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| Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004, mit dem die Klägerin zu einem Schmutzwasserbeitrag herangezogen wurde, und der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; unten I.). Die im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos; sie ist zwar zulässig, aber unbegründet (unten II.). |
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| Die Beklagte stützt den angefochtenen Beitragsbescheid, mit dem das streitgegenständliche Grundstück im Hinblick auf eine erhöhte bauliche Nutzbarkeit nachveranlagt wurde, zu Recht auf § 10 Abs. 4 Satz 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996, GBl. S. 481 (im Folgenden: KAG 1996) und ihre Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 16.06.2003 i.d.F. vom 15.12.2003 (im Folgenden: AbwS). Von Grundstückseigentümern, für deren Grundstücke eine Beitragspflicht bereits entstanden ist, können Beiträge erhoben werden, soweit sich die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996). Daran anknüpfend hat die Beklagte ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie von dieser gesetzlichen Ermächtigung zur grundstücksbezogenen Nachveranlagung Gebrauch gemacht hat (vgl. Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz für Bad.-Württ., Stand September 2009, § 29 RdNr. 2.3). § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS sieht u.a. vor, dass eine weitere Beitragspflicht entsteht, soweit bei Grundstücken, für die eine Beitragspflicht bereits entstanden ist bzw. durch Bescheid begründet worden ist, die bis zum 29.02.1996 zulässige Geschossflächenzahl oder Geschossfläche bzw. genehmigte höhere Geschossflächen überschritten oder eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche allgemein zugelassen wird bzw. zugelassen wurde. |
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| 1. Dass die Verlagerung des ursprünglich auf der Flughafennordseite angesiedelten Frachtbereichs nach Süden und die damit verbundene „Aufsiedelung“ der Flughafensüdseite, wie sie mit Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000 zugelassen wurde, zu einer für die Nachveranlagung erforderlichen Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit geführt hat, steht außer Streit. |
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| 2. Auch wenn § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 und die sich daran anschließende satzungsrechtliche Grundlage in § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS die verbesserte Vorteilslage nicht ausdrücklich als Nachveranlagungstatbestandsmerkmal nennen, gilt auch für Beitragsnachveranlagungen der Grundsatz des § 10 Abs. 1 KAG 1996, wonach Beiträge generell vorteilsbezogen zu bemessen sind. § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 enthält deshalb das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass sich nicht nur die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöhen muss, sondern dass sich dadurch auch die Vorteilslage verbessert. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück führe nicht dazu, dass diesem Grundstück ein erhöhter Vorteil zuteil würde; da die Satzung der Beklagten der Atypik der flughafenbezogenen Nutzung des Geländes nicht gerecht werde und hierfür keinen eigenständigen Maßstab vorsehe, sei sie insoweit unvollständig und damit nichtig. Dem kann nicht gefolgt werden. |
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| a) Anschlussbeiträge (und damit auch Beiträge im Wege der Nacherhebung) können nur von denjenigen Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihrer Grundstücke an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 KAG 1996; § 20 Abs. 1 Satz 2 KAG 2005). Der die Erhebung eines Anschlussbeitrags rechtfertigende Vorteil besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in der Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts des Grundstücks, mit der in der Regel auch eine Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks einhergeht. Der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks hängt wesentlich von seiner baulichen Nutzbarkeit ab. Baulich nutzbar ist ein Grundstück nach den §§ 30 ff. BauGB, wenn seine Erschließung gesichert ist, wozu u.a. die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehört (vgl. auch § 3 Abs. 1, § 33 Abs. 3 LBO). Der Vorteil, der einem Eigentümer durch die Möglichkeit des Anschlusses bzw. durch einen tatsächlich hergestellten Anschluss seines Grundstücks an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung geboten wird, besteht dementsprechend in der Gewährleistung der Bebaubarkeit des Grundstücks (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.2009 - 2 S 709/09 - juris; Beschluss vom 03.05.2007 - 2 S 1842/06 - juris; Urteil vom 19.10.2006 - 2 S 705/04 - VBlBW 2007, 311). |
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| Danach sind Verteilungsmaßstäbe, die auf das Maß der zulässigen Grundstücksnutzung abheben, vorteilsgerechte Maßstäbe, weil der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks - und damit der beitragsrechtliche Vorteil - im Wesentlichen von dem Maß der zulässigen baulichen Nutzung abhängt (BVerwG, Urteil vom 25.08.1982 - 8 C 54.91 - NVwZ 1983, 289; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.12.1985 - 2 S 2689/83 - VBlBW 1986, 142). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 11.12.1986 - 2 S 3160/84 -) zwingt das Vorteilsprinzip den Ortsgesetzgeber ferner grundsätzlich nicht, in der Abwasserbeitragssatzung einen sog. Artzuschlag für gewerblich oder industriell genutzte oder nutzbare Grundstücke vorzusehen (a.A. OVG Münster, Urteil vom 24.10.1995 - 15 A 890/90 - NWVBl. 1996, 232). Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach gewerblich oder industriell nutzbare Grundstücke typischerweise die kommunale Kanalisation stärker beanspruchen als etwa im Falle von Wohnnutzung. Nur dann, wenn an die Kapazität und Qualität einer Kläranlage wegen gewerblicher oder industrieller Abwässer besonders hohe Anforderungen gestellt werden, kann sich die Notwendigkeit einer Differenzierung des Beitragssatzes auch nach der Art der baulichen Nutzung ergeben. In diesen Fällen besteht der Vorteil, den die Eigentümer von Gewerbe- und Industriegrundstücken durch den Anschluss ihrer Grundstücke haben, nicht nur in der Abnahme von Abwässern der üblichen Beschaffenheit und Menge, sondern in der Abnahme und Klärung von stark verschmutzten oder von besonders großen Abwassermengen (vgl. auch Gössl/Reif, aaO, § 31 RdNr. 2.1.3.6). Danach ist die Aufnahme eines Artzuschlags in der Beitragssatzung in Anlehnung an die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte „Typisierungsgrenze“ dann notwendig, wenn ohne eine Artzuschlagsregelung für gewerblich oder industriell genutzte bzw. nutzbare Grundstücke der durch sie verursachte beitragsfähige Mehraufwand eine Mehrbelastung der anderen beitragspflichtigen Grundstücke von mehr als 10 v.H. zur Folge hätte (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1999 - 2 S 3022/89 - Juris). |
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| Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung liegt den Regelungen über die Verteilung der Anlagekosten (auch) der Gedanke zugrunde, dass sich die Quantifizierung des Vorteils und damit die Bestimmung der Höhe des Vorteils danach auszurichten hat, in welchem Umfang - bei typisierender Betrachtungsweise - erfahrungsgemäß die öffentliche Einrichtung von den einzelnen Grundstücken jeweils benutzt werden wird (vgl. dazu die Nachweise der Rechtsprechung bei Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 8 RdNr. 276). Die Verteilungsmaßstäbe können allerdings die Relation zwischen dem Umfang der wahrscheinlichen (erfahrungsgemäß zu erwartenden) Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage und den den jeweiligen Grundstücken zukommenden Vorteilen nur grob und unscharf abbilden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird sich mit der Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung im Regelfall auch der Umfang der zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erhöhen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass innerhalb der einzelnen Nutzungsarten - und insbesondere innerhalb verschiedener gewerblicher oder industrieller Nutzungen - erhebliche Unterschiede bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung auftreten können. Insbesondere bei Gewerbe- oder Industriebetrieben, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, liegt eine Inanspruchnahme in unterschiedlichem Umfang auf der Hand. Da eine Abbildung der zu erwartenden Inanspruchnahme bezogen auf jede einzelne Nutzungsart oder gar innerhalb einer Nutzungsart mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht geleistet werden kann, können die entsprechend größeren Vorteile etwa der Grundstücke, bei denen Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, im Rahmen einer zulässigen Typisierung vernachlässigt werden. Dieser - zugegeben - grobe Maßstab für die Quantifizierung des Vorteils bedarf nur dann einer Korrektur, wenn ausnahmsweise die Art der baulichen Nutzung (etwa eine besonders wasserintensive industrielle Produktion) zu einem Umfang der erfahrungsgemäß zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung führt, der - entsprechend den dargelegten Grundsätzen - zu der Einführung eines Artzuschlags nötigt. |
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| b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegen im hier zu beurteilenden Fall keine Besonderheiten vor, die für das streitgegenständliche Grundstück die Verbesserung der Vorteilssituation in Frage stellen könnten. |
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| aa) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zunächst darauf, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber der vorher bestehenden militärischen Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten geführt habe. Dem Verteilungsmaßstab liegt - wie dargelegt - grundsätzlich die Annahme zugrunde, dass Grundstücke, die ein vergleichbares Maß an baulicher Nutzbarkeit aufweisen, auch in etwa in vergleichbarem Umfang die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage in Anspruch nehmen. Erfahrungsgemäß ist also die zu erwartende Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage durch das Grundstück der Klägerin vergleichbar mit dem Umfang der Inanspruchnahme durch ein Grundstück mit einer gleichen Geschossflächenzahl. Im Hinblick darauf, dass der Verteilungsmaßstab aus den genannten Gründen der Praktikabilität die Entwässerungsverhältnisse der einzelnen Grundstücke nur grob abbilden kann, kann eine Atypik und damit ein Mindervorteil nur dann angenommen werden, wenn zu erwarten ist, dass vom zu beurteilenden Grundstück aus die Kanalisation in signifikant geringerem Umfang in Anspruch genommen wird. Ist etwa im Hinblick auf eine besonders starke Beanspruchung der Kläranlage durch industrielle Abwässer ein Artzuschlag angezeigt, so könnte man umgekehrt bei besonders geringer Beanspruchung der Abwasserbeseitigungseinrichtung an einen Abschlag im Falle einer besonders atypischen Nutzung eines Grundstücks denken. |
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| Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass vom Frachtzentrum der Klägerin im Vergleich zu einem Gebäude mit Wohnnutzung oder mit gewerblicher Nutzung, das das gleiche Nutzungsmaß aufweist, in wesentlich geringerem Umfang Schmutzwasser - hier häusliches Abwasser - der Abwasserbeseitigungsanlage zugeleitet wird. Dies wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang insbesondere keine Umstände vorgetragen, die im Hinblick auf die Nutzung ihrer Gebäude als Frachtzentrum auf ein im Vergleich mit anderen Frachtgebäuden atypisch geringen Anfall an Abwasser schließen lassen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte durfte die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die vom Grundstück der Klägerin aus eingeleiteten Abwassermengen in Form von häuslichem Abwasser sich durchaus im Rahmen des - für ein vergleichbar bebautes Grundstück - Üblichen halten. Danach ist die Veranlagung des klägerischen Grundstücks nach dem Maßstab der zulässigen Geschossflächen im Vergleich mit den übrigen Grundstücken im Satzungsgebiet vorteilsgerecht. |
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| Es kann - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht darauf ankommen, ob seit Aufsiedelung der Flughafensüdseite nur noch 12 l/sec. häusliches Abwasser anstatt 20,9 l/sec. zu Zeiten der militärischen Nutzung des Geländes in den Entwässerungsanlagen der Beklagten zu entsorgen sind. Ob eine Beitragserhebung für ein bestimmtes Grundstück im Gebiet einer Abwasserbeseitigungseinrichtung vorteilsgerecht ist, kann nur im Vergleich mit den übrigen Grundstücken des Gebiets, auf die die Gesamtkosten der Einrichtung zu verteilen sind, und niemals bezogen auf das einzelne Grundstück beurteilt werden. Auch ist die konkrete Abwassermenge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der Abwasserbeseitigungseinrichtung zugeleitet wird, als Maßstab für die Beitragserhebung mangels Praktikabilität von vornherein ungeeignet. Der Gemeinde müsste die erforderliche Datenbasis nicht nur bezüglich des Flughafengeländes, sondern auch bezüglich aller anderen Grundstücke im Satzungsgebiet zur Verfügung stehen. Der Umfang, in dem die amerikanischen Streitkräfte die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten in Anspruch genommen haben, ist nach alledem für die Beurteilung der Vorteilssituation des klägerischen Grundstücks unerheblich. Es kann damit auch offenbleiben, ob die ursprüngliche Beitragsveranlagung im Jahre 1988 die damalige Art der baulichen Nutzung des Grundstücks durch die amerikanischen Streitkräfte überhaupt vorteilsgerecht berücksichtigt hat. |
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| bb) Zu Unrecht leitet die Klägerin einen Mindervorteil für das streitgegenständliche Grundstück ferner aus dem Umstand ab, dass die bauliche Nutzung des Flughafengeländes durch Planfeststellungsbeschluss konkret festgeschrieben ist, während beim Regelfall einer durch Bebauungsplan zugelassenen baulichen Nutzung eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten für die Grundstücke eröffnet ist. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, bei einer durch Bebauungsplan zugelassenen Bebauung müsse die Kommune - um die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks abzudecken - auch Erschließungsleistungen für die gesamte Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks und damit auch für die umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit vorhalten. Mit dieser Argumentation verkennt die Klägerin, dass die Art der baulichen Nutzung - abgesehen von den Fällen eines Artzuschlags - für die Bemessung des beitragsrechtlichen Vorteils unerheblich ist. Die Notwendigkeit, den Beitragssatz nach der Art der baulichen Nutzung zu differenzieren, besteht deshalb nicht, weil - wie bereits dargelegt - eine unterschiedliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch einerseits Wohnnutzung und andererseits gewerbliche Nutzung - aber auch innerhalb der verschiedenen gewerblichen oder industriellen Nutzungen - bei generalisierender Betrachtungsweise nicht feststellbar ist. Dem Beitragsmaßstab liegt damit - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade der Gedanke zugrunde, dass für die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten - unabhängig davon, ob sie im Wege eines Planfeststellungsbeschlusses oder im Wege eines Bebauungsplanes zugelassen werden - in etwa die gleichen bzw. vergleichbare Erschließungsleistungen vorgehalten werden. |
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| cc) Unerheblich ist auch der Einwand der Klägerin, die Erhöhung des Nutzungsmaßes der Flughafensüdseite habe nicht zu einem entsprechend höheren Erschließungsaufwand für die Beklagte bzw. zur Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus der öffentlichen Einrichtung geführt. § 10 KAG 1996 (heute § 20 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 KAG) verpflichtet die Gemeinden, die beitragsfähigen Kosten ihrer öffentlichen Einrichtungen auf die angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke nach einem Maßstab abzuwälzen, der sich an dem durch die Anschlussmöglichkeit bzw. den Anschluss gebotenen Vorteil orientiert. Damit hat der Landesgesetzgeber im Interesse der Beitragsgerechtigkeit, aber auch einer praktikablen Beitragserhebung eine Kostenverteilung nach dem sogenannten Verursacherprinzip grundsätzlich ausgeschlossen; damit ist eine Kostenverteilung, die sich nicht an der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke, sondern an dem durch das jeweilige Grundstück verursachten Erschließungsaufwand orientiert, ausgeschlossen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.1990 - 2 S 2098/89 - VBlBW 1991, 263). Der Gesetzgeber hat dabei in Kauf genommen, dass beispielsweise gelände- oder standortbedingte Mehrkosten der öffentlichen Einrichtung nicht von den die Mehrkosten auslösenden Grundstückseigentümern, sondern von allen Grundstückseigentümern nach Maßgabe eines vorteilsgerechten Maßstabs getragen werden. Vor diesem Hintergrund spielt es dann aber auch keine Rolle, ob die Aufsiedelung der Flughafensüdseite mit den Kapazitäten der öffentlichen Einrichtung der Beklagten abgedeckt werden kann oder ob in diesem Zusammenhang ein weiterer Ausbau der Einrichtung und damit verbundene Mehrkosten entstehen. |
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| dd) Zu Unrecht rügt die Klägerin ferner, dass dem streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung geboten werde, weil das auf dem Flughafenareal im Winterhalbjahr anfallende (stark verschmutzte) Enteisungsabwasser nicht abgeleitet werden könne, sondern lediglich die „häuslichen Abwässer“. |
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| Die Satzung der Beklagten differenziert zwischen Grundstücken mit der Möglichkeit, Schmutz- und Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Vollanschlussmöglichkeit) und Grundstücken mit der Möglichkeit, nur Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten (Teilanschlussmöglichkeit); für Grundstücke mit Vollanschlussmöglichkeit und Grundstücke mit Teilanschlussmöglichkeit sieht § 32 AbwS jeweils einen unterschiedlichen Beitragssatz für den öffentlichen Abwasserkanal und den Klärbereich vor. Danach hat die Beklagte das streitgegenständliche Grundstück zutreffend nur zu einem Teilbeitrag für die Möglichkeit, Schmutzwasser in die öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten, veranlagt, weil das Niederschlagswasser des Flughafengeländes insgesamt nicht von der Beklagten entsorgt wird. |
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| Der Teilbeitrag für das streitgegenständliche Grundstück ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil das häusliche Abwasser und damit unstreitig Schmutzwasser, abgeleitet wird. Die Situation des Grundstücks unterscheidet sich damit nicht von der Situation eines Grundstücks, das etwa mit einem Büro- oder Wohngebäude bebaut ist und das ebenfalls lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser der Einrichtung der Beklagten zuführt. Grundstücke, von denen lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser abgeleitet wird, stellen damit den „Normalfall“ dar und können deshalb entsprechend ihrem Maß der baulichen Nutzung zum „normalen“ Teilbeitrag für Schmutzwasser herangezogen werden. |
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| Ein Mindervorteil für das Grundstück der Klägerin kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass auf dem Grundstück kein Abwasser aus Produktionsprozessen anfällt. Gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke, bei denen stark verschmutzte oder unverhältnismäßig hohe Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, müssen unter den genannten Voraussetzungen durch einen Artzuschlag mit höheren Abwasserbeiträgen belastet werden. Liegen dagegen die Voraussetzungen eines Artzuschlags bei einem gewerblich oder industriell genutzten Grundstück noch nicht vor, so sind die entsprechend größeren Vorteile dieser Grundstücke, die ihnen durch die Möglichkeit eröffnet ist, auch Abwasser aus Produktionsprozessen zu entsorgen, wie dargelegt unter Typisierungsgesichtspunkten hinzunehmen und damit zu vernachlässigen. Umgekehrt führt aber das Nichteinleiten von Abwasser aus Produktionsprozessen nicht zu einem Mindervorteil. |
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| Eine atypische Vorteilssituation kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit, das auf der Flughafensüdseite anfallende Enteisungsabwasser in der Einrichtung der Beklagten zu entsorgen, angenommen werden. Selbst wenn man mit der Klägerin das Enteisungsabwasser nicht als Niederschlags-, sondern als Schmutzwasser im Sinne von § 32 AbwS qualifizieren würde, würde es - jedenfalls bezogen auf das hier zu beurteilende Grundstück - an einem Mindervorteil bereits deshalb fehlen, weil auf diesem Grundstück unstreitig Enteisungsabwasser nicht anfällt und folglich das gesamte Schmutzwasser des Grundstücks auch tatsächlich entsorgt werden kann. |
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| Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, es müsse nicht jedes einzelne Grundstück der Flughafensüdseite für sich genommen, sondern das Gesamtareal beitragsrechtlich beurteilt werden. Im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz ist ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht nach dem Bundesbaugesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen. Ein Abweichen von diesem Buchgrundstücksbegriff und ein Abstellen auf den Begriff der wirtschaftlichen Grundstückseinheit, für den maßgebend ist, ob zusammenhängende Flächen - unabhängig von ihrer katastermäßigen Einheit - ein wirtschaftliches Ganzes bilden und demselben Eigentümer gehören, rechtfertigt sich nur dann ausnahmsweise, wenn es nach Inhalt und Sinn des Beitragsrechts gröblich unangemessen wäre, am Buchgrundstücksbegriff festzuhalten (allgemeine Meinung, vgl. Driehaus, aaO, § 8 RdNrn. 392, 394; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989 - 2 S 2202/87 -). Ein nach Inhalt und Sinn gröblich unangemessenes Ergebnis bei Anwendung des Buchgrundstücksbegriffs tritt danach nur dann ein, wenn sie dazu führt, dass ein mangels hinreichender Größe allein nicht nutzbares Grundstück, das aus diesem Grunde einem Unland ohne Gebrauchswert gleichkommt, bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands völlig unberücksichtigt bleiben muss, obwohl es zusammen mit einem oder mehreren angrenzenden Grundstücken des gleichen Eigentümers angemessen genutzt werden kann. Infolgedessen ist kein Raum für ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff, wenn das Grundstück - wie hier - bereits selbständig angemessen bebaubar und damit nutzbar ist. |
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| Unabhängig davon ist das Festhalten am Buchgrundstücksbegriff hier auch deshalb nicht gröblich unangemessen, weil die „Rollbahngrundstücke“ des Flughafens, die das im Winterhalbjahr anfallende stark verschmutzte Enteisungsabwasser der Kläranlage in Stuttgart und nicht der Anlage der Beklagten zuführen, von der Beklagten überhaupt nicht zu einem Beitrag veranlagt wurden. Wenn die Beklagte aber bereits große Flächen des Gesamtareals Flughafen im Hinblick auf einen fehlenden Vorteil von der Veranlagung ausgenommen hat, besteht von vornherein kein Anlass, die gesamten Flächen des Flughafens beitragsrechtlich als ein wirtschaftliches Ganzes anzusehen. |
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| ee) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zur Begründung einer atypischen Vorteilssituation ferner auf das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12.07.2007 (Az. 5 B 565/05). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat sinngemäß entschieden, dass Grundstücke, die auf der Grundlage eines Entwässerungskonzepts die gesamten anfallenden Abwässer in eigenen Behandlungsanlagen entsorgen und damit vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung ausgenommen sind, von dieser keinen beitragsrelevanten Vorteil erfahren und deshalb nicht auf der Flächenseite der Globalberechnung berücksichtigt werden müssen. Die von der Beklagten veranlagten Grundstücke der Flughafensüdseite sind aber gerade nicht vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung der Beklagten ausgenommen, sondern hinsichtlich der Beseitigung des Schmutzwassers tatsächlich angeschlossen. Nur für diesen Vorteil werden die Grundstücke auch veranlagt. |
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| ff) Schließlich kann ein Mindervorteil für die Grundstücke der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass ihr für die innere und äußere Erschließung des Flughafengeländes und in diesem Zusammenhang insbesondere für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart erhebliche Aufwendungen entstanden sind. Dass die Kosten für die innere Erschließung des Flughafengeländes von der Klägerin und nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung. Auch die Kosten für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart sind für die Bemessung des Beitrags für das streitgegenständliche Grundstück rechtlich unerheblich. Auf diesem Grundstück fällt ebenso wie auf den anderen Grundstücken, die mit dem Frachtzentrum des Flughafens bebaut sind, kein zu entsorgendes Enteisungsabwasser an. Dass nicht das Gesamtareal der Flughafensüdseite, sondern jedes einzelne Grundstück für sich genommen beitragsrechtlich zu beurteilen ist, hat der Senat bereits dargelegt und erläutert. |
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| 3. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung im Wege der Nachveranlagung nicht entgegen. Der Grundsatz der Einmaligkeit bedeutet, dass derselbe Vorteil nicht mehrmals beitragspflichtig gemacht werden kann. Wenn sich aber die Verhältnisse bei dem Grundstück, für das bereits eine Beitragspflicht entstanden ist, derart ändern, dass dem Grundstückseigentümer aus der öffentlichen Einrichtung zusätzliche Vorteile entstehen, können diese neuen Vorteile - wenn sich die Gemeinde wie hier eine Nachveranlagung der Grundstücke durch eine zulässige satzungsrechtliche Regelung vorbehalten hat - zum Anlass genommen werden, um das Grundstück zu einem weiteren Beitrag zu veranlagen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989, aaO). Durch die Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks sind der Klägerin aber - wie unter 2. dargelegt - auch zusätzliche Vorteile zugeflossen. |
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| 4. Auch die Höhe des geltend gemachten Beitrags hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang für das streitgegenständliche Grundstück, das eine Grundstücksfläche von 5.162 m² aufweist, zutreffend eine Erhöhung der Geschossflächenzahl von 0,8 (bei der erstmaligen Beitragsveranlagung) auf 2,57 angenommen. Im Einzelnen: |
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| Das Maß der baulichen Nutzung wird gemäß § 16 BauNVO bestimmt durch die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Baumassenzahl, die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen. Vor diesem Hintergrund sieht § 25 Satz 1 AbwS als Beitragsmaßstab für den Abwasserbeitrag die zulässige Geschossfläche vor. Diese ergibt sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche mit der Geschossflächenzahl. Für die Beurteilung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zum Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung hat sich die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise von folgenden Überlegungen leiten lassen: Die Erstveranlagung erfolgte durch das Schreiben der Beklagten vom 17.05.1988, mit dem von den amerikanischen Streitkräften für das damalige Grundstück Flst.-Nr. ... ein Abwasserbeitrag angefordert wurde. Da im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen ist, erfasst die damalige Beitragserhebung das Gesamtgrundstück Flst.-Nr. ... und damit automatisch auch die Teilfläche, die das nunmehr streitige Grundstück Flst.-Nr. ... bildet. Der Beitragserhebung im Jahre 1988 lag, wie sich aus dem an das Bundesvermögensamt gerichteten Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 24.05.1988 ergibt, die Annahme von zwei Vollgeschossen und eine Geschossflächenzahl von 0,8 zugrunde. Dementsprechend hat die Beklagte für die ursprüngliche Beitragsveranlagung als Maßstab eine Geschossfläche von 4.130 m² zugrunde gelegt, die sich aus einer „hypothetischen“ Grundstücksfläche von 5.162 m² (entsprechend der heutigen Fläche des Grundstücks Flst.-Nr. ...) multipliziert mit der Geschossflächenzahl von 0,8 errechnet. Substantiierte Einwendungen gegen den für die Nachveranlagung maßgeblichen Ausgangswert hat die Klägerin nicht erhoben, sie sind für das Gericht im Übrigen auch nicht ersichtlich. |
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| Auch den Umfang, in dem sich die bauliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks nunmehr erhöht hat, hat die Beklagte zutreffend ermittelt. Auszugehen ist von den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000, wonach für das Grundstück u.a. eine Baumassenzahl von 9,0 festgesetzt wird. Für den Fall der Festsetzung einer Baumassenzahl anstatt der Geschossfläche sieht § 27 Abs. 2 AbwS vor, dass sich die Geschossflächenzahl aus der Teilung der Baumassenzahl durch 3,5 ergibt; dabei werden Bruchzahlen auf zwei Stellen hinter dem Komma bis einschließlich 0,0050 abgerundet und solche über 0,0050 aufgerundet (§ 27 Abs. 2 Satz 2 AbwS). Dementsprechend ergibt sich auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses eine Geschossflächenzahl von 2,57 und daraus folgend bei gleichbleibender Grundstücksfläche eine Geschossfläche von 13.266 m². Als Maßstab für die Nacherhebung errechnet sich danach eine Geschossfläche von 9.136 m² (Endwert von 13.266 m² abzüglich Anfangswert von 4.130 m²), die die Beklagte mit ihrem Beitragssatz für eine Teilanschlussmöglichkeit (hier: Einleitung des Schmutz-, aber nicht des Niederschlagswassers) nach § 32 Abs. 2 AbwS multipliziert hat. Auch gegen die Berechnung des der Nachveranlagung zugrunde gelegten erhöhten Nutzungsmaßes hat die Klägerin substantiierte Einwendungen nicht erhoben. |
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| 5. Soweit die Klägerin darüber hinaus pauschal auf ihr Vorbringen in erster Instanz verweist und dies zum Gegenstand des Berufungsverfahrens macht, nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 130b Satz 2 VwGO). |
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| Das Verpflichtungsbegehren auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos. |
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| 1. Über diesen erstmals mit Schriftsatz vom 22.09.2006 im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag ist - nach Abweisung des Hauptantrags als unbegründet - ebenfalls zu entscheiden. Dieser weitere Antrag ist als nachträgliche objektive Klagehäufung anzusehen und deshalb als Klageänderung in Gestalt der Klageerweiterung nach §§ 44, 91 VwGO zu behandeln, die nach § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch in der Berufungsinstanz grundsätzlich möglich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 91 RdNr. 21). Die Zulässigkeit der Klageänderung ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Einwilligung der Beklagten nach § 91 Abs. 1 1. Alt. VwGO. Schließlich ist die geänderte bzw. erweiterte Klage auch zulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 - BVerwGE 61, 45). Insbesondere fehlt es nicht an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs. Zwar zählt die Klage auf Erlass eines Beitrags nicht zu den Verfahren, die dem Oberverwaltungsgericht nach § 48 VwGO zur Entscheidung im ersten Rechtszug zugewiesen sind, so dass gemäß § 45 VwGO grundsätzlich das Verwaltungsgericht zuständig ist. Durch die Möglichkeit einer Klageänderung in einem anhängigen Berufungsverfahren werden indessen diese Zuständigkeitsregelungen modifiziert und erstinstanzliche Zuständigkeiten der Berufungsgerichte begründet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 13.03.1996 - 6 B 16.96 - Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15). Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht entgegen, dass bezüglich des Erlassantrags das durch § 68 VwGO grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hält in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren regelmäßig für entbehrlich, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.04.1994 - 11 C 2.93 - BVerwGE 95, 321). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte als zuständige Widerspruchsbehörde auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. |
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| 2. Die Klage auf Erlass der Beitragsforderung ist aber unbegründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Beitragserlass aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO oder § 227 AO liegen nicht vor. |
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| Sachliche Billigkeitsgründe sind nach Auffassung der Rechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Dass dabei nicht das (in der Regel ohnehin nicht zuverlässig bekannte) subjektive Wollen der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Personen, sondern der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers als Institution gemeint ist, versteht sich. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass dagegen nicht rechtfertigen, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 89/91 - NVwZ 1995, 989; Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, § 227 Rdnr. 40; Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, aaO, § 163 RdNrn. 32 und 33). Hiervon ausgehend ist die Einziehung eines Anspruchs aus einem Abgabenschuldverhältnis aus sachlichen Gründen insbesondere dann unbillig, wenn dies dem Gebot der Gleichheit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Dies ist hier bereits deshalb nicht der Fall, weil für das streitgegenständliche Grundstück eine atypische Vorteilssituation nicht angenommen werden kann und deshalb eine - im Vergleich zum satzungsrechtlichen „Normalfall“ - nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht vorliegt; insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen unter I., 2. b) verwiesen werden. |
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| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. |
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| Beschluss vom 12. November 2009 |
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| Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 68.063,20 EUR festgesetzt. |
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| Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch ist bei der Festsetzung des Streitwerts nicht gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen, da beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen und somit nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist. Die Frage, ob ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammenzurechnen ist, erfordert eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung hat grundsätzlich nur dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag eine „wirtschaftliche Werthäufung“ entsteht (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 06.10.2004 - IV ZR 287/03 - NJW-RR 2005, 506 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, weil eine gleichzeitige Zuerkennung des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruchs auf Aufhebung des Beitragsbescheids und des mit dem Hilfsantrag verfolgten Anspruchs auf Erlass des Beitrags nicht in Betracht kommt. Hinter beiden Anträgen steht das gleiche wirtschaftliche Interesse, nämlich der Wunsch der Klägerin, den von der Beklagten geforderten Beitrag letztendlich nicht bezahlen zu müssen. |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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