Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2012 - 10 S 1476/11

bei uns veröffentlicht am24.01.2012

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Der Beklagte hatte ursprünglich mit Bescheid vom 23. April 2002 den Kläger sowie neun Anlieferer von Altholz zu der in Insolvenz gefallenen S-GmbH, die auf mehreren gepachteten Grundstücken des Klägers eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Holzschredder-Anlage betrieb, zur Entsorgung von ca. 8.000 bis 10.000 Tonnen Altholz, das im Rechtssinne als Abfall qualifiziert worden war, gesamtschuldnerisch herangezogen. Vergleichbare Verfügungen wurden später gegen fünf weitere Anlieferer von Altholz erlassen. Jeweils wurde die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht; dafür wurden voraussichtliche Kosten von etwa 750.000 Euro angesetzt. In dem Bescheid wurde ferner geregelt, dass diese Kosten im Falle einer Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und bezüglich der Anlieferer unter Berücksichtigung bestimmter Tonnen-Beschränkungen anteilig zu tragen seien. Nach Durchführung der Ersatzvornahme wurde der Kläger seitens des Beklagten durch Bescheid vom 30. Oktober 2007 zu Kosten in Höhe von 97.255,21 Euro für die Entsorgung bestimmter Altholzabfälle herangezogen; hinzu kamen bestimmte Auslagen von insgesamt 134,26 Euro und eine Gebühr in Höhe von 2.500,- Euro für erbrachte Aufwendungen durch die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung der Ersatzvornahme. Verfügt wurde zudem, dass eventuelle Kostenerstattungen aus dem Insolvenzverfahren der S-GmbH dem Kläger umgehend überwiesen würden.
In der Begründung zur Heranziehung des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme führte der Beklagte an, dass die Inanspruchnahme des zunächst ausgewählten Kostenschuldners, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der S-GmbH, voraussichtlich nicht zur (vollständigen) Begleichung der Ersatzvornahmekosten führen werde. Die Entscheidung, wer nun von den sonstigen Pflichtigen – der Kläger und 14 weitere Verantwortliche, die gesamtschuldnerisch zur Entsorgung der Altholzabfälle verpflichtet worden waren – als Kostenschuldner herangezogen werde, liege im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Leitend für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung seien mehrere Erwägungen gewesen: Zunächst habe der Kläger mit der Verpachtung an die eine Holzschredder-Anlage betreibende S-GmbH bewusst das Risiko übernommen, möglicherweise für die Entsorgung der angesammelten Altholzabfälle aufkommen zu müssen. Sodann habe der Kläger durch Pachteinnahmen von monatlich mehr als 15.000,-- EUR Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen; daher erscheine es gerecht und billig, dass der Kläger für Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkomme, die unmittelbar mit der vorteilhaften Grundstücksnutzung (Gewinn bringende Verpachtung) zusammenhingen. Außerdem habe der Kläger als Abfallbesitzer eine größere Sachnähe als die anderen in Betracht kommenden Pflichtigen, die allesamt zum Kreis der Holzlieferanten zählten; seine Sachherrschaft habe der Kläger durch Kündigung des Pachtverhältnisses auch ausgeübt. Ferner seien für die Auswahl des Klägers verfahrensökonomische Gründe leitend gewesen, da bei Inanspruchnahme der 14 Anlieferer weitere 14 Kostenbescheide zu erlassen seien, die wegen der zu erwartenden Rechtsbehelfe ebenso viele Klageverfahren nach sich zögen; die Auswahl des Klägers habe nur ein Verfahren zur Folge, und außerdem könne der Kläger nach den Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich erhalten. Schließlich sei die Inanspruchnahme des Klägers auch verhältnismäßig, denn Zweck der Kostenregelung gemäß § 31 LVwVG sei die Heranziehung der Pflichtigen und nicht die Belastung der Bürger; die Höhe der Kosten sei dem Kläger auf Grund der früheren Pachtvorteile auch zumutbar.
Der Widerspruch des Klägers hatte im Abhilfeverfahren nur bezüglich der Auslagen in Höhe von 3,80 Euro einen sehr geringen Erfolg. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 14. November 2008 seitens der Widerspruchsbehörde zurückgewiesen: Die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Zunächst sei es legitim, nicht erst einmal den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens abzuwarten, zumal die am Ende verbleibende Insolvenzmasse wohl nur noch rund die Hälfte der Ersatzvornahmekosten abdecke, so dass weitere Pflichtige in Anspruch zu nehmen seien. Mit Blick auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Ersatzvornahme sei wegen einer drohenden Festsetzungsverjährung nach vier Jahren ein Kostenbescheid gegenüber dem Kläger zu erlassen gewesen. Dass nicht auch die Anlieferer zum Kostenersatz herangezogen worden seien, sei verfahrensökonomisch begründet gewesen, da ansonsten 14 Kostenbescheide hätten erlassen werden müssen; zudem sei die gesamtschuldnerische Haftung der Holzanlieferer in der Grundverfügung auf bestimmte Beträge beschränkt worden. Außerdem habe der Kläger als Zustandsstörer und Abfallbesitzer im Vergleich zu den ebenfalls verpflichteten Holzanlieferern die größere Sachnähe gehabt. Ferner habe sich mit der Zustandshaftung eine eigentumsspezifische Gefahr verwirklicht, die eng mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der Verpachtung zusammenhänge, so dass die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, der sich nicht in einer „Opfersituation“ befinde, auch angemessen sei. Schließlich könne der Kläger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von den Holzanlieferern und dem Insolvenzverwalter einen Ausgleich fordern. Mit (ergänzendem) Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wurde der – zunächst zurückgestellte – Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 (Ziff. 4) zurückgewiesen.
Mit seiner gegen die Beseitigungsverfügung vom 23.04.2002 und gegen den Kostenbescheid gerichteten Klage hat der Kläger gerügt, zu Kosten herangezogen zu werden, die er durch sein Verhalten nicht verursacht habe. Außerdem sei es dem Beklagten zuzumuten, den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor ein Kostenbescheid an den Kläger ergehe. Im Vergleich zu den übrigen Pflichtigen habe er keine größere Sachnähe zum Gegenstand des Abfallbeseitigungsbescheids gehabt; die als Abfallerzeuger verantwortlichen Holzlieferanten hätten den sie betreffenden Anteil an dem Altholz ohne weiteres abholen und einer geordneten Entsorgung zuführen können. Ein Gesamtschuldnerausgleich sei im Abfallrecht nicht vorgesehen. Die Nichtinanspruchnahme der Anlieferer verstoße gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung und könne nicht mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerechtfertigt werden. Schließlich sei allenfalls die Haftung für einen Teil der Ersatzvornahmekosten gerechtfertigt gewesen; da die übrigen 14 Adressaten der abfallrechtlichen Verfügung zur Entsorgung von über 9.100 Tonnen Altholz verpflichtet worden seien, habe er, der Kläger, bei einer maximalen Lagerung von 10.000 Tonnen Altholz auf dem fraglichen Grundstück höchstens zu knapp 9% der Ersatzvornahmekosten herangezogen werden dürfen.
Der Beklagte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf die Gründe des Kostenbescheids vom 30. Oktober 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008 berufen; Ermessensfehler bei der Auswahl des Kostenschuldners seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klage gegen den Kostenbescheid in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids sowie der Widerspruchsbescheide durch Urteil vom 14. Oktober 2010 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers erfüllt, er sei jedoch ermessensfehlerhaft als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden. Ein wesentliches Argument im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung sei die Annahme gewesen, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe; diese Annahme sei indes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzutreffend, so dass der Kläger den vermeintlichen Regressanspruch nicht erfolgreich durchsetzen könne. Wegen dieser Fehlannahme seien die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde sachwidrig und fehlerhaft, so dass die Heranziehung des Klägers zu den Ersatzvornahmekosten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen (– 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Der Beklagte und Berufungskläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die umfassenden behördlichen Ermessenserwägungen nicht gewürdigt habe, sondern sich allein auf den eher nachgeordneten Hinweis zum Ausgleich im Innenverhältnis der Pflichtigen gestützt und damit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahl des Kostenschuldners zu begründen versucht habe. Wären die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008, S. 12) gewürdigt worden, hätte sich die Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei dargestellt.
Der Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – insoweit zu ändern, als der Bescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16. Mai 2008 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. November 2008 und vom 8. Februar 2010, soweit diese sich auf die Bescheide vom 30. Oktober 2007 und vom 16. Mai 2008 beziehen, aufgehoben werden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er schließt sich der Argumentation des Verwaltungsgerichts an. Die behördlich behauptete Möglichkeit des Klägers, im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich zu erhalten, sei nicht ein bloßer Hinweis, sondern eine ermessensleitende Erwägung gewesen; diese sei zudem mit den anderen Ermessensgesichtspunkten untrennbar verknüpft. Da der von den Behörden angenommene Innenregress nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht existiere, sei die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner ermessensfehlerhaft gewesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, dass die insgesamt entstandenen Ersatzvornahmekosten zu seiner eigenen Überraschung nur 97.255,21 Euro betragen haben. Ursächlich dafür, dass die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich hinter den prognostizierten Kosten zurückgeblieben seien, seien verschiedene Faktoren gewesen, unter anderem die durch den damaligen Winter bedingte gestiegene Nachfrage nach Ersatzbrennstoff, die zur kostengünstigen Entsorgung des Altholzes geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei der „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ („eins plus vierzehn“) erklärbar und gerechtfertigt. Ursprünglich seien die Großanlieferer zwecks finanzieller Schonung des Klägers „mit ins Boot genommen worden“; die tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten von lediglich gut 97.000,-- Euro könnten vom Kläger angesichts der Pachteinnahmen zumutbarerweise getragen werden, zumal andernfalls fünfzehn Verwaltungsprozesse zu erwarten gewesen sein und außerdem offen sei, ob „überall etwas zu holen“ gewesen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe

 
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Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

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Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von j

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Das Oberverwaltungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Es berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel.

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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 - 2 K 3366/08 - wird zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

 
Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Auf Grund der hinreichend substantiierten Darlegung des Beklagten (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ist im Rechtssinne ernstlich zweifelhaft, ob der Kostenbescheid des Landratsamtes Bodenseekreis vom 30.10.2007 in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16.5.2008 und in Gestalt der Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14.11.2008 und vom 8.2.2010 als rechtswidrig qualifiziert werden können.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) dürfen die Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags nicht überspannt werden. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe, sondern auch bezüglich der Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 - NJW 2010, 1062, 1063 Tz. 14). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erst gegeben, wenn im Zulassungsverfahren auf Grund summarischer Überprüfung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels der Erfolg wahrscheinlicher erscheint als der Misserfolg; denn das Zulassungsverfahren hat nicht die Funktion, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 - NVwZ 2009, 515, 516). Bei einer überzogenen, (zu) strengen Wahrscheinlichkeitsprognose zum Erfolg des Rechtsmittels würde das Zulassungsverfahren funktionswidrig in die Nähe des Berufungsverfahrens gerückt, so dass das Rechtsmittel „leerlaufen“ könnte (Gaier, NVwZ 2011, 385, 388). Hinreichende Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind daher schon dann gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. des Ersten Senats v. 3.3.2004 - 2 BvR 461/03 - E 110, 77, 83; 1. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 26.3.2007 - 1 BvR 2228/02 - BayVBl 2007, 624, 625 Tz. 25; 1. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642).
Das Verwaltungsgericht hat die von ihm in dem angegriffenen Urteil angenommene Rechtswidrigkeit des Kostenbescheids mit einem Ermessensfehler des Beklagten bei der Auswahl des Kostenschuldners begründet; der Beklagte habe die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung fehlerhaft auf die Erwägung gestützt, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe, was indessen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspreche. Hiergegen macht der Beklagte geltend, aus den im Kostenbescheid dargelegten umfassenden Ermessenserwägungen habe das Verwaltungsgericht nur einen Aspekt gewürdigt, dem überdies keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen sei. Ausgangs- und Widerspruchsbehörde haben in der Tat die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner auch z. B. auf Gründe der Verfahrensökonomie und auf die Sachnähe des Klägers zum störenden Abfall bzw. die Sachherrschaft des Klägers über das Grundstück, auf dem sich der störende Abfall befand, gestützt. Diese (und weitere) Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners sind vom Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt worden. Damit ist der Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegeben; denn es ist ernstlich zweifelhaft, ob das angegriffene Urteil Bestand haben kann, wenn ein Teil der dem angefochtenen Verwaltungsakt zu Grunde liegenden Ermessensgesichtspunkte gar nicht überprüft werden und der Verwaltungsakt dennoch als ermessensfehlerhaft und damit als rechtswidrig qualifiziert wird.
Die Ablehnung der Berufungszulassung käme gleichwohl in Betracht, wenn sich das Ergebnis des angegriffenen Urteils aus anderen, vom Verwaltungsgericht nicht erörterten Gründen als richtig darstellte. Diese Annahme ist jedoch im Zulassungsverfahren nur dann tragfähig, wenn diese Gründe ohne weiteres auf der Hand liegen bzw. offensichtlich sind (BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 2.3.2006 - 2 BvR 767/02 - NVwZ 2006, 683, 684 Tz. 17). Davon kann hier keine Rede sein. Ob die vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen, die das Verwaltungsgericht nicht gewürdigt hat, rechtlich fehlerfrei oder fehlerhaft sind, bedarf einer eingehenden Prüfung. Die Rechtswidrigkeit der im Kostenbescheid angeführten Ermessenserwägungen in ihrer Gesamtheit liegt weder auf der Hand noch ist sie dergestalt offensichtlich, dass schon im Zulassungsverfahren von der Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung ausgegangen werden könnte. Auch insoweit gilt, dass die Entscheidung im Zulassungsverfahren die Berufungsentscheidung nicht vorwegnehmen darf.
Den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat der Beklagte in seinem Schriftsatz zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 28.2.2011 Rechnung getragen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Das Oberverwaltungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Es berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2006 - 6 K 2949/04 - geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28. Juni 2004 werden aufgehoben, soweit der Kläger zu einem Kostenersatz von mehr als 1717,94 EUR herangezogen worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 6/7 der Kosten des Berufungsverfahrens und 8/9 der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, die Beklagte trägt 1/7 der Kosten des Berufungsverfahrens und 1/9 der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu den Kosten der Bestattung seines Vaters.
Der Vater des Klägers verstarb am 02.06.2000 in Stuttgart. Da der Bestattungsdienst der Beklagten in den folgenden Tagen nur die (Geburts-)Namen, nicht aber die Anschriften der vier Kinder des Verstorbenen ermitteln konnte, veranlasste das Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten am 07.06.2000 die Feuerbestattung und Beisetzung in einem anonymen Gräberfeld des städtischen Pragfriedhofs. Hierfür fielen Gebühren und verauslagte Kosten in Höhe von 3.794 DM an; in den Gebühren in Höhe von 3.164 DM waren unter anderem ein Betrag in Höhe von 330 DM für die Feierhallenbenutzung und ein weiterer Betrag in Höhe von 104 DM für das Orgelspiel des städtischen Organisten enthalten.
In der Folgezeit wurden die Anschriften der Kinder - neben dem Kläger seine beiden ebenfalls aus der geschiedenen Ehe des Vaters stammenden Schwestern ... ..., wohnhaft in ..., und ... ..., wohnhaft in den USA, sowie die nichteheliche Halbschwester ... ..., wohnhaft in ...-..., - als bestattungspflichtige Angehörige des Verstorbenen ermittelt. Die in Deutschland lebenden Kinder wurden von der Beklagten zur beabsichtigten Anforderung der Bestattungskosten angehört. Frau S. teilte mit, sie habe keinerlei Kontakte zu ihrem Vater gehabt; darüber sei sie auch als alleinerziehende Mutter dreier Kinder und Sozialhilfeempfängerin nicht in der Lage, die Kosten zu tragen. Frau W. machte geltend, dass sie schon jahrelang keinen Kontakt mehr mit dem Vater gehabt und dieser auch keinen Unterhalt gezahlt habe; eine Heranziehung zu den Bestattungskosten sei deshalb grob unbillig. Fürsorglich beantragte sie die Gewährung von Sozialhilfe, da ihr die Übernahme der Bestattungskosten nicht zumutbar sei. Der Kläger machte sich die Einwendungen von Frau W. zu eigen.
Mit Kostenbescheid vom 30.10.2001 zog die Beklagte den Kläger unter Verweis auf die gesamtschuldnerische Haftung nach § 31 Abs. 2 BestattG zum Kostenersatz in Höhe von 3.794 DM (= 1939,84 EUR) für die ortsübliche Bestattung heran. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und stellte zugleich einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe. Mit Bescheid vom 11.09.2002 bewilligte die Beklagte Leistungen nach § 15 BSHG in Höhe von einem Fünftel der angefallenen Bestattungskosten (387,97 EUR). Dieser Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2003 insoweit abgeändert, als dem Kläger insgesamt ein Viertel der Kosten (Nachzahlungsbetrag von 96,99 EUR, insgesamt 484,96 EUR) gewährt wurde. Den Anspruch auf volle Kostenübernahme verfolgte der Kläger mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart weiter; dieses Klagverfahren ruht im Hinblick auf das vorliegende Verfahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2004 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch gegen den Kostenbescheid zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der Kläger als Sohn des Verstorbenen bestattungs- und kostenpflichtig sei. Auf die privatrechtliche Erbfolge und Nachlassregelung komme es dabei nicht an. Da mit den Geschwistern weitere gleichrangige bestattungspflichtige Personen hätten ermittelt werden können, habe die Beklagte von ihrem Auswahlermessen hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Kostentragungspflicht ordnungsgemäß Gebrauch gemacht. Die Höhe der Bestattungskosten gebe zu keinerlei Bedenken Anlass.
Am 22.07.2004 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und - nach Rücknahme der Klage im Übrigen - zuletzt beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, soweit er zu einem Kostenersatz von mehr als einem Viertel der Bestattungskosten herangezogen worden ist. Er hat geltend gemacht, dass seine Heranziehung in Höhe des angefochtenen Betrags ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Mit Urteil vom 14.02.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne nicht beanspruchen, dass von jedem der Kinder des Verstorbenen nur jeweils ein Viertel der Kosten angefordert werde. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die vier Geschwister gesamtschuldnerisch für die Bestattungskosten nach dem Tod ihres Vaters hafteten; denn die Kostentragungspflicht nach § 31 Abs. 2 BestattG knüpfe an die unteilbare Bestattungspflicht des Abs. 1 dieser Vorschrift an. Zudem seien die Geschwister gleichrangig bestattungspflichtig, so dass jeder von ihnen i.S.v. § 421 Abs. 1 BGB die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet sei. Die Heranziehung des Klägers sei nicht ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte ihn nicht nach Belieben, sondern bewusst ausgewählt habe; denn eine seiner Schwestern lebe in den USA und die anderen hätten im Rahmen der Anhörung geltend gemacht, finanziell zur Erstattung der Gesamtkosten nicht in der Lage zu sein, während der Kläger nichts Entsprechendes vorgetragen habe. Schließlich könne die Auswahl eines der Gesamtschuldner schon deshalb zu keinem unbilligen Ergebnis führen, weil die Gesamtschuldner gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet seien.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 26.06.2007 - 1 S 757/06 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor: Die Erwägungen zur Zumutbarkeit einer Kostenbelastung bei gestörten Familienverhältnissen, die in der Regel erst im Rahmen des § 15 BSHG/ § 74 SGB XII anzustellen seien, müssten hier bereits bei der Ermessensentscheidung über die Heranziehung zum Kostenersatz berücksichtigt werden. Hier habe bereits festgestanden, das allen Geschwistern die Übernahme der Bestattungskosten wegen der fehlenden Nähe und Beziehung zum Verstorbenen nicht zumutbar i.S.v. § 15 BSHG gewesen sei. Daraus ergebe sich zugleich, dass es einem Erstattungspflichtigen, der allein zur Kostentragung verpflichtet worden sei, nicht zugemutet werden könne, etwaige Erstattungsansprüche bei weiteren Bestattungspflichtigen beizutreiben. Auf den Gesamtschuldnerausgleich könne er deswegen nicht verwiesen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2006 - 6 K 2949/04 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28. Juni 2004 aufzuheben, soweit der Kläger zu einem Kostenersatz von mehr als 484,96 EUR herangezogen worden ist;
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Das Bestattungsgesetz gehe in § 31 ausweislich seines Wortlauts davon aus, dass stets nur einer der in Frage kommenden Bestattungspflichtigen herangezogen werde, denn die Bestattungspflicht sei unteilbar; hieran knüpfe auch die Kostentragungspflicht an. Es sei geklärt, dass bei Berücksichtigung der Kostenübernahmeregelung des § 15 BSHG/ § 74 SGB XII von Verfassung wegen eine Pflicht zur Gewährung von Ausnahmen von der Kostentragungspflicht - etwa bei gestörten Familienverhältnissen - nicht bestehe. Die dort gebotenen Erwägungen spielten im bestattungsrechtlichen Verfahren keine Rolle. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Anspruch unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen schon bei der Verletzung familiärer Pflichten gegeben sei; vielmehr komme es jeweils auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Die personale Nähe und zwischenmenschlichen Beziehungen zum Verstorbenen seien sozialhilferechtlich lediglich bei der Gewichtung der wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Sozialhilferechtlich könne der Kostenanteil berücksichtigt werden, den der Pflichtige endgültig nach Maßgabe des § 426 Abs. 1 BGB tragen müsse; sofern sich die Ausgleichsansprüche des Pflichtigen als wertlos erwiesen, könnten sozialhilferechtlich höhere Bestattungskosten zugrunde gelegt werden. Es sei dem Kostenpflichtigen zuzumuten, seine Ausgleichsansprüche zunächst - auch gerichtlich - geltend zu machen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
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Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen den angefochtenen Kostenbescheid, soweit er nicht durch die Klagerücknahme bestandskräftig geworden ist, nicht insgesamt abweisen dürfen. Denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, als die Kosten für die Feierhallenbenutzung und den Organisten in Höhe von insgesamt 221,90 EUR (= 434 DM) geltend gemacht worden sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG. Danach hat die zuständige Behörde - in diesem Fall die Beklagte als Ortspolizeibehörde (vgl. § 51 Abs. 2 BestattG, § 31 Abs. 3 BestattVO i.V.m. § 62 Abs. 4 PolG) - die Bestattung auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung gesorgt wird.
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a) Die neben der materiell-rechtlichen Berechtigung nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes erforderliche Ermächtigung, diesen Anspruch dem Kläger gegenüber mittels eines Leistungsbescheids durchzusetzen (siehe zur Verwaltungsaktsbefugnis BVerwG, Urteil vom 22.10.2003 - 6 C 23.02 -, BVerwGE 119, 123 <124 f.>; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.12.1989 - 10 S 2252/89 -, ESVGH 40, 187 <188 f.>; P. Stelkens/ U. Stelkens in: Stelkens u.a. , VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 21 ff. m.w.N.), folgt hier aus einer analogen Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 2 PolG. Nach dieser Vorschrift werden die Kosten einer auf das allgemeine Polizeirecht gestützten unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben, was den Erlass eines Verwaltungsakts voraussetzt (§ 1 Abs. 1 Satz 1, §§ 13 ff. LVwVG; vgl. Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl. 1999, § 8 Rn. 38; Sailer in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. M Rn. 37). § 31 Abs. 2. Alt. 2 BestattG stellt eine sonderpolizeirechtliche Regelung einer unmittelbaren Ausführung dar, deren nähere inhaltliche Ausgestaltung auch insoweit durch einen Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ergänzt werden kann.
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Vorgehen im Wege der unmittelbaren Ausführung lagen vor. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Bestattung durch die Beklagte hatte keiner der in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Angehörigen für die Bestattung gesorgt; dabei ist auch den Anforderungen genügt worden, die aus dem Nachrang des behördlichen Handelns folgen. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der unmittelbaren Ausführung, der in § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG seinen Niederschlag gefunden hat, ist zunächst den Bestattungspflichtigen die Gelegenheit zu geben, aus eigener Initiative für die Bestattung Sorge zu tragen und so das ihnen als nächsten Familienangehörigen - vorbehaltlich abweichender Festlegungen des Verstorbenen - zukommende Recht der Totenfürsorge - die Bestimmung über den Leichnam und die Art der Bestattung sowie die Wahl der Ruhestätte - wahrzunehmen, bevor die Behörde einschreitet. Im Rahmen des behördlichen Einschreitens hat dann zwar grundsätzlich der Erlass einer Bestattungsanordnung gem. § 31 Abs. 2 Alt. 1 BestattG Vorrang vor dem sofortigen eigenen Handeln der Behörde; wegen der in aller Regel gegebenen Dringlichkeit der Bestattung (siehe § 37 BestattG) wird der Erlass einer Verfügung allerdings nur in seltenen Fällen sachgerecht sein. Folglich ist es grundsätzlich geboten, dass die für die Bestattung zuständige Behörde bei einem Todesfall, bei dem die Bestattung nicht spontan geregelt wird, Ermittlungen nach den Bestattungspflichtigen anstellt. Deren Umfang wird bestimmt zum einen durch den engen Zeitrahmen und die schon deswegen beschränkten Möglichkeiten. Zum anderen sind hierbei auch Anhaltspunkte von Bedeutung, die aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht dafür sprechen können, dass wegen einer Lockerung der familiären Bindungen des Verstorbenen das Interesse der Angehörigen an der Wahrnehmung der Totenfürsorge nur noch gering ist. Hiernach sind Ermittlungsdefizite seitens der Beklagten nicht festzustellen, welche die Ermächtigung, gemäß § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG die Bestattung selbst zu veranlassen, in Frage stellen könnten. Denn insbesondere mangels näherer Anhaltspunkte für die Wohnorte der ehelichen Kinder waren weitere Bemühungen kurzfristig nicht erfolgversprechend.
18 
2. Die Entscheidung, allein vom Kläger die Erstattung der Kosten zu verlangen, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
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Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass den Kläger und seine Schwestern gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 1 BestattG eine gleichrangige Bestattungspflicht trifft; ein vorrangig verpflichteter Ehegatte war nicht vorhanden. Sie hat nur den Kläger zur Kostenerstattung herangezogen und zur Begründung dieser Ermessensentscheidung jedenfalls im Klageverfahren (siehe § 114 Satz 2 VwGO) mit der gebotenen Eindeutigkeit auf einen dem Kläger grundsätzlich zustehenden Ausgleichsanspruch gegen seine gesamtschuldnerisch haftenden Schwestern verwiesen. Diese Erwägung, die dem auf der (Sekundär-)Ebene der Kostenerstattung zentralen Gebot der Lastengerechtigkeit bzw. Lastengleichheit unter gleichrangig Verpflichteten Rechnung trägt (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 508; Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. E Rn. 135.; Sailer, a.a.O., Kap. M Rn. 26 f.), erweist sich als tragfähig.
20 
a) Eine ausdrückliche Anordnung eines solchen Kostenausgleichs findet sich in den einschlägigen ordnungsrechtlichen Vorschriften nicht.
21 
Eine Ausgleichspflicht mehrerer Verantwortlicher ist im Bestattungsrecht – im Unterschied zu anderen Rechtsgebieten (siehe etwa § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG, dazu Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 519; § 6 Abs. 1 Satz 3 AbfVerbrG, dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.11.2005 - 10 S 1208/04 -, ESVGH 56, 115 <121>) - nicht sondergesetzlich vorgesehen. Auch fehlt es im allgemeinen Polizeirecht in § 8 Abs. 2 PolG - anders als in der entsprechenden bundesrechtlichen Regelung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BPolG) und in den Polizeigesetzen einer ganzen Reihe von Bundesländern - an einer ausdrücklichen Anordnung der Gesamtschuldnerschaft bei der Kostenhaftung im Verhältnis mehrerer Verantwortlicher bei der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme (siehe hierzu Sailer, a.a.O., Kap. M Rn. 28 Fn. 101).
22 
Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch den Verweis in § 31 Abs. 6 LVwVG auf die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Bestimmung des § 4 Abs. 2 LGebG a.F. (nunmehr gleichlautend § 5 Abs. 2 LGebG i.d.F. des Gesetzes vom 14.12.2004 ) entbehrlich. Dort wird zwar geregelt, dass mehrere (Kosten-)Schuldner als Gesamtschuldner haften. Hieraus lässt sich im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang indessen nichts herleiten. Denn der Verweis bezieht sich nur auf die bei der Vollstreckung des Kostenbescheides entstehenden Gebühren und Auslagen (§ 31 Abs. 4 LVwVG i.V.m. §§ 1 - 4, 8 LVwVGKO) und regelt somit nur die Rechtsverhältnisse bei der Vollstreckung gegen mehrere Pflichtige. Darüber hinaus enthält § 31 Abs. 6 Satz 1 LVwVG einen Vorbehalt für anderweitige Kostenregelungen, der durch § 9 LVwVGKO für die Erhebung und Verteilung von Gebühren und Auslagen einer Mehrheit von Pflichtigen ausgefüllt wird. Diese Bestimmung nimmt allerdings die Fälle der Gesamtschuldnerschaft wiederum aus, die somit auch inhaltlich zu bestimmen sind (vgl. Fliegauf/Maurer, Verwaltungsvollstreckungsrecht für Baden-Württemberg, 2. Aufl. 1983, § 31 Rn. 1 a.E.; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn 509 Fn. 634; siehe auch Seibert, DÖV 1983, 964 <965 f.>).
23 
b) Auf die in der verwaltungsrechtlichen Literatur verbreitet vertretene Rechtsansicht, dass mehrere polizeipflichtige Personen auch ohne ausdrückliche Anordnung in den ordnungsrechtlichen Regelungen in analoger Anwendung des § 421 BGB als Gesamtschuldner haften (vgl. zuletzt etwa Schoch in: Schmidt-Aßmann , Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, 2. Kap. Rn. 176; Schenke/Schenke, in: Steiner , Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, II. Rn. 184 f., jeweils m.w.N.), kann diese Ermessenserwägung allerdings nicht ohne Weiteres gestützt werden. Denn der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen eine solche Analogie abgelehnt (vgl. Urteil vom 11.06.1981 - III ZR 39/80 -, NJW 1981, 2457 <2458>, und vom 08.03.1990 - III ZR 81/88 -, BGHZ 110, 313 <318>; siehe hierzu auch Würtenberger/Heckmann, a.a.O, Rn. 510 ff.; Denninger, a.a.O., Kap. E Rn. 134). Ob die darin angeführten entscheidungstragenden Argumente letztlich zu überzeugen vermögen (siehe zur Kritik etwa Kloepfer/Thull, DVBl 1989, 1121 <1125 f.>), ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Entscheidend ist allein, dass der Bundesgerichtshof (bislang) einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB verneint hat in Fällen, in denen die gesetzliche Polizeipflicht nicht gegenüber allen Pflichtigen konkretisiert worden war; denn es ist zu erwarten, dass die Zivilgerichte, vor denen ein solcher Anspruch im Streitfall geltend zu machen wäre, dieser Rechtsprechung folgen. Dann aber bliebe der vermeintliche Ausgleichsanspruch eine bloße Naturalobligation, die die Ermessensentscheidung nicht zu tragen geeignet wäre (vgl. auch Oerder, NVwZ 1992, 1031 < 1038 >).
24 
Das kann aber nicht unterschiedslos für alle Fallkonstellationen angenommen werden, in denen sich die Frage nach der Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld im Verhältnis mehrerer Polizeipflichtiger stellt. Der Bundesgerichtshof geht von der Feststellung aus, dass das Innenverhältnis mehrerer Störer außerhalb des Regelungsbereichs des Polizeirechts liege (vgl. Urteil vom 18.09.1986 - III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <239 f.>). Dieser allgemein formulierte Ausgangspunkt, der angesichts der oben angeführten Regelungen jedenfalls mittlerweile zweifelhaft erscheinen mag, eröffnet indes die jeweils fallbezogene Prüfung der Übertragbarkeit der Regelungen der Gesamtschuld. Dabei war die Rechtsprechung mit Fällen befasst, in denen das Verhältnis zwischen dem zur Störungsbeseitigung herangezogenen Zustandsstörer zu einem weiteren (Zustands- bzw. Handlungs-)Störer zu bewerten war. Eine so geartete Störermehrheit, bei der zudem die Möglichkeit des gleichen Einschreitens gegen den zweiten Störer sich als rechtlich problematisch darstellte (so im Urteil vom 11.06.1981 - III ZR 39/80 -, NJW 1981, 2457 <2458>), steht hier indessen nicht in Rede. Vielmehr lässt sich im Anschluss an die behördliche Veranlassung der Bestattung der Kreis der Kostenpflichtigen bereits durch die gesetzliche Regel über die Bestattungspflichtigen im jeweiligen Fall eindeutig bestimmen. Die Bestattungs- und in deren Folge die Kostenpflicht richtet sich nämlich allein nach dem Verwandschaftsverhältnis. Der Erlass eines Bescheids gegen jeden der Pflichtigen trägt folglich zur Klärung der Verhältnisse nichts bei. Hiernach ist nicht ersichtlich, dass auf der Grundlage der zivilgerichtlichen Rechtsprechung die Annahme eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 BGB zwischen den gleichrangig verpflichteten und gleichstufig haftenden Geschwistern ausgeschlossen ist.
25 
Dies gilt hier nicht zuletzt vor dem Hintergrund polizeirechtlicher Regelungen. Für den Fall des Rückgriffs nach entschädigungspflichtiger Inanspruchnahme des Nichtstörers (§ 55 PolG) ordnet § 57 PolG im Wege einer Rechtsfolgenverweisung nämlich die Kostenhaftung der Störer nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag an; mehrere Störer haften demnach gemäß § 683 BGB bei unteilbaren Maßnahmen als Gesamtschuldner (vgl. Seibert, DÖV 1983, 964 <966>; Seiler in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2005, § 683 Rn. 25a). Liegt der Inanspruchnahme des Nichtstörers ein Vorgehen nach § 8 Abs. 1 PolG zugrunde, tritt der Anspruch aus § 8 Abs. 2 PolG daneben (vgl. Wolf/Stephan, a.a.O., § 57 Rn. 2). Für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung des Verhältnisses zwischen den Störern ist dann aber ein Grund nicht ersichtlich (vgl. Finkenauer, NJW 1995, 432 <433>).
26 
Ist demnach von einer gesamtschuldnerischen Haftung aller bestattungspflichtigen Geschwister auszugehen, steht der Inanspruchnahme allein des Klägers anstelle einer anteiligen Heranziehung aller Geschwister nichts entgegen. Denn es liegt gerade in der Natur der Gesamtschuldnerschaft, dass sich der Gläubiger - im Rahmen seines auch an fiskalischen Interessen auszurichtenden Auswahlermessens - denjenigen Schuldner aussuchen kann, der am solventesten bzw. am leichtesten erreichbar erscheint, und diesem das Ausfallrisiko in Bezug auf die Anteile der anderen Gesamtschuldner zuweist (sogenannte „Paschastellung“ des Gläubigers, vgl. Jauernig/Stürner, BGB, 12. Aufl. 2007, § 421 Rn. 10).
27 
c) Aber auch abgesehen von einem Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB kann der Kläger auf einen Anspruch auf anteiligen Aufwendungsersatz unter dem Gesichtspunkt der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB verwiesen werden (vgl. hierzu zuletzt Felix/Nitschke, NordÖR 2004, 469 <475 ff.> m.N.).
28 
Mit der Zahlung des durch den Kostenbescheid geforderten Betrags besorgt der Kläger nicht nur ein eigenes Geschäft, sondern zugleich ein Geschäft der gleichermaßen kostenpflichtigen Schwestern. Der Fremdgeschäftsführungswille wird beim sogenannten auch-fremden Geschäft vermutet (Vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1986 – III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <240>; vom 09.03.1990 – III ZR 81/88 -, BGHZ 110, 313 <314 f.>). Ein entgegenstehender Wille der Schwestern ist unbeachtlich, da das Handeln des Klägers im öffentlichen Interesse liegt (§ 679 BGB; siehe auch Seiler, a.a.O., § 679 Rn. 7); dabei wird nicht vorausgesetzt, dass die Pflicht des Geschäftsherrn durch eine vollziehbare Verfügung konkretisiert ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1954 - II ZR 277/53 -, BGHZ 16, 12 <16 f.>; Urteil vom 14.06.1976 - III ZR 81/74 -, VersR 1976, 1084, juris Rz. 43 f.; Seiler, a.a.O., § 679 Rn. 6). Unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB ist der Aufwendungsersatz nach Kopfteilen zu bemessen; Anhaltspunkte für eine andere Kostenverteilung gibt es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1986 - III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <242>).
29 
d) Der Rechtsauffassung des Klägers, das eine Unzumutbarkeit der Kostenbelastung der anderen Kostenschuldner bereits hier zu berücksichtigen sei, ist nicht zu folgen. Sie vermischt die bestattungs- und die sozialhilferechtliche Seite, die nach der Rechtsprechung des Senats (siehe Urteil vom 19.10.2004 - 1 S 684/04 -, VBlBW 2005, 141 <142 f.>) gerade getrennt bleiben sollen. Des Weiteren verkennt der Kläger, dass die Zumutbarkeitsüberlegungen nur verhindern sollen, dass der Betroffene endgültig mit den Bestattungskosten belastet wird; eine vorläufige Kostentragungspflicht, die erst nachträglich durch Leistungen des Sozialhilfeträgers wieder ausgeglichen wird, ist indessen nicht ausgeschlossen. Im Übrigen ist die personale Nähe zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen nur ein Element bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Kostentragung. Vielmehr sind hierbei die Umstände des Einzelfalles umfassend zu würdigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.01.2004 - 5 C 2.03 -, BVerwGE 120, 111 <114>); folglich ist die Frage der Zumutbarkeit der Kostenbelastung nicht notwendigerweise für alle Bestattungspflichtige gleich zu beantworten.
30 
3. Die im Bescheid geltend gemachten Aufwendungen sind allerdings nicht zur Gänze erstattungsfähig.
31 
a) In Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die Beklagte auch Kosten für die Beisetzungsfeierlichkeiten eingestellt. Der Senat ist seit seinem Urteil vom 05.12.1996 (- 1 S 1366/96 -, NJW 1997, 3113 <3114>) davon ausgegangen, dass die Behörde, die auf Kosten des Bestattungspflichtigen die Bestattung selbst veranlasst, „eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren“ habe; dazu gehöre auch „der kleine religiöse Rahmen, der durch den beauftragten Organisten und Pfarrer geschaffen“ wird (so Urteil vom 25.09.2001 - 1 S 974/01 -, NVwZ 2002, 995). Dieser Maßstab orientiert sich offensichtlich an der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs zum erstattungsfähigen Aufwand nach § 15 BSHG, § 74 SGB XII (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.12.1990 - 6 S 1639/90 -, FEVS 41, 279 <281 ff.>, sowie Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2005, § 74 Rn. 31 m.N.).
32 
b) Hieran hält der Senat nicht mehr fest (siehe bereits die Begründung des Vergleichsvorschlags vom 22.09.2005 im Verfahren - 1 S 342/05 -).
33 
Ausdrückliche Vorgaben für das Maß der erstattungsfähigen Kosten enthält § 31 Abs. 2 BestattG nicht. Zu deren Bestimmung ist dann in erster Linie eine Orientierung am Zweck des Bestattungsgesetzes geboten, das die Behörde lediglich zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes ermächtigt. Demnach verbietet sich eine Auslegung nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen, die von einer (standesgemäßen) an der Lebensstellung des Erblassers ausgerichteten Beerdigung ausgehen (§ 1968 BGB), wozu ggf. auch die üblichen kirchlichen und bürgerlichen Feierlichkeiten zählen. Es begegnet auch Bedenken, die sozialhilferechtliche Rechtsprechung heranzuziehen, die den in § 15 BSHG, § 74 SGB XII verwendeten Begriff der „Erforderlichkeit“ der Kosten der Bestattung in der oben erwähnten Weise konkretisiert. Denn diese Auslegung ist vor dem Hintergrund der in § 1 Abs. 2 BSHG, § 1 Satz 1 SGB XII normierten Aufgabe der Sozialhilfe zu sehen, eine der Würde eines Verstorbenen entsprechende Bestattung sicherzustellen; hieraus kann dann auch eine Verpflichtung abgeleitet werden, ein würdiges Geleit zur letzten Ruhestätte zu ermöglichen. Solche Ziele verfolgt das Bestattungsgesetz als solches aber nicht. Die Bestattungspflicht dient dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten. Die Bestattung soll zum einen Gefahren für die öffentliche Gesundheit und zum anderen eine Verletzung des in der Menschenwürde wurzelnden Gebots der Pietät gegenüber Verstorbenen und des sittlichen Empfindens in der Bevölkerung verhüten, die typischerweise (abstrakt) durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen. Darüber hinaus verlangt der Schutz der Totenruhe, die ebenfalls durch Art. 1 Abs. 1 GG gefordert ist, eine würdige Totenbestattung, die sicherzustellen nach allgemeiner Auffassung eine öffentliche Aufgabe ist (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 -, NVwZ 2002, 996 <997> m.w.N.). Auch dies zielt aber nur auf die Bestattung als solche und hat - soweit noch von Bedeutung - den Friedhofszwang im Auge, während Trauerfeierlichkeiten außerhalb des Regelungsbereichs des Bestattungsgesetzes liegen. Hiernach sind die auf die Feierhallenbenutzung und das Orgelspiel entfallenden Beträge nicht erstattungsfähig (so auch Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917 <921 f.>; ähnlich auch OVG NRW, Beschluss vom 04.03.1996 - 19 A 194/96 -, NWVBl 1996, 380; Urteil vom 10.05.1996 - 19 A 4684/95 -, NWVBl 1998, 347 <349>).
34 
Dieser Rechtsauffassung steht § 25 BestattG nicht entgegen. Wenn dort ein würdiger Umgang mit Leichen vorgeschrieben wird, zielt dies nämlich lediglich auf eine pietätvolle Behandlung der Leiche z.B. beim Transport ab, während damit zur Notwendigkeit einer Beisetzungsfeierlichkeit oder zu deren Aufwand keine Aussage getroffen wird. Nicht weiter hilft auch die Überlegung, dass in einer Fallgestaltung, in der die Ordnungsbehörde eine Äußerung eines Bestattungspflichtigen nicht einholen kann, bei der Veranlassung der Bestattung der Rechtsgedanke einer Geschäftsführung im mutmaßlichen Interesse des Pflichtigen zu berücksichtigen sei; dabei sei anzunehmen, dass dieses Interesse in Übereinstimmung mit dem hierzulande Üblichen auch auf die Abhaltung einer - jedenfalls schlichten - Trauerfeier gerichtet sei; dies gelte um so mehr, als ansonsten die Gelegenheit, vom Verstorbenen in einem würdigen Rahmen Abschied zu nehmen, endgültig vertan sei. Diese Erwägungen sind bereits von den tatsächlichen Prämissen unzutreffend, denn eine Trauer- oder Gedenkfeier - insbes. gerichtet an Freunde und Bekannte - ist nicht zwingend mit der Beisetzung verbunden; hier sei nur an die gelegentlich praktizierte Beisetzung im engsten Familienkreis erinnert. Soweit religiöse Riten mit der Beisetzung verbunden sind, scheint naheliegend, dass die Religionsgemeinschaft ihrem verstorbenen Mitglied diese letzten Dienste ggf. ohne Bezahlung zukommen lässt. Auch in rechtlicher Hinsicht fehlt es insoweit für einen Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen des Pflichtigen am geeigneten Ansatzpunkt: Wenn nämlich die Veranlassung der Bestattung durch die Ordnungsbehörde nach § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG als eine sondergesetzlich geregelte unmittelbare Ausführung einzuordnen ist, kann sie nur auf diejenigen Maßnahmen gerichtet sein, die auch gegenüber dem Bestattungspflichtigen nach § 31 Abs. 2 Alt. 1 BestattG angeordnet und gegebenenfalls im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden könnten. Für die Anordnung einer Bestattungsfeierlichkeit fehlt es indessen im Bestattungsgesetz an einer Ermächtigungsgrundlage. Auch ein Rückgriff auf das Polizeigesetz führt nicht weiter. Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit durch das Unterlassen einer solchen Feierlichkeit könnte wohl nur dann bejaht werden, wenn hierin ein Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie zu sehen wäre; das aber ist fernliegend. Gleiches gilt für einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der mit dem Argument begründet würde, eine Bestattungsfeierlichkeit sei derzeit üblich; denn allein die Üblichkeit macht eine solche Feierlichkeit nicht zu einer unerlässlichen Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da es dem Kläger nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
37 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
38 
Beschluss
vom 15. November 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.454,88 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 2 GKG).
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen den angefochtenen Kostenbescheid, soweit er nicht durch die Klagerücknahme bestandskräftig geworden ist, nicht insgesamt abweisen dürfen. Denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, als die Kosten für die Feierhallenbenutzung und den Organisten in Höhe von insgesamt 221,90 EUR (= 434 DM) geltend gemacht worden sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
1. Der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG. Danach hat die zuständige Behörde - in diesem Fall die Beklagte als Ortspolizeibehörde (vgl. § 51 Abs. 2 BestattG, § 31 Abs. 3 BestattVO i.V.m. § 62 Abs. 4 PolG) - die Bestattung auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung gesorgt wird.
16 
a) Die neben der materiell-rechtlichen Berechtigung nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes erforderliche Ermächtigung, diesen Anspruch dem Kläger gegenüber mittels eines Leistungsbescheids durchzusetzen (siehe zur Verwaltungsaktsbefugnis BVerwG, Urteil vom 22.10.2003 - 6 C 23.02 -, BVerwGE 119, 123 <124 f.>; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.12.1989 - 10 S 2252/89 -, ESVGH 40, 187 <188 f.>; P. Stelkens/ U. Stelkens in: Stelkens u.a. , VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 21 ff. m.w.N.), folgt hier aus einer analogen Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 2 PolG. Nach dieser Vorschrift werden die Kosten einer auf das allgemeine Polizeirecht gestützten unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben, was den Erlass eines Verwaltungsakts voraussetzt (§ 1 Abs. 1 Satz 1, §§ 13 ff. LVwVG; vgl. Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl. 1999, § 8 Rn. 38; Sailer in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. M Rn. 37). § 31 Abs. 2. Alt. 2 BestattG stellt eine sonderpolizeirechtliche Regelung einer unmittelbaren Ausführung dar, deren nähere inhaltliche Ausgestaltung auch insoweit durch einen Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ergänzt werden kann.
17 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Vorgehen im Wege der unmittelbaren Ausführung lagen vor. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Bestattung durch die Beklagte hatte keiner der in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Angehörigen für die Bestattung gesorgt; dabei ist auch den Anforderungen genügt worden, die aus dem Nachrang des behördlichen Handelns folgen. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der unmittelbaren Ausführung, der in § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG seinen Niederschlag gefunden hat, ist zunächst den Bestattungspflichtigen die Gelegenheit zu geben, aus eigener Initiative für die Bestattung Sorge zu tragen und so das ihnen als nächsten Familienangehörigen - vorbehaltlich abweichender Festlegungen des Verstorbenen - zukommende Recht der Totenfürsorge - die Bestimmung über den Leichnam und die Art der Bestattung sowie die Wahl der Ruhestätte - wahrzunehmen, bevor die Behörde einschreitet. Im Rahmen des behördlichen Einschreitens hat dann zwar grundsätzlich der Erlass einer Bestattungsanordnung gem. § 31 Abs. 2 Alt. 1 BestattG Vorrang vor dem sofortigen eigenen Handeln der Behörde; wegen der in aller Regel gegebenen Dringlichkeit der Bestattung (siehe § 37 BestattG) wird der Erlass einer Verfügung allerdings nur in seltenen Fällen sachgerecht sein. Folglich ist es grundsätzlich geboten, dass die für die Bestattung zuständige Behörde bei einem Todesfall, bei dem die Bestattung nicht spontan geregelt wird, Ermittlungen nach den Bestattungspflichtigen anstellt. Deren Umfang wird bestimmt zum einen durch den engen Zeitrahmen und die schon deswegen beschränkten Möglichkeiten. Zum anderen sind hierbei auch Anhaltspunkte von Bedeutung, die aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht dafür sprechen können, dass wegen einer Lockerung der familiären Bindungen des Verstorbenen das Interesse der Angehörigen an der Wahrnehmung der Totenfürsorge nur noch gering ist. Hiernach sind Ermittlungsdefizite seitens der Beklagten nicht festzustellen, welche die Ermächtigung, gemäß § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG die Bestattung selbst zu veranlassen, in Frage stellen könnten. Denn insbesondere mangels näherer Anhaltspunkte für die Wohnorte der ehelichen Kinder waren weitere Bemühungen kurzfristig nicht erfolgversprechend.
18 
2. Die Entscheidung, allein vom Kläger die Erstattung der Kosten zu verlangen, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
19 
Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass den Kläger und seine Schwestern gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 1 BestattG eine gleichrangige Bestattungspflicht trifft; ein vorrangig verpflichteter Ehegatte war nicht vorhanden. Sie hat nur den Kläger zur Kostenerstattung herangezogen und zur Begründung dieser Ermessensentscheidung jedenfalls im Klageverfahren (siehe § 114 Satz 2 VwGO) mit der gebotenen Eindeutigkeit auf einen dem Kläger grundsätzlich zustehenden Ausgleichsanspruch gegen seine gesamtschuldnerisch haftenden Schwestern verwiesen. Diese Erwägung, die dem auf der (Sekundär-)Ebene der Kostenerstattung zentralen Gebot der Lastengerechtigkeit bzw. Lastengleichheit unter gleichrangig Verpflichteten Rechnung trägt (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 508; Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. E Rn. 135.; Sailer, a.a.O., Kap. M Rn. 26 f.), erweist sich als tragfähig.
20 
a) Eine ausdrückliche Anordnung eines solchen Kostenausgleichs findet sich in den einschlägigen ordnungsrechtlichen Vorschriften nicht.
21 
Eine Ausgleichspflicht mehrerer Verantwortlicher ist im Bestattungsrecht – im Unterschied zu anderen Rechtsgebieten (siehe etwa § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG, dazu Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 519; § 6 Abs. 1 Satz 3 AbfVerbrG, dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.11.2005 - 10 S 1208/04 -, ESVGH 56, 115 <121>) - nicht sondergesetzlich vorgesehen. Auch fehlt es im allgemeinen Polizeirecht in § 8 Abs. 2 PolG - anders als in der entsprechenden bundesrechtlichen Regelung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BPolG) und in den Polizeigesetzen einer ganzen Reihe von Bundesländern - an einer ausdrücklichen Anordnung der Gesamtschuldnerschaft bei der Kostenhaftung im Verhältnis mehrerer Verantwortlicher bei der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme (siehe hierzu Sailer, a.a.O., Kap. M Rn. 28 Fn. 101).
22 
Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch den Verweis in § 31 Abs. 6 LVwVG auf die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Bestimmung des § 4 Abs. 2 LGebG a.F. (nunmehr gleichlautend § 5 Abs. 2 LGebG i.d.F. des Gesetzes vom 14.12.2004 ) entbehrlich. Dort wird zwar geregelt, dass mehrere (Kosten-)Schuldner als Gesamtschuldner haften. Hieraus lässt sich im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang indessen nichts herleiten. Denn der Verweis bezieht sich nur auf die bei der Vollstreckung des Kostenbescheides entstehenden Gebühren und Auslagen (§ 31 Abs. 4 LVwVG i.V.m. §§ 1 - 4, 8 LVwVGKO) und regelt somit nur die Rechtsverhältnisse bei der Vollstreckung gegen mehrere Pflichtige. Darüber hinaus enthält § 31 Abs. 6 Satz 1 LVwVG einen Vorbehalt für anderweitige Kostenregelungen, der durch § 9 LVwVGKO für die Erhebung und Verteilung von Gebühren und Auslagen einer Mehrheit von Pflichtigen ausgefüllt wird. Diese Bestimmung nimmt allerdings die Fälle der Gesamtschuldnerschaft wiederum aus, die somit auch inhaltlich zu bestimmen sind (vgl. Fliegauf/Maurer, Verwaltungsvollstreckungsrecht für Baden-Württemberg, 2. Aufl. 1983, § 31 Rn. 1 a.E.; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn 509 Fn. 634; siehe auch Seibert, DÖV 1983, 964 <965 f.>).
23 
b) Auf die in der verwaltungsrechtlichen Literatur verbreitet vertretene Rechtsansicht, dass mehrere polizeipflichtige Personen auch ohne ausdrückliche Anordnung in den ordnungsrechtlichen Regelungen in analoger Anwendung des § 421 BGB als Gesamtschuldner haften (vgl. zuletzt etwa Schoch in: Schmidt-Aßmann , Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, 2. Kap. Rn. 176; Schenke/Schenke, in: Steiner , Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, II. Rn. 184 f., jeweils m.w.N.), kann diese Ermessenserwägung allerdings nicht ohne Weiteres gestützt werden. Denn der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen eine solche Analogie abgelehnt (vgl. Urteil vom 11.06.1981 - III ZR 39/80 -, NJW 1981, 2457 <2458>, und vom 08.03.1990 - III ZR 81/88 -, BGHZ 110, 313 <318>; siehe hierzu auch Würtenberger/Heckmann, a.a.O, Rn. 510 ff.; Denninger, a.a.O., Kap. E Rn. 134). Ob die darin angeführten entscheidungstragenden Argumente letztlich zu überzeugen vermögen (siehe zur Kritik etwa Kloepfer/Thull, DVBl 1989, 1121 <1125 f.>), ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Entscheidend ist allein, dass der Bundesgerichtshof (bislang) einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB verneint hat in Fällen, in denen die gesetzliche Polizeipflicht nicht gegenüber allen Pflichtigen konkretisiert worden war; denn es ist zu erwarten, dass die Zivilgerichte, vor denen ein solcher Anspruch im Streitfall geltend zu machen wäre, dieser Rechtsprechung folgen. Dann aber bliebe der vermeintliche Ausgleichsanspruch eine bloße Naturalobligation, die die Ermessensentscheidung nicht zu tragen geeignet wäre (vgl. auch Oerder, NVwZ 1992, 1031 < 1038 >).
24 
Das kann aber nicht unterschiedslos für alle Fallkonstellationen angenommen werden, in denen sich die Frage nach der Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld im Verhältnis mehrerer Polizeipflichtiger stellt. Der Bundesgerichtshof geht von der Feststellung aus, dass das Innenverhältnis mehrerer Störer außerhalb des Regelungsbereichs des Polizeirechts liege (vgl. Urteil vom 18.09.1986 - III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <239 f.>). Dieser allgemein formulierte Ausgangspunkt, der angesichts der oben angeführten Regelungen jedenfalls mittlerweile zweifelhaft erscheinen mag, eröffnet indes die jeweils fallbezogene Prüfung der Übertragbarkeit der Regelungen der Gesamtschuld. Dabei war die Rechtsprechung mit Fällen befasst, in denen das Verhältnis zwischen dem zur Störungsbeseitigung herangezogenen Zustandsstörer zu einem weiteren (Zustands- bzw. Handlungs-)Störer zu bewerten war. Eine so geartete Störermehrheit, bei der zudem die Möglichkeit des gleichen Einschreitens gegen den zweiten Störer sich als rechtlich problematisch darstellte (so im Urteil vom 11.06.1981 - III ZR 39/80 -, NJW 1981, 2457 <2458>), steht hier indessen nicht in Rede. Vielmehr lässt sich im Anschluss an die behördliche Veranlassung der Bestattung der Kreis der Kostenpflichtigen bereits durch die gesetzliche Regel über die Bestattungspflichtigen im jeweiligen Fall eindeutig bestimmen. Die Bestattungs- und in deren Folge die Kostenpflicht richtet sich nämlich allein nach dem Verwandschaftsverhältnis. Der Erlass eines Bescheids gegen jeden der Pflichtigen trägt folglich zur Klärung der Verhältnisse nichts bei. Hiernach ist nicht ersichtlich, dass auf der Grundlage der zivilgerichtlichen Rechtsprechung die Annahme eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 BGB zwischen den gleichrangig verpflichteten und gleichstufig haftenden Geschwistern ausgeschlossen ist.
25 
Dies gilt hier nicht zuletzt vor dem Hintergrund polizeirechtlicher Regelungen. Für den Fall des Rückgriffs nach entschädigungspflichtiger Inanspruchnahme des Nichtstörers (§ 55 PolG) ordnet § 57 PolG im Wege einer Rechtsfolgenverweisung nämlich die Kostenhaftung der Störer nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag an; mehrere Störer haften demnach gemäß § 683 BGB bei unteilbaren Maßnahmen als Gesamtschuldner (vgl. Seibert, DÖV 1983, 964 <966>; Seiler in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2005, § 683 Rn. 25a). Liegt der Inanspruchnahme des Nichtstörers ein Vorgehen nach § 8 Abs. 1 PolG zugrunde, tritt der Anspruch aus § 8 Abs. 2 PolG daneben (vgl. Wolf/Stephan, a.a.O., § 57 Rn. 2). Für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung des Verhältnisses zwischen den Störern ist dann aber ein Grund nicht ersichtlich (vgl. Finkenauer, NJW 1995, 432 <433>).
26 
Ist demnach von einer gesamtschuldnerischen Haftung aller bestattungspflichtigen Geschwister auszugehen, steht der Inanspruchnahme allein des Klägers anstelle einer anteiligen Heranziehung aller Geschwister nichts entgegen. Denn es liegt gerade in der Natur der Gesamtschuldnerschaft, dass sich der Gläubiger - im Rahmen seines auch an fiskalischen Interessen auszurichtenden Auswahlermessens - denjenigen Schuldner aussuchen kann, der am solventesten bzw. am leichtesten erreichbar erscheint, und diesem das Ausfallrisiko in Bezug auf die Anteile der anderen Gesamtschuldner zuweist (sogenannte „Paschastellung“ des Gläubigers, vgl. Jauernig/Stürner, BGB, 12. Aufl. 2007, § 421 Rn. 10).
27 
c) Aber auch abgesehen von einem Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB kann der Kläger auf einen Anspruch auf anteiligen Aufwendungsersatz unter dem Gesichtspunkt der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB verwiesen werden (vgl. hierzu zuletzt Felix/Nitschke, NordÖR 2004, 469 <475 ff.> m.N.).
28 
Mit der Zahlung des durch den Kostenbescheid geforderten Betrags besorgt der Kläger nicht nur ein eigenes Geschäft, sondern zugleich ein Geschäft der gleichermaßen kostenpflichtigen Schwestern. Der Fremdgeschäftsführungswille wird beim sogenannten auch-fremden Geschäft vermutet (Vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1986 – III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <240>; vom 09.03.1990 – III ZR 81/88 -, BGHZ 110, 313 <314 f.>). Ein entgegenstehender Wille der Schwestern ist unbeachtlich, da das Handeln des Klägers im öffentlichen Interesse liegt (§ 679 BGB; siehe auch Seiler, a.a.O., § 679 Rn. 7); dabei wird nicht vorausgesetzt, dass die Pflicht des Geschäftsherrn durch eine vollziehbare Verfügung konkretisiert ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1954 - II ZR 277/53 -, BGHZ 16, 12 <16 f.>; Urteil vom 14.06.1976 - III ZR 81/74 -, VersR 1976, 1084, juris Rz. 43 f.; Seiler, a.a.O., § 679 Rn. 6). Unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB ist der Aufwendungsersatz nach Kopfteilen zu bemessen; Anhaltspunkte für eine andere Kostenverteilung gibt es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1986 - III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <242>).
29 
d) Der Rechtsauffassung des Klägers, das eine Unzumutbarkeit der Kostenbelastung der anderen Kostenschuldner bereits hier zu berücksichtigen sei, ist nicht zu folgen. Sie vermischt die bestattungs- und die sozialhilferechtliche Seite, die nach der Rechtsprechung des Senats (siehe Urteil vom 19.10.2004 - 1 S 684/04 -, VBlBW 2005, 141 <142 f.>) gerade getrennt bleiben sollen. Des Weiteren verkennt der Kläger, dass die Zumutbarkeitsüberlegungen nur verhindern sollen, dass der Betroffene endgültig mit den Bestattungskosten belastet wird; eine vorläufige Kostentragungspflicht, die erst nachträglich durch Leistungen des Sozialhilfeträgers wieder ausgeglichen wird, ist indessen nicht ausgeschlossen. Im Übrigen ist die personale Nähe zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen nur ein Element bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Kostentragung. Vielmehr sind hierbei die Umstände des Einzelfalles umfassend zu würdigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.01.2004 - 5 C 2.03 -, BVerwGE 120, 111 <114>); folglich ist die Frage der Zumutbarkeit der Kostenbelastung nicht notwendigerweise für alle Bestattungspflichtige gleich zu beantworten.
30 
3. Die im Bescheid geltend gemachten Aufwendungen sind allerdings nicht zur Gänze erstattungsfähig.
31 
a) In Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die Beklagte auch Kosten für die Beisetzungsfeierlichkeiten eingestellt. Der Senat ist seit seinem Urteil vom 05.12.1996 (- 1 S 1366/96 -, NJW 1997, 3113 <3114>) davon ausgegangen, dass die Behörde, die auf Kosten des Bestattungspflichtigen die Bestattung selbst veranlasst, „eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren“ habe; dazu gehöre auch „der kleine religiöse Rahmen, der durch den beauftragten Organisten und Pfarrer geschaffen“ wird (so Urteil vom 25.09.2001 - 1 S 974/01 -, NVwZ 2002, 995). Dieser Maßstab orientiert sich offensichtlich an der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs zum erstattungsfähigen Aufwand nach § 15 BSHG, § 74 SGB XII (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.12.1990 - 6 S 1639/90 -, FEVS 41, 279 <281 ff.>, sowie Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2005, § 74 Rn. 31 m.N.).
32 
b) Hieran hält der Senat nicht mehr fest (siehe bereits die Begründung des Vergleichsvorschlags vom 22.09.2005 im Verfahren - 1 S 342/05 -).
33 
Ausdrückliche Vorgaben für das Maß der erstattungsfähigen Kosten enthält § 31 Abs. 2 BestattG nicht. Zu deren Bestimmung ist dann in erster Linie eine Orientierung am Zweck des Bestattungsgesetzes geboten, das die Behörde lediglich zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes ermächtigt. Demnach verbietet sich eine Auslegung nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen, die von einer (standesgemäßen) an der Lebensstellung des Erblassers ausgerichteten Beerdigung ausgehen (§ 1968 BGB), wozu ggf. auch die üblichen kirchlichen und bürgerlichen Feierlichkeiten zählen. Es begegnet auch Bedenken, die sozialhilferechtliche Rechtsprechung heranzuziehen, die den in § 15 BSHG, § 74 SGB XII verwendeten Begriff der „Erforderlichkeit“ der Kosten der Bestattung in der oben erwähnten Weise konkretisiert. Denn diese Auslegung ist vor dem Hintergrund der in § 1 Abs. 2 BSHG, § 1 Satz 1 SGB XII normierten Aufgabe der Sozialhilfe zu sehen, eine der Würde eines Verstorbenen entsprechende Bestattung sicherzustellen; hieraus kann dann auch eine Verpflichtung abgeleitet werden, ein würdiges Geleit zur letzten Ruhestätte zu ermöglichen. Solche Ziele verfolgt das Bestattungsgesetz als solches aber nicht. Die Bestattungspflicht dient dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten. Die Bestattung soll zum einen Gefahren für die öffentliche Gesundheit und zum anderen eine Verletzung des in der Menschenwürde wurzelnden Gebots der Pietät gegenüber Verstorbenen und des sittlichen Empfindens in der Bevölkerung verhüten, die typischerweise (abstrakt) durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen. Darüber hinaus verlangt der Schutz der Totenruhe, die ebenfalls durch Art. 1 Abs. 1 GG gefordert ist, eine würdige Totenbestattung, die sicherzustellen nach allgemeiner Auffassung eine öffentliche Aufgabe ist (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 -, NVwZ 2002, 996 <997> m.w.N.). Auch dies zielt aber nur auf die Bestattung als solche und hat - soweit noch von Bedeutung - den Friedhofszwang im Auge, während Trauerfeierlichkeiten außerhalb des Regelungsbereichs des Bestattungsgesetzes liegen. Hiernach sind die auf die Feierhallenbenutzung und das Orgelspiel entfallenden Beträge nicht erstattungsfähig (so auch Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917 <921 f.>; ähnlich auch OVG NRW, Beschluss vom 04.03.1996 - 19 A 194/96 -, NWVBl 1996, 380; Urteil vom 10.05.1996 - 19 A 4684/95 -, NWVBl 1998, 347 <349>).
34 
Dieser Rechtsauffassung steht § 25 BestattG nicht entgegen. Wenn dort ein würdiger Umgang mit Leichen vorgeschrieben wird, zielt dies nämlich lediglich auf eine pietätvolle Behandlung der Leiche z.B. beim Transport ab, während damit zur Notwendigkeit einer Beisetzungsfeierlichkeit oder zu deren Aufwand keine Aussage getroffen wird. Nicht weiter hilft auch die Überlegung, dass in einer Fallgestaltung, in der die Ordnungsbehörde eine Äußerung eines Bestattungspflichtigen nicht einholen kann, bei der Veranlassung der Bestattung der Rechtsgedanke einer Geschäftsführung im mutmaßlichen Interesse des Pflichtigen zu berücksichtigen sei; dabei sei anzunehmen, dass dieses Interesse in Übereinstimmung mit dem hierzulande Üblichen auch auf die Abhaltung einer - jedenfalls schlichten - Trauerfeier gerichtet sei; dies gelte um so mehr, als ansonsten die Gelegenheit, vom Verstorbenen in einem würdigen Rahmen Abschied zu nehmen, endgültig vertan sei. Diese Erwägungen sind bereits von den tatsächlichen Prämissen unzutreffend, denn eine Trauer- oder Gedenkfeier - insbes. gerichtet an Freunde und Bekannte - ist nicht zwingend mit der Beisetzung verbunden; hier sei nur an die gelegentlich praktizierte Beisetzung im engsten Familienkreis erinnert. Soweit religiöse Riten mit der Beisetzung verbunden sind, scheint naheliegend, dass die Religionsgemeinschaft ihrem verstorbenen Mitglied diese letzten Dienste ggf. ohne Bezahlung zukommen lässt. Auch in rechtlicher Hinsicht fehlt es insoweit für einen Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen des Pflichtigen am geeigneten Ansatzpunkt: Wenn nämlich die Veranlassung der Bestattung durch die Ordnungsbehörde nach § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG als eine sondergesetzlich geregelte unmittelbare Ausführung einzuordnen ist, kann sie nur auf diejenigen Maßnahmen gerichtet sein, die auch gegenüber dem Bestattungspflichtigen nach § 31 Abs. 2 Alt. 1 BestattG angeordnet und gegebenenfalls im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden könnten. Für die Anordnung einer Bestattungsfeierlichkeit fehlt es indessen im Bestattungsgesetz an einer Ermächtigungsgrundlage. Auch ein Rückgriff auf das Polizeigesetz führt nicht weiter. Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit durch das Unterlassen einer solchen Feierlichkeit könnte wohl nur dann bejaht werden, wenn hierin ein Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie zu sehen wäre; das aber ist fernliegend. Gleiches gilt für einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der mit dem Argument begründet würde, eine Bestattungsfeierlichkeit sei derzeit üblich; denn allein die Üblichkeit macht eine solche Feierlichkeit nicht zu einer unerlässlichen Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da es dem Kläger nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
37 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
38 
Beschluss
vom 15. November 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.454,88 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 2 GKG).
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 174/10
Verkündet am:
3. März 2011
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nds. SOG § 80 Abs. 1 Satz 1; GG Art. 14 (Ca, Cd)
Zum Anspruch des Eigentümers eines entwendeten Kraftfahrzeugs auf Ausgleich
von Schäden, die aufgrund einer rechtmäßigen polizeilichen Maßnahme
verursacht worden sind.
BGH, Urteil vom 3. März 2011 - III ZR 174/10 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. März 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Wöstmann, Seiters und Tombrink

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 30. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger begehrt vom beklagten Land den Ausgleich von Schäden, die anlässlich eines Polizeieinsatzes an einem ihm zuvor entwendeten Pkw entstanden sind.
2
Kläger Der ist selbständiger Autohändler. In der Nacht vom 18. zum 19. Oktober 2006 wurden bei einem Einbruch in seine Geschäftsräume ein Autoschlüssel und der dazu gehörige Pkw VW Touran entwendet. Das Fahrzeug wurde in die Niederlande verbracht und dort mit niederländischen Kennzeichen versehen. Im November 2006 reisten der Täter und ein weiterer Mittäter mit dem Fahrzeug in die Bundesrepublik ein und begingen mehrere Einbruchdieb- stähle. Am 8. November 2006 wurden sie bei einem Einbruchdiebstahl auf dem Gelände eines Autohauses entdeckt. Die Polizei nahm mit mehreren Streifenwagen unter der Inanspruchnahme von Sonderrechten die Verfolgung auf und versuchte, die flüchtenden Täter durch Errichtung einer Straßensperre zum Anhalten zu bewegen. Nachdem dies zweimal misslungen war, brachten die Polizeibeamten das von den Tätern benutzte Fahrzeug durch kontrolliertes Rammen zum Anhalten. Erst anschließend wurde festgestellt, dass es sich bei dem Fluchtfahrzeug um das gestohlene Fahrzeug des Klägers handelte.
3
An dem Fahrzeug entstand durch die Aktion der Polizeibeamten - unter Einschluss aufgewendeter Gutachterkosten von 976,94 € - ein Schaden von 12.741,64 €. Aus dem sichergestellten Vermögen der Täter erhielt der Kläger 6.650 €. Der weitergehende Schaden von 6.091,64 €, der bei den Tätern nicht einbringlich ist, ist Gegenstand der Zug um Zug gegen Abtretung der gegen die Täter gerichteten Schadensersatzansprüche erhobenen Klage. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klage weiter.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision ist nicht begründet.

I.


5
Das Berufungsgericht verneint einen Entschädigungsanspruch nach § 80 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) in der Fassung vom 19. Juni 2005 (Nds. GVBl. S. 9), weil der Kläger von der Polizei, die präventiv tätig geworden sei, um eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer abzuwenden, nicht gezielt als Nichtverantwortlicher in Anspruch genommen worden sei. Die Regelung beziehe sich nicht auf Schäden, die einem Unbeteiligten als unbeabsichtigte Nebenfolge des polizeilichen Handelns entstanden seien.
6
Ein Entschädigungsanspruch nach den daneben anwendbaren Grundsätzen zum enteignenden Eingriff stehe dem Kläger gleichfalls nicht zu. Denn ihm sei trotz der beträchtlichen Substanzverletzung am Fahrzeug kein Sonderopfer auferlegt worden, das die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreite. Hierbei könne nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger durch den substanzverletzenden Eingriff die Sachherrschaft über das Fahrzeug, das seinem Zugriff gänzlich entzogen gewesen sei, erst wiedererlangt habe. Eine solche - im vergleichbaren Fall der Vorteilsausgleichung anerkannte - normative Beurteilung des Schadens sei auch hier angebracht.

II.


7
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
8
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG ein Schaden "infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 8" entstanden sein muss. § 8 Nds. SOG, der mit "Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen" überschrieben ist, sieht vor, dass die Verwaltungsbehörden und die Polizei unter bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen gegen andere Personen als die nach §§ 6 oder 7 Verantwortlichen richten kön- nen. Bei diesen handelt es sich um Verhaltens- und Zustandsstörer, die im Hinblick auf ihre Verantwortlichkeit ihre polizeiliche Inanspruchnahme ohne eine Entschädigung hinnehmen müssen (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1966 - III ZR 109/64, BGHZ 45, 23, 25).
9
Die Bestimmungen der §§ 6 bis 8 Nds. SOG gehen davon aus, dass wegen einer Gefahr Maßnahmen gegen eine (verantwortliche oder nichtverantwortliche ) Person zu richten sind. Das waren in der vorliegenden Situation die Täter, die nach § 6 Nds. SOG als Verhaltensstörer von der Polizei in Anspruch genommen wurden. Dass die Polizei, worauf die Revision entscheidend abstellen will, durch kontrolliertes Rammen, also gezielt, auf das Fahrzeug des Klägers eingewirkt hat, bedeutet nicht, dass sie den Kläger nach § 7 Nds. SOG als Zustandsstörer oder nach § 8 Abs. 1 Nds. SOG als nichtverantwortliche Person in Anspruch genommen hätte. Von dem Zustand des Fahrzeugs ging keine Gefahr aus, sondern nur von seiner konkreten Verwendung als Fluchtmittel durch die Täter, deren Inanspruchnahme im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG möglich war. Im Übrigen ist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG eine Inanspruchnahme des Eigentümers einer Sache als Zustandsstörer ausgeschlossen, wenn - wie hier - die tatsächliche Gewalt ohne seinen Willen durch eine andere Person ausgeübt wird.
10
2. Allerdings hat der Senat zu § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW, der ähnlich wie § 80 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG formuliert ist, entschieden, es liege auch dann eine Inanspruchnahme nach § 19 OBG NRW - also wie bei § 8 Nds. SOG die einer nicht verantwortlichen Person - vor, wenn sich bei der Inanspruchnahme des Eigentümers einer Sache als Zustandsstörer oder einer Person als Handlungsstörer nachträglich herausstelle, dass die zu beseitigende Gefahr in Wirklichkeit nicht bestanden habe (vgl. Urteile vom 12. März 1992 - III ZR 128/91, BGHZ 117, 303, 307 f; vom 23. Juni 1994 - III ZR 54/93, BGHZ 126, 279, 283 f; zu § 59 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152). Dabei hat er es im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs für erforderlich angesehen, wenn ein Einschreiten der Ordnungsbehörde bereits aufgrund eines durch Tatsachen begründeten Verdachts oder Anscheins einer Gefahr hingenommen werden müsse, die Entschädigungsvorschrift des § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW entsprechend weit zu verstehen und den wegen der Anscheinsgefahr in Anspruch genommenen Betroffenen wie einen Nichtstörer zu entschädigen, wenn sich entgegen der Annahme beim Eingriff nachträglich herausstelle, dass die Gefahr in Wirklichkeit nicht bestanden habe.
11
3. Von der vorerwähnten Konstellation, in der der Geschädigte als Störer in Anspruch genommen wurde, unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall dadurch, dass der Kläger - abgesehen davon, dass er durch das Verhalten der Polizei an seinem Fahrzeug einen Schaden erlitten hat - im Sinne des Polizeirechts unbeteiligter Dritter gewesen ist. Denn er ist weder Verhaltens- noch Zustandsstörer noch hat ihn die Polizei als Nichtverantwortlichen unter den besonderen , engeren Eingriffsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nds. SOG in Anspruch genommen.
12
Einige Polizeigesetze der Länder sehen ausdrücklich einen Entschädigungs - oder Ausgleichsanspruch vor, wenn ein unbeteiligter Dritter durch eine rechtmäßige Maßnahme der Ordnungsbehörde oder der Polizei einen Schaden erleidet (vgl. Art. 70 Abs. 2 BayPAG, § 59 Abs. 1 Nr. 2 ASOG Bln, § 73 SOG M-V, § 222 LVwG SH; vgl. auch § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG). Dabei sind diese Ansprüche im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet.
13
Fehlt es - wie hier in § 80 Nds. SOG - an einer ausdrücklichen Regelung, folgt hieraus nicht, dass ein unbeteiligter Geschädigter die nachteiligen Auswirkungen einer rechtmäßigen Maßnahme entschädigungslos hinnehmen müsste. Die Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder gehen auf den aus § 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten entwickelten und von § 70 Preuß. PVG aufgenommenen Aufopferungsgedanken zurück, dass bei rechtmäßigen beeinträchtigenden Eingriffen der Staatsgewalt, die für den Betroffenen mit einem Sonderopfer verbunden sind, ein Entschädigungsanspruch gegen den Staat gegeben ist (vgl. eingehend hierzu Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 649 ff; Rachor in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, L 32, 40; Schenke, Polizei - und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 2005, Rn. 691; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 15 Rn. 4 ff; 27; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht , 7. Aufl. 2009, Rn. 468). Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, dass ein solcher Anspruch aus enteignendem Eingriff - anders als es der Senat für das Verhältnis eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff zum Ersatzanspruch wegen rechtswidrigen Verhaltens einer Ordnungsbehörde (vgl. Senatsurteile vom 2. Oktober 1978 - III ZR 9/77, BGHZ 72, 273, 276 f; vom 12. Oktober 1978 - III ZR 162/76, NJW 1979, 34, 36) oder zum Staatshaftungsanspruch aus § 1 StHG-DDR (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 1995 - III ZR 190/94, NVwZ-RR 1997, 204, 205) entschieden hat - nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil Entschädigungsansprüche wegen rechtmäßiger polizeilicher Maßnahmen in § 80 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG abschließend geregelt wären (so aber Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 831 zu § 80 Abs. 1 Satz 1 NGefAG; OLG Hamm, NJW 1988, 1096 zu § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW; OLG Koblenz, NZV 1997, 180 zu § 68 POG RP). Dagegen spricht schon § 80 Abs. 3 Nds. SOG. Umstritten ist lediglich, ob ein solcher Entschädigungsanspruch eines unbeteiligten Dritten seine Grundlage in einer erweiternden An- wendung der für Nichtstörer geltenden Vorschriften, hier des § 80 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG, findet (so Drews/Wacke/Vogel/Martens, aaO S. 666 f zu § 45 des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes; im Ergebnis wohl auch Schenke aaO Rn. 691; ohne Präferenz Götz aaO Rn. 27) oder auf die Anwendung der allgemeinen Aufopferungsgrundsätze zu stützen ist (so Rachor aaO Rn. L 40). Der Senat hält das letztere für vorzugswürdig. Zwar wird die "Sonderopfersituation" eines Nichtstörers und eines unbeteiligten Dritten vielfach vergleichbar sein. Es besteht jedoch ein grundlegender Unterschied in der Vorgehensweise der Polizei, ob sie im Sinn des § 8 Nds. SOG eine nicht verantwortliche Person zur Beseitigung einer Gefahr heranzieht oder ob jemand betroffen wird, der außerhalb dieser durch die Polizei wahrnehmbaren Zusammenhänge steht.
14
4. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe durch das gezielte Rammen seines Fahrzeugs kein unzumutbares Sonderopfer erlitten, hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand.
15
Bereits durch den Diebstahl war ohne Zutun der Polizei eine Situation entstanden, in der das Eigentumsrecht des Klägers erheblich beeinträchtigt war. Es war in Frage gestellt, ob der Kläger jemals wieder in den Besitz des Fahrzeugs gelangen würde. Darüber hinaus bestand auch die gesteigerte Gefahr , dass der Dieb oder ein sonstiger unberechtigter Fahrer das Fahrzeug ohne jede Rücksichtnahme auf die Belange des Eigentümers gebrauchen würde (vgl. insoweit auch OLG Hamm aaO). Diese Gefahr hatte sich bereits vor dem Rammen des Fahrzeugs verwirklicht, da der Täter ein rücksichtsloses, nicht nur Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, sondern auch das Eigentum des Klägers gefährdendes Fahrverhalten an den Tag gelegt und so das Rammen (als ultima ratio) herausgefordert hatte.

16
gezielte Das Rammen hatte zwar eine erhebliche Beschädigung des Fahrzeugs zur Folge. Zugleich aber wurde hierdurch erreicht, dass der Kläger sein Eigentum - wenn auch im Wert gemindert - zurückerlangte und seine gegen den Dieb bestehenden deliktischen Ansprüche geltend machen und teilweise auch realisieren konnte.
17
Angesichts dieser Gesamtumstände ist die Verneinung eines Entschädigungsanspruchs aus enteignendem Eingriff durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden.
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 05.08.2009 - 5 O 648/09 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 30.06.2010 - 3 U 86/09 -

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann es absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Die Kosten der nach § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1, §§ 12, 13, 14 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung Verpflichteten. Bestätigen im Fall des § 9 Abs. 2 Satz 1 die Untersuchungen den Verdacht nicht oder liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 vor, sind den zur Untersuchung Herangezogenen die Kosten zu erstatten, wenn sie die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu vertreten haben. In den Fällen des § 14 Satz 1 Nr. 2 und 3 trägt derjenige die Kosten, von dem die Erstellung eines Sanierungsplans hätte verlangt werden können.

(2) Mehrere Verpflichtete haben unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch. Soweit nichts anderes vereinbart wird, hängt die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Umfang des zu leistenden Ausgleichs davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist; § 426 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches findet entsprechende Anwendung. Der Ausgleichsanspruch verjährt in drei Jahren; die §§ 438, 548 und 606 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind nicht anzuwenden. Die Verjährung beginnt nach der Beitreibung der Kosten, wenn eine Behörde Maßnahmen selbst ausführt, im übrigen nach der Beendigung der Maßnahmen durch den Verpflichteten zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verpflichtete von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Der Ausgleichsanspruch verjährt ohne Rücksicht auf diese Kenntnis dreißig Jahre nach der Beendigung der Maßnahmen. Für Streitigkeiten steht der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 295/09
Verkündet am:
18. Februar 2010
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
1, § 5 Abs. 1; ThürOBG § 11 Abs. 2

a) Zu den Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG. Eine analoge
Anwendung dieser Vorschrift kommt auch dann nicht in Betracht, wenn eine Inanspruchnahme
des Störers nach Maßgabe des Bundes-Bodenschutzgesetzes nur deshalb ausscheidet, weil
vorrangig sind. Erst recht lässt sich diese Vorschrift nicht als Maßstab eines allgemeinen Ausgleichs
zwischen mehreren Störern im Sinne des Ordnungsrechts heranziehen.

b) Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Bundes-Bodenschutzgesetzes und des BundesImmissionsschutzgesetzes.

c) Eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG liegt nur vor, wenn eine
physikalische, chemische oder biologische Veränderung der Beschaffenheit des Bodens eingetreten
ist. Allein die Gefahr einer Veränderung ist nicht ausreichend.

d) Zu den Voraussetzungen einer Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 BBodSchG.

e) Solange für ein Grundstück die Zwangsverwaltung angeordnet ist, kommt eine ordnungsrechtliche
Inanspruchnahme des Eigentümers als Zustandsstörer nach § 11 Abs. 2 ThürOBG regelmäßig
nicht in Betracht.
BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - III ZR 295/09 - OLG Jena
LG Meiningen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Februar 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr.
Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 und 2 wird das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 22. Oktober 2008 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 12. März 2008 teilweise abgeändert und die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 zu tragen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten für die Beseitigung von Reststoffen, die sich auf dem Grundstück des Beklagten zu 1 befanden, das die Beklagte zu 2 zuvor vom Beklagten zu 1 gemietet hatte und das der Zwangsverwaltung mit dem Kläger als Zwangsverwalter unterlag.
2
Die Beklagte zu 2 hatte auf dem vom Beklagten zu 1 gemieteten Grundstück eine Abfallrecyclinganlage betrieben. Der Kläger beendete das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 2. Beide Parteien schlossen einen Vergleich, nach dem das Grundstück von der Beklagten zu 2 Ende August 2006 geräumt herausgegeben werden musste.
3
Da der Kläger das Grundstück bereits ab 1. September 2006 an eine neue Mieterin vermietet hatte und eine vollständige Räumung seitens der Beklagten zu 2 nicht erfolgt war, ließ er am 7. September 2006 das Grundstück zwangsräumen. Auch danach waren auf dem Grundstück noch Reststoffe verblieben. Im Oktober 2006 wies das Staatliche Umweltamt S. den Kläger darauf hin, dass die Lagerung von ca. 400 t (700 m3) nicht verwertbarer Abfälle auf dem Grundstück, die als Hinterlassenschaft von der zwangsgeräumten Beklagten zu 2 verblieben seien, nicht zulässig sei. Deshalb forderte das staatliche Umweltamt den Kläger auf, unverzüglich zu veranlassen, dass diese Abfälle von dem Grundstück entfernt und ordnungsgemäß entsorgt werden.
4
Mit der Beseitigung dieser Abfälle beauftragte der Kläger die neue Mieterin , die ihm für ihre Leistungen die Klagesumme einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer in Höhe von 100.955,60 € in Rechnung stellte. Nachdem der Kläger einen entsprechenden Vorschuss von dem die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreibenden Gläubiger angefordert und erhalten hatte, zahlte der Kläger den Rechnungsbetrag, dessen Erstattung er von den Beklagten zu 1 und 2 verlangt.
5
Die Klage hat gegen die Beklagten zu 1 und 2 vor dem Landgericht Erfolg gehabt. Die gegen die Beklagte zu 3 - eine frühere Mieterin - erhobene Klage ist abgewiesen worden. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 hat keinen Erfolg gehabt.
6
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1 und 2 ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision hat Erfolg.

I.


8
Das Berufungsgericht (ThürVBl. 2009, 126) hat die gegen die Beklagten zu 1 und 2 geltend gemachten Zahlungsansprüche für begründet erachtet und als Anspruchsgrundlage dafür § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG herangezogen. Sowohl der Kläger als auch beide Beklagten seien Verpflichtete nach dem Bundes -Bodenschutzgesetz. Die von der Beklagten zu 2 betriebene Abfallbeseitigungsanlage habe eine Altlast dargestellt. Die vom Beklagten zu 2 hinterlassenen Abfälle seien nach § 7 BBodSchG zu beseitigen gewesen. Die Beweisaufnahme habe im Übrigen ergeben, dass 460 t Abfall - wie abgerechnet - entsorgt worden seien. Die Entsorgungskosten seien auch üblich und angemessen und dem Kläger stehe auch die in den Rechnungen enthaltene Mehrwertsteuer zu.

II.



9
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
1. Revision der Beklagten zu 2
11
Die Revision der Beklagten zu 2 ist begründet und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht , da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist.
12
a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2 sei nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG zur Zahlung des Klagebetrages verpflichtet, trifft nicht zu. Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG haben mehrere Verpflichtete untereinander unabhängig von ihrer Heranziehung einen Ausgleichsanspruch, der sich mangels anderweitiger Vereinbarung danach bemisst, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht wurde.
13
Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts ist die Beklagte zu 2 nicht Verpflichtete im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG.
14
aa) Eine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr ergibt sich für die Beklagte zu 2 nicht aus § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG. Danach hat der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast den Boden und Altlasten sowie durch die schädlichen Bodenveränderungen oder durch Altlasten verursachte Verunreinigung von Gewässern zu sanieren, so dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.
15
(1) Im vorliegenden Fall kann aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass eine schädliche Bodenveränderung verursacht wurde. Nach § 2 Abs. 3 BBodSchG sind schädliche Bodenveränderungen im Sinne des Gesetzes Beeinträchtigungen der Bodenfunktion , die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Eine physikalische, chemische oder biologische Veränderung der Beschaffenheit des Bodens muss jedoch bereits eingetreten sein (BT-Drucks. 13/6701, S. 19; Versteyl in: Sondermann/Versteyl, BBodSchG, 2. Aufl., § 4 Rn. 77; Bickel, BBodSchG, 4. Aufl., § 2 Rn. 12). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lagerten zwar Abfälle auf dem Grundstück und es bestand die Gefahr, dass durch den Einfluss der Witterung mit Polyoxymethylen verunreinigter Staub in den Boden hätte gelangen können. Das Berufungsgericht stellt damit jedoch nur die Gefahr von Bodenveränderungen fest, nicht jedoch, dass solche bereits eingetreten sind, was jedoch Voraussetzung für eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 unter dem Blickwinkel der Verursachung einer schädlichen Bodenveränderung ist.
16
(2) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 2 als Verursacher einer Altlast scheidet ebenfalls aus, da aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts die Voraussetzungen einer Altlast nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG nicht vorliegen.
17
(a) Eine Altlast nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 1. Alternative BBodSchG kommt nicht in Betracht, weil hier keine stillgelegte Abfallbeseitigungsanlage vorliegt. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auch eine Abfallverwertungsanlage , wie sie hier betrieben wurde, zu den Abfallbeseitigungsanlagen im Sinne des Gesetzes gehört (vgl. Sondermann/Hejma in: Versteyl/Sondermann aaO, § 2 Rn. 60). Stillgelegt im Sinne des Gesetzes ist jedoch eine solche Anlage frühestens mit der Beendigung aller Stilllegungsmaßnahmen (vgl. Sondermann /Hejma aaO Rn. 61; Sanden in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, § 2 Rn. 74). Da vorliegend die Abfallverwertungsanlage nach wie vor betrieben wurde, wenn auch durch den neuen Mieter, so war die Anlage damit nicht stillgelegt und stellte auch keine Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 1. Alternative BBodSchG dar.
18
(b) Eine Altlast liegt aber auch nicht nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 2. Alternative BBodSchG vor. Bei dem Grundstück des Beklagten zu 1 handelte es sich nicht um ein sonstiges Grundstück, auf dem Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden waren.
19
Voraussetzung ist auch insoweit, dass es sich nicht um ein Grundstück einer noch im Betrieb befindlichen Abfallbeseitigungsanlage handelt (vgl. BTDrucks. 13/6701 S. 30; Bickel, aaO § 2 Rn 26; Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht , 2001, Rn. 210). Im vorliegenden Fall lagerten die Reststoffe der Beklagten zu 2 auf dem Betriebsgelände der Abfallverwertungsanlage und nicht außerhalb. Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt worden. Da die Anlage durch den neuen Mieter weiterbetrieben wurde und noch nicht stillgelegt worden war, handelt es sich bei den Ablagerungen nicht um solche auf einem sonstigen Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 2. Alternative BBodSchG.
20
Unerheblich ist insoweit, ob die neue Mieterin die Abfallbeseitigung in der Anlage umgestellt hatte und ob es sich bei den beseitigten Reststoffen um solche handelte, die ausschließlich im Rahmen der Betriebsabläufe der Vormieterin entstanden sein konnten oder nur für Zwecke der Vormieterin benötigt wur- den. Der Betrieb einer Anlage gilt nur dann als stillgelegt, wenn die Produktion völlig eingestellt wird; kein Fall der Stilllegung liegt dagegen vor, wenn nach einer Produktionsänderung lediglich in einer neuen Variante produziert wird. Im Falle einer weiteren Fortführung kommt eine Stilllegung nur dann in Betracht, wenn sich der Betrieb als ein aliud darstellt (vgl. Sanden aaO § 2 Rn. 74; Kothe VerwArch 1997, 456, 459). Solches ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von den Parteien vorgetragen worden.
21
(3) Eine Altlast kann auch nicht nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 BBodSchG in Form eines Altstandortes bejaht werden. Ein Altstandort liegt nach der Vorschrift bei Grundstücken stillgelegter Anlagen oder bei sonstigen Grundstücken vor, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist. Insoweit scheiden ebenfalls Grundstücke aus, die - wie hier - zu noch im Betrieb befindlichen Anlagen gehören (BT-Drucks. 13/6701 S. 30; Bickel aaO § 2 Rn. 29).
22
bb) Die Beklagte zu 2 ist auch nicht Verpflichtete im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG, weil sie vorsorgepflichtig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG war. Die entgegenstehende Annahme des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
23
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG ist die Vorschrift im vorliegenden Fall nicht auf die Beklagte zu 2 anzuwenden. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG findet das Bundes-Bodenschutzgesetz auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten nur dann Anwendung, wenn die Vorschriften des Bundes -Immissionsschutzgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über die Errichtung und den Betrieb von Anlagen unter Berücksichtigung von Absatz 3 des § 3 BBodSchG Einwirkungen auf den Boden nicht regeln.
24
Eine die Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes verdrängende Spezialregelung ist hier § 5 Abs. 1 BImSchG. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist im vorliegenden Fall erfüllt.
25
(1) Die Errichtung und der Betrieb der vorliegenden Abfallverwertungsanlage bedurfte der Genehmigung nach § 4 Abs. 1 BImSchG. Dies wird von den Beklagten unwidersprochen vorgetragen und ergibt sich im Übrigen auch aus dem (Anhörungs-)Schreiben des Umweltamts S. vom 23. Oktober 2006, in dem auf den Genehmigungsbescheid für die Anlage Bezug genommen wird.
26
(2) Die vom Berufungsgericht festgestellten Gefahren - der Eintrag von Schadstoffen in den Boden durch Witterungseinflüsse und insbesondere Regen - werden auch von der Sache her von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erfasst. Die Schutzpflicht bezieht sich auch im gewissen Umfang auf schädliche Umwelteinwirkungen in der Zukunft und dient damit auch der vorbeugenden Gefah- renabwehr (vgl. BVerwGE 119, 329, 332 f; Jarass, BImSchG, 7. Aufl., § 5 Rn. 14).
27
(3) Bodenveränderungen, deren Eintritt das Berufungsgericht für die Zukunft als möglich angesehen hat, stellen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG schädliche Umwelteinwirkungen nach § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar, soweit sie durch Immissionen verursacht werden. Die Voraussetzung einer Immission ist dabei erfüllt, wenn die Schadstoffe durch ablaufendes Niederschlagswasser in den Boden eingetragen werden und dort die schädliche Bodenveränderung herbeiführen (vgl. Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht [Stand: Mai 2003] § 5 BImSchG Rn. 75; Kotulla, BImSchG [Stand: November 2004] § 5 Rn. 48). Von einer derartigen Gefahrenlage ist das Berufungsgericht ausgegangen.
28
(4) Räumlich wird die Umwelteinwirkung auf den Boden im Einwirkungsbereich der Anlage von § 5 Abs. 1 BImSchG erfasst (vgl. Dietlein aaO Rn. 74). Eine darüber hinaus gehende Umweltbeeinträchtigung ist weder vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt worden.
29
cc) Eine Verpflichtung der Beklagten im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 BBodSchG. § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG steht auch der Anwendung dieser Vorschrift entgegen. Die Vorschrift entspricht dem Vorsorgegebot aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG (vgl. Versteyl aaO § 4 Rn. 7; Dombert in: Landmann/Rohmer aaO [Stand: März 2001] § 4 BBodSchG Rn. 4).
30
b) Der geltend gemachte Anspruch des Klägers kann auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG gestützt werden.

31
Eine solche analoge Anwendung wird in der Literatur vor allem dann für möglich gehalten, wenn die Inanspruchnahme des ordnungsrechtlichen Störers wegen § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG nicht auf die Vorschriften des BundesBodenschutzgesetzes gestützt werden kann, sondern insbesondere auf § 5 Abs. 1 BImSchG (vgl. Wagner ZfIR 2003, 841, 843).
32
Eine solche analoge Anwendung scheidet jedoch aus. Bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG schließt die Anwendung des gesamten Bundes-Bodenschutzgesetzes und damit auch dessen § 24 ausdrücklich aus. Darüber hinaus ist zu beachten, dass es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des öffentlichen Rechts gibt, wonach ein Ausgleich zwischen mehreren Störern im Sinne des Ordnungsrechts stattzufinden hat (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - NJW 1981, 2457, 2458; BGHZ 158, 354, 360). Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 24 Abs. 2 BBodSchG auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reagiert, wonach gesetzliche Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Störern nicht auf eine analoge Anwendung des § 426 BGB gestützt werden können (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - NJW 1981, 2457, 2458; BGHZ 158, 354, 360; BGH, Urteil vom 26. September 2006 - VI ZR 166/05 - NJW 2006, 3628, 3631 m.w.N.; siehe auch Kobes NVwZ 1998, 786, 796). Dass der Gesetzgeber selbst davon ausging, mit § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG nur eine auf den Anwendungsbereich des BundesBodenschutzgesetzes beschränkte Sonderregelung geschaffen zu haben, zeigt auch der Umstand, dass er in § 9 Abs. 2 des (auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht anwendbaren) Umweltschadensgesetzes (USchadG) vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 666) eine eigenständige Ausgleichsregelung für erforderlich gehalten hat. Die Begründung zum Entwurf des Umweltschadensgesetzes lässt erkennen, dass dem Gesetzgeber zwar die Vorschrift des § 24 Abs. 2 BBodSchG vor Augen gestanden hat, er aber gleichwohl einen Regelungsbedarf gesehen und diesen nicht etwa deshalb in Frage gestellt hat, weil eine - unmittelbare oder entsprechende - Anwendung des § 24 BBodSchG in Betracht komme (vgl. BT-Drucks. 16/3806 S. 26 f). In diesem Zusammenhang fällt ins Gewicht, dass das Umweltschadensgesetz, was Anwendungsbereich und Regelungszweck angeht, dem Bundes-Bodenschutzgesetz jedenfalls nicht ferner steht als das Bundes-Immissionsschutzgesetz.
33
c) Ob dem Kläger aus anderen Gründen der geltend gemachte Anspruch zustehen kann, hat das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht geprüft. Da hierzu weitere Feststellungen zu treffen sind, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache nicht möglich.
34
Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird insbesondere ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280, 281, 546 BGB in Betracht zu ziehen sein. Die der Beklagten zu 2 obliegende Pflicht, das Betriebsgrundstück nach dem Ende des Mietverhältnisses zu räumen, umfasste auch die Verpflichtung, etwaige noch auf dem Grundstück befindliche Reststoffe zu beseitigen. Ob dieser Anspruch scheitert, weil nach dem bisherigen Sachvortrag der Parteien die nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur Erfüllung der Leistung durch den Kläger nicht erfolgt ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Eine solche Fristsetzung wäre nach § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen , wenn die Beklagte zu 2 die Erfüllung ihrer Räumungspflicht ernsthaft und endgültig verweigert hätte. An eine solche Weigerung sind zwar im Allgemeinen strenge Anforderungen zu stellen, die nur erfüllt sind, wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen , und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich durch eine Aufforderung zur Leistung umstimmen ließe (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2008 - V ZR 31/08 - NJW 2009, 1813, 1816 Rn. 29 m.w.N.). Bei Mietverhältnissen nimmt der Bundesgerichtshof jedoch eine derartige ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung bereits dann an, wenn der Mieter ohne die Vornahme der geschuldeten Instandsetzung auszieht und auch keine Anstalten für die Vorbereitung oder Ausführung der erforderlichen Maßnahmen getroffen hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. November 1997 - XII ZR 281/95 - NJW 1998, 1303, 1304; vom 10. Juli 1991 - XII ZR 105/90 - NJW 1991, 2416, 2417; BGHZ 49, 56, 59 f jeweils für die Durchführung von Schönheitsreparaturen nach Mietvertragsende ). Die Parteien haben im weiteren Verfahren Gelegenheit, zu diesem Punkt ergänzend vorzutragen.
35
Das Berufungsgericht wird sich im weiteren Verfahren gegebenenfalls auch mit den weiteren Rügen der Beklagten zu 2 zur Schadenshöhe auseinanderzusetzen haben, auf die näher einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.
36
2. Revision des Beklagten zu 1
37
Die Revision des Beklagten zu 1 ist ebenfalls begründet.
38
a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts, auch gegen den Beklagten zu 1 bestehe ein Anspruch der Klägerin in Höhe der Klageforderung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG, halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
39
Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen keine Verurteilung des Beklagten zu 1 nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG in seiner Eigenschaft als Eigentümer des mit einer nach den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigten Anlage bebauten Betriebsgrundstücks. Insoweit gilt das oben zu 1 a Gesagte entsprechend. Ergänzend ist zu bemerken, dass der sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG ergebende Vorrang der Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes mit Blick auf den Beklagten zu 1 auch nicht deshalb in Frage gestellt ist, weil § 5 Abs. 1 BImSchG nur Pflichten für den Anlagenbetreiber und nicht für den davon personenverschiedenen Eigentümer begründet (vgl. Jarass, aaO § 5 Rn. 10). Ein Rückgriff auf das BundesBodenschutzgesetz hinsichtlich der in § 7 Satz 1 BBodSchG zusätzlich genannten Adressaten wie den Grundstückseigentümer kommt nicht in Betracht (vgl. Bickel, aaO § 3 Rn. 18; Schäling, Grenzen der Sanierungsverantwortlichkeit nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, 2008, S. 80, 82; a.A. Nicklas LKV 2000, 376, 379). Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich kein Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber nur hinsichtlich bestimmter Adressaten den Vorrang des Bundes-Immissionsschutzgesetzes begründen und im Übrigen eine parallele Anwendung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ermöglichen wollte. Vielmehr sollten anlagebezogene Anforderungen und die Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen einheitlich im BundesImmissionsschutzgesetz geregelt sein (BT-Drucks. 13/6701, S. 33).
40
b) Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar.
41
aa) Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1 lässt sich nicht auf §§ 683, 677, 670 BGB stützen, weil der Kläger durch die Beseitigung der Reststoffe auf dem Grundstück eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 als dessen Eigentümer nicht erfüllt hat.
42
(1) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 zur Abfallbeseitigung ergab sich nicht aus dem Bundes-Bodenschutzgesetz, da insoweit die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes - wie ausgeführt - vorrangig sind.
43
(2) Eine Verpflichtung zur Beseitigung ergab sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 BImSchG, da sich insoweit nur Pflichten für den Anlagenbetreiber ergeben , nicht jedoch für den davon personenverschiedenen Eigentümer.
44
(3) Der Kläger hat auch keine Verpflichtung des Beklagten zu 1 im Hinblick auf die Gefahrenabwehr nach dem allgemeinen Ordnungsrecht erfüllt.
45
(a) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 nach § 10 Abs. 1, 3 ThürOGB scheidet aus. Der Vortrag des Klägers hierzu erschöpft sich in dem Verweis auf die gesellschaftsrechtliche Stellung des Beklagten zu 1 als Gesellschafter und zugleich Vorstand der Beklagten zu 2 und ist nicht hinreichend, um eine persönliche Inanspruchnahme des Beklagten zu 1 als Verursacher einer ordnungsrechtlichen Gefahr im Sinne des § 10 ThürOBG zu begründen.
46
Ebenso (b) wenig kommt eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 1 gemäß § 11 ThürOBG in Betracht. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift sind die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten, sofern die Gefahr von einer Sache ausgeht. Gemäß § 11 Abs. 2 ThürOBG können die Maßnahmen auch gegen den Eigentümer gerichtet werden , es sei denn, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt übt diese ohne den Willen des Eigentümers aus.
47
Im vorliegenden Fall übt der Kläger als Zwangsverwalter die tatsächliche Gewalt ohne den Willen des Beklagten zu 1 aus. Diesem ist gemäß § 148 Abs. 2 ZVG die Verwaltung und Nutzung des Grundstücks entzogen. Er kommt deshalb als Zustandsstörer während der laufenden Zwangsverwaltung grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl., S. 78; Rühle/Suhr, Polizei- und Ordnungsbehördengesetz RheinlandPfalz , 2000, S. 92; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 327 f, Duesmann, Die Verantwortlichkeit für schädliche Bodenveränderungen und Altlasten nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, S. 77 f).
48
Ob dies deshalb in Frage zu stellen ist, weil möglicherweise dem Beklagten zu 1 mittels einer Duldungsverfügung gegen den Kläger als Zwangsverwalter eine Einwirkung auf sein Grundstück, von dem die Gefahr ausging, hätte aufgegeben werden können (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 23. Mai 2006 - W 4 K 05.592 - juris Rn. 28 ff für einen besonders gelagerten Einzelfall), kann hier dahinstehen. Solange nicht erkennbar ist, dass die Ordnungsbehörde selbst diesen Weg einschlagen will oder auch nur für gangbar hält, kann derjenige, der tatsächlich in Anspruch genommen wird oder dessen Inanspruchnahme ins Auge gefasst wird, sich unter dem Blickwinkel einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht darauf berufen, dass er eine fremde Verpflichtung durch die Beseitigung der die Gefahr erfüllt hat (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457, 2458). Im vorliegenden Fall hat das Staatliche Umweltamt mit seinem Schreiben vom 23. Oktober 2006 den Kläger angehört und dessen Inanspruchnahme zur Entsorgung der Reststoffe in Aussicht gestellt. Der Anhörung ist nicht zu entnehmen, dass die Behörde beabsichtigte, mit einer Duldungsverfügung gegen den Kläger vorzugehen und dann den Beklagten zu 1 als Eigentümer in Anspruch zu nehmen. Es verbleibt deshalb dabei, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Beseitigung der Reststoffe keine Verpflichtung des Beklagten zu 1 erfüllt hat, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch den Kläger nicht in Betracht kommt.

49
bb) Mangels Befreiung des Beklagten zu 1 von einer Verpflichtung im Hinblick auf die Entsorgung der Reststoffe scheiden auch Ansprüche des Klägers gegen ihn aus ungerechtfertigter Bereicherung aus.
50
c) Hinsichtlich der Revision des Beklagten zu 1 kann der Senat selbst entscheiden, da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Seiters

Vorinstanzen:
LG Meiningen, Entscheidung vom 12.03.2008 - 3 O 209/07 -
OLG Jena, Entscheidung vom 22.10.2008 - 7 U 316/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 166/05 Verkündet am:
26. September 2006
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 823 Ac, Bf; 683 Satz 2, 1004; KrW-/AbfG §§ 10, 16
Der persönliche Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht des Abfallerzeugers
umfasst regelmäßig nicht den Besitzer eines Grundstücks, der das Grundstück zum
Betrieb einer Abfallrecyclinganlage vermietet.
BGH, Urteil vom 26. September 2006 - VI ZR 166/05 - Pfälzisches OLG Zweibrücken
LG Landau
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 11. Juli 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 26.726,40 € in Anspruch, die ihr für die Entsorgung von Altreifenmaterial entstanden sind. Die Klägerin ist Leasingnehmerin eines Grundstücks, das sie an die Firma G. E. untervermietet und dieser im Sommer 2002 zum Betrieb einer Altautoreifenrecyclinganlage überlassen hatte. Auf dem Grundstück sammelten sich in der Folgezeit ca. 550 Tonnen Altreifen und geschredderte Reifenreste, die verschiedene Unternehmen dort anlieferten. Ein Teil davon, nämlich von der Firma L. gelieferte 319,39 Tonnen, stammt nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin von der Beklagten. Die Beklagte hatte im Sommer 2002 größere Mengen geschredderte Altreifenreste zur Entsorgung an die Firma R. S. weitergegeben, welche sich hierzu der Firma L. bediente, die ihrer- seits die Altreifen an die Firma G. E. lieferte. In der Folgezeit kündigte die Klägerin ihrer Untermieterin wegen Zahlungsverzugs. Diese kam ihrer Pflicht zur Räumung des Grundstücks jedoch nicht nach. Das Landratsamt E. forderte deshalb die Klägerin mit Bescheid vom 30. Juni 2003 auf, das Reifenmaterial ordnungsgemäß zu entsorgen. Die Klägerin beauftragte hiermit ihrerseits die Firma L., welche die Altreifenreste gegen Zahlung des Klagebetrags entsorgte.
2
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die entsorgten Reifenteile von der Beklagten stammten, da ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht gegeben sei.
4
Soweit auf das Einbringen der Reifenteile auf das Grundstück abgestellt werde, sei ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Besitzstörung jedenfalls deshalb zu verneinen, weil diese Handlung nicht von der Beklagten, sondern von selbständigen Entsorgungsunternehmen vorgenommen worden sei. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten, müsse deshalb abgelehnt werden, weil die Klägerin nicht in den Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht einbezogen gewesen sei. In den Schutzbereich seien diejenigen nicht einbezogen, die ihrerseits selbst verkehrssicherungspflichtig seien und hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht sozusagen auf einer Stufe stünden. Dies gelte zunächst für die di- rekt an der "Entsorgungskette" beteiligten Firmen R. S., L. und G. E. Aber auch die Klägerin als Vermieterin der G. E. werde vom Schutzbereich nicht erfasst. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, da es an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs fehle. Ein deliktischer Anspruch könne schließlich nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 10 Abs. 4 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG) vom 6. Oktober 1994 - BGBl. I 2705 - hergeleitet werden, da keines der dort genannten Rechtsgüter betroffen gewesen sei.
5
Ein auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gestützter Anspruch der Klägerin komme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte im Innenverhältnis zur Klägerin dieser gegenüber verpflichtet gewesen sei, die Altreifenteile zu entfernen. Eine solche Verpflichtung der Beklagten könne aber entgegen einer Entscheidung des OLG Dresden (VersR 1995, 836) nicht dem § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB entnommen werden. Zivilrechtlich sei die Beklagte nicht als Störerin anzusehen. Darauf, ob die Beklagte nach dem polizeirechtlichen Störerbegriff verantwortlich gemacht werden könne, komme es nicht an. Der zivilrechtliche Störer dürfe mit dem polizeirechtlichen nicht gleichgesetzt werden.

II.

6
Die hiergegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg.
7
1. Die Beklagte hat nicht nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Rechts der Klägerin zum mittelbaren Besitz an dem vermieteten Grundstück Schadensersatz dafür zu leisten, dass sie Reifenteile zur Entsorgung an die Firma R. S. weitergegeben hat, die sie über die Firma L. der Mieterin G. E. der Klägerin überlassen hat.
8
a) R. S. und L. waren selbstständige Entsorgungsunternehmen und mangels Weisungsgebundenheit keine Verrichtungsgehilfen der beklagten Abfallerzeugerin. Das Verhalten dieser Firmen ist der Beklagten daher nicht über § 831 BGB zurechenbar (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - VersR 1976, 62, 64; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; dasselbe RuS 1997, 194, 195 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96; Wilmowsky, NuR 1991, 253, 257), so dass sich insoweit die Frage eines Auswahl- und Überwachungsverschuldens der beauftragten Firma R. S. nicht stellt.
9
b) Das Berufungsgericht hat auch im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten verneint.
10
aa) Zwar hat ein Produzent von Industrieabfällen, die ohne besondere Vorkehrungen eine Quelle von Umweltgefahren sind, die allgemeine Verkehrssicherungspflicht , im Rahmen des Zumutbaren und Verkehrsüblichen das Erforderliche zu tun, damit sich diese (potentiellen) Gefahren nicht zum Schaden Dritter auswirken können. Dabei nehmen die Anforderungen an die Sorgfalt bei Lagerung und Vernichtung mit der Gefährlichkeit der Abfallstoffe zu (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - aaO; OLG Hamm, VersR 1988, 804 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 10. Mai 1988 - VI ZR 236/87; OLG Stuttgart, VersR 1991, 1375, 1376 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 54/90; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95).
11
bb) Der Abfallproduzent muss die Entsorgung nicht stets selbst übernehmen. Nach ständiger Rechtsprechung können Verkehrssicherungspflichten delegiert werden. Wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich, während sich die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich (allein) Verantwortlichen auf Auswahl- und Überwachungspflichten verengt. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei wiederum eine erhöhte Gefährlichkeit ebenso wie ein verringerter Einfluss des Produzenten auf den mit der Entsorgung bzw. Verwertung beauftragten Unternehmer aufgrund dessen Selbstständigkeit zu einer gesteigerten Sorgfaltspflicht des Delegierenden führt (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1982 - VI ZR 129/81 - VersR 1983, 152; vom 12. März 1985 - VI ZR 215/83 - VersR 1985, 666, 667 und vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - VersR 1989, 526 m.w.N.; vgl. auch BGH, BGHZ 142, 227, 233). Der Beaufsichtigung eines Fachunternehmens sind allerdings durch das Erfordernis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sowie durch die Selbstständigkeit und Weisungsunabhängigkeit des Beauftragten Grenzen gesetzt. Eine Kontrolle auf Schritt und Tritt kann nicht verlangt werden (vgl. Senatsurteile vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - aaO; vom 12. März 1985 - VI ZR 215/83 - aaO; vom 30. September 1986 - VI ZR 247/85 - RuS 1987, 130, 131). Diese Grundsätze - von denen das Berufungsgericht ausgegangen ist - gelten auch, wenn der Abfallerzeuger ein selbstständiges Unternehmen mit der Entsorgung beauftragt. Ihn treffen dann abgestufte Auswahl- und Überwachungspflichten , die nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen sind und umso strenger werden, je gefährlicher die Abfälle für die Umwelt sind und je geringer die Gewähr ist, dass das eingeschaltete Unternehmen die erforderlichen Sicherheitsvorschriften beachtet (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - aaO, 64 f.; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 f. mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; Wilmowsky aaO; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1974, 285, 286). Dass der Beauftragte im Besitz der erforderlichen abfallrechtlichen Genehmigungen ist, ist Voraussetzung für eine entlastende Pflichtendelegation, kann den Abfallerzeuger aber entgegen einer gelegentlich vertretenen Ansicht (vgl. Dombert, PHI 1992, 42, 45 f.; Ekrutt, NJW 1976, 885 f.; ähnlich Klingelhöfer , VersR 2002, 530, 538; Wilmowsky, NuR 1991, aaO; a.A. Birn, NJW 1976, 1880 f.; vgl. auch OLG Hamm, VersR 1988, 804 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 10. Mai 1988 - VI ZR 236/87) nicht ohne weitere Umstände entlasten (vgl. auch Senat, Urteil vom 31. Mai 1994 - VI ZR 233/93 - VersR 1994, 996, 997 m.w.N.). Eines näheren Eingehens auf diese Frage bedarf es hier jedoch aus den nachfolgenden Erwägungen nicht.
12
cc) Ob die Beklagte mit Beauftragung der Firma R. S. und bei der nicht näher festgestellten weiteren Abwicklung des Geschäfts ihren Auswahl- und Überwachungspflichten nachgekommen ist, durfte das Berufungsgericht zu Recht unbeantwortet lassen. Diese Verkehrssicherungspflichten hatten nach den besonderen Umständen des Streitfalls nämlich nicht den (Schutz-) Zweck, die Klägerin vor denjenigen Schäden zu bewahren, deren Ausgleich sie nun verlangt (zur Eingrenzung von Verkehrssicherungspflichten über den Schutzzweck vgl. Senat, Urteil vom 27. Januar 1987 - VI ZR 114/86 - NJW 1987, 2671, 2672; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., § 823 Rdn. 28).
13
(1) Es ist bereits fraglich, ob der bei der Klägerin entstandene Schaden seiner Art nach vom Schutzzweck der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht erfasst ist. Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht eines Produzenten von Industrieabfällen soll verhindern, dass sich Umweltgefahren zum Schaden Dritter auswirken (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - aaO, 64). Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendun- gen haben ihre Ursache darin, dass ihre Untermieterin ihrer Räumungspflicht nicht nachgekommen ist. Räumungskosten wären deshalb auch dann angefallen , wenn G. E. keinen Abfall, sondern Wirtschaftsgüter gelagert hätte. Damit haben sich nicht die von den geschredderten Altreifen ausgehenden Umweltgefahren verwirklicht, sondern das allgemeine Risiko eines Vermieters, dass der Mieter die ihm überlassene Sache nicht in ordnungsgemäßem Zustand zurückgibt und seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt (vgl. OLG Düsseldorf , RuS 1997, 194 f. mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96). In derartigen Fällen wird es deshalb regelmäßig an einem inneren Zusammenhang des Schadens mit der vom Abfallerzeuger geschaffenen Gefahrenlage fehlen.
14
(2) Jedenfalls umfasst der persönliche Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht die Klägerin.
15
(a) Bereits die Firma R. S. war nicht in diesen Schutzbereich einbezogen, soweit ihr als Entsorger die gefahrlose Beseitigung des Abfalls übertragen wurde (vgl. Senat, Urteil vom 27. November 1984 - VI ZR 49/83 - VersR 1985, 243, 244 zur Streupflicht). Der Entsorger ist selbst Teil der Gefahr, für die der Abfallerzeuger in gewissem Umfang verantwortlich bleibt; er wird nicht selbst geschützt.
16
(b) Ob sich dieser Ausschluss aus dem Schutzbereich unter dem Aspekt der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht stets bei weiteren Entsorgern innerhalb der "Entsorgungskette" fortsetzt, kann offen bleiben. Die Klägerin wird vom Schutzzweck der Verkehrssicherungspflicht bereits deshalb nicht erfasst, weil sie sich der Umweltgefahr freiwillig ausgesetzt hat.
17
Sie hat ihrer Untermieterin das Grundstück zum Betrieb einer Altautoreifenrecyclinganlage zur Nutzung überlassen. Dies setzt das vorübergehende Lagern von Altreifen zwingend voraus. Die Klägerin hat also die von den geschredderten Altreifen ausgehenden Umweltgefahren aus wirtschaftlichem Eigeninteresse freiwillig in Kauf genommen und sich dadurch selbst außerhalb des Schutzbereichs der dem Abfallerzeuger für den Abfall obliegenden Verkehrssicherungspflicht gestellt. Mit dieser Eröffnung einer Gefahrenquelle ist sie nicht mehr ein Dritter, den der Abfallerzeuger durch besondere Vorkehrungen vor den erkennbaren Umweltgefahren des Abfalls schützen muss (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; dasselbe RuS 1997, 194 f. mit Nichtannhmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96; vgl. ferner OLG Hamm, VersR 2002, 1298; OLG Stuttgart, TranspR 1998, 488, 489 f.). An diesem Einverständnis der Klägerin, das den Schutz vor den Umweltgefahren der Altreifenteile ausschließt, hat sich nichts dadurch geändert, dass durch die Zahlungsunfähigkeit des Untermieters oder etwa vorhandener Unzulänglichkeiten in der Handhabung des Recyclinggeschäfts die Altreifen nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft und - wie die Revision meint - vertrags- und vorschriftswidrig gelagert wurden. Darin hat sich lediglich eine wirtschaftliche Gefahr verwirklicht, der typischerweise jeder Vermieter eines Industriegrundstücks ausgesetzt ist (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; dasselbe RuS 1997, 194, 195 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96). Die Verkehrssicherungspflicht des Abfallerzeugers schützt nicht das Vertrauen eines Vermieters in die fachliche Eignung bzw. in die fortdauernde wirtschaftliche Gesundheit und Existenz des in der Entsorgungsbranche tätigen Vertragspartners und damit letztlich in die ordnungsgemäße Erfüllung der eingegangenen vertraglichen Pflichten.
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2. An denselben Erwägungen zum Schutzzweck scheitert auch ein Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 10 Abs. 4 KrW /AbfG. Der Streitfall gibt daher keine Veranlassung zu prüfen, ob und bejahendenfalls zum Schutz welcher Rechtsgüter § 10 Abs. 4 KrW-/AbfG überhaupt als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden kann (verneinend Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 10 Rdn. 32 a.E.; Geigel /Freymann, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 15 Rdn. 5; a.A. noch zu § 2 AbfG OLG Hamm, VersR 1991, 676, 677; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; dasselbe RuS 1997, 194, 195 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearbeitung, § 823 Rdn. G 43).
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3. Der Hauptangriff der Revision, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin jedenfalls gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Beseitigung der Reifenteile verpflichtet gewesen sei, bleibt gleichfalls ohne Erfolg. Der Umstand, dass die Klägerin mit der Räumung des Grundstücks nicht nur dessen erneute wirtschaftliche Nutzung nach dem Scheitern des Mietverhältnisses ermöglichte, sondern als sogenannte Zustandsstörerin auch einer abfallrechtlichen Anordnung des Landratsamtes E. nachkam, begründet auch dann keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Kostenerstattung, wenn die Beklagte als Verhaltensstörerin von der Ordnungsbehörde gleichfalls hätte zur Räumung verpflichtet werden können.
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a) Soweit die Revision eine Verpflichtung der Beklagten zur Räumung des Grundstücks aus § 1004 BGB herleiten will (vgl. insoweit BGH, BGHZ 110, 313, 315; 142, 227, 237; Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04 - VersR 2005, 839 m.w.N.; Frenz, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, 3. Aufl., § 3 Rdn. 106; vgl. auch Bamberger/Fritzsche, BGB, § 1004 Rdn. 76; Münch- KommBGB/Seiler, 4. Aufl., § 677 Rdn. 34), ist bereits fraglich, ob der Anwendungsbereich dieser Vorschrift überhaupt eröffnet ist. Die Klägerin ist nicht Eigentümerin des Grundstücks, sondern lediglich Leasingnehmerin. Soweit sich die Klägerin auf Besitzverletzung beruft, ist eine Anwendbarkeit des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verneinen. Insoweit verschafft jedoch § 862 BGB dem Besitzer einen vergleichbaren Schutz wie § 1004 BGB dem Eigentümer (vgl. BGH, BGHZ 147, 45, 50; MünchKommBGB/Joost, aaO, § 862 Rdn. 1; MünchKommBGB /Medicus, aaO, § 1004 Rdn. 5; Staudinger/Bund, BGB, Neubearbeitung 2000, § 862 Rdn. 1; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 2006, § 1004 Rdn. 87) und geht insbesondere von einem nahezu identischen Störerbegriff aus (MünchKommBGB/Joost, aaO, § 862 Rdn. 9; Staudinger/Bund, aaO, § 858 Rdn. 14).
21
b) Es ist - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht zu entscheiden , ob die Beklagte hinsichtlich der Lagerung von Altreifen auf dem Grundstück zivilrechtlich als Störerin angesehen werden kann. Im vorliegenden Fall scheidet eine etwaige Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung der Störung durch den Reifenabfall jedenfalls im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 254 BGB aus (vgl. BGH, BGHZ 110, 313, 317; 131, 95, 101; Urteil vom 21. Oktober 1994 - V ZR 12/94 - NJW 1995, 395, 396; OLG Dresden, VersR 1995, 836, 837; Bamberger/Fritzsche, aaO, § 1004 Rdn. 68; MünchKommBGB /Oetker, aaO, § 254 Rdn. 25; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rdn. 28 sowie die zahlreichen Nachweise bei Staudinger /Gursky, aaO, Rdn. 157, selbst a.A.).
22
Ebensowenig wie der Beseitigungsanspruch aus §§ 862, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB an ein schuldhaftes Verhalten des Störers anknüpft, setzt die Mitverantwortlichkeit des Gestörten im Sinne des § 254 BGB einen Schuldvorwurf voraus (vgl. BGH, BGHZ 110, 313, 317 m.w.N.). Es genügt vielmehr, dass er die Störung selbst ermöglicht und im Verhältnis der Parteien die entscheidende Ursache gesetzt hat. Das trifft hier zu. Die Klägerin hat die vorübergehende Verbringung von geschredderten Altreifenteilen auf das Grundstück durch dessen Vermietung zum Betrieb einer Altautoreifenrecyclinganlage erst ermöglicht. Damit hat sie im Verhältnis der Parteien eine entscheidende Ursache für ihre späteren Aufwendungen gesetzt. Die spätere Entwicklung, die durch die Kündigung des Untermietverhältnisses veranlasst wurde, hat nicht die Beklagte, sondern die Untermieterin der Klägerin zu verantworten. Die Verletzung mietvertraglicher Pflichten der Untermieterin liegt - wie bereits im Zusammenhang mit der Prüfung einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Abfallerzeugers ausgeführt - nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten. Darin liegt auch der wesentliche Unterschied zu dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des OLG Dresden (VersR 1995, 836) zugrunde lag. Die dortige Klägerin war lediglich Lagerhalterin und nicht Entsorgerin (aaO 837) und der Abfall, dessen Entsorgungskosten sie ersetzt verlangte, war bei ihr nicht als Abfall, sondern als Farben und Lacke/Gefahrgüter für eine bestimmte Vertragszeit eingelagert worden. Im hier zu entscheidenden Streitfall hat die Klägerin dagegen die (eingetretene ) Gefahr, mit den Entsorgungskosten für die Reifenteile belastet zu werden, dadurch ermöglicht, dass sie die Nutzung des Grundstücks für eine Altreifenrecyclinganlage selbst eröffnet hat.
23
4. Schließlich scheiden auch sonstige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus.
24
a) Ein allgemeiner zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch des in Anspruch genommenen Störers gegen andere Pflichtige entsprechend § 426 BGB wird von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur wegen fehlender Vergleichbarkeit der Sachverhalte zu Recht abgelehnt (BGH, BGHZ 98, 235, 239 f.; 110, 313, 318; Urteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - VersR 1981, 980, 982; OLG Düsseldorf, NVwZ 1989, 993, 997; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 850, 851 mit Nichtannahmebeschluss des BGH vom 24. April 1996 - XII ZR 203/94; LG Trier, UPR 1994, 118; Bockwoldt, Rechtmäßigkeit und Kostentragungspflicht polizeilichen Handelns, 2003, S. 220 ff., 225; Hoeft, Die Entschädigungsansprüche des Störers im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, 1995, S. 258 ff., 262; Frenz, aaO, § 3 Rdn. 105; Knoche, Altlasten und Haftung, 2001, S. 104 ff., 110; Jochum, NVwZ 2003, 526, 529; Johlen, DStR 1994, 1897, 1900; Papier, NVwZ 1986, 256, 263; Schwachheim, NVwZ 1988, 225 ff., 227; Schwerdtner, NVwZ 1992, 141, 143; a.A. Haller, ZUR 1996, 21, 25 f.; Haibt/Rinne, ZIP 1997, 2113, 2115 f.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121, 1125 f.; Kohler-Gehrig, NVwZ 1992, 1049 ff.; Leinemann, VersR 1992, 25, 28 ff.; Raeschke-Kessler, DVBl. 1992, 683, 690; Seibert, DÖV 1983, 964 ff., 974; Stickelbrock, AcP 197, 456, 503 f.).
25
b) Es besteht auch kein Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 683 Satz 2, 679, 670 BGB oder aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.
26
aa) Wird von mehreren polizeirechtlichen Störern nur einer in Anspruch genommen, kann er im Allgemeinen einen Aufwendungsersatzanspruch gegen weitere - nicht in Anspruch genommene - Störer nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag geltend machen. Mit der Beseitigung der Störung besorgt er regelmäßig nur ein eigenes und nicht zugleich auch ein Geschäft des anderen Störers (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - aaO, 981 f.; OLG Düsseldorf, NVwZ 1989, 993, 997; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 850 mit Nichtannahmebeschluss des BGH vom 24. April 1996 - XII ZR 203/94; Bamberger /Fritzsche, aaO, Rdn. 76; zustimmend mit teils abweichender Begründung Frenz, aaO, § 3 Rdn. 106; Hoeft, aaO, S. 257; Knoche, aaO, S. 111 f.; Staudinger/Wittmann, BGB, 13. Bearbeitung, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rdn. 37; Haller, ZUR 1996, 21, 25; Johlen, DStR 1994, 1897, 1901; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121, 1123 f.; Papier, NVwZ 1986, 256, 263).
27
Ein Anspruch aus § 683 Satz 2 BGB könnte allerdings dann zu bejahen sein, wenn die Klägerin zugleich auch ein fremdes Geschäft geführt, nämlich eine Verpflichtung der Beklagten erfüllt hätte (vgl. BGH, BGHZ 98, 235, 240). Dass sie durch die Beseitigung der geschredderten Altreifen der ihr gegenüber ergangenen Polizeiverfügung nachkam, steht der Annahme einer Fremdgeschäftsführung nicht entgegen (vgl. BGH, BGHZ 110, 313, 314 f.). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Geschäftsführung i.S. des § 677 BGB möglich ist, wenn der Handelnde vornehmlich zur Wahrnehmung eigener Belange und nur nebenbei im Interesse eines Anderen tätig wird. Insbesondere hindert der Umstand, dass der Geschäftsführer einer eigenen öffentlichrechtlichen Pflicht nachkommt, nicht die Annahme, dass er damit zugleich das privatrechtliche Geschäft eines Dritten besorgt (vgl. BGH, BGHZ 40, 28, 30; 63, 167, 169 f.; 65, 354, 357 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 1977 - III ZR 159/75 - NJW 1978, 1258 f.; MünchKommBGB/Seiler, 4. Aufl., § 677 Rdn. 9 m.w.N.; Staudinger/Wittmann, aaO, Rdn. 23).
28
bb) Hat die Klägerin mit der Räumung des Grundstücks zugleich eine Verpflichtung der Beklagten erfüllt, kommt daneben ein Ausgleichsanspruch nach § 812 BGB in Betracht (vgl. BGH, BGHZ 142, 227, 237, 238 f.; Urteile vom 21. Oktober 1994 - V ZR 12/94 - NJW 1995, 395, 396; vom 1. Dezember 1995 - V ZR 9/94 - VersR 1996, 759, 760 m.w.N.; vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04 - aaO; MünchKommBGB/Medicus, aaO, § 1004 Rdn. 90; ablehnend Staudinger/Gursky, aaO, § 1004 Rdn. 159, beide m.w.N.).
29
cc) Einer Anwendung der §§ 683 Satz 2, 812 BGB steht jedoch entgegen , dass hier - wie bereits zu Ziff. 3 ausgeführt - kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Beseitigung der Störung bestand. Die Klägerin hat mit der Beseitigung der Altreifenteile weder ein Geschäft der Beklagten geführt noch eine Verpflichtung der Beklagten erfüllt, sondern lediglich die ihr auferlegte Verwaltungsanordnung befolgt. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Landau, Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 O 83/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 11.07.2005 - 7 U 131/04 -

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Das Oberverwaltungsgericht prüft den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Es berücksichtigt auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2006 - 6 K 2949/04 - geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28. Juni 2004 werden aufgehoben, soweit der Kläger zu einem Kostenersatz von mehr als 1717,94 EUR herangezogen worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 6/7 der Kosten des Berufungsverfahrens und 8/9 der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, die Beklagte trägt 1/7 der Kosten des Berufungsverfahrens und 1/9 der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu den Kosten der Bestattung seines Vaters.
Der Vater des Klägers verstarb am 02.06.2000 in Stuttgart. Da der Bestattungsdienst der Beklagten in den folgenden Tagen nur die (Geburts-)Namen, nicht aber die Anschriften der vier Kinder des Verstorbenen ermitteln konnte, veranlasste das Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten am 07.06.2000 die Feuerbestattung und Beisetzung in einem anonymen Gräberfeld des städtischen Pragfriedhofs. Hierfür fielen Gebühren und verauslagte Kosten in Höhe von 3.794 DM an; in den Gebühren in Höhe von 3.164 DM waren unter anderem ein Betrag in Höhe von 330 DM für die Feierhallenbenutzung und ein weiterer Betrag in Höhe von 104 DM für das Orgelspiel des städtischen Organisten enthalten.
In der Folgezeit wurden die Anschriften der Kinder - neben dem Kläger seine beiden ebenfalls aus der geschiedenen Ehe des Vaters stammenden Schwestern ... ..., wohnhaft in ..., und ... ..., wohnhaft in den USA, sowie die nichteheliche Halbschwester ... ..., wohnhaft in ...-..., - als bestattungspflichtige Angehörige des Verstorbenen ermittelt. Die in Deutschland lebenden Kinder wurden von der Beklagten zur beabsichtigten Anforderung der Bestattungskosten angehört. Frau S. teilte mit, sie habe keinerlei Kontakte zu ihrem Vater gehabt; darüber sei sie auch als alleinerziehende Mutter dreier Kinder und Sozialhilfeempfängerin nicht in der Lage, die Kosten zu tragen. Frau W. machte geltend, dass sie schon jahrelang keinen Kontakt mehr mit dem Vater gehabt und dieser auch keinen Unterhalt gezahlt habe; eine Heranziehung zu den Bestattungskosten sei deshalb grob unbillig. Fürsorglich beantragte sie die Gewährung von Sozialhilfe, da ihr die Übernahme der Bestattungskosten nicht zumutbar sei. Der Kläger machte sich die Einwendungen von Frau W. zu eigen.
Mit Kostenbescheid vom 30.10.2001 zog die Beklagte den Kläger unter Verweis auf die gesamtschuldnerische Haftung nach § 31 Abs. 2 BestattG zum Kostenersatz in Höhe von 3.794 DM (= 1939,84 EUR) für die ortsübliche Bestattung heran. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und stellte zugleich einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe. Mit Bescheid vom 11.09.2002 bewilligte die Beklagte Leistungen nach § 15 BSHG in Höhe von einem Fünftel der angefallenen Bestattungskosten (387,97 EUR). Dieser Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2003 insoweit abgeändert, als dem Kläger insgesamt ein Viertel der Kosten (Nachzahlungsbetrag von 96,99 EUR, insgesamt 484,96 EUR) gewährt wurde. Den Anspruch auf volle Kostenübernahme verfolgte der Kläger mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart weiter; dieses Klagverfahren ruht im Hinblick auf das vorliegende Verfahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2004 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch gegen den Kostenbescheid zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der Kläger als Sohn des Verstorbenen bestattungs- und kostenpflichtig sei. Auf die privatrechtliche Erbfolge und Nachlassregelung komme es dabei nicht an. Da mit den Geschwistern weitere gleichrangige bestattungspflichtige Personen hätten ermittelt werden können, habe die Beklagte von ihrem Auswahlermessen hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Kostentragungspflicht ordnungsgemäß Gebrauch gemacht. Die Höhe der Bestattungskosten gebe zu keinerlei Bedenken Anlass.
Am 22.07.2004 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und - nach Rücknahme der Klage im Übrigen - zuletzt beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, soweit er zu einem Kostenersatz von mehr als einem Viertel der Bestattungskosten herangezogen worden ist. Er hat geltend gemacht, dass seine Heranziehung in Höhe des angefochtenen Betrags ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Mit Urteil vom 14.02.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne nicht beanspruchen, dass von jedem der Kinder des Verstorbenen nur jeweils ein Viertel der Kosten angefordert werde. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die vier Geschwister gesamtschuldnerisch für die Bestattungskosten nach dem Tod ihres Vaters hafteten; denn die Kostentragungspflicht nach § 31 Abs. 2 BestattG knüpfe an die unteilbare Bestattungspflicht des Abs. 1 dieser Vorschrift an. Zudem seien die Geschwister gleichrangig bestattungspflichtig, so dass jeder von ihnen i.S.v. § 421 Abs. 1 BGB die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet sei. Die Heranziehung des Klägers sei nicht ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte ihn nicht nach Belieben, sondern bewusst ausgewählt habe; denn eine seiner Schwestern lebe in den USA und die anderen hätten im Rahmen der Anhörung geltend gemacht, finanziell zur Erstattung der Gesamtkosten nicht in der Lage zu sein, während der Kläger nichts Entsprechendes vorgetragen habe. Schließlich könne die Auswahl eines der Gesamtschuldner schon deshalb zu keinem unbilligen Ergebnis führen, weil die Gesamtschuldner gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet seien.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 26.06.2007 - 1 S 757/06 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor: Die Erwägungen zur Zumutbarkeit einer Kostenbelastung bei gestörten Familienverhältnissen, die in der Regel erst im Rahmen des § 15 BSHG/ § 74 SGB XII anzustellen seien, müssten hier bereits bei der Ermessensentscheidung über die Heranziehung zum Kostenersatz berücksichtigt werden. Hier habe bereits festgestanden, das allen Geschwistern die Übernahme der Bestattungskosten wegen der fehlenden Nähe und Beziehung zum Verstorbenen nicht zumutbar i.S.v. § 15 BSHG gewesen sei. Daraus ergebe sich zugleich, dass es einem Erstattungspflichtigen, der allein zur Kostentragung verpflichtet worden sei, nicht zugemutet werden könne, etwaige Erstattungsansprüche bei weiteren Bestattungspflichtigen beizutreiben. Auf den Gesamtschuldnerausgleich könne er deswegen nicht verwiesen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2006 - 6 K 2949/04 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28. Juni 2004 aufzuheben, soweit der Kläger zu einem Kostenersatz von mehr als 484,96 EUR herangezogen worden ist;
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Das Bestattungsgesetz gehe in § 31 ausweislich seines Wortlauts davon aus, dass stets nur einer der in Frage kommenden Bestattungspflichtigen herangezogen werde, denn die Bestattungspflicht sei unteilbar; hieran knüpfe auch die Kostentragungspflicht an. Es sei geklärt, dass bei Berücksichtigung der Kostenübernahmeregelung des § 15 BSHG/ § 74 SGB XII von Verfassung wegen eine Pflicht zur Gewährung von Ausnahmen von der Kostentragungspflicht - etwa bei gestörten Familienverhältnissen - nicht bestehe. Die dort gebotenen Erwägungen spielten im bestattungsrechtlichen Verfahren keine Rolle. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Anspruch unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen schon bei der Verletzung familiärer Pflichten gegeben sei; vielmehr komme es jeweils auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Die personale Nähe und zwischenmenschlichen Beziehungen zum Verstorbenen seien sozialhilferechtlich lediglich bei der Gewichtung der wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Sozialhilferechtlich könne der Kostenanteil berücksichtigt werden, den der Pflichtige endgültig nach Maßgabe des § 426 Abs. 1 BGB tragen müsse; sofern sich die Ausgleichsansprüche des Pflichtigen als wertlos erwiesen, könnten sozialhilferechtlich höhere Bestattungskosten zugrunde gelegt werden. Es sei dem Kostenpflichtigen zuzumuten, seine Ausgleichsansprüche zunächst - auch gerichtlich - geltend zu machen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
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Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen den angefochtenen Kostenbescheid, soweit er nicht durch die Klagerücknahme bestandskräftig geworden ist, nicht insgesamt abweisen dürfen. Denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, als die Kosten für die Feierhallenbenutzung und den Organisten in Höhe von insgesamt 221,90 EUR (= 434 DM) geltend gemacht worden sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG. Danach hat die zuständige Behörde - in diesem Fall die Beklagte als Ortspolizeibehörde (vgl. § 51 Abs. 2 BestattG, § 31 Abs. 3 BestattVO i.V.m. § 62 Abs. 4 PolG) - die Bestattung auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung gesorgt wird.
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a) Die neben der materiell-rechtlichen Berechtigung nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes erforderliche Ermächtigung, diesen Anspruch dem Kläger gegenüber mittels eines Leistungsbescheids durchzusetzen (siehe zur Verwaltungsaktsbefugnis BVerwG, Urteil vom 22.10.2003 - 6 C 23.02 -, BVerwGE 119, 123 <124 f.>; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.12.1989 - 10 S 2252/89 -, ESVGH 40, 187 <188 f.>; P. Stelkens/ U. Stelkens in: Stelkens u.a. , VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 21 ff. m.w.N.), folgt hier aus einer analogen Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 2 PolG. Nach dieser Vorschrift werden die Kosten einer auf das allgemeine Polizeirecht gestützten unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben, was den Erlass eines Verwaltungsakts voraussetzt (§ 1 Abs. 1 Satz 1, §§ 13 ff. LVwVG; vgl. Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl. 1999, § 8 Rn. 38; Sailer in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. M Rn. 37). § 31 Abs. 2. Alt. 2 BestattG stellt eine sonderpolizeirechtliche Regelung einer unmittelbaren Ausführung dar, deren nähere inhaltliche Ausgestaltung auch insoweit durch einen Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ergänzt werden kann.
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Vorgehen im Wege der unmittelbaren Ausführung lagen vor. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Bestattung durch die Beklagte hatte keiner der in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Angehörigen für die Bestattung gesorgt; dabei ist auch den Anforderungen genügt worden, die aus dem Nachrang des behördlichen Handelns folgen. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der unmittelbaren Ausführung, der in § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG seinen Niederschlag gefunden hat, ist zunächst den Bestattungspflichtigen die Gelegenheit zu geben, aus eigener Initiative für die Bestattung Sorge zu tragen und so das ihnen als nächsten Familienangehörigen - vorbehaltlich abweichender Festlegungen des Verstorbenen - zukommende Recht der Totenfürsorge - die Bestimmung über den Leichnam und die Art der Bestattung sowie die Wahl der Ruhestätte - wahrzunehmen, bevor die Behörde einschreitet. Im Rahmen des behördlichen Einschreitens hat dann zwar grundsätzlich der Erlass einer Bestattungsanordnung gem. § 31 Abs. 2 Alt. 1 BestattG Vorrang vor dem sofortigen eigenen Handeln der Behörde; wegen der in aller Regel gegebenen Dringlichkeit der Bestattung (siehe § 37 BestattG) wird der Erlass einer Verfügung allerdings nur in seltenen Fällen sachgerecht sein. Folglich ist es grundsätzlich geboten, dass die für die Bestattung zuständige Behörde bei einem Todesfall, bei dem die Bestattung nicht spontan geregelt wird, Ermittlungen nach den Bestattungspflichtigen anstellt. Deren Umfang wird bestimmt zum einen durch den engen Zeitrahmen und die schon deswegen beschränkten Möglichkeiten. Zum anderen sind hierbei auch Anhaltspunkte von Bedeutung, die aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht dafür sprechen können, dass wegen einer Lockerung der familiären Bindungen des Verstorbenen das Interesse der Angehörigen an der Wahrnehmung der Totenfürsorge nur noch gering ist. Hiernach sind Ermittlungsdefizite seitens der Beklagten nicht festzustellen, welche die Ermächtigung, gemäß § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG die Bestattung selbst zu veranlassen, in Frage stellen könnten. Denn insbesondere mangels näherer Anhaltspunkte für die Wohnorte der ehelichen Kinder waren weitere Bemühungen kurzfristig nicht erfolgversprechend.
18 
2. Die Entscheidung, allein vom Kläger die Erstattung der Kosten zu verlangen, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
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Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass den Kläger und seine Schwestern gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 1 BestattG eine gleichrangige Bestattungspflicht trifft; ein vorrangig verpflichteter Ehegatte war nicht vorhanden. Sie hat nur den Kläger zur Kostenerstattung herangezogen und zur Begründung dieser Ermessensentscheidung jedenfalls im Klageverfahren (siehe § 114 Satz 2 VwGO) mit der gebotenen Eindeutigkeit auf einen dem Kläger grundsätzlich zustehenden Ausgleichsanspruch gegen seine gesamtschuldnerisch haftenden Schwestern verwiesen. Diese Erwägung, die dem auf der (Sekundär-)Ebene der Kostenerstattung zentralen Gebot der Lastengerechtigkeit bzw. Lastengleichheit unter gleichrangig Verpflichteten Rechnung trägt (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 508; Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. E Rn. 135.; Sailer, a.a.O., Kap. M Rn. 26 f.), erweist sich als tragfähig.
20 
a) Eine ausdrückliche Anordnung eines solchen Kostenausgleichs findet sich in den einschlägigen ordnungsrechtlichen Vorschriften nicht.
21 
Eine Ausgleichspflicht mehrerer Verantwortlicher ist im Bestattungsrecht – im Unterschied zu anderen Rechtsgebieten (siehe etwa § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG, dazu Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 519; § 6 Abs. 1 Satz 3 AbfVerbrG, dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.11.2005 - 10 S 1208/04 -, ESVGH 56, 115 <121>) - nicht sondergesetzlich vorgesehen. Auch fehlt es im allgemeinen Polizeirecht in § 8 Abs. 2 PolG - anders als in der entsprechenden bundesrechtlichen Regelung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BPolG) und in den Polizeigesetzen einer ganzen Reihe von Bundesländern - an einer ausdrücklichen Anordnung der Gesamtschuldnerschaft bei der Kostenhaftung im Verhältnis mehrerer Verantwortlicher bei der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme (siehe hierzu Sailer, a.a.O., Kap. M Rn. 28 Fn. 101).
22 
Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch den Verweis in § 31 Abs. 6 LVwVG auf die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Bestimmung des § 4 Abs. 2 LGebG a.F. (nunmehr gleichlautend § 5 Abs. 2 LGebG i.d.F. des Gesetzes vom 14.12.2004 ) entbehrlich. Dort wird zwar geregelt, dass mehrere (Kosten-)Schuldner als Gesamtschuldner haften. Hieraus lässt sich im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang indessen nichts herleiten. Denn der Verweis bezieht sich nur auf die bei der Vollstreckung des Kostenbescheides entstehenden Gebühren und Auslagen (§ 31 Abs. 4 LVwVG i.V.m. §§ 1 - 4, 8 LVwVGKO) und regelt somit nur die Rechtsverhältnisse bei der Vollstreckung gegen mehrere Pflichtige. Darüber hinaus enthält § 31 Abs. 6 Satz 1 LVwVG einen Vorbehalt für anderweitige Kostenregelungen, der durch § 9 LVwVGKO für die Erhebung und Verteilung von Gebühren und Auslagen einer Mehrheit von Pflichtigen ausgefüllt wird. Diese Bestimmung nimmt allerdings die Fälle der Gesamtschuldnerschaft wiederum aus, die somit auch inhaltlich zu bestimmen sind (vgl. Fliegauf/Maurer, Verwaltungsvollstreckungsrecht für Baden-Württemberg, 2. Aufl. 1983, § 31 Rn. 1 a.E.; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn 509 Fn. 634; siehe auch Seibert, DÖV 1983, 964 <965 f.>).
23 
b) Auf die in der verwaltungsrechtlichen Literatur verbreitet vertretene Rechtsansicht, dass mehrere polizeipflichtige Personen auch ohne ausdrückliche Anordnung in den ordnungsrechtlichen Regelungen in analoger Anwendung des § 421 BGB als Gesamtschuldner haften (vgl. zuletzt etwa Schoch in: Schmidt-Aßmann , Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, 2. Kap. Rn. 176; Schenke/Schenke, in: Steiner , Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, II. Rn. 184 f., jeweils m.w.N.), kann diese Ermessenserwägung allerdings nicht ohne Weiteres gestützt werden. Denn der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen eine solche Analogie abgelehnt (vgl. Urteil vom 11.06.1981 - III ZR 39/80 -, NJW 1981, 2457 <2458>, und vom 08.03.1990 - III ZR 81/88 -, BGHZ 110, 313 <318>; siehe hierzu auch Würtenberger/Heckmann, a.a.O, Rn. 510 ff.; Denninger, a.a.O., Kap. E Rn. 134). Ob die darin angeführten entscheidungstragenden Argumente letztlich zu überzeugen vermögen (siehe zur Kritik etwa Kloepfer/Thull, DVBl 1989, 1121 <1125 f.>), ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Entscheidend ist allein, dass der Bundesgerichtshof (bislang) einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB verneint hat in Fällen, in denen die gesetzliche Polizeipflicht nicht gegenüber allen Pflichtigen konkretisiert worden war; denn es ist zu erwarten, dass die Zivilgerichte, vor denen ein solcher Anspruch im Streitfall geltend zu machen wäre, dieser Rechtsprechung folgen. Dann aber bliebe der vermeintliche Ausgleichsanspruch eine bloße Naturalobligation, die die Ermessensentscheidung nicht zu tragen geeignet wäre (vgl. auch Oerder, NVwZ 1992, 1031 < 1038 >).
24 
Das kann aber nicht unterschiedslos für alle Fallkonstellationen angenommen werden, in denen sich die Frage nach der Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld im Verhältnis mehrerer Polizeipflichtiger stellt. Der Bundesgerichtshof geht von der Feststellung aus, dass das Innenverhältnis mehrerer Störer außerhalb des Regelungsbereichs des Polizeirechts liege (vgl. Urteil vom 18.09.1986 - III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <239 f.>). Dieser allgemein formulierte Ausgangspunkt, der angesichts der oben angeführten Regelungen jedenfalls mittlerweile zweifelhaft erscheinen mag, eröffnet indes die jeweils fallbezogene Prüfung der Übertragbarkeit der Regelungen der Gesamtschuld. Dabei war die Rechtsprechung mit Fällen befasst, in denen das Verhältnis zwischen dem zur Störungsbeseitigung herangezogenen Zustandsstörer zu einem weiteren (Zustands- bzw. Handlungs-)Störer zu bewerten war. Eine so geartete Störermehrheit, bei der zudem die Möglichkeit des gleichen Einschreitens gegen den zweiten Störer sich als rechtlich problematisch darstellte (so im Urteil vom 11.06.1981 - III ZR 39/80 -, NJW 1981, 2457 <2458>), steht hier indessen nicht in Rede. Vielmehr lässt sich im Anschluss an die behördliche Veranlassung der Bestattung der Kreis der Kostenpflichtigen bereits durch die gesetzliche Regel über die Bestattungspflichtigen im jeweiligen Fall eindeutig bestimmen. Die Bestattungs- und in deren Folge die Kostenpflicht richtet sich nämlich allein nach dem Verwandschaftsverhältnis. Der Erlass eines Bescheids gegen jeden der Pflichtigen trägt folglich zur Klärung der Verhältnisse nichts bei. Hiernach ist nicht ersichtlich, dass auf der Grundlage der zivilgerichtlichen Rechtsprechung die Annahme eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 BGB zwischen den gleichrangig verpflichteten und gleichstufig haftenden Geschwistern ausgeschlossen ist.
25 
Dies gilt hier nicht zuletzt vor dem Hintergrund polizeirechtlicher Regelungen. Für den Fall des Rückgriffs nach entschädigungspflichtiger Inanspruchnahme des Nichtstörers (§ 55 PolG) ordnet § 57 PolG im Wege einer Rechtsfolgenverweisung nämlich die Kostenhaftung der Störer nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag an; mehrere Störer haften demnach gemäß § 683 BGB bei unteilbaren Maßnahmen als Gesamtschuldner (vgl. Seibert, DÖV 1983, 964 <966>; Seiler in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2005, § 683 Rn. 25a). Liegt der Inanspruchnahme des Nichtstörers ein Vorgehen nach § 8 Abs. 1 PolG zugrunde, tritt der Anspruch aus § 8 Abs. 2 PolG daneben (vgl. Wolf/Stephan, a.a.O., § 57 Rn. 2). Für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung des Verhältnisses zwischen den Störern ist dann aber ein Grund nicht ersichtlich (vgl. Finkenauer, NJW 1995, 432 <433>).
26 
Ist demnach von einer gesamtschuldnerischen Haftung aller bestattungspflichtigen Geschwister auszugehen, steht der Inanspruchnahme allein des Klägers anstelle einer anteiligen Heranziehung aller Geschwister nichts entgegen. Denn es liegt gerade in der Natur der Gesamtschuldnerschaft, dass sich der Gläubiger - im Rahmen seines auch an fiskalischen Interessen auszurichtenden Auswahlermessens - denjenigen Schuldner aussuchen kann, der am solventesten bzw. am leichtesten erreichbar erscheint, und diesem das Ausfallrisiko in Bezug auf die Anteile der anderen Gesamtschuldner zuweist (sogenannte „Paschastellung“ des Gläubigers, vgl. Jauernig/Stürner, BGB, 12. Aufl. 2007, § 421 Rn. 10).
27 
c) Aber auch abgesehen von einem Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB kann der Kläger auf einen Anspruch auf anteiligen Aufwendungsersatz unter dem Gesichtspunkt der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB verwiesen werden (vgl. hierzu zuletzt Felix/Nitschke, NordÖR 2004, 469 <475 ff.> m.N.).
28 
Mit der Zahlung des durch den Kostenbescheid geforderten Betrags besorgt der Kläger nicht nur ein eigenes Geschäft, sondern zugleich ein Geschäft der gleichermaßen kostenpflichtigen Schwestern. Der Fremdgeschäftsführungswille wird beim sogenannten auch-fremden Geschäft vermutet (Vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1986 – III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <240>; vom 09.03.1990 – III ZR 81/88 -, BGHZ 110, 313 <314 f.>). Ein entgegenstehender Wille der Schwestern ist unbeachtlich, da das Handeln des Klägers im öffentlichen Interesse liegt (§ 679 BGB; siehe auch Seiler, a.a.O., § 679 Rn. 7); dabei wird nicht vorausgesetzt, dass die Pflicht des Geschäftsherrn durch eine vollziehbare Verfügung konkretisiert ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1954 - II ZR 277/53 -, BGHZ 16, 12 <16 f.>; Urteil vom 14.06.1976 - III ZR 81/74 -, VersR 1976, 1084, juris Rz. 43 f.; Seiler, a.a.O., § 679 Rn. 6). Unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB ist der Aufwendungsersatz nach Kopfteilen zu bemessen; Anhaltspunkte für eine andere Kostenverteilung gibt es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1986 - III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <242>).
29 
d) Der Rechtsauffassung des Klägers, das eine Unzumutbarkeit der Kostenbelastung der anderen Kostenschuldner bereits hier zu berücksichtigen sei, ist nicht zu folgen. Sie vermischt die bestattungs- und die sozialhilferechtliche Seite, die nach der Rechtsprechung des Senats (siehe Urteil vom 19.10.2004 - 1 S 684/04 -, VBlBW 2005, 141 <142 f.>) gerade getrennt bleiben sollen. Des Weiteren verkennt der Kläger, dass die Zumutbarkeitsüberlegungen nur verhindern sollen, dass der Betroffene endgültig mit den Bestattungskosten belastet wird; eine vorläufige Kostentragungspflicht, die erst nachträglich durch Leistungen des Sozialhilfeträgers wieder ausgeglichen wird, ist indessen nicht ausgeschlossen. Im Übrigen ist die personale Nähe zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen nur ein Element bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Kostentragung. Vielmehr sind hierbei die Umstände des Einzelfalles umfassend zu würdigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.01.2004 - 5 C 2.03 -, BVerwGE 120, 111 <114>); folglich ist die Frage der Zumutbarkeit der Kostenbelastung nicht notwendigerweise für alle Bestattungspflichtige gleich zu beantworten.
30 
3. Die im Bescheid geltend gemachten Aufwendungen sind allerdings nicht zur Gänze erstattungsfähig.
31 
a) In Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die Beklagte auch Kosten für die Beisetzungsfeierlichkeiten eingestellt. Der Senat ist seit seinem Urteil vom 05.12.1996 (- 1 S 1366/96 -, NJW 1997, 3113 <3114>) davon ausgegangen, dass die Behörde, die auf Kosten des Bestattungspflichtigen die Bestattung selbst veranlasst, „eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren“ habe; dazu gehöre auch „der kleine religiöse Rahmen, der durch den beauftragten Organisten und Pfarrer geschaffen“ wird (so Urteil vom 25.09.2001 - 1 S 974/01 -, NVwZ 2002, 995). Dieser Maßstab orientiert sich offensichtlich an der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs zum erstattungsfähigen Aufwand nach § 15 BSHG, § 74 SGB XII (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.12.1990 - 6 S 1639/90 -, FEVS 41, 279 <281 ff.>, sowie Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2005, § 74 Rn. 31 m.N.).
32 
b) Hieran hält der Senat nicht mehr fest (siehe bereits die Begründung des Vergleichsvorschlags vom 22.09.2005 im Verfahren - 1 S 342/05 -).
33 
Ausdrückliche Vorgaben für das Maß der erstattungsfähigen Kosten enthält § 31 Abs. 2 BestattG nicht. Zu deren Bestimmung ist dann in erster Linie eine Orientierung am Zweck des Bestattungsgesetzes geboten, das die Behörde lediglich zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes ermächtigt. Demnach verbietet sich eine Auslegung nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen, die von einer (standesgemäßen) an der Lebensstellung des Erblassers ausgerichteten Beerdigung ausgehen (§ 1968 BGB), wozu ggf. auch die üblichen kirchlichen und bürgerlichen Feierlichkeiten zählen. Es begegnet auch Bedenken, die sozialhilferechtliche Rechtsprechung heranzuziehen, die den in § 15 BSHG, § 74 SGB XII verwendeten Begriff der „Erforderlichkeit“ der Kosten der Bestattung in der oben erwähnten Weise konkretisiert. Denn diese Auslegung ist vor dem Hintergrund der in § 1 Abs. 2 BSHG, § 1 Satz 1 SGB XII normierten Aufgabe der Sozialhilfe zu sehen, eine der Würde eines Verstorbenen entsprechende Bestattung sicherzustellen; hieraus kann dann auch eine Verpflichtung abgeleitet werden, ein würdiges Geleit zur letzten Ruhestätte zu ermöglichen. Solche Ziele verfolgt das Bestattungsgesetz als solches aber nicht. Die Bestattungspflicht dient dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten. Die Bestattung soll zum einen Gefahren für die öffentliche Gesundheit und zum anderen eine Verletzung des in der Menschenwürde wurzelnden Gebots der Pietät gegenüber Verstorbenen und des sittlichen Empfindens in der Bevölkerung verhüten, die typischerweise (abstrakt) durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen. Darüber hinaus verlangt der Schutz der Totenruhe, die ebenfalls durch Art. 1 Abs. 1 GG gefordert ist, eine würdige Totenbestattung, die sicherzustellen nach allgemeiner Auffassung eine öffentliche Aufgabe ist (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 -, NVwZ 2002, 996 <997> m.w.N.). Auch dies zielt aber nur auf die Bestattung als solche und hat - soweit noch von Bedeutung - den Friedhofszwang im Auge, während Trauerfeierlichkeiten außerhalb des Regelungsbereichs des Bestattungsgesetzes liegen. Hiernach sind die auf die Feierhallenbenutzung und das Orgelspiel entfallenden Beträge nicht erstattungsfähig (so auch Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917 <921 f.>; ähnlich auch OVG NRW, Beschluss vom 04.03.1996 - 19 A 194/96 -, NWVBl 1996, 380; Urteil vom 10.05.1996 - 19 A 4684/95 -, NWVBl 1998, 347 <349>).
34 
Dieser Rechtsauffassung steht § 25 BestattG nicht entgegen. Wenn dort ein würdiger Umgang mit Leichen vorgeschrieben wird, zielt dies nämlich lediglich auf eine pietätvolle Behandlung der Leiche z.B. beim Transport ab, während damit zur Notwendigkeit einer Beisetzungsfeierlichkeit oder zu deren Aufwand keine Aussage getroffen wird. Nicht weiter hilft auch die Überlegung, dass in einer Fallgestaltung, in der die Ordnungsbehörde eine Äußerung eines Bestattungspflichtigen nicht einholen kann, bei der Veranlassung der Bestattung der Rechtsgedanke einer Geschäftsführung im mutmaßlichen Interesse des Pflichtigen zu berücksichtigen sei; dabei sei anzunehmen, dass dieses Interesse in Übereinstimmung mit dem hierzulande Üblichen auch auf die Abhaltung einer - jedenfalls schlichten - Trauerfeier gerichtet sei; dies gelte um so mehr, als ansonsten die Gelegenheit, vom Verstorbenen in einem würdigen Rahmen Abschied zu nehmen, endgültig vertan sei. Diese Erwägungen sind bereits von den tatsächlichen Prämissen unzutreffend, denn eine Trauer- oder Gedenkfeier - insbes. gerichtet an Freunde und Bekannte - ist nicht zwingend mit der Beisetzung verbunden; hier sei nur an die gelegentlich praktizierte Beisetzung im engsten Familienkreis erinnert. Soweit religiöse Riten mit der Beisetzung verbunden sind, scheint naheliegend, dass die Religionsgemeinschaft ihrem verstorbenen Mitglied diese letzten Dienste ggf. ohne Bezahlung zukommen lässt. Auch in rechtlicher Hinsicht fehlt es insoweit für einen Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen des Pflichtigen am geeigneten Ansatzpunkt: Wenn nämlich die Veranlassung der Bestattung durch die Ordnungsbehörde nach § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG als eine sondergesetzlich geregelte unmittelbare Ausführung einzuordnen ist, kann sie nur auf diejenigen Maßnahmen gerichtet sein, die auch gegenüber dem Bestattungspflichtigen nach § 31 Abs. 2 Alt. 1 BestattG angeordnet und gegebenenfalls im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden könnten. Für die Anordnung einer Bestattungsfeierlichkeit fehlt es indessen im Bestattungsgesetz an einer Ermächtigungsgrundlage. Auch ein Rückgriff auf das Polizeigesetz führt nicht weiter. Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit durch das Unterlassen einer solchen Feierlichkeit könnte wohl nur dann bejaht werden, wenn hierin ein Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie zu sehen wäre; das aber ist fernliegend. Gleiches gilt für einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der mit dem Argument begründet würde, eine Bestattungsfeierlichkeit sei derzeit üblich; denn allein die Üblichkeit macht eine solche Feierlichkeit nicht zu einer unerlässlichen Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da es dem Kläger nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
37 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
38 
Beschluss
vom 15. November 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.454,88 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 2 GKG).
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen den angefochtenen Kostenbescheid, soweit er nicht durch die Klagerücknahme bestandskräftig geworden ist, nicht insgesamt abweisen dürfen. Denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, als die Kosten für die Feierhallenbenutzung und den Organisten in Höhe von insgesamt 221,90 EUR (= 434 DM) geltend gemacht worden sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
1. Der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG. Danach hat die zuständige Behörde - in diesem Fall die Beklagte als Ortspolizeibehörde (vgl. § 51 Abs. 2 BestattG, § 31 Abs. 3 BestattVO i.V.m. § 62 Abs. 4 PolG) - die Bestattung auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung gesorgt wird.
16 
a) Die neben der materiell-rechtlichen Berechtigung nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes erforderliche Ermächtigung, diesen Anspruch dem Kläger gegenüber mittels eines Leistungsbescheids durchzusetzen (siehe zur Verwaltungsaktsbefugnis BVerwG, Urteil vom 22.10.2003 - 6 C 23.02 -, BVerwGE 119, 123 <124 f.>; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.12.1989 - 10 S 2252/89 -, ESVGH 40, 187 <188 f.>; P. Stelkens/ U. Stelkens in: Stelkens u.a. , VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 21 ff. m.w.N.), folgt hier aus einer analogen Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 2 PolG. Nach dieser Vorschrift werden die Kosten einer auf das allgemeine Polizeirecht gestützten unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben, was den Erlass eines Verwaltungsakts voraussetzt (§ 1 Abs. 1 Satz 1, §§ 13 ff. LVwVG; vgl. Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl. 1999, § 8 Rn. 38; Sailer in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. M Rn. 37). § 31 Abs. 2. Alt. 2 BestattG stellt eine sonderpolizeirechtliche Regelung einer unmittelbaren Ausführung dar, deren nähere inhaltliche Ausgestaltung auch insoweit durch einen Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ergänzt werden kann.
17 
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Vorgehen im Wege der unmittelbaren Ausführung lagen vor. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Bestattung durch die Beklagte hatte keiner der in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG genannten Angehörigen für die Bestattung gesorgt; dabei ist auch den Anforderungen genügt worden, die aus dem Nachrang des behördlichen Handelns folgen. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der unmittelbaren Ausführung, der in § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG seinen Niederschlag gefunden hat, ist zunächst den Bestattungspflichtigen die Gelegenheit zu geben, aus eigener Initiative für die Bestattung Sorge zu tragen und so das ihnen als nächsten Familienangehörigen - vorbehaltlich abweichender Festlegungen des Verstorbenen - zukommende Recht der Totenfürsorge - die Bestimmung über den Leichnam und die Art der Bestattung sowie die Wahl der Ruhestätte - wahrzunehmen, bevor die Behörde einschreitet. Im Rahmen des behördlichen Einschreitens hat dann zwar grundsätzlich der Erlass einer Bestattungsanordnung gem. § 31 Abs. 2 Alt. 1 BestattG Vorrang vor dem sofortigen eigenen Handeln der Behörde; wegen der in aller Regel gegebenen Dringlichkeit der Bestattung (siehe § 37 BestattG) wird der Erlass einer Verfügung allerdings nur in seltenen Fällen sachgerecht sein. Folglich ist es grundsätzlich geboten, dass die für die Bestattung zuständige Behörde bei einem Todesfall, bei dem die Bestattung nicht spontan geregelt wird, Ermittlungen nach den Bestattungspflichtigen anstellt. Deren Umfang wird bestimmt zum einen durch den engen Zeitrahmen und die schon deswegen beschränkten Möglichkeiten. Zum anderen sind hierbei auch Anhaltspunkte von Bedeutung, die aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht dafür sprechen können, dass wegen einer Lockerung der familiären Bindungen des Verstorbenen das Interesse der Angehörigen an der Wahrnehmung der Totenfürsorge nur noch gering ist. Hiernach sind Ermittlungsdefizite seitens der Beklagten nicht festzustellen, welche die Ermächtigung, gemäß § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG die Bestattung selbst zu veranlassen, in Frage stellen könnten. Denn insbesondere mangels näherer Anhaltspunkte für die Wohnorte der ehelichen Kinder waren weitere Bemühungen kurzfristig nicht erfolgversprechend.
18 
2. Die Entscheidung, allein vom Kläger die Erstattung der Kosten zu verlangen, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
19 
Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass den Kläger und seine Schwestern gemäß § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 1 BestattG eine gleichrangige Bestattungspflicht trifft; ein vorrangig verpflichteter Ehegatte war nicht vorhanden. Sie hat nur den Kläger zur Kostenerstattung herangezogen und zur Begründung dieser Ermessensentscheidung jedenfalls im Klageverfahren (siehe § 114 Satz 2 VwGO) mit der gebotenen Eindeutigkeit auf einen dem Kläger grundsätzlich zustehenden Ausgleichsanspruch gegen seine gesamtschuldnerisch haftenden Schwestern verwiesen. Diese Erwägung, die dem auf der (Sekundär-)Ebene der Kostenerstattung zentralen Gebot der Lastengerechtigkeit bzw. Lastengleichheit unter gleichrangig Verpflichteten Rechnung trägt (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 508; Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. E Rn. 135.; Sailer, a.a.O., Kap. M Rn. 26 f.), erweist sich als tragfähig.
20 
a) Eine ausdrückliche Anordnung eines solchen Kostenausgleichs findet sich in den einschlägigen ordnungsrechtlichen Vorschriften nicht.
21 
Eine Ausgleichspflicht mehrerer Verantwortlicher ist im Bestattungsrecht – im Unterschied zu anderen Rechtsgebieten (siehe etwa § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG, dazu Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 519; § 6 Abs. 1 Satz 3 AbfVerbrG, dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.11.2005 - 10 S 1208/04 -, ESVGH 56, 115 <121>) - nicht sondergesetzlich vorgesehen. Auch fehlt es im allgemeinen Polizeirecht in § 8 Abs. 2 PolG - anders als in der entsprechenden bundesrechtlichen Regelung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BPolG) und in den Polizeigesetzen einer ganzen Reihe von Bundesländern - an einer ausdrücklichen Anordnung der Gesamtschuldnerschaft bei der Kostenhaftung im Verhältnis mehrerer Verantwortlicher bei der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme (siehe hierzu Sailer, a.a.O., Kap. M Rn. 28 Fn. 101).
22 
Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch den Verweis in § 31 Abs. 6 LVwVG auf die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Bestimmung des § 4 Abs. 2 LGebG a.F. (nunmehr gleichlautend § 5 Abs. 2 LGebG i.d.F. des Gesetzes vom 14.12.2004 ) entbehrlich. Dort wird zwar geregelt, dass mehrere (Kosten-)Schuldner als Gesamtschuldner haften. Hieraus lässt sich im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang indessen nichts herleiten. Denn der Verweis bezieht sich nur auf die bei der Vollstreckung des Kostenbescheides entstehenden Gebühren und Auslagen (§ 31 Abs. 4 LVwVG i.V.m. §§ 1 - 4, 8 LVwVGKO) und regelt somit nur die Rechtsverhältnisse bei der Vollstreckung gegen mehrere Pflichtige. Darüber hinaus enthält § 31 Abs. 6 Satz 1 LVwVG einen Vorbehalt für anderweitige Kostenregelungen, der durch § 9 LVwVGKO für die Erhebung und Verteilung von Gebühren und Auslagen einer Mehrheit von Pflichtigen ausgefüllt wird. Diese Bestimmung nimmt allerdings die Fälle der Gesamtschuldnerschaft wiederum aus, die somit auch inhaltlich zu bestimmen sind (vgl. Fliegauf/Maurer, Verwaltungsvollstreckungsrecht für Baden-Württemberg, 2. Aufl. 1983, § 31 Rn. 1 a.E.; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn 509 Fn. 634; siehe auch Seibert, DÖV 1983, 964 <965 f.>).
23 
b) Auf die in der verwaltungsrechtlichen Literatur verbreitet vertretene Rechtsansicht, dass mehrere polizeipflichtige Personen auch ohne ausdrückliche Anordnung in den ordnungsrechtlichen Regelungen in analoger Anwendung des § 421 BGB als Gesamtschuldner haften (vgl. zuletzt etwa Schoch in: Schmidt-Aßmann , Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, 2. Kap. Rn. 176; Schenke/Schenke, in: Steiner , Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, II. Rn. 184 f., jeweils m.w.N.), kann diese Ermessenserwägung allerdings nicht ohne Weiteres gestützt werden. Denn der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen eine solche Analogie abgelehnt (vgl. Urteil vom 11.06.1981 - III ZR 39/80 -, NJW 1981, 2457 <2458>, und vom 08.03.1990 - III ZR 81/88 -, BGHZ 110, 313 <318>; siehe hierzu auch Würtenberger/Heckmann, a.a.O, Rn. 510 ff.; Denninger, a.a.O., Kap. E Rn. 134). Ob die darin angeführten entscheidungstragenden Argumente letztlich zu überzeugen vermögen (siehe zur Kritik etwa Kloepfer/Thull, DVBl 1989, 1121 <1125 f.>), ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Entscheidend ist allein, dass der Bundesgerichtshof (bislang) einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB verneint hat in Fällen, in denen die gesetzliche Polizeipflicht nicht gegenüber allen Pflichtigen konkretisiert worden war; denn es ist zu erwarten, dass die Zivilgerichte, vor denen ein solcher Anspruch im Streitfall geltend zu machen wäre, dieser Rechtsprechung folgen. Dann aber bliebe der vermeintliche Ausgleichsanspruch eine bloße Naturalobligation, die die Ermessensentscheidung nicht zu tragen geeignet wäre (vgl. auch Oerder, NVwZ 1992, 1031 < 1038 >).
24 
Das kann aber nicht unterschiedslos für alle Fallkonstellationen angenommen werden, in denen sich die Frage nach der Anwendung der Vorschriften über die Gesamtschuld im Verhältnis mehrerer Polizeipflichtiger stellt. Der Bundesgerichtshof geht von der Feststellung aus, dass das Innenverhältnis mehrerer Störer außerhalb des Regelungsbereichs des Polizeirechts liege (vgl. Urteil vom 18.09.1986 - III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <239 f.>). Dieser allgemein formulierte Ausgangspunkt, der angesichts der oben angeführten Regelungen jedenfalls mittlerweile zweifelhaft erscheinen mag, eröffnet indes die jeweils fallbezogene Prüfung der Übertragbarkeit der Regelungen der Gesamtschuld. Dabei war die Rechtsprechung mit Fällen befasst, in denen das Verhältnis zwischen dem zur Störungsbeseitigung herangezogenen Zustandsstörer zu einem weiteren (Zustands- bzw. Handlungs-)Störer zu bewerten war. Eine so geartete Störermehrheit, bei der zudem die Möglichkeit des gleichen Einschreitens gegen den zweiten Störer sich als rechtlich problematisch darstellte (so im Urteil vom 11.06.1981 - III ZR 39/80 -, NJW 1981, 2457 <2458>), steht hier indessen nicht in Rede. Vielmehr lässt sich im Anschluss an die behördliche Veranlassung der Bestattung der Kreis der Kostenpflichtigen bereits durch die gesetzliche Regel über die Bestattungspflichtigen im jeweiligen Fall eindeutig bestimmen. Die Bestattungs- und in deren Folge die Kostenpflicht richtet sich nämlich allein nach dem Verwandschaftsverhältnis. Der Erlass eines Bescheids gegen jeden der Pflichtigen trägt folglich zur Klärung der Verhältnisse nichts bei. Hiernach ist nicht ersichtlich, dass auf der Grundlage der zivilgerichtlichen Rechtsprechung die Annahme eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 BGB zwischen den gleichrangig verpflichteten und gleichstufig haftenden Geschwistern ausgeschlossen ist.
25 
Dies gilt hier nicht zuletzt vor dem Hintergrund polizeirechtlicher Regelungen. Für den Fall des Rückgriffs nach entschädigungspflichtiger Inanspruchnahme des Nichtstörers (§ 55 PolG) ordnet § 57 PolG im Wege einer Rechtsfolgenverweisung nämlich die Kostenhaftung der Störer nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag an; mehrere Störer haften demnach gemäß § 683 BGB bei unteilbaren Maßnahmen als Gesamtschuldner (vgl. Seibert, DÖV 1983, 964 <966>; Seiler in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2005, § 683 Rn. 25a). Liegt der Inanspruchnahme des Nichtstörers ein Vorgehen nach § 8 Abs. 1 PolG zugrunde, tritt der Anspruch aus § 8 Abs. 2 PolG daneben (vgl. Wolf/Stephan, a.a.O., § 57 Rn. 2). Für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung des Verhältnisses zwischen den Störern ist dann aber ein Grund nicht ersichtlich (vgl. Finkenauer, NJW 1995, 432 <433>).
26 
Ist demnach von einer gesamtschuldnerischen Haftung aller bestattungspflichtigen Geschwister auszugehen, steht der Inanspruchnahme allein des Klägers anstelle einer anteiligen Heranziehung aller Geschwister nichts entgegen. Denn es liegt gerade in der Natur der Gesamtschuldnerschaft, dass sich der Gläubiger - im Rahmen seines auch an fiskalischen Interessen auszurichtenden Auswahlermessens - denjenigen Schuldner aussuchen kann, der am solventesten bzw. am leichtesten erreichbar erscheint, und diesem das Ausfallrisiko in Bezug auf die Anteile der anderen Gesamtschuldner zuweist (sogenannte „Paschastellung“ des Gläubigers, vgl. Jauernig/Stürner, BGB, 12. Aufl. 2007, § 421 Rn. 10).
27 
c) Aber auch abgesehen von einem Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB kann der Kläger auf einen Anspruch auf anteiligen Aufwendungsersatz unter dem Gesichtspunkt der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB verwiesen werden (vgl. hierzu zuletzt Felix/Nitschke, NordÖR 2004, 469 <475 ff.> m.N.).
28 
Mit der Zahlung des durch den Kostenbescheid geforderten Betrags besorgt der Kläger nicht nur ein eigenes Geschäft, sondern zugleich ein Geschäft der gleichermaßen kostenpflichtigen Schwestern. Der Fremdgeschäftsführungswille wird beim sogenannten auch-fremden Geschäft vermutet (Vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1986 – III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <240>; vom 09.03.1990 – III ZR 81/88 -, BGHZ 110, 313 <314 f.>). Ein entgegenstehender Wille der Schwestern ist unbeachtlich, da das Handeln des Klägers im öffentlichen Interesse liegt (§ 679 BGB; siehe auch Seiler, a.a.O., § 679 Rn. 7); dabei wird nicht vorausgesetzt, dass die Pflicht des Geschäftsherrn durch eine vollziehbare Verfügung konkretisiert ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1954 - II ZR 277/53 -, BGHZ 16, 12 <16 f.>; Urteil vom 14.06.1976 - III ZR 81/74 -, VersR 1976, 1084, juris Rz. 43 f.; Seiler, a.a.O., § 679 Rn. 6). Unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB ist der Aufwendungsersatz nach Kopfteilen zu bemessen; Anhaltspunkte für eine andere Kostenverteilung gibt es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1986 - III ZR 227/84 -, BGHZ 98, 235 <242>).
29 
d) Der Rechtsauffassung des Klägers, das eine Unzumutbarkeit der Kostenbelastung der anderen Kostenschuldner bereits hier zu berücksichtigen sei, ist nicht zu folgen. Sie vermischt die bestattungs- und die sozialhilferechtliche Seite, die nach der Rechtsprechung des Senats (siehe Urteil vom 19.10.2004 - 1 S 684/04 -, VBlBW 2005, 141 <142 f.>) gerade getrennt bleiben sollen. Des Weiteren verkennt der Kläger, dass die Zumutbarkeitsüberlegungen nur verhindern sollen, dass der Betroffene endgültig mit den Bestattungskosten belastet wird; eine vorläufige Kostentragungspflicht, die erst nachträglich durch Leistungen des Sozialhilfeträgers wieder ausgeglichen wird, ist indessen nicht ausgeschlossen. Im Übrigen ist die personale Nähe zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen nur ein Element bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Kostentragung. Vielmehr sind hierbei die Umstände des Einzelfalles umfassend zu würdigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.01.2004 - 5 C 2.03 -, BVerwGE 120, 111 <114>); folglich ist die Frage der Zumutbarkeit der Kostenbelastung nicht notwendigerweise für alle Bestattungspflichtige gleich zu beantworten.
30 
3. Die im Bescheid geltend gemachten Aufwendungen sind allerdings nicht zur Gänze erstattungsfähig.
31 
a) In Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die Beklagte auch Kosten für die Beisetzungsfeierlichkeiten eingestellt. Der Senat ist seit seinem Urteil vom 05.12.1996 (- 1 S 1366/96 -, NJW 1997, 3113 <3114>) davon ausgegangen, dass die Behörde, die auf Kosten des Bestattungspflichtigen die Bestattung selbst veranlasst, „eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren“ habe; dazu gehöre auch „der kleine religiöse Rahmen, der durch den beauftragten Organisten und Pfarrer geschaffen“ wird (so Urteil vom 25.09.2001 - 1 S 974/01 -, NVwZ 2002, 995). Dieser Maßstab orientiert sich offensichtlich an der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs zum erstattungsfähigen Aufwand nach § 15 BSHG, § 74 SGB XII (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.12.1990 - 6 S 1639/90 -, FEVS 41, 279 <281 ff.>, sowie Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2005, § 74 Rn. 31 m.N.).
32 
b) Hieran hält der Senat nicht mehr fest (siehe bereits die Begründung des Vergleichsvorschlags vom 22.09.2005 im Verfahren - 1 S 342/05 -).
33 
Ausdrückliche Vorgaben für das Maß der erstattungsfähigen Kosten enthält § 31 Abs. 2 BestattG nicht. Zu deren Bestimmung ist dann in erster Linie eine Orientierung am Zweck des Bestattungsgesetzes geboten, das die Behörde lediglich zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes ermächtigt. Demnach verbietet sich eine Auslegung nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen, die von einer (standesgemäßen) an der Lebensstellung des Erblassers ausgerichteten Beerdigung ausgehen (§ 1968 BGB), wozu ggf. auch die üblichen kirchlichen und bürgerlichen Feierlichkeiten zählen. Es begegnet auch Bedenken, die sozialhilferechtliche Rechtsprechung heranzuziehen, die den in § 15 BSHG, § 74 SGB XII verwendeten Begriff der „Erforderlichkeit“ der Kosten der Bestattung in der oben erwähnten Weise konkretisiert. Denn diese Auslegung ist vor dem Hintergrund der in § 1 Abs. 2 BSHG, § 1 Satz 1 SGB XII normierten Aufgabe der Sozialhilfe zu sehen, eine der Würde eines Verstorbenen entsprechende Bestattung sicherzustellen; hieraus kann dann auch eine Verpflichtung abgeleitet werden, ein würdiges Geleit zur letzten Ruhestätte zu ermöglichen. Solche Ziele verfolgt das Bestattungsgesetz als solches aber nicht. Die Bestattungspflicht dient dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten. Die Bestattung soll zum einen Gefahren für die öffentliche Gesundheit und zum anderen eine Verletzung des in der Menschenwürde wurzelnden Gebots der Pietät gegenüber Verstorbenen und des sittlichen Empfindens in der Bevölkerung verhüten, die typischerweise (abstrakt) durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen. Darüber hinaus verlangt der Schutz der Totenruhe, die ebenfalls durch Art. 1 Abs. 1 GG gefordert ist, eine würdige Totenbestattung, die sicherzustellen nach allgemeiner Auffassung eine öffentliche Aufgabe ist (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 -, NVwZ 2002, 996 <997> m.w.N.). Auch dies zielt aber nur auf die Bestattung als solche und hat - soweit noch von Bedeutung - den Friedhofszwang im Auge, während Trauerfeierlichkeiten außerhalb des Regelungsbereichs des Bestattungsgesetzes liegen. Hiernach sind die auf die Feierhallenbenutzung und das Orgelspiel entfallenden Beträge nicht erstattungsfähig (so auch Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917 <921 f.>; ähnlich auch OVG NRW, Beschluss vom 04.03.1996 - 19 A 194/96 -, NWVBl 1996, 380; Urteil vom 10.05.1996 - 19 A 4684/95 -, NWVBl 1998, 347 <349>).
34 
Dieser Rechtsauffassung steht § 25 BestattG nicht entgegen. Wenn dort ein würdiger Umgang mit Leichen vorgeschrieben wird, zielt dies nämlich lediglich auf eine pietätvolle Behandlung der Leiche z.B. beim Transport ab, während damit zur Notwendigkeit einer Beisetzungsfeierlichkeit oder zu deren Aufwand keine Aussage getroffen wird. Nicht weiter hilft auch die Überlegung, dass in einer Fallgestaltung, in der die Ordnungsbehörde eine Äußerung eines Bestattungspflichtigen nicht einholen kann, bei der Veranlassung der Bestattung der Rechtsgedanke einer Geschäftsführung im mutmaßlichen Interesse des Pflichtigen zu berücksichtigen sei; dabei sei anzunehmen, dass dieses Interesse in Übereinstimmung mit dem hierzulande Üblichen auch auf die Abhaltung einer - jedenfalls schlichten - Trauerfeier gerichtet sei; dies gelte um so mehr, als ansonsten die Gelegenheit, vom Verstorbenen in einem würdigen Rahmen Abschied zu nehmen, endgültig vertan sei. Diese Erwägungen sind bereits von den tatsächlichen Prämissen unzutreffend, denn eine Trauer- oder Gedenkfeier - insbes. gerichtet an Freunde und Bekannte - ist nicht zwingend mit der Beisetzung verbunden; hier sei nur an die gelegentlich praktizierte Beisetzung im engsten Familienkreis erinnert. Soweit religiöse Riten mit der Beisetzung verbunden sind, scheint naheliegend, dass die Religionsgemeinschaft ihrem verstorbenen Mitglied diese letzten Dienste ggf. ohne Bezahlung zukommen lässt. Auch in rechtlicher Hinsicht fehlt es insoweit für einen Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen des Pflichtigen am geeigneten Ansatzpunkt: Wenn nämlich die Veranlassung der Bestattung durch die Ordnungsbehörde nach § 31 Abs. 2 Alt. 2 BestattG als eine sondergesetzlich geregelte unmittelbare Ausführung einzuordnen ist, kann sie nur auf diejenigen Maßnahmen gerichtet sein, die auch gegenüber dem Bestattungspflichtigen nach § 31 Abs. 2 Alt. 1 BestattG angeordnet und gegebenenfalls im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden könnten. Für die Anordnung einer Bestattungsfeierlichkeit fehlt es indessen im Bestattungsgesetz an einer Ermächtigungsgrundlage. Auch ein Rückgriff auf das Polizeigesetz führt nicht weiter. Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit durch das Unterlassen einer solchen Feierlichkeit könnte wohl nur dann bejaht werden, wenn hierin ein Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie zu sehen wäre; das aber ist fernliegend. Gleiches gilt für einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der mit dem Argument begründet würde, eine Bestattungsfeierlichkeit sei derzeit üblich; denn allein die Üblichkeit macht eine solche Feierlichkeit nicht zu einer unerlässlichen Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da es dem Kläger nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
37 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
38 
Beschluss
vom 15. November 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.454,88 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 2 GKG).
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 174/10
Verkündet am:
3. März 2011
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nds. SOG § 80 Abs. 1 Satz 1; GG Art. 14 (Ca, Cd)
Zum Anspruch des Eigentümers eines entwendeten Kraftfahrzeugs auf Ausgleich
von Schäden, die aufgrund einer rechtmäßigen polizeilichen Maßnahme
verursacht worden sind.
BGH, Urteil vom 3. März 2011 - III ZR 174/10 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. März 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Wöstmann, Seiters und Tombrink

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 30. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger begehrt vom beklagten Land den Ausgleich von Schäden, die anlässlich eines Polizeieinsatzes an einem ihm zuvor entwendeten Pkw entstanden sind.
2
Kläger Der ist selbständiger Autohändler. In der Nacht vom 18. zum 19. Oktober 2006 wurden bei einem Einbruch in seine Geschäftsräume ein Autoschlüssel und der dazu gehörige Pkw VW Touran entwendet. Das Fahrzeug wurde in die Niederlande verbracht und dort mit niederländischen Kennzeichen versehen. Im November 2006 reisten der Täter und ein weiterer Mittäter mit dem Fahrzeug in die Bundesrepublik ein und begingen mehrere Einbruchdieb- stähle. Am 8. November 2006 wurden sie bei einem Einbruchdiebstahl auf dem Gelände eines Autohauses entdeckt. Die Polizei nahm mit mehreren Streifenwagen unter der Inanspruchnahme von Sonderrechten die Verfolgung auf und versuchte, die flüchtenden Täter durch Errichtung einer Straßensperre zum Anhalten zu bewegen. Nachdem dies zweimal misslungen war, brachten die Polizeibeamten das von den Tätern benutzte Fahrzeug durch kontrolliertes Rammen zum Anhalten. Erst anschließend wurde festgestellt, dass es sich bei dem Fluchtfahrzeug um das gestohlene Fahrzeug des Klägers handelte.
3
An dem Fahrzeug entstand durch die Aktion der Polizeibeamten - unter Einschluss aufgewendeter Gutachterkosten von 976,94 € - ein Schaden von 12.741,64 €. Aus dem sichergestellten Vermögen der Täter erhielt der Kläger 6.650 €. Der weitergehende Schaden von 6.091,64 €, der bei den Tätern nicht einbringlich ist, ist Gegenstand der Zug um Zug gegen Abtretung der gegen die Täter gerichteten Schadensersatzansprüche erhobenen Klage. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klage weiter.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision ist nicht begründet.

I.


5
Das Berufungsgericht verneint einen Entschädigungsanspruch nach § 80 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) in der Fassung vom 19. Juni 2005 (Nds. GVBl. S. 9), weil der Kläger von der Polizei, die präventiv tätig geworden sei, um eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer abzuwenden, nicht gezielt als Nichtverantwortlicher in Anspruch genommen worden sei. Die Regelung beziehe sich nicht auf Schäden, die einem Unbeteiligten als unbeabsichtigte Nebenfolge des polizeilichen Handelns entstanden seien.
6
Ein Entschädigungsanspruch nach den daneben anwendbaren Grundsätzen zum enteignenden Eingriff stehe dem Kläger gleichfalls nicht zu. Denn ihm sei trotz der beträchtlichen Substanzverletzung am Fahrzeug kein Sonderopfer auferlegt worden, das die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreite. Hierbei könne nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger durch den substanzverletzenden Eingriff die Sachherrschaft über das Fahrzeug, das seinem Zugriff gänzlich entzogen gewesen sei, erst wiedererlangt habe. Eine solche - im vergleichbaren Fall der Vorteilsausgleichung anerkannte - normative Beurteilung des Schadens sei auch hier angebracht.

II.


7
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
8
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG ein Schaden "infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 8" entstanden sein muss. § 8 Nds. SOG, der mit "Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen" überschrieben ist, sieht vor, dass die Verwaltungsbehörden und die Polizei unter bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen gegen andere Personen als die nach §§ 6 oder 7 Verantwortlichen richten kön- nen. Bei diesen handelt es sich um Verhaltens- und Zustandsstörer, die im Hinblick auf ihre Verantwortlichkeit ihre polizeiliche Inanspruchnahme ohne eine Entschädigung hinnehmen müssen (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1966 - III ZR 109/64, BGHZ 45, 23, 25).
9
Die Bestimmungen der §§ 6 bis 8 Nds. SOG gehen davon aus, dass wegen einer Gefahr Maßnahmen gegen eine (verantwortliche oder nichtverantwortliche ) Person zu richten sind. Das waren in der vorliegenden Situation die Täter, die nach § 6 Nds. SOG als Verhaltensstörer von der Polizei in Anspruch genommen wurden. Dass die Polizei, worauf die Revision entscheidend abstellen will, durch kontrolliertes Rammen, also gezielt, auf das Fahrzeug des Klägers eingewirkt hat, bedeutet nicht, dass sie den Kläger nach § 7 Nds. SOG als Zustandsstörer oder nach § 8 Abs. 1 Nds. SOG als nichtverantwortliche Person in Anspruch genommen hätte. Von dem Zustand des Fahrzeugs ging keine Gefahr aus, sondern nur von seiner konkreten Verwendung als Fluchtmittel durch die Täter, deren Inanspruchnahme im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG möglich war. Im Übrigen ist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG eine Inanspruchnahme des Eigentümers einer Sache als Zustandsstörer ausgeschlossen, wenn - wie hier - die tatsächliche Gewalt ohne seinen Willen durch eine andere Person ausgeübt wird.
10
2. Allerdings hat der Senat zu § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW, der ähnlich wie § 80 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG formuliert ist, entschieden, es liege auch dann eine Inanspruchnahme nach § 19 OBG NRW - also wie bei § 8 Nds. SOG die einer nicht verantwortlichen Person - vor, wenn sich bei der Inanspruchnahme des Eigentümers einer Sache als Zustandsstörer oder einer Person als Handlungsstörer nachträglich herausstelle, dass die zu beseitigende Gefahr in Wirklichkeit nicht bestanden habe (vgl. Urteile vom 12. März 1992 - III ZR 128/91, BGHZ 117, 303, 307 f; vom 23. Juni 1994 - III ZR 54/93, BGHZ 126, 279, 283 f; zu § 59 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152). Dabei hat er es im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs für erforderlich angesehen, wenn ein Einschreiten der Ordnungsbehörde bereits aufgrund eines durch Tatsachen begründeten Verdachts oder Anscheins einer Gefahr hingenommen werden müsse, die Entschädigungsvorschrift des § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW entsprechend weit zu verstehen und den wegen der Anscheinsgefahr in Anspruch genommenen Betroffenen wie einen Nichtstörer zu entschädigen, wenn sich entgegen der Annahme beim Eingriff nachträglich herausstelle, dass die Gefahr in Wirklichkeit nicht bestanden habe.
11
3. Von der vorerwähnten Konstellation, in der der Geschädigte als Störer in Anspruch genommen wurde, unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall dadurch, dass der Kläger - abgesehen davon, dass er durch das Verhalten der Polizei an seinem Fahrzeug einen Schaden erlitten hat - im Sinne des Polizeirechts unbeteiligter Dritter gewesen ist. Denn er ist weder Verhaltens- noch Zustandsstörer noch hat ihn die Polizei als Nichtverantwortlichen unter den besonderen , engeren Eingriffsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nds. SOG in Anspruch genommen.
12
Einige Polizeigesetze der Länder sehen ausdrücklich einen Entschädigungs - oder Ausgleichsanspruch vor, wenn ein unbeteiligter Dritter durch eine rechtmäßige Maßnahme der Ordnungsbehörde oder der Polizei einen Schaden erleidet (vgl. Art. 70 Abs. 2 BayPAG, § 59 Abs. 1 Nr. 2 ASOG Bln, § 73 SOG M-V, § 222 LVwG SH; vgl. auch § 51 Abs. 2 Nr. 2 BPolG). Dabei sind diese Ansprüche im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet.
13
Fehlt es - wie hier in § 80 Nds. SOG - an einer ausdrücklichen Regelung, folgt hieraus nicht, dass ein unbeteiligter Geschädigter die nachteiligen Auswirkungen einer rechtmäßigen Maßnahme entschädigungslos hinnehmen müsste. Die Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder gehen auf den aus § 75 der Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten entwickelten und von § 70 Preuß. PVG aufgenommenen Aufopferungsgedanken zurück, dass bei rechtmäßigen beeinträchtigenden Eingriffen der Staatsgewalt, die für den Betroffenen mit einem Sonderopfer verbunden sind, ein Entschädigungsanspruch gegen den Staat gegeben ist (vgl. eingehend hierzu Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 649 ff; Rachor in: Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, L 32, 40; Schenke, Polizei - und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 2005, Rn. 691; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 15 Rn. 4 ff; 27; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht , 7. Aufl. 2009, Rn. 468). Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, dass ein solcher Anspruch aus enteignendem Eingriff - anders als es der Senat für das Verhältnis eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff zum Ersatzanspruch wegen rechtswidrigen Verhaltens einer Ordnungsbehörde (vgl. Senatsurteile vom 2. Oktober 1978 - III ZR 9/77, BGHZ 72, 273, 276 f; vom 12. Oktober 1978 - III ZR 162/76, NJW 1979, 34, 36) oder zum Staatshaftungsanspruch aus § 1 StHG-DDR (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 1995 - III ZR 190/94, NVwZ-RR 1997, 204, 205) entschieden hat - nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil Entschädigungsansprüche wegen rechtmäßiger polizeilicher Maßnahmen in § 80 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG abschließend geregelt wären (so aber Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 831 zu § 80 Abs. 1 Satz 1 NGefAG; OLG Hamm, NJW 1988, 1096 zu § 39 Abs. 1 Buchst. a OBG NRW; OLG Koblenz, NZV 1997, 180 zu § 68 POG RP). Dagegen spricht schon § 80 Abs. 3 Nds. SOG. Umstritten ist lediglich, ob ein solcher Entschädigungsanspruch eines unbeteiligten Dritten seine Grundlage in einer erweiternden An- wendung der für Nichtstörer geltenden Vorschriften, hier des § 80 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG, findet (so Drews/Wacke/Vogel/Martens, aaO S. 666 f zu § 45 des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes; im Ergebnis wohl auch Schenke aaO Rn. 691; ohne Präferenz Götz aaO Rn. 27) oder auf die Anwendung der allgemeinen Aufopferungsgrundsätze zu stützen ist (so Rachor aaO Rn. L 40). Der Senat hält das letztere für vorzugswürdig. Zwar wird die "Sonderopfersituation" eines Nichtstörers und eines unbeteiligten Dritten vielfach vergleichbar sein. Es besteht jedoch ein grundlegender Unterschied in der Vorgehensweise der Polizei, ob sie im Sinn des § 8 Nds. SOG eine nicht verantwortliche Person zur Beseitigung einer Gefahr heranzieht oder ob jemand betroffen wird, der außerhalb dieser durch die Polizei wahrnehmbaren Zusammenhänge steht.
14
4. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe durch das gezielte Rammen seines Fahrzeugs kein unzumutbares Sonderopfer erlitten, hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand.
15
Bereits durch den Diebstahl war ohne Zutun der Polizei eine Situation entstanden, in der das Eigentumsrecht des Klägers erheblich beeinträchtigt war. Es war in Frage gestellt, ob der Kläger jemals wieder in den Besitz des Fahrzeugs gelangen würde. Darüber hinaus bestand auch die gesteigerte Gefahr , dass der Dieb oder ein sonstiger unberechtigter Fahrer das Fahrzeug ohne jede Rücksichtnahme auf die Belange des Eigentümers gebrauchen würde (vgl. insoweit auch OLG Hamm aaO). Diese Gefahr hatte sich bereits vor dem Rammen des Fahrzeugs verwirklicht, da der Täter ein rücksichtsloses, nicht nur Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, sondern auch das Eigentum des Klägers gefährdendes Fahrverhalten an den Tag gelegt und so das Rammen (als ultima ratio) herausgefordert hatte.

16
gezielte Das Rammen hatte zwar eine erhebliche Beschädigung des Fahrzeugs zur Folge. Zugleich aber wurde hierdurch erreicht, dass der Kläger sein Eigentum - wenn auch im Wert gemindert - zurückerlangte und seine gegen den Dieb bestehenden deliktischen Ansprüche geltend machen und teilweise auch realisieren konnte.
17
Angesichts dieser Gesamtumstände ist die Verneinung eines Entschädigungsanspruchs aus enteignendem Eingriff durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden.
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 05.08.2009 - 5 O 648/09 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 30.06.2010 - 3 U 86/09 -

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann es absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Die Kosten der nach § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1, §§ 12, 13, 14 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung Verpflichteten. Bestätigen im Fall des § 9 Abs. 2 Satz 1 die Untersuchungen den Verdacht nicht oder liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 vor, sind den zur Untersuchung Herangezogenen die Kosten zu erstatten, wenn sie die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu vertreten haben. In den Fällen des § 14 Satz 1 Nr. 2 und 3 trägt derjenige die Kosten, von dem die Erstellung eines Sanierungsplans hätte verlangt werden können.

(2) Mehrere Verpflichtete haben unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch. Soweit nichts anderes vereinbart wird, hängt die Verpflichtung zum Ausgleich sowie der Umfang des zu leistenden Ausgleichs davon ab, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist; § 426 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches findet entsprechende Anwendung. Der Ausgleichsanspruch verjährt in drei Jahren; die §§ 438, 548 und 606 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind nicht anzuwenden. Die Verjährung beginnt nach der Beitreibung der Kosten, wenn eine Behörde Maßnahmen selbst ausführt, im übrigen nach der Beendigung der Maßnahmen durch den Verpflichteten zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verpflichtete von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Der Ausgleichsanspruch verjährt ohne Rücksicht auf diese Kenntnis dreißig Jahre nach der Beendigung der Maßnahmen. Für Streitigkeiten steht der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 295/09
Verkündet am:
18. Februar 2010
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
1, § 5 Abs. 1; ThürOBG § 11 Abs. 2

a) Zu den Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG. Eine analoge
Anwendung dieser Vorschrift kommt auch dann nicht in Betracht, wenn eine Inanspruchnahme
des Störers nach Maßgabe des Bundes-Bodenschutzgesetzes nur deshalb ausscheidet, weil
vorrangig sind. Erst recht lässt sich diese Vorschrift nicht als Maßstab eines allgemeinen Ausgleichs
zwischen mehreren Störern im Sinne des Ordnungsrechts heranziehen.

b) Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Bundes-Bodenschutzgesetzes und des BundesImmissionsschutzgesetzes.

c) Eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG liegt nur vor, wenn eine
physikalische, chemische oder biologische Veränderung der Beschaffenheit des Bodens eingetreten
ist. Allein die Gefahr einer Veränderung ist nicht ausreichend.

d) Zu den Voraussetzungen einer Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 BBodSchG.

e) Solange für ein Grundstück die Zwangsverwaltung angeordnet ist, kommt eine ordnungsrechtliche
Inanspruchnahme des Eigentümers als Zustandsstörer nach § 11 Abs. 2 ThürOBG regelmäßig
nicht in Betracht.
BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - III ZR 295/09 - OLG Jena
LG Meiningen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Februar 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr.
Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 und 2 wird das Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 22. Oktober 2008 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 12. März 2008 teilweise abgeändert und die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 zu tragen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten für die Beseitigung von Reststoffen, die sich auf dem Grundstück des Beklagten zu 1 befanden, das die Beklagte zu 2 zuvor vom Beklagten zu 1 gemietet hatte und das der Zwangsverwaltung mit dem Kläger als Zwangsverwalter unterlag.
2
Die Beklagte zu 2 hatte auf dem vom Beklagten zu 1 gemieteten Grundstück eine Abfallrecyclinganlage betrieben. Der Kläger beendete das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 2. Beide Parteien schlossen einen Vergleich, nach dem das Grundstück von der Beklagten zu 2 Ende August 2006 geräumt herausgegeben werden musste.
3
Da der Kläger das Grundstück bereits ab 1. September 2006 an eine neue Mieterin vermietet hatte und eine vollständige Räumung seitens der Beklagten zu 2 nicht erfolgt war, ließ er am 7. September 2006 das Grundstück zwangsräumen. Auch danach waren auf dem Grundstück noch Reststoffe verblieben. Im Oktober 2006 wies das Staatliche Umweltamt S. den Kläger darauf hin, dass die Lagerung von ca. 400 t (700 m3) nicht verwertbarer Abfälle auf dem Grundstück, die als Hinterlassenschaft von der zwangsgeräumten Beklagten zu 2 verblieben seien, nicht zulässig sei. Deshalb forderte das staatliche Umweltamt den Kläger auf, unverzüglich zu veranlassen, dass diese Abfälle von dem Grundstück entfernt und ordnungsgemäß entsorgt werden.
4
Mit der Beseitigung dieser Abfälle beauftragte der Kläger die neue Mieterin , die ihm für ihre Leistungen die Klagesumme einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer in Höhe von 100.955,60 € in Rechnung stellte. Nachdem der Kläger einen entsprechenden Vorschuss von dem die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreibenden Gläubiger angefordert und erhalten hatte, zahlte der Kläger den Rechnungsbetrag, dessen Erstattung er von den Beklagten zu 1 und 2 verlangt.
5
Die Klage hat gegen die Beklagten zu 1 und 2 vor dem Landgericht Erfolg gehabt. Die gegen die Beklagte zu 3 - eine frühere Mieterin - erhobene Klage ist abgewiesen worden. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 hat keinen Erfolg gehabt.
6
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1 und 2 ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision hat Erfolg.

I.


8
Das Berufungsgericht (ThürVBl. 2009, 126) hat die gegen die Beklagten zu 1 und 2 geltend gemachten Zahlungsansprüche für begründet erachtet und als Anspruchsgrundlage dafür § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG herangezogen. Sowohl der Kläger als auch beide Beklagten seien Verpflichtete nach dem Bundes -Bodenschutzgesetz. Die von der Beklagten zu 2 betriebene Abfallbeseitigungsanlage habe eine Altlast dargestellt. Die vom Beklagten zu 2 hinterlassenen Abfälle seien nach § 7 BBodSchG zu beseitigen gewesen. Die Beweisaufnahme habe im Übrigen ergeben, dass 460 t Abfall - wie abgerechnet - entsorgt worden seien. Die Entsorgungskosten seien auch üblich und angemessen und dem Kläger stehe auch die in den Rechnungen enthaltene Mehrwertsteuer zu.

II.



9
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
1. Revision der Beklagten zu 2
11
Die Revision der Beklagten zu 2 ist begründet und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht , da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist.
12
a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2 sei nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG zur Zahlung des Klagebetrages verpflichtet, trifft nicht zu. Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG haben mehrere Verpflichtete untereinander unabhängig von ihrer Heranziehung einen Ausgleichsanspruch, der sich mangels anderweitiger Vereinbarung danach bemisst, inwieweit die Gefahr oder der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht wurde.
13
Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts ist die Beklagte zu 2 nicht Verpflichtete im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG.
14
aa) Eine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr ergibt sich für die Beklagte zu 2 nicht aus § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG. Danach hat der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast den Boden und Altlasten sowie durch die schädlichen Bodenveränderungen oder durch Altlasten verursachte Verunreinigung von Gewässern zu sanieren, so dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.
15
(1) Im vorliegenden Fall kann aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass eine schädliche Bodenveränderung verursacht wurde. Nach § 2 Abs. 3 BBodSchG sind schädliche Bodenveränderungen im Sinne des Gesetzes Beeinträchtigungen der Bodenfunktion , die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Eine physikalische, chemische oder biologische Veränderung der Beschaffenheit des Bodens muss jedoch bereits eingetreten sein (BT-Drucks. 13/6701, S. 19; Versteyl in: Sondermann/Versteyl, BBodSchG, 2. Aufl., § 4 Rn. 77; Bickel, BBodSchG, 4. Aufl., § 2 Rn. 12). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lagerten zwar Abfälle auf dem Grundstück und es bestand die Gefahr, dass durch den Einfluss der Witterung mit Polyoxymethylen verunreinigter Staub in den Boden hätte gelangen können. Das Berufungsgericht stellt damit jedoch nur die Gefahr von Bodenveränderungen fest, nicht jedoch, dass solche bereits eingetreten sind, was jedoch Voraussetzung für eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 unter dem Blickwinkel der Verursachung einer schädlichen Bodenveränderung ist.
16
(2) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 2 als Verursacher einer Altlast scheidet ebenfalls aus, da aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts die Voraussetzungen einer Altlast nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG nicht vorliegen.
17
(a) Eine Altlast nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 1. Alternative BBodSchG kommt nicht in Betracht, weil hier keine stillgelegte Abfallbeseitigungsanlage vorliegt. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auch eine Abfallverwertungsanlage , wie sie hier betrieben wurde, zu den Abfallbeseitigungsanlagen im Sinne des Gesetzes gehört (vgl. Sondermann/Hejma in: Versteyl/Sondermann aaO, § 2 Rn. 60). Stillgelegt im Sinne des Gesetzes ist jedoch eine solche Anlage frühestens mit der Beendigung aller Stilllegungsmaßnahmen (vgl. Sondermann /Hejma aaO Rn. 61; Sanden in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, § 2 Rn. 74). Da vorliegend die Abfallverwertungsanlage nach wie vor betrieben wurde, wenn auch durch den neuen Mieter, so war die Anlage damit nicht stillgelegt und stellte auch keine Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 1. Alternative BBodSchG dar.
18
(b) Eine Altlast liegt aber auch nicht nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 2. Alternative BBodSchG vor. Bei dem Grundstück des Beklagten zu 1 handelte es sich nicht um ein sonstiges Grundstück, auf dem Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden waren.
19
Voraussetzung ist auch insoweit, dass es sich nicht um ein Grundstück einer noch im Betrieb befindlichen Abfallbeseitigungsanlage handelt (vgl. BTDrucks. 13/6701 S. 30; Bickel, aaO § 2 Rn 26; Erbguth/Stollmann, Bodenschutzrecht , 2001, Rn. 210). Im vorliegenden Fall lagerten die Reststoffe der Beklagten zu 2 auf dem Betriebsgelände der Abfallverwertungsanlage und nicht außerhalb. Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt worden. Da die Anlage durch den neuen Mieter weiterbetrieben wurde und noch nicht stillgelegt worden war, handelt es sich bei den Ablagerungen nicht um solche auf einem sonstigen Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 2. Alternative BBodSchG.
20
Unerheblich ist insoweit, ob die neue Mieterin die Abfallbeseitigung in der Anlage umgestellt hatte und ob es sich bei den beseitigten Reststoffen um solche handelte, die ausschließlich im Rahmen der Betriebsabläufe der Vormieterin entstanden sein konnten oder nur für Zwecke der Vormieterin benötigt wur- den. Der Betrieb einer Anlage gilt nur dann als stillgelegt, wenn die Produktion völlig eingestellt wird; kein Fall der Stilllegung liegt dagegen vor, wenn nach einer Produktionsänderung lediglich in einer neuen Variante produziert wird. Im Falle einer weiteren Fortführung kommt eine Stilllegung nur dann in Betracht, wenn sich der Betrieb als ein aliud darstellt (vgl. Sanden aaO § 2 Rn. 74; Kothe VerwArch 1997, 456, 459). Solches ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von den Parteien vorgetragen worden.
21
(3) Eine Altlast kann auch nicht nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 BBodSchG in Form eines Altstandortes bejaht werden. Ein Altstandort liegt nach der Vorschrift bei Grundstücken stillgelegter Anlagen oder bei sonstigen Grundstücken vor, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist. Insoweit scheiden ebenfalls Grundstücke aus, die - wie hier - zu noch im Betrieb befindlichen Anlagen gehören (BT-Drucks. 13/6701 S. 30; Bickel aaO § 2 Rn. 29).
22
bb) Die Beklagte zu 2 ist auch nicht Verpflichtete im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG, weil sie vorsorgepflichtig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG war. Die entgegenstehende Annahme des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
23
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG ist die Vorschrift im vorliegenden Fall nicht auf die Beklagte zu 2 anzuwenden. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG findet das Bundes-Bodenschutzgesetz auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten nur dann Anwendung, wenn die Vorschriften des Bundes -Immissionsschutzgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über die Errichtung und den Betrieb von Anlagen unter Berücksichtigung von Absatz 3 des § 3 BBodSchG Einwirkungen auf den Boden nicht regeln.
24
Eine die Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes verdrängende Spezialregelung ist hier § 5 Abs. 1 BImSchG. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist im vorliegenden Fall erfüllt.
25
(1) Die Errichtung und der Betrieb der vorliegenden Abfallverwertungsanlage bedurfte der Genehmigung nach § 4 Abs. 1 BImSchG. Dies wird von den Beklagten unwidersprochen vorgetragen und ergibt sich im Übrigen auch aus dem (Anhörungs-)Schreiben des Umweltamts S. vom 23. Oktober 2006, in dem auf den Genehmigungsbescheid für die Anlage Bezug genommen wird.
26
(2) Die vom Berufungsgericht festgestellten Gefahren - der Eintrag von Schadstoffen in den Boden durch Witterungseinflüsse und insbesondere Regen - werden auch von der Sache her von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erfasst. Die Schutzpflicht bezieht sich auch im gewissen Umfang auf schädliche Umwelteinwirkungen in der Zukunft und dient damit auch der vorbeugenden Gefah- renabwehr (vgl. BVerwGE 119, 329, 332 f; Jarass, BImSchG, 7. Aufl., § 5 Rn. 14).
27
(3) Bodenveränderungen, deren Eintritt das Berufungsgericht für die Zukunft als möglich angesehen hat, stellen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG schädliche Umwelteinwirkungen nach § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar, soweit sie durch Immissionen verursacht werden. Die Voraussetzung einer Immission ist dabei erfüllt, wenn die Schadstoffe durch ablaufendes Niederschlagswasser in den Boden eingetragen werden und dort die schädliche Bodenveränderung herbeiführen (vgl. Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht [Stand: Mai 2003] § 5 BImSchG Rn. 75; Kotulla, BImSchG [Stand: November 2004] § 5 Rn. 48). Von einer derartigen Gefahrenlage ist das Berufungsgericht ausgegangen.
28
(4) Räumlich wird die Umwelteinwirkung auf den Boden im Einwirkungsbereich der Anlage von § 5 Abs. 1 BImSchG erfasst (vgl. Dietlein aaO Rn. 74). Eine darüber hinaus gehende Umweltbeeinträchtigung ist weder vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt worden.
29
cc) Eine Verpflichtung der Beklagten im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 BBodSchG. § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG steht auch der Anwendung dieser Vorschrift entgegen. Die Vorschrift entspricht dem Vorsorgegebot aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG (vgl. Versteyl aaO § 4 Rn. 7; Dombert in: Landmann/Rohmer aaO [Stand: März 2001] § 4 BBodSchG Rn. 4).
30
b) Der geltend gemachte Anspruch des Klägers kann auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG gestützt werden.

31
Eine solche analoge Anwendung wird in der Literatur vor allem dann für möglich gehalten, wenn die Inanspruchnahme des ordnungsrechtlichen Störers wegen § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG nicht auf die Vorschriften des BundesBodenschutzgesetzes gestützt werden kann, sondern insbesondere auf § 5 Abs. 1 BImSchG (vgl. Wagner ZfIR 2003, 841, 843).
32
Eine solche analoge Anwendung scheidet jedoch aus. Bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG schließt die Anwendung des gesamten Bundes-Bodenschutzgesetzes und damit auch dessen § 24 ausdrücklich aus. Darüber hinaus ist zu beachten, dass es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des öffentlichen Rechts gibt, wonach ein Ausgleich zwischen mehreren Störern im Sinne des Ordnungsrechts stattzufinden hat (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - NJW 1981, 2457, 2458; BGHZ 158, 354, 360). Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 24 Abs. 2 BBodSchG auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reagiert, wonach gesetzliche Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Störern nicht auf eine analoge Anwendung des § 426 BGB gestützt werden können (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - NJW 1981, 2457, 2458; BGHZ 158, 354, 360; BGH, Urteil vom 26. September 2006 - VI ZR 166/05 - NJW 2006, 3628, 3631 m.w.N.; siehe auch Kobes NVwZ 1998, 786, 796). Dass der Gesetzgeber selbst davon ausging, mit § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG nur eine auf den Anwendungsbereich des BundesBodenschutzgesetzes beschränkte Sonderregelung geschaffen zu haben, zeigt auch der Umstand, dass er in § 9 Abs. 2 des (auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht anwendbaren) Umweltschadensgesetzes (USchadG) vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 666) eine eigenständige Ausgleichsregelung für erforderlich gehalten hat. Die Begründung zum Entwurf des Umweltschadensgesetzes lässt erkennen, dass dem Gesetzgeber zwar die Vorschrift des § 24 Abs. 2 BBodSchG vor Augen gestanden hat, er aber gleichwohl einen Regelungsbedarf gesehen und diesen nicht etwa deshalb in Frage gestellt hat, weil eine - unmittelbare oder entsprechende - Anwendung des § 24 BBodSchG in Betracht komme (vgl. BT-Drucks. 16/3806 S. 26 f). In diesem Zusammenhang fällt ins Gewicht, dass das Umweltschadensgesetz, was Anwendungsbereich und Regelungszweck angeht, dem Bundes-Bodenschutzgesetz jedenfalls nicht ferner steht als das Bundes-Immissionsschutzgesetz.
33
c) Ob dem Kläger aus anderen Gründen der geltend gemachte Anspruch zustehen kann, hat das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht geprüft. Da hierzu weitere Feststellungen zu treffen sind, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache nicht möglich.
34
Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird insbesondere ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280, 281, 546 BGB in Betracht zu ziehen sein. Die der Beklagten zu 2 obliegende Pflicht, das Betriebsgrundstück nach dem Ende des Mietverhältnisses zu räumen, umfasste auch die Verpflichtung, etwaige noch auf dem Grundstück befindliche Reststoffe zu beseitigen. Ob dieser Anspruch scheitert, weil nach dem bisherigen Sachvortrag der Parteien die nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur Erfüllung der Leistung durch den Kläger nicht erfolgt ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Eine solche Fristsetzung wäre nach § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen , wenn die Beklagte zu 2 die Erfüllung ihrer Räumungspflicht ernsthaft und endgültig verweigert hätte. An eine solche Weigerung sind zwar im Allgemeinen strenge Anforderungen zu stellen, die nur erfüllt sind, wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen , und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich durch eine Aufforderung zur Leistung umstimmen ließe (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2008 - V ZR 31/08 - NJW 2009, 1813, 1816 Rn. 29 m.w.N.). Bei Mietverhältnissen nimmt der Bundesgerichtshof jedoch eine derartige ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung bereits dann an, wenn der Mieter ohne die Vornahme der geschuldeten Instandsetzung auszieht und auch keine Anstalten für die Vorbereitung oder Ausführung der erforderlichen Maßnahmen getroffen hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. November 1997 - XII ZR 281/95 - NJW 1998, 1303, 1304; vom 10. Juli 1991 - XII ZR 105/90 - NJW 1991, 2416, 2417; BGHZ 49, 56, 59 f jeweils für die Durchführung von Schönheitsreparaturen nach Mietvertragsende ). Die Parteien haben im weiteren Verfahren Gelegenheit, zu diesem Punkt ergänzend vorzutragen.
35
Das Berufungsgericht wird sich im weiteren Verfahren gegebenenfalls auch mit den weiteren Rügen der Beklagten zu 2 zur Schadenshöhe auseinanderzusetzen haben, auf die näher einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.
36
2. Revision des Beklagten zu 1
37
Die Revision des Beklagten zu 1 ist ebenfalls begründet.
38
a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts, auch gegen den Beklagten zu 1 bestehe ein Anspruch der Klägerin in Höhe der Klageforderung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG, halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
39
Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen keine Verurteilung des Beklagten zu 1 nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG in seiner Eigenschaft als Eigentümer des mit einer nach den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigten Anlage bebauten Betriebsgrundstücks. Insoweit gilt das oben zu 1 a Gesagte entsprechend. Ergänzend ist zu bemerken, dass der sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG ergebende Vorrang der Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes mit Blick auf den Beklagten zu 1 auch nicht deshalb in Frage gestellt ist, weil § 5 Abs. 1 BImSchG nur Pflichten für den Anlagenbetreiber und nicht für den davon personenverschiedenen Eigentümer begründet (vgl. Jarass, aaO § 5 Rn. 10). Ein Rückgriff auf das BundesBodenschutzgesetz hinsichtlich der in § 7 Satz 1 BBodSchG zusätzlich genannten Adressaten wie den Grundstückseigentümer kommt nicht in Betracht (vgl. Bickel, aaO § 3 Rn. 18; Schäling, Grenzen der Sanierungsverantwortlichkeit nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, 2008, S. 80, 82; a.A. Nicklas LKV 2000, 376, 379). Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich kein Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber nur hinsichtlich bestimmter Adressaten den Vorrang des Bundes-Immissionsschutzgesetzes begründen und im Übrigen eine parallele Anwendung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ermöglichen wollte. Vielmehr sollten anlagebezogene Anforderungen und die Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen einheitlich im BundesImmissionsschutzgesetz geregelt sein (BT-Drucks. 13/6701, S. 33).
40
b) Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar.
41
aa) Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1 lässt sich nicht auf §§ 683, 677, 670 BGB stützen, weil der Kläger durch die Beseitigung der Reststoffe auf dem Grundstück eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 als dessen Eigentümer nicht erfüllt hat.
42
(1) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 zur Abfallbeseitigung ergab sich nicht aus dem Bundes-Bodenschutzgesetz, da insoweit die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes - wie ausgeführt - vorrangig sind.
43
(2) Eine Verpflichtung zur Beseitigung ergab sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 BImSchG, da sich insoweit nur Pflichten für den Anlagenbetreiber ergeben , nicht jedoch für den davon personenverschiedenen Eigentümer.
44
(3) Der Kläger hat auch keine Verpflichtung des Beklagten zu 1 im Hinblick auf die Gefahrenabwehr nach dem allgemeinen Ordnungsrecht erfüllt.
45
(a) Eine Verpflichtung des Beklagten zu 1 nach § 10 Abs. 1, 3 ThürOGB scheidet aus. Der Vortrag des Klägers hierzu erschöpft sich in dem Verweis auf die gesellschaftsrechtliche Stellung des Beklagten zu 1 als Gesellschafter und zugleich Vorstand der Beklagten zu 2 und ist nicht hinreichend, um eine persönliche Inanspruchnahme des Beklagten zu 1 als Verursacher einer ordnungsrechtlichen Gefahr im Sinne des § 10 ThürOBG zu begründen.
46
Ebenso (b) wenig kommt eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 1 gemäß § 11 ThürOBG in Betracht. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift sind die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten, sofern die Gefahr von einer Sache ausgeht. Gemäß § 11 Abs. 2 ThürOBG können die Maßnahmen auch gegen den Eigentümer gerichtet werden , es sei denn, der Inhaber der tatsächlichen Gewalt übt diese ohne den Willen des Eigentümers aus.
47
Im vorliegenden Fall übt der Kläger als Zwangsverwalter die tatsächliche Gewalt ohne den Willen des Beklagten zu 1 aus. Diesem ist gemäß § 148 Abs. 2 ZVG die Verwaltung und Nutzung des Grundstücks entzogen. Er kommt deshalb als Zustandsstörer während der laufenden Zwangsverwaltung grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 14. Aufl., S. 78; Rühle/Suhr, Polizei- und Ordnungsbehördengesetz RheinlandPfalz , 2000, S. 92; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 327 f, Duesmann, Die Verantwortlichkeit für schädliche Bodenveränderungen und Altlasten nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, S. 77 f).
48
Ob dies deshalb in Frage zu stellen ist, weil möglicherweise dem Beklagten zu 1 mittels einer Duldungsverfügung gegen den Kläger als Zwangsverwalter eine Einwirkung auf sein Grundstück, von dem die Gefahr ausging, hätte aufgegeben werden können (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 23. Mai 2006 - W 4 K 05.592 - juris Rn. 28 ff für einen besonders gelagerten Einzelfall), kann hier dahinstehen. Solange nicht erkennbar ist, dass die Ordnungsbehörde selbst diesen Weg einschlagen will oder auch nur für gangbar hält, kann derjenige, der tatsächlich in Anspruch genommen wird oder dessen Inanspruchnahme ins Auge gefasst wird, sich unter dem Blickwinkel einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht darauf berufen, dass er eine fremde Verpflichtung durch die Beseitigung der die Gefahr erfüllt hat (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457, 2458). Im vorliegenden Fall hat das Staatliche Umweltamt mit seinem Schreiben vom 23. Oktober 2006 den Kläger angehört und dessen Inanspruchnahme zur Entsorgung der Reststoffe in Aussicht gestellt. Der Anhörung ist nicht zu entnehmen, dass die Behörde beabsichtigte, mit einer Duldungsverfügung gegen den Kläger vorzugehen und dann den Beklagten zu 1 als Eigentümer in Anspruch zu nehmen. Es verbleibt deshalb dabei, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Beseitigung der Reststoffe keine Verpflichtung des Beklagten zu 1 erfüllt hat, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch den Kläger nicht in Betracht kommt.

49
bb) Mangels Befreiung des Beklagten zu 1 von einer Verpflichtung im Hinblick auf die Entsorgung der Reststoffe scheiden auch Ansprüche des Klägers gegen ihn aus ungerechtfertigter Bereicherung aus.
50
c) Hinsichtlich der Revision des Beklagten zu 1 kann der Senat selbst entscheiden, da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Seiters

Vorinstanzen:
LG Meiningen, Entscheidung vom 12.03.2008 - 3 O 209/07 -
OLG Jena, Entscheidung vom 22.10.2008 - 7 U 316/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 166/05 Verkündet am:
26. September 2006
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 823 Ac, Bf; 683 Satz 2, 1004; KrW-/AbfG §§ 10, 16
Der persönliche Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht des Abfallerzeugers
umfasst regelmäßig nicht den Besitzer eines Grundstücks, der das Grundstück zum
Betrieb einer Abfallrecyclinganlage vermietet.
BGH, Urteil vom 26. September 2006 - VI ZR 166/05 - Pfälzisches OLG Zweibrücken
LG Landau
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 11. Juli 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 26.726,40 € in Anspruch, die ihr für die Entsorgung von Altreifenmaterial entstanden sind. Die Klägerin ist Leasingnehmerin eines Grundstücks, das sie an die Firma G. E. untervermietet und dieser im Sommer 2002 zum Betrieb einer Altautoreifenrecyclinganlage überlassen hatte. Auf dem Grundstück sammelten sich in der Folgezeit ca. 550 Tonnen Altreifen und geschredderte Reifenreste, die verschiedene Unternehmen dort anlieferten. Ein Teil davon, nämlich von der Firma L. gelieferte 319,39 Tonnen, stammt nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin von der Beklagten. Die Beklagte hatte im Sommer 2002 größere Mengen geschredderte Altreifenreste zur Entsorgung an die Firma R. S. weitergegeben, welche sich hierzu der Firma L. bediente, die ihrer- seits die Altreifen an die Firma G. E. lieferte. In der Folgezeit kündigte die Klägerin ihrer Untermieterin wegen Zahlungsverzugs. Diese kam ihrer Pflicht zur Räumung des Grundstücks jedoch nicht nach. Das Landratsamt E. forderte deshalb die Klägerin mit Bescheid vom 30. Juni 2003 auf, das Reifenmaterial ordnungsgemäß zu entsorgen. Die Klägerin beauftragte hiermit ihrerseits die Firma L., welche die Altreifenreste gegen Zahlung des Klagebetrags entsorgte.
2
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die entsorgten Reifenteile von der Beklagten stammten, da ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht gegeben sei.
4
Soweit auf das Einbringen der Reifenteile auf das Grundstück abgestellt werde, sei ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Besitzstörung jedenfalls deshalb zu verneinen, weil diese Handlung nicht von der Beklagten, sondern von selbständigen Entsorgungsunternehmen vorgenommen worden sei. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten, müsse deshalb abgelehnt werden, weil die Klägerin nicht in den Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht einbezogen gewesen sei. In den Schutzbereich seien diejenigen nicht einbezogen, die ihrerseits selbst verkehrssicherungspflichtig seien und hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht sozusagen auf einer Stufe stünden. Dies gelte zunächst für die di- rekt an der "Entsorgungskette" beteiligten Firmen R. S., L. und G. E. Aber auch die Klägerin als Vermieterin der G. E. werde vom Schutzbereich nicht erfasst. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, da es an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs fehle. Ein deliktischer Anspruch könne schließlich nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 10 Abs. 4 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG) vom 6. Oktober 1994 - BGBl. I 2705 - hergeleitet werden, da keines der dort genannten Rechtsgüter betroffen gewesen sei.
5
Ein auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gestützter Anspruch der Klägerin komme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte im Innenverhältnis zur Klägerin dieser gegenüber verpflichtet gewesen sei, die Altreifenteile zu entfernen. Eine solche Verpflichtung der Beklagten könne aber entgegen einer Entscheidung des OLG Dresden (VersR 1995, 836) nicht dem § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB entnommen werden. Zivilrechtlich sei die Beklagte nicht als Störerin anzusehen. Darauf, ob die Beklagte nach dem polizeirechtlichen Störerbegriff verantwortlich gemacht werden könne, komme es nicht an. Der zivilrechtliche Störer dürfe mit dem polizeirechtlichen nicht gleichgesetzt werden.

II.

6
Die hiergegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg.
7
1. Die Beklagte hat nicht nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Rechts der Klägerin zum mittelbaren Besitz an dem vermieteten Grundstück Schadensersatz dafür zu leisten, dass sie Reifenteile zur Entsorgung an die Firma R. S. weitergegeben hat, die sie über die Firma L. der Mieterin G. E. der Klägerin überlassen hat.
8
a) R. S. und L. waren selbstständige Entsorgungsunternehmen und mangels Weisungsgebundenheit keine Verrichtungsgehilfen der beklagten Abfallerzeugerin. Das Verhalten dieser Firmen ist der Beklagten daher nicht über § 831 BGB zurechenbar (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - VersR 1976, 62, 64; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; dasselbe RuS 1997, 194, 195 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96; Wilmowsky, NuR 1991, 253, 257), so dass sich insoweit die Frage eines Auswahl- und Überwachungsverschuldens der beauftragten Firma R. S. nicht stellt.
9
b) Das Berufungsgericht hat auch im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten verneint.
10
aa) Zwar hat ein Produzent von Industrieabfällen, die ohne besondere Vorkehrungen eine Quelle von Umweltgefahren sind, die allgemeine Verkehrssicherungspflicht , im Rahmen des Zumutbaren und Verkehrsüblichen das Erforderliche zu tun, damit sich diese (potentiellen) Gefahren nicht zum Schaden Dritter auswirken können. Dabei nehmen die Anforderungen an die Sorgfalt bei Lagerung und Vernichtung mit der Gefährlichkeit der Abfallstoffe zu (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - aaO; OLG Hamm, VersR 1988, 804 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 10. Mai 1988 - VI ZR 236/87; OLG Stuttgart, VersR 1991, 1375, 1376 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 54/90; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95).
11
bb) Der Abfallproduzent muss die Entsorgung nicht stets selbst übernehmen. Nach ständiger Rechtsprechung können Verkehrssicherungspflichten delegiert werden. Wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich, während sich die Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich (allein) Verantwortlichen auf Auswahl- und Überwachungspflichten verengt. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei wiederum eine erhöhte Gefährlichkeit ebenso wie ein verringerter Einfluss des Produzenten auf den mit der Entsorgung bzw. Verwertung beauftragten Unternehmer aufgrund dessen Selbstständigkeit zu einer gesteigerten Sorgfaltspflicht des Delegierenden führt (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1982 - VI ZR 129/81 - VersR 1983, 152; vom 12. März 1985 - VI ZR 215/83 - VersR 1985, 666, 667 und vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - VersR 1989, 526 m.w.N.; vgl. auch BGH, BGHZ 142, 227, 233). Der Beaufsichtigung eines Fachunternehmens sind allerdings durch das Erfordernis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sowie durch die Selbstständigkeit und Weisungsunabhängigkeit des Beauftragten Grenzen gesetzt. Eine Kontrolle auf Schritt und Tritt kann nicht verlangt werden (vgl. Senatsurteile vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - aaO; vom 12. März 1985 - VI ZR 215/83 - aaO; vom 30. September 1986 - VI ZR 247/85 - RuS 1987, 130, 131). Diese Grundsätze - von denen das Berufungsgericht ausgegangen ist - gelten auch, wenn der Abfallerzeuger ein selbstständiges Unternehmen mit der Entsorgung beauftragt. Ihn treffen dann abgestufte Auswahl- und Überwachungspflichten , die nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen sind und umso strenger werden, je gefährlicher die Abfälle für die Umwelt sind und je geringer die Gewähr ist, dass das eingeschaltete Unternehmen die erforderlichen Sicherheitsvorschriften beachtet (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - aaO, 64 f.; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 f. mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; Wilmowsky aaO; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1974, 285, 286). Dass der Beauftragte im Besitz der erforderlichen abfallrechtlichen Genehmigungen ist, ist Voraussetzung für eine entlastende Pflichtendelegation, kann den Abfallerzeuger aber entgegen einer gelegentlich vertretenen Ansicht (vgl. Dombert, PHI 1992, 42, 45 f.; Ekrutt, NJW 1976, 885 f.; ähnlich Klingelhöfer , VersR 2002, 530, 538; Wilmowsky, NuR 1991, aaO; a.A. Birn, NJW 1976, 1880 f.; vgl. auch OLG Hamm, VersR 1988, 804 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 10. Mai 1988 - VI ZR 236/87) nicht ohne weitere Umstände entlasten (vgl. auch Senat, Urteil vom 31. Mai 1994 - VI ZR 233/93 - VersR 1994, 996, 997 m.w.N.). Eines näheren Eingehens auf diese Frage bedarf es hier jedoch aus den nachfolgenden Erwägungen nicht.
12
cc) Ob die Beklagte mit Beauftragung der Firma R. S. und bei der nicht näher festgestellten weiteren Abwicklung des Geschäfts ihren Auswahl- und Überwachungspflichten nachgekommen ist, durfte das Berufungsgericht zu Recht unbeantwortet lassen. Diese Verkehrssicherungspflichten hatten nach den besonderen Umständen des Streitfalls nämlich nicht den (Schutz-) Zweck, die Klägerin vor denjenigen Schäden zu bewahren, deren Ausgleich sie nun verlangt (zur Eingrenzung von Verkehrssicherungspflichten über den Schutzzweck vgl. Senat, Urteil vom 27. Januar 1987 - VI ZR 114/86 - NJW 1987, 2671, 2672; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., § 823 Rdn. 28).
13
(1) Es ist bereits fraglich, ob der bei der Klägerin entstandene Schaden seiner Art nach vom Schutzzweck der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht erfasst ist. Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht eines Produzenten von Industrieabfällen soll verhindern, dass sich Umweltgefahren zum Schaden Dritter auswirken (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74 - aaO, 64). Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendun- gen haben ihre Ursache darin, dass ihre Untermieterin ihrer Räumungspflicht nicht nachgekommen ist. Räumungskosten wären deshalb auch dann angefallen , wenn G. E. keinen Abfall, sondern Wirtschaftsgüter gelagert hätte. Damit haben sich nicht die von den geschredderten Altreifen ausgehenden Umweltgefahren verwirklicht, sondern das allgemeine Risiko eines Vermieters, dass der Mieter die ihm überlassene Sache nicht in ordnungsgemäßem Zustand zurückgibt und seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt (vgl. OLG Düsseldorf , RuS 1997, 194 f. mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96). In derartigen Fällen wird es deshalb regelmäßig an einem inneren Zusammenhang des Schadens mit der vom Abfallerzeuger geschaffenen Gefahrenlage fehlen.
14
(2) Jedenfalls umfasst der persönliche Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht die Klägerin.
15
(a) Bereits die Firma R. S. war nicht in diesen Schutzbereich einbezogen, soweit ihr als Entsorger die gefahrlose Beseitigung des Abfalls übertragen wurde (vgl. Senat, Urteil vom 27. November 1984 - VI ZR 49/83 - VersR 1985, 243, 244 zur Streupflicht). Der Entsorger ist selbst Teil der Gefahr, für die der Abfallerzeuger in gewissem Umfang verantwortlich bleibt; er wird nicht selbst geschützt.
16
(b) Ob sich dieser Ausschluss aus dem Schutzbereich unter dem Aspekt der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht stets bei weiteren Entsorgern innerhalb der "Entsorgungskette" fortsetzt, kann offen bleiben. Die Klägerin wird vom Schutzzweck der Verkehrssicherungspflicht bereits deshalb nicht erfasst, weil sie sich der Umweltgefahr freiwillig ausgesetzt hat.
17
Sie hat ihrer Untermieterin das Grundstück zum Betrieb einer Altautoreifenrecyclinganlage zur Nutzung überlassen. Dies setzt das vorübergehende Lagern von Altreifen zwingend voraus. Die Klägerin hat also die von den geschredderten Altreifen ausgehenden Umweltgefahren aus wirtschaftlichem Eigeninteresse freiwillig in Kauf genommen und sich dadurch selbst außerhalb des Schutzbereichs der dem Abfallerzeuger für den Abfall obliegenden Verkehrssicherungspflicht gestellt. Mit dieser Eröffnung einer Gefahrenquelle ist sie nicht mehr ein Dritter, den der Abfallerzeuger durch besondere Vorkehrungen vor den erkennbaren Umweltgefahren des Abfalls schützen muss (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; dasselbe RuS 1997, 194 f. mit Nichtannhmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96; vgl. ferner OLG Hamm, VersR 2002, 1298; OLG Stuttgart, TranspR 1998, 488, 489 f.). An diesem Einverständnis der Klägerin, das den Schutz vor den Umweltgefahren der Altreifenteile ausschließt, hat sich nichts dadurch geändert, dass durch die Zahlungsunfähigkeit des Untermieters oder etwa vorhandener Unzulänglichkeiten in der Handhabung des Recyclinggeschäfts die Altreifen nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft und - wie die Revision meint - vertrags- und vorschriftswidrig gelagert wurden. Darin hat sich lediglich eine wirtschaftliche Gefahr verwirklicht, der typischerweise jeder Vermieter eines Industriegrundstücks ausgesetzt ist (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; dasselbe RuS 1997, 194, 195 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96). Die Verkehrssicherungspflicht des Abfallerzeugers schützt nicht das Vertrauen eines Vermieters in die fachliche Eignung bzw. in die fortdauernde wirtschaftliche Gesundheit und Existenz des in der Entsorgungsbranche tätigen Vertragspartners und damit letztlich in die ordnungsgemäße Erfüllung der eingegangenen vertraglichen Pflichten.
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2. An denselben Erwägungen zum Schutzzweck scheitert auch ein Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 10 Abs. 4 KrW /AbfG. Der Streitfall gibt daher keine Veranlassung zu prüfen, ob und bejahendenfalls zum Schutz welcher Rechtsgüter § 10 Abs. 4 KrW-/AbfG überhaupt als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden kann (verneinend Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 10 Rdn. 32 a.E.; Geigel /Freymann, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 15 Rdn. 5; a.A. noch zu § 2 AbfG OLG Hamm, VersR 1991, 676, 677; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1363, 1364 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. März 1996 - VI ZR 272/95; dasselbe RuS 1997, 194, 195 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 19. November 1996 - VI ZR 136/96; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearbeitung, § 823 Rdn. G 43).
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3. Der Hauptangriff der Revision, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin jedenfalls gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Beseitigung der Reifenteile verpflichtet gewesen sei, bleibt gleichfalls ohne Erfolg. Der Umstand, dass die Klägerin mit der Räumung des Grundstücks nicht nur dessen erneute wirtschaftliche Nutzung nach dem Scheitern des Mietverhältnisses ermöglichte, sondern als sogenannte Zustandsstörerin auch einer abfallrechtlichen Anordnung des Landratsamtes E. nachkam, begründet auch dann keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Kostenerstattung, wenn die Beklagte als Verhaltensstörerin von der Ordnungsbehörde gleichfalls hätte zur Räumung verpflichtet werden können.
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a) Soweit die Revision eine Verpflichtung der Beklagten zur Räumung des Grundstücks aus § 1004 BGB herleiten will (vgl. insoweit BGH, BGHZ 110, 313, 315; 142, 227, 237; Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04 - VersR 2005, 839 m.w.N.; Frenz, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, 3. Aufl., § 3 Rdn. 106; vgl. auch Bamberger/Fritzsche, BGB, § 1004 Rdn. 76; Münch- KommBGB/Seiler, 4. Aufl., § 677 Rdn. 34), ist bereits fraglich, ob der Anwendungsbereich dieser Vorschrift überhaupt eröffnet ist. Die Klägerin ist nicht Eigentümerin des Grundstücks, sondern lediglich Leasingnehmerin. Soweit sich die Klägerin auf Besitzverletzung beruft, ist eine Anwendbarkeit des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verneinen. Insoweit verschafft jedoch § 862 BGB dem Besitzer einen vergleichbaren Schutz wie § 1004 BGB dem Eigentümer (vgl. BGH, BGHZ 147, 45, 50; MünchKommBGB/Joost, aaO, § 862 Rdn. 1; MünchKommBGB /Medicus, aaO, § 1004 Rdn. 5; Staudinger/Bund, BGB, Neubearbeitung 2000, § 862 Rdn. 1; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 2006, § 1004 Rdn. 87) und geht insbesondere von einem nahezu identischen Störerbegriff aus (MünchKommBGB/Joost, aaO, § 862 Rdn. 9; Staudinger/Bund, aaO, § 858 Rdn. 14).
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b) Es ist - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht zu entscheiden , ob die Beklagte hinsichtlich der Lagerung von Altreifen auf dem Grundstück zivilrechtlich als Störerin angesehen werden kann. Im vorliegenden Fall scheidet eine etwaige Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung der Störung durch den Reifenabfall jedenfalls im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 254 BGB aus (vgl. BGH, BGHZ 110, 313, 317; 131, 95, 101; Urteil vom 21. Oktober 1994 - V ZR 12/94 - NJW 1995, 395, 396; OLG Dresden, VersR 1995, 836, 837; Bamberger/Fritzsche, aaO, § 1004 Rdn. 68; MünchKommBGB /Oetker, aaO, § 254 Rdn. 25; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rdn. 28 sowie die zahlreichen Nachweise bei Staudinger /Gursky, aaO, Rdn. 157, selbst a.A.).
22
Ebensowenig wie der Beseitigungsanspruch aus §§ 862, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB an ein schuldhaftes Verhalten des Störers anknüpft, setzt die Mitverantwortlichkeit des Gestörten im Sinne des § 254 BGB einen Schuldvorwurf voraus (vgl. BGH, BGHZ 110, 313, 317 m.w.N.). Es genügt vielmehr, dass er die Störung selbst ermöglicht und im Verhältnis der Parteien die entscheidende Ursache gesetzt hat. Das trifft hier zu. Die Klägerin hat die vorübergehende Verbringung von geschredderten Altreifenteilen auf das Grundstück durch dessen Vermietung zum Betrieb einer Altautoreifenrecyclinganlage erst ermöglicht. Damit hat sie im Verhältnis der Parteien eine entscheidende Ursache für ihre späteren Aufwendungen gesetzt. Die spätere Entwicklung, die durch die Kündigung des Untermietverhältnisses veranlasst wurde, hat nicht die Beklagte, sondern die Untermieterin der Klägerin zu verantworten. Die Verletzung mietvertraglicher Pflichten der Untermieterin liegt - wie bereits im Zusammenhang mit der Prüfung einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Abfallerzeugers ausgeführt - nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten. Darin liegt auch der wesentliche Unterschied zu dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des OLG Dresden (VersR 1995, 836) zugrunde lag. Die dortige Klägerin war lediglich Lagerhalterin und nicht Entsorgerin (aaO 837) und der Abfall, dessen Entsorgungskosten sie ersetzt verlangte, war bei ihr nicht als Abfall, sondern als Farben und Lacke/Gefahrgüter für eine bestimmte Vertragszeit eingelagert worden. Im hier zu entscheidenden Streitfall hat die Klägerin dagegen die (eingetretene ) Gefahr, mit den Entsorgungskosten für die Reifenteile belastet zu werden, dadurch ermöglicht, dass sie die Nutzung des Grundstücks für eine Altreifenrecyclinganlage selbst eröffnet hat.
23
4. Schließlich scheiden auch sonstige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus.
24
a) Ein allgemeiner zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch des in Anspruch genommenen Störers gegen andere Pflichtige entsprechend § 426 BGB wird von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur wegen fehlender Vergleichbarkeit der Sachverhalte zu Recht abgelehnt (BGH, BGHZ 98, 235, 239 f.; 110, 313, 318; Urteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - VersR 1981, 980, 982; OLG Düsseldorf, NVwZ 1989, 993, 997; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 850, 851 mit Nichtannahmebeschluss des BGH vom 24. April 1996 - XII ZR 203/94; LG Trier, UPR 1994, 118; Bockwoldt, Rechtmäßigkeit und Kostentragungspflicht polizeilichen Handelns, 2003, S. 220 ff., 225; Hoeft, Die Entschädigungsansprüche des Störers im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, 1995, S. 258 ff., 262; Frenz, aaO, § 3 Rdn. 105; Knoche, Altlasten und Haftung, 2001, S. 104 ff., 110; Jochum, NVwZ 2003, 526, 529; Johlen, DStR 1994, 1897, 1900; Papier, NVwZ 1986, 256, 263; Schwachheim, NVwZ 1988, 225 ff., 227; Schwerdtner, NVwZ 1992, 141, 143; a.A. Haller, ZUR 1996, 21, 25 f.; Haibt/Rinne, ZIP 1997, 2113, 2115 f.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121, 1125 f.; Kohler-Gehrig, NVwZ 1992, 1049 ff.; Leinemann, VersR 1992, 25, 28 ff.; Raeschke-Kessler, DVBl. 1992, 683, 690; Seibert, DÖV 1983, 964 ff., 974; Stickelbrock, AcP 197, 456, 503 f.).
25
b) Es besteht auch kein Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 683 Satz 2, 679, 670 BGB oder aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.
26
aa) Wird von mehreren polizeirechtlichen Störern nur einer in Anspruch genommen, kann er im Allgemeinen einen Aufwendungsersatzanspruch gegen weitere - nicht in Anspruch genommene - Störer nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag geltend machen. Mit der Beseitigung der Störung besorgt er regelmäßig nur ein eigenes und nicht zugleich auch ein Geschäft des anderen Störers (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1981 - III ZR 39/80 - aaO, 981 f.; OLG Düsseldorf, NVwZ 1989, 993, 997; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 850 mit Nichtannahmebeschluss des BGH vom 24. April 1996 - XII ZR 203/94; Bamberger /Fritzsche, aaO, Rdn. 76; zustimmend mit teils abweichender Begründung Frenz, aaO, § 3 Rdn. 106; Hoeft, aaO, S. 257; Knoche, aaO, S. 111 f.; Staudinger/Wittmann, BGB, 13. Bearbeitung, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rdn. 37; Haller, ZUR 1996, 21, 25; Johlen, DStR 1994, 1897, 1901; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121, 1123 f.; Papier, NVwZ 1986, 256, 263).
27
Ein Anspruch aus § 683 Satz 2 BGB könnte allerdings dann zu bejahen sein, wenn die Klägerin zugleich auch ein fremdes Geschäft geführt, nämlich eine Verpflichtung der Beklagten erfüllt hätte (vgl. BGH, BGHZ 98, 235, 240). Dass sie durch die Beseitigung der geschredderten Altreifen der ihr gegenüber ergangenen Polizeiverfügung nachkam, steht der Annahme einer Fremdgeschäftsführung nicht entgegen (vgl. BGH, BGHZ 110, 313, 314 f.). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Geschäftsführung i.S. des § 677 BGB möglich ist, wenn der Handelnde vornehmlich zur Wahrnehmung eigener Belange und nur nebenbei im Interesse eines Anderen tätig wird. Insbesondere hindert der Umstand, dass der Geschäftsführer einer eigenen öffentlichrechtlichen Pflicht nachkommt, nicht die Annahme, dass er damit zugleich das privatrechtliche Geschäft eines Dritten besorgt (vgl. BGH, BGHZ 40, 28, 30; 63, 167, 169 f.; 65, 354, 357 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 1977 - III ZR 159/75 - NJW 1978, 1258 f.; MünchKommBGB/Seiler, 4. Aufl., § 677 Rdn. 9 m.w.N.; Staudinger/Wittmann, aaO, Rdn. 23).
28
bb) Hat die Klägerin mit der Räumung des Grundstücks zugleich eine Verpflichtung der Beklagten erfüllt, kommt daneben ein Ausgleichsanspruch nach § 812 BGB in Betracht (vgl. BGH, BGHZ 142, 227, 237, 238 f.; Urteile vom 21. Oktober 1994 - V ZR 12/94 - NJW 1995, 395, 396; vom 1. Dezember 1995 - V ZR 9/94 - VersR 1996, 759, 760 m.w.N.; vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04 - aaO; MünchKommBGB/Medicus, aaO, § 1004 Rdn. 90; ablehnend Staudinger/Gursky, aaO, § 1004 Rdn. 159, beide m.w.N.).
29
cc) Einer Anwendung der §§ 683 Satz 2, 812 BGB steht jedoch entgegen , dass hier - wie bereits zu Ziff. 3 ausgeführt - kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Beseitigung der Störung bestand. Die Klägerin hat mit der Beseitigung der Altreifenteile weder ein Geschäft der Beklagten geführt noch eine Verpflichtung der Beklagten erfüllt, sondern lediglich die ihr auferlegte Verwaltungsanordnung befolgt. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Landau, Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 O 83/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 11.07.2005 - 7 U 131/04 -

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.