfalls der Mietbindung erloschen ist.

(5) Von dem Jahresbetrag, der sich bei einer Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete ergäbe, sind Drittmittel im Sinne des § 559a abzuziehen, im Falle des § 559a Absatz 1 mit 8 Prozent des Zuschusses.

(6) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Juni 2014 - 5 K 255/14 - wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. ... auf der Gemarkung der Stadt Neckargemünd (P...), das mit einem in geschlossener Bauweise errichteten Wohnhaus bebaut ist. Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis erteilte der Beigeladenen am 10.1.2014 eine Baugenehmigung für den Abriss der vorhandenen Bebauung bis auf die Gewölbekeller und den Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses mit Stellplätzen im Gebäude auf den nördlich angrenzenden Grundstücken Flst.-Nrn. ... Das geplante Mehrfamilienwohnhaus soll unmittelbar an der mit den Antragstellern gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtet werden.
Gegen die Baugenehmigung legten die Antragsteller Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde.
Auf Antrag der Antragsteller hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 18.6.2014 - 5 K 255/14 - die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 10.1.2014 angeordnet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die mit der Baugenehmigung genehmigte Grenzbebauung verstoße voraussichtlich gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen der §§ 5 ff. LBO. Nach der maßgeblichen Umgebungsbebauung könne nicht festgestellt werden, dass die Einhaltung einer Abstandsfläche auf dem Grundstück Flst.-Nr. 155 zum Grundstück der Antragsteller unzulässig und daher eine Grenzbebauung zwingend notwendig sei. Zwar sei eine Abstandsfläche nicht erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften - wie hier - an die Grenze gebaut werden dürfe und öffentlich-rechtlich gesichert sei, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut werde. Jedoch fehle es an der öffentlich-rechtlichen Sicherung einer Bebauung auf dem Nachbargrundstück. Eine Baulast, mit der eine derartige öffentlich-rechtliche Sicherung gewährleistet werde, bestehe nicht. Die Voraussetzungen, unter denen auf eine öffentlich-rechtliche Sicherung durch Baulast verzichtet werden könne, seien gleichfalls nicht erfüllt. Denn der geplante Grenzbau stehe nicht mehr in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude der Antragsteller. Das Grundstück der Antragsteller werde durch das geplante Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der abstandsflächenrechtlichen Schutzgüter ungleich stärker belastet als das Grundstück Flst.-Nr. 155 durch das Wohnhaus der Antragsteller. Da mit der Überschreitung in der Tiefe um ca. 50 % der Gesamttiefe des geplanten Vorhabens auch eine großflächige Grenzwand einhergehen solle, die auf dem Grundstück der Antragsteller keine Entsprechung habe, dürfte sich die Berufung der Antragsteller auf eine fehlende zureichende Beziehung nicht als treuwidrig darstellen. Die Zulässigkeit der geplanten Grenzbebauung ergebe sich voraussichtlich auch nicht aus § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LBO. Denn es lasse sich nicht feststellen, dass hier die Gestaltung des Straßenbildes eine Unterschreitung der gesetzlichen Abstandsflächen erfordern könnte. Die Voraussetzungen, nach denen gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zuzulassen sei, lägen gleichfalls nicht vor. Denn Besonderheiten, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich minderten oder als weniger schutzwürdig erscheinen ließen, seien nicht gegeben. Ferner fehle eine rechtliche Vorbelastung des Grundstücks der Antragsteller zugunsten des Baugrundstücks. Dies gelte insbesondere für das an der Grundstücksgrenze vorhandene einstöckige Gebäude, das das Grundstück der Antragsteller deutlich weniger belaste als das geplante mehrstöckige Mehrfamilienwohnhaus. Ob das Vorhaben auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletze, bedürfe keiner weiteren Erörterung, dürfte aber im Ergebnis zu verneinen sein.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.
II.
Die von der Beigeladenen eingelegte Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie fristgerecht (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden.
Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg.
Die von der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zu ändern.
1. Die Beigeladene meint, die Einhaltung einer Abstandsfläche gegenüber dem Grundstück der Antragsteller sei nicht erforderlich, da die maßgebende Umgebungsbebauung zu einer Grenzbebauung zwinge. Soweit die zusammenhängende Bauweise unterbrochen sei, sei dies auf Baulücken, z.B. auf ein nur als Garten-, Stellplatz- und Garagengrundstück genutztes Grundstück zurückzuführen. Diese Nutzung stelle aber einen „Ausreißer“ dar und präge nicht die Umgebung. Namentlich in der P... fänden sich nur Nutzungen in geschlossener Bauweise. Ferner sei dem Erfordernis der öffentlich-rechtlichen Sicherung bereits dadurch Genüge getan, dass die Antragsteller an der Grenze ihres Grundstücks zum Baugrundstück einen Grenzbau errichtet hätten. Der Gesetzgeber habe nämlich mit der Neufassung der LBO vermeiden wollen, dass, wer zuerst baue, aber seinerseits das baurechtlich Zulässige nicht ausnutze, die Ausmaße der baulichen Ausnutzung des Nachbargrundstücks bestimme. Dieses Ergebnis könne auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben korrigiert werden. Ein sachlicher Grund, bei der Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zwischen Gebäudehöhe und Bautiefe des Grenzbaus zu differenzieren, sei gleichfalls nicht gegeben. Konkrete Beeinträchtigungen hätten die Antragsteller durch den geplanten Grenzbau nicht geltend gemacht. Im Übrigen gehe es nicht an, der Beigeladenen über den Grundsatz von Treu und Glauben die Anpassung an die möglicherweise auch auf dem Grundstück der Antragsteller in naher Zukunft nicht mehr gewünschte Nutzung aufzuzwingen. Die vom Verwaltungsgericht gewählte Konstruktion, nach der offenbar eine fiktive Verpflichtung des Nachbarn zur Zustimmung zu einer Baulast geprüft werde, sei unzulässig. Das Tatbestandsmerkmal der öffentlich-rechtlichen Sicherung könne nicht subjektiv-rechtlich unterlegt werden und der Anwendungsbereich der gesetzlichen Norm durch eine wiederholte Berücksichtigung nachbarlicher Belange eingeengt werden. Es sei nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung in Höhe und Tiefe weitestgehend deckungsgleich mit der vorhandenen Grenzbebauung sei. Es sei ferner nicht zweifelhaft, dass im Hinblick auf die Bauweise die genehmigten Grenzbauten trotz des Überstands noch in einer Beziehung zu den vorhandenen Gebäuden auf dem Grundstück der Antragsteller stünden. Tatsächlich betrage die Überdeckung jedenfalls mehr als die Hälfte. Hierbei sei die Versetzung der Gebäude zu berücksichtigen. Besondere Umstände, die die Berufung auf den Abstandsflächenverstoß unbillig machten, ergäben sich vorliegend aus der atypischen Grundstücks- bzw. Bebauungssituation, die durch die unterschiedliche Anordnung der beiden Gebäude an der straßen- bzw. gartenseitigen Grenze entstehe. Abstandsflächengeschützte Belange der Antragsteller würden nicht erheblich beeinträchtigt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass Baugrenzen und Baulinien allgemein nicht als nachbarschützend angesehen würden, soweit sie nur „faktisch“ existierten. Sofern eine Baulinie überhaupt angenommen werden könne, liege diese an der Pfarrgasse.
2. Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde im Ergebnis nicht zum Erfolg zu verhelfen.
10 
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nimmt das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aussetzungsinteressen der Beteiligten vor. Dem Charakter des Eilverfahrens nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage treffen (st.Rspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.9.1995 - 2 BvR 1179.95 - NVwZ 1996, 58; BVerwG, Beschluss vom 22.3.2010 - 7 VR 1.10 - juris). Ist eine Abschätzung über die Erfolgsaussichten der von den Antragstellern erhobenen Rechtsbehelfs im Sinne einer Evidenzkontrolle nicht möglich und muss daher der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache als offen angesehen werden, sind allein die einander gegenüber stehenden Interessen zu gewichten.
11 
Nach Maßgabe dessen kann im vorliegenden Fall nach den dem Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht abschließend entschieden werden, ob das Vorhaben der Beigeladenen entsprechend der genehmigten Bauvorlagen ohne Einhaltung von Abstandsflächen an der mit den Antragstellern gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtet werden darf (1.). Bei dieser Sachlage hält der Senat in Würdigung der einander gegenüber stehenden Interessen es für angezeigt, die Antragsteller vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung zu bewahren (2.)
12 
a) Ob die angefochtene Baugenehmigung gegen auch dem Schutz der Antragsteller dienende bauordnungsrechtliche Vorschriften über die Abstandsflächen verstößt, kann im vorliegenden Verfahren nicht abschließend beurteilt werden, sondern bedarf der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren.
13 
aa) Nach § 5 Abs. 1 und 2 LBO müssen vor den Außenwänden von Gebäuden auf dem Grundstück selbst Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten sind. Eine Abstandsfläche ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss, es sei denn, die vorhandene Bebauung erfordert eine Abstandsfläche.
14 
Das Verwaltungsgericht meint, die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien voraussichtlich nicht gegeben, da sich innerhalb des maßgebenden Gebiets keine einheitliche Bauweise feststellen lasse. Die Richtigkeit dieser Auffassung erscheint fraglich. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht möglich, sondern muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
15 
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob ein Gebäude nach planungsrechtlichen Vorschriften an die (Grundstücks-)Grenze gebaut werden muss, im vorliegenden Fall nach § 34 Abs. 1 BauGB beantwortet. Denn die Grundstücke der Antragsteller und der Beigeladenen liegen innerhalb eines zusammenhängend bebauten Ortsteiles, für den ein Bebauungsplan nicht vorhanden ist. In diesen Fällen muss ein Gebäude an die Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung eine Bebauung entsprechend einer geschlossenen Bauweise oder einer abweichenden Bauweise im Sinne von § 22 Abs. 3 oder 4 BauNVO zwingend verlangt und daher eine Bebauung mit Abstandsflächen sich nicht einfügen würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 8.5.2002 - 3 S 2259/01 - juris; Urt. v. 7.11.1984 - 3 S 2571/84 - NVwZ 1986, 142; Sauter, LBO, Stand: Dezember 2012, § 5 Rn. 46).
16 
Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint, weil die maßgebliche Umgebungsbebauung, die im Osten durch die H..., im Westen durch die Z... und deren (gedachte) Verlängerung nach Süden, im Süden durch die südliche Grenze des Grundstücks FIst.-Nr. 156/1 und im Norden durch die nördliche Grenze der Grundstücke Flst.-Nrn. 145/1 und 145/2 bestimmt werde, keine einheitliche Bauweise zeige. In der näheren Umgebung der Baugrundstücke wiesen zwar zahlreiche Grundstücke eine geschlossene Bebauung ohne seitlichen Grenzabstand auf, insbesondere die Grundstücke FIst.-Nrn. 142, 141, 140, 139 und 138, die jenseits der P... gegenüber den streitgegenständlichen Grundstücken lägen, und auch die Baugrundstücke selbst sowie das Grundstück der Antragsteller. Der Annahme einer einheitlichen Bebauung stünden aber insbesondere die Bebauung auf den Grundstücken FIst.-Nr. 145/2, 152/1, 152 sowie 156 und 156/1 entgegen.
17 
Ob diese Beurteilung zutrifft, hält der Senat für fraglich.
18 
Bei der Bebauung auf den Grundstücken FIst.-Nrn. 145/2, 152/1 und 156 handelt es sich nicht um Wohngebäude, sondern lediglich um untergeordnete Nebengebäude, nämlich um ein Gebäude für Vorratshaltung (Lagergebäude), einen Schuppen sowie eine Garage. Es erscheint fraglich, ob dieser Grundstücksnutzung im Rahmen der wertenden Betrachtung bei der Bestimmung der Umgebungsbebauung nach § 34 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO bezogen auf die Bauweise entscheidende Bedeutung beizumessen ist (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 16.6.2009 - 4 B 50.08 - BauR 2009, 693). Bei der Garage auf dem Grundstück FIst.-Nr. 156 ist dies ohne weiteres zu verneinen. Gleiches ist - vorbehaltlich anderer Erkenntnisse nach Einnahme eines Augenscheins - wohl auch für das Lagergebäude auf dem Grundstück FIst.-Nr. 145/2 und dem Schuppen auf dem Grundstück Flst.-Nr. 152/1 anzunehmen.
19 
Die vom Verwaltungsgericht ferner angeführten Grundstücke Flst.-Nrn. 152 und 156/1 weisen zwar Wohngebäude mit abweichender, d. h. Abstandsflächen einhaltender Bauweise auf. Der Senat neigt indessen nach summarischer Prüfung dazu, dass der Bebauung auf diesen beiden Grundstücken - auch unter Zugrundelegung des vom Verwaltungsgericht angenommenen Rahmens der maßgeblichen Umgebungsbebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB - in planungsrechtlicher Hinsicht für die nach § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO entscheidungserhebliche Bauweise kein prägender Einfluss zukommt. Da die übrigen mit Wohngebäuden bebauten Grundstücke geschlossene Bauweise aufweisen, dürften nach dem dem Senat vorliegenden Auszug aus dem Liegenschaftskataster die beiden Grundstücke nach Lage und Größe der dortigen Wohngebäude - auch hier vorbehaltlich weitere Erkenntnisse nach Einnahme eines Augenscheins - als Fremdkörper anzusehen sein. Dies gälte erst recht, wenn - was nach der Ansicht des Senats auf der Grundlage der ihm zugänglichen Pläne und Übersichten jedenfalls nicht auszuschließen ist - auch die Bebauung östlich der Mühlgasse in den Rahmen der Umgebungsbebauung mit einbezogen werden muss. Denn auch dort findet sich zumindest bis zu der vom Verwaltungsgericht gezogenen südlichen Grenze, die in der M... die Grundstücke Flst.-Nrn. 154, 154/1, 154/2 und 154/3 gebildet wird, allein geschlossene Bauweise.
20 
Zu einer abschließenden Beurteilung dieser Fragen ist der Senat im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes mit seinen nur eingeschränkten Aufklärungsmöglichkeiten nicht in der Lage. Diese muss daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
21 
bb) Das Verwaltungsgericht hat - aus seiner das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO verneinenden Sicht folgerichtig - weiter die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geprüft und entschieden, dass auch dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Zwar dürfe im vorliegenden Fall planungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB an die Grenze gebaut werden, es fehle aber an der weiteren Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO, wonach öffentlich-rechtlich gesichert sein müsse, dass auf dem Nachbargrundstück - hier also dem Grundstück der Antragsteller - ebenfalls an die Grenze gebaut werde.
22 
Dagegen bestehen aus der Sicht des Senats keine Bedenken. An einer Baulast nach § 71 LBO zu Lasten des Grundstücks Flst.-Nr. 155/1, durch die grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Sicherung zu erfolgen hat, fehlt es unstreitig. Dem Verwaltungsgericht ist ferner darin zu folgen, dass auch die Voraussetzungen nicht vorliegen, nach denen ausnahmsweise eine öffentlich-rechtliche Sicherung entbehrlich ist. Voraussetzung dafür ist zum einen, dass der Nachbar an der Grenze bereits ein nicht gemäß § 6 LBO privilegiertes Gebäude erstellt hat, von dessen Fortbestand ausgegangen werden kann, und zum anderen, dass der geplante Grenzbau noch in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude steht (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.2.2007 - 5 S 2826/06 - VBlBW 2007, 383; Beschl. v. 10.1.2006 - 5 S 2335/05 - VBIBW 2006, 350; Beschl. v. 10.3.1999 - 3 S 332/99 - juris; Beschl. v. 29.1.1999 - 5 S 2971/98 - VBIBW 1999, 347; Beschl. v. 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBIBW 1997, 221; Beschl. v. 5.6.1991 - 3 S 1233/91 - juris). Anders als das Verwaltungsgericht meint, hat diese Rechtsprechung allerdings ihre Grundlage nicht in dem Grundsatz von Treu und Glauben, wie sich schon daran zeigt, dass der von ihr entwickelte Ausnahmetatbestand nicht nur subjektiv-rechtlich, sondern auch in objektiv-rechtlicher Hinsicht Geltung beansprucht. Hierauf zielt wohl auch das Vorbringen der Beigeladenen, eine gewissermaßen „doppelte“ Prüfung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des Nachbarschutzes sei unzulässig.
23 
Das bedarf indessen keiner weitergehenden Vertiefung. Denn der Senat folgt - im Rahmen der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage - der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass auch in Ansehung der seit 1.1.1996 geltenden Neufassung des § 5 LBO und trotz Streichung des in der vorherigen Fassung dieser Vorschrift vorhandenen Begriffs des „Anbaus“ auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Beziehung zwischen geplantem und bestehendem Gebäude nicht verzichtet werden kann. Das Vorbringen der Beigeladenen unter Hinweis auf die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschl. v. 5.10.1995 - 10 B 2445/95 - BauR 1996, 83; Beschl. v. 4.6.1998 - 10 A 1318/97 - BauR 1999, 478) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass mit der Gesetzesänderung zwar die Vorstellung verbunden gewesen ist, es müsse nunmehr dem „Zweitbauenden“ grundsätzlich möglich sein, ohne Anknüpfung an die bestehende Bebauung die planungsrechtlich zulässige Bebauungstiefe auszuschöpfen. Diese Vorstellung hat jedoch in Wortlaut und Systematik des Gesetzes keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. Denn das Erfordernis der öffentlich-rechtlichen Sicherung ist, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist, beibehalten worden. Der insoweit eindeutige Wortlaut des Gesetzes lässt sich mit der gegenteiligen Auffassung der Beigeladenen nicht vereinbaren.
24 
Die in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO getroffene Regelung hat ihr Vorbild in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO in ihrer bis zum 1.1.1996 geltenden Fassung vom 28.11.1983 (LBO a.F.). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. war eine Abstandsfläche nicht erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass vom Nachbargrundstück angebaut wird. Bereits auf der Grundlage dieser Regelung wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg angenommen, dass die öffentlich-rechtliche Sicherung nicht nur in einer entsprechenden Baulast, sondern auch im Vorhandensein eines auf dem Nachbargrundstück an der Grenze errichteten Gebäudes bestehen kann (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 5.6.1991 - 3 S 1233/91 - BWGZ 1991, 39). In der Rechtsprechung war jedoch anerkannt, dass die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. in einem solchen Fall voraussetzt, dass die Grenzwand des anzubauenden Gebäudes nicht oder nur unerheblich größer ist als die zum Anbau vorgesehene Wand des benachbarten Grenzgebäudes (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 5.6.1991, a.a.O.).
25 
§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO entspricht im Wesentlichen der Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. Die Vorschrift dient - ebenso wie § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO - zur Angleichung des Bauordnungsrechts an das Planungsrecht. Nach § 29 Abs. 2 BauGB lässt zwar das Bauplanungsrecht die Vorschriften des Bauordnungsrechts unberührt, so dass das Landesrecht an ein bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben weitergehende Anforderungen stellen darf. Dem sind jedoch bestimmte Grenzen gesetzt, da landesrechtliche Vorschriften nicht dazu führen dürfen, dass die planungsrechtlichen Vorgaben des Bundesrechts unterlaufen werden (BVerwG, Beschl. v. 11.3.1994 - 4 B 53.94 - NVwZ 1994, 1008; Beschl. v. 12.1.1995 - 4 B 197.94 - DVBl. 1995, 517). In Fällen, in denen das Planungsrecht eine Bebauung an der Grenze erlaubt, soll deshalb unter den in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO genannten Voraussetzungen auch bauordnungsrechtlich eine - beiderseitige - Grenzbebauung zulässig sein (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 3.12.1999 - 3 S 790/99 - juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.3.1999 - 3 S 332/99 - juris; Beschl. v. 12.9.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221).
26 
Statt der öffentlich-rechtlichen Sicherung, dass „vom Nachbargrundstück angebaut wird“, begnügt sich aber § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO mit der öffentlich-rechtlichen Sicherung, dass „auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an der Grenze gebaut wird“. Einer Baulast, in der sich der Eigentümer des Nachbargrundstücks im Falle einer Bebauung seines Grundstücks zur Errichtung eines mit dem geplanten Gebäude weitgehend deckungsgleichen Gebäudes an der gemeinsamen Grundstücksgrenze verpflichtet, bedarf es daher nicht mehr. Ausreichend ist stattdessen eine Baulast, in der sich der Eigentümer des Nachbargrundstücks im Falle einer Bebauung seines Grundstücks zur Errichtung eines ebenfalls an die gemeinsame Grundstücksgrenze reichenden, „grenzständigen“ Gebäudes verpflichtet. Diese Baulast darf sich allerdings nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht nur auf einen beliebig gewählten Teil der gemeinsamen Grundstücksgrenze beschränken, sondern muss sich zumindest auch auf den dem geplanten Gebäude gegenüberliegenden Bereich dieser Grenze erstrecken.
27 
Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gilt auch für § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO, dass die von der Vorschrift geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung auch in solchen Fällen als gegeben anzusehen sein kann, in denen sich auf dem Nachbargrundstück bereits ein an die gemeinsamen Grundstücksgrenze reichendes Gebäude befindet, da es bei dem Vorhandensein eines solchen Gebäudes und dem Fehlen von Umständen, die auf dessen alsbaldige oder in naher Zukunft zu erwartende Beseitigung hindeuteten, offensichtlich sinnwidrig wäre, von dem Eigentümer des Nachbargrundstücks die Bestellung einer Baulast mit dem beschriebenen Inhalt zu verlangen. Die von dem Vorhandensein eines solchen Gebäudes ausgehenden Wirkungen können jedoch nicht weiter reichen als die einer entsprechenden Baulast. Es genügt daher nicht das Vorhandensein eines Gebäudes an irgendeinem Teil der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO kann vielmehr eine auf dem Nachbargrundstück bereits vorhandene Grenzbebauung die von der Vorschrift an sich geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung nur dann ersetzen, wenn das an der Grenze geplante Bauvorhaben und das auf dem Nachbargrundstück bereits vorhandene grenzständige Gebäude zueinander in einer gewissen Beziehung stehen und beide Gebäude sich in einem Maße überdecken, dass als Ergebnis einer beiderseitigen Grenzbebauung noch der Eindruck einer geschlossenen Bauweise vermittelt wird (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 6.7.2010 - 4 K 952/10 - juris). Daran dürfte es im vorliegenden Fall fehlen, da sich das geplante Gebäude der Beigeladenen und das auf dem Grundstück des Antragstellers vorhandene Gebäude nach den genehmigten Bauvorlagen im Bereich der Grenze lediglich zu ca. 50 % überdecken.
28 
cc) Ob die Beigeladene einen Anspruch auf Zulassung geringerer Tiefen der Abstandsflächen nach § 6 Abs. 3 LBO hat, kann nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gleichfalls nicht abschließend beurteilt werden.
29 
(1) Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LBO, wonach geringe Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen sind, wenn in überwiegend bebauten Gebieten die Gestaltung des Straßenbildes oder besondere örtliche Verhältnisse dies erfordern, mit der Begründung verneint, dass die unmittelbar südlich gelegenen Grundstücke Flst.-Nrn. 156 und 156/1 sowie die westlichen Grundstücke Flst.-Nrn. 152 und 152/1 nicht in geschlossener Weise bebaut seien. Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend beurteilen. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LBO stellt entscheidend auf die Gestaltung des Straßenbildes sowie auf die besonderen örtlichen Verhältnisse ab. Deshalb dürfte allein die P... und deren Bebauung in den Blick zu nehmen sein, nicht aber die weitere, nach den Maßstäben des § 34 Abs. 1 BauGB zu bestimmende Umgebungsbebauung. Deshalb dürften die Grundstücke Flst.-Nrn. 152 und 152/1 bei der Beurteilung des Straßenbildes nicht von Bedeutung sein. Ferner dürfte das Grundstück Flst.-Nr. 156 - wie bereits ausgeführt - aufgrund der lediglich geringfügigen Bebauung mit einer Garage kein maßstabbildendes Element darstellen. Da die P... mit Ausnahme des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. 156/1 eine geschlossene Bauweise aufweist, bedarf es einer wertenden Betrachtung, ob die sich nach dem Lageplan ergebende stark verdichtete kleinteilige Bebauung in der P... ein Straßenbild ergibt, das eine grenzständige Bebauung fordert. Die für diese Beurteilung notwendigen Erkenntnisse dürften jedoch erst im Rahmen einer Augenscheineinnahme gewonnen werden können.
30 
(2) Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO dürften dagegen auch nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben sein. Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung der mit Bausachen befassten Senate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange bei einer Unterschreitung der Abstandsflächentiefe regelmäßig vorliegt. Allenfalls dann, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandsflächentiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen, kann eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange entfallen. Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass derartige Besonderheiten hier voraussichtlich nicht erkennbar sind. Hiergegen ist auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens der Beigeladenen nichts zu erinnern, weshalb der Senat insoweit auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts verweist (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
31 
b) Wie oben dargestellt, lässt sich die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens der Beigeladenen mit Blick auf die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend beurteilen. Bei dieser Ausgangslage hält es der Senat auch unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der Beigeladenen für geboten, dem Interesse der Antragsteller, einstweilen vom Vollzug der Baugenehmigung bewahrt zu bleiben, ein höheres Gewicht beizumessen. Denn sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO tatsächlich nicht vorliegen und auch die Gestaltung des Straßenbildes oder besondere örtliche Verhältnisse i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LBO keine geringere Tiefen der Abstandsflächen erfordern und die Baugenehmigung daher keinen Bestand haben kann, würde die Beseitigung einer in der Zwischenzeit erfolgten Bebauung nur unter erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten durchgeführt werden können.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.
33 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (VBlBW 2014, Heft 1, Sonderbeilage). Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes des Nachbarn nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben wird, weil insofern die Entscheidung in der Sache faktisch vorweggenommen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich Baunachbarn nicht allein gegen die Auswirkungen der zukünftigen Nutzung des Nachbargrundstücks, sondern - wie hier der Antragsteller - gegen solche der Baukörper zur Wehr setzen und einen vorläufigen Stopp deren Errichtung begehren (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.8.2014 - 8 S 979/14 - juris; Beschl. v. 11.12.2013 - 3 S 1964/13 - VBlBW 2014, 275).
34 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beigeladene auf den Bauvorbescheid verzichtet und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2014 - 4 K 4392/12 - ist insoweit unwirksam.

Im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerinnen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2014 - 4 K 4392/12 - geändert.

Der Bauvorbescheid der Beklagten vom 1. August 2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26. November 2012 werden aufgehoben, soweit diese durch den Teilverzicht nicht unwirksam geworden sind.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen in beiden Rechtszügen; im Übrigen tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerinnen wenden sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid über die bauplanungs- und abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage.
Die Klägerin zu 1 ist Eigentümerin der in der historischen Altstadt von Isny gelegenen Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2, ... Straße 11 und 11a, an denen die Klägerin zu 2 das Nießbrauchsrecht hat. Die ... Straße ist als Fußgängerzone ausgebildet, die zum Marktplatz führt. Entlang der quartierbildenden Straßen der Altstadt - zu denen auch die ... Straße gehört - sind die Gebäude mit ihren Giebel- oder Traufseiten jeweils direkt an den Straßen in geschlossener Bauweise errichtet. Das Grundstück Flst.Nr. 30, ... Straße 11, ist mit einem viergeschossigen Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Mit den Giebelseiten ist es im Nordosten an das Wohn- und Geschäftsgebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 29/1, ...-Straße 13, und im Südwesten an das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 27/2, ... Straße 9, in dem sich eine Gaststätte befindet, jeweils grenzständig errichtet. Im rückwärtigen Hofbereich des Flst.Nr. 30 schließt sich nordwestlich das Grundstück Flst.Nr. 30/2, ... Straße 11a, an. Dieses Grundstück ist mit einem dreigeschossigen Wohngebäude mit einer Firsthöhe von ca. 11 m bebaut. Im zweiten Obergeschoss wurde ein nach Westen und Süden ausgerichteter Freisitz eingebaut. Das Gebäude, hält zu den Grenzen der nordöstlich anschließenden Grundstücke Flst.Nr. 28, das mit einer Garage bebaut ist, und Flst.Nr. 29, das unbebaut ist, sowie zur Grenze des mit einer Garage und einem Schuppengebäude bebauten südwestlich anschließenden Grundstücks Flst.Nr. 33/1 keine Abstände ein. Der Zugang zu dem Wohngebäude ... Straße 11a erfolgt über eine private Verkehrsfläche von der Straße „...“. Der Schuppen auf dem Flst.Nr. 33/1, der als Garage genutzt wird, ist in einer Länge von ca. 13,75 m auf der Grenze zum Grundstück Flst.Nr. 30/2 an das Wohngebäude ...-... Straße 11a angebaut.
Die Beigeladenen sind Eigentümer der Grundstücke Flst.Nrn. 27/2 und 33, ... Straße 9 und 7. Das Grundstück Flst.Nr. 33 ist mit einem ca. 50 m tiefen und 10 - 15 m breiten Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Im hinteren Grundstücksbereich sind 15 Stellplätze angelegt. Der vordere Gebäudeteil ist an der ... Straße an den Grenzen zu den Grundstücken Flst.Nr. 27/2, ... Straße 9, und Flst.Nr. 20, ... Straße 5, errichtet. Im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Flst.Nr. 33 wurden aufgrund einer Baugenehmigung der Beklagten vom 27.03.1974 ein ca. 31 m langer und ca. 13 m breiter Anbau mit einem Großraumladen und drei Wohnungen sowie 15 Stellplätze errichtet. Der Anbau ist an den Grenzen zu den nordöstlich anschließenden Grundstücke Flst.Nrn. 33/1 und 27/2 errichtet.
Die genannten Grundstücke liegen in den Geltungsbereichen des nicht qualifizierten Bebauungsplans „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 der Beklagten, der für die Grundstücke ein Mischgebiet festsetzt, der vom Regierungspräsidium Tübingen als höhere Denkmalschutzbehörde erlassenen Verordnung über die Gesamtanlage „Altstadt Isny i.A.“ vom 15.12.1983 und der Satzung der Beklagten zur „Erhaltung baulicher Anlagen sowie über örtliche Bauvorschriften in der Stadt Isny im Allgäu“ vom 04.11.1981 (Altstadtsatzung). Das Gebäude ... Straße 11 und der vordere Teil des Gebäudes ... Straße 7 sind darüber hinaus als Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung in das Denkmalbuch eingetragen.
Am 06.03.2012 beantragte die Beigeladene die Erteilung eines Bauvorbescheids über die bauplanungsrechtliche und abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 33 und 33/1, ... Straße 7 und 9. Nach den eingereichten Bauvorlagen ist auf den Grundstücken die Errichtung eines ca. 70 m langen und zwischen 9 und 27 m breiten Neubaus vorgesehen. Das Gebäude soll mit seiner gesamten Länge an den Grenzen zu den Grundstücken Flst.Nr. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 errichtet werden. Der Baukörper gliedert sich im vorderen Teil an der ... Straße in einen ca. 8,66 m breiten und ca. 23 m langen zunächst zweigeschossigen, dann dreigeschossigen Flachdachbau. An diesen schließt sich im mittleren Bereich ein ca. 22 m langer und ca. 13 m breiter weiterer Flachdachbau an, der ca. auf Höhe des Gebäudes ... Straße 11a in einen viergeschossigen Querbau mit Satteldach (Firsthöhe 17 m bis 18 m) übergeht. Daran folgt ein weiterer eingeschossiger, ca. 6,20 m langer Flachdachanbau. Der 22 m lange Neubau im mittleren Bereich soll nach den Bauvorlagen in einer Höhe zwischen 4,60 m und 5,10 m eingeschossig an der Grenze zu den Grundstücken der Klägerin zu 1 errichtet werden. Die Außenwand seines ersten Obergeschosses springt gegenüber den Grenzen der Grundstücke der Klägerin zu 1 zwischen 2,75 m und 2,97 m zurück, die Außenwand des zweiten Obergeschosses zwischen 9 und 10 m. Auf diesem Rücksprung ist die Anlegung einer 157,85 qm großen Terrasse vorgesehen. Im dritten Obergeschoss soll auf dem Flachdach eine weitere, 267,05 qm große Terrasse angelegt werden Nach den Bauvorlagen sollen im Untergeschoß 51 Stellplätze sowie ein Lager eingerichtet werden. Für das Erdgeschoss findet sich der Eintrag „Gewerbe“, für das erste Obergeschoss der Eintrag „Gewerbe, Arztpraxen/Büro/Wohnungen“ und für das zweite Obergeschoss der Eintrag „ Arztpraxen, Büro, Wohnungen“.
Die Klägerinnen erhoben mit Schreiben vom 10.04.2012 Einwendungen gegen das geplante Bauvorhaben. Sie wandten sich im Wesentlichen gegen die geplante Grenzbebauung und befürchteten die Gefahr von Schäden an ihren Gebäuden. Der geplante Baukörper widerspreche auch der Eigenart der näheren Umgebung. Insbesondere seine Höhe führe zu einer unzumutbaren Beschattung vor allem des Wohnhauses ... Straße 11a. Die Nutzung der vorgesehenen Freiflächen führe ebenso wie der durch das Vorhaben entstehende Verkehr zu einer unzumutbaren Lärmbelastung für ihre Grundstücke.
Die Beklagte erteilte am 01.08.2012 unter Zurückweisung der von den Klägerinnen und anderer Angrenzer erhobenen Einwendungen den folgenden Bauvorbescheid:
„1. Die bebauungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens (§§ 29 Abs. 1, 34 BauGB) wird festgestellt (Bebauungsgenehmigung).
2. Der Standort des Vorhabens befindet sich im unbeplanten Innenbereich und ist als Innenbereichsvorhaben gem. § 34 BauGB grundsätzlich zulässig.
10 
3. Mit dem Vorhaben werden die Abstandsflächenvorschriften gem. §§ 5 und 6 LBO eingehalten.
11 
4. Zu den weiteren Fragen des Vorhabens wie beispielsweise vorbeugender Brandschutz, Nutzung und daraus resultierende Zahl der erforderlichen Stellplätze samt deren Nachweis, denkmalschutzrechtliche Belange sowie Nachweise über die Feuerwehrzufahrt und notwendigen Feuerwehraufstellflächen etc. wird mit diesem Bauvorbescheid keine Aussage getroffen.“
12 
Bestandteil des Bauvorbescheids seien die von der Beigeladenen eingereichten Bauvorlagen vom 29.02.2012 (Lageplan, Abstandsflächenplan, Grundrisspläne und Schnitte).
13 
Die Klägerinnen erhoben am 29.08.2012 Widerspruch. Der Bauvorbescheid sei zu ihren Lasten rechtswidrig. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Weder hinsichtlich seiner Größe, der Gesamtlänge, der Breite und der Höhe sei es mit der vorhandenen Häuserstruktur in Einklang zu bringen. Gebäude in der Größe des geplanten Komplexes seien in der näheren Umgebung nicht vorhanden. Das geplante Vorhaben entfalte eine erdrückende Wirkung auf die Gebäude ... Straße 11 und 11a. Es stelle sich als Fremdkörper dar und führe im Hinterhof der Grundstücke der Klägerin zu 1 zu einer „Gefängnishofatmosphäre“. Das Wohngebäude ... Straße 11a würde über die gesamte Grundstückslänge hinweg vollständig eingemauert werden.
14 
Das Regierungspräsidium Tübingen wies die Widersprüche der Klägerinnen mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2012 zurück.
15 
Am 20.12.2012 haben die Klägerinnen Klagen beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben mit dem Antrag, den Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 aufzuheben.
16 
In der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2014 hat die Beigeladene zu Protokoll des Verwaltungsgerichts erklärt, auf die Nutzungsangabe „Gewerbe“ für das erste Obergeschoss und für das Erdgeschoss auf Nutzungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, mit Ausnahme von „Einzelhandelsbetriebe“, und nach § 6 Abs. 2 Nr. 6, 7, 8 und § 6 Abs. 3 BauNVO zu verzichten.
17 
Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26.03.2014 die Klagen abgewiesen und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bauvorbescheid sei rechtmäßig. Zwar seien die Bauvorlagen, die Bestandteil des Bauvorbescheids seien, fehlerhaft. Die Regelungen zu den Bauvorlagen seien jedoch lediglich formelle Ordnungsvorschriften ohne nachbarschützende Wirkung. Etwas anderes gelte nur, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen andere nachbarschützende Vorschriften nicht geprüft oder deren Verletzung nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könnten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Eine Verletzung von Nachbarrechten ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte die zum Bestandteil des Bauvorbescheids gemachten Bauvorlagen mit dem Stempel „Genehmigt im Baugenehmigungsverfahren nach § 58 LBO, 1. Aug. 2012, Stadt Isny im Allgäu“ und mit dem Siegel der Stadt versehen habe. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Vorschriften der Altstadtsatzung der Beklagten berufen. Deren Gestaltungsvorschriften seien nicht Gegenstand der Bauvoranfrage. Gleiches gelte für die geltend gemachte Beeinträchtigung der Denkmaleigenschaft des Gebäudes ... Straße 11.
18 
Das Bauvorhaben verstoße nicht gegen die von der Beklagten zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften, soweit diese zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen dienten. Das Vorhaben verletze nicht einen sich aus dem Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 ergebenden Gebietserhaltungsanspruch der Klägerinnen. Der Bebauungsplan weise für die Grundstücke ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO aus, mit dem die für das Bauvorhaben unter Berücksichtigung der Protokollerklärungen vorgesehen Nutzungen im Einklang stünden. Gleiches gelte bei einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans, da das maßgebliche Quartier einem Mischgebiet entspreche. Im Übrigen sei das Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehle. Maßstabsbildend für das Einfügen sei das Quartier zwischen ... Straße, ... Gasse, der Straße ..., ... Straße und ... Straße. Das sich aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebende Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Das Vorhaben füge sich nach der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Hinsichtlich der überbauten Grundstücksfläche werde der im Quartier vorgegebene Rahmen durch die vollständig überbauten Grundstücke ... Straße 15, ... Straße 10 und ... Gasse 22 bestimmt. Gleiches gelte bezüglich der Bauweise. Während sich entlang der quartierbildenden Straßen durchgehend geschlossene Bebauung finde, gelte dies nicht für die rückwärtigen Grundstücksbereiche, auf denen zum Teil geschlossene und zum Teil offene Bauweise anzutreffen sei. Eine durch faktische Baugrenzen vorgegebene Bebauungstiefe sei nicht feststellbar. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung füge sich das Vorhaben zwar nur hinsichtlich der vorgesehenen Gebäudehöhen in die Eigenart der näheren Umgebung ein, nicht dagegen bezüglich seiner Länge, Breite und Kubatur. Hieraus ergebe sich jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Klägerinnen. Das Vorhaben entfalte keine erdrückende Wirkung. Hierbei sei einzustellen, dass die von den Klägerinnen als belastend angeführte Gesamtlänge der Grenzwand des Vorhabens von 70 m nur auf ca. 32 m als zusätzliche Grenzbebauung in Erscheinung treten, weil die Beigeladene auf einer Länge von 38 m an die bereits vorhandene umfangreiche Grenzbebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 anbaue. Die Situation auf den bislang unbebauten Grundstücksbereichen würde gegenüber dem derzeitigen Zustand nicht unzumutbar verschlechtert. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 derzeit vorhandenen zusätzlichen Grenzmauern und dem Zustand im rückwärtigen Hofbereich des Grundstücks Flst.Nr. 27/2. Eine erdrückende Wirkung und der Eindruck des Eingemauertseins seien auch nicht deshalb festzustellen, weil die Grundstücke der Klägerin zu 1 im Nordosten und Nordwesten frei von Bebauung seien und die geplante Grenzwand im mittleren Bereich des Vorhabens eine Höhe von 4,6 bis 5,1 m und im rückwärtigen Bereich von 4,6 m nicht überschreite. Den Umstand, dass der geplante Neubau das Gebäude ... Straße 11a erheblich überrage und damit unter anderem die Vorteile der Nutzung des Freisitzes im Dachgeschoss und den Lichteinfall mindere, müssten die Klägerinnen hinnehmen. Sie würden dadurch nicht unzumutbar benachteiligt, weil der Beigeladenen im Austauschverhältnis nicht versagt werden könne, was die Klägerinnen mit ihrer Grenzbebauung für sich beansprucht hätten. Auch die planungsrechtliche Untätigkeit der Beklagten verletze keine Nachbarrechte der Klägerinnen und begründe insbesondere nicht die Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens. Ein Anspruch der Klägerinnen auf eine ihre Nutzungen schützende Überplanung des Innenbereichs des Quartiers bestehe nach dem Baugesetzbuch nicht. Der befürchtete Tiefgaragenlärm sei nicht rücksichtslos. Der Grundstücksnachbar habe die mit dem Betrieb der notwendigen Stellplätze üblicherweise verbundenen Immissionen grundsätzlich hinzunehmen. Zudem werde zwischen der geplanten Ein- und Ausfahrt der umfangreiche Neubau errichtet und die Entfernung zum Gebäude ... Straße 11a betrage ca. 30 m.
19 
Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf eine Verletzung des abstandsflächenrechtlichen Nachbarschutzes berufen, da mit dem Vorhaben gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 keine Abstandsflächen einzuhalten seien. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO lägen vor. Denn nach § 34 Abs. 1 BauGB dürften in dem maßgeblichen Bereich Gebäude ohne Grenzabstände errichtet werden. Es sei auch öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut werde. Hierfür genüge der Umstand, dass auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 mit den bereits errichteten Gebäuden ... Straße 11 und 11a jeweils ein Grenzbau vorhanden sei. Brandschutzrechtliche Bestimmungen seien nicht Gegenstand des Bauvorbescheides. Im Übrigen übersähen die Klägerinnen, dass wegen ihrer Grenzbauten bereits jetzt Rettungs- und Feuerwehreinsätze zwischen ihren Gebäuden nur über fremde Grundstücke oder durch die Gebäude erfolgen könnten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde den Klägerinnen am 14.08.2014 zugestellt.
20 
Am 11.09.2014 haben die Klägerinnen Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ergänzend vorbringen: Der Bauvorbescheid sei bereits wegen der unvollständigen Bauvorlagen formell fehlerhaft. Hierdurch seien sie in nachbarschützenden Rechten verletzt, weil es ihnen nicht möglich gewesen sei, die Verletzung nachbarschützender Vorschriften konkret zu prüfen. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Unrecht angenommen, dass der unrichtige Genehmigungsvermerk auf den Bauvorlagen nicht zur Unbestimmtheit des Bauvorbescheids führe.
21 
Der Bauvorbescheid sei jedenfalls zu ihren Lasten materiell baurechtswidrig. Er verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass das Vorhaben hinsichtlich seiner Länge, Breite und Höhe und Kubatur den durch die vorhandene Bebauung vergebenen Rahmen in erheblichem Maße sprenge. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts führe gerade die Grenzbebauung zu einer unzumutbaren Verschlechterung für die Grundstücke der Klägerin zu 1. Die vorhandene Grenzmauer sei mit dem geplanten Bauvorhaben nicht vergleichbar. Es werde nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich das geplante Vorhaben wie ein Riegel durch das gesamte Quartier ziehen werde. Aufgrund des vorgesehenen Flachbaus im mittleren und vorderen Bereich wirke das Vorhaben umso erschlagender. Wegen seiner Höhe würden die bislang unbebauten Flächen an den Grundstücksgrenzen einen Sonneneinfall auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 bzw. auf die dortigen Gebäude nahezu ausschließen. Die Luftzufuhr bzw. Luftzirkulation werde erheblich eingeschränkt. Darüber hinaus ergäbe sich eine massive Verengung des bislang weitestgehend offenen Hofbereichs, was die erdrückende Wirkung erheblich verstärke. Die bisherige Möglichkeit des Rundumblicks im Hofraum werde ausgeschlossen. Besonders einschneidend stellten sich die negativen Auswirkungen im Bereich der Dachterrasse des Gebäudes ... Straße 11a dar. Deren Nutzungsmöglichkeiten würden aufgrund des unmittelbaren Anbaus unzumutbar eingeschränkt. Die Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach der Beigeladenen im Austauschverhältnis nicht versagt werden könne, was die Klägerinnen mit ihrer Grenzbebauung für sich beansprucht hätten, verfange insoweit nicht, als die vorhandene Grenzbebauung 38 m lang und maximal 3 m hoch sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts füge sich das Vorhaben auch hinsichtlich seiner Bauweise nicht in die Umgebungsbebauung ein. In den hofseitigen Bereichen des maßgeblichen Quartiers sei die offene Bauweise klar vorherrschend und gebe dem Quartier sein Gepräge. Sinn und Zweck der offenen Bauweise innerhalb der Hofbereiche sei es gerade, die hofseitigen Grundstücke und Gebäude ausreichend mit Licht und Frischluft zu versorgen.
22 
Das Vorhaben sei auch mit dem Vorschriften über Abstandsflächen nicht vereinbar. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO lägen bereits deshalb nicht vor, da in den Hofbereichen des Quartiers keine geschlossene Bauweise zulässig sei. Selbst wenn dem nicht gefolgt werde, seien Abstandsflächen einzuhalten, da die Vorschrift eine deckungsgleiche Bebauung erfordere. Im Rahmen der Bestimmung dessen, was als Grenzbebauung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig sei, müssten auch die Wertungen des Einfügungsgebots nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfließen. Anderenfalls wäre es möglich, dass der Landesgesetzgeber durch das Bauordnungsrecht die Vorschriften des Bauplanungsrechts umgehe. Berücksichtige man das Einfügungsgebot müsse sich das Vorhaben insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung an die schon bestehenden Grenzbauten anpassen, um sich in die Eigenart der näheren Umgebung einzufügen. Diese Auslegung widerspreche nicht dem Willen des Landesgesetzgebers, was durch die Begründung zur Novellierung der LBO vom 08.08.1995 verdeutlicht werde. Der Gesetzgeber habe die Konstellation eines überplanten Bereichs nach § 30 Abs. 1 BauGB vor Augen gehabt. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB sei gerade kein gemeindlicher Planungswille vorhanden. Insofern werde der Wille des Plangebers durch die Verhältnisse ersetzt, welche den maßgeblichen Bereich prägten. Der Einwand, dass der „Erstbauende“ durch seine Bautätigkeit gegebenenfalls die Bebauungsmöglichkeiten des später Bauenden einschränke, müsse für den Innenbereich insoweit hingenommen werden.
23 
Die Klägerinnen beantragen,
24 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 - 4 K 4392/14 - zu ändern und den Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 aufzuheben, soweit diese nicht durch den von der Beigeladenen erklärten Teilverzicht unwirksam geworden sind;
25 
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären
26 
Die Beklagte beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Sie verteidigt im Einzelnen die Ausführungen im angefochten Urteil.
29 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Die Klägerinnen könnten sich nicht auf die Unvollständigkeit der Bauvorlagen berufen. Wie der Verlauf des Verwaltungsverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens gezeigt habe, seien die Klägerinnen sehr wohl in der Lage gewesen, aufgrund der aktenkundigen Bauvorlagen, die bei diesem Bauvorhaben in Frage kommenden nachbarschützenden Aspekte vorzutragen und geltend zu machen. Aus dem eigenen Vorbringen ergebe sich danach, dass die Bauvorlagen jedenfalls im Hinblick auf die Prüfung etwaiger Verletzungen nachbarschützender Vorschriften insoweit ausreichend gewesen seien. Das Bauvorhaben füge sich sowohl nach Art der baulichen Nutzung, seiner Bauweise, der überbaubaren Grundstücksfläche und der Höhe der Bebauung in den Rahmen des Vorhandenen ein. Schon aus diesem Grunde könne daher von einer erdrückenden Wirkung nicht ausgegangen werden. Eine Abstandsfläche sei nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nicht einzuhalten. Die Vorschrift verlange keine deckungsgleiche bzw. nahezu deckungsgleiche Anbausicherung. Es befinde sich auf den Grundstücken der Klägerinnen bereits eine Grenzbebauung von 38 m Länge, also über die Hälfte der nunmehr beabsichtigten Bebauung. Aufgrund des Zuschnittes der Grundstücke der Klägerin zu 1 sei dort jede weitere Bebauung mit Abstandsflächen ausgeschlossen, so dass jede neue Bebauung zwingend ebenfalls in geschlossener Bauweise auszuführen sei. Die Klägerinnen könnten dann die vorhandene Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen aufnehmen.
32 
Die Beigeladene hat in der Berufungsverhandlung klargestellt, dass ihre Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen über den Verzicht auf bestimmte im Bauvorbescheid genannte Nutzungen als Teilverzicht auf den Bauvorbescheid zu verstehen ist. Die Beteiligten haben daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
33 
Der Senat hat in der Berufungsverhandlung das Baugrundstück und seine nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zur Niederschrift verwiesen.
34 
Dem Senat liegen die Bauakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Tübingen, die Bebauungspläne „Altstadt Isny im Allgäu“, „Quartier IV/23 Wassertorstraße/Hofweg“ sowie „Wassertorstraße/Strauss“, und insgesamt 14 Bauakten zu früheren Bauvorhaben auf den Grundstücken der Klägerinnen und der Nachbargrundstücke sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vor. Hierauf und auf die beim Senat angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
35 
Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von §§ 125 Abs. 1 i.V.m. 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
II.
36 
Im Übrigen ist die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung auch sonst zulässig.
III.
37 
Die Berufung ist im Übrigen auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der angefochtene Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 sind auch in der Gestalt, die sie durch die Teilverzichtserklärung der Beigeladenen gefunden haben, rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bauvorbescheid verstößt gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen zu dienen bestimmt sind. Das Bauvorhaben hält die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderlichen Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 nicht ein (1.) und verstößt gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (2.). Ob der Bauvorbescheid auch im Übrigen Rechte der Klägerinnen verletzt, kann folglich dahinstehen.
38 
1. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt, soweit er die Vereinbarkeit des Vorhabens mit §§ 5, 6 LBO feststellt (Nr. 3), zu Lasten der Klägerinnen gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO. Danach müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen Anlagen freizuhalten sind und die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen. Dieser Bestimmung widerspricht der angefochtene Bauvorbescheid insoweit, als das Gebäude unmittelbar an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu den Grundstücken der Klägerin zu 1, d.h. ohne Einhaltung von Abstandsflächen, errichtet werden soll.
39 
a) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sind die Voraussetzungen für eine Grenzbebauung ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 LBO nicht gegeben.
40 
Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss (Nr. 1) oder an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (Nr. 2.). Beides trifft hier nicht zu.
41 
aa) Nach planungsrechtlichen Vorschriften ist die geplante Grenzbebauung nicht zwingend geboten, aber i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig.
42 
Da für das Baugrundstück und seine nähere Umgebung keine die Bauweise betreffenden Festsetzungen eines Bebauungsplans bestehen - der Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 enthält lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung - und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles geplant ist, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Grenzbebauung nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
43 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss ein Gebäude dann an die Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung durch eine geschlossene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 3 BauNVO oder eine abweichende, d.h. halboffene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 4 BauNVO geprägt wird, die zu einer Grenzbebauung zwingt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.1998 - 5 S 3202/96 - BRS 60 Nr. 86, juris Rn. 24). Ist in einem unbeplanten Gebiet teils offene bzw. halboffene und teils geschlossene Bauweise vorzufinden, besteht kein Zwang zu einer Grenzbebauung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - ZfBR 1994, 192, juris Rn. 4).
44 
Danach verlangt die in der näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung nicht zwingend die Errichtung der geplanten Grenzbebauung, sie lässt eine solche jedoch zu.
45 
Maßstabsbildend für das Einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr BVerwG, u.a. Urteile vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369, 380, und vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - NVwZ 2014, 370).
46 
Nach den Darstellungen des im verwaltungsgerichtlichen Urteil abgebildeten Lageplanausschnitts, deren Richtigkeit sich nach dem vom Senat eingenommen Augenschein bestätigt hat, wird die hinsichtlich der Bauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung durch das Straßengeviert... Straße, ... Gasse, ..., ... Straße und ... Straße gebildet. Die Hauptgebäude sind hier fast durchgängig entlang der jeweiligen Straßenbegrenzungslinien und in geschlossener Bauweise im Sinne einer Blockrandbebauung errichtet. Dagegen befinden sich hinter den jeweiligen Hauptgebäuden im Innern des Straßengevierts auf den Grundstücken teilweise unbebaute Freiflächen, wie etwa auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 30, 29/1 und 28, als auch Gebäude, die zu den Nachbargrundstücken in geschlossener Bauweise, wie das Grundstück Flst.Nr. 30/2, oder auch in halboffener Bauweise errichtet sind. Das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 33/1 ist nur einseitig grenzständig an das Gebäude ...-Straße 11a der Klägerin zu 1 angebaut. Auch das der Beigeladenen gehörende Gebäude ... Straße 7 ist selbst lediglich im vorderen Grundstücksbereich zur ... Straße hin in geschlossener Bauweise errichtet. Im hinteren Bereich, d.h. dort, wo der 1973 genehmigte Anbau errichtet wurde, setzt sich die Grenzbebauung nur zum Grundstück Flst.Nr. 27/2 fort, dagegen werden gegenüber dem westlich anschließenden Grundstück Flst.Nr. 20 teilweise Abstandsflächen eingehalten. Im Inneren des Straßengevierts ist danach weder eine einheitliche geschlossene noch eine einheitliche halboffene Bauweise vorzufinden. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen auch auf Grundstücken bzw. Grundstücksbereichen im Inneren des Straßengevierts errichtet werden soll, sind die beschriebenen unterschiedlichen Bauweisen insgesamt Maßstab für eine Grenzbebauung. Folglich besteht für das streitige Vorhaben kein Zwang zur Errichtung an der Grenze. Vielmehr darf i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend ausgegangen.
47 
bb) Der Zulässigkeit des Vorhabens ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO steht jedoch entgegen, dass nicht i. S. dieser Vorschrift öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
48 
aaa) Nachbargrundstück i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sind hier die beiden Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1. Die Landesbauordnung verwendet zwar den Begriff des Grundstücks regelmäßig im Sinne von Buchgrundstück (vgl. § 4 Abs. 1 LBO), so dass danach die Grenzbebauung jeweils zu den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 isoliert zu betrachten wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 2 LBO zeigt jedoch, dass der Buchgrundstücksbegriff nicht ausnahmslos gilt. Vielmehr kann ein Nachbargrundstück im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO auch ein aus mehreren Buchgrundstücken bestehendes benachbartes Baugrundstück sein (vgl. Beschluss des Senats vom 06.06.2008 - 8 S 18/07 - VBlBW 2008, 483, juris Rn. 37). Danach sind die beiden Buchgrundstücke der Klägerin zu 1 als ein Nachbargrundstück anzusehen. Denn beide Grundstücke sind vor wenigen Jahren durch Teilung aus dem Buchgrundstück Flst.Nr. 30 hervorgegangen und die Freifläche zwischen den Gebäuden auf beiden Grundstücken wird als ein gemeinsamer Garten genutzt.
49 
bbb) Es ist nicht i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
50 
(1) Das Tatbestandsmerkmal der öffentlich-rechtlichen Sicherung im Sinne dieser Vorschrift ist in der Regel nur erfüllt, wenn zulasten der von der Grenzbebauung betroffenen Grundstücke eine entsprechende Baulast nach § 71 LBO übernommen wird.
51 
Eine solche Baulast hat die Klägerin zu 1 unstreitig nicht übernommen.
52 
(2) Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist darüber hinaus ausnahmsweise auch dann gewährleistet, wenn auf dem Nachbargrundstück bereits ein Gebäude, von dessen Fortbestand ausgegangen werden kann, an der Grenze vorhanden ist, an das angebaut werden soll, und der geplante Grenzbau noch in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude steht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris; Beschlüsse vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221, vom 10.03.1999 - 3 S 332/99 - juris und vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris; Busch in: Das Neue Baurecht in Baden-Württemberg, Stand November 2014, § 5 Rn. 39). Denn in einem solchem Fall würde es sich bei der Forderung nach Eintragung einer Baulast um eine bloße Förmelei handeln. Die Wirkungen eines bereits vorhandenen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück auf dessen Schutzwürdigkeit nach § 5 LBO können jedoch nicht weiter reichen, als die einer entsprechenden Baulast. Eine auf dem Nachbargrundstück vorhandene Grenzbebauung kann die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung daher nur in ihrem Umfeld ersetzen. Das an der Grenze geplante Bauvorhaben und das auf dem Nachbargrundstück bereits errichtete Grenzgebäude müssen zueinander in einer gewissen Beziehung stehen und beide Gebäude müssen sich in einem Maße überdecken, dass als Ergebnis einer beiderseitigen Grenzbebauung noch der Eindruck einer geschlossenen Bauweise vermittelt wird; nicht ausreichend ist, dass irgendwo an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein Grenzbau errichtet ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - NVwZ-RR 2015, 288). Eine andere Auslegung ist mit dem Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO nicht vereinbar, auch wenn die Entstehungsgeschichte der Norm dies nahelegen mag.
53 
Zweck dieser Vorschrift ist es, den Regelungen des Bauplanungsrechts, die gegebenenfalls eine Bebauung ohne Abstand der Gebäude voneinander vorsehen, auch im Bauordnungsrecht Geltung zu verschaffen (vgl. Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stand: März 2010, Band 1, § 5 Rn. 9 und 35 ). Durch diese Regelung soll eine nur einseitige Grenzbebauung verhindert werden, die sich ergeben könnte, wenn das Bauplanungsrecht ein Bauvorhaben an der Grenze gestattet, ohne zugleich zwingend für das Nachbargrundstück eine entsprechende Bebauung vorzuschreiben (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 3).
54 
Die genannten Voraussetzungen für die ausnahmsweise anzunehmende öffentlich-rechtliche Sicherung durch einen vorhandenen Grenzbau galten nach der Rechtsprechung der mit Bausachen befassten Senate bereits zu der Vorgängerregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. (vgl. z.B. Beschluss vom 15.09.1993 - 3 S 1670/93 - juris Rn. 5). Allein die Ersetzung des Wortes „angebaut“ durch „an die Grenze gebaut“ in der seit dem 01.01.1996 geltenden Neuregelung führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Beigeladenen nicht dazu, dass nunmehr auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Beziehung zwischen dem vorhandenen und dem geplanten Grenzbau verzichtet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 11/5337 S. 80) war mit der Neuregelung zwar die Vorstellung verbunden, es müsse nunmehr dem „Zweitbauenden“ grundsätzlich möglich sein, ohne Anknüpfung an die bestehende Bebauung die planungsrechtlich zulässige Bebauungstiefe auszuschöpfen. Diese Vorstellung hat jedoch in Wortlaut und Systematik des Gesetzes keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris Rn. 23; VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 8). Zudem dient die Einhaltung von Abstandsflächen gerade der Sicherstellung der ausreichenden Belüftung und Beleuchtung der Gebäude und der unbebauten Grundstücksteile (vgl. Sauter a.a.O., § 5 Rn. 3). Hierauf wird in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO verzichtet, weil der Landesgesetzgeber auch hier dem Planungsrecht den Vorrang einräumt, obwohl er dazu in Gebieten, in denen planungsrechtliche Vorschriften nicht zwingend eine geschlossene Bauweise verlangen, nicht verpflichtet wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - juris Rn. 4). Ein solcher Verzicht begründet indes - wegen der ähnlichen Interessenlage wie bei einer Doppelhausbebauung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355, 359) -ein gegenseitiges nachbarschaftliches Austauschverhältnis, das eine Grenzbebauung verlangt, aufgrund derer die Gebäude noch in einer gewissen Beziehung zueinander stehen und sich in relevanter Weise überdecken.
55 
Danach vermag die bereits vorhandene Grenzbebauung auf den Nachbargrundstücken der Klägerin zu 1 die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung für die Errichtung des Bauvorhabens der Beigeladenen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze nicht ersetzen. Das geplante Bauvorhaben steht zu der vorhandenen Grenzbebauung nicht mehr in einer gewissen Beziehung und die Gebäude überdecken sich nicht in einem Maße, dass noch der Eindruck der geschlossenen Bauweise vermittelt wird. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung und die vorhandene Grenzbebauung in Höhe und Tiefe der Baukörper weitestgehend deckungsgleich sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 - juris Rn. 11). Ab welcher Abweichung der Eindruck der geschlossenen Bauweise nicht mehr besteht, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls. So hat der 5. Senat des erkennenden Gerichtshof im Beschluss vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - juris Rn. 5, auf den spätere Entscheidungen (vgl. Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - juris Rn. 6) Bezug nehmen, eine Abweichung von zwei Metern in der Tiefe und zwei bis drei Metern in der Höhe für zulässig erachtet. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen verlangt danach auch der 5. Senat gerade eine weitgehende Deckungsgleichheit. Die genannten Maße überschreitet der vorgesehene Grenzbau deutlich. Die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30 ist ca. 25 m lang, die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30/2 beträgt ca. 13,5 m. Demgegenüber soll das Bauvorhaben entlang der gesamten Grundstücksgrenze beider Buchgrundstücke über eine Länge von ca. 70 m an der Grenze errichtet werden. Der Eindruck einer geschlossenen Bauweise wird so nicht mehr vermittelt. Auf den Einwand der Beigeladenen, wonach auch die Klägerin zu 1 bei einer künftigen Bebauung der Grundstücke von der geplanten Grenzbebauung profitieren könnte, kommt es in dem Zusammenhang nicht an. Gleiches gilt für den Hinweis der Beigeladenen, wonach die Klägerin zu 1 ihre Grundstücke überhaupt nur mit Grenzbauten bebauen könne, da wegen der Größe der Grundstücke Abstandsflächen nicht eingehalten werden könnten. Im Übrigen ist die Klägerin zu 1 etwa nach einem Untergang eines Gebäudes nicht gezwungen, überhaupt wieder ein Gebäude zu errichten. Weiter ist denkbar, dass sie bislang unbebaute Nachbargrundstücke erwirbt und so Abstandsflächen bei einer künftigen Bebauung eingehalten werden können.
56 
b) Auch die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche in einem Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO scheidet aus.
57 
Der Anspruch des Bauherrn auf Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ist vom Gericht im Rahmen der Nachbarklage zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, auch wenn eine Entscheidung der Baurechtsbehörde hierüber nicht vorliegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris Rn. 24). Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht erfüllt. Ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 3 LBO scheidet offensichtlich aus und ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO liegt ebenfalls nicht vor.
58 
Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO ist eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs liegt eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vor, wenn die nachbarschützende Abstandsflächentiefe (vgl. § 5 Abs. 7 LBO) unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation auf dem Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante, tatsächliche oder rechtliche Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533 m.w.N.). Solche Besonderheiten sind vorliegend in Bezug auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 nicht gegeben. Diese Grundstücke sind insbesondere auch nicht aufgrund der an der Grenze zum Flst.Nr. 33/1 errichten Grenzmauer weniger schutzwürdig. Dies ergibt sich bereits aus den völlig untergeordneten Ausmaßen der Mauer, die mit ca. 1,50 m Höhe deutlich hinter der vorgesehen Grenzbebauung zurücktritt und auch nur wenige Meter lang ist.
59 
2. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt ferner, soweit er die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens feststellt (Nr. 1 und 2), gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Denn das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in Eigenart der näheren Umgebung ein und beeinträchtigt dadurch die Nutzung der Nachbargrundstücke der Klägerin zu 1 und demzufolge auch das an diesen Grundstücken bestehende Nießbrauchsrecht der Klägerin zu 2 rücksichtslos.
60 
a) § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verleiht dem Nachbarn einen Abwehranspruch, wenn die angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verletzt (st. Rspr. BVerwG, u.a. Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186). Nachbar im Sinne des Bodenrechts ist dabei nicht nur der jeweilige zivilrechtliche Eigentümer eines Grundstücks sondern auch - wie die Klägerin zu 2 - ein sonst in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich Berechtigter, zu denen auch der Nießbraucher zählt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus, der vorliegen kann, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 13.03.1981, a.a.O). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 m.w.N.). Das Gebot der Rücksichtnahme hebt insoweit auf die gegenseitige Verflechtung der baulichen Situation unmittelbar benachbarter Grundstücke ab und nimmt das nachbarliche Austauschverhältnis in den Blick (BVerwG, Urteile vom 16.09.2010 - 4 C 7/10 - NVwZ 2011, 436, und vom 05.12.2013 - 4 C 5/12 - BVerwGE 148, 290, 295).
61 
Nach diesen Grundsätzen ist das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich seines Maßes der baulichen Nutzung gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 rücksichtslos. Da der Bebauungsplan „Alstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 nur Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens im Übrigen, d.h. auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach § 34 Abs. 1 BauGB. Maßgebend für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt, wie die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.1994 - 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277, 279, 282; Beschluss vom 03.04.2014 - 4 B 12.14 -juris Rn. 3). In der maßgeblichen Umgebungsbebauung, die wiederum durch das bereits beschriebene Straßengeviert gekennzeichnet wird, ist kein Baukörper vorhanden, der hinsichtlich seiner flächenmäßigen Ausdehnung mit dem Bauvorhaben vergleichbar ist. Das bislang größte Einzelgebäude in der maßgeblichen Umgebung ist das Gebäude ... Straße 7. Dessen Grundfläche wird durch das Bauvorhaben hinsichtlich Bebauungstiefe, Breite und Kubatur deutlich überschritten.
62 
Auf die von der Beigeladenen bei der Einnahme des Augenscheins verwiesenen Gebäude ... Straße 6 und ... Straße 43, die in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung mit dem Bauvorhaben vergleichbar seien, kommt es dagegen nicht an. Diese Grundstücke liegen außerhalb der für die Beurteilung des Einfügens maßgeblichen Umgebungsbebauung. Der Rahmen für die maßgebliche Umgebungsbebauung wird durch das bereits an anderer Stelle beschriebene Straßengeviert begrenzt, in dem die genannten Grundstücke nicht liegen. Auf diese Bereiche wirkt sich die Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen weder aus, noch prägen oder beeinflussen diese Grundstücke ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung.
63 
Die danach vorliegende Rahmenüberschreitung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung lässt die gebotene Rücksichtnahme gerade in Bezug auf die unmittelbar benachbarte Bebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 vermissen. Das Gesamtvolumen und die Gliederung des Baukörpers führen zu einer rücksichtslosen optisch erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens insbesondere auf das Wohnhaus ... Straße 11a.
64 
Eine rücksichtslose erdrückende Wirkung nimmt die Rechtsprechung an, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354 und vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 - BauR 1986, 542; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.08.2005 - 10 A 3138/02 -, juris Rn. 50, Beschlüsse vom 13.01.2006 - 10 B 971/05 -, juris Rn 5, und vom 18.02.2014 - 7 B 1416/13 - juris Rn. 5; Bay. VGH, Beschluss vom 29.07.2014 - 9 CS 14.709 - juris Rn. 19). Eine erdrückende Wirkung liegt danach nicht schon dann vor, wenn die bisherigen Verhältnisse durch eine bauliche Verdichtung geändert werden. Vielmehr muss von dem Vorhaben aufgrund der Massivität und Lage eine qualifizierte handgreifliche Störung auf das Nachbargrundstück ausgehen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 19.03.2015 - 1 B 19/15 - juris Rn. 26).
65 
Gemessen hieran erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen gegenüber den benachbarten Anwesen der Klägerin zu 1 als rücksichtslos. Der Augenschein des Senats hat gezeigt, dass sich zwischen den Gebäuden ...-Straße 11 und 11a eine als Garten genutzte Freifläche der beiden Wohnhausgrundstücke befindet. In dem Bereich befindet sich auch auf den Nachbargrundstücken keine Bebauung. Bei einer Verwirklichung des Vorhabens entstünde gerade hier eine Grenzbebauung, die, trotz der Gliederung des Baukörpers mit zurückspringenden Obergeschossen, insgesamt den Eindruck einer geschlossenen massiven Riegelbebauung vermittelt, die den Grundstücken der Klägerin zu 1 gleichsam „die Luft zum Atmen nimmt“. War die bisherige Bebauung von einer fast deckungsgleichen Grenzbebauung auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2 und 30/2 geprägt, wird nunmehr entlang der gesamten Grundstückslängen ein in seinen Ausmaßen enorm kompakter Baukörper errichtet. Die Grenzbebauung zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a beträgt 22 m, die Höhe der Bebauung an der Grenze beträgt 4,6 bis 5,1 Meter. Gegenüber dieser Grenzbebauung tritt die vorhandene Grenzmauer in ihren Ausmaßen von nur 1,5 m deutlich zurück. Hinzu kommt die Höhendisparität zwischen dem rückwärtigen Querbau und dem Wohnhaus ... Straße 11a. Schließlich führt die Grenzbebauung auch zu einer massiven Verschattung des bisher als Garten genutzten Freiraumes zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a, die den Klägerinnen nicht zumutbar ist, zumal da die Grenzbebauung nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig ist.
66 
Die Klägerinnen sind hinsichtlich der grenzständigen Bebauung an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen auch schutzbedürftig, da sie angesichts der in dem maßgeblichen Grundstücksbereich bislang prägend vorgegebenen Bauweise auch nicht damit rechnen mussten, dass entlang der gesamten Grundstücksgrenzen ein durchgängiges grenzständiges Gebäude errichtet wird.
67 
Zudem ermöglichen sowohl die vorgesehene 157,86 qm große Terrasse im zweiten Obergeschoss als auch die geplante 267,05 qm große Terrasse im dritten Obergeschoss im mittleren Bereich des Gebäudes Einblicke auf die Grundstücke der Klägerin zu 1, die das Maß dessen deutlich übersteigen, was Grundstückseigentümern auch im bebauten innerörtlichen Bereich regelmäßig zugemutet werden kann (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2014 - 7 B 1037/14 - juris Rn. 10 m.w.N.).
IV.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, 162 Abs. 3, 161 Abs. 2 VwGO. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerinnen war notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
69 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
70 
Beschluss
71 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG auf15.000,- EUR festgesetzt (entsprechend der Streitwertfestsetzung im ersten Rechtszug).
72 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
I.
35 
Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von §§ 125 Abs. 1 i.V.m. 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
II.
36 
Im Übrigen ist die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung auch sonst zulässig.
III.
37 
Die Berufung ist im Übrigen auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der angefochtene Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 sind auch in der Gestalt, die sie durch die Teilverzichtserklärung der Beigeladenen gefunden haben, rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bauvorbescheid verstößt gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen zu dienen bestimmt sind. Das Bauvorhaben hält die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderlichen Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 nicht ein (1.) und verstößt gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (2.). Ob der Bauvorbescheid auch im Übrigen Rechte der Klägerinnen verletzt, kann folglich dahinstehen.
38 
1. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt, soweit er die Vereinbarkeit des Vorhabens mit §§ 5, 6 LBO feststellt (Nr. 3), zu Lasten der Klägerinnen gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO. Danach müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen Anlagen freizuhalten sind und die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen. Dieser Bestimmung widerspricht der angefochtene Bauvorbescheid insoweit, als das Gebäude unmittelbar an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu den Grundstücken der Klägerin zu 1, d.h. ohne Einhaltung von Abstandsflächen, errichtet werden soll.
39 
a) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sind die Voraussetzungen für eine Grenzbebauung ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 LBO nicht gegeben.
40 
Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss (Nr. 1) oder an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (Nr. 2.). Beides trifft hier nicht zu.
41 
aa) Nach planungsrechtlichen Vorschriften ist die geplante Grenzbebauung nicht zwingend geboten, aber i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig.
42 
Da für das Baugrundstück und seine nähere Umgebung keine die Bauweise betreffenden Festsetzungen eines Bebauungsplans bestehen - der Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 enthält lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung - und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles geplant ist, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Grenzbebauung nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
43 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss ein Gebäude dann an die Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung durch eine geschlossene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 3 BauNVO oder eine abweichende, d.h. halboffene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 4 BauNVO geprägt wird, die zu einer Grenzbebauung zwingt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.1998 - 5 S 3202/96 - BRS 60 Nr. 86, juris Rn. 24). Ist in einem unbeplanten Gebiet teils offene bzw. halboffene und teils geschlossene Bauweise vorzufinden, besteht kein Zwang zu einer Grenzbebauung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - ZfBR 1994, 192, juris Rn. 4).
44 
Danach verlangt die in der näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung nicht zwingend die Errichtung der geplanten Grenzbebauung, sie lässt eine solche jedoch zu.
45 
Maßstabsbildend für das Einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr BVerwG, u.a. Urteile vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369, 380, und vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - NVwZ 2014, 370).
46 
Nach den Darstellungen des im verwaltungsgerichtlichen Urteil abgebildeten Lageplanausschnitts, deren Richtigkeit sich nach dem vom Senat eingenommen Augenschein bestätigt hat, wird die hinsichtlich der Bauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung durch das Straßengeviert... Straße, ... Gasse, ..., ... Straße und ... Straße gebildet. Die Hauptgebäude sind hier fast durchgängig entlang der jeweiligen Straßenbegrenzungslinien und in geschlossener Bauweise im Sinne einer Blockrandbebauung errichtet. Dagegen befinden sich hinter den jeweiligen Hauptgebäuden im Innern des Straßengevierts auf den Grundstücken teilweise unbebaute Freiflächen, wie etwa auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 30, 29/1 und 28, als auch Gebäude, die zu den Nachbargrundstücken in geschlossener Bauweise, wie das Grundstück Flst.Nr. 30/2, oder auch in halboffener Bauweise errichtet sind. Das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 33/1 ist nur einseitig grenzständig an das Gebäude ...-Straße 11a der Klägerin zu 1 angebaut. Auch das der Beigeladenen gehörende Gebäude ... Straße 7 ist selbst lediglich im vorderen Grundstücksbereich zur ... Straße hin in geschlossener Bauweise errichtet. Im hinteren Bereich, d.h. dort, wo der 1973 genehmigte Anbau errichtet wurde, setzt sich die Grenzbebauung nur zum Grundstück Flst.Nr. 27/2 fort, dagegen werden gegenüber dem westlich anschließenden Grundstück Flst.Nr. 20 teilweise Abstandsflächen eingehalten. Im Inneren des Straßengevierts ist danach weder eine einheitliche geschlossene noch eine einheitliche halboffene Bauweise vorzufinden. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen auch auf Grundstücken bzw. Grundstücksbereichen im Inneren des Straßengevierts errichtet werden soll, sind die beschriebenen unterschiedlichen Bauweisen insgesamt Maßstab für eine Grenzbebauung. Folglich besteht für das streitige Vorhaben kein Zwang zur Errichtung an der Grenze. Vielmehr darf i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend ausgegangen.
47 
bb) Der Zulässigkeit des Vorhabens ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO steht jedoch entgegen, dass nicht i. S. dieser Vorschrift öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
48 
aaa) Nachbargrundstück i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sind hier die beiden Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1. Die Landesbauordnung verwendet zwar den Begriff des Grundstücks regelmäßig im Sinne von Buchgrundstück (vgl. § 4 Abs. 1 LBO), so dass danach die Grenzbebauung jeweils zu den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 isoliert zu betrachten wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 2 LBO zeigt jedoch, dass der Buchgrundstücksbegriff nicht ausnahmslos gilt. Vielmehr kann ein Nachbargrundstück im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO auch ein aus mehreren Buchgrundstücken bestehendes benachbartes Baugrundstück sein (vgl. Beschluss des Senats vom 06.06.2008 - 8 S 18/07 - VBlBW 2008, 483, juris Rn. 37). Danach sind die beiden Buchgrundstücke der Klägerin zu 1 als ein Nachbargrundstück anzusehen. Denn beide Grundstücke sind vor wenigen Jahren durch Teilung aus dem Buchgrundstück Flst.Nr. 30 hervorgegangen und die Freifläche zwischen den Gebäuden auf beiden Grundstücken wird als ein gemeinsamer Garten genutzt.
49 
bbb) Es ist nicht i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
50 
(1) Das Tatbestandsmerkmal der öffentlich-rechtlichen Sicherung im Sinne dieser Vorschrift ist in der Regel nur erfüllt, wenn zulasten der von der Grenzbebauung betroffenen Grundstücke eine entsprechende Baulast nach § 71 LBO übernommen wird.
51 
Eine solche Baulast hat die Klägerin zu 1 unstreitig nicht übernommen.
52 
(2) Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist darüber hinaus ausnahmsweise auch dann gewährleistet, wenn auf dem Nachbargrundstück bereits ein Gebäude, von dessen Fortbestand ausgegangen werden kann, an der Grenze vorhanden ist, an das angebaut werden soll, und der geplante Grenzbau noch in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude steht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris; Beschlüsse vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221, vom 10.03.1999 - 3 S 332/99 - juris und vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris; Busch in: Das Neue Baurecht in Baden-Württemberg, Stand November 2014, § 5 Rn. 39). Denn in einem solchem Fall würde es sich bei der Forderung nach Eintragung einer Baulast um eine bloße Förmelei handeln. Die Wirkungen eines bereits vorhandenen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück auf dessen Schutzwürdigkeit nach § 5 LBO können jedoch nicht weiter reichen, als die einer entsprechenden Baulast. Eine auf dem Nachbargrundstück vorhandene Grenzbebauung kann die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung daher nur in ihrem Umfeld ersetzen. Das an der Grenze geplante Bauvorhaben und das auf dem Nachbargrundstück bereits errichtete Grenzgebäude müssen zueinander in einer gewissen Beziehung stehen und beide Gebäude müssen sich in einem Maße überdecken, dass als Ergebnis einer beiderseitigen Grenzbebauung noch der Eindruck einer geschlossenen Bauweise vermittelt wird; nicht ausreichend ist, dass irgendwo an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein Grenzbau errichtet ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - NVwZ-RR 2015, 288). Eine andere Auslegung ist mit dem Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO nicht vereinbar, auch wenn die Entstehungsgeschichte der Norm dies nahelegen mag.
53 
Zweck dieser Vorschrift ist es, den Regelungen des Bauplanungsrechts, die gegebenenfalls eine Bebauung ohne Abstand der Gebäude voneinander vorsehen, auch im Bauordnungsrecht Geltung zu verschaffen (vgl. Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stand: März 2010, Band 1, § 5 Rn. 9 und 35 ). Durch diese Regelung soll eine nur einseitige Grenzbebauung verhindert werden, die sich ergeben könnte, wenn das Bauplanungsrecht ein Bauvorhaben an der Grenze gestattet, ohne zugleich zwingend für das Nachbargrundstück eine entsprechende Bebauung vorzuschreiben (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 3).
54 
Die genannten Voraussetzungen für die ausnahmsweise anzunehmende öffentlich-rechtliche Sicherung durch einen vorhandenen Grenzbau galten nach der Rechtsprechung der mit Bausachen befassten Senate bereits zu der Vorgängerregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. (vgl. z.B. Beschluss vom 15.09.1993 - 3 S 1670/93 - juris Rn. 5). Allein die Ersetzung des Wortes „angebaut“ durch „an die Grenze gebaut“ in der seit dem 01.01.1996 geltenden Neuregelung führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Beigeladenen nicht dazu, dass nunmehr auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Beziehung zwischen dem vorhandenen und dem geplanten Grenzbau verzichtet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 11/5337 S. 80) war mit der Neuregelung zwar die Vorstellung verbunden, es müsse nunmehr dem „Zweitbauenden“ grundsätzlich möglich sein, ohne Anknüpfung an die bestehende Bebauung die planungsrechtlich zulässige Bebauungstiefe auszuschöpfen. Diese Vorstellung hat jedoch in Wortlaut und Systematik des Gesetzes keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris Rn. 23; VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 8). Zudem dient die Einhaltung von Abstandsflächen gerade der Sicherstellung der ausreichenden Belüftung und Beleuchtung der Gebäude und der unbebauten Grundstücksteile (vgl. Sauter a.a.O., § 5 Rn. 3). Hierauf wird in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO verzichtet, weil der Landesgesetzgeber auch hier dem Planungsrecht den Vorrang einräumt, obwohl er dazu in Gebieten, in denen planungsrechtliche Vorschriften nicht zwingend eine geschlossene Bauweise verlangen, nicht verpflichtet wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - juris Rn. 4). Ein solcher Verzicht begründet indes - wegen der ähnlichen Interessenlage wie bei einer Doppelhausbebauung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355, 359) -ein gegenseitiges nachbarschaftliches Austauschverhältnis, das eine Grenzbebauung verlangt, aufgrund derer die Gebäude noch in einer gewissen Beziehung zueinander stehen und sich in relevanter Weise überdecken.
55 
Danach vermag die bereits vorhandene Grenzbebauung auf den Nachbargrundstücken der Klägerin zu 1 die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung für die Errichtung des Bauvorhabens der Beigeladenen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze nicht ersetzen. Das geplante Bauvorhaben steht zu der vorhandenen Grenzbebauung nicht mehr in einer gewissen Beziehung und die Gebäude überdecken sich nicht in einem Maße, dass noch der Eindruck der geschlossenen Bauweise vermittelt wird. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung und die vorhandene Grenzbebauung in Höhe und Tiefe der Baukörper weitestgehend deckungsgleich sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 - juris Rn. 11). Ab welcher Abweichung der Eindruck der geschlossenen Bauweise nicht mehr besteht, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls. So hat der 5. Senat des erkennenden Gerichtshof im Beschluss vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - juris Rn. 5, auf den spätere Entscheidungen (vgl. Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - juris Rn. 6) Bezug nehmen, eine Abweichung von zwei Metern in der Tiefe und zwei bis drei Metern in der Höhe für zulässig erachtet. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen verlangt danach auch der 5. Senat gerade eine weitgehende Deckungsgleichheit. Die genannten Maße überschreitet der vorgesehene Grenzbau deutlich. Die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30 ist ca. 25 m lang, die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30/2 beträgt ca. 13,5 m. Demgegenüber soll das Bauvorhaben entlang der gesamten Grundstücksgrenze beider Buchgrundstücke über eine Länge von ca. 70 m an der Grenze errichtet werden. Der Eindruck einer geschlossenen Bauweise wird so nicht mehr vermittelt. Auf den Einwand der Beigeladenen, wonach auch die Klägerin zu 1 bei einer künftigen Bebauung der Grundstücke von der geplanten Grenzbebauung profitieren könnte, kommt es in dem Zusammenhang nicht an. Gleiches gilt für den Hinweis der Beigeladenen, wonach die Klägerin zu 1 ihre Grundstücke überhaupt nur mit Grenzbauten bebauen könne, da wegen der Größe der Grundstücke Abstandsflächen nicht eingehalten werden könnten. Im Übrigen ist die Klägerin zu 1 etwa nach einem Untergang eines Gebäudes nicht gezwungen, überhaupt wieder ein Gebäude zu errichten. Weiter ist denkbar, dass sie bislang unbebaute Nachbargrundstücke erwirbt und so Abstandsflächen bei einer künftigen Bebauung eingehalten werden können.
56 
b) Auch die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche in einem Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO scheidet aus.
57 
Der Anspruch des Bauherrn auf Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ist vom Gericht im Rahmen der Nachbarklage zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, auch wenn eine Entscheidung der Baurechtsbehörde hierüber nicht vorliegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris Rn. 24). Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht erfüllt. Ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 3 LBO scheidet offensichtlich aus und ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO liegt ebenfalls nicht vor.
58 
Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO ist eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs liegt eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vor, wenn die nachbarschützende Abstandsflächentiefe (vgl. § 5 Abs. 7 LBO) unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation auf dem Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante, tatsächliche oder rechtliche Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533 m.w.N.). Solche Besonderheiten sind vorliegend in Bezug auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 nicht gegeben. Diese Grundstücke sind insbesondere auch nicht aufgrund der an der Grenze zum Flst.Nr. 33/1 errichten Grenzmauer weniger schutzwürdig. Dies ergibt sich bereits aus den völlig untergeordneten Ausmaßen der Mauer, die mit ca. 1,50 m Höhe deutlich hinter der vorgesehen Grenzbebauung zurücktritt und auch nur wenige Meter lang ist.
59 
2. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt ferner, soweit er die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens feststellt (Nr. 1 und 2), gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Denn das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in Eigenart der näheren Umgebung ein und beeinträchtigt dadurch die Nutzung der Nachbargrundstücke der Klägerin zu 1 und demzufolge auch das an diesen Grundstücken bestehende Nießbrauchsrecht der Klägerin zu 2 rücksichtslos.
60 
a) § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verleiht dem Nachbarn einen Abwehranspruch, wenn die angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verletzt (st. Rspr. BVerwG, u.a. Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186). Nachbar im Sinne des Bodenrechts ist dabei nicht nur der jeweilige zivilrechtliche Eigentümer eines Grundstücks sondern auch - wie die Klägerin zu 2 - ein sonst in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich Berechtigter, zu denen auch der Nießbraucher zählt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus, der vorliegen kann, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 13.03.1981, a.a.O). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 m.w.N.). Das Gebot der Rücksichtnahme hebt insoweit auf die gegenseitige Verflechtung der baulichen Situation unmittelbar benachbarter Grundstücke ab und nimmt das nachbarliche Austauschverhältnis in den Blick (BVerwG, Urteile vom 16.09.2010 - 4 C 7/10 - NVwZ 2011, 436, und vom 05.12.2013 - 4 C 5/12 - BVerwGE 148, 290, 295).
61 
Nach diesen Grundsätzen ist das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich seines Maßes der baulichen Nutzung gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 rücksichtslos. Da der Bebauungsplan „Alstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 nur Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens im Übrigen, d.h. auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach § 34 Abs. 1 BauGB. Maßgebend für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt, wie die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.1994 - 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277, 279, 282; Beschluss vom 03.04.2014 - 4 B 12.14 -juris Rn. 3). In der maßgeblichen Umgebungsbebauung, die wiederum durch das bereits beschriebene Straßengeviert gekennzeichnet wird, ist kein Baukörper vorhanden, der hinsichtlich seiner flächenmäßigen Ausdehnung mit dem Bauvorhaben vergleichbar ist. Das bislang größte Einzelgebäude in der maßgeblichen Umgebung ist das Gebäude ... Straße 7. Dessen Grundfläche wird durch das Bauvorhaben hinsichtlich Bebauungstiefe, Breite und Kubatur deutlich überschritten.
62 
Auf die von der Beigeladenen bei der Einnahme des Augenscheins verwiesenen Gebäude ... Straße 6 und ... Straße 43, die in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung mit dem Bauvorhaben vergleichbar seien, kommt es dagegen nicht an. Diese Grundstücke liegen außerhalb der für die Beurteilung des Einfügens maßgeblichen Umgebungsbebauung. Der Rahmen für die maßgebliche Umgebungsbebauung wird durch das bereits an anderer Stelle beschriebene Straßengeviert begrenzt, in dem die genannten Grundstücke nicht liegen. Auf diese Bereiche wirkt sich die Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen weder aus, noch prägen oder beeinflussen diese Grundstücke ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung.
63 
Die danach vorliegende Rahmenüberschreitung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung lässt die gebotene Rücksichtnahme gerade in Bezug auf die unmittelbar benachbarte Bebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 vermissen. Das Gesamtvolumen und die Gliederung des Baukörpers führen zu einer rücksichtslosen optisch erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens insbesondere auf das Wohnhaus ... Straße 11a.
64 
Eine rücksichtslose erdrückende Wirkung nimmt die Rechtsprechung an, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354 und vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 - BauR 1986, 542; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.08.2005 - 10 A 3138/02 -, juris Rn. 50, Beschlüsse vom 13.01.2006 - 10 B 971/05 -, juris Rn 5, und vom 18.02.2014 - 7 B 1416/13 - juris Rn. 5; Bay. VGH, Beschluss vom 29.07.2014 - 9 CS 14.709 - juris Rn. 19). Eine erdrückende Wirkung liegt danach nicht schon dann vor, wenn die bisherigen Verhältnisse durch eine bauliche Verdichtung geändert werden. Vielmehr muss von dem Vorhaben aufgrund der Massivität und Lage eine qualifizierte handgreifliche Störung auf das Nachbargrundstück ausgehen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 19.03.2015 - 1 B 19/15 - juris Rn. 26).
65 
Gemessen hieran erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen gegenüber den benachbarten Anwesen der Klägerin zu 1 als rücksichtslos. Der Augenschein des Senats hat gezeigt, dass sich zwischen den Gebäuden ...-Straße 11 und 11a eine als Garten genutzte Freifläche der beiden Wohnhausgrundstücke befindet. In dem Bereich befindet sich auch auf den Nachbargrundstücken keine Bebauung. Bei einer Verwirklichung des Vorhabens entstünde gerade hier eine Grenzbebauung, die, trotz der Gliederung des Baukörpers mit zurückspringenden Obergeschossen, insgesamt den Eindruck einer geschlossenen massiven Riegelbebauung vermittelt, die den Grundstücken der Klägerin zu 1 gleichsam „die Luft zum Atmen nimmt“. War die bisherige Bebauung von einer fast deckungsgleichen Grenzbebauung auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2 und 30/2 geprägt, wird nunmehr entlang der gesamten Grundstückslängen ein in seinen Ausmaßen enorm kompakter Baukörper errichtet. Die Grenzbebauung zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a beträgt 22 m, die Höhe der Bebauung an der Grenze beträgt 4,6 bis 5,1 Meter. Gegenüber dieser Grenzbebauung tritt die vorhandene Grenzmauer in ihren Ausmaßen von nur 1,5 m deutlich zurück. Hinzu kommt die Höhendisparität zwischen dem rückwärtigen Querbau und dem Wohnhaus ... Straße 11a. Schließlich führt die Grenzbebauung auch zu einer massiven Verschattung des bisher als Garten genutzten Freiraumes zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a, die den Klägerinnen nicht zumutbar ist, zumal da die Grenzbebauung nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig ist.
66 
Die Klägerinnen sind hinsichtlich der grenzständigen Bebauung an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen auch schutzbedürftig, da sie angesichts der in dem maßgeblichen Grundstücksbereich bislang prägend vorgegebenen Bauweise auch nicht damit rechnen mussten, dass entlang der gesamten Grundstücksgrenzen ein durchgängiges grenzständiges Gebäude errichtet wird.
67 
Zudem ermöglichen sowohl die vorgesehene 157,86 qm große Terrasse im zweiten Obergeschoss als auch die geplante 267,05 qm große Terrasse im dritten Obergeschoss im mittleren Bereich des Gebäudes Einblicke auf die Grundstücke der Klägerin zu 1, die das Maß dessen deutlich übersteigen, was Grundstückseigentümern auch im bebauten innerörtlichen Bereich regelmäßig zugemutet werden kann (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2014 - 7 B 1037/14 - juris Rn. 10 m.w.N.).
IV.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, 162 Abs. 3, 161 Abs. 2 VwGO. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerinnen war notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
69 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
70 
Beschluss
71 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG auf15.000,- EUR festgesetzt (entsprechend der Streitwertfestsetzung im ersten Rechtszug).
72 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2004 - 16 K 1272/04 - mit Ausnahme der Streitwertentscheidung geändert. Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sind begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wird die Antragstellerin durch die Neuordnung der Stellplätze voraussichtlich nicht in eigenen Rechten verletzt, so dass das Vollziehungsinteresse der Beigeladenen ihr gegenläufiges Aussetzungsinteresse überwiegt.
1. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung maßgeblich auf eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 37 Abs. 7 S. 2 LBO gestützt. Es hat dazu ausgeführt: Zwar sei grundsätzlich davon auszugehen, dass Stellplätze, deren Zahl dem durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf entspreche, keine unzumutbaren Störungen für die Nachbarschaft hervorriefen. Hier sei jedoch eine atypische Situation gegeben. Die Stellplätze würden an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin in geringem Abstand zum dortigen Wohngebäude konzentriert. Eine Atypik ergebe sich vor allem auch daraus, dass die Stellplätze auf einer Bauverbotsfläche (Baustaffelplan von 1935) errichtet würden. Zwar spreche vieles dafür, dass diese Festsetzung nicht nachbarschützend sei. Gleichwohl sei bei der gebotenen Abwägung zugunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass solche Bauverbotsflächen allgemein dazu dienten, eine rückwärtige Ruhe- und Erholungszone zwischen parallelen Straßen- und Häuserzeilen zu erhalten. Die Beigeladene könne sich auch nicht darauf berufen, dass an der fraglichen Stelle bereits Stellplätze zugelassen worden seien und diese lediglich neu geordnet würden. Mit der Beseitigung der bisher zugelassenen Stellplätze sei der baurechtliche Bestandsschutz erloschen; die neuen Stellplätze seien jedoch unvereinbar mit der Festsetzung der Bauverbotsfläche. Diese Annahmen sind aus den von den Beschwerdeführern (Beigeladene und Antragsgegnerin) hinreichend dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) aller Voraussicht nach unrichtig.
Das gilt zunächst hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Die Stellplätze konzentrieren sich nicht vor dem Grundstück W-straße der Antragstellerin (Grundstück G1). Unmittelbar gegenüber der Grundstücksgrenze befinden sich vielmehr nur vier Stellplätze. Fünf weitere Stellplätze befinden sich in erheblicher Entfernung vom Grundstück der Antragstellerin, drei weitere unmittelbar gegenüber dem Nachbargrundstück G2. Ausweislich des maßgeblichen Lageplans besteht auch nicht nur ein geringer Abstand zum Wohngebäude, vielmehr beträgt dieser immerhin zwischen 6,5 und 7,5 m. Auf die Nutzung des Dachs ihrer Grenzgarage als Terrasse kann sich die Antragstellerin nicht berufen, weil diese Nutzung unstreitig baurechtlich nicht genehmigt wurde. Selbst wenn sich auf gleicher Ebene wie die Stellplätze eine Wohnung befinden sollte, dürfte sich hieraus keine Atypik ergeben. Abgesehen von deren erheblicher Entfernung zu den Stellplätzen weist das Gebäude oberhalb der Kante der Grenzmauer in Richtung der Stellplätze nämlich nur kleine Fenster im Eckerker auf. Es kommt hinzu, dass die Stellplätze gut von vorne angefahren werden können, so dass nicht mit umfangreichen Rangiervorgängen zu rechnen ist.
Eine atypische, unzumutbare Belastung der Antragstellerin kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Stellplätze im Bereich einer Bauverbotszone neu errichtet werden sollen. Dies folgt schon daraus, dass das Bauverbot hier offensichtlich auf Dauer die Fähigkeit zur Steuerung der städtebaulichen Entwicklung verloren hat und daher funktionslos geworden ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 29.4.1977 - IV C 39.75 - , BVerwGE 54, 5; Beschl. vom 9.10.2003 - 4 B 85.03 - , BauR 2004, 1128). Zum einen wurden auf den dem Baugrundstück gegenüberliegenden Grundstücken an der W-straße im rückwärtigen Bereich innerhalb der Bauverbotszone Garagen errichtet, unter anderem auch auf dem Grundstück der Antragstellerin. Insbesondere war der Beigeladenen bzw. ihrem Rechtsvorgänger mit bestandskräftiger baurechtlicher Verfügung vom 30.12.1963 aufgegeben worden, zusätzlich zu den an der Rückseite ihres Gebäudes bereits errichteten Garagen „im rückwärtigen Teil des Anwesens“ sechs weitere „Einstellplätze“ für Kraftfahrzeuge zu schaffen, um die Parkraumnot zu lindern und die öffentlichen Verkehrsflächen für den fließenden Verkehr zu entlasten. Dementsprechend waren bereits bislang in der Nähe der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin fünf zugelassene Stellplätze vorhanden. Angesichts dieser abweichenden tatsächlichen Entwicklung ist das Bauverbot jedenfalls hinsichtlich der Errichtung von Stellplätzen und Garagen obsolet geworden. Dementsprechend fallen auch die bereits vor dem jetzigen Vorhaben an der gemeinsamen Grenze vorhanden gewesenen Stellplätze zu Lasten der Antragstellerin als Vorbelastung ins Gewicht. Deren Situation hat sich folglich durch die Neuordnung allenfalls dadurch geringfügig verschlechtert, dass die Stellplätze etwas näher an die Grenze heranrücken. Darin könnte im Übrigen selbst dann keine unzumutbare Belastung der Antragstellerin gesehen werden, wenn die nunmehr genehmigten Stellplätze nicht alle bedarfsnotwendig sein sollten, wie diese - allerdings unsubstanziiert - behauptet.
2. Die angegriffene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen als den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
a) Die bislang vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung geht überwiegend davon aus, dass die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO das Beschwerdegericht nicht daran hindert, zugunsten des in erster Instanz obsiegenden Beschwerdegegners zu prüfen, ob die fehlerhaft begründete Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.3.2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390; OVG Berlin, Beschl. v. 12.4.2002 - 8 S 41.02 -, NVwZ 2002, Beilage Nr. I 9, 98; Hess.VGH, Beschl. v. 23.10.2002 - 9 TG 271.2/02 -, NVwZ-RR 2003, 458 und Beschl. v. 27.1.2003 - 9 TG 6/03 -, DVBl. 2003, 1284; OVG Thüringen, Beschl. v. 11.2.2003 - 3 EO 387/02 -, EzAR 040 Nr. 6; BayVGH, Beschl. v. 21.5.2003 - 1 CS 03.60 -, NVwZ 2004, 251; anderer Auffassung Hess.VGH, Beschl. v. 5.7.2002 - 12 TG 959/02 -, EzAR 037 Nr. 7). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an; die darin vertretene einschränkende Auslegung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist verfassungsrechtlich geboten.
Der Gesetzgeber kann im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und -konzentration das rechtliche Gehör durch Präklusionsvorschriften begrenzen. Er muss dann jedoch durch entsprechende Regelungen Sorge dafür tragen, dass der betroffene Beteiligte vor dem Eintritt der Präklusion ausreichend Gelegenheit zur Äußerung hatte (vgl. BVerfGE 69, 145, 149; st. Rspr.). In diesem Sinne beschränkt § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die gerichtliche Sachprüfung auf die Gründe, welche der Beschwerdeführer innerhalb der in § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO genannten Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung nach Maßgabe der formalen Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gegen deren Richtigkeit vorgebracht hat. Hinsichtlich des in erster Instanz obsiegenden Beschwerdegegners enthält das Gesetz keine Regelungen darüber, dass und in welcher Form und Frist darzulegen ist, aus welchen Gründen die erstinstanzliche Entscheidung jedenfalls im Ergebnis richtig sein könnte. Es kann dahinstehen, ob eine solche „positive“, auf die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zielende umfassende Darlegungslast nicht schon im Grundsatz unzumutbare Anforderungen an den Beschwerdegegner stellte. Jedenfalls kann die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO insoweit nicht an gesetzliche Regelungen anknüpfen, welche gewährleisten, dass der Beschwerdegegner - ebenso wie der Beschwerdeführer - vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts ausreichend Gelegenheit erhält, zur Sach- und Rechtslage vorzutragen und die ihn begünstigende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu verteidigen. Somit ist die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO dahin auszulegen, dass sich die Beschränkung der gerichtlichen Sachprüfung nur auf die vom Beschwerdeführer darzulegenden Gründe gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bezieht, aber nicht die tatsächlichen und rechtlichen Gründe erfasst, die für deren Richtigkeit (im Ergebnis) sprechen. Insoweit gilt der in § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO normierte Untersuchungsgrundsatz in den Grenzen, die für ein Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehen. Das Beschwerdegericht hat daher stets zu prüfen, ob eine nach den Darlegungen des Beschwerdeführers fehlerhaft begründete Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis gleichwohl richtig ist. Einer Analogie zu § 144 Abs. 4 VwGO bedarf es hierzu nicht (so aber BayVGH, a.a.O.). Der Frage, ob das - zur Sachprüfung an sich berufene - Beschwerdegericht die Sache in analoger Anwendung des § 130 Abs. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zur Klärung offen gelassener oder nicht beachteter Aspekte zurück verweisen soll, kommt in diesem Zusammenhang nur prozessökonomische Bedeutung zu. Sie stellt sich vorliegend ohnehin nicht, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nicht gegeben sind; das erstinstanzliche Verfahren leidet nicht an einem wesentlichen Verfahrensmangel und das Verwaltungsgericht hat auch eine Sachentscheidung getroffen (vgl. für den Fall fehlender Sachentscheidung VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.12.2002 - 11 S 1442/02 -, VBlBW 2003, 239).
b) Die danach gebotene summarische Prüfung ergibt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht aus anderen, von diesem nicht herangezogenen Gründen - im Ergebnis - bestätigt werden kann.
Soweit das Verwaltungsgericht die Frage offen gelassen hat, ob das Bauverbot zugunsten der Antragstellerin nachbarschützende Wirkung entfaltet, folgt dies bereits aus den obigen Darlegungen, wonach diese Festsetzung durch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung obsolet geworden ist. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium Stuttgart im Widerspruchsbescheid vom 24.2.2004 eine nachbarschützende Wirkung des Bauverbots unterstellt und gem. § 31 Abs. 2 BauGB Befreiung erteilt. Die Ausübung des in § 31 Abs. 2 BauGB eröffneten Ermessens ist fehlerfrei und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Die Annahme der Widerspruchsbehörde, die städtebauliche Gesamtsituation habe sich durch das Vorhaben nur unwesentlich verändert und beeinträchtige die Nachbarn daher nicht unzumutbar, ist nicht zu beanstanden. Zur Begründung kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
10 
Das Verwaltungsgericht hat auch die - nunmehr entscheidungserhebliche - Frage offen gelassen, ob die Nutzung der bereits angelegten Stellplätze deshalb auszusetzen ist, weil dadurch die Standsicherheit der Grenzmauer beeinträchtigt werden und eine konkrete Gefahrenlage im Sinne des § 3 Abs. 1 LBO entstehen könnte. Der von der Beigeladenen herangezogene Gutachter ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Nutzung der neu angelegten Stellplätze sich nicht auf die Standsicherheit der Mauer auswirkt (Gutachten vom 13.8.2002 und vom 5.3.2003, Bl. 28 und 50 der Bauakte). Er hat sich hierbei auf einen Vergleich der auf die Mauer wirkenden Lasten vor Durchführung des Vorhabens und nach Herstellung der Stellplätze beschränkt, weil die Standsicherheit der bereits vorhandenen Mauer mangels Angaben über die Mauergeometrie und den Bodenaufbau nicht nachberechnet werden könne. Mit dem Vorhaben sei eine geringfügige Steigerung der Belastung der Stützmauer um 5.3 % verbunden, die als solche für die Standsicherheit „völlig belanglos“ sei. Diese Einschätzung wurde vom zuständigen Prüfingenieur des Prüfungsamtes für Baustatik geteilt; er hat deshalb die vom Gutachter der Beigeladenen in der weiteren Stellungnahme vom 5.3.2003 vorgeschlagene Maßnahme zur Verringerung der Belastung als nicht notwendig erachtet (vgl. „Grünvermerk“ des Prüfstatikers auf dem Gutachten v. 5.3.2003, Bl. 50 der Bauakte). Die von der Antragstellerin im Widerspruchsverfahren vorgelegte Stellungnahme des Dipl.-Ing. Mütze vom 29.9.2003 stellt diese Wertung nicht in Frage. Sie äußert sich im Wesentlichen nur zur Einschätzung der Situation vor Durchführung des Bauvorhabens und zu Berechnungsmethoden, enthält aber nicht die Aussage, dass die Standsicherheit der Mauer gerade durch das Vorhaben gefährdet wird. Sie besagt auch nicht, ob und auf welche Weise die Standsicherheit der bereits vorhandenen Mauer nachberechnet werden könnte. Im Übrigen dürfte die Behauptung der Antragstellerin inzwischen auch dadurch widerlegt sein, dass an der Grenzmauer Baumaßnahmen zur Anlegung der neuen Stellplätze durchgeführt und diese seit mehreren Monaten genutzt werden, ohne dass der Eintritt von Schäden geltend gemacht worden wäre.
11 
Schließlich bleibt auch der - vom Verwaltungsgericht nicht erörterte - Einwand der Antragstellerin ohne Erfolg, es bestehe eine „extreme Gefahr“, dass Fahrzeuge auf ihr Grundstück fielen, weil die neu angelegten Stellplätze sich unmittelbar an der Stützmauer befänden und nicht gesichert seien. Ausweislich des maßgeblichen Lageplans ist der nächstgelegene Stellplatz mindestens 1 m entfernt, die anderen Stellplätze deutlich weiter. Soweit sie darauf hinweist, dass dort auch Lastkraftwagen und andere schwere Transportfahrzeuge abgestellt werden, ist anzumerken, dass die angefochtene Baugenehmigung lediglich Pkw-Stellplätze betrifft. Im Übrigen ist nach den von der Antragstellerin selbst vorgelegten Lichtbildern an der Grundstücksgrenze ein mehr als 1 m hoher Zaun angebracht worden.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG n.F. (vgl. § 72 Nr. 1 GKG n.F.).
13 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 S. 3 GKG n.F.).

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2007 - 2 K 3669/07 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 14. Mai 2007 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die fristgerecht eingelegte und begründete sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.7.2007 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Anders als das Verwaltungsgericht misst der Senat bei der vorliegend gebotenen Interessenabwägung dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 14.5.2007 zwecks Verhinderung vollendeter Tatsachen Vorrang bei vor dem Interesse der Beigeladenen und der Antragsgegnerin, von der Baugenehmigung - dem gesetzlichen Regelfall entsprechend - sofortigen Gebrauch machen zu dürfen (vgl. §§ 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212 a BauGB). Die Baugenehmigung gestattet die Errichtung eines Neubaus mit 15 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit - bestehend aus einem langgestreckten Gebäude an der ... ... (Haus 1) und einem rechtwinklig angebauten Gebäude an der ... (Haus 2) sowie einer Tiefgarage mit Zufahrt für 19 Stellplätze. Nach derzeitigem - unvollständigem - Erkenntnisstand erscheint es durchaus denkbar, dass dieses Vorhaben gegen Vorschriften des Planungsrechts (Gebot der Rücksichtnahme) und des Bauordnungsrechts (§ 37 Abs. 7 LBO) verstößt, die (auch) dem Schutz der Antragsteller dienen, die Eigentümer eines westlich an das Baugrundstück an der... angrenzenden Wohngrundstücks sind. Diesbezügliche Einwendungen haben die Antragsteller im Baugenehmigungsverfahren auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 55 Abs. 2 S. 1 LBO erhoben.
I.
Bauplanungsrechtlich überschreitet das genehmigte Vorhaben in mehrfacher Hinsicht erheblich die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ vom 17.11.1987 zum Maß der baulichen Nutzung. Überschritten wird zunächst die Zahl der zulässigen Vollgeschosse. Der Bebauungsplan lässt höchstens (zwingend) zwei Vollgeschosse zu, während das Gebäude an der ... ... (Haus 1) dreigeschossig (mit Keller- und Dachgeschoss) ausgeführt ist und das - insofern wohl eigenständig zu beurteilende - Gebäude an der ... (Haus 2) wohl vier Vollgeschosse (zuzüglich eines Dachgeschosses mit weiteren Wohnungen) aufweist, da das „Untergeschoss“ mit der Gewerbeeinheit auf Grund der Topographie wohl die Voraussetzungen eines Vollgeschosses nach § 18 BauNVO 1977 i.V.m. § 1 Abs. 5 LBO 1983 erfüllen dürfte (vgl. dazu die Pläne „Ansicht Nord“ und „Schnitt B-B“; zur statischen Verweisung auf die LBO beim Vollgeschossbegriffs der BauNVO vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.1.1999 - 8 S 19/99 -, VBlBW 1999, 268). Von vier Vollgeschossen in diesem Bereich geht auch die Antragsgegnerin selbst aus (vgl. die baurechtliche Beurteilung der Verwaltung in der Vorlage für den Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats vom 1.12.2006, Bl. 22 d.A.). Massiv überschritten wird ferner die nach dem Bebauungsplan zulässige Geschossfläche. Während der Bebauungsplan (auf der Grundlage einer GFZ von höchstens 1,2) auf dem Baugrundstück nur 1.176 qm erlaubt, nimmt das genehmigte Gebäude auf Grund seiner Grundfläche und der erhöhten Geschosszahl schon nach den Berechnungen der Beigeladenen eine Geschossfläche von 1.118 qm in Anspruch. Dies entspricht einer Überschreitung der zulässigen Grenze von 55 %, wobei die wirkliche Geschossfläche und der Überschreitungsquotient noch höher liegen dürften, da die Antragsgegnerin bei ihrer Berechnung von insgesamt nur drei Vollgeschossen ausgegangen ist.
1. Der Senat hat angesichts dessen gewichtige Zweifel, ob die Befreiungen, welche die Antragsgegnerin ohne nähere Begründung „gemäß § 31 Abs. 2 BauGB“ in erster Linie zwecks Umsetzung eines kommunalpolitisch erwünschten städtebaulichen Wettbewerbsentwurfs erteilt hat, sich noch im Rahmen der Grundzüge der Planung des Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ vom 17.11.1987 halten - wobei es insofern auf die Vorstellungen des Plangebers beim Satzungsbeschluss ankommt (vgl. Urteil des Senats vom 13.6.2007 - 3 S 881/06 -, VBlBW 2007, 385) -, und ob sie ermessensfehlerfrei sind. Zwar können sich die Antragsteller auf eine derartige objektive Rechtswidrigkeit der Befreiungen nicht unmittelbar berufen, da die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, von denen befreit worden ist, mangels erkennbarer gegenteiliger Absicht des Plangebers wohl - wie regelmäßig - allgemeinen städtebaulichen Interessen und nicht gezielt auch dem Schutz der Gebietsanlieger dienen sollen (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5.11.1995 - 3 S 3096/94 -, BauR 1995, 512; zum fehlenden Nachbarschutz des § 31 Abs. 2 BauGB in solchen Fällen vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.7.1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206; ebenso Urteile vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, BauR 1987, 70 und vom 10.12.1982 - 4 C 49.79 -, DVBl. 1983, 348). § 31 Abs. 2 BauGB entfaltet drittschützende Wirkung aber mit dem Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen. Befreiungen verletzen den Nachbarn in seinen Rechten, sofern er handgreiflich betroffen ist und die Behörde seinen Interessen nicht die gebotene Beachtung schenkt. Dies ist nach Maßgabe der Kriterien des Gebots der Rücksichtnahme in seiner nachbarschützenden Ausprägung zu beurteilen. Ob sich ein Vorhaben danach rücksichtslos, d.h. unzumutbar auswirkt, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls - insbesondere der tatsächlichen und rechtlichen Vorbelastung der Grundstücke und des Gebiets, der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Bauherrn und des Nachbarn sowie der Art und Intensität aller in Betracht kommenden städtebaulich relevanten Nachteile zu beurteilen (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits Beschluss vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, Juris). Art und Ausmaß einer „rücksichtslosen“ Betroffenheit lassen sich demgemäß nicht statisch-absolut festlegen, sondern enthalten jeweils auch relativ-wertende Elemente. Bei dieser Bewertung kommt der objektiven Rechtmäßigkeit des betreffenden Vorhabens sowie seiner regel- oder nur ausnahmsweisen Zulässigkeit Bedeutung zu. So tritt Drittschutz des Rücksichtnahmegebots nur selten ein, wo eine Baugenehmigung im Einklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans steht; solcher Drittschutz kommt aber eher zum Zug, wo die Baugenehmigung - wie hier und zudem in rechtlich nicht unbedenklicher Weise - von nicht nachbarschützenden Festsetzungen im Wege einer Ausnahme oder Befreiung abweicht. Die Interessen des Nachbarn gewinnen dann auch nach der Rechtsprechung des Bundesveraltungsgerichts größeres Gewicht. Der Nachbar kann umso mehr an Rücksichtnahme verlangen, je empfindlicher seine Stellung durch die planabweichende Nutzung berührt wird und je schutzwürdiger er diesbezüglich ist. Umgekehrt braucht der Bauherr umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher, unabweisbarer und rechtlich schutzwürdiger seine Interessen sind. Daraus können sich für befreiungs- und nicht befreiungsbedürftige Vorhaben unterschiedliche Anforderungen an den Drittschutz ergeben (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409, und vom 6.10.1989 - 4 C 14.87 -, NJW 1990, 1192 = DVBl. 1990, 205). Handelt es sich um ein befreiungsbedürftiges und zudem möglicherweise nicht befreiungsfähiges Vorhaben, so kann die Schwelle rücksichtsloser Betroffenheit des Nachbarn schon bei Nachteilen von etwas geringerer Intensität erreicht sein als dann, wenn das beanstandete Vorhaben mit den Regelfestsetzungen des betreffenden Bebauungsplans übereinstimmt (vgl. Beschluss des Senats vom 16.2.1990 - 3 S 155/90 -, Juris).
2. Gemessen daran kommt zumindest nach derzeitigem Erkenntnisstand in Betracht, dass es die Antragsgegnerin bei der Erteilung der Baugenehmigung unter tiefgreifenden Befreiungen an der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Antragsteller hat fehlen lassen. Durch die genehmigte Erhöhung der Vollgeschosse von zwei auf drei bzw. vier Vollgeschossen nimmt die streitige Wohnanlage erheblich an Höhe zu. So erreicht das Gebäude an der ... (Haus 2) auf der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Westseite eine Traufhöhe von 13 bis 14 m und eine Giebelhöhe von 16 bis 17 m (vgl. die unterschiedlichen Höhen in den Plänen „Schnitt B-B“ und „Ansicht Nord“ sowie „Ansicht West“). Genaue Höhenangaben sind nicht möglich, da es an den gebotenen Vermaßungen in den Plänen fehlt. Bei plankonformer Bebauung mit nur zwei Vollgeschossen wäre die Gebäudehöhe um einige Meter geringer. Die Zulassung von drei bzw. vier Vollgeschossen (zuzüglich des Dachgeschosses) bei gleichzeitiger massiver Überschreitung der zulässigen Geschoßfläche führt ferner dazu, dass sich die Zahl der im Gesamtgebäude unterzubringenden Wohnungen (im 1. OG sind 7, im 2. OG sind 6 Wohneinheiten vorgesehen) und als Folge davon die Zahl der notwendigen Stellplätze und damit auch die Anzahl der Fahrbewegungen über die Tiefgarageneinfahrt deutlich erhöht.
Sowohl die befreiungsbedingte Gebäudeerhöhung und -massierung als auch die Zunahme der Fahrbewegungen wirken sich für die Antragsteller nachteilig aus. Nach ihrem Vorbringen und den Eintragungen im Bebauungsplan ist davon auszugehen, dass ihr Wohnhaus lediglich eingeschossig errichtet ist und daher zum ihnen viergeschossig gegenübertretenden „Haus 2“ eine erhebliche Höhendisparität besteht. Deutliche Unterschiede dürften auch in der Bebauungstiefe des klägerischen Wohnhauses und dem ihm gegenüberliegenden Vorhaben bestehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass wohl sämtliche Fenster des Wohnhauses der Antragsteller nach Osten (zum Vorhaben hin) ausgerichtet sind und dass das Wohnhaus nur wenig mehr als 1 m von der Grundstücksgrenze und der hieran unmittelbar anschließenden Tiefgaragenzufahrt entfernt liegt. Bei dieser Sachlage kommt jedenfalls nach gegenwärtigem Erkenntnisstand in Betracht, dass von dem Gebäude an der ... (Haus 2) eine optisch erdrückende Wirkung auf das Wohnhaus und das Grundstück der Antragsteller ausgeht und dass zum anderen die unmittelbar an der Grundstücksgrenze genehmigte Tiefgaragenzufahrt zu den 19 Stellplätzen im Untergeschoss zu einer als rücksichtslos einzustufenden Lärmbetroffenheit der Antragsteller führt. Zwar lässt sich - trotz Fehlens der erforderlichen Abstandsflächenberechnung - feststellen, dass das Haus 2 - bei einer Wandhöhe von mindestens 13 m und einem Grenzabstand von ca. 5 m - jedenfalls die nachbarschützende Abstandsflächentiefe im hier festgesetzten Besonderen Wohngebiet einhält (zur Bemessung vgl. § 5 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 und S. 3 LBO). Dies schließt eine unzumutbare Betroffenheit der Antragsteller wegen erdrückender Wirkung des Baukörpers des Vorhabens in dessen nicht aus. Zwar konkretisieren die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächentiefen grundsätzlich auch im Rahmen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots die Grenzen eines hinsichtlich Belichtung, Belüftung, Besonnung und Einsichtnahme gebotenen Mindestschutzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.1984 - 4 B 244.84 -, NVwZ 1985, 653; Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 -, NVwZ-RR 1997, 516; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.11.1993 - 3 S 2603/93 -, Juris). Dieser Grundsatz lässt je nach Lage im Einzelfall aber Ausnahmen selbst hinsichtlich dieser durch die Abstandsflächenbestimmungen geschützten nachbarlichen Belange zu. Er ist im Hinblick auf den vom Schutzbereich der §§ 5 ff. LBO nicht erfassten Belang der optisch erdrückenden Wirkung eines Vorhabens, der an planungsrechtliche Kriterien (Maß der baulichen Nutzung, Größe des Baukörpers) anknüpft, aber schon nicht anwendbar (so BVerwG, Urteil vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 -, NVwZ 1987, 34, 35).
3. Ob sich das Verdikt einer unzumutbar erdrückenden Wirkung des Vorhabens (vornehmlich Haus 2) für das Wohnhaus und Grundstück der Antragsteller bei einer abschließenden Prüfung aufrechterhalten lässt, muss im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Dies auch deswegen, weil eine umfassende Beurteilung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse derzeit schon nicht möglich ist. Dem steht entgegen, dass die genehmigten Pläne, worauf auch die Antragsteller zutreffend hinweisen, in mehrfacher Hinsicht unvollständig sind. So sind insbesondere weder die genauen Höhenmaße des Hauses 2 auf der Westseite angegeben, noch ist in den Plänen wohl die richtige Grundfläche des Wohnhauses der Antragsteller eingezeichnet. Völlig fehlen zudem Angaben zur Trauf- und zur Giebelhöhe des Wohnhauses der Antragsteller sowie Bauvorlagen, die den Blick sowohl auf Haus 2 als auch auf das Wohnhaus der Antragsteller zeigen und damit einen Vergleich der Gebäudehöhen und -dimensionen erst möglich machen. Derartige Darstellungen sind jedoch erforderlich und auch vorgeschrieben, um gesicherte Beurteilungsgrundlagen für die Rechtmäßigkeit (Nachbarverträglichkeit) des Vorhabens gewinnen zu können (zu den insofern notwendigen Bauvorlagen vgl. § 52 Abs. 1 LBO i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 2 Nr. 3 LBO-VVO). Auf das Fehlen dieser erforderlichen Angaben können die Antragsteller sich berufen. Denn Regelungen über die Anforderungen an Bauvorlagen entfalten nach der Rechtsprechung des Senats dann eine nachbarschützende Wirkung, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften nicht geprüft oder jedenfalls nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann (vgl. Beschluss vom 9.8.2005 - 3 S 1216/05 -, VBlBW 2005, 480; im Ergebnis ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.2.2007 - 5 S 2826/06 -, VBlBW 2007, 383). Die Antragsteller müssen sich entgegen dem Verwaltungsgericht für die Beurteilung ihrer aktuellen Betroffenheit auch nicht darauf verweisen lassen, dass sie nach dem Bebauungsplan ihr Grundstück auch stärker ausnutzen und zweigeschossig bebauen dürften. Den Antragstellern kann angesichts der besonderen Verhältnisse wohl auch nicht schutzmindernd entgegengehalten werden, dass ihr Wohnhaus in geringem Abstand zur Grenze errichtet ist. Denn ihr Wohnhaus war bereits bei Erlass des Bebauungsplans vorhanden und liegt wohl noch innerhalb des im Bebauungsplan grenznah festgesetzten Baufensters.
4. Nach Lage der Dinge hält der Senat auch einen Verstoß der Tiefgaragenzufahrt zu Lasten der Antragsteller gegen das Gebot der Rücksichtnahme für möglich, ohne dass auch insoweit eine abschließende Beurteilung getroffen werden kann. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu II. verwiesen.
II.
Bauordnungsrechtlich kommt ein Verstoß der genehmigten Tiefgaragenzufahrt zu 19 Stellplätzen gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 37 Abs. 7 LBO in Betracht. Danach sind Stellplätze einschließlich der Zufahrten so anzuordnen und einzurichten, dass u.a. das Wohnen und Arbeiten durch Lärm, Abgase und Gerüche nicht erheblich, d.h. unzumutbar gestört werden. Was erheblich ist, ist auch hier - spiegelbildlich zum und in Konkretisierung des Rücksichtnahmegebots - nach den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Einzelfalls (tatsächliche und rechtliche Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit, Intensität der Beeinträchtigung) zu entscheiden. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Nutzung von und die Zufahrt zu - wie hier - nach § 37 Abs. 1 LBO bedarfsnotwendigen Stellplätzen in Wohngebieten keine erheblichen, billigerweise nicht mehr zumutbaren Störungen hervorrufen (st.Rspr., vgl. Nachweise bei Sauter, LBO, § 37 Rdnr. 111). Auch dieser Grundsatz hat jedoch Ausnahmen. Eine solche Ausnahme ist vorliegend in Erwägung zu ziehen. Zunächst ist, wie dargelegt, zu berücksichtigen, dass die genehmigte Nutzungsfrequenz (Zu- und Abfahrten zu 19 Stellplätzen) zu einem erheblichen Teil Folge der durch die Befreiungen gestatteten höheren Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks ist. Ferner ist der die Antragsteller einseitig belastende Standort der Zufahrt in Rechnung zu stellen. Die Zufahrt soll unmittelbar an der Grenze und im Abstand von lediglich 1 bis 2 m vom Wohnhaus der Antragsteller entfernt angelegt werden, wobei wohl sämtliche Fenster sich in der Ostwand befinden und daher der Zufahrt zugewandt sind. Schließlich ist nach den Plänen auch der eigentliche Zufahrtsbereich bis zum Beginn der Rampe nach oben hin offen und gar nicht (so der Eindruck im Plan „Ansicht West“) bzw. allenfalls mit einer niedrigen Mauer nach Westen hin abgeschirmt (so wohl im Plan „Grundriss KG“). Eine nennenswerte Minderung der Zu- und Abfahrtsgeräusche im Einfahrtsbereich für das Wohnhaus der Antragsteller dürfte mit diesen Maßnahmen nicht verbunden sein. Endlich stellt sich die Frage, ob die beigeladene Bauherrin gerade auf den gewählten, einseitig die Antragsteller belastenden Einfahrtsstandort von der ... aus angewiesen ist, ob sich dieser Standort im öffentlichen Interesse aufdrängt oder ob - gegebenenfalls auch unter gewissen Einbußen an Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks - nachbarschonendere Planungsalternativen zur Verfügung stehen. Solche Alternativen vermag der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen. In Betracht käme zum einen die Anlegung einer Zufahrt über die ... .... Von dieser Straße aus werden ersichtlich auch die übrigen Anliegergrundstücke angefahren und es erscheint denkbar, dass die Zufahrt zu dem genehmigten Mehrfamilienhaus auch in einer mit der Verkehrssicherheit vereinbarenden Weise angelegt werden könnte. Diese Möglichkeit ist durch die bisher sehr vagen Gegenargumente der Antragsgegnerin nicht widerlegt. Als weitere Alternative wäre zumindest erwägenswert, ob die Zufahrt von Westen her über die im Zuge des Bebauungsplans „Oscar-Parett-Straße“ zur Erschließung des rückwärtigen Gebiets angelegten Straßen erfolgen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 3 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
10 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung ihres grenzständig errichteten Wohnhauses.

2

Der Kläger und die Beigeladenen sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Abgesehen von einer Baustufenordnung fehlen bauplanerische Festsetzungen. Auf dem Grundstück der Beigeladenen wurde 1967 grenzständig zum Grundstück des Klägers ein zweigeschossiges Wohnhaus mit traufständigem Satteldach (30°) und einer Wohnfläche von 127,93 qm errichtet; das Gebäude ist etwa 9 m tief und 9 m breit. Hinzu treten eine zum nordöstlich liegenden Nachbargrundstück grenzständige Garage sowie ein Wintergarten im hinteren Grundstücksteil. Das Grundstück des Klägers wurde 1983 grenzständig zum vorhandenen Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit traufständigem Satteldach (35°) bebaut. Dieses Gebäude verfügt über eine Wohnfläche von etwa 177 qm und trat sowohl zur Straßen- als auch zur Gartenseite um 1 m gegenüber dem Gebäude der Beigeladenen vor. Seine Firsthöhe liegt etwa 1,50 m höher als bei dem Gebäude der Beigeladenen.

3

Der angegriffene Bescheid der Beklagten genehmigt den Umbau und die Erweiterung des Gebäudes der Beigeladenen durch eine straßenseitige Erweiterung des Bestandsgebäudes mit einem zum Grundstück des Klägers hin grenzständigen, zweigeschossigen und 5 m tiefen Anbau, der gegenüber dem Gebäude des Klägers um 4 m hervortritt, mit einem Satteldach und einer Dachneigung von 30°. Die Giebelseite des Anbaus ist zur Straße ausgerichtet. Am Standort des früheren Wintergartens ist ein an die Garage angebauter Abstellraum mit einem gemeinsamen Satteldach vorgesehen.

4

Die gegen den Bescheid gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verstößt die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, insbesondere nicht gegen die Anforderungen der "Doppelhausrechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts. Die beiden Gebäude bildeten auch nach dem genehmigten Umbau ein Doppelhaus. Maßgeblich seien sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte. Im Interesse einer möglichst rechtssicheren Handhabung sei ein einheitlicher Baukörper unter den quantitativen Aspekten Geschossigkeit, Bautiefe und Gebäudehöhe der grenzständigen Gebäudeteile sowie des oberirdischen Brutto-Raumvolumens im Regelfall nicht mehr anzunehmen, wenn sich nur eines der genannten Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheide. Diesen Rahmen wahre das Bauvorhaben der Beigeladenen. Auch qualitative Gesichtspunkte sprächen nicht gegen ein Doppelhaus. Das Haupthaus der Beigeladenen und das Haus des Klägers wiesen identische Dachformen und Neigungen auf. Die Firste beider Gebäude seien parallel zur Straße ausgerichtet. Auch der Anbau trage ein Satteldach. Dessen abweichende Ausrichtung sei dem Orts- und Stadtbild geschuldet. Durch den Anbau schließe das Haus zur Bauflucht des nordöstlich gelegenen Nachbargebäudes auf. Die Gebäude des Klägers und der Beigeladenen würden so optisch in die übrige Bebauung integriert. Das Gebot der Rücksichtnahme werde ferner weder durch eine Verschattung des klägerischen Wohnzimmers verletzt noch wirke der genehmigte Bau erdrückend. Beeinträchtigungen durch Regenwasser und Schneebretter seien im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Abstandflächenrechtliche Vorschriften seien nicht verletzt.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Fortentwicklung der Grundsätze der Rechtsprechung zum planungsrechtlichen Begriff des Doppelhauses zugelassen. Von diesem Rechtsmittel hat der Kläger Gebrauch gemacht. Die Beklagte und die Beigeladenen verteidigen das Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Zurückverweisung an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist unter Anlegung bundesrechtswidriger Maßstäbe (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Baugenehmigung Rechte des Klägers nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

7

1. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts zum Außerkrafttreten der Baustufenordnung der Stadt D. und zum Prüfungsumfang eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 68 BauO NW beruhen auf der Auslegung irrevisiblen Landesrechts und unterliegen keiner revisionsgerichtlichen Prüfung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).

8

2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, das genehmigte Vorhaben sei weder wegen seines Schattenwurfs noch wegen einer erdrückenden Wirkung dem Kläger gegenüber rücksichtslos.

9

Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Dies ist der Fall, wenn das genehmigte Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in unmittelbarer Nähe vorhandene Bebauung fehlt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen geprüft und als Tatgericht verneint. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

10

3. Das Berufungsurteil verletzt demgegenüber Bundesrecht, soweit es einen Verstoß gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme "im Hinblick auf die auch im unbeplanten Innenbereich anwendbare Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts" verneint hat.

11

Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann vorliegen, wenn sich ein Vorhaben entgegen § 34 Abs. 1 BauGB nach den dort genannten Merkmalen nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Maßgebend für den Verstoß gegen Rechte eines Nachbarn ist insoweit, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 21 m.w.N.). Der Senat hat diese Aussagen für Doppelhäuser konkretisiert: Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen bilden, so fügt sich ein grenzständiges Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, das unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäude ein Doppelhaus zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber dem Eigentümer der bisher bestehenden Doppelhaushälfte grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Ls. 1). Diesen Rechtsgrundsatz legt das Oberverwaltungsgericht zugrunde, wenn es - stark verkürzend - auf die "Doppelhausrechtsprechung im unbeplanten Innenbereich" (UA S. 8 f.) verweist.

12

a) Das Oberverwaltungsgericht durfte ohne Verstoß gegen Bundesrecht bei der Auslegung des § 34 Abs. 1 BauGB die Vorschriften der Baunutzungsverordnung als Auslegungshilfe heranziehen. Sie definieren, was die Begriffe der offenen oder geschlossenen Bauweise meinen. Aus diesem Grund kann im unbeplanten Innenbereich auf den Begriff des Doppelhauses der Baunutzungsverordnung zurückgegriffen werden, um Vorhaben zu würdigen (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 12; Lemmel, in: FS Schlichter, 1995, S. 353 <355 f.>). Hieran hält der Senat fest. Der Revision ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber nicht an die Begriffe der Baunutzungsverordnung gebunden ist und § 34 BauGB in seinem Absatz 1 anders als in Absatz 2 auf die Baunutzungsverordnung nicht Bezug nimmt. Angesichts des Wortlauts des § 34 Abs. 1 BauGB liegt jedoch die Annahme fern, der Gesetzgeber habe den dort verwendeten Begriffen eine von den Begriffen der Baunutzungsverordnung abweichende Bedeutung zumessen wollen. Auch die Revision benennt hierfür keinen Anhaltspunkt.

13

b) Das Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche Rahmen der näheren Umgebung durch Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen i.S.v. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO gebildet wird oder ob eine Gemengelage verschiedener Bauweisen vorliegt. Bundesrechtlich war ihm diese Vorgehensweise nicht versperrt. Ob die nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebende Umgebung einer Bebauung in offener Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO entspricht oder mit Blick auf dieses Merkmal eine "Gemengelage" vorliegt, bedarf keiner Entscheidung, wenn das Gesamtgebäude auch nach Ausnutzung der Genehmigung ein Doppelhaus ist. Denn in beiden Fällen wäre der Bauweise nach ein Doppelhaus zulässig. Hiervon geht das Oberverwaltungsgericht zutreffend aus (UA S. 9). Es legt seiner tatrichterlichen Würdigung aber einen bundesrechtswidrigen Begriff des Doppelhauses zugrunde.

14

Das Oberverwaltungsgericht hat für das Vorliegen eines Doppelhauses quantitative und qualitative Aspekte betrachtet. Unter den quantitativen Aspekten der Geschossigkeit, der Bautiefe, der Gebäudehöhe und des oberirdischen Brutto-Raumvolumens könne ein Doppelhaus im Regelfall nicht mehr angenommen werden, wenn sich auch nur eines dieser Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheide (UA S. 10). Es müsse auch in qualitativer Hinsicht der Charakter eines Doppelhauses gewahrt bleiben. Diese Anforderungen versteht das Oberverwaltungsgericht nach den weiteren Ausführungen nicht als notwendige, sondern als hinreichende Bedingungen für das Vorliegen eines Doppelhauses, die getrennt voneinander zu prüfen sind. Wann das Fehlen eines Regelfalls zu einem anderen Ergebnis führen kann, bleibt offen. Dieses Begriffsverständnis ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

15

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, in welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <360>). Hieran hält der Senat fest. Auch für die weiteren vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen quantitativen Kriterien ist eine mathematisch-prozentuale Festlegung nicht möglich.

16

Der Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verlangt, dass das Doppelhaus ein Gebäude mit seitlichem Grenzabstand ist. Zwei selbständige Baukörper, die sich an der Grenze berühren, aber praktisch allseitig freistehend sind, bilden kein Doppelhaus (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <358 f.>). Der Begriff des Doppelhauses hat dabei vom Ziel der offenen Bauweise auszugehen. Leitbild ist ein Haus, das nach beiden Seiten mit Grenzabstand errichtet wird und so einen Vorgarten mit einem Hausgarten verbindet (Boeddinghaus, in: Boeddinghaus/Grigoleit, BauNVO, 6. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 17). Die grundsätzlich nach beiden Seiten geforderten Grenzabstände sollen dabei als die Bebauung gliedernde und auflockernde Elemente wahrgenommen werden (König, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 Rn. 17). Ein einseitig grenzständiger Bau fügt sich in dieses System nur ein, wenn das gegenseitige Abstandsgebot an der Grundstücksgrenze auf der Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden wird (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <359>).

17

Der vom Oberverwaltungsgericht gewählte mathematisch-prozentuale Ansatz trägt dem nicht Rechnung. Allerdings liegt es nahe, bei der Gebäudehöhe ein Verhältnis als Ausgangspunkt zu wählen, weil dieses nach außen besonders sichtbar wird. Eine gemeinsame Gebäudehöhe ist für das Maß der Übereinstimmung beider Gebäude deshalb von besonderer Bedeutung. Für eine feste oder indizielle Grenze von 50 % fehlt indes jeder Anhalt. Bei der Bautiefe liegt es anders: Ob ein Versprung durch unterschiedliche Bautiefen den Eindruck eines gemeinsamen Baukörpers aufhebt und das Grenzgrundstück abriegelt, hängt nur zum Teil davon ab, auf welcher Länge die Gebäude aneinander gebaut sind, namentlich, wenn die Länge der gemeinsamen Wand nicht sichtbar ist. Es sind regelmäßig weitere Kriterien in Betracht zu ziehen, etwa die Höhe der einseitig grenzständigen Wand sowie die Frage, ob der Versprung in voller Länge auf einer Gebäudeseite auftritt oder in jeweils geringerem Maße Vorder- und Rückseite belastet. Diese Einwände sprechen auch gegen einen mathematisch-prozentualen Maßstab beim oberirdischen Brutto-Raumvolumen, weil dieses durch Gebäudehöhe und Bautiefe maßgeblich mitbestimmt wird. Schließlich macht es für das Maß an hinnehmbarer Abweichung keinen Unterschied, ob die Gebäude ursprünglich übereinstimmend eingeschossig oder übereinstimmend zweigeschossig sind. Insoweit ist die Betrachtung eines Verhältnisses als Ausgangspunkt verfehlt.

18

Trotz des unzutreffenden rechtlichen Ansatzes verstößt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht gegen Bundesrecht, dass die quantitativen Kriterien jeweils für sich den Charakter eines Doppelhauses auch in der Gestalt der angegriffenen Genehmigung nicht aufheben. Dies liegt für die Kriterien der Geschossigkeit, der Gebäudehöhe und des oberirdischen Brutto-Raumvolumens auf der Hand. Hinsichtlich der Bautiefe gestatten die tatrichterlichen Feststellungen zum Schattenwurf und zur verneinten erdrückenden Wirkung den Schluss, dass der Charakter eines Doppelhauses insoweit noch gewahrt ist.

19

bb) Die tatrichterliche Würdigung der qualitativen Kriterien verstößt gegen Bundesrecht. Die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus hängt nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 Rn. 16). Es geht um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <361>), die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint. Es kommt also für die Frage, ob grenzständige Gebäude ein Doppelhaus bilden, auf die wechselseitige Verträglichkeit dieser Gebäude an (so für eine Hausgruppe auch BVerwG, Beschluss vom 19. März 2015 - 4 B 65.14 - juris Rn. 6). Diesen Blick hat sich das Oberverwaltungsgericht verstellt, als es für die Würdigung der unterschiedlichen Dachausrichtung nicht das Gebäude des Klägers in den Blick genommen, sondern jedenfalls auch für maßgeblich gehalten hat, dass der Anbau zur Bauflucht des Hauses auf dem zur anderen Seite benachbarten Grundstück aufschließe und so optisch in die übrige Bebauung integriert werde.

20

cc) Schließlich verstößt das angegriffene Urteil gegen Bundesrecht, weil es an der gebotenen Gesamtwürdigung des Einzelfalls fehlt.

21

Qualitative und quantitative Kriterien dürfen nicht nur isoliert betrachtet werden: Denn es ist ebenso denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es vorstellbar ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemildert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen. Eine isolierte Betrachtung vernachlässigt auch, dass Fälle denkbar sind, in denen erst das Zusammenwirken quantitativer und qualitativer Kriterien den Charakter eines Doppelhauses entfallen lässt. Das Oberverwaltungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob insbesondere der Unterschied in der Bautiefe zusammen mit der abweichenden Gestaltung des Anbaus in ihrem Zusammenwirken den Charakter eines Doppelhauses aufheben.

22

4. Die Auslegung der Regelungen zur Abstandfläche in § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. b BauO NRW ist revisibel, soweit die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Doppelhausbebauung in Rede steht, weil die landesrechtliche Norm an die bundesrechtliche Regelung lediglich anknüpft (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 1976 - 5 C 73.74 - BVerwGE 51, 268 <273> und vom 7. Juni 2006 - 4 C 7.05 - BRS 70 Nr. 84 S. 449 f.; zum Begriff des Doppelhauses bei Auslegung des § 6 Abs. 1 BauO NW vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. April 2012 - 4 B 42.11 - BRS 79 Nr. 95 Rn. 8). Auch insoweit liegt ein Verstoß gegen Bundesrecht vor, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt.

23

5. Der Bundesrechtsverstoß zwingt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO) zur Klärung der Fragen, ob das Gesamtgebäude nach dem Umbau weiterhin ein Doppelhaus bildet und - verneinendenfalls - ob die maßstabsetzende Bebauung nach der Bauweise eine einseitig grenzständige Bebauung nur in Form eines Doppelhauses zulässt.

24

Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht an. Sie könnten, ihre Begründetheit unterstellt, ebenfalls nur zur Zurückverweisung führen. Zur Forderung der Revision, der Senat des Oberverwaltungsgerichts habe den Augenschein in voller Besetzung einholen müssen, weist der Senat aber auf Folgendes hin: Für die Frage, ob ein Gericht nach § 96 Abs. 2 VwGO schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen kann, gelten die Kriterien für die Beweisaufnahme durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter im vorbereitenden Verfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. April 1994 - 1 B 14.94 - Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 54 S. 2 f.). Es kommt darauf an, dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Dies gilt auch für Ortsbesichtigungen (BVerwG, Beschluss vom 15. August 1997 - 4 B 130.97 - Buchholz 310 § 87 VwGO Nr. 9 S. 2). Dass nach diesen Maßstäben eine Ortsbesichtigung durch den Senat des Oberverwaltungsgerichts erforderlich sein könnte, hat die Revision nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2014 - 7 B 27.14 - NVwZ-RR 2015, 94 Rn. 6).

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. März 2011 - 9 K 963/10 - geändert.

Die baurechtliche Entscheidung der Beklagten vom 01. April 2009 wird hinsichtlich ihrer Ziffer 1, soweit mit ihr auch eine gewerbliche Nutzung des Sandplatzes für grundsätzlich zulässig erklärt wird, ihrer Ziffer 3 und der beigefügten „Auflagen“ aufgehoben. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26. März 2010 wird insoweit aufgehoben, als er auch diese Ziffern und „Auflagen“ aufrechterhält. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger - als Gesamtschuldner - und die Beklagte jeweils die Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen einen den Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid für die Errichtung und Nutzung eines Sand-/Reitplatzes für Pferde.
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst. Nr. 1/1 (H... Straße ...) auf Gemarkung ... der Beklagten. Dieses grenzt mit seiner südwestlichen Seite an das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück Flst. Nr. 1/2 (H... Straße ...) der Beigeladenen an. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des „Ortsbauplans Ortsdurchfahrt“ der vormals selbständigen Gemeinde ... vom 30.03.1960, der lediglich Baulinien und Baustreifen vorsieht. Der Flächennutzungsplan der Verwaltungsgemeinschaft N.../E... stellt den Bereich entlang der H... Straße als Mischbaufläche dar.
Seit September 1999 hielten die Beigeladenen, die ihr Grundstück seinerzeit von den Klägern erworben hatten, zunächst gemeinsam mit diesen auf deren Grundstück Pferde. Seit Mitte 2000 brachten sie diese in einem dortigen Offenstall (fahrbare Weidehütte) unter. Unter dem 15.09.2002 wurde den Beigeladenen zunächst eine Baugenehmigung für die Umnutzung eines Kellers sowie eines Abstellraums in einen Pony-Unterstand erteilt. Mit Bescheid vom 13.10.2004 wurde ihnen dann die Errichtung eines Offenstalls mit drei Pferdeboxen im hinteren, nordwestlichen Teil ihres Grundstücks genehmigt. Östlich des Unterstandes war eine eingezäunte Auslauffläche vorgesehen. Den Beigeladenen wurde u. a. zur Auflage gemacht, den anfallenden Mist nicht auf dem Baugrundstück zu lagern, sondern regelmäßig abzufahren.
Im Dezember 2006 nahmen die Beigeladenen auf ihrem Grundstück zwischen Pferdeunterstand und Wohngebäude Erdarbeiten vor, über die sich die Kläger, die ihre Pferde noch 2005 veräußert hatten, erfolglos beschwerten. In der Folge stellten die Beigeladenen einen umzäunten Sandplatz mit einem Durchmesser von 16,50 m her, den sie seit Januar 2007 privat und seit 01.07.2007 auch zeitweise gewerblich nutzten (gewerbliche „Kinderbetreuung“).
Am 26.02.2007 wandten sich die Kläger an die Beklagte und beschwerten sich darüber, dass entgegen der ihnen von den Beigeladenen gemachten Zusagen drei Pferde gehalten würden, die sich auch ständig dort aufhielten. Da der Pferdeurin im Erdreich versickere, entstehe eine starke Geruchsbelästigung. Eine auf der Betonfläche aufgestellte Metallfutterraufe werde von den Pferden ständig umher geschoben, sodass hiervon insbesondere nachts erhebliche Geräuschbelästigungen ausgingen. Da sich die Beigeladenen uneinsichtig zeigten, möge dafür gesorgt werden, dass der Pferdeunterstand genehmigungskonform genutzt und der nicht genehmigte Reitplatz entfernt werde.
Mit Schreiben vom 16.07.2007 forderten die Kläger die Beklagte auf, die Nutzung der Reitanlage zu untersagen bzw. deren Beseitigung anzuordnen.
Mit Schreiben vom 03.08.2007 wies die Beklagte die Beigeladenen darauf hin, dass der Reitplatz genehmigungspflichtig sei. Da dieser inzwischen gewerblich genutzt werde („Kinderbetreuung“), stehe zudem eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung in Rede. So seien weitere Stellplätze notwendig. Insofern wurden sie gebeten, nachträglich einen Bauantrag zu stellen.
Mit Schreiben vom 02.10.2007 machten die Beigeladenen geltend, dass weder die mit einem Geländer umfasste Sandfläche noch die in Rede stehende Nutzungsänderung genehmigungsbedürftig sei. Anlässlich eines Gesprächs am 22.05.2007 sei ihnen die Verfahrensfreiheit des Sandplatzes einschließlich der Umzäunung sowie der privaten Nutzung bestätigt worden. Zu der beabsichtigten „geringfügigen“ gewerblichen „Kinderbetreuung“ sei trotz zugesagter Prüfung keine Aussage getroffen worden, sodass sie auch von deren Zulässigkeit ausgegangen seien. Der von den Kindern ausgehende Lärm sei aufgrund ihres Betreuungsangebots deutlich geringer als der von spielenden Kindern. Auch im Hinblick auf die eingesetzten Pferde komme es zu keiner zusätzlichen Lärm- oder Geruchsentwicklung.
Nachdem sich die Kläger mit Schreiben vom 15.07.2008 erneut an die Beklagte gewandt hatten, teilte diese den Beigeladenen unter dem 24.07.2008 mit, dass der von ihnen hergestellte „Reitplatz“ sehr wohl eine genehmigungsbedürftige bauliche Anlage darstelle. Jedenfalls stehe keine verfahrensfreie Nutzungsänderung in Rede, da an die neue Nutzung weitere Anforderungen - etwa im Hinblick auf die Gesundheit der Pferde - zu stellen seien. Die Beigeladenen wurden aufgefordert, spätestens bis 15.08.2008 ein Baugesuch einzureichen.
10 
Mit gleichlautenden baurechtlichen Entscheidungen vom 23.09.2008 untersagte die Beklagte den Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Nutzung des Reitplatzes bis zu einer Entscheidung im Baugenehmigungsverfahren.
11 
Gegen diese Entscheidungen erhoben die Beigeladenen am 21.10.2008 Widerspruch und beantragten zur Klärung der Genehmigungsbedürftigkeit und -fähigkeit eines privat und gewerblich genutzten Sandplatzes für Pferde am 15.12.2008 einen Bauvorbescheid.
12 
Im Rahmen der Angrenzeranhörung erhoben die Kläger mit Schreiben vom 30.12.2008/02.01.2009 Einwendungen: Die von der Reitanlage ausgehenden Beeinträchtigungen durch Staub, Publikumsverkehr, Lärm und Einsehbarkeit ihres Grundstücks vom erhöhten Reitplatz seien unzumutbar. Sie bedeuteten eine erhebliche Wertminderung ihrer Immobilie. Im Zuge der Herstellung der Anlage seien Aufschüttungen von mehr als 1 m unmittelbar an der Grundstücksgrenze vorgenommen worden. Zusätzlich sei die Grenze mit Büschen bepflanzt worden, die höher als 1,5 m seien. Auch in der Vergangenheit hätten sich die Beigeladenen nicht an Absprachen und Auflagen gehalten.
13 
Am 20.01.2009 setzte die Beklagte den Sofortvollzug der ausgesprochenen Nutzungsuntersagung bis zur Entscheidung über die Bauvoranfrage aus.
14 
Mit baurechtlicher Entscheidung vom 01.04.2009 stellte die Beklagte fest, dass die Anlegung des Sandplatzes entsprechend der Bauvoranfrage  g r u n d s ä t z l i c h  möglich sei. Die Nutzung bedürfe einer Baugenehmigung. Bei einer gewerblichen Nutzung sei ein weiterer Stellplatz herzustellen. Der Entscheidung wurden verschiedene „Auflagen“ beigefügt. Danach darf der Platz bei trockenem Sand nicht benutzt werden und muss regelmäßig und unmittelbar nach der jeweiligen Nutzungseinheit abgemistet werden. Der Mist darf nicht auf dem Baugrundstück ausgebracht werden, sondern muss regelmäßig, ggf. auch täglich, vom Baugrundstück entsorgt werden. Der Sandplatz darf montags bis freitags maximal drei Stunden täglich in der Zeit von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 13.30 Uhr bis 16.30 Uhr und an Samstagen zu denselben Zeiten lediglich bis zu zwei Stunden privat durch Familienangehörige oder Freundinnen der Tochter genutzt werden. Mehr als sechs Kinder, drei Pferde und eine Trainerin dürfen nicht gleichzeitig zur Nutzung des Sandplatzes anwesend sein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Baugrundstück durch ein Wohngebäude und einen im hinteren Grundstücksteil gelegenen Pferdeunterstand geprägt sei. Auf den benachbarten Grundstücken befänden sich ebenfalls Wohngebäude; auf dem unmittelbar südwestlich angrenzenden Grundstück befänden sich eine Kirche und ein Gemeindehaus. Die nunmehr beabsichtigte Nutzung habe vor allem im Hinblick auf Gerüche und Lärm weitergehende Auswirkungen auf den Gebietscharakter. Bei Beachtung der Auflagen sei es unerheblich, ob der Reitplatz rein privat oder gewerblich genutzt werde. Die eingeschränkten Nutzungszeiten gewährleisteten ausreichende Ruhezeiten. Da auch die Anzahl der Nutzer beschränkt sei, sei auch nicht mit einem unzumutbaren Zu- und Abfahrtsverkehr zu rechnen, sodass die berechtigten Interessen der Nachbarschaft an der Aufrechterhaltung ihrer Wohnruhe gewährleistet seien. Auch bauordnungsrechtlich sei der Sandplatz als bauliche Anlage genehmigungsfähig. Bei einer gewerblichen Nutzung sei allerdings noch ein weiterer Stellplatz herzustellen.
15 
Mit baurechtlicher Entscheidung vom 27.04.2009 hob die Beklagte die unter dem 23.09.2008 verfügte Nutzungsuntersagung und den gleichzeitig angeordneten Sofortvollzug bis zur endgültigen baurechtlichen Entscheidung über das Bauvorhaben auf, da die Nutzung der bereits hergestellten baulichen Anlage mit dem positiven Bauvorbescheid dem Grunde nach zugelassen sei.
16 
Gegen die ihnen mit Schreiben vom 03.04.2009 übersandte baurechtliche Entscheidung vom 01.04.2009 legten die Kläger am 04.05.2009 Widerspruch ein. Sowohl nach Aufbau und Ausgestaltung als auch nach der Nutzung handle es sich um keinen Sand-, sondern um einen Reitplatz. Unverständlich sei eine Bauvoranfrage für eine bereits hergestellte Anlage. Ihre berechtigten Interessen seien nicht gewährleistet. Insbesondere seien aufgrund der gewerblichen Nutzung ein wesentlich höherer Verkehr und eine stärkere Frequentierung des Platzes zu erwarten. Nach den bisherigen Erfahrungen sei kaum anzunehmen, dass die Auflagen eingehalten würden.
17 
Auch die Beigeladenen erhoben am 05.05.2009 insoweit gegen die baurechtliche Entscheidung vom 01.04.2009 Widerspruch, als ihr Auflagen beigefügt worden waren. Für diese gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Auflagen zur Mistabfuhr und zur Beschränkung der Anzahl der Nutzer seien zu unbestimmt. Sie unterbreiteten Vorschläge, wie die Auflagen umformuliert werden könnten, um der Nutzung des Platzes „gewissen Raum“ zu geben.
18 
Mit getrennten Widerspruchsbescheiden vom 26.03.2010 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe die Widersprüche der Kläger und der Beigeladenen als unbegründet zurück. Die Zurückweisung des Widerspruchs der Beigeladenen wurde damit begründet, dass die nunmehr angefochtenen Auflagen im Wesentlichen ihrer Baubeschreibung bzw. ihren sonstigen Angaben entsprächen. Zur Zurückweisung des Widerspruchs der Kläger wurde ausgeführt, dass sich das Bauvorhaben in die nähere Umgebung einfüge. Die Nutzung in der näheren Umgebung sei zum großen Teil durch Wohnnutzung geprägt. Zwischen den Grundstücken H... Straße ... und ... seien jedoch auch verschiedene gewerbliche Nutzungen vorhanden (Brennstoffhandel, Unternehmensberatung, Film- und Videoproduktion, Kinderbetreuung, Software-Entwicklung, Transportunternehmen, Holzhandel, Gastwirtschaft, Baugeschäft). Auf dem Grundstück H... Straße ... befinde sich auch noch ein landwirtschaftlicher Betrieb. Der Gebietscharakter komme aufgrund seiner Wohn- und Gewerbenutzung einem Mischgebiet nahe, weise jedoch vor allem wegen der genehmigten Pferdehaltung auf dem Baugrundstück und wegen des landwirtschaftlichen Betriebs eine baurechtliche „Gemengelage“ (diffuses Wohngebiet) auf. Jedenfalls könnten die Kläger nicht den Schutz wie in einem Wohngebiet beanspruchen. Entscheidend sei, dass sowohl das Bau- als auch das Nachbargrundstück durch den bereits vorhandenen Pferdeunterstand vorgeprägt seien. Insofern könne eine gesteigerte Bewegung der Pferde nicht generell untersagt werden. Aufgrund der Auflagen entstünden auch keine unzumutbaren Immissionen.
19 
Gegen diesen Widerspruchsbescheid haben die Kläger am 26.04.2010 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und eine Verpflichtung der Beklagten begehrt, die sofortige Beseitigung des Sandplatzes zu veranlassen. Der Sandplatz und die damit verbundenen Nutzungen fügten sich nicht in die nähere Umgebung ein; diese werde nach Süden durch die H... Straße begrenzt, der aufgrund ihrer Ausmaße und ihrer Eigenschaft als Ortsdurchfahrt einer Landesstraße „trennende“ Wirkung zukomme. Die nähere Umgebung entspreche einem - wenn auch ländlich geprägten - Wohngebiet. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Baugrundstück befänden sich außer der Kirche nur Wohnnutzungen. Gewerbliche und landwirtschaftliche Nutzungen seien vom Baugrundstück weit entfernt und prägten dieses nicht mehr oder seien ohnehin als Fremdkörper anzusehen. Durch das Vorhaben würden erstmalig bodenrechtlich bewältigungsbedürftige Spannungen hervorgerufen, die es bislang auch bei Berücksichtigung des Pferdeunterstandes nicht gegeben habe, zumal der Sandplatz bis auf den Mindestgrenzabstand von 2,5 m an ihr Grundstück heranrücke. Damit seien Störungen und Beeinträchtigungen ihres rückwärtigen Grün- und Erholungsbereichs durch Geräusch- und insbesondere Geruchsbelästigungen sowie ein vermehrtes Insektenvorkommen verbunden. Nicht zuletzt sei ihre vor Blicken geschützte Privatsphäre betroffen. Solle ein Sand- bzw. Reitplatz in einem Gebiet zugelassen werden, das einem allgemeinen Wohngebiet entspreche, bedürfe es einer Planung. Auch gehe von dem Platz eine negative Vorbildwirkung aus. An der generellen Gebietsunverträglichkeit änderten auch die Auflagen nichts, die bei Ausübung der beabsichtigten Nutzung ohnehin nicht einzuhalten seien. Die Problematik werde so zu ihren Lasten auf die Vollzugsebene verlagert.
20 
Die Beklagte hat auf die angefochtenen Bescheide verwiesen. Der Gebietscharakter entspreche eher dem eines Mischgebiets. Die gesamte Umgebung des Ortsteils sei ländlich geprägt. An die Grundstücke der Kläger und der Beigeladenen grenzten Wiesen, Grünflächen und in weiterer Entfernung Waldgebiete an. Die Kläger seien durch die Auflagen ausreichend geschützt.
21 
Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 30.03.2011 - 9 K 963/10 - abgewiesen. Die angefochtene Bescheide verstießen gegen keine Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt seien. Aufgrund ihrer Lage zwischen dem auf dem rückwärtigen Bereich des Grundstücks gelegenen Gemeindehaus und dem nur leicht versetzten Wohnhaus der Kläger, aber auch aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Pferdeunterstand mit Auslauf auf dem insoweit durch Nebenanlagen geprägten hinteren Bereich des Baugrundstücks nehme der Sandplatz am vorhandenen Bebauungszusammenhang teil. Dieser umfasse auch den Pferdeunterstand mit Auslauf. Nach den Ergebnissen des Augenscheins entspreche die Eigenart der näheren Umgebung keinem der in der Baunutzungsverordnung aufgeführten Baugebiete. Der lediglich zweispurigen und normal befahrenen innerörtlichen H... Straße komme keine „trennende“ Wirkung zu. Aufgrund der lockeren und ungleichförmigen Bebauung beidseits der H... Straße und der Einwirkung entfernterer Grundstücksnutzungen lasse sich der prägende Bereich nicht auf eine Entfernung von 100 m entlang der H... Straße begrenzen. Entlang der H... Straße sei die Bebauung überwiegend von Wohnnutzung und nicht störendem Gewerbe geprägt. Der unmittelbare Bereich um die streitgegenständliche Anlage werde in besonderem Maße durch die vorhandene und genehmigte Pferdehaltung bestimmt. Auf dem etwa 130 m westlich entfernten Grundstück Flst Nr. 47/4 (H... Straße ...) werde zudem ein Gasthaus sowie auf dem östlichen Grundstücksteil eine Hobby-Landwirtschaft mit derzeit 12 Rindern und zwei Ziegen betrieben. Durch die Geräusch- und Geruchsimmissionen, die insbesondere beim Weidegang, der Anlieferung neuer Tiere oder der Abholung von Schlachtvieh denkbar seien, werde auch der bodenrechtliche Charakter des Baugrundstücks beeinflusst. Bereits insofern sei von einer Gemengelage auszugehen. Als Dorfgebiet könne die nähere Umgebung freilich nicht qualifiziert werden, da Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Betriebe, die das Gebiet dörflich prägten, nicht mehr vorhanden seien. Weder bei der Pferdehaltung der Beigeladenen noch bei der vom Betreiber der Gastwirtschaft ausdrücklich als Hobby-Landwirtschaft bezeichneten Tierhaltung handle es sich um landwirtschaftliche (Neben-)Erwerbsbetriebe. Nach alledem stehe den Klägern kein Gebietserhaltungsanspruch zur Seite. Angesichts der bereits genehmigten Pferdehaltung komme es bei der gebotenen Rücksichtnahme nicht darauf an, ob die Pferdehaltung rücksichtslos sei, sondern, ob gerade der in Rede stehende Sandplatz und die mit seiner Nutzung verbundenen Beeinträchtigungen hinzunehmen seien. In die Interessenabwägung sei auch die Lage an der Grenze zum Außenbereich einzustellen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der engen Auflagen sei der Sandplatz den Klägern zumutbar, zumal er 12 m weit von der nordwestlichen Ecke ihres Wohnhauses entfernt sei. Etwa noch wahrnehmbare Immissionen durch Staub, Lärm oder Gerüche seien zeitlich erheblich eingeschränkt. Auch die Nutzungsbeschränkung auf sieben Personen und drei Pferde reduzierten die zu erwartenden Immissionen auf ein zumutbares Maß. Nicht zuletzt werde auf der lediglich einen Durchmesser von 16,50 m aufweisenden Anlage typischerweise nicht galoppiert. Anhaltspunkte für ein unzumutbares vermehrtes Insektenaufkommen seien nicht festzustellen. Die zu erwartenden Lärmimmissionen gingen bei Berücksichtigung der Auflagen nicht über die akustische Beeinträchtigung hinaus, die typischerweise mit der privaten Grundstücksnutzung durch eine Familie mit Kindern verbunden sei. Der im Rahmen der gewerblichen Nutzung ausschließlich an Werktagen und außerhalb der Ruhezeiten hinzukommende An- und Abfahrtsverkehr beschränke sich auf maximal sechs Fahrzeuge und falle neben den Immissionen der H... Straße im Bereich des weit zurückgesetzten Wohnhauses der Kläger nicht ins Gewicht. Mit der Auflage, den Sandplatz regelmäßig und unmittelbar nach der jeweiligen Nutzungseinheit abzumisten und den Mist nicht auf dem Baugrundstück auszubringen, würden auch die Geruchsimmissionen zu den ohnehin erheblich eingeschränkten Nutzungszeiten auf ein Minimum reduziert. Dass ihr Grundstück bei der Nutzung der Anlage eingesehen werden könne, begründe noch keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme, zumal der rückwärtige Bereich auch so einsehbar sei.
22 
Auf rechtzeitigen Antrag der Kläger hat der Senat mit - den Klägern am 30.11.2011 zugestelltem - Beschluss vom 21.11.2011 - 5 S 1654/11 - die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen, soweit ihre Anfechtungsklage abgewiesen worden war.
23 
Ihre Berufung haben die Kläger am 28.12.2011 wie folgt begründet: Der streitgegenständliche Sand-/Reitplatz sei nicht genehmigungsfähig, da er sich nicht in die nähere Umgebung einfüge; jedenfalls würden sie aufgrund der von diesem ausgehenden Beeinträchtigungen unzumutbar beeinträchtigt. Das Verwaltungsgericht habe die örtlichen Verhältnisse unzutreffend bewertet. Aufgrund der Topografie und des Verlaufs der H... Straße sei die „nähere Umgebung" auf den Bereich zwischen der Kurve in der H... Straße nordöstlich unterhalb des Baugrundstücks bis etwa auf Höhe des Grundstücks H... Straße ... zu begrenzen. Die Stallungen der Hobby-Landwirtschaft auf dem Grundstück H... Straße ... befänden sich zudem im rückwärtigen Bereich und in einem mit einem Tor versehenen Scheunen- und Stallgebäude. Die Großviehhaltung, bei der es sich um den „Restbestand“ einer vormaligen erwerbswirtschaftlichen Landwirtschaft handle, könne von der Straße aus noch nicht einmal wahrgenommen werden. Im Rahmen des Ortstermins seien auch keinerlei Gerüche oder Geräusche festzustellen gewesen. Aufgrund der nicht mehr attraktiven Landwirtschaft und der geringen Erwerbschancen habe die landwirtschaftliche Nutzung immer mehr an prägendem Einfluss verloren und sich das Gebiet mehr und mehr zu einem Wohngebiet entwickelt. Von einer historisch übrig gebliebenen Restnutzung könne indes keine Prägung mehr zu einem „ländlich geprägten Wohngebiet" bzw. einer entsprechend geprägten Gemengelage ausgehen. Die auf dem Baugrundstück bereits vorhandene, im rückwärtigen Bereich konzentrierte Pferdehaltung (Pferdeunterstand) liege schließlich im Außenbereich. Auf den zum Innenbereich gehörenden Grundstücksteilen befänden sich in der Regel im vorderen Bereich lediglich Hauptnutzungen in Form einer Wohnnutzung. Bis auf das westlich an das Baugrundstück angrenzende Kirchengrundstück weise kein einziges Grundstück eine Hinterlandbebauung mit Nebenanlagen auf. Jedenfalls stellten der Pferdeunterstand und die Pferdehaltung auf dem Baugrundstück einen Fremdkörper dar. Auch handele es sich um eine relativ kleine Anlage, die schon aufgrund ihrer Größe nicht geeignet sei, die Umgebung zu prägen.
24 
Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhaben beurteile sich daher nach § 34 Abs. 2 BauGB, sodass ihnen bereits ein Gebietserhaltungsanspruch zustehe. Denn ein Sand-/Reitplatz sei nach der Art der baulichen Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Baugrundstück - mit Ausnahme der Kirche, die ebenfalls in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sei - fänden sich ausschließlich Wohnnutzungen. Die vereinzelten gewerblichen und sonstigen Nutzungen seien ausschließlich als nicht störendes Gewerbe oder Dienstleistungen bzw. selbständige Tätigkeiten zu qualifizieren und seien gegenüber der Wohnnutzung nur von untergeordneter Bedeutung. Sämtliche Nutzungen seien in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Die genehmigte Pferdehaltung habe bei der Beurteilung des Gebietscharakters außer Betracht zu bleiben. Gleiches gelte für die Gastwirtschaft mit Hobby-Landwirtschaft.
25 
Der Sand-/Reitplatz wäre freilich auch bei einer Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig, weil er in der näheren Umgebung bodenrechtliche Spannungen auslöse bzw. verstärke. Eine vergleichbare Anlage gebe es in der näheren Umgebung nicht. Auch rücke er als emittierende Anlage bis auf den Mindestgrenzabstand an ihr Wohngrundstück heran. Insbesondere im Hinblick auf die sich nun regelmäßig auf und bei dem Sand-/Reitplatz aufhaltenden Personen träten erhebliche Störungen und gravierende Beeinträchtigungen des rückwärtigen Grün- und Erholungsbereichs auf. Ein ungestörter Aufenthalt sei nicht mehr möglich. Vom Platz gehe auch eine negative Vorbildwirkung aus, die eine städtebauliche Fehlentwicklung einleite.
26 
Jedenfalls werde das Rücksichtnahmegebot verletzt. Bislang seien sie keinen vergleichbaren Vorbelastungen ausgesetzt. Auf die Gastwirtschaft mit Hobbylandwirtschaft könne schon deshalb nicht abgehoben werden, weil sie nicht mehr zur näheren Umgebung gehöre. Abgesehen davon habe sie auch tatsächlich keine Auswirkungen auf ihr Grundstück. Auch gegenüber dem Pferdeunterstand im rückwärtigen Bereich des Baugrundstücks stelle der näher an ihren schutzwürdigen Außenwohnbereich heranrückende Sand-/Reitplatz eine deutlich andersartige, intensivere Belastung dar. Außerdem sei ihr Grundstück der Einsichtnahme durch einen größeren Personenkreis ausgesetzt. Anders als bei einer untergeordneten selbständigen oder gewerblichen Nutzung in einem ansonsten zu Wohnzwecken genutzten Gebäude werde ihre Privatsphäre erheblich beeinträchtigt, zumal Feste und sonstige Sonderveranstaltungen, die im Rahmen einer Kinderbetreuung angeboten würden, hinzukämen. Im mittleren Bereich des Baugrundstücks komme es auch erstmals bzw. verstärkt zu erheblichen Immissionen wie Staub, Lärm oder Gerüchen. Eine Nutzung des Sandplatzes mit schnellen Gangarten sei nach dem Bauvorbescheid keineswegs ausgeschlossen.
27 
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit könne auch nicht mit den beigefügten Nebenbestimmungen herbeigeführt werden. Eine „maßgeschneiderte“ Genehmigung könne nicht dazu führen, dass eine typischerweise unzulässige bauliche Anlage gebietsverträglich werde. Inhalts- und Nebenbestimmungen könnten gegenüber einer typisierenden Betrachtungsweise allenfalls dann Bedeutung gewinnen, wenn sie nicht nur "auf dem Papier" eine Konfliktbewältigung vortäuschten, sondern auf effektive Umsetzung angelegt seien, sodass bei realistischer Betrachtung mit ihrer Beachtung und insofern mit einem störungsarmen Betriebsablauf zu rechnen sei. Auch seien die Auflagen so eng gefasst, dass die Nutzung als solche nicht mehr wie gewünscht bzw. wie normalerweise üblich ausgeübt werden könnte. Dies werde schon daran deutlich, dass die Beigeladenen selbst gegen die Auflagen Widerspruch erhoben hätten. Die Gewährleistung der Gebietsverträglichkeit werde damit auf die Vollzugsebene verlagert. In Umkehrung der Verhältnisse müssten letztlich sie als Nachbarn nachweisen, dass die Auflagen nicht eingehalten würden. Diese seien noch nicht einmal geeignet, sie vor unzumutbaren Immissionen zu schützen. So könne der Sandplatz zwischen 13.30 Uhr und 16.30 Uhr, mithin gerade in dem Zeitraum, in dem auch ihr schutzwürdiger Außenwohnbereich hauptsächlich genutzt werde, ununterbrochen von einem größeren Personenkreis genutzt werden. Dabei sei noch nicht einmal geregelt, wie viele Personen sich außerhalb des Platzes - wartend bzw. beobachtend - aufhalten dürften. Die derzeit ca. 1,70 m hohe Hecke sei schon deshalb ungeeignet, unzumutbare Staubimmissionen zu verhindern, weil ihre Anpflanzung nicht gesichert sei.
28 
Die Kläger beantragen zuletzt,
29 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.03.2011 - 9 K 963/10 - abzuändern und die baurechtliche Entscheidung der Beklagten vom 01.04.2009 hinsichtlich ihrer Ziff. 1 und 3 und den diese aufrechterhaltenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26.03.2010 aufzuheben.
30 
Die Beklagte beantragt,
31 
die Klagen abzuweisen.
32 
Hierzu führt sie aus: Bereits aufgrund der 2002 und 2004 erteilten Baugenehmigungen dürften auf dem Baugrundstück ganzjährig 3 bis 4 Pferde untergebracht werden. Ob sich die Situation für die Kläger durch den inzwischen aufgenommenen gewerbsmäßigen Reitbetrieb geändert habe, sei zweifelhaft. Der Sandplatz füge sich unabhängig davon in die nähere Umgebung ein, ob die Gastwirtschaft mit Hobbytierhaltung dazugehöre. Durch diese werde jedenfalls der nach wie vor prägende dörfliche und ländliche Charakter des Ortsteils belegt. So finde sich auf vielen Grundstücken, die teilweise im Innenbereich lägen, im angrenzenden Außenbereich noch Tierhaltung, insbesondere Pferdehaltung. Auch auf dem Grundstück der Kläger seien bis 2006 Pferde gehalten worden. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass die nähere Umgebung nicht durch die H... Straße begrenzt werde. Ungeachtet dessen, dass die H... Straße in Richtung Südwesten ansteige, erstrecke sich die nähere Umgebung durchaus auf das Grundstück H... Straße ... Die dortige Gastwirtschaft mit Hobby-Landwirtschaft stelle auch keinen Fremdkörper dar. Die ländliche Prägung werde auch durch die Tierhaltung auf einer Reihe anderer Grundstücke belegt, etwa durch die Hühnerhaltung jenseits der H... Straße ... und die Pferdehaltung auf dem Grundstück H... Straße ...-... Jedenfalls werde das Baugrundstücks durch die Pferdehaltung im nahegelegenen Außenbereich geprägt. Da das gesamte Baugrundstück zum Innenbereich gehöre, sei auch der vorhandene Pferdeunterstand zu berücksichtigen. Nach der Argumentation der Kläger müsste auch ihr Garten bzw. ihre Terrasse zum Außenbereich gehören. Bereits in der Vergangenheit hätten die Beigeladenen ihr gesamtes Grundstück für ihre Pferdehaltung nutzen können. So hätten sich die Pferde zwischen beiden Unterständen bewegt. Der nunmehr „angedachte“ Sandplatz stelle insofern keine Intensivierung der vorhandenen Grundstücksnutzung dar. Vielmehr bewegten sich die Pferde fortan nur mehr kontrolliert auf dem Grundstück. Die in den Bauvorbescheid aufgenommenen Beschränkungen genügten, um die Interessen der Kläger zu schützen. Als Fremdkörper könne der Pferdeunterstand schon deshalb nicht angesehen werden, weil eine ähnliche bauliche Anlage auf ihrem eigenen Grundstück vorhanden sei und dort bis 2006 Pferde gehalten worden seien. Insofern sei ihre Schutzwürdigkeit mehr als zweifelhaft. Die Intensivierung der Nutzung wirke sich zudem ausschließlich auf ihre Terrasse aus, zu der jedoch immer noch ein Abstand von 12 m eingehalten sei. Schließlich grenzten beide Grundstücke an den Außenbereich, wo teilweise auch Pferde gehalten würden oder Landwirtschaft betrieben werde. Auch von dort gingen Staub- und Geruchsimmissionen aus.
33 
Unter dem 08.04.2013 haben die Kläger noch geltend gemacht, dass die Nutzungsänderungsgenehmigung vom 15.08.2002 seinerzeit nicht umgesetzt worden sei und daher nicht maßgeblich sein könne.
34 
Die Beigeladenen, die in der mündlichen Verhandlung der Klage entgegengetreten sind, haben keinen Antrag gestellt. Sie weisen darauf hin, den Sandplatz schon seit einiger Zeit nicht mehr gewerblich zu nutzen. Die als Ponyunterstand genehmigten Räumlichkeiten ihres Gebäude ließen sich jederzeit wieder als solche nutzen; bislang seien sie allerdings nur zwei- bis dreimal genutzt worden.
35 
Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung das Baugrundstück und dessen Umgebung in Augenschein genommen. Insoweit wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
36 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der zur Sache gehörenden Gerichts- und Behördenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
37 
Die vom Senat zugelassene Berufung der Kläger gegen den ihre Anfechtungsklage abweisenden Teil des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist zulässig. Sie wurde insbesondere innerhalb der einmonatigen Berufungsbegründungsfrist gegenüber dem erkennenden Gerichtshof begründet (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO).
38 
Die Berufung ist auch teilweise begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage auch insoweit abgewiesen, als die baurechtliche Entscheidung der Beklagten vom 01.04.2009 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26.03.2010 auch eine gewerbliche Nutzung des Sandplatzes für grundsätzlich zulässig erklärten (vgl. Ziffer 1 und 3); darüber hinaus waren die beigefügten, sich gleichermaßen auf eine private wie gewerbliche Nutzung beziehenden „Auflagen“ aufzuheben.
I.
39 
Die Anfechtungsklage ist statthaft (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) und auch sonst zulässig. Die Kläger können insbesondere geltend machen, dass mit der baurechtlichen Entscheidung des Landratsamts Enzkreis vom 01.04.2009, mit der den Beigeladenen ein positiver Bauvorbescheid für einen Sand-/Reitplatz für Pferde erteilt worden war, gegen auch ihren Interessen zu dienen bestimmte Vorschriften des Bauplanungsrechts verstoßen wurde. Denn es erscheint zumindest möglich, dass das Bauvorhaben - insbesondere bei einer Nutzung des Platzes im Rahmen einer gewerblichen „Kinderbetreuung“ - ungeachtet der der Entscheidung beigefügten „Auflagen“ gegen das im Gebot des Einfügens in die nähere Umgebung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Entsprechenden Auswirkungen, wie sie typischerweise und auch im vorliegenden Fall mit einer solchen Nutzung verbunden sind, waren die Kläger aufgrund der auf dem Grundstück bereits stattfindenden Pferdehaltung bisher nicht ausgesetzt.
II.
40 
Die auf die Bauvoranfrage der Beigeladenen hin getroffene Entscheidung zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Anlegung und sinngemäß auch der Nutzung des „Sandplatzes“ (Ziff. 1) ist, soweit sie eine gewerbliche Nutzung einschließt, rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit mit ihr lediglich eine private Nutzung für grundsätzlich zulässig erklärt wurde, verstößt die Entscheidung hingegen nicht gegen Vorschriften, die auch dem Schutze der Kläger zu dienen bestimmt sind.
41 
Maßgeblich für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist, da der Bauvorbescheid einen vorweggenommenen Teil der Baugenehmigung darstellt, wie bei deren Anfechtung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung des Bauvorbescheids (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.04.1978 - 4 C 96 u. 97.76 -, 406.11 § 34 BBauG Nr. 34, u. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155; Beschl. v. 23.04.1998 - 4 B 40.98 -, Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 87). Spätere Änderungen zu Lasten der Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu ihren Gunsten sind dagegen zu berücksichtigten.
42 
Bei der Beurteilung der angefochtenen, unter Ziffer 1 getroffenen Entscheidung kann dahinstehen, ob der zweifellos eine bauliche Anlage darstellende (umzäunte) Sandplatz verfahrensfrei errichtet werden konnte oder bereits seine Anlegung und nicht nur seine (private und/oder gewerbliche) Nutzung einer Baugenehmigung bedurfte. Entgegen der missverständlichen Formulierung in Ziffer 2 der Entscheidung („Nutzung bedarf der Baugenehmigung.“) ging die Beklagte in ihrer Begründung zu Recht von einer genehmigungspflichtigen Anlage aus. Diese kann nicht willkürlich in eine Einfriedigung im Innenbereich (vgl. Nr. 45 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO a.F.) und eine selbständige Aufschüttung bis 3 m Höhe (vgl. Nr. 67 des Anhangs) aufgespalten werden. Aufgrund ihres Durchmessers und ihres objektiven Nutzungszwecks kann auch nicht mehr von einer untergeordneten oder unbedeutenden baulichen Anlage i. S. der Nr. 72 des Anhangs gesprochen werden (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2008 - 6 K 778/08 -).
43 
Bauplanungsrechtlich ist die Zulässigkeit des Bauvorhabens - einer jedenfalls nicht mehr unter § 14 BauNVO unterfallenden Hauptnutzung - nach § 34 BauGB zu beurteilen. Denn der (mittlere) Teil des Baugrundstücks Flst. Nr. 1/2, auf dem das Bauvorhaben 2007 bereits verwirklicht wurde, liegt weder im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 BauGB) noch im (angrenzenden) Außenbereich (§ 35 BauGB).
44 
1. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften kommt nicht schon unter dem Gesichtspunkt eines - von (unzumutbaren) Beeinträchtigungen unabhängigen - sog. Gebietsbewahrungsanspruchs in Betracht. Zwar wäre ein Sand-/Reitplatz für Pferde in der hier in Rede stehenden Größe, der auch nicht als Anlage für sportliche Zwecke i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO angesehen werden kann, aufgrund der mit einem solchen typischerweise verbundenen Störungen - Geruchsbelästigungen, Ansammlungen von Fliegen, Geräuschbelästigungen, Staubaufwirbelungen - mit dem Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebiets nicht vereinbar (vgl. Senatsurt. v. 10.10.2003 - 5 S 1692/02 - m.w.N.; OVG Saarland, Beschl. v. 02.02.2009 - 2 B 439/08 -, BRS 74 Nr. 201). Zumindest bei einer gewerblichen Nutzung wäre er auch mit dem Gebietscharakter eines Mischgebiets unvereinbar, da er das Wohnen typischerweise wesentlich stören dürfte, (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.07.1988 - 1 A 46/87 -, BRS 48 Nr. 38). Aufgrund der nach der Baunutzungsverordnung gebotenen typisierenden Betrachtungsweise könnten daran auch die dem Bauvorbescheid beigefügten Auflagen nichts ändern; von einem atypischen Betrieb könnte jedenfalls nicht die Rede sein.
45 
Aufgrund des im Rahmen der mündlichen Verhandlung durchgeführten Augenscheins hat der Senat indes nicht festzustellen vermocht, dass die Eigenart der näheren Umgebung einem allgemeinen Wohngebiet i. S. des § 4 BauNVO oder einem Mischgebiet i. S. des § 6 BauNVO34 Abs. 2 BauGB) entspräche, was indes hier Voraussetzung für einen Gebietsbewahrungsanspruch wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151; Senatsurt. v. 10.10.2003, a.a.O.).
46 
a) Zunächst kann nicht von einem allgemeinen Wohngebiet i. S. des § 4 BauNVO ausgegangen werden; von einem reinen Wohngebiet i. S. des § 3 BauNVO könnte aufgrund der vorhandenen gewerblichen Nutzungen und der verschiedentlich als Hauptnutzung anzutreffenden Holzlagerplätze von vornherein nicht gesprochen werden.
47 
Ein allgemeines Wohngebiet kommt schon mit Rücksicht auf die auf dem Baugrundstück bereits stattfindende Pferdehaltung nicht in Betracht. Eine solche widerspricht grundsätzlich der Eigenart eines allgemeinen Wohngebiets (vgl. Senatsurt. v. 10.10.2003, a.a.O., m.w.N.). Auch hier verhält es sich nicht anders. Zwar sind die von den Beigeladenen gehaltenen drei Islandpferde zumindest ganz überwiegend in dem 2004 genehmigten, im angrenzenden Außenbereich gelegenen Pferdeunterstand in der Nordwestecke des Baugrundstücks untergebracht und die Auslauffläche grundsätzlich auf die östlich davon angelegte, ebenfalls dem Außenbereich zuzuordnende Paddock-Fläche beschränkt (vgl. die Baubeschreibung v. 04.05.2004; zur Abgrenzung Innen-/Außenbereich VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.11.1993 - 5 S 1991/93 -; zur Teilnahme am Bebauungszusammenhang allerdings auch BVerwG, Beschl. v. 06.03.1992 - 4 B 35.92 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 149). Insofern könnte die Pferdehaltung, die sich allerdings schon aus tatsächlichen Gründen nicht auf diesen Teil des Grundstücks begrenzen lässt (Führen bzw. Transport der Pferde über das Grundstück zur H... Straße; vgl. hierzu auch Senatsurt. v. 10.10.2003, a.a.O., Rn. 39 a. E.), noch wohngebietsverträglich sein (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 15.10.2009 - 15 B 08.2380 -, BRS 74 Nr. 64). Dem stehen hier jedoch die eher engen räumlichen Verhältnisse auf dem Baugrundstück entgegen, die es ausschließen, die typischen mit der Pferdehaltung verbundenen Störungen auf ausreichend von den benachbarten Wohngrundstücken entfernte Grundstücksteile zu begrenzen. Dies gälte umso mehr, wenn - was hier letztlich dahinstehen kann - von den nach entsprechender Vorbereitung (Leerräumen, Einstreuen) (wieder) als Ponyunterstand nutzbaren Keller- bzw. Abstellräume im Wohngebäude der Beigeladenen noch zum 01.04.2009 eine entsprechende Prägung ausging; die Umnutzung dieser Räume war 2002 - ohne wesentliche Umbaumaßnahmen - genehmigt worden. Auf die weitere Wirksamkeit der Baugenehmigung käme es insoweit nicht an, vielmehr allein darauf, ob die einmal - wenn auch nur punktuell - aufgenommene Nutzung aufgrund der objektiven Beschaffenheit der Räume trotz der inzwischen ausgeübten anderweitigen Nutzungen noch prägende Wirkung entfaltete (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.05.2002 - 4 C 6.01 -, Buchholz 406.11 § 154 BauGB Nr. 4). Die Pferdenutzung stellt entgegen der Auffassung der Kläger auch keinen bei der Beurteilung des Gebietscharakters nicht zu berücksichtigenden Fremdkörper dar (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - 4 C 23.86 -, BVerwGE 84, 322; Urt. v. 07.12.2006 - 4 C 11.05 -, BVerwGE 127, 231). Dem stehen schon die in der nächsten Umgebung insbesondere im rückwärtigen Bereich noch anzutreffenden ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäude (Scheunen, Schuppen) entgegen, die nach der Verkehrsauffassung noch für die (Wieder-)Aufnahme anderer (etwa landwirtschaftlicher oder gewerblicher) Nutzungen als dem Wohnen „anfällig“ sind (vgl. BayVGH, Urt. v. 19.09.2007 - 25 B 05.1076 -, BauR 2008, 1119). Denn für die Eigenart der näheren Umgebung sind nicht nur ausgeübte Nutzungen von Bedeutung, sondern auch all das, was sich, ohne Fremdkörper zu sein, in der vorhandenen Bebauung niederschlägt und so den bodenrechtlichen Charakter beeinflusst (vgl. BayVGH, Urt. v. 19.09.2007, a.a.O.).
48 
Darüber hinaus sprechen weitere Nutzungen in der näheren Umgebung gegen die Annahme eines allgemeinen Wohngebiets. Neben der Wohnnutzung, die weitgehend nicht planähnlich, sondern durch Aufgabe anderer, nämlich landwirtschaftlicher Nutzungen entstanden war, werden oder wurden zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung des Bauvorbescheids Nutzungen ausgeübt, die mit der Eigenart eines allgemeinen Wohngebiets nicht zu vereinbaren sind. So finden sich nördlich der H... Straße im Abschnitt zwischen den Gebäuden 12 (Ortseingang) und 36 in Höhe der S... Straße, die jedenfalls noch zur näheren Umgebung gehören, zunächst zahlreiche ehemalige landwirtschaftliche Gebäude (Scheunen, rückwärtig angebaute Schuppen), die nicht nur „anfällig“ für andere Nutzungen als dem Wohnen erscheinen (H... Straße ... und ...), sondern in denen teilweise auch derzeit nicht Wohnzwecken dienende Nutzungen ausgeübt werden. Dazu zählen das Unterstellen eines Traktors hinter dem Gebäude H... Straße ... und die Unterhaltung von Holzlagerplätzen, die schon aufgrund ihrer Größe keine zulässigen Nebenanlagen zur Wohnnutzung mehr darstellen (wie etwa auf dem Grundstück H... Straße ...), sondern als selbständige Hauptnutzungen anzusprechen sind und von denen bei zweckentsprechender Nutzung typischerweise Störungen ausgehen (Grundstücke H... Straße ..., ... und ...). Darüber hinaus finden sich in diesem Bereich eine ganze Reihe - wenn auch nicht störender - gewerblicher Nutzungen, welche in einem allgemeinen Wohngebiet nur ausnahmsweise zulässig wären (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). So wird auf dem klägerischen Grundstück ein Teehandel betrieben, auf dem Grundstück der Beigeladenen findet Film- und Videoproduktion statt und auf dem Grundstück H... Straße ... befindet sich ein „Garagenlädle“, in dem augenscheinlich „Filz/Stein/Schmuck“ vertrieben wird. Auf dem Grundstück H... Straße ... fand sich jedenfalls beim vom Verwaltungsgericht eingenommenen Augenschein auch noch ein Brennstoffhandel sowie auf dem Grundstück H...- Straße ... ein Vertrieb von Kosmetikartikeln (vgl. die hierüber gefertigte Niederschrift v. 24.03.2011, AS 105 der VG-Akten). Dafür, dass diese Nutzungen erst nach Erteilung des Bauvorbescheids aufgenommen worden wären, spricht nichts; auch die Kläger haben dies zu keiner Zeit behauptet.
49 
Das südlich der H... Straße und westlich der S... Straße gelegene Gasthaus/Pension/Café „...“ (H... Straße ...), das ca. 130 m vom Bauvorhaben entfernt ist, gehört dagegen bei einer natürlichen Betrachtungsweise - nicht zuletzt aufgrund der topografischen Verhältnisse (ansteigende S-Kurve) - nicht mehr zur näheren Umgebung, sodass dahinstehen kann, ob es lediglich der Gebietsversorgung i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dient. Erst Recht rechnet das dazugehörende, zurückgesetzte Scheunen- bzw. Stallgebäude (H... Straße ...), in dem - äußerlich nicht ohne Weiteres erkennbar - Hobby-Großviehhaltung bzw. „Hobby-Landwirtschaft“ (zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch 12 Rinder und 2 Ziegen) betrieben wird, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mehr zur näheren Umgebung. Schon gar nicht gehört das auf dem Grundstück H... Straße ... in zweiter Reihe betriebene Baugeschäft, das ca. 180 m vom Bauvorhaben entfernte Transportunternehmen nebst Holzhandel auf dem Grundstück H... Straße ... sowie die auf dem Grundstück H... Straße ... betriebene Landwirtschaft (mit Pferdehaltung) noch zur näheren Umgebung (vgl. hierzu allerdings OVG Rh.-Pf. Urt. v. 30.04.2010 - 1 A 11294/09 -, Rn. 28). Gleiches gilt für die ca. 150 m gegenüber dem Baugrundstück entfernt stattfindende Hühnerhaltung weit jenseits der H...- Straße. Von den letzteren Nutzungen ausgehende Störwirkungen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, ließen sich auf dem Baugrundstück nicht feststellen.
50 
Dass sich auf der gegenüberliegenden Seite der H... Straße im Abschnitt zwischen S... Straße und Ortseingang überwiegend Wohnnutzung findet, vermag vor diesem Hintergrund nicht dazu zu führen, dass das Baugebiet deswegen noch als allgemeines Wohngebiet anzusprechen wäre. Auch gehört diese Bebauung schon aufgrund ihrer abweichenden Nutzungsstruktur nicht mehr zur näheren Umgebung des Bauvorhabens. Zwar sind auch dort noch vereinzelt ehemalige Scheunengebäude festzustellen (H... Straße ... und ...), doch sind diese inzwischen ersichtlich der Wohnnutzung untergeordnet bzw. in diese integriert und insofern für andere Nutzungen nicht mehr „anfällig“. Auch gewerbliche Nutzungen finden sich in diesem Abschnitt nicht.
51 
b) Aber auch von einem Mischgebiet i. S. des § 6 BauNVO kann danach nicht die Rede sein, sodass ein Gebietsbewahrungsanspruch jedenfalls ausscheidet. Denn das Wohnen - nicht wesentlich - störende Gewerbebetriebe finden sich in der näheren Umgebung nicht. Hinzu kommt, dass die ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäude eben auch noch für eine landwirtschaftliche Nutzung „anfällig“ sind.
52 
Steht - mangels in der näheren Umgebung noch vorhandener landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Betriebe - auch kein Dorfgebiet in Rede, ist von einer sog. Gemengelage auszugehen, bei der sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB, sondern nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt.
53 
2. Im Hinblick auf den Ortsbauplan vom 30.03.1960, der einen auch im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB beachtlichen einfachen Bebauungsplan darstellen könnte, ließe sich jedenfalls noch kein Nachbarrechtsverstoß feststellen. Zwar bleibt das Bauvorhaben erheblich hinter der nach dem Ortsbauplan beizubehaltenden Baulinie zurück, doch ist eine solche „Zurückstellung“ nach der hier maßgeblichen Württembergischen Bauordnung - die Gemeinde der Beklagten gehörte seinerzeit noch zum Landkreis Calw und zu Württemberg-Baden - bis zu einer Tiefe von 50 m - gemessen ab der Linie - zulässig (vgl. Art. 34 Abs. 2 württ. BauO; hierzu Senatsurt. v. 04.12.2003 - 5 S 1746/02 -; Urt. v. 10.05.1996 - 5 S 393/95 -), sodass es auf die Wirksamkeit und eine etwaige nachbarschützende Wirkung dieser Festsetzung (über die überbaubare Grundstücksfläche) nicht mehr ankommt.
54 
3. Als Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts kommt danach lediglich noch ein Verstoß gegen das im Gebot des Einfügens des § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot in Betracht; darauf, ob sich das Bauvorhaben in jeder Hinsicht i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt, insbesondere den aus der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen überschreitet oder doch im Verhältnis zu dieser bewältigungsbedürftige Spannungen begründet, kommt es dabei entgegen der Auffassung der Kläger nicht an.
55 
Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, um so mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksicht-nahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 120). Dabei ist das Gebot der Rücksichtnahme nicht schon dann verletzt, wenn eine dem Nachbarn günstigere bauliche Lösung möglich ist. Andererseits setzt ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auch nicht voraus, dass der Nachbar schwer und unerträglich betroffen ist (BVerwG, Beschl. v. 20.09.1984 - 4 B 181.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 62; Senatsurt. v. 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -).
56 
Danach erweist sich das Bauvorhaben zwar insoweit gegenüber den Klägern als rücksichtslos, als eine gewerbliche Nutzung des Sand-/Reitplatzes in Rede steht. im Übrigen lässt sich jedoch ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht feststellen.
57 
Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme folgt nicht schon daraus, dass die Haltung von Pferden und demzufolge auch die Nutzung des Sand-/Reitplatzes typischerweise zu nachteiligen Auswirkungen für die Umgebung durch Gerüche, Geräusche und Staub sowie durch Fliegen und Ungeziefer führt (vgl. Senatsurt. v. 10.10.2003, a.a.O.; Nds. OVG, Urt. 04.02.2005 - 1 ME 291/04 -, RdL 2005, 121). Vielmehr sind im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot - anders als bei der oben aufgeworfenen Frage der Gebietsverträglichkeit - die konkreten Auswirkungen des gerade hier in Rede stehenden Vorhabens - privat wie gewerblich zu nutzender Sand-/Reitplatz in unmittelbarer Nähe der Außenwohnbereiche der Kläger - in den Blick zu nehmen. Insofern ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen auf dem Baugrundstück bereits Islandpferde halten, was für die Umgebung schon bisher mit Störungen verbunden war. Diese erscheinen allerdings weniger störend, weil sie im Wesentlichen vom nordöstlichen, bereits zum Außenbereich gehörenden Teil des Baugrundstücks ausgehen, wo die Islandpferde der Beigeladenen untergebracht sind bzw. sich - nach der Baugenehmigung - im angrenzenden Auslauf (gummierte Auslauffläche, Sandauslauf) aufhalten. Auch kann im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit der Kläger nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Bauvorhaben am Ortsrand und damit angrenzend an den ländlich - auch durch Pferdehaltung - geprägten Außenbereich ausgeführt wurde. Dies ändert gleichwohl nichts daran, dass die nähere Umgebung - ungeachtet ihrer Mitprägung durch nicht störende Gewerbebetriebe, Holzlagerplätze und ehemalige landwirtschaftliche, für andere Nutzungen „anfällige“ Gebäude - maßgeblich auch durch die in den Hauptgebäuden stattfindende Wohnnutzung bzw. Nutzungen geprägt wird, die auch in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig wären. Eine intensive Nutzung des Sand-/Reitplatzes, wie sie mit der gewerblichen „Kinderbetreuung“ schon im Hinblick auf die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht typischerweise und auch hier verbunden wäre (vgl. auch den von den Beigeladenen im Schreiben vom 04.06.2009 beanspruchten „gewissen Raum“), führte aufgrund der insgesamt zu erwartenden Störungen zu nachteiligen Auswirkungen für die Umgebung, die jedenfalls in unmittelbarer Nähe störungsempfindlicher Außenwohnbereiche nicht mehr zumutbar sind. Hierbei sind nicht nur Störungen zu berücksichtigen, die typischerweise mit einer Pferdehaltung verbunden sind, sondern auch solche, die gerade mit der bestimmungsgemäßen Nutzung des Sand-/Reitplatzes verbunden sind, nämlich nicht ganz zu vermeidende Staubaufwirbelungen, die von den zu betreuenden Kindern, etwaigen Zuschauern sowie den Betreuern ausgehenden Geräusche sowie mit dem An- und Abfahrtsverkehr verbundene Verkehrsemissionen. Daran ändert auch nichts, dass die Nutzung nach der Baubeschreibung in der Bauvoranfrage auf drei Stunden an den Werktagen beschränkt sein soll. Denn auch dies führte dazu, dass die rückwärtigen Außenwohnbereiche in einem gerade für die Erholung wesentlichen Zeitraum nicht mehr zweckentsprechend genutzt werden könnten. Auch die dem Bauvorbescheid beigefügten, zur effektiven Verhinderung von Störungen kaum geeigneten, weil wenig präzise und weitgehend vom „Wohlverhalten“ der Beigeladenen bzw. Dritter abhängigen Auflagen (vgl. OVG Saarland, Beschl. v. 04.12.2008 - 2 A 228/08 -) änderten daran nichts. Insofern kann dahinstehen, ob aufgrund der konkreten Bauvoranfrage, mit der erst die grundsätzliche Zulässigkeit der Bebauung und Nutzung geklärt werden sollte, überhaupt Raum für die von der Beklagten beigefügten Nebenbestimmungen war. Denn Nebenbestimmungen, die eine bestimmte Beschaffenheit des Vorhabens bzw. einen bestimmten - maximalen - Nutzungsumfang im Einzelnen sicherstellen sollen, sind in einem solchen Fall dem Baugenehmigungsverfahren vorzubehalten (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 03.04.1987 - 4 C 41.84 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 117).
58 
Mit vergleichbaren - kumulativ auftretenden - Störungen ist demgegenüber bei einer rein privaten Nutzung des Sand-/Reitplatzes, wie sie in der Baubeschreibung aufgezeigt wird, nicht zu rechnen. Zwar mag es auch dann - je nach den Windverhältnissen - zu Belästigungen durch aufgewirbelten Staub kommen, die nach dem Vorbringen der Kläger besonders störend sein sollen, doch erscheinen diese bei einer extensiven privaten Nutzung, wie sie hier in Rede steht, noch zumutbar, zumal im Baugenehmigungsverfahren erforderlichenfalls noch Auflagen zur Verhinderung eines übermäßigen Staubeintrags erteilt werden können. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil hinsichtlich der der Baugenehmigung vom 13.10.2004 beigefügten Auflagen offenbar ein von der Beklagten zu verantwortendes Vollzugsdefizit zu bestehen scheint. Auch die von den Klägern angeführten, schon bisher bestehenden Einsichtsmöglichkeiten auf ihr Grundstück führten ersichtlich noch nicht auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Schließlich kann in vorliegendem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Außenwohnbereiche der Kläger nicht zuletzt auch durch die auf ihren eigenen Grundstücken ausgeübten Nutzungen - Pferdehaltung, Betreiben eines Lagerplatzes für Holzabfälle auch mit entsprechendem Großgerät - vorbelastet sind. Dass diese im angrenzenden Außenbereich stattfinden, ändert nichts daran, dass die Schutzwürdigkeit ihrer Außenwohnbereiche auch dadurch gemindert erscheint.
59 
4. Dass das Bauvorhaben grundsätzlich gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften (etwa über die einzuhaltenden Abstandsflächentiefen) verstieße, die zumindest auch dem Schutze der Kläger zu dienen bestimmt wären, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
60 
Nach alledem war der Berufung teilweise stattzugeben, das angefochtene Urteil abzuändern und die baurechtliche Entscheidung der Beklagten vom 01.04.2009 hinsichtlich ihrer Ziff. 1, soweit mit ihr auch eine gewerbliche Nutzung des Sandplatzes für grundsätzlich zulässig erklärt wurde, ihrer allein auf eine gewerbliche Nutzung bezogenen Ziffer 3 (Stellplatzauflage) und der weiteren, die Nutzung des Platzes betreffenden „Auflagen“ aufzuheben. Diese konnten, da sie gleichermaßen für eine private wie gewerbliche Nutzung gelten sollten, auch nicht teilweise aufrecht erhalten bleiben, zumal sie nicht effektiv gewährleisteten, dass es bei der grundsätzlich zulässigen privaten Nutzung des Platzes zu keinen Unzuträglichkeiten kommt. Die erforderlichen Auflagen (präzisere Auflagen hinsichtlich des Abmistens und der Mistabfuhr, ggf. Vorkehrungen gegen einen übermäßigen Staubeintrag bei ungünstigen Windverhältnissen (vgl. § 22 Abs. 1 BImSchG), Begrenzung der täglichen maximalen Nutzungszeit (etwa auf zwei bis drei Stunden) sowie Einhaltung bestimmter Ruhezeiten (etwa vor 9.00 Uhr, zwischen 12.00 und 13.30 Uhr und nach 18.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen) wären im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren neu festzulegen, nachdem über diese - im Hinblick auf die eingereichte Bauvoranfrage und die lediglich ausgesprochene grundsätzliche Zulässigkeit - nicht schon im Bauvorbescheidsverfahren abschließend zu entscheiden war. Hierzu bestand umso weniger Veranlassung, als dem Bauvorbescheid zu keiner Zeit eine Gestattungswirkung zukam. Sollten die „Auflagen“ lediglich als „minus“ zu der aufgehobenen Nutzungsuntersagung gedacht gewesen sei, wäre hierüber ggf. noch in einer gesonderten Entscheidung nach § 65 LBO zu befinden.
61 
Die Kostenentscheidung bestimmt sich nach den §§ 154 Abs. 1 u. 3, 155 Abs. 1 Satz 1 Satz 1, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
62 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
63 
Beschluss vom 17. April 2013
64 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf EUR 7.500,-- festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs).
65 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
37 
Die vom Senat zugelassene Berufung der Kläger gegen den ihre Anfechtungsklage abweisenden Teil des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist zulässig. Sie wurde insbesondere innerhalb der einmonatigen Berufungsbegründungsfrist gegenüber dem erkennenden Gerichtshof begründet (vgl. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO).
38 
Die Berufung ist auch teilweise begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage auch insoweit abgewiesen, als die baurechtliche Entscheidung der Beklagten vom 01.04.2009 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26.03.2010 auch eine gewerbliche Nutzung des Sandplatzes für grundsätzlich zulässig erklärten (vgl. Ziffer 1 und 3); darüber hinaus waren die beigefügten, sich gleichermaßen auf eine private wie gewerbliche Nutzung beziehenden „Auflagen“ aufzuheben.
I.
39 
Die Anfechtungsklage ist statthaft (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) und auch sonst zulässig. Die Kläger können insbesondere geltend machen, dass mit der baurechtlichen Entscheidung des Landratsamts Enzkreis vom 01.04.2009, mit der den Beigeladenen ein positiver Bauvorbescheid für einen Sand-/Reitplatz für Pferde erteilt worden war, gegen auch ihren Interessen zu dienen bestimmte Vorschriften des Bauplanungsrechts verstoßen wurde. Denn es erscheint zumindest möglich, dass das Bauvorhaben - insbesondere bei einer Nutzung des Platzes im Rahmen einer gewerblichen „Kinderbetreuung“ - ungeachtet der der Entscheidung beigefügten „Auflagen“ gegen das im Gebot des Einfügens in die nähere Umgebung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Entsprechenden Auswirkungen, wie sie typischerweise und auch im vorliegenden Fall mit einer solchen Nutzung verbunden sind, waren die Kläger aufgrund der auf dem Grundstück bereits stattfindenden Pferdehaltung bisher nicht ausgesetzt.
II.
40 
Die auf die Bauvoranfrage der Beigeladenen hin getroffene Entscheidung zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Anlegung und sinngemäß auch der Nutzung des „Sandplatzes“ (Ziff. 1) ist, soweit sie eine gewerbliche Nutzung einschließt, rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit mit ihr lediglich eine private Nutzung für grundsätzlich zulässig erklärt wurde, verstößt die Entscheidung hingegen nicht gegen Vorschriften, die auch dem Schutze der Kläger zu dienen bestimmt sind.
41 
Maßgeblich für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist, da der Bauvorbescheid einen vorweggenommenen Teil der Baugenehmigung darstellt, wie bei deren Anfechtung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung des Bauvorbescheids (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.04.1978 - 4 C 96 u. 97.76 -, 406.11 § 34 BBauG Nr. 34, u. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155; Beschl. v. 23.04.1998 - 4 B 40.98 -, Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 87). Spätere Änderungen zu Lasten der Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu ihren Gunsten sind dagegen zu berücksichtigten.
42 
Bei der Beurteilung der angefochtenen, unter Ziffer 1 getroffenen Entscheidung kann dahinstehen, ob der zweifellos eine bauliche Anlage darstellende (umzäunte) Sandplatz verfahrensfrei errichtet werden konnte oder bereits seine Anlegung und nicht nur seine (private und/oder gewerbliche) Nutzung einer Baugenehmigung bedurfte. Entgegen der missverständlichen Formulierung in Ziffer 2 der Entscheidung („Nutzung bedarf der Baugenehmigung.“) ging die Beklagte in ihrer Begründung zu Recht von einer genehmigungspflichtigen Anlage aus. Diese kann nicht willkürlich in eine Einfriedigung im Innenbereich (vgl. Nr. 45 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO a.F.) und eine selbständige Aufschüttung bis 3 m Höhe (vgl. Nr. 67 des Anhangs) aufgespalten werden. Aufgrund ihres Durchmessers und ihres objektiven Nutzungszwecks kann auch nicht mehr von einer untergeordneten oder unbedeutenden baulichen Anlage i. S. der Nr. 72 des Anhangs gesprochen werden (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2008 - 6 K 778/08 -).
43 
Bauplanungsrechtlich ist die Zulässigkeit des Bauvorhabens - einer jedenfalls nicht mehr unter § 14 BauNVO unterfallenden Hauptnutzung - nach § 34 BauGB zu beurteilen. Denn der (mittlere) Teil des Baugrundstücks Flst. Nr. 1/2, auf dem das Bauvorhaben 2007 bereits verwirklicht wurde, liegt weder im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 BauGB) noch im (angrenzenden) Außenbereich (§ 35 BauGB).
44 
1. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften kommt nicht schon unter dem Gesichtspunkt eines - von (unzumutbaren) Beeinträchtigungen unabhängigen - sog. Gebietsbewahrungsanspruchs in Betracht. Zwar wäre ein Sand-/Reitplatz für Pferde in der hier in Rede stehenden Größe, der auch nicht als Anlage für sportliche Zwecke i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO angesehen werden kann, aufgrund der mit einem solchen typischerweise verbundenen Störungen - Geruchsbelästigungen, Ansammlungen von Fliegen, Geräuschbelästigungen, Staubaufwirbelungen - mit dem Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebiets nicht vereinbar (vgl. Senatsurt. v. 10.10.2003 - 5 S 1692/02 - m.w.N.; OVG Saarland, Beschl. v. 02.02.2009 - 2 B 439/08 -, BRS 74 Nr. 201). Zumindest bei einer gewerblichen Nutzung wäre er auch mit dem Gebietscharakter eines Mischgebiets unvereinbar, da er das Wohnen typischerweise wesentlich stören dürfte, (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.07.1988 - 1 A 46/87 -, BRS 48 Nr. 38). Aufgrund der nach der Baunutzungsverordnung gebotenen typisierenden Betrachtungsweise könnten daran auch die dem Bauvorbescheid beigefügten Auflagen nichts ändern; von einem atypischen Betrieb könnte jedenfalls nicht die Rede sein.
45 
Aufgrund des im Rahmen der mündlichen Verhandlung durchgeführten Augenscheins hat der Senat indes nicht festzustellen vermocht, dass die Eigenart der näheren Umgebung einem allgemeinen Wohngebiet i. S. des § 4 BauNVO oder einem Mischgebiet i. S. des § 6 BauNVO34 Abs. 2 BauGB) entspräche, was indes hier Voraussetzung für einen Gebietsbewahrungsanspruch wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151; Senatsurt. v. 10.10.2003, a.a.O.).
46 
a) Zunächst kann nicht von einem allgemeinen Wohngebiet i. S. des § 4 BauNVO ausgegangen werden; von einem reinen Wohngebiet i. S. des § 3 BauNVO könnte aufgrund der vorhandenen gewerblichen Nutzungen und der verschiedentlich als Hauptnutzung anzutreffenden Holzlagerplätze von vornherein nicht gesprochen werden.
47 
Ein allgemeines Wohngebiet kommt schon mit Rücksicht auf die auf dem Baugrundstück bereits stattfindende Pferdehaltung nicht in Betracht. Eine solche widerspricht grundsätzlich der Eigenart eines allgemeinen Wohngebiets (vgl. Senatsurt. v. 10.10.2003, a.a.O., m.w.N.). Auch hier verhält es sich nicht anders. Zwar sind die von den Beigeladenen gehaltenen drei Islandpferde zumindest ganz überwiegend in dem 2004 genehmigten, im angrenzenden Außenbereich gelegenen Pferdeunterstand in der Nordwestecke des Baugrundstücks untergebracht und die Auslauffläche grundsätzlich auf die östlich davon angelegte, ebenfalls dem Außenbereich zuzuordnende Paddock-Fläche beschränkt (vgl. die Baubeschreibung v. 04.05.2004; zur Abgrenzung Innen-/Außenbereich VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.11.1993 - 5 S 1991/93 -; zur Teilnahme am Bebauungszusammenhang allerdings auch BVerwG, Beschl. v. 06.03.1992 - 4 B 35.92 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 149). Insofern könnte die Pferdehaltung, die sich allerdings schon aus tatsächlichen Gründen nicht auf diesen Teil des Grundstücks begrenzen lässt (Führen bzw. Transport der Pferde über das Grundstück zur H... Straße; vgl. hierzu auch Senatsurt. v. 10.10.2003, a.a.O., Rn. 39 a. E.), noch wohngebietsverträglich sein (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 15.10.2009 - 15 B 08.2380 -, BRS 74 Nr. 64). Dem stehen hier jedoch die eher engen räumlichen Verhältnisse auf dem Baugrundstück entgegen, die es ausschließen, die typischen mit der Pferdehaltung verbundenen Störungen auf ausreichend von den benachbarten Wohngrundstücken entfernte Grundstücksteile zu begrenzen. Dies gälte umso mehr, wenn - was hier letztlich dahinstehen kann - von den nach entsprechender Vorbereitung (Leerräumen, Einstreuen) (wieder) als Ponyunterstand nutzbaren Keller- bzw. Abstellräume im Wohngebäude der Beigeladenen noch zum 01.04.2009 eine entsprechende Prägung ausging; die Umnutzung dieser Räume war 2002 - ohne wesentliche Umbaumaßnahmen - genehmigt worden. Auf die weitere Wirksamkeit der Baugenehmigung käme es insoweit nicht an, vielmehr allein darauf, ob die einmal - wenn auch nur punktuell - aufgenommene Nutzung aufgrund der objektiven Beschaffenheit der Räume trotz der inzwischen ausgeübten anderweitigen Nutzungen noch prägende Wirkung entfaltete (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.05.2002 - 4 C 6.01 -, Buchholz 406.11 § 154 BauGB Nr. 4). Die Pferdenutzung stellt entgegen der Auffassung der Kläger auch keinen bei der Beurteilung des Gebietscharakters nicht zu berücksichtigenden Fremdkörper dar (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - 4 C 23.86 -, BVerwGE 84, 322; Urt. v. 07.12.2006 - 4 C 11.05 -, BVerwGE 127, 231). Dem stehen schon die in der nächsten Umgebung insbesondere im rückwärtigen Bereich noch anzutreffenden ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäude (Scheunen, Schuppen) entgegen, die nach der Verkehrsauffassung noch für die (Wieder-)Aufnahme anderer (etwa landwirtschaftlicher oder gewerblicher) Nutzungen als dem Wohnen „anfällig“ sind (vgl. BayVGH, Urt. v. 19.09.2007 - 25 B 05.1076 -, BauR 2008, 1119). Denn für die Eigenart der näheren Umgebung sind nicht nur ausgeübte Nutzungen von Bedeutung, sondern auch all das, was sich, ohne Fremdkörper zu sein, in der vorhandenen Bebauung niederschlägt und so den bodenrechtlichen Charakter beeinflusst (vgl. BayVGH, Urt. v. 19.09.2007, a.a.O.).
48 
Darüber hinaus sprechen weitere Nutzungen in der näheren Umgebung gegen die Annahme eines allgemeinen Wohngebiets. Neben der Wohnnutzung, die weitgehend nicht planähnlich, sondern durch Aufgabe anderer, nämlich landwirtschaftlicher Nutzungen entstanden war, werden oder wurden zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung des Bauvorbescheids Nutzungen ausgeübt, die mit der Eigenart eines allgemeinen Wohngebiets nicht zu vereinbaren sind. So finden sich nördlich der H... Straße im Abschnitt zwischen den Gebäuden 12 (Ortseingang) und 36 in Höhe der S... Straße, die jedenfalls noch zur näheren Umgebung gehören, zunächst zahlreiche ehemalige landwirtschaftliche Gebäude (Scheunen, rückwärtig angebaute Schuppen), die nicht nur „anfällig“ für andere Nutzungen als dem Wohnen erscheinen (H... Straße ... und ...), sondern in denen teilweise auch derzeit nicht Wohnzwecken dienende Nutzungen ausgeübt werden. Dazu zählen das Unterstellen eines Traktors hinter dem Gebäude H... Straße ... und die Unterhaltung von Holzlagerplätzen, die schon aufgrund ihrer Größe keine zulässigen Nebenanlagen zur Wohnnutzung mehr darstellen (wie etwa auf dem Grundstück H... Straße ...), sondern als selbständige Hauptnutzungen anzusprechen sind und von denen bei zweckentsprechender Nutzung typischerweise Störungen ausgehen (Grundstücke H... Straße ..., ... und ...). Darüber hinaus finden sich in diesem Bereich eine ganze Reihe - wenn auch nicht störender - gewerblicher Nutzungen, welche in einem allgemeinen Wohngebiet nur ausnahmsweise zulässig wären (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). So wird auf dem klägerischen Grundstück ein Teehandel betrieben, auf dem Grundstück der Beigeladenen findet Film- und Videoproduktion statt und auf dem Grundstück H... Straße ... befindet sich ein „Garagenlädle“, in dem augenscheinlich „Filz/Stein/Schmuck“ vertrieben wird. Auf dem Grundstück H... Straße ... fand sich jedenfalls beim vom Verwaltungsgericht eingenommenen Augenschein auch noch ein Brennstoffhandel sowie auf dem Grundstück H...- Straße ... ein Vertrieb von Kosmetikartikeln (vgl. die hierüber gefertigte Niederschrift v. 24.03.2011, AS 105 der VG-Akten). Dafür, dass diese Nutzungen erst nach Erteilung des Bauvorbescheids aufgenommen worden wären, spricht nichts; auch die Kläger haben dies zu keiner Zeit behauptet.
49 
Das südlich der H... Straße und westlich der S... Straße gelegene Gasthaus/Pension/Café „...“ (H... Straße ...), das ca. 130 m vom Bauvorhaben entfernt ist, gehört dagegen bei einer natürlichen Betrachtungsweise - nicht zuletzt aufgrund der topografischen Verhältnisse (ansteigende S-Kurve) - nicht mehr zur näheren Umgebung, sodass dahinstehen kann, ob es lediglich der Gebietsversorgung i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dient. Erst Recht rechnet das dazugehörende, zurückgesetzte Scheunen- bzw. Stallgebäude (H... Straße ...), in dem - äußerlich nicht ohne Weiteres erkennbar - Hobby-Großviehhaltung bzw. „Hobby-Landwirtschaft“ (zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch 12 Rinder und 2 Ziegen) betrieben wird, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mehr zur näheren Umgebung. Schon gar nicht gehört das auf dem Grundstück H... Straße ... in zweiter Reihe betriebene Baugeschäft, das ca. 180 m vom Bauvorhaben entfernte Transportunternehmen nebst Holzhandel auf dem Grundstück H... Straße ... sowie die auf dem Grundstück H... Straße ... betriebene Landwirtschaft (mit Pferdehaltung) noch zur näheren Umgebung (vgl. hierzu allerdings OVG Rh.-Pf. Urt. v. 30.04.2010 - 1 A 11294/09 -, Rn. 28). Gleiches gilt für die ca. 150 m gegenüber dem Baugrundstück entfernt stattfindende Hühnerhaltung weit jenseits der H...- Straße. Von den letzteren Nutzungen ausgehende Störwirkungen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, ließen sich auf dem Baugrundstück nicht feststellen.
50 
Dass sich auf der gegenüberliegenden Seite der H... Straße im Abschnitt zwischen S... Straße und Ortseingang überwiegend Wohnnutzung findet, vermag vor diesem Hintergrund nicht dazu zu führen, dass das Baugebiet deswegen noch als allgemeines Wohngebiet anzusprechen wäre. Auch gehört diese Bebauung schon aufgrund ihrer abweichenden Nutzungsstruktur nicht mehr zur näheren Umgebung des Bauvorhabens. Zwar sind auch dort noch vereinzelt ehemalige Scheunengebäude festzustellen (H... Straße ... und ...), doch sind diese inzwischen ersichtlich der Wohnnutzung untergeordnet bzw. in diese integriert und insofern für andere Nutzungen nicht mehr „anfällig“. Auch gewerbliche Nutzungen finden sich in diesem Abschnitt nicht.
51 
b) Aber auch von einem Mischgebiet i. S. des § 6 BauNVO kann danach nicht die Rede sein, sodass ein Gebietsbewahrungsanspruch jedenfalls ausscheidet. Denn das Wohnen - nicht wesentlich - störende Gewerbebetriebe finden sich in der näheren Umgebung nicht. Hinzu kommt, dass die ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäude eben auch noch für eine landwirtschaftliche Nutzung „anfällig“ sind.
52 
Steht - mangels in der näheren Umgebung noch vorhandener landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Betriebe - auch kein Dorfgebiet in Rede, ist von einer sog. Gemengelage auszugehen, bei der sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB, sondern nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt.
53 
2. Im Hinblick auf den Ortsbauplan vom 30.03.1960, der einen auch im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB beachtlichen einfachen Bebauungsplan darstellen könnte, ließe sich jedenfalls noch kein Nachbarrechtsverstoß feststellen. Zwar bleibt das Bauvorhaben erheblich hinter der nach dem Ortsbauplan beizubehaltenden Baulinie zurück, doch ist eine solche „Zurückstellung“ nach der hier maßgeblichen Württembergischen Bauordnung - die Gemeinde der Beklagten gehörte seinerzeit noch zum Landkreis Calw und zu Württemberg-Baden - bis zu einer Tiefe von 50 m - gemessen ab der Linie - zulässig (vgl. Art. 34 Abs. 2 württ. BauO; hierzu Senatsurt. v. 04.12.2003 - 5 S 1746/02 -; Urt. v. 10.05.1996 - 5 S 393/95 -), sodass es auf die Wirksamkeit und eine etwaige nachbarschützende Wirkung dieser Festsetzung (über die überbaubare Grundstücksfläche) nicht mehr ankommt.
54 
3. Als Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts kommt danach lediglich noch ein Verstoß gegen das im Gebot des Einfügens des § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot in Betracht; darauf, ob sich das Bauvorhaben in jeder Hinsicht i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt, insbesondere den aus der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen überschreitet oder doch im Verhältnis zu dieser bewältigungsbedürftige Spannungen begründet, kommt es dabei entgegen der Auffassung der Kläger nicht an.
55 
Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, um so mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksicht-nahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 120). Dabei ist das Gebot der Rücksichtnahme nicht schon dann verletzt, wenn eine dem Nachbarn günstigere bauliche Lösung möglich ist. Andererseits setzt ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auch nicht voraus, dass der Nachbar schwer und unerträglich betroffen ist (BVerwG, Beschl. v. 20.09.1984 - 4 B 181.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 62; Senatsurt. v. 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -).
56 
Danach erweist sich das Bauvorhaben zwar insoweit gegenüber den Klägern als rücksichtslos, als eine gewerbliche Nutzung des Sand-/Reitplatzes in Rede steht. im Übrigen lässt sich jedoch ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht feststellen.
57 
Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme folgt nicht schon daraus, dass die Haltung von Pferden und demzufolge auch die Nutzung des Sand-/Reitplatzes typischerweise zu nachteiligen Auswirkungen für die Umgebung durch Gerüche, Geräusche und Staub sowie durch Fliegen und Ungeziefer führt (vgl. Senatsurt. v. 10.10.2003, a.a.O.; Nds. OVG, Urt. 04.02.2005 - 1 ME 291/04 -, RdL 2005, 121). Vielmehr sind im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot - anders als bei der oben aufgeworfenen Frage der Gebietsverträglichkeit - die konkreten Auswirkungen des gerade hier in Rede stehenden Vorhabens - privat wie gewerblich zu nutzender Sand-/Reitplatz in unmittelbarer Nähe der Außenwohnbereiche der Kläger - in den Blick zu nehmen. Insofern ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen auf dem Baugrundstück bereits Islandpferde halten, was für die Umgebung schon bisher mit Störungen verbunden war. Diese erscheinen allerdings weniger störend, weil sie im Wesentlichen vom nordöstlichen, bereits zum Außenbereich gehörenden Teil des Baugrundstücks ausgehen, wo die Islandpferde der Beigeladenen untergebracht sind bzw. sich - nach der Baugenehmigung - im angrenzenden Auslauf (gummierte Auslauffläche, Sandauslauf) aufhalten. Auch kann im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit der Kläger nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Bauvorhaben am Ortsrand und damit angrenzend an den ländlich - auch durch Pferdehaltung - geprägten Außenbereich ausgeführt wurde. Dies ändert gleichwohl nichts daran, dass die nähere Umgebung - ungeachtet ihrer Mitprägung durch nicht störende Gewerbebetriebe, Holzlagerplätze und ehemalige landwirtschaftliche, für andere Nutzungen „anfällige“ Gebäude - maßgeblich auch durch die in den Hauptgebäuden stattfindende Wohnnutzung bzw. Nutzungen geprägt wird, die auch in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig wären. Eine intensive Nutzung des Sand-/Reitplatzes, wie sie mit der gewerblichen „Kinderbetreuung“ schon im Hinblick auf die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht typischerweise und auch hier verbunden wäre (vgl. auch den von den Beigeladenen im Schreiben vom 04.06.2009 beanspruchten „gewissen Raum“), führte aufgrund der insgesamt zu erwartenden Störungen zu nachteiligen Auswirkungen für die Umgebung, die jedenfalls in unmittelbarer Nähe störungsempfindlicher Außenwohnbereiche nicht mehr zumutbar sind. Hierbei sind nicht nur Störungen zu berücksichtigen, die typischerweise mit einer Pferdehaltung verbunden sind, sondern auch solche, die gerade mit der bestimmungsgemäßen Nutzung des Sand-/Reitplatzes verbunden sind, nämlich nicht ganz zu vermeidende Staubaufwirbelungen, die von den zu betreuenden Kindern, etwaigen Zuschauern sowie den Betreuern ausgehenden Geräusche sowie mit dem An- und Abfahrtsverkehr verbundene Verkehrsemissionen. Daran ändert auch nichts, dass die Nutzung nach der Baubeschreibung in der Bauvoranfrage auf drei Stunden an den Werktagen beschränkt sein soll. Denn auch dies führte dazu, dass die rückwärtigen Außenwohnbereiche in einem gerade für die Erholung wesentlichen Zeitraum nicht mehr zweckentsprechend genutzt werden könnten. Auch die dem Bauvorbescheid beigefügten, zur effektiven Verhinderung von Störungen kaum geeigneten, weil wenig präzise und weitgehend vom „Wohlverhalten“ der Beigeladenen bzw. Dritter abhängigen Auflagen (vgl. OVG Saarland, Beschl. v. 04.12.2008 - 2 A 228/08 -) änderten daran nichts. Insofern kann dahinstehen, ob aufgrund der konkreten Bauvoranfrage, mit der erst die grundsätzliche Zulässigkeit der Bebauung und Nutzung geklärt werden sollte, überhaupt Raum für die von der Beklagten beigefügten Nebenbestimmungen war. Denn Nebenbestimmungen, die eine bestimmte Beschaffenheit des Vorhabens bzw. einen bestimmten - maximalen - Nutzungsumfang im Einzelnen sicherstellen sollen, sind in einem solchen Fall dem Baugenehmigungsverfahren vorzubehalten (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 03.04.1987 - 4 C 41.84 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 117).
58 
Mit vergleichbaren - kumulativ auftretenden - Störungen ist demgegenüber bei einer rein privaten Nutzung des Sand-/Reitplatzes, wie sie in der Baubeschreibung aufgezeigt wird, nicht zu rechnen. Zwar mag es auch dann - je nach den Windverhältnissen - zu Belästigungen durch aufgewirbelten Staub kommen, die nach dem Vorbringen der Kläger besonders störend sein sollen, doch erscheinen diese bei einer extensiven privaten Nutzung, wie sie hier in Rede steht, noch zumutbar, zumal im Baugenehmigungsverfahren erforderlichenfalls noch Auflagen zur Verhinderung eines übermäßigen Staubeintrags erteilt werden können. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil hinsichtlich der der Baugenehmigung vom 13.10.2004 beigefügten Auflagen offenbar ein von der Beklagten zu verantwortendes Vollzugsdefizit zu bestehen scheint. Auch die von den Klägern angeführten, schon bisher bestehenden Einsichtsmöglichkeiten auf ihr Grundstück führten ersichtlich noch nicht auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Schließlich kann in vorliegendem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Außenwohnbereiche der Kläger nicht zuletzt auch durch die auf ihren eigenen Grundstücken ausgeübten Nutzungen - Pferdehaltung, Betreiben eines Lagerplatzes für Holzabfälle auch mit entsprechendem Großgerät - vorbelastet sind. Dass diese im angrenzenden Außenbereich stattfinden, ändert nichts daran, dass die Schutzwürdigkeit ihrer Außenwohnbereiche auch dadurch gemindert erscheint.
59 
4. Dass das Bauvorhaben grundsätzlich gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften (etwa über die einzuhaltenden Abstandsflächentiefen) verstieße, die zumindest auch dem Schutze der Kläger zu dienen bestimmt wären, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
60 
Nach alledem war der Berufung teilweise stattzugeben, das angefochtene Urteil abzuändern und die baurechtliche Entscheidung der Beklagten vom 01.04.2009 hinsichtlich ihrer Ziff. 1, soweit mit ihr auch eine gewerbliche Nutzung des Sandplatzes für grundsätzlich zulässig erklärt wurde, ihrer allein auf eine gewerbliche Nutzung bezogenen Ziffer 3 (Stellplatzauflage) und der weiteren, die Nutzung des Platzes betreffenden „Auflagen“ aufzuheben. Diese konnten, da sie gleichermaßen für eine private wie gewerbliche Nutzung gelten sollten, auch nicht teilweise aufrecht erhalten bleiben, zumal sie nicht effektiv gewährleisteten, dass es bei der grundsätzlich zulässigen privaten Nutzung des Platzes zu keinen Unzuträglichkeiten kommt. Die erforderlichen Auflagen (präzisere Auflagen hinsichtlich des Abmistens und der Mistabfuhr, ggf. Vorkehrungen gegen einen übermäßigen Staubeintrag bei ungünstigen Windverhältnissen (vgl. § 22 Abs. 1 BImSchG), Begrenzung der täglichen maximalen Nutzungszeit (etwa auf zwei bis drei Stunden) sowie Einhaltung bestimmter Ruhezeiten (etwa vor 9.00 Uhr, zwischen 12.00 und 13.30 Uhr und nach 18.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen) wären im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren neu festzulegen, nachdem über diese - im Hinblick auf die eingereichte Bauvoranfrage und die lediglich ausgesprochene grundsätzliche Zulässigkeit - nicht schon im Bauvorbescheidsverfahren abschließend zu entscheiden war. Hierzu bestand umso weniger Veranlassung, als dem Bauvorbescheid zu keiner Zeit eine Gestattungswirkung zukam. Sollten die „Auflagen“ lediglich als „minus“ zu der aufgehobenen Nutzungsuntersagung gedacht gewesen sei, wäre hierüber ggf. noch in einer gesonderten Entscheidung nach § 65 LBO zu befinden.
61 
Die Kostenentscheidung bestimmt sich nach den §§ 154 Abs. 1 u. 3, 155 Abs. 1 Satz 1 Satz 1, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
62 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
63 
Beschluss vom 17. April 2013
64 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf EUR 7.500,-- festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs).
65 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beigeladene auf den Bauvorbescheid verzichtet und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2014 - 4 K 4392/12 - ist insoweit unwirksam.

Im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerinnen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2014 - 4 K 4392/12 - geändert.

Der Bauvorbescheid der Beklagten vom 1. August 2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26. November 2012 werden aufgehoben, soweit diese durch den Teilverzicht nicht unwirksam geworden sind.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen in beiden Rechtszügen; im Übrigen tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerinnen wenden sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid über die bauplanungs- und abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage.
Die Klägerin zu 1 ist Eigentümerin der in der historischen Altstadt von Isny gelegenen Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2, ... Straße 11 und 11a, an denen die Klägerin zu 2 das Nießbrauchsrecht hat. Die ... Straße ist als Fußgängerzone ausgebildet, die zum Marktplatz führt. Entlang der quartierbildenden Straßen der Altstadt - zu denen auch die ... Straße gehört - sind die Gebäude mit ihren Giebel- oder Traufseiten jeweils direkt an den Straßen in geschlossener Bauweise errichtet. Das Grundstück Flst.Nr. 30, ... Straße 11, ist mit einem viergeschossigen Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Mit den Giebelseiten ist es im Nordosten an das Wohn- und Geschäftsgebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 29/1, ...-Straße 13, und im Südwesten an das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 27/2, ... Straße 9, in dem sich eine Gaststätte befindet, jeweils grenzständig errichtet. Im rückwärtigen Hofbereich des Flst.Nr. 30 schließt sich nordwestlich das Grundstück Flst.Nr. 30/2, ... Straße 11a, an. Dieses Grundstück ist mit einem dreigeschossigen Wohngebäude mit einer Firsthöhe von ca. 11 m bebaut. Im zweiten Obergeschoss wurde ein nach Westen und Süden ausgerichteter Freisitz eingebaut. Das Gebäude, hält zu den Grenzen der nordöstlich anschließenden Grundstücke Flst.Nr. 28, das mit einer Garage bebaut ist, und Flst.Nr. 29, das unbebaut ist, sowie zur Grenze des mit einer Garage und einem Schuppengebäude bebauten südwestlich anschließenden Grundstücks Flst.Nr. 33/1 keine Abstände ein. Der Zugang zu dem Wohngebäude ... Straße 11a erfolgt über eine private Verkehrsfläche von der Straße „...“. Der Schuppen auf dem Flst.Nr. 33/1, der als Garage genutzt wird, ist in einer Länge von ca. 13,75 m auf der Grenze zum Grundstück Flst.Nr. 30/2 an das Wohngebäude ...-... Straße 11a angebaut.
Die Beigeladenen sind Eigentümer der Grundstücke Flst.Nrn. 27/2 und 33, ... Straße 9 und 7. Das Grundstück Flst.Nr. 33 ist mit einem ca. 50 m tiefen und 10 - 15 m breiten Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Im hinteren Grundstücksbereich sind 15 Stellplätze angelegt. Der vordere Gebäudeteil ist an der ... Straße an den Grenzen zu den Grundstücken Flst.Nr. 27/2, ... Straße 9, und Flst.Nr. 20, ... Straße 5, errichtet. Im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Flst.Nr. 33 wurden aufgrund einer Baugenehmigung der Beklagten vom 27.03.1974 ein ca. 31 m langer und ca. 13 m breiter Anbau mit einem Großraumladen und drei Wohnungen sowie 15 Stellplätze errichtet. Der Anbau ist an den Grenzen zu den nordöstlich anschließenden Grundstücke Flst.Nrn. 33/1 und 27/2 errichtet.
Die genannten Grundstücke liegen in den Geltungsbereichen des nicht qualifizierten Bebauungsplans „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 der Beklagten, der für die Grundstücke ein Mischgebiet festsetzt, der vom Regierungspräsidium Tübingen als höhere Denkmalschutzbehörde erlassenen Verordnung über die Gesamtanlage „Altstadt Isny i.A.“ vom 15.12.1983 und der Satzung der Beklagten zur „Erhaltung baulicher Anlagen sowie über örtliche Bauvorschriften in der Stadt Isny im Allgäu“ vom 04.11.1981 (Altstadtsatzung). Das Gebäude ... Straße 11 und der vordere Teil des Gebäudes ... Straße 7 sind darüber hinaus als Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung in das Denkmalbuch eingetragen.
Am 06.03.2012 beantragte die Beigeladene die Erteilung eines Bauvorbescheids über die bauplanungsrechtliche und abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 33 und 33/1, ... Straße 7 und 9. Nach den eingereichten Bauvorlagen ist auf den Grundstücken die Errichtung eines ca. 70 m langen und zwischen 9 und 27 m breiten Neubaus vorgesehen. Das Gebäude soll mit seiner gesamten Länge an den Grenzen zu den Grundstücken Flst.Nr. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 errichtet werden. Der Baukörper gliedert sich im vorderen Teil an der ... Straße in einen ca. 8,66 m breiten und ca. 23 m langen zunächst zweigeschossigen, dann dreigeschossigen Flachdachbau. An diesen schließt sich im mittleren Bereich ein ca. 22 m langer und ca. 13 m breiter weiterer Flachdachbau an, der ca. auf Höhe des Gebäudes ... Straße 11a in einen viergeschossigen Querbau mit Satteldach (Firsthöhe 17 m bis 18 m) übergeht. Daran folgt ein weiterer eingeschossiger, ca. 6,20 m langer Flachdachanbau. Der 22 m lange Neubau im mittleren Bereich soll nach den Bauvorlagen in einer Höhe zwischen 4,60 m und 5,10 m eingeschossig an der Grenze zu den Grundstücken der Klägerin zu 1 errichtet werden. Die Außenwand seines ersten Obergeschosses springt gegenüber den Grenzen der Grundstücke der Klägerin zu 1 zwischen 2,75 m und 2,97 m zurück, die Außenwand des zweiten Obergeschosses zwischen 9 und 10 m. Auf diesem Rücksprung ist die Anlegung einer 157,85 qm großen Terrasse vorgesehen. Im dritten Obergeschoss soll auf dem Flachdach eine weitere, 267,05 qm große Terrasse angelegt werden Nach den Bauvorlagen sollen im Untergeschoß 51 Stellplätze sowie ein Lager eingerichtet werden. Für das Erdgeschoss findet sich der Eintrag „Gewerbe“, für das erste Obergeschoss der Eintrag „Gewerbe, Arztpraxen/Büro/Wohnungen“ und für das zweite Obergeschoss der Eintrag „ Arztpraxen, Büro, Wohnungen“.
Die Klägerinnen erhoben mit Schreiben vom 10.04.2012 Einwendungen gegen das geplante Bauvorhaben. Sie wandten sich im Wesentlichen gegen die geplante Grenzbebauung und befürchteten die Gefahr von Schäden an ihren Gebäuden. Der geplante Baukörper widerspreche auch der Eigenart der näheren Umgebung. Insbesondere seine Höhe führe zu einer unzumutbaren Beschattung vor allem des Wohnhauses ... Straße 11a. Die Nutzung der vorgesehenen Freiflächen führe ebenso wie der durch das Vorhaben entstehende Verkehr zu einer unzumutbaren Lärmbelastung für ihre Grundstücke.
Die Beklagte erteilte am 01.08.2012 unter Zurückweisung der von den Klägerinnen und anderer Angrenzer erhobenen Einwendungen den folgenden Bauvorbescheid:
„1. Die bebauungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens (§§ 29 Abs. 1, 34 BauGB) wird festgestellt (Bebauungsgenehmigung).
2. Der Standort des Vorhabens befindet sich im unbeplanten Innenbereich und ist als Innenbereichsvorhaben gem. § 34 BauGB grundsätzlich zulässig.
10 
3. Mit dem Vorhaben werden die Abstandsflächenvorschriften gem. §§ 5 und 6 LBO eingehalten.
11 
4. Zu den weiteren Fragen des Vorhabens wie beispielsweise vorbeugender Brandschutz, Nutzung und daraus resultierende Zahl der erforderlichen Stellplätze samt deren Nachweis, denkmalschutzrechtliche Belange sowie Nachweise über die Feuerwehrzufahrt und notwendigen Feuerwehraufstellflächen etc. wird mit diesem Bauvorbescheid keine Aussage getroffen.“
12 
Bestandteil des Bauvorbescheids seien die von der Beigeladenen eingereichten Bauvorlagen vom 29.02.2012 (Lageplan, Abstandsflächenplan, Grundrisspläne und Schnitte).
13 
Die Klägerinnen erhoben am 29.08.2012 Widerspruch. Der Bauvorbescheid sei zu ihren Lasten rechtswidrig. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Weder hinsichtlich seiner Größe, der Gesamtlänge, der Breite und der Höhe sei es mit der vorhandenen Häuserstruktur in Einklang zu bringen. Gebäude in der Größe des geplanten Komplexes seien in der näheren Umgebung nicht vorhanden. Das geplante Vorhaben entfalte eine erdrückende Wirkung auf die Gebäude ... Straße 11 und 11a. Es stelle sich als Fremdkörper dar und führe im Hinterhof der Grundstücke der Klägerin zu 1 zu einer „Gefängnishofatmosphäre“. Das Wohngebäude ... Straße 11a würde über die gesamte Grundstückslänge hinweg vollständig eingemauert werden.
14 
Das Regierungspräsidium Tübingen wies die Widersprüche der Klägerinnen mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2012 zurück.
15 
Am 20.12.2012 haben die Klägerinnen Klagen beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben mit dem Antrag, den Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 aufzuheben.
16 
In der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2014 hat die Beigeladene zu Protokoll des Verwaltungsgerichts erklärt, auf die Nutzungsangabe „Gewerbe“ für das erste Obergeschoss und für das Erdgeschoss auf Nutzungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, mit Ausnahme von „Einzelhandelsbetriebe“, und nach § 6 Abs. 2 Nr. 6, 7, 8 und § 6 Abs. 3 BauNVO zu verzichten.
17 
Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26.03.2014 die Klagen abgewiesen und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bauvorbescheid sei rechtmäßig. Zwar seien die Bauvorlagen, die Bestandteil des Bauvorbescheids seien, fehlerhaft. Die Regelungen zu den Bauvorlagen seien jedoch lediglich formelle Ordnungsvorschriften ohne nachbarschützende Wirkung. Etwas anderes gelte nur, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen andere nachbarschützende Vorschriften nicht geprüft oder deren Verletzung nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könnten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Eine Verletzung von Nachbarrechten ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte die zum Bestandteil des Bauvorbescheids gemachten Bauvorlagen mit dem Stempel „Genehmigt im Baugenehmigungsverfahren nach § 58 LBO, 1. Aug. 2012, Stadt Isny im Allgäu“ und mit dem Siegel der Stadt versehen habe. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Vorschriften der Altstadtsatzung der Beklagten berufen. Deren Gestaltungsvorschriften seien nicht Gegenstand der Bauvoranfrage. Gleiches gelte für die geltend gemachte Beeinträchtigung der Denkmaleigenschaft des Gebäudes ... Straße 11.
18 
Das Bauvorhaben verstoße nicht gegen die von der Beklagten zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften, soweit diese zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen dienten. Das Vorhaben verletze nicht einen sich aus dem Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 ergebenden Gebietserhaltungsanspruch der Klägerinnen. Der Bebauungsplan weise für die Grundstücke ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO aus, mit dem die für das Bauvorhaben unter Berücksichtigung der Protokollerklärungen vorgesehen Nutzungen im Einklang stünden. Gleiches gelte bei einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans, da das maßgebliche Quartier einem Mischgebiet entspreche. Im Übrigen sei das Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehle. Maßstabsbildend für das Einfügen sei das Quartier zwischen ... Straße, ... Gasse, der Straße ..., ... Straße und ... Straße. Das sich aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebende Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Das Vorhaben füge sich nach der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Hinsichtlich der überbauten Grundstücksfläche werde der im Quartier vorgegebene Rahmen durch die vollständig überbauten Grundstücke ... Straße 15, ... Straße 10 und ... Gasse 22 bestimmt. Gleiches gelte bezüglich der Bauweise. Während sich entlang der quartierbildenden Straßen durchgehend geschlossene Bebauung finde, gelte dies nicht für die rückwärtigen Grundstücksbereiche, auf denen zum Teil geschlossene und zum Teil offene Bauweise anzutreffen sei. Eine durch faktische Baugrenzen vorgegebene Bebauungstiefe sei nicht feststellbar. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung füge sich das Vorhaben zwar nur hinsichtlich der vorgesehenen Gebäudehöhen in die Eigenart der näheren Umgebung ein, nicht dagegen bezüglich seiner Länge, Breite und Kubatur. Hieraus ergebe sich jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Klägerinnen. Das Vorhaben entfalte keine erdrückende Wirkung. Hierbei sei einzustellen, dass die von den Klägerinnen als belastend angeführte Gesamtlänge der Grenzwand des Vorhabens von 70 m nur auf ca. 32 m als zusätzliche Grenzbebauung in Erscheinung treten, weil die Beigeladene auf einer Länge von 38 m an die bereits vorhandene umfangreiche Grenzbebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 anbaue. Die Situation auf den bislang unbebauten Grundstücksbereichen würde gegenüber dem derzeitigen Zustand nicht unzumutbar verschlechtert. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 derzeit vorhandenen zusätzlichen Grenzmauern und dem Zustand im rückwärtigen Hofbereich des Grundstücks Flst.Nr. 27/2. Eine erdrückende Wirkung und der Eindruck des Eingemauertseins seien auch nicht deshalb festzustellen, weil die Grundstücke der Klägerin zu 1 im Nordosten und Nordwesten frei von Bebauung seien und die geplante Grenzwand im mittleren Bereich des Vorhabens eine Höhe von 4,6 bis 5,1 m und im rückwärtigen Bereich von 4,6 m nicht überschreite. Den Umstand, dass der geplante Neubau das Gebäude ... Straße 11a erheblich überrage und damit unter anderem die Vorteile der Nutzung des Freisitzes im Dachgeschoss und den Lichteinfall mindere, müssten die Klägerinnen hinnehmen. Sie würden dadurch nicht unzumutbar benachteiligt, weil der Beigeladenen im Austauschverhältnis nicht versagt werden könne, was die Klägerinnen mit ihrer Grenzbebauung für sich beansprucht hätten. Auch die planungsrechtliche Untätigkeit der Beklagten verletze keine Nachbarrechte der Klägerinnen und begründe insbesondere nicht die Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens. Ein Anspruch der Klägerinnen auf eine ihre Nutzungen schützende Überplanung des Innenbereichs des Quartiers bestehe nach dem Baugesetzbuch nicht. Der befürchtete Tiefgaragenlärm sei nicht rücksichtslos. Der Grundstücksnachbar habe die mit dem Betrieb der notwendigen Stellplätze üblicherweise verbundenen Immissionen grundsätzlich hinzunehmen. Zudem werde zwischen der geplanten Ein- und Ausfahrt der umfangreiche Neubau errichtet und die Entfernung zum Gebäude ... Straße 11a betrage ca. 30 m.
19 
Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf eine Verletzung des abstandsflächenrechtlichen Nachbarschutzes berufen, da mit dem Vorhaben gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 keine Abstandsflächen einzuhalten seien. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO lägen vor. Denn nach § 34 Abs. 1 BauGB dürften in dem maßgeblichen Bereich Gebäude ohne Grenzabstände errichtet werden. Es sei auch öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut werde. Hierfür genüge der Umstand, dass auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 mit den bereits errichteten Gebäuden ... Straße 11 und 11a jeweils ein Grenzbau vorhanden sei. Brandschutzrechtliche Bestimmungen seien nicht Gegenstand des Bauvorbescheides. Im Übrigen übersähen die Klägerinnen, dass wegen ihrer Grenzbauten bereits jetzt Rettungs- und Feuerwehreinsätze zwischen ihren Gebäuden nur über fremde Grundstücke oder durch die Gebäude erfolgen könnten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde den Klägerinnen am 14.08.2014 zugestellt.
20 
Am 11.09.2014 haben die Klägerinnen Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ergänzend vorbringen: Der Bauvorbescheid sei bereits wegen der unvollständigen Bauvorlagen formell fehlerhaft. Hierdurch seien sie in nachbarschützenden Rechten verletzt, weil es ihnen nicht möglich gewesen sei, die Verletzung nachbarschützender Vorschriften konkret zu prüfen. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Unrecht angenommen, dass der unrichtige Genehmigungsvermerk auf den Bauvorlagen nicht zur Unbestimmtheit des Bauvorbescheids führe.
21 
Der Bauvorbescheid sei jedenfalls zu ihren Lasten materiell baurechtswidrig. Er verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass das Vorhaben hinsichtlich seiner Länge, Breite und Höhe und Kubatur den durch die vorhandene Bebauung vergebenen Rahmen in erheblichem Maße sprenge. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts führe gerade die Grenzbebauung zu einer unzumutbaren Verschlechterung für die Grundstücke der Klägerin zu 1. Die vorhandene Grenzmauer sei mit dem geplanten Bauvorhaben nicht vergleichbar. Es werde nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich das geplante Vorhaben wie ein Riegel durch das gesamte Quartier ziehen werde. Aufgrund des vorgesehenen Flachbaus im mittleren und vorderen Bereich wirke das Vorhaben umso erschlagender. Wegen seiner Höhe würden die bislang unbebauten Flächen an den Grundstücksgrenzen einen Sonneneinfall auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 bzw. auf die dortigen Gebäude nahezu ausschließen. Die Luftzufuhr bzw. Luftzirkulation werde erheblich eingeschränkt. Darüber hinaus ergäbe sich eine massive Verengung des bislang weitestgehend offenen Hofbereichs, was die erdrückende Wirkung erheblich verstärke. Die bisherige Möglichkeit des Rundumblicks im Hofraum werde ausgeschlossen. Besonders einschneidend stellten sich die negativen Auswirkungen im Bereich der Dachterrasse des Gebäudes ... Straße 11a dar. Deren Nutzungsmöglichkeiten würden aufgrund des unmittelbaren Anbaus unzumutbar eingeschränkt. Die Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach der Beigeladenen im Austauschverhältnis nicht versagt werden könne, was die Klägerinnen mit ihrer Grenzbebauung für sich beansprucht hätten, verfange insoweit nicht, als die vorhandene Grenzbebauung 38 m lang und maximal 3 m hoch sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts füge sich das Vorhaben auch hinsichtlich seiner Bauweise nicht in die Umgebungsbebauung ein. In den hofseitigen Bereichen des maßgeblichen Quartiers sei die offene Bauweise klar vorherrschend und gebe dem Quartier sein Gepräge. Sinn und Zweck der offenen Bauweise innerhalb der Hofbereiche sei es gerade, die hofseitigen Grundstücke und Gebäude ausreichend mit Licht und Frischluft zu versorgen.
22 
Das Vorhaben sei auch mit dem Vorschriften über Abstandsflächen nicht vereinbar. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO lägen bereits deshalb nicht vor, da in den Hofbereichen des Quartiers keine geschlossene Bauweise zulässig sei. Selbst wenn dem nicht gefolgt werde, seien Abstandsflächen einzuhalten, da die Vorschrift eine deckungsgleiche Bebauung erfordere. Im Rahmen der Bestimmung dessen, was als Grenzbebauung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig sei, müssten auch die Wertungen des Einfügungsgebots nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfließen. Anderenfalls wäre es möglich, dass der Landesgesetzgeber durch das Bauordnungsrecht die Vorschriften des Bauplanungsrechts umgehe. Berücksichtige man das Einfügungsgebot müsse sich das Vorhaben insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung an die schon bestehenden Grenzbauten anpassen, um sich in die Eigenart der näheren Umgebung einzufügen. Diese Auslegung widerspreche nicht dem Willen des Landesgesetzgebers, was durch die Begründung zur Novellierung der LBO vom 08.08.1995 verdeutlicht werde. Der Gesetzgeber habe die Konstellation eines überplanten Bereichs nach § 30 Abs. 1 BauGB vor Augen gehabt. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB sei gerade kein gemeindlicher Planungswille vorhanden. Insofern werde der Wille des Plangebers durch die Verhältnisse ersetzt, welche den maßgeblichen Bereich prägten. Der Einwand, dass der „Erstbauende“ durch seine Bautätigkeit gegebenenfalls die Bebauungsmöglichkeiten des später Bauenden einschränke, müsse für den Innenbereich insoweit hingenommen werden.
23 
Die Klägerinnen beantragen,
24 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 - 4 K 4392/14 - zu ändern und den Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 aufzuheben, soweit diese nicht durch den von der Beigeladenen erklärten Teilverzicht unwirksam geworden sind;
25 
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären
26 
Die Beklagte beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Sie verteidigt im Einzelnen die Ausführungen im angefochten Urteil.
29 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Die Klägerinnen könnten sich nicht auf die Unvollständigkeit der Bauvorlagen berufen. Wie der Verlauf des Verwaltungsverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens gezeigt habe, seien die Klägerinnen sehr wohl in der Lage gewesen, aufgrund der aktenkundigen Bauvorlagen, die bei diesem Bauvorhaben in Frage kommenden nachbarschützenden Aspekte vorzutragen und geltend zu machen. Aus dem eigenen Vorbringen ergebe sich danach, dass die Bauvorlagen jedenfalls im Hinblick auf die Prüfung etwaiger Verletzungen nachbarschützender Vorschriften insoweit ausreichend gewesen seien. Das Bauvorhaben füge sich sowohl nach Art der baulichen Nutzung, seiner Bauweise, der überbaubaren Grundstücksfläche und der Höhe der Bebauung in den Rahmen des Vorhandenen ein. Schon aus diesem Grunde könne daher von einer erdrückenden Wirkung nicht ausgegangen werden. Eine Abstandsfläche sei nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nicht einzuhalten. Die Vorschrift verlange keine deckungsgleiche bzw. nahezu deckungsgleiche Anbausicherung. Es befinde sich auf den Grundstücken der Klägerinnen bereits eine Grenzbebauung von 38 m Länge, also über die Hälfte der nunmehr beabsichtigten Bebauung. Aufgrund des Zuschnittes der Grundstücke der Klägerin zu 1 sei dort jede weitere Bebauung mit Abstandsflächen ausgeschlossen, so dass jede neue Bebauung zwingend ebenfalls in geschlossener Bauweise auszuführen sei. Die Klägerinnen könnten dann die vorhandene Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen aufnehmen.
32 
Die Beigeladene hat in der Berufungsverhandlung klargestellt, dass ihre Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen über den Verzicht auf bestimmte im Bauvorbescheid genannte Nutzungen als Teilverzicht auf den Bauvorbescheid zu verstehen ist. Die Beteiligten haben daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
33 
Der Senat hat in der Berufungsverhandlung das Baugrundstück und seine nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zur Niederschrift verwiesen.
34 
Dem Senat liegen die Bauakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Tübingen, die Bebauungspläne „Altstadt Isny im Allgäu“, „Quartier IV/23 Wassertorstraße/Hofweg“ sowie „Wassertorstraße/Strauss“, und insgesamt 14 Bauakten zu früheren Bauvorhaben auf den Grundstücken der Klägerinnen und der Nachbargrundstücke sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vor. Hierauf und auf die beim Senat angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
35 
Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von §§ 125 Abs. 1 i.V.m. 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
II.
36 
Im Übrigen ist die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung auch sonst zulässig.
III.
37 
Die Berufung ist im Übrigen auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der angefochtene Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 sind auch in der Gestalt, die sie durch die Teilverzichtserklärung der Beigeladenen gefunden haben, rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bauvorbescheid verstößt gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen zu dienen bestimmt sind. Das Bauvorhaben hält die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderlichen Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 nicht ein (1.) und verstößt gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (2.). Ob der Bauvorbescheid auch im Übrigen Rechte der Klägerinnen verletzt, kann folglich dahinstehen.
38 
1. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt, soweit er die Vereinbarkeit des Vorhabens mit §§ 5, 6 LBO feststellt (Nr. 3), zu Lasten der Klägerinnen gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO. Danach müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen Anlagen freizuhalten sind und die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen. Dieser Bestimmung widerspricht der angefochtene Bauvorbescheid insoweit, als das Gebäude unmittelbar an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu den Grundstücken der Klägerin zu 1, d.h. ohne Einhaltung von Abstandsflächen, errichtet werden soll.
39 
a) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sind die Voraussetzungen für eine Grenzbebauung ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 LBO nicht gegeben.
40 
Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss (Nr. 1) oder an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (Nr. 2.). Beides trifft hier nicht zu.
41 
aa) Nach planungsrechtlichen Vorschriften ist die geplante Grenzbebauung nicht zwingend geboten, aber i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig.
42 
Da für das Baugrundstück und seine nähere Umgebung keine die Bauweise betreffenden Festsetzungen eines Bebauungsplans bestehen - der Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 enthält lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung - und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles geplant ist, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Grenzbebauung nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
43 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss ein Gebäude dann an die Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung durch eine geschlossene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 3 BauNVO oder eine abweichende, d.h. halboffene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 4 BauNVO geprägt wird, die zu einer Grenzbebauung zwingt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.1998 - 5 S 3202/96 - BRS 60 Nr. 86, juris Rn. 24). Ist in einem unbeplanten Gebiet teils offene bzw. halboffene und teils geschlossene Bauweise vorzufinden, besteht kein Zwang zu einer Grenzbebauung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - ZfBR 1994, 192, juris Rn. 4).
44 
Danach verlangt die in der näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung nicht zwingend die Errichtung der geplanten Grenzbebauung, sie lässt eine solche jedoch zu.
45 
Maßstabsbildend für das Einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr BVerwG, u.a. Urteile vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369, 380, und vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - NVwZ 2014, 370).
46 
Nach den Darstellungen des im verwaltungsgerichtlichen Urteil abgebildeten Lageplanausschnitts, deren Richtigkeit sich nach dem vom Senat eingenommen Augenschein bestätigt hat, wird die hinsichtlich der Bauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung durch das Straßengeviert... Straße, ... Gasse, ..., ... Straße und ... Straße gebildet. Die Hauptgebäude sind hier fast durchgängig entlang der jeweiligen Straßenbegrenzungslinien und in geschlossener Bauweise im Sinne einer Blockrandbebauung errichtet. Dagegen befinden sich hinter den jeweiligen Hauptgebäuden im Innern des Straßengevierts auf den Grundstücken teilweise unbebaute Freiflächen, wie etwa auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 30, 29/1 und 28, als auch Gebäude, die zu den Nachbargrundstücken in geschlossener Bauweise, wie das Grundstück Flst.Nr. 30/2, oder auch in halboffener Bauweise errichtet sind. Das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 33/1 ist nur einseitig grenzständig an das Gebäude ...-Straße 11a der Klägerin zu 1 angebaut. Auch das der Beigeladenen gehörende Gebäude ... Straße 7 ist selbst lediglich im vorderen Grundstücksbereich zur ... Straße hin in geschlossener Bauweise errichtet. Im hinteren Bereich, d.h. dort, wo der 1973 genehmigte Anbau errichtet wurde, setzt sich die Grenzbebauung nur zum Grundstück Flst.Nr. 27/2 fort, dagegen werden gegenüber dem westlich anschließenden Grundstück Flst.Nr. 20 teilweise Abstandsflächen eingehalten. Im Inneren des Straßengevierts ist danach weder eine einheitliche geschlossene noch eine einheitliche halboffene Bauweise vorzufinden. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen auch auf Grundstücken bzw. Grundstücksbereichen im Inneren des Straßengevierts errichtet werden soll, sind die beschriebenen unterschiedlichen Bauweisen insgesamt Maßstab für eine Grenzbebauung. Folglich besteht für das streitige Vorhaben kein Zwang zur Errichtung an der Grenze. Vielmehr darf i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend ausgegangen.
47 
bb) Der Zulässigkeit des Vorhabens ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO steht jedoch entgegen, dass nicht i. S. dieser Vorschrift öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
48 
aaa) Nachbargrundstück i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sind hier die beiden Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1. Die Landesbauordnung verwendet zwar den Begriff des Grundstücks regelmäßig im Sinne von Buchgrundstück (vgl. § 4 Abs. 1 LBO), so dass danach die Grenzbebauung jeweils zu den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 isoliert zu betrachten wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 2 LBO zeigt jedoch, dass der Buchgrundstücksbegriff nicht ausnahmslos gilt. Vielmehr kann ein Nachbargrundstück im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO auch ein aus mehreren Buchgrundstücken bestehendes benachbartes Baugrundstück sein (vgl. Beschluss des Senats vom 06.06.2008 - 8 S 18/07 - VBlBW 2008, 483, juris Rn. 37). Danach sind die beiden Buchgrundstücke der Klägerin zu 1 als ein Nachbargrundstück anzusehen. Denn beide Grundstücke sind vor wenigen Jahren durch Teilung aus dem Buchgrundstück Flst.Nr. 30 hervorgegangen und die Freifläche zwischen den Gebäuden auf beiden Grundstücken wird als ein gemeinsamer Garten genutzt.
49 
bbb) Es ist nicht i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
50 
(1) Das Tatbestandsmerkmal der öffentlich-rechtlichen Sicherung im Sinne dieser Vorschrift ist in der Regel nur erfüllt, wenn zulasten der von der Grenzbebauung betroffenen Grundstücke eine entsprechende Baulast nach § 71 LBO übernommen wird.
51 
Eine solche Baulast hat die Klägerin zu 1 unstreitig nicht übernommen.
52 
(2) Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist darüber hinaus ausnahmsweise auch dann gewährleistet, wenn auf dem Nachbargrundstück bereits ein Gebäude, von dessen Fortbestand ausgegangen werden kann, an der Grenze vorhanden ist, an das angebaut werden soll, und der geplante Grenzbau noch in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude steht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris; Beschlüsse vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221, vom 10.03.1999 - 3 S 332/99 - juris und vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris; Busch in: Das Neue Baurecht in Baden-Württemberg, Stand November 2014, § 5 Rn. 39). Denn in einem solchem Fall würde es sich bei der Forderung nach Eintragung einer Baulast um eine bloße Förmelei handeln. Die Wirkungen eines bereits vorhandenen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück auf dessen Schutzwürdigkeit nach § 5 LBO können jedoch nicht weiter reichen, als die einer entsprechenden Baulast. Eine auf dem Nachbargrundstück vorhandene Grenzbebauung kann die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung daher nur in ihrem Umfeld ersetzen. Das an der Grenze geplante Bauvorhaben und das auf dem Nachbargrundstück bereits errichtete Grenzgebäude müssen zueinander in einer gewissen Beziehung stehen und beide Gebäude müssen sich in einem Maße überdecken, dass als Ergebnis einer beiderseitigen Grenzbebauung noch der Eindruck einer geschlossenen Bauweise vermittelt wird; nicht ausreichend ist, dass irgendwo an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein Grenzbau errichtet ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - NVwZ-RR 2015, 288). Eine andere Auslegung ist mit dem Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO nicht vereinbar, auch wenn die Entstehungsgeschichte der Norm dies nahelegen mag.
53 
Zweck dieser Vorschrift ist es, den Regelungen des Bauplanungsrechts, die gegebenenfalls eine Bebauung ohne Abstand der Gebäude voneinander vorsehen, auch im Bauordnungsrecht Geltung zu verschaffen (vgl. Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stand: März 2010, Band 1, § 5 Rn. 9 und 35 ). Durch diese Regelung soll eine nur einseitige Grenzbebauung verhindert werden, die sich ergeben könnte, wenn das Bauplanungsrecht ein Bauvorhaben an der Grenze gestattet, ohne zugleich zwingend für das Nachbargrundstück eine entsprechende Bebauung vorzuschreiben (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 3).
54 
Die genannten Voraussetzungen für die ausnahmsweise anzunehmende öffentlich-rechtliche Sicherung durch einen vorhandenen Grenzbau galten nach der Rechtsprechung der mit Bausachen befassten Senate bereits zu der Vorgängerregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. (vgl. z.B. Beschluss vom 15.09.1993 - 3 S 1670/93 - juris Rn. 5). Allein die Ersetzung des Wortes „angebaut“ durch „an die Grenze gebaut“ in der seit dem 01.01.1996 geltenden Neuregelung führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Beigeladenen nicht dazu, dass nunmehr auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Beziehung zwischen dem vorhandenen und dem geplanten Grenzbau verzichtet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 11/5337 S. 80) war mit der Neuregelung zwar die Vorstellung verbunden, es müsse nunmehr dem „Zweitbauenden“ grundsätzlich möglich sein, ohne Anknüpfung an die bestehende Bebauung die planungsrechtlich zulässige Bebauungstiefe auszuschöpfen. Diese Vorstellung hat jedoch in Wortlaut und Systematik des Gesetzes keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris Rn. 23; VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 8). Zudem dient die Einhaltung von Abstandsflächen gerade der Sicherstellung der ausreichenden Belüftung und Beleuchtung der Gebäude und der unbebauten Grundstücksteile (vgl. Sauter a.a.O., § 5 Rn. 3). Hierauf wird in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO verzichtet, weil der Landesgesetzgeber auch hier dem Planungsrecht den Vorrang einräumt, obwohl er dazu in Gebieten, in denen planungsrechtliche Vorschriften nicht zwingend eine geschlossene Bauweise verlangen, nicht verpflichtet wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - juris Rn. 4). Ein solcher Verzicht begründet indes - wegen der ähnlichen Interessenlage wie bei einer Doppelhausbebauung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355, 359) -ein gegenseitiges nachbarschaftliches Austauschverhältnis, das eine Grenzbebauung verlangt, aufgrund derer die Gebäude noch in einer gewissen Beziehung zueinander stehen und sich in relevanter Weise überdecken.
55 
Danach vermag die bereits vorhandene Grenzbebauung auf den Nachbargrundstücken der Klägerin zu 1 die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung für die Errichtung des Bauvorhabens der Beigeladenen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze nicht ersetzen. Das geplante Bauvorhaben steht zu der vorhandenen Grenzbebauung nicht mehr in einer gewissen Beziehung und die Gebäude überdecken sich nicht in einem Maße, dass noch der Eindruck der geschlossenen Bauweise vermittelt wird. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung und die vorhandene Grenzbebauung in Höhe und Tiefe der Baukörper weitestgehend deckungsgleich sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 - juris Rn. 11). Ab welcher Abweichung der Eindruck der geschlossenen Bauweise nicht mehr besteht, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls. So hat der 5. Senat des erkennenden Gerichtshof im Beschluss vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - juris Rn. 5, auf den spätere Entscheidungen (vgl. Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - juris Rn. 6) Bezug nehmen, eine Abweichung von zwei Metern in der Tiefe und zwei bis drei Metern in der Höhe für zulässig erachtet. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen verlangt danach auch der 5. Senat gerade eine weitgehende Deckungsgleichheit. Die genannten Maße überschreitet der vorgesehene Grenzbau deutlich. Die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30 ist ca. 25 m lang, die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30/2 beträgt ca. 13,5 m. Demgegenüber soll das Bauvorhaben entlang der gesamten Grundstücksgrenze beider Buchgrundstücke über eine Länge von ca. 70 m an der Grenze errichtet werden. Der Eindruck einer geschlossenen Bauweise wird so nicht mehr vermittelt. Auf den Einwand der Beigeladenen, wonach auch die Klägerin zu 1 bei einer künftigen Bebauung der Grundstücke von der geplanten Grenzbebauung profitieren könnte, kommt es in dem Zusammenhang nicht an. Gleiches gilt für den Hinweis der Beigeladenen, wonach die Klägerin zu 1 ihre Grundstücke überhaupt nur mit Grenzbauten bebauen könne, da wegen der Größe der Grundstücke Abstandsflächen nicht eingehalten werden könnten. Im Übrigen ist die Klägerin zu 1 etwa nach einem Untergang eines Gebäudes nicht gezwungen, überhaupt wieder ein Gebäude zu errichten. Weiter ist denkbar, dass sie bislang unbebaute Nachbargrundstücke erwirbt und so Abstandsflächen bei einer künftigen Bebauung eingehalten werden können.
56 
b) Auch die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche in einem Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO scheidet aus.
57 
Der Anspruch des Bauherrn auf Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ist vom Gericht im Rahmen der Nachbarklage zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, auch wenn eine Entscheidung der Baurechtsbehörde hierüber nicht vorliegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris Rn. 24). Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht erfüllt. Ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 3 LBO scheidet offensichtlich aus und ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO liegt ebenfalls nicht vor.
58 
Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO ist eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs liegt eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vor, wenn die nachbarschützende Abstandsflächentiefe (vgl. § 5 Abs. 7 LBO) unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation auf dem Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante, tatsächliche oder rechtliche Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533 m.w.N.). Solche Besonderheiten sind vorliegend in Bezug auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 nicht gegeben. Diese Grundstücke sind insbesondere auch nicht aufgrund der an der Grenze zum Flst.Nr. 33/1 errichten Grenzmauer weniger schutzwürdig. Dies ergibt sich bereits aus den völlig untergeordneten Ausmaßen der Mauer, die mit ca. 1,50 m Höhe deutlich hinter der vorgesehen Grenzbebauung zurücktritt und auch nur wenige Meter lang ist.
59 
2. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt ferner, soweit er die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens feststellt (Nr. 1 und 2), gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Denn das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in Eigenart der näheren Umgebung ein und beeinträchtigt dadurch die Nutzung der Nachbargrundstücke der Klägerin zu 1 und demzufolge auch das an diesen Grundstücken bestehende Nießbrauchsrecht der Klägerin zu 2 rücksichtslos.
60 
a) § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verleiht dem Nachbarn einen Abwehranspruch, wenn die angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verletzt (st. Rspr. BVerwG, u.a. Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186). Nachbar im Sinne des Bodenrechts ist dabei nicht nur der jeweilige zivilrechtliche Eigentümer eines Grundstücks sondern auch - wie die Klägerin zu 2 - ein sonst in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich Berechtigter, zu denen auch der Nießbraucher zählt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus, der vorliegen kann, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 13.03.1981, a.a.O). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 m.w.N.). Das Gebot der Rücksichtnahme hebt insoweit auf die gegenseitige Verflechtung der baulichen Situation unmittelbar benachbarter Grundstücke ab und nimmt das nachbarliche Austauschverhältnis in den Blick (BVerwG, Urteile vom 16.09.2010 - 4 C 7/10 - NVwZ 2011, 436, und vom 05.12.2013 - 4 C 5/12 - BVerwGE 148, 290, 295).
61 
Nach diesen Grundsätzen ist das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich seines Maßes der baulichen Nutzung gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 rücksichtslos. Da der Bebauungsplan „Alstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 nur Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens im Übrigen, d.h. auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach § 34 Abs. 1 BauGB. Maßgebend für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt, wie die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.1994 - 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277, 279, 282; Beschluss vom 03.04.2014 - 4 B 12.14 -juris Rn. 3). In der maßgeblichen Umgebungsbebauung, die wiederum durch das bereits beschriebene Straßengeviert gekennzeichnet wird, ist kein Baukörper vorhanden, der hinsichtlich seiner flächenmäßigen Ausdehnung mit dem Bauvorhaben vergleichbar ist. Das bislang größte Einzelgebäude in der maßgeblichen Umgebung ist das Gebäude ... Straße 7. Dessen Grundfläche wird durch das Bauvorhaben hinsichtlich Bebauungstiefe, Breite und Kubatur deutlich überschritten.
62 
Auf die von der Beigeladenen bei der Einnahme des Augenscheins verwiesenen Gebäude ... Straße 6 und ... Straße 43, die in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung mit dem Bauvorhaben vergleichbar seien, kommt es dagegen nicht an. Diese Grundstücke liegen außerhalb der für die Beurteilung des Einfügens maßgeblichen Umgebungsbebauung. Der Rahmen für die maßgebliche Umgebungsbebauung wird durch das bereits an anderer Stelle beschriebene Straßengeviert begrenzt, in dem die genannten Grundstücke nicht liegen. Auf diese Bereiche wirkt sich die Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen weder aus, noch prägen oder beeinflussen diese Grundstücke ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung.
63 
Die danach vorliegende Rahmenüberschreitung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung lässt die gebotene Rücksichtnahme gerade in Bezug auf die unmittelbar benachbarte Bebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 vermissen. Das Gesamtvolumen und die Gliederung des Baukörpers führen zu einer rücksichtslosen optisch erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens insbesondere auf das Wohnhaus ... Straße 11a.
64 
Eine rücksichtslose erdrückende Wirkung nimmt die Rechtsprechung an, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354 und vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 - BauR 1986, 542; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.08.2005 - 10 A 3138/02 -, juris Rn. 50, Beschlüsse vom 13.01.2006 - 10 B 971/05 -, juris Rn 5, und vom 18.02.2014 - 7 B 1416/13 - juris Rn. 5; Bay. VGH, Beschluss vom 29.07.2014 - 9 CS 14.709 - juris Rn. 19). Eine erdrückende Wirkung liegt danach nicht schon dann vor, wenn die bisherigen Verhältnisse durch eine bauliche Verdichtung geändert werden. Vielmehr muss von dem Vorhaben aufgrund der Massivität und Lage eine qualifizierte handgreifliche Störung auf das Nachbargrundstück ausgehen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 19.03.2015 - 1 B 19/15 - juris Rn. 26).
65 
Gemessen hieran erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen gegenüber den benachbarten Anwesen der Klägerin zu 1 als rücksichtslos. Der Augenschein des Senats hat gezeigt, dass sich zwischen den Gebäuden ...-Straße 11 und 11a eine als Garten genutzte Freifläche der beiden Wohnhausgrundstücke befindet. In dem Bereich befindet sich auch auf den Nachbargrundstücken keine Bebauung. Bei einer Verwirklichung des Vorhabens entstünde gerade hier eine Grenzbebauung, die, trotz der Gliederung des Baukörpers mit zurückspringenden Obergeschossen, insgesamt den Eindruck einer geschlossenen massiven Riegelbebauung vermittelt, die den Grundstücken der Klägerin zu 1 gleichsam „die Luft zum Atmen nimmt“. War die bisherige Bebauung von einer fast deckungsgleichen Grenzbebauung auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2 und 30/2 geprägt, wird nunmehr entlang der gesamten Grundstückslängen ein in seinen Ausmaßen enorm kompakter Baukörper errichtet. Die Grenzbebauung zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a beträgt 22 m, die Höhe der Bebauung an der Grenze beträgt 4,6 bis 5,1 Meter. Gegenüber dieser Grenzbebauung tritt die vorhandene Grenzmauer in ihren Ausmaßen von nur 1,5 m deutlich zurück. Hinzu kommt die Höhendisparität zwischen dem rückwärtigen Querbau und dem Wohnhaus ... Straße 11a. Schließlich führt die Grenzbebauung auch zu einer massiven Verschattung des bisher als Garten genutzten Freiraumes zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a, die den Klägerinnen nicht zumutbar ist, zumal da die Grenzbebauung nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig ist.
66 
Die Klägerinnen sind hinsichtlich der grenzständigen Bebauung an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen auch schutzbedürftig, da sie angesichts der in dem maßgeblichen Grundstücksbereich bislang prägend vorgegebenen Bauweise auch nicht damit rechnen mussten, dass entlang der gesamten Grundstücksgrenzen ein durchgängiges grenzständiges Gebäude errichtet wird.
67 
Zudem ermöglichen sowohl die vorgesehene 157,86 qm große Terrasse im zweiten Obergeschoss als auch die geplante 267,05 qm große Terrasse im dritten Obergeschoss im mittleren Bereich des Gebäudes Einblicke auf die Grundstücke der Klägerin zu 1, die das Maß dessen deutlich übersteigen, was Grundstückseigentümern auch im bebauten innerörtlichen Bereich regelmäßig zugemutet werden kann (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2014 - 7 B 1037/14 - juris Rn. 10 m.w.N.).
IV.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, 162 Abs. 3, 161 Abs. 2 VwGO. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerinnen war notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
69 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
70 
Beschluss
71 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG auf15.000,- EUR festgesetzt (entsprechend der Streitwertfestsetzung im ersten Rechtszug).
72 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
I.
35 
Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von §§ 125 Abs. 1 i.V.m. 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
II.
36 
Im Übrigen ist die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung auch sonst zulässig.
III.
37 
Die Berufung ist im Übrigen auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der angefochtene Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 sind auch in der Gestalt, die sie durch die Teilverzichtserklärung der Beigeladenen gefunden haben, rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bauvorbescheid verstößt gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen zu dienen bestimmt sind. Das Bauvorhaben hält die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderlichen Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 nicht ein (1.) und verstößt gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (2.). Ob der Bauvorbescheid auch im Übrigen Rechte der Klägerinnen verletzt, kann folglich dahinstehen.
38 
1. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt, soweit er die Vereinbarkeit des Vorhabens mit §§ 5, 6 LBO feststellt (Nr. 3), zu Lasten der Klägerinnen gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO. Danach müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen Anlagen freizuhalten sind und die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen. Dieser Bestimmung widerspricht der angefochtene Bauvorbescheid insoweit, als das Gebäude unmittelbar an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu den Grundstücken der Klägerin zu 1, d.h. ohne Einhaltung von Abstandsflächen, errichtet werden soll.
39 
a) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sind die Voraussetzungen für eine Grenzbebauung ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 LBO nicht gegeben.
40 
Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss (Nr. 1) oder an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (Nr. 2.). Beides trifft hier nicht zu.
41 
aa) Nach planungsrechtlichen Vorschriften ist die geplante Grenzbebauung nicht zwingend geboten, aber i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig.
42 
Da für das Baugrundstück und seine nähere Umgebung keine die Bauweise betreffenden Festsetzungen eines Bebauungsplans bestehen - der Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 enthält lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung - und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles geplant ist, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Grenzbebauung nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
43 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss ein Gebäude dann an die Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung durch eine geschlossene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 3 BauNVO oder eine abweichende, d.h. halboffene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 4 BauNVO geprägt wird, die zu einer Grenzbebauung zwingt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.1998 - 5 S 3202/96 - BRS 60 Nr. 86, juris Rn. 24). Ist in einem unbeplanten Gebiet teils offene bzw. halboffene und teils geschlossene Bauweise vorzufinden, besteht kein Zwang zu einer Grenzbebauung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - ZfBR 1994, 192, juris Rn. 4).
44 
Danach verlangt die in der näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung nicht zwingend die Errichtung der geplanten Grenzbebauung, sie lässt eine solche jedoch zu.
45 
Maßstabsbildend für das Einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr BVerwG, u.a. Urteile vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369, 380, und vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - NVwZ 2014, 370).
46 
Nach den Darstellungen des im verwaltungsgerichtlichen Urteil abgebildeten Lageplanausschnitts, deren Richtigkeit sich nach dem vom Senat eingenommen Augenschein bestätigt hat, wird die hinsichtlich der Bauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung durch das Straßengeviert... Straße, ... Gasse, ..., ... Straße und ... Straße gebildet. Die Hauptgebäude sind hier fast durchgängig entlang der jeweiligen Straßenbegrenzungslinien und in geschlossener Bauweise im Sinne einer Blockrandbebauung errichtet. Dagegen befinden sich hinter den jeweiligen Hauptgebäuden im Innern des Straßengevierts auf den Grundstücken teilweise unbebaute Freiflächen, wie etwa auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 30, 29/1 und 28, als auch Gebäude, die zu den Nachbargrundstücken in geschlossener Bauweise, wie das Grundstück Flst.Nr. 30/2, oder auch in halboffener Bauweise errichtet sind. Das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 33/1 ist nur einseitig grenzständig an das Gebäude ...-Straße 11a der Klägerin zu 1 angebaut. Auch das der Beigeladenen gehörende Gebäude ... Straße 7 ist selbst lediglich im vorderen Grundstücksbereich zur ... Straße hin in geschlossener Bauweise errichtet. Im hinteren Bereich, d.h. dort, wo der 1973 genehmigte Anbau errichtet wurde, setzt sich die Grenzbebauung nur zum Grundstück Flst.Nr. 27/2 fort, dagegen werden gegenüber dem westlich anschließenden Grundstück Flst.Nr. 20 teilweise Abstandsflächen eingehalten. Im Inneren des Straßengevierts ist danach weder eine einheitliche geschlossene noch eine einheitliche halboffene Bauweise vorzufinden. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen auch auf Grundstücken bzw. Grundstücksbereichen im Inneren des Straßengevierts errichtet werden soll, sind die beschriebenen unterschiedlichen Bauweisen insgesamt Maßstab für eine Grenzbebauung. Folglich besteht für das streitige Vorhaben kein Zwang zur Errichtung an der Grenze. Vielmehr darf i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend ausgegangen.
47 
bb) Der Zulässigkeit des Vorhabens ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO steht jedoch entgegen, dass nicht i. S. dieser Vorschrift öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
48 
aaa) Nachbargrundstück i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sind hier die beiden Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1. Die Landesbauordnung verwendet zwar den Begriff des Grundstücks regelmäßig im Sinne von Buchgrundstück (vgl. § 4 Abs. 1 LBO), so dass danach die Grenzbebauung jeweils zu den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 isoliert zu betrachten wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 2 LBO zeigt jedoch, dass der Buchgrundstücksbegriff nicht ausnahmslos gilt. Vielmehr kann ein Nachbargrundstück im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO auch ein aus mehreren Buchgrundstücken bestehendes benachbartes Baugrundstück sein (vgl. Beschluss des Senats vom 06.06.2008 - 8 S 18/07 - VBlBW 2008, 483, juris Rn. 37). Danach sind die beiden Buchgrundstücke der Klägerin zu 1 als ein Nachbargrundstück anzusehen. Denn beide Grundstücke sind vor wenigen Jahren durch Teilung aus dem Buchgrundstück Flst.Nr. 30 hervorgegangen und die Freifläche zwischen den Gebäuden auf beiden Grundstücken wird als ein gemeinsamer Garten genutzt.
49 
bbb) Es ist nicht i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
50 
(1) Das Tatbestandsmerkmal der öffentlich-rechtlichen Sicherung im Sinne dieser Vorschrift ist in der Regel nur erfüllt, wenn zulasten der von der Grenzbebauung betroffenen Grundstücke eine entsprechende Baulast nach § 71 LBO übernommen wird.
51 
Eine solche Baulast hat die Klägerin zu 1 unstreitig nicht übernommen.
52 
(2) Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist darüber hinaus ausnahmsweise auch dann gewährleistet, wenn auf dem Nachbargrundstück bereits ein Gebäude, von dessen Fortbestand ausgegangen werden kann, an der Grenze vorhanden ist, an das angebaut werden soll, und der geplante Grenzbau noch in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude steht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris; Beschlüsse vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221, vom 10.03.1999 - 3 S 332/99 - juris und vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris; Busch in: Das Neue Baurecht in Baden-Württemberg, Stand November 2014, § 5 Rn. 39). Denn in einem solchem Fall würde es sich bei der Forderung nach Eintragung einer Baulast um eine bloße Förmelei handeln. Die Wirkungen eines bereits vorhandenen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück auf dessen Schutzwürdigkeit nach § 5 LBO können jedoch nicht weiter reichen, als die einer entsprechenden Baulast. Eine auf dem Nachbargrundstück vorhandene Grenzbebauung kann die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung daher nur in ihrem Umfeld ersetzen. Das an der Grenze geplante Bauvorhaben und das auf dem Nachbargrundstück bereits errichtete Grenzgebäude müssen zueinander in einer gewissen Beziehung stehen und beide Gebäude müssen sich in einem Maße überdecken, dass als Ergebnis einer beiderseitigen Grenzbebauung noch der Eindruck einer geschlossenen Bauweise vermittelt wird; nicht ausreichend ist, dass irgendwo an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein Grenzbau errichtet ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - NVwZ-RR 2015, 288). Eine andere Auslegung ist mit dem Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO nicht vereinbar, auch wenn die Entstehungsgeschichte der Norm dies nahelegen mag.
53 
Zweck dieser Vorschrift ist es, den Regelungen des Bauplanungsrechts, die gegebenenfalls eine Bebauung ohne Abstand der Gebäude voneinander vorsehen, auch im Bauordnungsrecht Geltung zu verschaffen (vgl. Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stand: März 2010, Band 1, § 5 Rn. 9 und 35 ). Durch diese Regelung soll eine nur einseitige Grenzbebauung verhindert werden, die sich ergeben könnte, wenn das Bauplanungsrecht ein Bauvorhaben an der Grenze gestattet, ohne zugleich zwingend für das Nachbargrundstück eine entsprechende Bebauung vorzuschreiben (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 3).
54 
Die genannten Voraussetzungen für die ausnahmsweise anzunehmende öffentlich-rechtliche Sicherung durch einen vorhandenen Grenzbau galten nach der Rechtsprechung der mit Bausachen befassten Senate bereits zu der Vorgängerregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. (vgl. z.B. Beschluss vom 15.09.1993 - 3 S 1670/93 - juris Rn. 5). Allein die Ersetzung des Wortes „angebaut“ durch „an die Grenze gebaut“ in der seit dem 01.01.1996 geltenden Neuregelung führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Beigeladenen nicht dazu, dass nunmehr auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Beziehung zwischen dem vorhandenen und dem geplanten Grenzbau verzichtet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 11/5337 S. 80) war mit der Neuregelung zwar die Vorstellung verbunden, es müsse nunmehr dem „Zweitbauenden“ grundsätzlich möglich sein, ohne Anknüpfung an die bestehende Bebauung die planungsrechtlich zulässige Bebauungstiefe auszuschöpfen. Diese Vorstellung hat jedoch in Wortlaut und Systematik des Gesetzes keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris Rn. 23; VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 8). Zudem dient die Einhaltung von Abstandsflächen gerade der Sicherstellung der ausreichenden Belüftung und Beleuchtung der Gebäude und der unbebauten Grundstücksteile (vgl. Sauter a.a.O., § 5 Rn. 3). Hierauf wird in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO verzichtet, weil der Landesgesetzgeber auch hier dem Planungsrecht den Vorrang einräumt, obwohl er dazu in Gebieten, in denen planungsrechtliche Vorschriften nicht zwingend eine geschlossene Bauweise verlangen, nicht verpflichtet wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - juris Rn. 4). Ein solcher Verzicht begründet indes - wegen der ähnlichen Interessenlage wie bei einer Doppelhausbebauung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355, 359) -ein gegenseitiges nachbarschaftliches Austauschverhältnis, das eine Grenzbebauung verlangt, aufgrund derer die Gebäude noch in einer gewissen Beziehung zueinander stehen und sich in relevanter Weise überdecken.
55 
Danach vermag die bereits vorhandene Grenzbebauung auf den Nachbargrundstücken der Klägerin zu 1 die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung für die Errichtung des Bauvorhabens der Beigeladenen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze nicht ersetzen. Das geplante Bauvorhaben steht zu der vorhandenen Grenzbebauung nicht mehr in einer gewissen Beziehung und die Gebäude überdecken sich nicht in einem Maße, dass noch der Eindruck der geschlossenen Bauweise vermittelt wird. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung und die vorhandene Grenzbebauung in Höhe und Tiefe der Baukörper weitestgehend deckungsgleich sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 - juris Rn. 11). Ab welcher Abweichung der Eindruck der geschlossenen Bauweise nicht mehr besteht, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls. So hat der 5. Senat des erkennenden Gerichtshof im Beschluss vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - juris Rn. 5, auf den spätere Entscheidungen (vgl. Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - juris Rn. 6) Bezug nehmen, eine Abweichung von zwei Metern in der Tiefe und zwei bis drei Metern in der Höhe für zulässig erachtet. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen verlangt danach auch der 5. Senat gerade eine weitgehende Deckungsgleichheit. Die genannten Maße überschreitet der vorgesehene Grenzbau deutlich. Die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30 ist ca. 25 m lang, die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30/2 beträgt ca. 13,5 m. Demgegenüber soll das Bauvorhaben entlang der gesamten Grundstücksgrenze beider Buchgrundstücke über eine Länge von ca. 70 m an der Grenze errichtet werden. Der Eindruck einer geschlossenen Bauweise wird so nicht mehr vermittelt. Auf den Einwand der Beigeladenen, wonach auch die Klägerin zu 1 bei einer künftigen Bebauung der Grundstücke von der geplanten Grenzbebauung profitieren könnte, kommt es in dem Zusammenhang nicht an. Gleiches gilt für den Hinweis der Beigeladenen, wonach die Klägerin zu 1 ihre Grundstücke überhaupt nur mit Grenzbauten bebauen könne, da wegen der Größe der Grundstücke Abstandsflächen nicht eingehalten werden könnten. Im Übrigen ist die Klägerin zu 1 etwa nach einem Untergang eines Gebäudes nicht gezwungen, überhaupt wieder ein Gebäude zu errichten. Weiter ist denkbar, dass sie bislang unbebaute Nachbargrundstücke erwirbt und so Abstandsflächen bei einer künftigen Bebauung eingehalten werden können.
56 
b) Auch die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche in einem Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO scheidet aus.
57 
Der Anspruch des Bauherrn auf Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ist vom Gericht im Rahmen der Nachbarklage zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, auch wenn eine Entscheidung der Baurechtsbehörde hierüber nicht vorliegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris Rn. 24). Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht erfüllt. Ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 3 LBO scheidet offensichtlich aus und ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO liegt ebenfalls nicht vor.
58 
Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO ist eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs liegt eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vor, wenn die nachbarschützende Abstandsflächentiefe (vgl. § 5 Abs. 7 LBO) unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation auf dem Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante, tatsächliche oder rechtliche Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533 m.w.N.). Solche Besonderheiten sind vorliegend in Bezug auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 nicht gegeben. Diese Grundstücke sind insbesondere auch nicht aufgrund der an der Grenze zum Flst.Nr. 33/1 errichten Grenzmauer weniger schutzwürdig. Dies ergibt sich bereits aus den völlig untergeordneten Ausmaßen der Mauer, die mit ca. 1,50 m Höhe deutlich hinter der vorgesehen Grenzbebauung zurücktritt und auch nur wenige Meter lang ist.
59 
2. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt ferner, soweit er die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens feststellt (Nr. 1 und 2), gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Denn das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in Eigenart der näheren Umgebung ein und beeinträchtigt dadurch die Nutzung der Nachbargrundstücke der Klägerin zu 1 und demzufolge auch das an diesen Grundstücken bestehende Nießbrauchsrecht der Klägerin zu 2 rücksichtslos.
60 
a) § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verleiht dem Nachbarn einen Abwehranspruch, wenn die angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verletzt (st. Rspr. BVerwG, u.a. Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186). Nachbar im Sinne des Bodenrechts ist dabei nicht nur der jeweilige zivilrechtliche Eigentümer eines Grundstücks sondern auch - wie die Klägerin zu 2 - ein sonst in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich Berechtigter, zu denen auch der Nießbraucher zählt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus, der vorliegen kann, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 13.03.1981, a.a.O). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 m.w.N.). Das Gebot der Rücksichtnahme hebt insoweit auf die gegenseitige Verflechtung der baulichen Situation unmittelbar benachbarter Grundstücke ab und nimmt das nachbarliche Austauschverhältnis in den Blick (BVerwG, Urteile vom 16.09.2010 - 4 C 7/10 - NVwZ 2011, 436, und vom 05.12.2013 - 4 C 5/12 - BVerwGE 148, 290, 295).
61 
Nach diesen Grundsätzen ist das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich seines Maßes der baulichen Nutzung gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 rücksichtslos. Da der Bebauungsplan „Alstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 nur Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens im Übrigen, d.h. auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach § 34 Abs. 1 BauGB. Maßgebend für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt, wie die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.1994 - 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277, 279, 282; Beschluss vom 03.04.2014 - 4 B 12.14 -juris Rn. 3). In der maßgeblichen Umgebungsbebauung, die wiederum durch das bereits beschriebene Straßengeviert gekennzeichnet wird, ist kein Baukörper vorhanden, der hinsichtlich seiner flächenmäßigen Ausdehnung mit dem Bauvorhaben vergleichbar ist. Das bislang größte Einzelgebäude in der maßgeblichen Umgebung ist das Gebäude ... Straße 7. Dessen Grundfläche wird durch das Bauvorhaben hinsichtlich Bebauungstiefe, Breite und Kubatur deutlich überschritten.
62 
Auf die von der Beigeladenen bei der Einnahme des Augenscheins verwiesenen Gebäude ... Straße 6 und ... Straße 43, die in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung mit dem Bauvorhaben vergleichbar seien, kommt es dagegen nicht an. Diese Grundstücke liegen außerhalb der für die Beurteilung des Einfügens maßgeblichen Umgebungsbebauung. Der Rahmen für die maßgebliche Umgebungsbebauung wird durch das bereits an anderer Stelle beschriebene Straßengeviert begrenzt, in dem die genannten Grundstücke nicht liegen. Auf diese Bereiche wirkt sich die Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen weder aus, noch prägen oder beeinflussen diese Grundstücke ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung.
63 
Die danach vorliegende Rahmenüberschreitung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung lässt die gebotene Rücksichtnahme gerade in Bezug auf die unmittelbar benachbarte Bebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 vermissen. Das Gesamtvolumen und die Gliederung des Baukörpers führen zu einer rücksichtslosen optisch erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens insbesondere auf das Wohnhaus ... Straße 11a.
64 
Eine rücksichtslose erdrückende Wirkung nimmt die Rechtsprechung an, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354 und vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 - BauR 1986, 542; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.08.2005 - 10 A 3138/02 -, juris Rn. 50, Beschlüsse vom 13.01.2006 - 10 B 971/05 -, juris Rn 5, und vom 18.02.2014 - 7 B 1416/13 - juris Rn. 5; Bay. VGH, Beschluss vom 29.07.2014 - 9 CS 14.709 - juris Rn. 19). Eine erdrückende Wirkung liegt danach nicht schon dann vor, wenn die bisherigen Verhältnisse durch eine bauliche Verdichtung geändert werden. Vielmehr muss von dem Vorhaben aufgrund der Massivität und Lage eine qualifizierte handgreifliche Störung auf das Nachbargrundstück ausgehen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 19.03.2015 - 1 B 19/15 - juris Rn. 26).
65 
Gemessen hieran erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen gegenüber den benachbarten Anwesen der Klägerin zu 1 als rücksichtslos. Der Augenschein des Senats hat gezeigt, dass sich zwischen den Gebäuden ...-Straße 11 und 11a eine als Garten genutzte Freifläche der beiden Wohnhausgrundstücke befindet. In dem Bereich befindet sich auch auf den Nachbargrundstücken keine Bebauung. Bei einer Verwirklichung des Vorhabens entstünde gerade hier eine Grenzbebauung, die, trotz der Gliederung des Baukörpers mit zurückspringenden Obergeschossen, insgesamt den Eindruck einer geschlossenen massiven Riegelbebauung vermittelt, die den Grundstücken der Klägerin zu 1 gleichsam „die Luft zum Atmen nimmt“. War die bisherige Bebauung von einer fast deckungsgleichen Grenzbebauung auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2 und 30/2 geprägt, wird nunmehr entlang der gesamten Grundstückslängen ein in seinen Ausmaßen enorm kompakter Baukörper errichtet. Die Grenzbebauung zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a beträgt 22 m, die Höhe der Bebauung an der Grenze beträgt 4,6 bis 5,1 Meter. Gegenüber dieser Grenzbebauung tritt die vorhandene Grenzmauer in ihren Ausmaßen von nur 1,5 m deutlich zurück. Hinzu kommt die Höhendisparität zwischen dem rückwärtigen Querbau und dem Wohnhaus ... Straße 11a. Schließlich führt die Grenzbebauung auch zu einer massiven Verschattung des bisher als Garten genutzten Freiraumes zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a, die den Klägerinnen nicht zumutbar ist, zumal da die Grenzbebauung nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig ist.
66 
Die Klägerinnen sind hinsichtlich der grenzständigen Bebauung an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen auch schutzbedürftig, da sie angesichts der in dem maßgeblichen Grundstücksbereich bislang prägend vorgegebenen Bauweise auch nicht damit rechnen mussten, dass entlang der gesamten Grundstücksgrenzen ein durchgängiges grenzständiges Gebäude errichtet wird.
67 
Zudem ermöglichen sowohl die vorgesehene 157,86 qm große Terrasse im zweiten Obergeschoss als auch die geplante 267,05 qm große Terrasse im dritten Obergeschoss im mittleren Bereich des Gebäudes Einblicke auf die Grundstücke der Klägerin zu 1, die das Maß dessen deutlich übersteigen, was Grundstückseigentümern auch im bebauten innerörtlichen Bereich regelmäßig zugemutet werden kann (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2014 - 7 B 1037/14 - juris Rn. 10 m.w.N.).
IV.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, 162 Abs. 3, 161 Abs. 2 VwGO. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerinnen war notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
69 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
70 
Beschluss
71 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG auf15.000,- EUR festgesetzt (entsprechend der Streitwertfestsetzung im ersten Rechtszug).
72 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden.

(2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Absatz 3 zulässig sind.

(3) Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind.

(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche bleiben Nebenanlagen im Sinne des § 14, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonstige Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt.

(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen.

(2) Zulässig sind

1.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten, landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen und Gartenbaubetriebe,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
sonstige Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
3.
Tankstellen,
4.
nicht störende Gewerbebetriebe.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. Oktober 2010 - 5 K 1991/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Antrag abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 30.08.2010 zur Errichtung eines „Anbaus von Garagen mit PV-Anlage“ anzuordnen. Die Baugenehmigung verletzt auch nach Auffassung des Senats nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keine Rechte des Antragstellers. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
Der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht gehe von falschen Sachverhaltsvoraussetzungen aus. Es bemesse die Begründetheit des Antrags ausschließlich daran, dass es sich um eine Garage handle, obwohl nach objektiven Kriterien von der Errichtung einer Werkstatt auszugehen sei. Für die Annahme einer Werkstatt sprächen, dass auf dem Grundstück des Beigeladenen bereits ausreichend Garagen vorhanden seien, der Beigeladene Kraftfahrzeugmechaniker sei und schon bisher auf dem Grundstück Fahrzeuge repariere, sowie die Dimension der Garage mit drei überdimensionierten Einfahrten. Wenn das Bauvorhaben richtigerweise daran bemessen werde, was tatsächlich errichtet werde, seien unzumutbare Immissionen durch den erheblichen An- und Abfahrtverkehr und durch den Werkstattbetrieb zu erwarten. Diese Rüge greift nicht durch.
Die vom Antragsteller befürchtete Nutzung der Garagen zu Reparatur- und Restaurierungszwecken und zur Durchführung von Reifenwechseln ist nicht Gegenstand der Baugenehmigung, um deren sofortige Vollziehung es im vorliegenden Verfahren geht. Selbst wenn der Beigeladene in Wahrheit eine andere als die genehmigte Nutzung des Gebäudes als Garagen anstreben sollte, wäre dies im vorliegenden Verfahren unbeachtlich, weil solche Absichten jedenfalls in der Baugenehmigung keinen Niederschlag gefunden haben. Die Baugenehmigung lässt einen Werkstattbetrieb eindeutig nicht zu. Raum für eine erweiterte Interpretation der Baugenehmigung, der solche Nutzungsmöglichkeiten offen ließe, besteht nicht. Weder der Genehmigungsbescheid selbst oder die ihm beigefügten Nebenbestimmungen noch die genehmigten Bauvorlagen enthalten Hinweise darauf, dass die Baubehörde mit der Genehmigung auch eine Nutzung der Garage als Werkstatt ermöglichen wollte oder objektiv zugelassen hat. Diese hat im Rahmen der Abweisung der Einwendungen des Antragstellers vielmehr zusätzlich und ausdrücklich klargestellt, dass zur Entscheidung lediglich der Neubau von privat genutzten Garagen mit einer “PV-Anlage“ stehe. Die Befürchtung des Antragstellers, der Beigeladene werde das genehmigte Gebäude entgegen dem genehmigten Nutzungszweck gleichwohl als Werkstatt benutzen, kann im vorliegenden Verfahren keine Berücksichtigung finden. Gegen eine Nutzungsänderung, die seine (Nachbar-)Rechte verletzt, könnte der Antragsteller jedoch gegebenenfalls ebenso (vorläufigen) Rechtsschutz einfordern.
Das Bauvorhaben verstößt auch nicht zu Lasten des Antragstellers gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 LBO über die erforderliche Abstandsflächentiefe. Der Antragsteller führt insoweit aus, dass das Bauvorhaben die erforderliche Abstandsflächentiefe gegenüber dem - nicht in seinem Eigentum stehenden - Grundstück Flst.Nr. ... nicht einhalte. Er macht sinngemäß geltend, darin liege ein Verstoß gegen eine nachbarschützende Vorschrift, auf den er sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch berufen könne, selbst wenn er subjektiv von dem Verstoß nicht betroffen sei, da die Vorschrift jedenfalls auch dem Schutz seiner Interessen diene. Hierzu reiche es aus, wenn gegen eine Vorschrift verstoßen werde, die dem Nachbarschutz diene. Auf eine spürbare tatsächliche Beeinträchtigung komme es in diesem Fall nicht an.
Diesem Vorbringen liegt ein unzutreffendes Verständnis des dogmatischen Gehalts nachbarschützender Vorschriften und insbesondere des Umfangs der nachbarschützenden Wirkung des § 5 LBO zugrunde. Es trifft zwar, worauf die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung bereits hingewiesen hat, zu, dass ein Nachbar bereits dann im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt ist, wenn die einem Dritten erteilte Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die zumindest auch seinen Schutz bezwecken, ohne dass es hierfür auf tatsächlicher Ebene noch einer konkreten Beeinträchtigung bedürfte. Der Antragssteller verkennt mit seiner Argumentation jedoch, dass dies nur für denjenigen gilt, zu dessen Lasten die nachbarschützende Vorschrift verletzt wird. Die nachbarschützende Wirkung der Abstandsvorschrift erstreckt sich aber nur auf die jeweils an die Abstandsfläche des Bauvorhabens angrenzenden Grundstücke und auf alle Nachbarn, deren Grundstücke dem Bauvorhaben gegenüberliegen (vgl. hierzu Sauter, LBO für Baden-Württemberg, Stand Juli 2009, § 5 RdNr. 7). Der Antragsteller kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Bauvorhaben die erforderliche Abstandsflächentiefe gegenüber dem Grundstück Flst.Nr. ..., also gegenüber einem fremden Grundstück nicht einhält. Dass die Abstandsflächentiefe auf der seinem Grundstück zugewandten Gebäudeseite nicht eingehalten wäre, macht der Antragsteller selbst nicht geltend.
II.
Der Antragsteller trägt als Beschwerdeführer die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Beschwerde (§ 154 Abs. 2 VwGO). Insoweit sind ihm nach § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil der Beigeladene mit seinem - näher begründeten - Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, ein eigenes Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) übernommen hat. Der Senat gibt damit seine - mit der Rechtsprechung der anderen Baurechtssenate des beschließenden Gerichtshofs übereinstimmende - bisherige Praxis, die einem notwendig beigeladenen Bauherrn entstandenen außergerichtlichen Kosten ungeachtet dessen aufzuerlegen, ob der Bauherr einen Sachantrag gestellt oder den Prozess wesentlich gefördert hat (Senatsbeschluss vom 01.09.1997 - 8 S 1958/97 - VBlBW 1998, 57 m.w.N.), nach Abstimmung mit den anderen Baurechtssenaten auf.
Nach § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Der Billigkeit entspricht die Auferlegung von Kosten eines Beigeladenen im Regelfall nur dann, wenn er i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einen Antrag gestellt oder das Verfahren wesentlich gefördert hat. Für einen notwendig Beigeladenen gilt grundsätzlich nichts Anderes, auch nicht im Baunachbarstreit. Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang des § 162 Abs. 3 VwGO mit § 154 Abs. 3 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.01.1987 - 6 C 55.83 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 21) und allgemeinen Grundsätzen des Kostenrechts, die sich am Maß der Beteiligung orientieren (Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 162 Rn. 92, 93 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). § 162 Abs. 3 VwGO unterscheidet zudem nicht zwischen einfacher und notwendiger Beiladung. Auch stellen weder diese Vorschrift noch § 154 Abs. 3 VwGO auf die materiell-rechtliche Betroffenheit oder die Zwangsläufigkeit der prozessualen Beteiligung des Beigeladenen ab; vielmehr knüpft § 154 Abs. 3 VwGO an das konkrete prozessuale Verhalten des Beigeladenen an (vgl. Olbertz, a.a.O. Rn. 96 m.w.N.). Demzufolge können die Gesichtspunkte, dass der Bauherr im Anfechtungsprozess eines Nachbarn zwangsläufig in eine gerichtliche Auseinandersetzung über die ihm erteilte Baugenehmigung gezogen wird und dass es sich dabei „im Grunde“ nur um eine Streitigkeit zwischen ihm und dem Nachbarn handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 01.09.1997, a.a.O.; im Anschluss ebenso bei notwendig beigeladenen Asylbewerbern BayVGH, Beschluss vom 08.11.1999 - 27 ZB 99.32026 - NVwZ-RR 2000, 333 jeweils m.w.N.), für sich genommen keine Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO rechtfertigen. Abgesehen davon stellen sie auch keine Besonderheit gerade des Baunachbarstreits dar. Allerdings setzt eine Billigkeitsentscheidung einen Sachantrag i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO auch nicht voraus (Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Auflage § 162 Rn. 17 m.w.N.). Sie kommt auch ohne solchen Antrag in Betracht, etwa wenn der Beigeladene das Verfahren wesentlich gefördert hat oder ein anderer Billigkeitsgrund vorliegt (vgl. Olbertz, a.a.O. Rn. 93 und 95 ff. m.w.N.). Umgekehrt kann sie trotz eigener Antragstellung auch ausscheiden, etwa bei unnötiger vorbeugender Rechtsverteidigung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 07.06.1995 - 4 B 126.95 - NJW 1995, 2867 und vom 31.10.2000 - 4 KSt 2.00, 4 B 65.00 - NVwZ-RR 2001, 276), wenn in einem Schriftsatz ohne Begründung nur die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1993 - 4 C 16.92 - juris) oder wenn mit einem Sachantrag ausnahmsweise kein Kostenrisiko i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO einhergeht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - NVwZ-RR 2002, 786).
Ausgehend davon ist hier eine Billigkeitsentscheidung i. S. des § 162 Abs. 3 VwGO gerechtfertigt, weil der Beigeladene mit seinem - näher begründeten - Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde ein Kostenrisiko i. S. des § 154 Abs. 3 VwGO übernommen hat und kein Sachverhalt vorliegt, der einer Billigkeitsentscheidung gleichwohl entgegensteht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.
10 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. März 2014 - 6 K 634/14 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht - insoweit unter Änderung der dortigen Festsetzung - jeweils auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Änderung der vom Verwaltungsgericht zum Nachteil der Antragstellerin getroffenen Abwägungsentscheidung keinen Anlass.
Das Verwaltungsgericht hat, soweit dies zu prüfen war, bei der von ihm nach Maßgabe der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem (besonderen) öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse der Beigeladenen, von der kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB) sofort vollziehbaren Baugenehmigung des Landratsamts Konstanz vom 10.10.2013 sofort Gebrauch machen zu dürfen, zu Recht Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin gegeben, von deren Wirkungen vorläufig verschont zu bleiben. Mit dieser Baugenehmigung wurden der beigeladenen Gemeinde der Abbruch des Südflügels der H.-Halle und die Errichtung eines zweistöckigen Anbaus mit Schulungs-, Probe- und Lagerräumen für ihre Musikschule genehmigt.
Der Senat vermag, nachdem die Baugenehmigung mit baurechtlicher Entscheidung vom 24.04.2014 um weitere Nebenbestimmungen ergänzt wurde, bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage schon nicht mehr zu erkennen, dass aufgrund inhaltlicher Unbestimmtheit der Baugenehmigung mit der vorgesehenen Nutzung möglicherweise doch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, nämlich das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, verstoßen würde.
Soweit die Beschwerde darauf abgehoben hatte, dass im Hinblick auf die auch vom Verwaltungsgericht erkannte Unbestimmtheit der Baugenehmigung eine zuverlässige Prognose der mit der Nutzung des Bauvorhabens verbundenen Schallimmissionen gar nicht möglich sei, vermag dies eine andere Abwägungsentscheidung jedenfalls nicht mehr zu rechtfertigen. Denn die vom Verwaltungsgericht vermisste Festschreibung von Immissionsrichtwerten und Nutzungszeiten ist inzwischen erfolgt. So hat das Landratsamt der Baugenehmigung nachträglich die Nebenbestimmungen 10 und 11 beigefügt, wodurch die der gutachtlichen Stellungnahme der Ingenieurgesellschaft für Akustik, Thermische Bauphysik, Immissionsschutz GSA K. GmbH (GSA) vom 20.08.2013 zugrunde gelegten Nutzungszeiten (13.30 bis 22.00 Uhr) der Schulungs- und Proberäume nunmehr auch in der Baugenehmigung festgeschrieben (Nr. 10) und darüber hinaus bestimmt wurde, dass durch bauliche und/oder organisatorische Maßnahmen sicherzustellen ist, dass der durch den betrieblichen Ablauf sowie durch den Einsatz betriebstechnischer Anlagen entstehende Beurteilungspegel in der Nachbarschaft den entsprechenden Geräusch-Immissionsrichtwert nach Ziff. 6.1 d) und e) der TA Lärm an den maßgeblichen Immissionsorten (an der Außenwand des der baulich genehmigten Nutzung am nächsten gelegenen Gebäudes) nicht überschreitet (Nr. 11). Auch wurde in der Nebenbestimmung Nr. 6 klargestellt, dass die (abschließbaren) Schallschutzfenster (Klasse 3) während jeglicher Proben - also nicht nur während der Proben der Musikschule - geschlossen zu halten sind.
Zwar wurden, was die Antragstellerin weiterhin beanstandet, die „Nutzungsarten“ bzw. die „inhaltliche Nutzung“ der Räume insofern nicht näher bestimmt, als die in den verschiedenen Schulungs- und Proberäumen vorgesehenen Nutzungen durch die Musikschule und den Akkordeon-Spielring nicht weiter hinsichtlich Art und Anzahl der Instrumente konkretisiert wurde. Jedoch war dies aller Voraussicht nach - auch im Hinblick auf die gebotene nachbarliche Rücksichtnahme - nicht erforderlich. Denn aufgrund der in der maßgeblichen gutachtlichen Stellungnahme der GSA vom 20.08.2013 angestellten worst-case-Betrachtung dürften unabhängig von Art und Anzahl der Instrumente für die Antragstellerin unzumutbare Lärmwirkungen jedenfalls auszuschließen sein.
Den durchaus unterschiedlichen Schalldruckpegeln wurde in dieser Stellungnahme, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, dadurch Rechnung getragen, dass für sämtliche Räume und über die gesamte Betriebszeit ein Innengeräuschpegel von LI = 90 dB(A) unterstellt wurde, mithin ein Geräuschpegel, der nach den Arbeitsstättenrichtlinien nur bei regelmäßiger Verwendung von Gehörschutz zulässig wäre. Darüber hinaus wurde für 50% der Einwirkungszeit ein Zuschlag für impulshaltige Töne berücksichtigt. Dass - nicht zuletzt um unerwünschte Störungen der jeweils anderen Musikproben auszuschließen - tatsächlich geringere Innengeräuschpegel zu erwarten sind, erhellt ohne Weiteres auch daraus, dass - bei einer Mittelung über alle Instrumente - bei einer Großgruppe lediglich ein Schalldruckpegel LAF von 80 dB(A) und bei einer Kleingruppe gar nur von 70 dB(A) erzeugt würde, wobei entsprechend den gängigen Betriebsweisen von Musikschulen ca. 75 % der Gesamtzeit auf Einzelübungen und Kleingruppen entfallen (vgl. die gutachtliche Stellungnahme v. 05.08.2013). Schließlich ist nach der inzwischen eingefügten Nebenbestimmung Nr. 11 sicherzustellen, dass der entstehende Beurteilungspegel in der Nachbarschaft den entsprechenden Geräusch-Immissionsrichtwert nach der TA Lärm - hier für ein reines Wohngebiet von tags 50 dB(A) - an den maßgeblichen Immissionsorten nicht überschreitet. Dies ist nach den Berechnungen - bei geschlossenen Fenstern mit einem Schalldämmmaß RW von mind. 32 dB - jedenfalls sichergestellt; so ergibt sich selbst an der nächstgelegenen Immissionsposition IP 2a (unmittelbar gegenüber der Musikschule) lediglich ein Beurteilungspegel Lr von 45,2 dB(A). Berücksichtigt man, dass die Schallschutzfenster nach den genehmigten Bauvorlagen sogar ein Schalldämmmaß RW von mind. 37 dB aufweisen müssen (Schallschutzklasse 3 nach VDI 2719), ergibt sich gar nur ein Beurteilungspegel Lr von allenfalls 40 dB(A). Warum es sich bei den gutachtlichen Stellungnahmen der GSA aufgrund ihres Prognosecharakters um keine Schallschutzgutachten handeln sollte, erschließt sich dem Senat nicht.
Soweit die Antragstellerin noch geltend macht, dass die Räume der Musikschule außer dem Akkordeon-Spielring offenbar auch noch weiteren probenden Musikgruppen bzw. -vereinen zur Verfügung gestellt werden sollen, wäre dies eine von der baurechtlich genehmigten Nutzung (Schulungs- und Proberäume für die Musikschule) umfasste Nebennutzung, die grundsätzlich auch keine weitergehenden Nebenbestimmungen erfordern dürfte. Warum insofern - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - die Anwendung der „Freizeitlärmrichtlinie“ eine sachgerechtere Beurteilung ermöglichen sollte, zeigt die Antragstellerin nicht auf. Abgesehen davon liegt es vor dem Hintergrund der gutachtlichen Stellungnahme vom 05.08.2013 (S. 13, Tabelle 8b) fern, dass sich bei den zuletzt zugrunde gelegten worst-case-Annahmen bei geschlossenen Fenstern der Schallschutzklasse Klasse 3 nunmehr eine Überschreitung auch nur des innerhalb der Ruhezeiten maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 45 dB(A) zu ihren Lasten ergeben könnte. So würde dieser am maßgeblichen Immissionsort IP 1b ohne die verschärften worst-case-Annahmen auch bei gekippten Schallschutzfenstern der Klasse 2 noch deutlich unterschritten.
Im Übrigen wäre eine andere Abwägungsentscheidung zugunsten der Antragstellerin auch dann nicht gerechtfertigt, wenn bei bestimmten Nutzungen eine Richtwertüberschreitung und damit ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht gänzlich auszuschließen wäre. Denn dem könnte - worauf die Beigeladene zu Recht hinweist - im Hauptsacheverfahren noch ohne Weiteres dadurch Rechnung getragen werden, dass die der Baugenehmigung beigefügten Inhalts- und Nebenbestimmungen präziser gefasst oder zusätzliche Schutzmaßnahmen angeordnet werden, um den Nachbarbelangen der Antragstellerin erforderlichenfalls noch weitergehend Rechnung zu tragen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 09.08.2011 - 1 ME 107/11 -, NVwZ 2012, 124).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
10 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013. Der Senat hält in Anwendung des Rahmenvorschlags der Nr. 9.7.1 das Interesse der Antragstellerin in der Hauptsache mit einem „mittleren“ Wert von EUR 10.000,-- für angemessen erfasst (vgl. für ein Ein- oder (kleineres) Mehrfamilienhaus bereits VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.08.2014 - 8 S 979/14 - sowie Beschl. v. 27.08.2014 - 3 S 1400/14 -). Denn vom „Normalfall“ abweichende Umstände, die eine höhere oder geringere Bewertung des Interesses an der Abwehr der geltend gemachten Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.08.1990 - 4 B 95.90 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 100) rechtfertigten, liegen nicht vor. Der gefundene Wert war hier allerdings auf die Hälfte (= EUR 5.000,--) zu reduzieren, da sich die Antragstellerin ausschließlich gegen die Lärmwirkungen der künftigen Nutzung des Südflügels der H.-Halle zur Wehr setzt und insofern von einer faktischen Vorwegnahme der Hauptsache nicht gesprochen werden kann.
11 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 23. April 2014 - 5 K 425/14 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige (§ 146, 147 VwGO) Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Denn ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die den Beigeladenen am 28.01.2014 erteilte Baugenehmigung (zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Garage und Carport) ist mit der durch die Beigeladenen mit Ausdrucken von Bilddateien belegten, von der Antragsgegnerin bestätigten und von den Antragstellern nicht bestrittenen Fertigstellung des Rohbaus in Ausnutzung der streitbefangenen Baugenehmigung unzulässig geworden.
Wendet sich ein Nachbar mit einem Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ausschließlich gegen die von einer genehmigten baulichen Anlage als solcher ausgehenden Beeinträchtigungen, nicht aber gegen deren bestimmungsgemäße Nutzung, ist sein Begehren auf Erlangung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes mangels fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses mit der Fertigstellung des Rohbaus unzulässig (Senatsbeschluss vom 12.01.2005 - 8 S 2720/04 - BauR 2005, 1762; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.01.2013 - 3 S 2259/12 - juris). Denn das Rechtsschutzbedürfnis ist dann nicht mehr gegeben, wenn der Rechtsuchende mit seinem Begehren eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht mehr erreichen kann (BVerwG, Beschluss vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 (91) und Urteil vom 08.07.2009 - 8 C 4.09 - NVwZ-RR 2009, 980 Rn. 24). Wendet sich ein Antragsteller - wie hier - gegen die vom Baukörper ausgehenden Beeinträchtigungen - und nicht gegen dessen bestimmungsgemäße Nutzung -, kann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach Fertigstellung des Baukörpers seine Rechtsstellung nicht mehr verbessern.
Darauf, ob das Verwaltungsgericht sein Eilrechtsschutzgesuch zu Recht als unbegründet angesehen hat oder ob seine Beschwerdegründe gegen den erstinstanzlichen Beschluss durchgegriffen hätten, kommt es deshalb nicht mehr an.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen mit ihrem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerden ein Kostenrisiko eingegangen sind (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
3. Die Streitwertfestsetzung und -abänderung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG und lehnt sich an die Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57) (Streitwertkatalog 2013) an.
a) Nach Nr. 9.7.1 Streitwertkatalog 2013 ist bei der Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung ein Streitwert zwischen 7.500 EUR und 15.000 EUR vorgeschlagen, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Damit unterscheidet sich dieser Vorschlag von demjenigen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327). Dort war unter Nr. 9.7.1 ein Streitwert von 7.500 EUR, mindestens aber der Betrag der Grundstückswertminderung vorgesehen. Da nunmehr im Regelfall ein Rahmen für den festzusetzenden Streitwert vorgeschlagen ist (zur Ausnahme Nr. 9 Streitwertkatalog 2013), setzt der Senat in Abweichung von seiner Praxis zum früheren Streitwertkatalog (siehe etwa Senatsbeschluss vom 24.03.2014 - 8 S 1938/12 - juris Rn. 58) bei Verfahren, die nach dem 01.01.2014 anhängig geworden sind, den Streitwert bei Drittanfechtungen von Baugenehmigungen regelmäßig innerhalb des vorgeschlagenen Rahmens fest. Ergeben sich aus dem Vortrag der Beteiligten zum Streitwert (vgl. § 61 GKG) keine abweichenden Anhaltspunkte, ist bei der Klage eines Nachbarn gegen die Baugenehmigung für ein Ein- oder (kleineres) Mehrfamilienwohnhaus im Hauptsacheverfahren daher in Anwendung des Rahmenvorschlags aus Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 ein Streitwert von 10.000,-EUR festzusetzen. Entsprechend ist der Streitwert innerhalb des vorgeschlagenen Rahmens höher festzusetzen, wenn die erkennbare Bedeutung des Streits für den Klägern über diese durchschnittliche Bewertung hinausgeht und niedriger festzusetzen, wenn sich die Bedeutung als unterdurchschnittlich erweist. Der bisherigen Senatspraxis folgend (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 09.07.2014 - 8 S 827/14 - juris Rn. 12) kommt eine Reduzierung dieses Streitwerts für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dann auch weiterhin nicht in Betracht, wenn sich ein Antragsteller nicht allein gegen die Auswirkungen der zukünftigen Nutzung des Nachbargrundstücks, sondern gegen den Baukörper als solchen zur Wehr setzen.
b) Davon ausgehend ist hier für beide Instanzen ein Streitwert von 7.500 EUR festzusetzen. Der Senat bewertet das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der unproblematischen Bewirtschaftung ihres „Mühlkanals“ im Verhältnis zu durchschnittlichen Fallgestaltungen, bei denen Rechtsverstöße zulasten bebauter Grundstücke abgewehrt werden sollen, als geringer und setzt daher den niedrigsten, im Streitwertkatalog 2013 für Drittanfechtungen vorgeschlagenen Streitwert fest. Da sich die Antragstellerin gegen den Baukörper selbst zur Wehr setzt, kommt eine Reduzierung des Streitwerts für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Betracht.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.