Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 29. Nov. 2017 - 1 K 1430/16.MZ

ECLI:ECLI:DE:VGMAINZ:2017:1129.1K1430.16.00
bei uns veröffentlicht am29.11.2017

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Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 21. April 2016 sowie teilweise der Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2016, soweit er sich auf den vorgenannten Bescheid bezieht, werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen Maßnahmen des beklagten Landkreises auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

2

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das sich auf die Durchführung internationaler Überführungen von Leichnamen einschließlich der damit zusammenhängenden Transport- und Serviceleistungen sowie die hygienische und thanatopraktische Versorgung der Verstorbenen spezialisiert hat.

3

Am 26. Februar 2016 verstarb der US-amerikanische Staatsangehörige T. in C. Das XXX Bestattungsinstitut P. beauftragte die Klägerin, den Verstorbenen von der Totenhalle des Friedhofs in C. nach S. zu überführen.

4

Die Klägerin verbrachte den Leichnam am 3. März 2017 zunächst zu einem im Eigentum der Klägerin stehenden Container nach B., in dem der Leichnam bis zum 11. März 2016 aufbewahrt wurde. Im dortigen Bestattungsinstitut F. sollte die notwendige thanatopraktische Versorgung durchgeführt werden. Unmittelbar bevor damit begonnen werden sollte, erreichte die dort vor Ort tätigen Mitarbeiter am 9. März 2017 die Information des Gesundheitsamtes D., dass der Verstorbene an Lassa-Fieber erkrankt sei. Es kam zeitgleich zur Ansteckung einer Kontaktperson mit dem Virus. Daraufhin barg eine Spezialeinheit des Arbeiter-Samariter-Bundes e. V. (ASB) den Leichnam im Container und verbrachte ihn mit einem Fahrzeug des ASB zum Krematorium.

5

Der Beklagte erließ gegenüber der Klägerin – nach telefonischer Anhörung des Geschäftsführers – mit Bescheid vom 16. März 2016 die folgende Verfügung:

6

1. Die Firma X. wird als Eigentümerin des Containers aufgefordert bis 21.03.2016, den sich derzeit auf dem Gelände des Bestattungsinstituts F. befindlichen kontaminierten Container unter S4-Bedingungen desinfizieren zu lassen. Eine Liste entsprechender Fachbetriebe ist dem Schreiben beigefügt.

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2. Sofern Sie dieser Anordnung nicht oder nicht vollständig nachkommen, wird nach § 63 Abs. 1 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (LVwVG) die Desinfektion auf Kosten des Vollstreckungsschuldners durch die Vollstreckungsbehörde beauftragt.

8

Die Leiche des Herrn T., der nachweislich am Lassa-Virus erkrankt gewesen sei, habe sich mehrere Tage in dem im Eigentum der Klägerin stehenden Container befunden. Nachdem eine Kontaktperson ebenfalls positiv getestet worden sei, habe nicht weiter zugewartet werden können. Die Klägerin sei Eigentümerin des Containers und daher als Zustandsstörerin bezüglich der vorgefundenen Verhältnisse verantwortlich. Vom betreffenden Container gehe eine Gefahr der Weiterverbreitung von Krankheitserregern und daher von Krankheiten aus, was nicht hinnehmbar sei. Ein Einschreiten der Behörde sei daher zur Verhinderung der Gefahr nach § 17 Abs. 2 und 3 IfSG geboten. Der Geschäftsführer der Klägerin habe in einem Telefonat am 16. März 2016 geäußert, dass man nicht bereit sei, die notwendigen Maßnahmen selbst einzuleiten.

9

Dagegen erhob die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 17. März 2016, Zugang am 18. März 2016, Widerspruch.

10

Die Klägerin teilte dem Beklagten am 29. März 2016 schriftlich und telefonisch mit, dass sie, trotz Bemühungen keinen geeigneten Desinfektor habe finden können. Daraufhin erließ der Beklagte mit Bescheid vom 29. März 2016 folgende Verfügung:

11

1. Zur Verhütung der Übertragung vom Lassafieber wird ihr Container, der sich derzeit auf dem Gelände des Bestattungsinstituts F., XXX Straße, B. befindet, am 31.03.2016 ab 9.00 Uhr im Rahmen der Ersatzvornahme durch einen sachkundigen Desinfektor der Fachfirma Y. unter S4-Bedingungen desinfiziert.

12

2. Die Desinfektionsmaßnahmen sind zu dulden.

13

3. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass der Container zugänglich gemacht wird.

14

4. Bei der Desinfektion kann angeordnet werden, dass Gegenstände im Container vernichtet werden. Dies haben sie ebenfalls zu dulden.

15

5. Die sofortige Vollziehung der Maßnahme wird angeordnet.

16

Zur Begründung wiederholte der Beklagte im Wesentlichen diejenige des Bescheids vom 16. März 2016 und führte ergänzend aus, dass die Klägerin geäußert habe, keinen geeigneten Desinfektor gefunden zu haben, der die Desinfektion in ihrem Auftrag durchführen wolle. Ein Einschreiten sei nach § 17 Abs. 1 IfSG geboten. Die Klägerin habe darüber hinaus zugesagt, dem Beklagten Zugang zum Container durch einen ihrer Mitarbeiter zu verschaffen.

17

Am 31. März 2016 führte die Firma Y. die Dekontaminierung bzw. Desinfektion durch. Die Kosten dafür betrugen, ausweislich der Rechnung vom 13. April 2016, insgesamt 5.311,67 €.

18

Gegen den Bescheid vom 29. März 2016 erhob die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 8. April 2016, Zugang am 11. April 2016, Widerspruch. Die Klägerin legte die Todesbescheinigung vom 26. Februar 2016 und die Bescheinigung eines fehlenden Infektionsrisikos der Universitätsklinik C. vom 29. Februar 2016 vor.

19

Mit Bescheid vom 21. April 2016 machte der Beklagte, die im Rahmen der Desinfektion durch die Beauftragung der Fachfirma Y. entstandenen Kosten – entsprechend der Rechnung vom 13. April 2016 – gegenüber der Klägerin geltend.

20

Dagegen hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29. April 2016, Zugang am selben Tage, Widerspruch erhoben.

21

Die Klägerin trug zur Begründung ihrer Widersprüche im Wesentlichen wie folgt vor: Es sei bei der Inanspruchnahme der Klägerin nicht berücksichtigt worden, dass die Universitätsklinik C. die Situation maßgeblich zu verantworten habe. Diese sei ihrer Pflicht nicht nachgekommen, das Lassa-Virus zu melden und habe eine falsche Bescheinigung ausgestellt, in der das Infektionsrisiko verneint worden sei. Bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände hätte die Klägerin den Transport erst gar nicht durchgeführt. Die Universitätsklinik C. habe die Gefahr durch die Verletzung ihrer Meldepflicht verursacht. Außerdem wäre sie viel besser in der Lage gewesen, mit der Krankheit und den daraus resultierenden Gefahren umzugehen. Als Klinik sei sie damit vertraut. Der Beklagte habe sein Auswahlermessen dahingehend nicht ausgeübt.

22

Die Verhandlung über den Widerspruch fand am 15. September 2016 vor dem Kreisrechtsausschuss statt. Der Prozessbevollmächtigte trug vor, dass der Beklagte den Amtsermittlungsgrundsatz nicht beachtet habe. Man hätte die Papiere des Verstorbenen bei dem Bestattungsunternehmen einsehen können, aus denen sich ergeben hätte, dass der Verstorbene aus C. gekommen sei. Dann hätte bei der Beklagten eine erforderliche Ermessensausübung durchgeführt werden können. Der Beklagte war der Auffassung, dass eine Abwägung, wer die Desinfektion durchzuführen habe, nicht in Betracht gekommen sei.

23

Die drei Widersprüche der Klägerin wurden mit Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 28. Oktober 2016, zugestellt mittels Postzustellungsurkunde am Donnerstag, den 10. November 2016, zurückgewiesen.

24

Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 16. und 29. März seien schon unzulässig, da sie mit Durchführung der von der Klägerin geforderten Desinfektion des Containers durch die Firma Y. gegenstandslos geworden seien. Der Vollzug der Desinfektion sei auch nicht mehr rückgängig zu machen. Die betreffenden Verwaltungsakte hätten sich damit erledigt, sodass ein Widerspruch unzulässig sei.

25

Der Widerspruch gegen den Kostenbescheid sei zwar zulässig, aber unbegründet. Ermächtigungsgrundlage sei § 63 Abs. 1 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (LVwVG). Der Grundverwaltungsakt sei rechtmäßig. Die Anordnung der Desinfektion des Containers gegenüber der Klägerin habe aufgrund des § 17 Abs. 2 und 3 IfSG ergehen können. Da der im Container gelagerte Verstorbene am Lassa-Virus erkrankt gewesen sei, hätte eine große Ansteckungsgefahr bestanden. Solche Krankheitserreger müssten durch fachkundige Personen beseitigt werden. Es sei daher erforderlich gewesen, dass die Behörde die notwendigen Maßnahmen anordnet. Nur durch die Desinfektion des Containers habe die Weiterverbreitung des Virus endgültig verhindert werden können. Die Maßnahme war auch angemessen, da es sich um eine hochansteckende Krankheit handele, die unter Umständen auch zum Tod führen könne.

26

Die Klägerin sei auch die richtige Adressatin des Grundverwaltungsakts, da sie als Eigentümerin des Containers Zustandsstörerin sei und die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit darauf hatte. Der Einwand, dass die Universitätsklinik C. ebenfalls als Störer im Rahmen des Auswahlermessens in Betracht zu ziehen gewesen sei, greife nicht durch. Im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung habe der Beklagte nichts von einem zweiten Störer gewusst. Die falsche Ausstellung der Bescheinigung habe sich ihr auch nicht aufdrängen müssen. Im Bereich der Gefahrenabwehr habe die Behörde unter Umständen, wie hier, unverzüglich zu reagieren, um die Gefahr effektiv abwehren zu können. Ein Ermessensfehler liege daher nicht vor. Zudem greife der Grundsatz der Amtsermittlung hier nicht, da die Behörde keine Nachforschungen anstellen müsse, die aus dem Sachverhalt heraus nicht ersichtlich seien und aus Dringlichkeitsgründen nicht in Frage kämen. Ferner habe der Amtsermittlungsgrundsatz seine Grenze in der Mitwirkungspflicht des Betroffenen. Der Klägerin wäre vorzuwerfen gewesen, dass die betreffenden Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, obwohl sie gewusst habe, dass diese vor Ort vorhanden waren. Dann hätte eine andere Ausgangslage vorgelegen.

27

Die Androhung der Ersatzvornahme sei ebenfalls rechtmäßig. Der Grundverwaltungsakt sei auch vollstreckbar im Sinne des § 2 Abs. 2 LVwVG in Verbindung mit § 16 Abs. 8 IfSG. Da die Klägerin nicht imstande gewesen sei, selbst eine Fachfirma zu beauftragen, sei die Ersatzvornahme vor dem Hintergrund der mit der gefährlichen Krankheit verbundenen Eilbedürftigkeit auch verhältnismäßig gewesen. Das Vorhandensein eines zweiten Störers sei der Beklagten zum Zeitpunkt der Ersatzvornahme ebenfalls noch nicht bekannt gewesen.

28

Darüber hinaus setzte der Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2016 die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 452,10 € fest.

29

Die Klägerin hat am Montag, den 12. Dezember 2016, Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, dem Leichentransport seien die notwendigen Papiere beigefügt gewesen. Darunter sei insbesondere die Todesbescheinigung vom 26. Februar 2016, die von der Universitätsklinik C., Klinik für Innere Medizin, Prof. E., internistische Intensivstation, XXX Str. C., ausgefüllt worden sei. Zusätzlich habe eine Bescheinigung der Universitätsklinik C., Institut für Pathologie, vorgelegen.

30

In dem zwingend nach dem Bestattungsgesetz Nordrhein-Westfalen (BestG NRW) mitzuführenden Todesbescheinigung auf dem für Nordrhein-Westfalen gültigen Formular werde unter der Rubrik Ziffer 16 ausdrücklich bestätigt, dass keine besonderen Verhaltensmaßnahmen bei der Aufbewahrung, Einsalbung, Beförderung und Bestattung zu beachten seien. In dem zusätzlich beigefügten Begleitdokument des Instituts für Pathologie der Universitätsklinik C. werde ausdrücklich bescheinigt, dass bei dem Verstorbenen nach erfolgter innerer Leichenschau (Obduktion) kein Infektionsrisiko bestehe. Dieses Dokument sei unterzeichnet von Herrn „Prof. Dr. med. A.“ und dem Leiter des Sektionsbereichs, Herrn „Prof. Dr. med. D.“.

31

Der Beklagte übersehe, dass die Ermessensausübung falsch sei, weil er zu Unrecht von nur einem möglichen Störer ausgegangen sei. Er übersehe, dass die Universitätsklinik C. Verhaltensstörer sei. Nach § 8 Abs. 1 Ziff. 1 IfSG obliege im Falle des § 6 IfSG dem feststellenden Arzt in Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen der stationären Pflege die gesetzliche Meldepflicht. Dieser sei die Universitätsklinik C. nicht nachgekommen, sondern habe falsche Bescheinigungen ausgestellt. Der Grund dafür sei nicht bekannt. Fest stehe jedoch, dass der Transport bei Kenntnis der wahren Todesursache von der Klägerin nicht durchgeführt worden wäre. Für virale hämorrhagische Fieber, auch ohne sicheren Erregernachweis, bestehe eine Meldepflicht nach § 6 IfSG. Außerdem bestehe eine Labormeldepflicht nach § 7 IfSG für den Nachweis u.a. auch von Lassa-Viren und allgemein für alle Viren, die hämorrhagische Fieber auslösen können. Die Verletzung dieser Meldepflicht löse eine Verhaltensstörerschaft der Universitätsklinik C. aus (Verweis auf: BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 – 3 B 106/99). Die Leiche sei mit ordnungsgemäßen Papieren transportiert worden. Die Feststellung der Verhaltensstörerschaft sei dem Beklagten auch leicht möglich gewesen. Da sie dies nicht getan habe, sei der Amtsermittlungsgrundsatz verletzt.

32

Der Amtsermittlungsgrundsatz beinhalte, dass die Behörde diejenigen Tatsachen zu ermitteln habe, die für die Entscheidung über den konkreten Lebenssachverhalt erheblich und maßgeblich seien. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte offensichtlich nicht nachgekommen, denn er habe noch nicht einmal diejenigen Papiere, die bei Transport des Leichnams von Gesetzes wegen mitzuführen seien, kontrolliert oder gar zum Verwaltungsvorgang genommen.

33

Hier sei § 17 IfSG die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der Desinfektion. Dabei lege die Norm selbst nicht den Adressaten fest, sondern dies richte sich nach den allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften. Daher sei es auch bei solchen Maßnahmen prinzipiell möglich, Maßnahmen gegenüber einem Verhaltensstörer anzuordnen.

34

Die Klägerin beantragt,

35
1. die in den Verfügungen des Beklagten vom 16. März 2016, 29. März 2016 und 21. April 2016 enthaltenen Verwaltungsakte in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 28. Oktober 2016 sowie den Kostenbescheid vom 09. November 2016 aufzuheben;
36
2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

37

Der Beklagte beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Sie verweist auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren sowie den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2016 und trägt vertiefend vor, dass der Container im Eigentum der Klägerin stehe und auf einem dauerhaft von der Firma F. angemieteten Stellplatz in B. abgestellt gewesen sei.

40

Es komme für die durchgeführten Maßnahmen nicht darauf an, wie die infizierte Leiche in den Container nach B. gelangt sei. Bei der Beurteilung der Sachlage komme es nicht auf die Umstände an, die zu der Verseuchung geführt haben. Dieser Vortrag des Klägers sei insoweit unerheblich. Das Fehlverhalten Dritter als Ursache für die Verseuchung sei zudem erst im Nachhinein von der Klägerin behauptet und vorgetragen worden. Nach den §§ 16 und 17 IfSG hätten sich Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Ein mögliches Fehlverhalten Dritter habe daher im Rahmen der Abwägung keinen Raum. Zudem wäre es nicht zielführend und völlig sachfremd gewesen, bei unklarer Rechts- und Verschuldensfrage eine Verfügung gegen die Universitätsklinik C. zu richten.

41

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

42

Die Klage hat teilweise Erfolg. Die Klage ist überwiegend zulässig und aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

43

I. Die Klage ist insoweit zulässig, als die Klägerin die Aufhebung der Bescheide vom 16. März, 29. März und vom 21. April 2016 sowie des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2016 begehrt. Im Übrigen, also in Bezug auf den Kostenfestsetzungsbescheid vom 9. November 2016, ist sie unzulässig.

44

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Statthaft ist hier die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Voraussetzung ist, dass ein belastender Verwaltungsakt angegriffen wird, der sich noch nicht erledigt hat. Dies ist hinsichtlich der angefochtenen Bescheide vom 16. und 29. März 2016 sowie vom 21. April und des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2016 der Fall. Gleiches gilt für die Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren vom 9. November 2016, die der Kostenlastentscheidung nachfolgt. Sie ist einer isolierten Anfechtung grundsätzlich zugänglich (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 18. Auflage 2017, § 80, Rn. 64; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 80, Rn. 92 m.w.N.).

45

Die mit Bescheiden vom 16. und 29. März 2016 bekanntgegebenen Verwaltungsakte haben sich auch – entgegen der Auffassung des Kreisrechtsausschusses – noch nicht erledigt. Erledigung setzt voraus, dass von dem Verwaltungsakt keine Rechtswirkungen mehr ausgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 – 7 C 5/08 –, NVwZ 2009, 122, Rn. 13). Die Bescheide vom 16. und 29. März 2016 sind durch die Behörde bereits vollzogen worden. Dies ist auch nicht mehr rückgängig zu machen. Jedoch stellen die Vollziehung und die ihr zugrundeliegenden Verwaltungsakte weiterhin eine Grundlage für den ebenfalls angefochtenen Kostenbescheid vom 21. April 2016 dar (vgl. dazu BVerwG, a.a.O.). Insoweit entfalten daher die Verwaltungsakte vom 16. und 29. März 2016 noch Rechtswirkungen, sodass sie nicht als erledigt anzusehen sind.

46

Als Adressatin belastender Verwaltungsakte ist die Klägerin auch klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Einer zusätzlichen isolierten Anfechtung des Kostenfestsetzungsbescheids vom 9. November 2016 steht hier allerdings entgegen, dass der Kläger gegen diesen kein erforderliches Vorverfahren durchgeführt hat (vgl. dazu Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 18. Auflage 2017, § 80, Rn. 64; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 80, Rn. 92). Die Anfechtungsklage ist im Hinblick auf eine im Antrag der Klägerin zum Ausdruck kommende isolierte bzw. zusätzliche Anfechtung dieses Kostenfestsetzungsbescheids daher insoweit unzulässig. Gleichwohl wird mit Aufhebung des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids gleichzeitig einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Kostenfestsetzung „die Grundlage entzogen“ (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006 – 7 C 14/05 –, NVwZ 2006, 1294, Rn. 13). Soweit der Widerspruchsbescheid (und damit auch die dort enthaltene Kostenlastentscheidung) aufgehoben wird, hindert es die Vollstreckung des Kostenfestsetzungsbescheids (Kunze, in: BeckOK VwVfG, 37. Edition, Stand: 1. Oktober 2017, § 80, Rn. 123). Die gerichtliche Kostenentscheidung ersetzt die verwaltungsbehördliche Kostenentscheidung in vollem Umfang (BVerwG, a.a.O., Rn. 14).

47

Hinsichtlich der übrigen angegriffenen Bescheide vom 16. und 29. März sowie vom 21. April 2016 ist ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden, das mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2016 erfolglos beendet wurde. Die Klage wurde insoweit am 12. Dezember 2016 auch fristgerecht erhoben. Die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO begann mit der Zustellung des Widerspruchsbescheids am Donnerstag, den 10. November 2016. Die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO endete demnach gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) am 12. Dezember 2016, also den auf Samstag, den 10. Dezember 2016, folgenden Werktag.

48

Die Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung gemäß § 44 VwGO liegen vor.

49

II. Die Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die vom Kläger angegriffenen Bescheide vom 16. und 29. März 2016 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kostenbescheid vom 21. April 2016 und teilweise der Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2016 – soweit er sich auf den vorgenannten Kostenbescheid bezieht – sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

50

1. Die Anordnung der Desinfektion des Containers gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 16. März 2016 ist rechtmäßig. Richtige Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der Desinfektion ist § 17 Abs. 1 Satz 1 IfSG, da es sich um einen mit meldepflichtigen Krankheitserregern (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. g) IfSG) behafteten Gegenstand handelt. Der § 17 Abs. 2 IfSG, auf den im Ausgangs- und im Widerspruchsbescheid verwiesen wird, findet keine Anwendung, da hier keine „Gesundheitsschädlinge“, also Tiere, durch die Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können (vgl. § 2 Nr. 12 IfSG), gegeben sind. Ein Austausch dieser beiden Ermächtigungsnormen ist hier – auch durch das Gericht – ohne weiteres möglich, da sowohl Abs. 1 als auch Abs. 2 eine Ermessensentscheidung vorsehen und sie dieselbe Zielrichtung haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 1988 – 8 C 29/87 –, juris, Rn. 11 ff.). Eine Wesensänderung des Bescheids erfolgt dadurch nicht (siehe dazu etwa BVerwG, Urteil vom 21. November 1989 – 9 C 28/89 –, NVwZ 1990, 673 [674]). Zudem bezieht sich die Begründung der Bescheide durch den Beklagten von vornherein auch stets auf Gefahren, die von dem mit Krankheitserregern behafteten Container ausgehen – nicht hingegen spezifisch auf „Gesundheitsschädlinge“.

51

Gemäß § 17 Abs. 1 IfSG hat die zuständige Behörde, wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Sofern die Durchführung einer angeordneten Maßnahme besondere Sachkunde erfordert, kann die zuständige Behörde gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 IfSG anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt.

52

Nach den tatsächlichen – unstreitigen – Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Der im Eigentum der Klägerin stehende Container war mit Krankheitserregern (Lassa-Virus) behaftet. Es war eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten. Eine Dekontaminierung des Containers war damit unumgänglich.

53

Zwischen den Beteiligten steht letztlich im Streit, wer als „Verpflichteter“ im Sinne des § 17 Abs. 1 IfSG anzusehen ist. Dabei enthalten § 17 Abs. 1 und 3 IfSG keine unmittelbare Regelung, wer als Verantwortlicher und damit als zumindest möglicher Adressat der dort geregelten behördlichen Anordnungen anzusehen ist (vgl. zu § 17 Abs. 2 IfSG: BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2005 – 3 B 129/04 –, juris, Rn. 6). Es ist dementsprechend auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 4 und 5 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) zurückzugreifen (vgl. zu § 17 Abs. 2 IfSG: BVerwG, a.a.O.). Das ergibt sich bereits aus einer systematischen Interpretation des § 17 Abs. 3 IfSG, der in Satz 1 allgemein vom „Verpflichteten“ spricht, während in Satz 3 derjenige gesondert erwähnt wird, der „ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt hat“. Dieser Satz 3 wäre überflüssig, wenn stets nur der Zustandsstörer in Anspruch genommen werden könnte, da er letztlich diejenigen erfasst, die ansonsten als Zustandsstörer im Sinne des § 5 POG eingeordnet werden.

54

Die Anordnung der Desinfektion durfte grundsätzlich gegenüber der Klägerin als Eigentümerin des Containers und Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft ergehen. Es ist insoweit davon auszugehen, dass ein Mitarbeiter der Klägerin vor Ort war und Zugang zu dem Container hatte. Die Klägerin war damit Zustandsstörerin im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 POG. Daneben war sie auch Verhaltensstörerin im Sinne des § 4 Abs. 1 POG. Sie hat durch das Verbringen des Leichnams in den Container dessen Kontamination unmittelbar verursacht. Auf ein Verschulden oder sonstige subjektive Elemente kommt es insoweit im Gefahrenabwehrrecht nicht an. Die Klägerin war damit sog. „Doppelstörerin“ (vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1994 – 10 A 1753/9 –, NVwZ-RR 1995, 635).

55

Hinsichtlich der Auswahl der Klägerin als Zustandsverantwortliche zur Beseitigung der Gefahrenlage, hier die Anordnung der Desinfektion des Containers, liegen keine Ermessensfehler vor, die zu einer Aufhebung des Verwaltungsaktes führen. Bei der Abwehr von Gefahren (sog. Primärebene) hat sich die Behörde bei ihrer Ermessensausübung in erster Linie am Maßstab einer möglichst effektiven, schnellen und kostengünstigen Abwehr der Gefahrenlage zu orientieren (OVG RP, Beschluss vom 13. Juli 2010 – 8 A 10623/10 –, NVwZ-RR 2010, 755 [756]; OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1994 – 10 A 1753/9 –, NVwZ-RR 1995, 635). Das gilt auch für die Feststellung der Störer (OVG RP, Beschluss vom 15. Juli 2011 – 7 B 10594/11.OVG –, BeckRS 2011, 52635).

56

Sofern mehrere Verantwortliche bzw. Störer in Betracht kommen, hat die handelnde Behörde ein Auswahlermessen. Dabei besteht grundsätzlich kein Vorrang von Verhaltens- gegenüber Zustandsstörer oder umgekehrt (OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1994 – 10 A 1753/9 –, NVwZ-RR 1995, 635). Es ist vielmehr primär am oben dargelegten Maßstab im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Es ist insoweit eine ex ante Betrachtung zugrunde zu legen (OVG RP, Beschluss vom 15. Juli 2011 – 7 B 10594/11.OVG –, BeckRS 2011, 52635). Im Rahmen des § 17 Abs. 1 und 3 IfSG ist allerdings speziell zu beachten, dass die Vorschrift von ihrem Sinn und Zweck her an Gefahren anknüpft, die von Sachen ausgehen. Das Ermessen ist hier daher aufgrund der gesetzgeberischen Wertung auf der Primärebene dahingehend intendiert, dass im Regelfall der Zustandsstörer die Gefahr am effektivsten abwehren kann (sog. „intendiertes Ermessen“, vgl. dazu allgemein Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 18. Auflage 2017, § 40, Rn. 65; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 40, Rn. 28 ff. m.w.N. aus der Rspr.).

57

Eine ermessensfehlerfreie Auswahl ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn der der Störung zugrundeliegende Sachverhalt hinreichend ermittelt und darüber hinaus eine Auswahlentscheidung getroffen wird, die sich an dem maßgeblichen Kriterium einer effektiven Gefahrenabwehr orientiert (HessVGH, Beschluss vom 14. März 2003 – 9 TG 2894/02 –, NVwZ-RR 2004, 32 [32 f.]; VGH BW, Urteil vom 1. Oktober 1991 – 5 S 1823/90 –, NVwZ-RR 1992, 350 [351]). Im Ergebnis ist eine bewusste Entscheidung der Behörde erforderlich, welchen Personen aus welchen Gründen zur Gefahrenabwehr herangezogen werden (OVG LSA, Beschluss vom 11. Februar 2008 – 2 M 4/08 –, NVwZ-RR 2008, 615).

58

Der Umfang der Aufklärungspflichten im Sinne des § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) i.V.m. § 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls. Hier stand der Beklagte unter besonderem Zeit- und Handlungsdruck, da der Container mit Viren, die eine hochansteckende Krankheit übertragen können, kontaminiert war. Daher war aus der ex-ante Sicht keine weitere intensive Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Verursachung geboten. Es musste sich dem Beklagten auch nicht aufdrängen, dass es neben der Klägerin noch weitere Verantwortliche gab. Die Behörde hat erst dann in eine vertiefte Einzelfallprüfung einzutreten, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2009 – 8 C 8/08 –, LKV 2009, 564, Rn. 23; HessVGH, Urteil vom 13. November 1990 – 11 UE 4950/88 –, NVwZ-RR 1991, 357 [358]; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 24, Rn. 26). Umständen, die sich objektiv nicht aufdrängen oder nicht an die Behörde herangetragen werden, muss nicht nachgegangen werden (BayVGH, Beschluss vom 13. Januar 2014 – 14 CS 13.1790 –, juris, Rn. 17 m.w.N.). Der Klägerin hätte es insoweit möglicherweise oblegen, dem Beklagten die ihr bereits bekannten Tatsachen und Beweismittel, hier die Todesbescheinigung und die Bescheinigung eines (angeblich) fehlenden Infektionsrisikos, vorzulegen und so gerade Anhaltspunkte für eine Prüfung zu schaffen. Eine solche Mitwirkungspflicht kann sich aus § 26 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG ergeben. Sie schränkt die Sachverhaltsermittlungspflicht der Behörde ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2013 – 6 C 10/11 –, NVwZ 2013, 1418, Rn. 22; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 18. Auflage 2017, § 24, Rn. 12a m.w.N.; Kallerhoff, a.a.O., Rn. 28).

59

Aus einer ex-post Betrachtung heraus kann das Universitätsklinikum C. allerdings als polizeirechtlich mitverantwortliche Verhaltensstörerin eingeordnet werden. Mit der – wie sich im Nachhinein herausgestellt hat – offensichtlich fehlerhaften oder zumindest unzureichenden Ausstellung der Bescheinigungen durch die bei ihr tätigen Mitarbeiter hat die Universitätsklinik – nach der üblichen polizei- und ordnungsrechtlichen Kausalitätsdogmatik – wohl noch nicht selbst die Gefahrenschwelle im konkreten Fall unmittelbar überschritten, sog. Theorie der unmittelbaren Verursachung (vgl. dazu OVG RP, Urteil vom 26. Januar 2012 – 8 A 11081/11.OVG –, BeckRS 2012, 06251). Dies kann jedenfalls aber für die Klägerin angenommen werden, die den infizierten Leichnam schließlich in den streitgegenständlichen Container verbrachte. Die Universitätsklinik hatte hiernach nur eine abstrakte Gefahrenlage verursacht, die sich allerdings sodann zu der hier streitgegenständlichen konkreten Gefahrenlage – der Kontaminierung des Containers – durch das eigenverantwortliche Dazwischentreten der Klägerin verdichtete. Erst mit Durchführung des Transports und der anschließenden Verbringung in den Container wurde die konkrete Gefahrenschwelle unmittelbar überschritten. Die Universitätsklinik ist allerdings dennoch als Verhaltensstörerin einzuordnen. Im Rahmen der im Gefahrenabwehrrecht gebotenen wertenden Betrachtungsweise kann auch ein lediglich mittelbarer Verursacher als Störer eingeordnet werden, wenn dessen Handlung zwar nicht unmittelbar die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten hat, aber mit der durch den Verursacher unmittelbar herbeigeführten Gefahr oder Störung eine natürliche Einheit bildet, die die Einbeziehung des Hintermanns in die Polizeipflicht rechtfertigt (OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2007 – 7 A 678/07 –, NVwZ-RR 2008, 12; OVG RP, a.a.O.). Dieser enge Zusammenhang soll in der überwiegenden Rechtsprechung der Obergerichte zumindest dann bestehen, wenn der Betreffende die unmittelbare Störung „gezielt ausgelöst“, sie jedenfalls billigend in Kauf genommen hat (vgl. zum sog. „Zweckveranlasser“: OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2007 – 7 A 678/07 –, NVwZ-RR 2008, 12; VGH BW, Urteil vom 28. August 1986 – 1 S 3241/85 –, NVwZ 1987, 237). Es kann aber auch eine lediglich „objektive Verknüpfung“ ausreichend sein (vgl. NdsOVG, Urteil vom 24. September 1987 – 12 A 269/86 –, NVwZ 1988, 638 [639]; VGH BW, Urteil vom 28. August 1986 – 1 S 3241/85 –, NVwZ 1987, 237 [238]: „objektiv oder subjektiv“). Auf ein subjektives Element kommt es in diesem Rahmen auf der Primärebene – wie auch im übrigen Gefahrenabwehrrecht – nicht zwingend an. Insgesamt ist eine allgemein wertende Betrachtung unter Berücksichtigung von Kriterien der Rechts- und Pflichtwidrigkeit geboten, um eine Polizeipflicht bei lediglich mittelbaren Verursachungsbeiträgen festzustellen (OVG RP, a.a.O.).

60

Der Universitätsklinik C. bzw. den dort tätigen Mitarbeitern kommt über §§ 6, 8 IfSG eine Art Garantenstellung zur Verhütung der hier gegenständlichen Gefahrenlagen zu (vgl. dazu HessVGH, Urteil vom 25. März 2009 – 6 A 2131/08 –, juris, Rn. 56 f.). Der frühzeitige Hinweis auf gefährliche Krankheitserreger soll gerade den unbedachten oder sorglosen Umgang mit infizierten (hier: verstorbenen) Personen verhindern und damit eine Ausbreitung der Erreger und Ansteckungen Dritter verhindern. Durch das – zumindest ex-post betrachtet – objektiv unrichtige Ausstellen der vorgenannten Bescheinigungen hat die Universitätsklinik veranlasst, dass es überhaupt zu einem – ungesicherten – Transport durch die Klägerin kommen konnte. Inwieweit dies auf ein schuldhaftes Verhalten der jeweiligen Mitarbeiter der Klinik zurückzuführen ist, bedarf insoweit keiner näheren Betrachtung. Es kann an dieser Stelle – zumindest aus polizei- und ordnungsrechtlicher Sicht – eine objektive Pflichtverletzung in Bezug auf §§ 6, 8 IfSG angenommen werden. Damit war die jedenfalls konkret in B. entstandene Gefahrenlage der Universitätsklinik zumindest objektiv zurechenbar, da die Kontaminierung von Gegenständen die typische Folge eines ungeschützten Transports infektiöser Leichen ist. Es ist insoweit auch von der Klägerin glaubhaft dargelegt worden, dass ansonsten ein Transport unterblieben wäre oder jedenfalls weitere Schutzmaßnahmen vorgenommen worden wären. Vor dem Hintergrund der Meldepflichten des IfSG ist die Universitätsklinik jedenfalls als mittelbare Verursacherin für die konkrete Gefahrenlage – neben der Klägerin – im polizeirechtlichen Sinne (mit-)verantwortlich.

61

Es kann hier allerdings im Ergebnis dahinstehen, ob dem Beklagten zum Zeitpunkt der Anordnung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, dass die Universitätsklinik C. (zumindest möglicherweise) als weiterer Verantwortlicher in Betracht kommt. Selbst wenn der Beklagte eine Verhaltensverantwortlichkeit der Universitätsklinik C. angenommen hätte, bestehen nach Überzeugung der Kammer keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Klägerin auch dann – zumindest auf der Primärebene – als Adressatin der Maßnahme ausgewählt worden wäre. Denn nur die Klägerin war als Eigentümerin und Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft in der Lage die betreffende Gefahr möglichst effektiv und zeitnah abzuwehren.

62

Zudem hätte auch bei näheren Ermittlungen in der Kürze der vorhandenen Zeit nicht mit Sicherheit festgestellt werden können, ob die Universitätsklinik tatsächlich gegen eine Meldepflicht verstoßen hatte. Dementsprechend wären ein etwaiger Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und ein möglicherweise daraus folgender Ermessensfehler auf Grundlage des Rechtsgedankens von § 46 VwVfG im Ergebnis unbeachtlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1990 – 1 WB 36/88 –, NVwZ-RR 1990, 489 [490]; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 46, Rn. 19, 76). Im Übrigen sprechen auch wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin eine Mitwirkungspflicht dahingehend getroffen hat, die betreffenden Unterlagen rechtzeitig vorzulegen.

63

2. Der Bescheid vom 29. März 2016 ist rechtmäßig. Mit Bescheid vom 29. März 2016 setzte die Behörde das anzuwendende Zwangsmittel, die Ersatzvornahme, und deren Zeitpunkt fest. Bei der Festsetzung, die auch außerhalb von § 64 Abs. 2 LVwVG möglich ist, handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt mit im Vergleich zur Androhung eigenständigem Regelungsgehalt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 22. Januar 1986 – 8 B 44/85 –, NVwZ 1986, 762; Urteil vom 18. März 1993 – 1 A 10570/92 –, NVwZ 1994, 715 [715 f.]). Voraussetzung für dessen Rechtmäßigkeit ist, dass die festgesetzte Zwangsmittelanwendung rechtmäßig ist. Das ist hier der Fall.

64

Die zuständige Behörde kann gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 IfSG selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach § 17 Abs. 3 Satz 1 IfSG nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden. Damit regelt das IfSG die Ersatzvornahme teilweise selbst. Allerdings ist ergänzend auf die §§ 61 ff. LVwVG zurückzugreifen, sofern das IfSG keine abschließende Regelung trifft.

65

Die Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme war rechtmäßig. Der Grundverwaltungsakt, hier die Anordnung der Desinfektion vom 16. März 2016 war wirksam und rechtmäßig (s.o. unter Ziff. II. 1.). Dieser war auch vollstreckbar im Sinne von § 2 Nr. 2 LVwVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 6 IfSG i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG. Der besonderen Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Beklagten bedurfte es dafür nicht. Die Ersatzvornahme wurde bereits im Bescheid vom 16. März 2016 gemäß § 66 LVwVG angedroht und mit Bescheid vom 29. März 2016 deren konkrete Durchführung festgesetzt. Im Hinblick auf die erhebliche Gefährdungslage durch die – unstreitige – Kontaminierung des Containers mit einem meldepflichtigen Krankheitserreger war die Durchführung der Ersatzvornahme auch verhältnismäßig. Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Durchführung im konkreten Einzelfall bestehen nach Überzeugung der Kammer nicht.

66

3. Der Kostenbescheid vom 21. April 2016 ist rechtswidrig. Gemäß der allgemeinen Vorschrift des § 63 Abs. 2 Satz 1 LVwVG kann die Vollstreckungsbehörde grundsätzlich die durch die Ersatzvornahme entstandenen Kosten per Verwaltungsakt geltend machen, sofern keine besonderen Regelungen entgegenstehen. Voraussetzung ist in der Regel, dass die Vollstreckung rechtmäßig war, der Adressat der richtige Kostenschuldner ist und die Kosten der Höhe nach erstattungsfähig sind.

67

Die Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme war rechtmäßig (s.o. unter Ziffer 2.). Sie wurde rechtzeitig angedroht und ordnungsgemäß durchgeführt. Insbesondere an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bestehen in Anbetracht der erheblichen Gefährdungssituation nach Überzeugung der Kammer keine erheblichen Zweifel.

68

Die Klägerin war als Vollstreckungsschuldnerin – nach allgemeinen verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Maßstäben – grundsätzlich eine mögliche Kostenschuldnerin. Die Inanspruchnahme der Klägerin war demnach auf der sog. Primärebene, das heißt auf der Ebene der Gefahrenabwehr, auch zunächst nicht zu beanstanden (s.o. Ziff. II. 1.). Dort ist aufgrund des behördlichen Handlungsdrucks und der vor allem in diesem Fall bestehenden Eilbedürftigkeit maßgeblich, dass die Gefahr aus einer ex-ante Betrachtung heraus möglichst schnell und effektiv beseitigt wird. Anders ist die Sache gelagert, wenn es um die Frage der gerechten Kostentragung geht, die sog. Sekundärebene (vgl. VGH BW, Urteil vom 24.  Januar 2012 − 10 S 1476/11 –, NVwZ-RR 2012, 387 [388 f.]). Dabei besteht keine Eilbedürftigkeit mehr, sondern es kann eine ex-post Betrachtung angestellt werden (vgl. VGH BW, Urteil vom 24.  Januar 2012 − 10 S 1476/11 –, NVwZ-RR 2012, 387 [388 f.]). Es geht letztlich um das Gebot der gerechten Lastenverteilung. Die dabei angewendeten Kriterien zur Störerauswahl müssen daher auch nicht mit denen auf der Primärebene identisch sein (vgl. VGH BW, Urteil vom 24.  Januar 2012 − 10 S 1476/11 –, NVwZ-RR 2012, 387 [388 f.]).

69

Unabhängig hiervon steht der Heranziehung der Klägerin zur Kostentragung bereits § 69 Abs. 1 Nr. 5 IfSG als spezielle Regelung der Kostentragung bei behördlicher Ersatzvornahme auf Grundlage des IfSG entgegen. Dieser sieht vor, dass Kosten aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten sind, soweit nicht die von der Maßnahme betroffene Person oder Dritte zur Kostentragung verpflichtet sind. Das gilt unter anderem für Maßnahmen nach § 17 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3, soweit sie von der zuständigen Behörde angeordnet worden sind und die Notwendigkeit der Maßnahmen nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde.

70

Basierend auf § 69 Abs. 2 IfSG ist in § 8 Abs. 2 Nr. 1 der Landesverordnung zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes vom 10. März 2010 (GVBl. 2010, 55) geregelt, dass der jeweilige Landkreis die öffentlichen Mittel für die Durchführung einer solchen Maßnahme aufzubringen hat. Da in § 69 Abs. 1 Nr. 5 IfSG explizit ein Verweis auf die in § 17 Abs. 3 IfSG spezialgesetzlich normierte Ersatzvornahme erfolgt, kann in § 63 Abs. 2 LVwVG keine allgemeine davon abweichende gesetzliche Vorschrift gesehen werden. Ansonsten wäre die in § 69 Abs. 1 Nr. 5 IfSG getroffene Kostenregelung hinsichtlich des dort enthaltenen Vorsatzerfordernisses obsolet.

71

Dabei bezieht sich der Vorsatz auf die Herbeiführung der Gefahrensituation, also die Kontaminierung des Gegenstandes. Gerade in diesen Fällen ist es gerechtfertigt, von der aufgestellten Grundregel des § 69 IfSG abzuweichen. Derjenige, der vorsätzlich die Kontaminierung von Gegenständen mit Krankheitserregern herbeiführt, also eine solche zumindest billigend in Kauf nimmt, ist nicht schutzwürdig. Insoweit kann jedenfalls vorsätzliches Handeln der Klägerin und ihrer Mitarbeiter nach Überzeugung der Kammer ausgeschlossen werden.

72

Der in der Literatur anzutreffende Einwand, dass durch eine derartige Norminterpretation derjenige schlechter gestellt würde, der Abwehrmaßnahmen zeitnah und freiwillig – zunächst auf eigene Kosten – einleitet (vgl. Erdle, IfSG, 4. Auflage 2013, § 69, Ziff. 3), verfängt nicht. Insoweit ist auch für § 69 Abs. 1 Nr. 5 IfSG anzuerkennen, dass für Desinfektionsmaßnahmen – zumindest nach behördlicher Anordnung – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, ein Erstattungsanspruch als subjektiv-rechtliche Ausformung des § 69 IfSG besteht (vgl. zu § 69 Abs. 1 Nr. 7 IfSG: VG Trier, Urteil vom 7. April 2014 – 6 K 1342/13 –, BeckRS 2014, 54760). Insoweit wäre im Ergebnis derjenige, der zwar die Gefahrensituation nicht vorsätzlich verursacht hat, aber sich im Nachgang in Kenntnis der Gefahr weigert, den behördlichen Anordnungen Folge zu leisten, nicht zwingend besser gestellt als der freiwillig der behördlichen Anordnung Folgende. Auch wenn der Bezugspunkt des Vorsatzes in der Nichterfüllung der behördlichen Anordnung zu sehen wäre, also in der Notwendigkeit einer Ersatzvornahme, sprechen hier wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass diese Nichterfüllung der behördlichen Anordnung der Klägerin jedenfalls nicht vorwerfbar wäre.

73

Selbst wenn § 69 Abs. 1 Nr. 5 IfSG einer Heranziehung der Klägerin nicht prinzipiell entgegenstünde, läge zumindest ein beachtlicher Ermessensfehler bei der Auswahl des richtigen Kostenschuldners vor. Spätestens zum Zeitpunkt des Erlasses des Kostenbescheids hätte der Beklagte nämlich ermitteln müssen, wer ggf. neben der Klägerin (mit-)verantwortlich war, oder es hätte zumindest die Möglichkeit der Existenz weiterer Verantwortlicher in die Ermessenserwägungen mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls im Widerspruchsverfahren lagen dem Beklagten die betreffenden Bescheinigungen vor, die auf eine zumindest objektiv pflichtwidrige (Mit-) Verursachung durch die Universitätsklinik C. hindeuteten. Dennoch beschränkte sich der Widerspruchsbescheid dahingehend auf die Feststellung, dass die Kosten der Ersatzvornahme der Klägerin als Vollstreckungsschuldnerin aufzuerlegen seien. Im Kostenbescheid selbst ist keine Begründung enthalten. Auch im gerichtlichen Verfahren lässt der Beklagte keine Ermessensausübung zu einer Störerauswahl hinsichtlich der Kostentragung erkennen. Es wird unter anderem im Schriftsatz vom 24. Februar 2017 ausgeführt, dass bei der „Beseitigung der bestehenden Seuchengefahr“ keine Abwägung möglich gewesen sei. Die „zweifellos rechtmäßig getroffene Anordnung“ habe sich nur gegen die Klägerin als Eigentümerin und alleinige Verfügungsberechtigte richten können. Der Kostenbescheid vom 21. April 2016 selbst enthält dazu keine Ausführungen.

74

Wie oben bereits ausgeführt, hat die Universitätsklinik C. mit der objektiv falschen oder zumindest unzureichenden Ausstellung der Todesbescheinigung vom 26. Februar 2016 und der Bescheinigung eines fehlenden Infektionsrisikos eine Gefahrenlage (mit-)verursacht, zu deren Verhinderung sie durch ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Meldepflichten nach §§ 6, 8 IfSG beitragen soll. Der Beklagte hat sich bei allen Bescheiden ohne Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärebene von vornherein auf die Klägerin als verantwortliche Adressatin festgelegt. Während diese Vorgehensweise im Bereich der Gefahrenabwehr noch unbeachtlich war, führt sie im Rahmen der Ermessensentscheidung hinsichtlich der Kostentragung zu einem beachtlichen Ermessensfehler. An dieser Stelle greift nicht mehr die Argumentation des Beklagten, dass eine besondere Eilsituation vorgelegen habe, die eine weitere Abwägung und Nachforschung obsolet machte. Gerade auf der Ebene der Kostentragung bestand für den Beklagten hinreichende Zeit für weitere Ermittlungen und Abwägung von Verursachungsbeiträgen, zu denen er sich spätestens nach dem Vortrag der Klägerin im Widerspruchsverfahren veranlasst gesehen haben müsste. Zumindest die im Widerspruchsverfahren aufgeworfenen Aspekte hätte der Beklagte zum Anlass nehmen müssen, die Fokussierung auf die Klägerin als Kostenschuldnerin einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Der Beklagte hat es jedenfalls versäumt, auf der Ebene der Kostentragung (sog. Sekundärebene) die Ermessensausübung vorrangig am Gebot der gerechten Lastenverteilung auszurichten und eine dahingehend gebotene Sachverhaltsaufklärung zu betreiben.

75

Der Kostenbescheid vom 21. April 2016 war daher aufzuheben.

76

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Unterliegens ist ein Vergleich zwischen Obsiegen und Gesamtstreitgegenstand anzustellen (Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Auflage 2014, § 155, Rn. 1). Die Kostenquote errechnet sich dann nach dem Verhältnis der Verlustquote zum Gebührenstreitwert, hier insgesamt 10.763,77 € (Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 32. EL Oktober 2016, § 155, Rn. 6). Die Klägerin unterliegt hinsichtlich der Anfechtung der Bescheide vom 16. und 29. März 2016 sowie vom 9. November 2016. Alleine im Hinblick auf die Anfechtung des Kostenbescheids vom 21. April 2016 obsiegt die Klägerin. Wirtschaftlich gesehen unterliegt die Klägerin damit allerdings insgesamt etwa zur Hälfte, da der Festsetzungsbescheid vom 29. März 2016 und der Kostenbescheid vom 21. April 2016 kostenrechtlich einen einheitlichen Streitgegenstand im Wert von 5.311,67 € bilden. In Bezug auf Letzteren kann die Klägerin ihr wirtschaftliches Interesse voll durchsetzen, da sie nicht zur Kostentragung hinsichtlich der Ersatzvornahme in der vorgenannten Höhe verpflichtet ist.

77

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Der Bürger ist grundsätzlich berechtigt, zur Wahrung seiner Rechte auch im Vorverfahren einen rechtskundigen Bevollmächtigten zu beauftragen (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1963 – VII C 14/63 –, NJW 1964, 686; OVG RP, Beschluss vom 26. August 1987 – 1 E 14/87 –, NVwZ 1988, 842). Die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten im Vorverfahren ist dabei nicht nur bei schwierigen und umfangreichen Verfahren, sondern immer dann zu bejahen, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten aus der Sicht einer verständigen Partei nicht überflüssig und willkürlich, sondern zweckdienlich erscheint (OVG RP, a.a.O.). Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren ist daher anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Vorverfahren selbst zu führen (OVG RP, Beschluss vom 6. März 2015 – 7 E 10186/15 –, NVwZ-RR 2015, 557, Rn. 7; Schenke, in: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Auflage 2016, Rn. 18 m.w.N.).

78

Es war der Klägerin auf dieser Grundlage hier nicht zumutbar, das Vorverfahren ohne anwaltliche Vertretung durchzuführen. Vor allem vor dem Hintergrund der komplexen Rechtsfragen hinsichtlich der Ermessensausübung und des Infektionsschutzgesetzes insgesamt als Spezialmaterie des Polizei- und Ordnungsrechts durfte die Klägerin als juristische Person des Privatrechts die Beauftragung eines Rechtsanwalts bereits im Vorverfahren für erforderlich halten.

79

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

80

Der Streitwert wird auf 10.763,77 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2, 3 GKG).

81

Die Anordnung der Dekontamination vom 16. März 2016 stellt einen selbstständigen Streitgegenstand dar, für den gemäß § 52 Abs. 2 GKG der Auffangstreitwert von 5.000 € festzusetzen ist. Die Festsetzung des Zwangsmittels vom 29. März 2016 und der Kostenbescheid vom 21. April 2016 bilden einen einheitlichen Streitgegenstand, da die Festsetzung ohnehin inzident im Rahmen der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheids zu prüfen gewesen wäre. Dafür ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG ein einheitlicher Wert von 5.311,67 € anzusetzen. Der von der Klägerin zusätzlich angefochtene Bescheid vom 9. November 2016, mit dem die Kosten des Widerspruchsverfahrens der Höhe nach festgesetzt worden sind, stellt einen eigenständigen Streitgegenstand dar, dessen Wert gemäß § 52 Abs. 3 GKG mit 452,10 € zu bemessen ist. Diese drei eigenständigen Streitgegenstände mit jeweils eigenem materiellen Gehalt sind zu addieren, sodass sich ein Gesamtstreitwert von 10.763,77 € ergibt.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 188 Fristende


(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Fa

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 57


(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung. (2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 22

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 46 Folgen von Verfahrens- und Formfehlern


Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn of

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(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Ver

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 44


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(1) Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder de

Infektionsschutzgesetz - IfSG | § 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern


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(1) Zur Meldung sind verpflichtet:1.im Falle des § 6 der feststellende Arzt sowie bei der Anwendung patientennaher Schnelltests bei Dritten die feststellende Person, wenn sie nach § 24 Satz 2 oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 3 Numm

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 27. Januar 2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe I. 1 Die Beklagte untersagte dem Kläger

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Mai 2013 - 6 C 10/11

bei uns veröffentlicht am 29.05.2013

Tatbestand 1 Die Klägerin, die Deutsche Post AG, erbringt lizenzpflichtige Postdienstleistungen. Sie unterhielt in der hier maßgeblichen Zeit der Jahre 2002 bis 2004 Pos

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2012 - 10 S 1476/11

bei uns veröffentlicht am 24.01.2012

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 D

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 13. Juli 2010 - 8 A 10623/10

bei uns veröffentlicht am 13.07.2010

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. März 2010 wird abgelehnt. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Wert des Str

Referenzen

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den nach § 16 sowie nach Absatz 1 maßgebenden Voraussetzungen durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(5) Die Landesregierungen können zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Rechtsverordnungen können insbesondere Bestimmungen treffen über

1.
die Verpflichtung der Eigentümer von Gegenständen, der Nutzungsberechtigten oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an Gegenständen sowie der zur Unterhaltung von Gegenständen Verpflichteten,
a)
den Befall mit Gesundheitsschädlingen festzustellen oder feststellen zu lassen und der zuständigen Behörde anzuzeigen,
b)
Gesundheitsschädlinge zu bekämpfen oder bekämpfen zu lassen,
2.
die Befugnis und die Verpflichtung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände, Gesundheitsschädlinge, auch am Menschen, festzustellen, zu bekämpfen und das Ergebnis der Bekämpfung festzustellen,
3.
die Feststellung und Bekämpfung, insbesondere über
a)
die Art und den Umfang der Bekämpfung,
b)
den Einsatz von Fachkräften,
c)
die zulässigen Bekämpfungsmittel und -verfahren,
d)
die Minimierung von Rückständen und die Beseitigung von Bekämpfungsmitteln und
e)
die Verpflichtung, Abschluss und Ergebnis der Bekämpfung der zuständigen Behörde mitzuteilen und das Ergebnis durch Fachkräfte feststellen zu lassen,
4.
die Mitwirkungs- und Duldungspflichten, insbesondere im Sinne des § 16 Abs. 2, die den in Nummer 1 genannten Personen obliegen.

(6) § 16 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.

(1) Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren. Im Rahmen dieser Maßnahmen können von der zuständigen Behörde personenbezogene Daten erhoben werden; diese dürfen nur von der zuständigen Behörde für Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet werden.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 sind die Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes zur Durchführung von Ermittlungen und zur Überwachung der angeordneten Maßnahmen berechtigt, Grundstücke, Räume, Anlagen und Einrichtungen sowie Verkehrsmittel aller Art zu betreten und Bücher oder sonstige Unterlagen einzusehen und hieraus Abschriften, Ablichtungen oder Auszüge anzufertigen sowie sonstige Gegenstände zu untersuchen oder Proben zur Untersuchung zu fordern oder zu entnehmen. Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist verpflichtet, den Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes Grundstücke, Räume, Anlagen, Einrichtungen und Verkehrsmittel sowie sonstige Gegenstände zugänglich zu machen. Personen, die über die in Absatz 1 genannten Tatsachen Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte insbesondere über den Betrieb und den Betriebsablauf einschließlich dessen Kontrolle zu erteilen und Unterlagen einschließlich dem tatsächlichen Stand entsprechende technische Pläne vorzulegen. Der Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde; Entsprechendes gilt für die Vorlage von Unterlagen.

(3) Soweit es die Aufklärung der epidemischen Lage erfordert, kann die zuständige Behörde Anordnungen über die Übergabe von in Absatz 2 genannten Untersuchungsmaterialien zum Zwecke der Untersuchung und Verwahrung an Institute des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder andere vom Land zu bestimmende Einrichtungen treffen.

(4) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) wird im Rahmen der Absätze 2 und 3 eingeschränkt.

(5) Wenn die von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 betroffenen Personen geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, hat derjenige für die Erfüllung der genannten Verpflichtung zu sorgen, dem die Sorge für die Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft den Betreuer einer von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtung zu seinem Aufgabenkreis gehört.

(6) Die Maßnahmen nach Absatz 1 werden auf Vorschlag des Gesundheitsamtes von der zuständigen Behörde angeordnet. Kann die zuständige Behörde einen Vorschlag des Gesundheitsamtes nicht rechtzeitig einholen, so hat sie das Gesundheitsamt über die getroffene Maßnahme unverzüglich zu unterrichten.

(7) Bei Gefahr im Verzuge kann das Gesundheitsamt die erforderlichen Maßnahmen selbst anordnen. Es hat die zuständige Behörde unverzüglich hiervon zu unterrichten. Diese kann die Anordnung ändern oder aufheben. Wird die Anordnung nicht innerhalb von zwei Arbeitstagen nach der Unterrichtung aufgehoben, so gilt sie als von der zuständigen Behörde getroffen.

(8) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Namentlich ist zu melden:

1.
der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod in Bezug auf die folgenden Krankheiten:
a)
Botulismus,
b)
Cholera,
c)
Diphtherie,
d)
humane spongiforme Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen,
e)
akute Virushepatitis,
f)
enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS),
g)
virusbedingtes hämorrhagisches Fieber,
h)
Keuchhusten,
i)
Masern,
j)
Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis,
k)
Milzbrand,
l)
Mumps,
m)
Pest,
n)
Poliomyelitis,
o)
Röteln einschließlich Rötelnembryopathie,
p)
Tollwut,
q)
Typhus abdominalis oder Paratyphus,
r)
Windpocken,
s)
zoonotische Influenza,
t)
Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19),
u)
durch Orthopockenviren verursachte Krankheiten,
1a.
die Erkrankung und der Tod in Bezug auf folgende Krankheiten:
a)
behandlungsbedürftige Tuberkulose, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt,
b)
Clostridioides-difficile-Infektion mit klinisch schwerem Verlauf; ein klinisch schwerer Verlauf liegt vor, wenn
aa)
der Erkrankte zur Behandlung einer ambulant erworbenen Clostridioides-difficile-Infektion in eine medizinische Einrichtung aufgenommen wird,
bb)
der Erkrankte zur Behandlung der Clostridioides-difficile-Infektion oder ihrer Komplikationen auf eine Intensivstation verlegt wird,
cc)
ein chirurgischer Eingriff, zum Beispiel Kolektomie, auf Grund eines Megakolons, einer Perforation oder einer refraktären Kolitis erfolgt oder
dd)
der Erkrankte innerhalb von 30 Tagen nach der Feststellung der Clostridioides-difficile-Infektion verstirbt und die Infektion als direkte Todesursache oder als zum Tode beitragende Erkrankung gewertet wurde,
2.
der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn
a)
eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt,
b)
zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
3.
der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung,
4.
die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers,
5.
der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod, in Bezug auf eine bedrohliche übertragbare Krankheit, die nicht bereits nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig ist.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, 3 bis 8, § 9 Absatz 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(2) Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe i hinaus zu melden, wenn Personen an einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis infolge einer Maserninfektion erkranken oder versterben. Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a Buchstabe a hinaus zu melden, wenn Personen, die an einer behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose erkrankt sind, eine Behandlung verweigern oder abbrechen. Die Meldung nach den Sätzen 1 und 2 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(3) Nichtnamentlich ist das Auftreten von zwei oder mehr nosokomialen Infektionen zu melden, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, 3 oder 5, § 10 Absatz 1 zu erfolgen.

(1) Namentlich ist bei folgenden Krankheitserregern, soweit nicht anders bestimmt, der direkte oder indirekte Nachweis zu melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen:

1.
Adenoviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis im Konjunktivalabstrich
2.
Bacillus anthracis
3.
Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis
3a.
humanpathogene Bornaviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis
4.
Borrelia recurrentis
5.
Brucella sp.
6.
Campylobacter sp., darmpathogen
6a.
Candida auris; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut oder anderen normalerweise sterilen Substraten
6b.
Chikungunya-Virus
7.
Chlamydia psittaci
8.
Clostridium botulinum oder Toxinnachweis
9.
Corynebacterium spp., Toxin bildend
10.
Coxiella burnetii
10a.
Dengue-Virus
11.
humanpathogene Cryptosporidium sp.
12.
Ebolavirus
13.
a)
Escherichia coli, enterohämorrhagische Stämme (EHEC)
b)
Escherichia coli, sonstige darmpathogene Stämme
14.
Francisella tularensis
15.
FSME-Virus
16.
Gelbfiebervirus
17.
Giardia lamblia
18.
Haemophilus influenzae; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut
19.
Hantaviren
20.
Hepatitis-A-Virus
21.
Hepatitis-B-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise
22.
Hepatitis-C-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise
23.
Hepatitis-D-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise
24.
Hepatitis-E-Virus
25.
Influenzaviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis
26.
Lassavirus
27.
Legionella sp.
28.
humanpathogene Leptospira sp.
29.
Listeria monocytogenes; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen
30.
Marburgvirus
31.
Masernvirus
31a.
Middle-East-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (MERS-CoV)
32.
Mumpsvirus
33.
Mycobacterium leprae
34.
Mycobacterium tuberculosis/africanum, Mycobacterium bovis; Meldepflicht für den direkten Erregernachweis sowie nachfolgend für das Ergebnis der Resistenzbestimmung; vorab auch für den Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum
35.
Neisseria meningitidis; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen Substraten
36.
Norovirus
36a.
Orthopockenviren
36b.
Plasmodium spp.
37.
Poliovirus
38.
Rabiesvirus
38a.
Respiratorische Synzytial Viren
39.
Rickettsia prowazekii
40.
Rotavirus
41.
Rubellavirus
42.
Salmonella Paratyphi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise
43.
Salmonella Typhi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise
44.
Salmonella, sonstige
44a.
Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2
(SARS-CoV-2)
45.
Shigella sp.
45a.
Streptococcus pneumoniae; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, Gelenkpunktat oder anderen normalerweise sterilen Substraten
46.
Trichinella spiralis
47.
Varizella-Zoster-Virus
48.
Vibrio spp., humanpathogen; soweit ausschließlich eine Ohrinfektion vorliegt, nur bei Vibrio cholerae
48a.
West-Nil-Virus
49.
Yersinia pestis
50.
Yersinia spp., darmpathogen
50a.
Zika-Virus und sonstige Arboviren
51.
andere Erreger hämorrhagischer Fieber
52.
der direkte Nachweis folgender Krankheitserreger:
a)
Staphylococcus aureus, Methicillin-resistente Stämme; Meldepflicht nur für den Nachweis aus Blut oder Liquor
b)
Enterobacterales bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinante oder mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Carbapenemen außer bei natürlicher Resistenz; Meldepflicht nur bei Infektion oder Kolonisation
c)
Acinetobacter spp. bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinante oder mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Carbapenemen außer bei natürlicher Resistenz; Meldepflicht nur bei Infektion oder Kolonisation.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 2, 3, 4 oder Absatz 4, § 9 Absatz 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(2) Namentlich sind in Bezug auf Infektionen und Kolonisationen Nachweise von in dieser Vorschrift nicht genannten Krankheitserregern zu melden, wenn unter Berücksichtigung der Art der Krankheitserreger und der Häufigkeit ihres Nachweises Hinweise auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit bestehen. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 2, 3 oder Absatz 4, § 9 Absatz 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(3) Nichtnamentlich ist bei folgenden Krankheitserregern der direkte oder indirekte Nachweis zu melden:

1.
Treponema pallidum
2.
HIV
3.
Echinococcus sp.
4.
Toxoplasma gondii; Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen
5.
Neisseria gonorrhoeae,
6.
Chlamydia trachomatis, sofern es sich um einen der Serotypen L1 bis L3 handelt.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 2, 3 oder Absatz 4, § 10 Absatz 2 zu erfolgen.

(4) Bei Untersuchungen zum direkten Nachweis des Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) mittels Nukleinsäureamplifikationstechnik ist das Untersuchungsergebnis nichtnamentlich zu melden. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 2, 3 oder Absatz 4, § 10 Absatz 3 zu erfolgen.

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den nach § 16 sowie nach Absatz 1 maßgebenden Voraussetzungen durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(5) Die Landesregierungen können zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Rechtsverordnungen können insbesondere Bestimmungen treffen über

1.
die Verpflichtung der Eigentümer von Gegenständen, der Nutzungsberechtigten oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an Gegenständen sowie der zur Unterhaltung von Gegenständen Verpflichteten,
a)
den Befall mit Gesundheitsschädlingen festzustellen oder feststellen zu lassen und der zuständigen Behörde anzuzeigen,
b)
Gesundheitsschädlinge zu bekämpfen oder bekämpfen zu lassen,
2.
die Befugnis und die Verpflichtung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände, Gesundheitsschädlinge, auch am Menschen, festzustellen, zu bekämpfen und das Ergebnis der Bekämpfung festzustellen,
3.
die Feststellung und Bekämpfung, insbesondere über
a)
die Art und den Umfang der Bekämpfung,
b)
den Einsatz von Fachkräften,
c)
die zulässigen Bekämpfungsmittel und -verfahren,
d)
die Minimierung von Rückständen und die Beseitigung von Bekämpfungsmitteln und
e)
die Verpflichtung, Abschluss und Ergebnis der Bekämpfung der zuständigen Behörde mitzuteilen und das Ergebnis durch Fachkräfte feststellen zu lassen,
4.
die Mitwirkungs- und Duldungspflichten, insbesondere im Sinne des § 16 Abs. 2, die den in Nummer 1 genannten Personen obliegen.

(6) § 16 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.

(1) Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren. Im Rahmen dieser Maßnahmen können von der zuständigen Behörde personenbezogene Daten erhoben werden; diese dürfen nur von der zuständigen Behörde für Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet werden.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 sind die Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes zur Durchführung von Ermittlungen und zur Überwachung der angeordneten Maßnahmen berechtigt, Grundstücke, Räume, Anlagen und Einrichtungen sowie Verkehrsmittel aller Art zu betreten und Bücher oder sonstige Unterlagen einzusehen und hieraus Abschriften, Ablichtungen oder Auszüge anzufertigen sowie sonstige Gegenstände zu untersuchen oder Proben zur Untersuchung zu fordern oder zu entnehmen. Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist verpflichtet, den Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes Grundstücke, Räume, Anlagen, Einrichtungen und Verkehrsmittel sowie sonstige Gegenstände zugänglich zu machen. Personen, die über die in Absatz 1 genannten Tatsachen Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte insbesondere über den Betrieb und den Betriebsablauf einschließlich dessen Kontrolle zu erteilen und Unterlagen einschließlich dem tatsächlichen Stand entsprechende technische Pläne vorzulegen. Der Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde; Entsprechendes gilt für die Vorlage von Unterlagen.

(3) Soweit es die Aufklärung der epidemischen Lage erfordert, kann die zuständige Behörde Anordnungen über die Übergabe von in Absatz 2 genannten Untersuchungsmaterialien zum Zwecke der Untersuchung und Verwahrung an Institute des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder andere vom Land zu bestimmende Einrichtungen treffen.

(4) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) wird im Rahmen der Absätze 2 und 3 eingeschränkt.

(5) Wenn die von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 betroffenen Personen geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, hat derjenige für die Erfüllung der genannten Verpflichtung zu sorgen, dem die Sorge für die Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft den Betreuer einer von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtung zu seinem Aufgabenkreis gehört.

(6) Die Maßnahmen nach Absatz 1 werden auf Vorschlag des Gesundheitsamtes von der zuständigen Behörde angeordnet. Kann die zuständige Behörde einen Vorschlag des Gesundheitsamtes nicht rechtzeitig einholen, so hat sie das Gesundheitsamt über die getroffene Maßnahme unverzüglich zu unterrichten.

(7) Bei Gefahr im Verzuge kann das Gesundheitsamt die erforderlichen Maßnahmen selbst anordnen. Es hat die zuständige Behörde unverzüglich hiervon zu unterrichten. Diese kann die Anordnung ändern oder aufheben. Wird die Anordnung nicht innerhalb von zwei Arbeitstagen nach der Unterrichtung aufgehoben, so gilt sie als von der zuständigen Behörde getroffen.

(8) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den nach § 16 sowie nach Absatz 1 maßgebenden Voraussetzungen durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(5) Die Landesregierungen können zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Rechtsverordnungen können insbesondere Bestimmungen treffen über

1.
die Verpflichtung der Eigentümer von Gegenständen, der Nutzungsberechtigten oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an Gegenständen sowie der zur Unterhaltung von Gegenständen Verpflichteten,
a)
den Befall mit Gesundheitsschädlingen festzustellen oder feststellen zu lassen und der zuständigen Behörde anzuzeigen,
b)
Gesundheitsschädlinge zu bekämpfen oder bekämpfen zu lassen,
2.
die Befugnis und die Verpflichtung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände, Gesundheitsschädlinge, auch am Menschen, festzustellen, zu bekämpfen und das Ergebnis der Bekämpfung festzustellen,
3.
die Feststellung und Bekämpfung, insbesondere über
a)
die Art und den Umfang der Bekämpfung,
b)
den Einsatz von Fachkräften,
c)
die zulässigen Bekämpfungsmittel und -verfahren,
d)
die Minimierung von Rückständen und die Beseitigung von Bekämpfungsmitteln und
e)
die Verpflichtung, Abschluss und Ergebnis der Bekämpfung der zuständigen Behörde mitzuteilen und das Ergebnis durch Fachkräfte feststellen zu lassen,
4.
die Mitwirkungs- und Duldungspflichten, insbesondere im Sinne des § 16 Abs. 2, die den in Nummer 1 genannten Personen obliegen.

(6) § 16 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozeßordnung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den nach § 16 sowie nach Absatz 1 maßgebenden Voraussetzungen durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(5) Die Landesregierungen können zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Rechtsverordnungen können insbesondere Bestimmungen treffen über

1.
die Verpflichtung der Eigentümer von Gegenständen, der Nutzungsberechtigten oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an Gegenständen sowie der zur Unterhaltung von Gegenständen Verpflichteten,
a)
den Befall mit Gesundheitsschädlingen festzustellen oder feststellen zu lassen und der zuständigen Behörde anzuzeigen,
b)
Gesundheitsschädlinge zu bekämpfen oder bekämpfen zu lassen,
2.
die Befugnis und die Verpflichtung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände, Gesundheitsschädlinge, auch am Menschen, festzustellen, zu bekämpfen und das Ergebnis der Bekämpfung festzustellen,
3.
die Feststellung und Bekämpfung, insbesondere über
a)
die Art und den Umfang der Bekämpfung,
b)
den Einsatz von Fachkräften,
c)
die zulässigen Bekämpfungsmittel und -verfahren,
d)
die Minimierung von Rückständen und die Beseitigung von Bekämpfungsmitteln und
e)
die Verpflichtung, Abschluss und Ergebnis der Bekämpfung der zuständigen Behörde mitzuteilen und das Ergebnis durch Fachkräfte feststellen zu lassen,
4.
die Mitwirkungs- und Duldungspflichten, insbesondere im Sinne des § 16 Abs. 2, die den in Nummer 1 genannten Personen obliegen.

(6) § 16 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Krankheitserregerein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann,
2.
Infektiondie Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus,
3.
übertragbare Krankheiteine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit,
3a.
bedrohliche übertragbare Krankheiteine übertragbare Krankheit, die auf Grund klinisch schwerer Verlaufsformen oder ihrer Ausbreitungsweise eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit verursachen kann,
4.
Krankereine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist,
5.
Krankheitsverdächtigereine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen,
6.
Ausscheidereine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein,
7.
Ansteckungsverdächtigereine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein,
8.
nosokomiale Infektioneine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits vorher bestand,
9.
Schutzimpfungdie Gabe eines Impfstoffes mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen,
10.
andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxedie Gabe von Antikörpern (passive Immunprophylaxe) oder die Gabe von Medikamenten (Chemoprophylaxe) zum Schutz vor Weiterverbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten,
11.
Impfschadendie gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde,
12.
Gesundheitsschädlingein Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können,
13.
Sentinel-Erhebungeine epidemiologische Methode zur stichprobenartigen Erfassung der Verbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten und der Immunität gegen bestimmte übertragbare Krankheiten in ausgewählten Bevölkerungsgruppen,
14.
Gesundheitsamtdie nach Landesrecht für die Durchführung dieses Gesetzes bestimmte und mit einem Amtsarzt besetzte Behörde,
15.
Einrichtung oder Unternehmeneine juristische Person, eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person, in deren unmittelbarem Verantwortungsbereich natürliche Personen behandelt, betreut, gepflegt oder untergebracht werden,
15a.
Leitung der Einrichtung
a)
die natürliche Person oder die natürlichen Personen, die im Verantwortungsbereich einer Einrichtung durch diese mit den Aufgaben nach diesem Gesetz betraut ist oder sind,
b)
sofern eine Aufgabenübertragung nach Buchstabe a nicht erfolgt ist, die natürliche Person oder die natürlichen Personen, die für die Geschäftsführung zuständig ist oder sind, oder
c)
sofern die Einrichtung von einer einzelnen natürlichen Person betrieben wird, diese selbst,
15b.
Leitung des Unternehmens
a)
die natürliche Person oder die natürlichen Personen, die im Verantwortungsbereich eines Unternehmens durch dieses mit den Aufgaben nach diesem Gesetz betraut ist oder sind,
b)
sofern eine Aufgabenübertragung nach Buchstabe a nicht erfolgt ist, die natürliche Person oder die natürlichen Personen, die für die Geschäftsführung zuständig ist oder sind, oder
c)
sofern das Unternehmen von einer einzelnen natürlichen Person betrieben wird, diese selbst,
16.
personenbezogene AngabeName und Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und, falls abweichend, Anschrift des derzeitigen Aufenthaltsortes der betroffenen Person sowie, soweit vorliegend, Telefonnummer und E-Mail-Adresse,
17.
Risikogebietein Gebiet außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, für das vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit einer bestimmten bedrohlichen übertragbaren Krankheit festgestellt wurde; die Einstufung als Risikogebiet erfolgt erst mit Ablauf des ersten Tages nach Veröffentlichung der Feststellung durch das Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse https://www.rki.de/risikogebiete.

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den nach § 16 sowie nach Absatz 1 maßgebenden Voraussetzungen durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(5) Die Landesregierungen können zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Rechtsverordnungen können insbesondere Bestimmungen treffen über

1.
die Verpflichtung der Eigentümer von Gegenständen, der Nutzungsberechtigten oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an Gegenständen sowie der zur Unterhaltung von Gegenständen Verpflichteten,
a)
den Befall mit Gesundheitsschädlingen festzustellen oder feststellen zu lassen und der zuständigen Behörde anzuzeigen,
b)
Gesundheitsschädlinge zu bekämpfen oder bekämpfen zu lassen,
2.
die Befugnis und die Verpflichtung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände, Gesundheitsschädlinge, auch am Menschen, festzustellen, zu bekämpfen und das Ergebnis der Bekämpfung festzustellen,
3.
die Feststellung und Bekämpfung, insbesondere über
a)
die Art und den Umfang der Bekämpfung,
b)
den Einsatz von Fachkräften,
c)
die zulässigen Bekämpfungsmittel und -verfahren,
d)
die Minimierung von Rückständen und die Beseitigung von Bekämpfungsmitteln und
e)
die Verpflichtung, Abschluss und Ergebnis der Bekämpfung der zuständigen Behörde mitzuteilen und das Ergebnis durch Fachkräfte feststellen zu lassen,
4.
die Mitwirkungs- und Duldungspflichten, insbesondere im Sinne des § 16 Abs. 2, die den in Nummer 1 genannten Personen obliegen.

(6) § 16 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. März 2010 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig. Insbesondere ist die Begründung des Zulassungsantrags innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgelegt worden. Im Anschluss an die Zustellung des Urteils am 6. April 2010 ist der Begründungsschriftsatz am 7. Juni 2010, einem Montag, rechtzeitig per Telefax bei Gericht eingegangen (vgl. § 57 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO und § 188 Abs. 2 BGB).

2

Der Zulassungsantrag ist indes nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor.

3

Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 30. Oktober 2008 gerichtete Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass die Ausübung der Prostitution im 1. Obergeschoss des dem Kläger gehörenden Anwesens S.straße ... in L. formell und materiell baurechtswidrig sei, weshalb diese Nutzung habe untersagt werden dürfen. Eine ungenehmigte Nutzung der Wohnung zu Zwecken der gewerblichen Prostitution unter dem Namen „C.“ habe in der Vergangenheit stattgefunden. Dies sei insbesondere durch die in der Behördenakte befindlichen Ausdrucke über Internetwerbungen für diesen Club hinreichend belegt. Diese Nutzung sei auch nicht genehmigungsfähig, weil das Anwesen in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet liege. Das Vorgehen nach § 81 LBauO sei frei von Ermessensfehlern. Obwohl bei der letzten Ortskontrolle am 24. März 2009 ein aktueller Prostitutionsbetrieb nicht habe festgestellt werden können, sei die Nutzungs- und Vermietungsuntersagungsverfügung dennoch erforderlich. Denn die Verfügung beinhalte ein in die Zukunft gerichtetes Verbot und es bestehe durchaus die Gefahr einer Wiederaufnahme der Prostitutionstätigkeit in der fraglichen Wohnung. Aus Gründen der Effektivität habe auch gegen den Eigentümer der Wohnung eingeschritten werden dürfen.

4

An der Richtigkeit dieses Urteils bestehen weder ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Denn es lässt sich bereits jetzt feststellen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts der rechtlichen Überprüfung standhält, ohne dass die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre. In diesem Fall scheidet auch die Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aus (vgl. Beschluss des Senats vom 27. März 2009 – 8 A 10070/09.OVG –; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 108).

5

1. Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 81 Satz 1 LBauO.

6

Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung einer baulichen Anlage untersagen, wenn sie gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Im vorliegenden Fall hat eine baurechtswidrige Nutzung der lediglich zu Wohnzwecken genehmigten Wohnung im 1. Obergeschoss des Anwesens des Klägers durch deren Umnutzung zu Zwecken der gewerblichen Prostitution stattgefunden. Für diese Nutzungsänderung fehlt es an der erforderlichen Baugenehmigung; darüber hinaus ist eine solche Nutzung in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet auch nicht genehmigungsfähig (vgl. Beschlüsse des Senats vom 15. Januar 2004, BRS 67 Nr. 72 und juris Rn. 4; vom 9. Februar 2007, BRS 71 Nr. 191 und juris Rn. 10). Das Verwaltungsgericht hat die Baurechtswidrigkeit der Prostitutionsnutzung im Einzelnen dargelegt; sie ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig, weshalb sich weitere Ausführungen erübrigen.

7

Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass in dem Anwesen eine Prostitutionstätigkeit stattgefunden hat. Dies wird bereits durch die in den Behördenakten ausgedruckten Internetanzeigen vom 24. April 2008 (Bl. 16 ff. der Behördenakte), vom 20. August 2008 (Bl. 39 ff. der Behördenakte) sowie vom 17. Februar 2009 (Bl. 15 f. der Widerspruchsakte) hinreichend belegt. Bei all diesen Kontaktanzeigen wird nicht nur der Name des Betriebs „C.“, sondern immer auch dessen Adresse „S.straße ... in L.“ genannt. Dass Prostitution in der Wohnung in der S.straße ... betrieben wurde, ergibt sich letztlich aber auch aus den Einlassungen des Klägers selbst. So hat er im Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 28. Juli 2008 vortragen lassen, er habe nach dem Hinweis der Bauaufsichtsbehörde den baurechtswidrigen Zustand in dem Anwesen behoben, die Wohnung stehe leer. Auf den Hinweis, dass die Internetwerbung auch im August 2008 fortgesetzt werde, ließ der Kläger erklären, dass die Wohnung jedenfalls ab Ende August tatsächlich leer stehe. Die Weiterführung der Nutzung beruhe auf einem Missverständnis. Die Frauen wären davon ausgegangen, dass sie noch bis Ende August in der Wohnung bleiben könnten (vgl. den Aktenvermerk auf Blatt 41 der Behördenakte). Auf die „Erledigung“ der Angelegenheit Ende August 2008 wird auch im Widerspruchsschreiben vom 11. November 2008 Bezug genommen.

8

2. Der Senat teilt ferner die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Nutzungsuntersagungsverfügung auch trotz der zwischenzeitlichen Einstellung der Prostitutionstätigkeit in der Wohnung S.straße ... weiterhin verhältnismäßig, insbesondere erforderlich ist.

9

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, beinhaltet die Nutzungsuntersagung in erster Linie ein Unterlassungsgebot, nämlich die Verpflichtung des Adressaten, die untersagte Nutzung nicht fortzuführen oder durch Dritte fortführen zu lassen. Richtet sich die Verfügung nicht gegen den unmittelbaren Nutzer des Anwesens, sondern gegen den Eigentümer, so enthält sie darüber hinaus noch ein Handlungsgebot zum aktiven Tätigwerden, die zur Verfügung stehenden eigentumsrechtlichen oder mietvertraglichen Möglichkeiten zu ergreifen, um die rechtswidrige Nutzung abzustellen (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 5. November 2008 – 8 B 11031/08.OVG –; vom 23. März 2009 – 8 B 10183/09.OVG –; auch: Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 A 10599/10.OVG –; Decker, in: Simon/Busse, BayBO 2008, Art. 76 Rn. 270 bis 272). Hat die Nutzungsuntersagung aber gerade zum Ziel, die verantwortlichen Personen zu verpflichten, die beanstandete Nutzung nicht nur kurzfristig aufzugeben, sondern dauerhaft zu unterlassen, so entfällt die Notwendigkeit eines Einschreitens nicht bereits bei einer bloß vorübergehenden Nutzungsunterbrechung. Fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für eine endgültige Aufgabe der baurechtswidrigen Nutzung, erweist sich die Aufrechthaltung des Unterlassungsgebots weiterhin als erforderlich. Dies gilt insbesondere dann, wenn die beanstandete Nutzung bis zum Beginn des behördlichen Tätigwerdens ausgeübt wurde und bei Würdigung aller Umstände die begründete Sorge besteht, sie werde erneut wieder aufgenommen (vgl. Beschluss des Senats vom 9. Februar 2007 – 8 B 10019/07.OVG –, LKRZ 2007, 193 und BRS 71 Nr. 191). So liegt der Fall hier.

10

Entgegen dem Vortrag des Klägers war die Prostitutionsnutzung der Wohnung in der S.straße ... nicht bis Ende August 2008 endgültig aufgegeben worden. Vielmehr wurde der „C.“ sogar noch nach Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügung im Februar 2009 im Internet beworben und zwar unter ausdrücklicher Angabe der Adresse „S.straße ...“ (vgl. den Internetausdruck vom 17. Februar 2009, Bl. 57 bis 60 der Behördenakte). Die verdeckten Anrufe von Vertretern der Bauaufsichtsbehörde sowie die Ortsbesichtigung durch die Polizei am 24. März 2009 (vgl. das Protokoll vom 30. März 2009, Bl. 17 der Widerspruchsakte) bestätigen den Eindruck, dass von einer endgültigen Aufgabe der Prostitutionsnutzung (noch) nicht gesprochen werden kann.

11

3. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet auch nicht deshalb Richtigkeitsbedenken, weil es eine fehlerhafte Betätigung des Auswahlermessens verneint und das Vorgehen gegen den Kläger als Eigentümer des Anwesens unbeanstandet gelassen hat.

12

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auf die dauerhafte Verantwortung des Eigentümers für die Baurechtmäßigkeit der ihm gehörenden baulichen Anlage hingewiesen (§ 54 LBauO). Eine baurechtliche Verantwortung trifft indes nach § 54 Abs. 2 Satz 3 LBauO auch die Inhaber der tatsächlichen Gewalt, also etwa die Mieter oder Untermieter einer Wohnung. Erweist sich eine bauliche Anlage oder deren Nutzung als baurechtswidrig, so hat sich die Störerauswahl in erster Linie daran zu orientieren, wie die Gefahr am effektivsten abzuwehren ist. Im Fall der baurechtswidrigen Nutzung einer Wohnung kommt als Adressat einer Verfügung deshalb immer auch der unmittelbare Nutzer in Betracht. Ist nach den Umständen des Falles damit zu rechnen, dass den baurechtswidrigen Zuständen mit einem Vorgehen gegen den unmittelbaren Nutzer dauerhaft begegnet werden kann, dürfte er vorrangig in Anspruch zu nehmen sein (vgl. in diesem Sinn den Beschluss des 1. Senats des erkennenden Gerichts vom 23. Juni 2006 – 1 B 10586/06.OVG –, ESOVGRP [Verstoß gegen Zweiwohnungsklausel im Bebauungsplan). Ist hingegen – etwa wegen häufig wechselnder Nutzungsverhältnisse – nicht hinreichend sicher, ob allein durch die Inanspruchnahme der Nutzungsberechtigten dauerhaft baurechtmäßige Zustände hergestellt werden können, so bleibt nur die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers, da nur er es in der Hand hat, zukünftig für eine ordnungsgemäße Nutzung der Räumlichkeiten zu sorgen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Beschlüsse des Senats vom 9. Februar 2007, a.a.O., und vom 5. November 2008 – 8 B 11031/08.OVG –; auch die Beschlüsse des 1. Senats des erkennenden Gerichts vom 23. Juni 2006 – 1 B 10586/06.OVG –, ESOVGRP, und vom 3. Dezember 2002 – 1 B 11653/02.OVG – [Hostessenräume]; ferner OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Juni 2005, NVwZ-RR 2006, 169 und juris, Rn. 10 ff.).

13

Nach dem Vorbringen des Klägers soll die Prostitutionsnutzung in seinem Anwesen inzwischen bereits beendet worden sein, so dass von ihm allein verlangt wird, das Vertragsverhältnis mit seiner Mieterin dauerhaft so zu gestalten, dass eine Wiederaufnahme der rechtswidrigen Nutzung untersagt ist. Aber selbst wenn die Mieterin seines Anwesens inzwischen den bordellartigen Betrieb im 1. Obergeschoss der S.straße ... wieder aufgenommen hätte, wäre die Inanspruchnahme des Klägers auch zum Zwecke der Beendigung dieser Nutzung nicht ungeeignet. Wie bereits ausgeführt, beinhaltet die an den Eigentümer adressierte Nutzungsuntersagung auch das Handlungsgebot, die ihm zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um die beanstandete Nutzung zu beenden. Besteht die Baurechtswidrigkeit lediglich in der Art und Weise der Nutzung einer Wohnung – wie hier –, so stehen dem Eigentümer und Vermieter als zivilrechtliche Einwirkungsmöglichkeiten etwa eine Abmahnung oder eine Unterlassungsklage nach § 541 BGB zur Verfügung (vgl. Beschluss des Senats vom 5. November 2008 – 8 B 11031/08.OVG –). Die Inanspruchnahme des Eigentümers erweist sich jedenfalls dann als geeignetes und verhältnismäßiges Mittel der Gefahrenabwehr, wenn er zuvor bereits zu erkennen gegeben hat, selbst an der Einstellung der rechtswidrigen Nutzung interessiert zu sein und über die faktischen Möglichkeiten zu deren Durchsetzung zu verfügen. Letzteres ist hier durch die Einlassung des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers gegenüber der Beklagten geschehen. So wurde der Behörde im Schriftsatz vom 28. Juli 2008 und in einem Telefonat vom 28. August 2008 bedeutet, der Kläger habe die baurechtswidrigen Zustände durch eigenes Zutun bis Ende August 2008 behoben.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

15

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG.

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den nach § 16 sowie nach Absatz 1 maßgebenden Voraussetzungen durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(5) Die Landesregierungen können zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Rechtsverordnungen können insbesondere Bestimmungen treffen über

1.
die Verpflichtung der Eigentümer von Gegenständen, der Nutzungsberechtigten oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an Gegenständen sowie der zur Unterhaltung von Gegenständen Verpflichteten,
a)
den Befall mit Gesundheitsschädlingen festzustellen oder feststellen zu lassen und der zuständigen Behörde anzuzeigen,
b)
Gesundheitsschädlinge zu bekämpfen oder bekämpfen zu lassen,
2.
die Befugnis und die Verpflichtung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände, Gesundheitsschädlinge, auch am Menschen, festzustellen, zu bekämpfen und das Ergebnis der Bekämpfung festzustellen,
3.
die Feststellung und Bekämpfung, insbesondere über
a)
die Art und den Umfang der Bekämpfung,
b)
den Einsatz von Fachkräften,
c)
die zulässigen Bekämpfungsmittel und -verfahren,
d)
die Minimierung von Rückständen und die Beseitigung von Bekämpfungsmitteln und
e)
die Verpflichtung, Abschluss und Ergebnis der Bekämpfung der zuständigen Behörde mitzuteilen und das Ergebnis durch Fachkräfte feststellen zu lassen,
4.
die Mitwirkungs- und Duldungspflichten, insbesondere im Sinne des § 16 Abs. 2, die den in Nummer 1 genannten Personen obliegen.

(6) § 16 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Tenor

I.

Unter Abänderung von Nr. 1 und 2 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2013 wiederhergestellt.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 16.286,84 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die angeordnete sofortige Vollziehung des Bescheids der Bundesfinanzdirektion Mitte - Service-Center Süd-Ost - (im Folgenden: BFD) vom 20. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der BFD vom 5. April 2013.

Der Antragsteller, ein am 18. April 1952 geborener Polizeihauptkommissar, der bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand zum 1. Januar 2011 bei der Bundespolizei im Dienst der Antragsgegnerin gestanden hatte, erlitt am 11. September 2008 beim Dienstsport einen Zeckenbiss, den die Bundespolizeiakademie mit Bescheid vom 19. Januar 2010 als Dienstunfall anerkannte. Gleichzeitig stellte die Behörde einen „Zustand nach Zeckenbiss Kniegelenk links, Oligoarthritis, DD (Anmerkung: Differentialdiagnose) reaktive Arthritis“ als durch den Dienstunfall verursachten Körperschaden fest. Weitere Unfallfolgen stellte die Bundespolizeiakademie mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 fest und verwies dabei auf die abgeschlossene Heilbehandlung und die gutachterliche Stellungnahme vom 15. September 2010. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch den Dienstunfall wurde zeitlich gestaffelt, jedenfalls ab dem 1. September 2009 auf 100% festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom 20. Dezember 2010 hob die Bundespolizeiakademie ihren Bescheid vom 18. Oktober 2010 mit der Begründung auf, nach neuerlicher Untersuchung des Antragstellers und gutachterlicher Stellungnahme vom 18. November 2010 habe der Dienstunfall nachstehende Folgen hinterlassen: „Belastungsabhängig und schmerzhafte Entzündungen in beiden Kniegelenken, beiden Hüften, beiden Schultergelenken und im rechten oberen Sprunggelenk, Kniegelenkerguss rechts, deutliche Beeinträchtigungen im Alltagsleben, Bewegungseinschränkungen, vor allem in beiden Schultern, bei der Elevation, Abduktion und Außenrotation beidseits, Epicondylitis medialis beidseits“. Dem Antragsteller wurde in der Folgezeit Unfallfürsorge gewährt. Mit Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 11. Dezember 2010 wurde der Antragsteller mit Ablauf des 31. Dezember 2010 wegen Polizeidienstunfähigkeit und allgemeiner Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Er erhielt Unfallruhegehalt.

Mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 20. Juni 2012 nahm die BFD den Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 19. Januar 2010 hinsichtlich der anerkannten Folgen „Oligoarthritis, DD reaktive Arthritis“ mit Wirkung für die Zukunft zurück (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, dass der Bescheid im Übrigen bestehen bleibe (Nr. 2 des Bescheids), „der Zeckenbiss keine - mithin auch keine erwerbsmindernden - Folgen hinterlassen“ habe und ein Anspruch auf Unfallausgleich nicht bestehe (Nr. 3 des Bescheids). Zudem nahm die BFD den Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 18. Oktober 2010 mit Wirkung für die Zukunft zurück (Nr. 4 des Bescheids) und stellte fest, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Unfallruhegehalt habe (Nr. 5 des Bescheids). Die Zahlung des Unfallruhegehalts wurde nach Erlass des Bescheids eingestellt.

Einen am 10. Juli 2012 fristgerecht erhobenen Widerspruch des Antragstellers wies die BFD mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2013 zurück. Am 13. Mai 2013 erhob der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth.

Bereits am 4. Februar 2013 hatte der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, den das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 7. August 2013 ablehnte.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Antragstellers im Wesentlichen mit der Begründung, der streitgegenständliche Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, da die Antragsgegnerin gegen die ihr obliegende Amtsermittlungspflicht verstoßen habe. Unter Berücksichtigung aller Umstände habe die Ausgangsbehörde die Kausalität zwischen Unfall und Körperschaden für erwiesen erachten dürfen. Im Verfahren habe sich nicht herausgestellt, dass der Nachweis der Kausalität zwischen Unfall und Körperschaden für den Zeitpunkt dieser Feststellung nicht zu führen gewesen sei. Die Nichterweislichkeit des Vorliegens anderer Ursachen für die Körperschäden des Antragstellers gehe zulasten der Behörde, die die Beweislast für die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids trage. Im Übrigen sei die Jahresfrist zum Zeitpunkt der Rücknahme abgelaufen gewesen.

Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg. Die auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkte Prüfung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt, dass die Erfolgsaussichten der im Hauptsacheverfahren erhobenen Anfechtungsklage nach der im Eilverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Bewertung der Erfolgsaussichten der Klage (BVerwG, B. v. 25.3.1993 - 1 ER 301.92 - NJW 1993, 3213) als offen einzuschätzen sind. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids der BFD vom 20. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2013 lässt sich anhand der gegenwärtig bekannten Tatsachen nicht beurteilen. Auf der Basis der bisherigen Ermittlungen ist offen, ob die seit dem Zeckenbiss bestehenden Erkrankungen und die im Jahre 2010 festgestellte Dienstunfähigkeit des Antragstellers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Zeckenbiss verursacht worden sind. Die Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Antragstellers überwiegen.

1. In erster Linie streitig zwischen den Beteiligten ist die Frage, ob die von der Antragsgegnerin ausdrücklich bzw. konkludent nach § 48 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 VwVfG für die Zukunft zurückgenommenen Bescheidsteile bzw. Bescheide der Bundespolizeiakademie bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig waren, weil die beim Antragsteller festgestellten Körperschäden nicht auf dem Dienstunfall beruhten und daher die in § 30 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 1 BeamtVG genannten Voraussetzungen seinerzeit nicht erfüllt waren, sowie die diesbezüglich bestehende Beweislastverteilung zwischen den Beteiligten.

a) Als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung sind nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs hatte. Alle übrigen Bedingungen im natürlich-logischen Sinne scheiden als Ursachen im Rechtssinne aus. Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht kann demnach auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (nur) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene Veranlagung gehört - eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich anzusehen sind. Nicht Ursachen im Rechtssinne sind demnach sogenannte Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Eine solche untergeordnete Bedeutung ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn das Ereignis gleichsam „der letzte Tropfen“ war, „der das Maß zum Überlaufen brachte bei einer Krankheit, die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“ (st. Rspr., BVerwG, U. v. 30.6.1988 - 2 C 77.86 - DÖD 1988, 295 m. w. N.).

Mit anderen Worten ist demnach ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Dienstunfall und dem eingetretenen körperlichen Schaden nicht schon dann ausgeschlossen, wenn außer dem Unfall auch andere Umstände (namentlich eine anlage- oder schicksalsbedingte Krankheit) als Ursachen in Betracht kommen. In derartigen Fällen ist der Dienstunfall vielmehr dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) hingewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (BVerwG, B. v. 20.2.1998 - 2 B 81.97 - juris Rn. 2 m. w. N.).

b) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, gelten im Dienstunfallrecht die allgemeinen Beweisgrundsätze (vgl. u. a. BVerwG, U. v. 30.6.1988 - 2 C 77.86 - DÖD 1988, 295; B. v. 11.3.1997 - 2 B 127.96 - juris Rn. 5 jeweils m. w. N.; BayVGH, U. v. 3.8.2005 - 3 B 00.3426 - juris Rn. 43; U. v. 12.11.2009 - 3 B 05.633 - juris Rn. 48; U. v. 21.9.2011 - 3 B 09.3140 - juris Rn. 35).

Grundsätzlich trägt danach der Beamte die materielle Beweislast für den Nachweis, dass ein eingetretener Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf einem Dienstunfall beruht (st. Rspr., u. a. BVerwG, U. v. 22.10.1981 - 2 C 17.81 - NJW 1982, 1893 m. w. N.). Wird - wie vorliegend - ein Bescheid, mit dem Körperschäden als Folge eines Dienstunfalls anerkannt wurden, zurückgenommen, ändert dies diese Beweislastverteilung nicht, denn aus der Rücknahme der den Antragsteller begünstigenden Bescheide folgt keine Beweislastumkehr (vgl. BayVGH, U. v. 21.9.2011 - 3 B 09.3140 - juris Rn. 36). Zwar liegt bei der Rücknahme von Bescheiden nach § 48 VwVfG grundsätzlich die materielle Beweislast für die Rechtswidrigkeit der vorausgegangenen, jetzt zurückgenommenen Bescheide bei der Behörde, weil diese die Beweislast hinsichtlich der für sie günstigen Tatbestandsvoraussetzungen trägt (BayVGH, U. v. 3.8.2005 - 3 B 00.3426 - juris Rn. 43; U. v. 12.11.2009 - 3 B 05.633 - juris Rn. 48; U. v. 21.9.2011 - 3 B 09.3140 - juris Rn. 36). Jedoch genügt die Behörde ihrer materiellen Beweislast bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts, dessen Voraussetzungen - wie vorliegend - der Beamte zu beweisen hatte, schon dadurch, dass sie nachweist, dass bei Erlass des Verwaltungsakts dessen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben (BayVGH, U. v. 12.11.2009 - 3 B 05.633 - juris Rn. 49; B. v. 5.12.2012 - 14 ZB 10.3116 - juris Rn. 7).

Dies bedeutet auf den vorliegenden Fall bezogen, dass die Antragsgegnerin ihrer materiellen Beweislast im Rahmen des § 48 VwVfG dadurch genügt, dass sie nachweist, dass bei Erlass der Bescheide vom 19. Januar und 18. Oktober bzw. 20. Dezember 2010, mit denen die Bundespolizeiakademie die Körperschäden des Antragstellers zu einem Großteil als Folge seines Dienstunfalls anerkannt hat, die Voraussetzungen für diese Anerkennungen der Körperschäden nicht vorgelegen haben.

Die Beweisfrage, ob die Körperschäden des Antragstellers nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - zumindest im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Teilursache - auf dem als Dienstunfall anerkannten Zeckenbiss beruhen, stellt sich allerdings nur, wenn die zu beweisende Tatsache nicht aufklärbar ist, also eine non-liquet-Situation vorliegen würde (BayVGH, U. v. 3.8.2005 - 3 B 00.3426 - juris Rn. 43). Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht offen, ob eine Kausalität zwischen dem erlittenen Zeckenbiss und den vorhandenen Körperschäden besteht, so trifft die materielle Beweislast den Antragsteller.

c) Nach § 24 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde, die ein Verwaltungsverfahren durchführt, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Art und Umfang der Ermittlungen bestimmt die Behörde zwar gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie hat - basierend auf allgemeinen Erfahrungssätzen - allen Umständen nachzugehen, die an sie herangetragen werden oder die sich ihr aufdrängen. Dritte hat sie zwingend dann einzuschalten, wenn es ihr an der notwendigen Sachkunde fehlt (Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 24 Rn. 6; Heßhaus in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 1. Aufl. 2010, § 24 Rn. 7; Knack-Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 24 Rn. 14; BVerwG, B. v. 5.10.1990 - 4 B 249.89 - NVwZ-RR 1991, 118). Unterlässt die Behörde die gebotene Sachaufklärung liegt ein Verfahrensfehler vor (Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 24 Rn. 58; Ziekow, a. a. O., Rn. 19; Heßhaus in Bader/Ronellenfitsch, a. a. O., Rn. 27; Knack-Henneke, a. a. O., Rn. 26).

d) Hiervon ausgehend hätte sich der Antragsgegnerin - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kausalität und zur Beweislastverteilung im Dienstunfallrecht - bereits im Verwaltungsverfahren die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Frage aufdrängen müssen, ob - zum Zeitpunkt des Erlasses der nun zurückgenommenen Bescheide der Bundespolizeiakademie - die Voraussetzungen für die Anerkennung der Körperschäden des Antragstellers deshalb nicht vorlagen, weil nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen war, dass die im zeitlichen Anschluss an den als Dienstunfall festgestellten Zeckenbiss beim Antragsteller aufgetretenen Erkrankungen (und die mit den Erkrankungen zusammenhängende Erwerbsminderung) durch den Zeckenbiss - zumindest im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Teilursache - verursacht worden sind.

Fest steht, dass die Beschwerden des Antragstellers erstmals nach dem Zeckenbiss im September 2008 begonnen haben und beim Antragsteller danach über einen langen Zeitraum erhöhte Entzündungswerte festgestellt wurden. Fest steht auch, dass der Antragsteller bereits wenige Tage nach dem Zeckenbiss mit Doxycyclin behandelt wurde und es zu einer vorübergehenden Besserung seiner Beschwerden kam. Da die BFD ausweislich ihrer Ausführungen im Widerspruchsbescheid nicht mehr davon ausgeht, dass beim Antragsteller eine dienstunabhängige degenerative Vorschädigung der betroffenen Gelenke vorgelegen hat, ist somit nicht schon deshalb zweifelhaft, ob die Erkrankungen des Antragstellers und der Zeckenbiss - zumindest im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Teilursache - im Zusammenhang stehen können. Zwar hatte der Polizeiärztliche Dienst des Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrums OEB bereits mit Stellungnahmen von 22. und 23. Oktober 2009 Zweifel daran geäußert, ob der Befall der Zecke während der Dienstzeit stattgefunden habe und inwieweit der „angegebene Körperschaden“ eine Folge des Unfalls sei. Die erstgenannten Zweifel waren aber dadurch ausgeräumt worden, dass der Antragsteller weitere Angaben zum Ort seiner sportlichen Betätigung machte. Auch der Sozialmedizinische Dienst der Bundespolizei hatte in einem sozialmedizinischen Gutachten vom 27. September 2010 angemerkt, dass sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität nicht gegeben sei. Der Internist und Rheumatologe Dr. M. vom „Ambulanten Behandlungszentrum Obermain“ führte in seinem Arztbrief vom 19. August 2010 aus, dass der Antragsteller „aufgrund des frühen Behandlungsbeginns (mit Doxycyclin) keine Antikörper bilden konnte, so dass die Borrelienserologie durchweg negativ blieb!“ und verwies darauf, dass sich aktuell ein „Zustand nach Yersenieninfektion im IgA-Immunoblot nachweisen“ lasse, so dass „hypothetisch auch noch ein Zweitinfekt aetiologisch in Frage käme“. Dennoch ging er in seiner als „Gutachterliche Stellungnahme zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Dienstunfallfolgen nach Abschluss der ärztlichen Behandlung“ überschriebenen Äußerung vom 19. August 2010 mit Bezugnahme auf seinen Arztbrief von einer „auf dem Dienstunfall beruhenden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100%“ aus. Medizinaldirektor Dr. F. vom Polizeiärztlichen Dienst diagnostizierte im Rahmen einer ebenfalls als „Gutachterliche Stellungnahme zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Dienstunfallfolgen nach Abschluss der ärztlichen Behandlung“ bezeichneten schriftlichen Äußerung am 15. September 2010 unter Bezugnahme auf eine Untersuchung des Antragstellers die später bescheidsmäßig festgestellten Unfallfolgen als nach dem Dienstunfall zurückgebliebene Folgen und schätzte die auf dem Dienstunfall beruhende Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Bezug auf § 35 Abs. 2 BeamtVG jedenfalls ab dem 1. Oktober 2010 auf 100% ein. Infolge seiner weiteren Begutachtung vom 28. November 2010 wurden die festgestellten Unfallfolgen um eine „Epicondylitis medialis beidseits“ erweitert. Auf Grundlage dieser Stellungnahmen ergingen die Bescheide der Bundespolizeiakademie vom 18. Oktober und 20. Dezember 2010. Demnach ist die Antragsgegnerin im Jahre 2010 auf der Grundlage der „Gutachten“ eines in ihrem Dienst stehenden Arztes von einem hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen Zeckenbiss und Körperschäden ausgegangen.

Inwieweit dies - auch unter Berücksichtigung der späteren, vom Antragsteller selbst vorgelegten Arztbriefe - rechtswidrig war, weil von Anfang an die erforderliche Kausalität zwischen dem Zeckenbiss und den Erkrankungen des Antragstellers nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen worden war, hätte durch eine weitere - sachverständige - Begutachtung des Antragstellers unter Einbeziehung sämtlicher bisherigen Befunde und Stellungnahmen abgeklärt werden müssen. Dies musste sich der BFD - spätestens im Widerspruchsverfahren - deshalb aufdrängen, da die Diagnose für die Erkrankungen des Antragstellers offensichtlich von Anfang an schwierig war. So benennt beispielsweise Dr. M. eine Differentialdiagnose, um zeitgleich die Kausalität zwischen Dienstunfall (d. h. Zeckenbiss) und Erkrankungen zu bestätigen. Auch den Arztbriefen des Universitätsklinikums Erlangen, Medizinische Klinik 3 - Rheumatologie, Immunologie -, ist zu entnehmen, dass man sich bei der Benennung der Ursache für die Erkrankungen des Antragstellers unsicher war. So sind beispielsweise dem Arztbrief vom 30. März 2009 die Diagnosen „Oligoarthritis, DD reaktive Arthritis“ zu entnehmen, wohingegen der Arztbrief vom 8. Juli 2009 diese beiden Diagnosen ebenfalls nennt und für das linke Knie u. a. einen Zustand nach „lokalem Zeckenbiss mit konsekutiver Synovitis 10/08 (Besserung unter Doxycyclin, Borrelienserologie negativ)“ beschreibt. Beide Arztbriefe waren jeweils von anderen Ärzten der Medizinischen Klinik 3 unterschrieben worden. Weiteren medizinischen Sachverstand einzuholen hätte sich der BFD nicht zuletzt aufgrund der vom Antragsteller im Widerspruchsverfahren vorgelegten Leitlinien der Deutschen-Borreliose-Gesellschaft zu „Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose“ aufdrängen müssen, wonach etwa eine frühzeitige antibiotische Behandlung die Entwicklung von Antikörpern verhindern könne, so dass daher Seronegativität die Lyme-Borreliose keinesfalls ausschließe. Daran ändert auch die ebenfalls vom Antragsteller vorgelegte Stellungnahme des medizinischen Direktors der Medizinischen Klinik 3 des Universitätsklinikums Erlangen, Prof. Dr. S., vom 31. August 2012 nichts. Auch wenn dieser davon ausgeht, dass es sich bei der Erkrankung des Antragstellers nicht um eine „klassische Borrelienarthritis“, sondern um eine „seronegative rheumatoide Arthritis“ handelt, weist er ausdrücklich darauf hin, dass nicht auszuschließen sei, dass der Zeckenbiss die rheumatoide Arthritis des Antragstellers „getriggert“ habe und es einen klaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Beschwerden und dem Zeckenbiss gebe. Ob tatsächlich Kausalität vorliege, sei „natürlich nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten“, sei „aber auch nicht auszuschließen“. Da unklar ist, was Prof. Dr. S. mit seiner Formulierung „nicht mit letzter Sicherheit“ gemeint hat und inwieweit ihm - bei Abfassen seiner Stellungnahme vom 31. August 2012 - der im Dienstunfallrecht geltende Maßstab für die Beurteilung der Kausalität bekannt war, konnte die BFD ihre Einschätzung nicht hinreichend sicher auf seine Stellungnahme stützen.

Dass die BFD zu einer medizinischen Begutachtung des Antragstellers verpflichtet war, führt im jetzigen Verfahrensstadium nicht dazu, dass der streitgegenständliche Bescheid allein aus diesem Grund als rechtwidrig zu beurteilen wäre. Der bloße Umstand, dass die BFD ohne weiteres von einer Tatsache ausgegangen ist, zu deren Feststellung sie einen Sachverständigen hätte hinzuziehen müssen, führt nicht zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung der Rücknahmeentscheidung. Das Gericht kann die Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Tatsachengrundlage vielmehr nur dann beanstanden, wenn es seinerseits deren Unrichtigkeit festgestellt hat (vgl. BVerwG, B. v. 16.9.1986 - 1 B 143.86 - NVwZ 1987, 144; U. v. 3.3.1987 - 1 C 39.84 - NJW 1987, 1431; U. v. 1.12.1987 - 1 C 29.85 - BVerwGE 78, 285; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 24 Rn. 58; Ziekow, VwVfG, § 24 Rn. 19; Heßhaus in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 24 Rn. 29; Knack-Henneke, VwVfG, § 24 Rn. 26).

e) Ob die Voraussetzungen für die Rücknahmeentscheidung nach § 48 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 VwVfG vorgelegen haben, wird im Rahmen des Klageverfahrens aufzuklären sein. Der Ansicht der Antragsgegnerin, der Nachweis dafür, dass die aufgehobenen Bescheide der Bundespolizeiakademie von Anfang an rechtswidrig waren, sei erbracht, kann derzeit nicht gefolgt werden. Denn wie oben unter b) ausgeführt, können erst dann die Regelungen über die materielle Beweislastverteilung in Bezug auf den Nachweis zwischen Dienstunfall und Körperschaden herangezogen werden, wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind. Das Verwaltungsgericht wird daher der Frage nachzugehen haben, ob auf der Grundlage sämtlicher Untersuchungsergebnisse, Befunde und Stellungnahmen der vom Kläger erlittene Zeckenbiss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine wesentliche Ursache, zumindest im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Teilursache für seine Körperschäden war, oder ob es sich bei dem Zeckenbiss lediglich um eine Gelegenheitsursache gehandelt hat.

f) Der angegriffene Bescheid ist nicht im Hinblick auf die Nichteinhaltung der Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG rechtswidrig. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B. v. 19.12.1984 - GrSen 1.84 u. a. - BVerwGE 70, 356) war die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG entgegen der Ansicht des Antragstellers noch nicht abgelaufen. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG findet danach Anwendung, wenn die Behörde nachträglich erkennt, dass sie den beim Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts vollständig bekannten Sachverhalt unzureichend berücksichtigt oder unrichtig gewürdigt und deswegen rechtswidrig entschieden hat. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG beginnt zu laufen, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen, erhalten hat. Die Behörde erlangt diese positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt. Die Feststellung ist getroffen, sobald diese Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind. Zwar ist die Zuständigkeit der BFD - als der für die Rücknahmeentscheidung innerbehördlich zuständigen Stelle der Antragsgegnerin - mit der Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand zum 1. Januar 2011 begründet worden. Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen hatte die BFD aber frühestens mit Erhalt der Dienstunfallakte am 5. März 2012. Unabhängig, ob die maßgebenden Tatsachen zwischenzeitlich vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt werden konnten - wovon jedenfalls auch der Antragsteller nicht ausgehen kann, da er die mangelhafte Amtsermittlung durch die BFD rügt -, hat die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG frühestens am 6. März 2012 zu laufen begonnen. Zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung am 20. Juni 2012 war sie jedenfalls noch nicht abgelaufen.

2. Ist demnach offen, ob die Erkrankungen des Antragstellers durch den Dienstunfall verursacht wurden, ist offen, ob die Regelung in Nr. 1 des streitbefangenen Bescheids rechtmäßig ist. Damit ist auch offen, ob die sich daraus ergebenden weiteren Feststellungen der BFD in Nr. 3 und 5 des angefochtenen Bescheids zu der auf dem Dienstunfall beruhenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 35 Abs. 2 BeamtVG) und zu zukünftigen Unfallfürsorgeleistungen, insbesondere der Gewährung von Unfallausgleich (§ 35 Abs. 1 BeamtVG) und Unfallruhegehalt (§ 36 BeamtVG), rechtmäßig waren.

3. Sind die Erfolgsaussichten der Klage insgesamt offen, hat der Senat eine von der Einschätzung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerwG, B. v. 17.5.2004 - 1 VR 1.04 u. a. - InfAuslR 2005, 103). Diese ergibt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, dass das öffentliche Interesse, für die Zeit des Klageverfahrens von weiteren Kosten durch Maßnahmen der Unfallfürsorge, insbesondere der Weitergewährung von Unfallausgleich und -ruhegehalt, verschont zu bleiben, hinter den Interessen des Antragstellers an der Gewährung dieser Leistungen zurücktreten muss.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zunächst entscheidend, dass die BFD es in der Hand gehabt hätte, durch sachverständige Begutachtung des Antragstellers bzw. seiner Krankengeschichte die Interessenabwägung im Eilverfahren zu ihren Gunsten zu entscheiden. Zudem stehen sich letztlich gleichgewichtige, nämlich finanzielle, Interessen gegenüber. Die gesetzlichen Entscheidungen in § 80 Abs. 1 VwGO, der grundsätzlich die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage vorsieht, sowie in § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, wonach davon nur ausnahmsweise im öffentlichen oder überwiegenden Interesse eines Beteiligten - durch ausdrückliche Anordnung - abgewichen werden kann, sind bei der Bewertung gleichgewichtiger Interessen zu berücksichtigen. Bei gleichgewichtigen Interessen hat sich die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO an der gesetzlichen Bewertung des § 80 Abs. 1 VwGO zu orientieren, so dass es bei der in § 80 Abs. 1 VwGO angeordneten Regel der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt (OVG Hamburg, B. v. 28.5.2010 - 1 Bs 87/19 - IÖD 2010, 178). Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht in geregelten finanziellen Verhältnissen lebt, so dass zu befürchten ist, dass die Antragsgegnerin gegebenenfalls einen Rückforderungsanspruch nicht realisieren könnte, wenn sich im Hauptsacheverfahren - auf der Grundlage sachverständiger Bewertung - herausstellen sollte, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, bestehen nicht. Ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Durchsetzung des Rücknahmebescheids und der Nichtgewährung möglicherweise unberechtigter Unfallfürsorge kann bei dieser Sachlage nicht festgestellt werden.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, §§ 39 und 71 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (i. d. F. v. 18.7.2013; Downloadmöglichkeit über die Homepage des BVerwG). Dabei wurde für den Teilgegenstand Rücknahme der Anerkennung von Dienstunfallfolgen - in Anlehnung an Nr. 1.5 und 10.8 des Streitwertkatalogs - ein Betrag von je 2.500 Euro, für den Teilgegenstand Unfallausgleich - in Anlehnung an Nr. 1.5 und 10.4 des Streitwertkatalogs - die Hälfte des zweifachen Jahresbetrags (24 Monate) der angestrebten maßgeblichen Grundrente, die hier 666 Euro im Monat betragen würde, demnach 7.992 Euro (st. Rspr., u. a. BayVGH, U. v. 24.10.2012 - 3 B 08.2648 - juris Rn. 40; B. v. 5.12.2012 - 14 ZB 10.3116 - juris Rn. 21) und für den Teilgegenstand Unfallruhegehalt - ebenfalls in Anlehnung an Nr. 1.5 und 10.4 des Streitwertkatalogs - die Hälfte des zweifachen Jahresbetrags (24 Monate) des Unterschiedsbetrags zwischen gezahlter und begehrter Versorgung, der hier im Monat 274,57 Euro betragen würde, demnach 3.294,84 Euro, angesetzt.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Falls die Behörde Zeugen und Sachverständige herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die Deutsche Post AG, erbringt lizenzpflichtige Postdienstleistungen. Sie unterhielt in der hier maßgeblichen Zeit der Jahre 2002 bis 2004 Postfachanlagen in eigenen Filialen (Unternehmensbereich - UB - Filiale), als sogenannte briefbetriebene Anlagen (Unternehmensbereich - UB - Brief) und in Partnerfilialen (Agenturen). Zu diesen Anlagen musste sie gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 PostG anderen Anbietern von Postdienstleistungen gegen Entrichtung eines Entgelts Zugang gewähren. Dieses Entgelt war gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 PostG i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 1 PostG genehmigungsbedürftig, weil die Klägerin das entsprechende Leistungsangebot in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen hatte. Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Eisenbahnen zur Genehmigung eines höheren Entgelts als die Behörde unter ihrer früheren Bezeichnung Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post für den genannten Zeitraum bewilligt hat.

2

Unter dem 3. Dezember 2001 beantragte die Klägerin bei der Regulierungsbehörde, ihr als Entgelt für die Gewährung des Zugangs zu Postfachanlagen den Fixbetrag von 3,17 DM (1,62 €) pro Einlieferungsvorgang sowie als zusätzlichen variablen Entgeltbestandteil 0,15 DM (0,08 €) pro eingelieferter Sendung zu genehmigen.

3

In den der Regulierungsbehörde mit dem Entgeltantrag vorgelegten Kostennachweisen berechnete die Klägerin für den Postfachzugang in dem UB Filiale und in dem UB Brief Personalkostenstundensätze. Sie berücksichtigte dabei ausgehend von den Werten der Kosten- und Ergebnisrechnung des Jahres 2000 und unter der Annahme prozentualer Steigerungen für die Jahre 2001 und 2002 diejenigen Besoldungs- und Tarifgruppen bis zur Stufe A 8 bzw. BAT IV, deren Vertreter tatsächlich Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Postfachzugang ausführten, entsprechend ihrem Anteil an dem gesamten Personalbestand der beiden Unternehmensbereiche. Durch eine Multiplikation der Personalkostenstundensätze mit zuvor ermittelten unterschiedlichen Zeitansätzen für fixe und variable Elemente der Annahme sowie für variable Elemente der Einsortierung wies die Klägerin - jeweils getrennt für den UB Filiale und den UB Brief - Personalkosten für die Annahme und für die Einsortierung von Postfachsendungen aus, erstere in Gestalt eines Fixbetrags je Annahmevorgang und eines variablen Betrags je 1 000 Sendungen, letztere nur in Form eines derartigen variablen Betrags. Auf diese Personalkosten erhob die Klägerin prozentuale Zuschläge für anteilige Gemeinkosten in Form von Sach- und Kapitalkosten, Kosten der Abteilungsleitung sowie Kosten für Leitung und Service. Die Kosten des Postfachzugangs in den Agenturen bestimmte die Klägerin nach den mit diesen vereinbarten Vergütungen, die aus einem festen Entgelt für jeden Einlieferungsvorgang und einem variablen Entgelt für die Einsortierung von Postfachsendungen bestanden. Um zu einem einheitlichen Preis zu kommen, nahm die Klägerin eine Gewichtung der Kosten vor, deren Maßstab die Anzahl der Postfächer bildete, die sie jeweils dem UB Filiale, dem UB Brief und den Agenturen zugeordnet hatte. Dabei zog sie die fixen Kosten für die Annahme von Postfachsendungen in dem UB Filiale und dem UB Brief sowie die mit den Agenturen vereinbarten Annahmekosten zu einem fixen Betrag pro Einlieferungsvorgang zusammen. Die variablen Kosten für die Annahme von Postfachsendungen in dem UB Filiale und dem UB Brief addierte sie mit den variablen Kosten für die Einsortierung von Postfachsendungen in diesen beiden Unternehmensbereichen und in den Agenturen zu einem variablen Betrag pro eingelieferter Sendung. Schließlich ergänzte die Klägerin die so gewonnenen Summen um einen von ihr als angemessen erachteten Gewinnzuschlag.

4

Mit Beschluss vom 6. Februar 2002 genehmigte die Beschlusskammer der Regulierungsbehörde lediglich ein Entgelt in Höhe von 1,14 DM (0,58 €) pro Einlieferungsvorgang und 0,08 DM (0,04 €) pro eingelieferter Sendung und lehnte den Entgeltantrag im Übrigen ab. Die Regulierungsbehörde akzeptierte zwar das zweigliedrige Entgeltmodell der Klägerin - das heißt die Aufteilung des Entgelts in einen fixen und einen variablen Teil - sowie deren Zeitansätze für die Annahme und die Einsortierung von Postfachsendungen in dem UB Filiale und in dem UB Brief. Sie sah jedoch die von der Klägerin eingereichten Kalkulationsunterlagen in Teilen als unstimmig und lückenhaft an und griff deshalb auch auf Unterlagen aus einem Verfahren nach § 31 Abs. 2 PostG zurück, das sie im Jahr 2001 gegen die Klägerin geführt hatte. Die Behörde gelangte hiernach zu dem Schluss, dass sich das beantragte Entgelt, soweit es die genehmigte Höhe übersteige, entgegen dem Gebot des § 20 Abs. 1 PostG nicht an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientiere. Sie rügte, die von der Klägerin für den UB Filiale und den UB Brief geltend gemachten Personalkostenstundensätze wichen in nicht nachvollziehbarer Weise von den Ansätzen in dem Verfahren aus dem Jahr 2001 ab, beruhten auf einer nicht gerechtfertigten Einbeziehung der Personalkosten für im Hinblick auf die Aufgabenwahrnehmung überqualifizierte, nach der Besoldungsgruppe A 8 bzw. entsprechend tariflich vergütete Kräfte und nähmen für das Jahr 2002 eine Personalkostensteigerung in unrealistischer Höhe an. Weiter sei gegen Zuschläge für Gemeinkosten zwar dem Grunde nach nichts einzuwenden, jedoch widersprächen die von der Klägerin geforderten Beträge der Höhe nach dem Kostenverursachungsprinzip. Anstelle der von der Klägerin ausgewiesenen prozentualen Zuschläge veranschlagte die Regulierungsbehörde in Anlehnung an das Verfahren aus dem Jahr 2001 einen festen Zuschlagsbetrag pro Sendung. Sie führte weiter aus, die von der Klägerin beanspruchten Kosten des Postfachzugangs in den Agenturen überstiegen diejenigen, die in dem UB Filiale entstünden, und genügten schon aus diesem Grund nicht dem Effizienzmaßstab. Bei der Gewichtung der geltend gemachten Kosten habe die Klägerin den UB Filiale, der im Vergleich mit dem UB Brief mit höher besoldeten Kräften besetzt sei, überbetont. Schließlich könne ein Gewinnzuschlag nicht zugebilligt werden.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, mit der die Klägerin ihr Begehren auf Erteilung einer Genehmigung der Entgelte in der von ihr beantragten Höhe weiterverfolgt hat. Der Berufung der Klägerin gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil hat das Oberverwaltungsgericht insoweit stattgegeben, als es den Beschluss der Regulierungsbehörde vom 6. Februar 2002, soweit in diesem die von der Klägerin geltend gemachten Gemeinkostenzuschläge in Form der Sach- und Kapitalkosten nicht anerkannt worden waren, aufgehoben und die Beklagte insoweit zur Neubescheidung verpflichtet hat. Die Regulierungsbehörde habe diese Zuschläge nicht ohne Weiteres durch die in dem Verfahren aus dem Jahr 2001 auf Grund einer anderen Berechnungsmethodik gewonnenen Werte ersetzen dürfen. Im Übrigen ist die Berufung erfolglos geblieben. Insoweit hat das Berufungsgericht über die Begründung des angefochtenen Beschlusses hinaus auch auf eine unzureichende Darlegung der umstrittenen Kostenpositionen durch die Klägerin verwiesen.

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Gegen das Berufungsurteil haben beide Beteiligten die von dem Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

7

Die Klägerin hält das Berufungsurteil zum einen deshalb für fehlerhaft, weil das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der von ihm beanstandeten Behandlung der beantragten Gemeinkostenzuschläge für Sach- und Kapitalkosten lediglich ein Bescheidungsurteil erlassen, nicht aber die Beklagte zur Entgeltgenehmigung verpflichtet habe. Der Regulierungsbehörde stehe ein Beurteilungsspielraum, auf den eine derartige prozessuale Handhabung gestützt werden könne, bei der postrechtlichen Entgeltkontrolle nicht zu. Auch habe das Oberverwaltungsgericht den nach Maßgabe seiner Entscheidung zu genehmigenden Entgeltbetrag durchaus berechnen können. Zum anderen habe das Oberverwaltungsgericht, soweit es den zur Prüfung gestellten Kostenansätzen nicht gefolgt sei, die maßgeblichen formellen und materiellen Maßstäbe für die Genehmigung postrechtlicher Entgelte verkannt oder jedenfalls falsch angewandt.

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Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. März 2011 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Juni 2006 zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Beschlusses der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 6. Februar 2002 zu verpflichten, ihr die unter dem 3. Dezember 2001 beantragte Entgeltgenehmigung für den Zugang zu Postfachanlagen in Höhe von 3,17 DM (1,62 €) pro Einlieferungsvorgang sowie 0,15 DM (0,08 €) pro eingelieferter Sendung für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 30. Juni 2004 zu erteilen,

hilfsweise,

die genannten Urteile zu ändern, den Beschluss der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 6. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie gemäß ihrem Antrag vom 3. Dezember 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

9

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. März 2011 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Juni 2006 auch insoweit zurückzuweisen, als das Oberverwaltungsgericht den Beschluss der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 6. Februar 2002 hinsichtlich der Nichtanerkennung der von der Klägerin geltend gemachten Gemeinkostenzuschläge in Form der Sach- und Kapitalkosten aufgehoben und sie verpflichtet hat, den Antrag der Klägerin vom 3. Dezember 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

10

Die Beklagte wendet gegen den der Berufung der Klägerin stattgebenden Teil des vorinstanzlichen Urteils ein, zwar sei das Oberverwaltungsgericht zu Recht von einem Beurteilungsspielraum der Regulierungsbehörde bei der Prüfung genehmigungsbedürftiger Entgelte im Postmarkt ausgegangen, es habe jedoch auch ein Bescheidungsurteil nicht erlassen dürfen, weil der Entgeltantrag hinsichtlich der beantragten Sach- und Kapitalkosten mangels Vorlage einer Gesamtschau der bei der Klägerin anfallenden Kosten nicht genehmigungsfähig gewesen sei. Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen, da die in dem angefochtenen Beschluss vorgenommenen Streichungen und Kürzungen geltend gemachter Kostenpositionen - vor allem auch wegen nicht hinreichender Nachweise - nicht zu beanstanden seien.

11

Die Beteiligten treten jeweils der Revision der Gegenseite entgegen und beantragen deren Zurückweisung.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist mit dem Hauptantrag teilweise begründet und kann mit dem Hilfsantrag keinen weitergehenden Erfolg haben. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, die Regulierungsbehörde habe den von der Klägerin für den UB Filiale und den UB Brief geltend gemachten Personalkosten - mit Ausnahme der Personalkostensteigerung für das Jahr 2002 - und dem Kostenansatz der Klägerin für die Agenturen die Anerkennung (teilweise) versagen dürfen. Gleiches gilt, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der Gemeinkostenzuschläge für Sach- und Kapitalkosten in dem UB Filiale und dem UB Brief, die es der Klägerin antragsgemäß in Übereinstimmung mit Bundesrecht zuerkannt hat, anstelle eines Verpflichtungsurteils nur ein Bescheidungsurteil erlassen hat. Der Senat kann insoweit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden und die Beklagte zur Erteilung einer entsprechenden Entgeltgenehmigung verpflichten. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht den angegriffenen Beschluss der Regulierungsbehörde vom 6. Februar 2002 ohne Verstoß gegen Bundesrecht als rechtmäßig beurteilt, soweit dieser die auf den UB Filiale und den UB Brief bezogenen Ansätze der Klägerin betreffend die Personalkostensteigerung für das Jahr 2002 und die Gemeinkostenzuschläge für Abteilungsleitung und für Leitung und Service, die von der Klägerin vorgenommene Kostengewichtung sowie deren Forderung nach einem Gewinnzuschlag abgelehnt hat. Insoweit ist die Revision der Klägerin unbegründet und gemäß § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

13

Weil das Oberverwaltungsgericht der Klägerin die Gemeinkostenzuschläge für Sach- und Kapitalkosten in dem UB Filiale und dem UB Brief im Einklang mit Bundesrecht zugebilligt hat, ist die zulässige Revision der Beklagten zur Gänze unbegründet und unterliegt deshalb der Zurückweisung nach § 144 Abs. 2 VwGO.

14

Das Oberverwaltungsgericht hätte darauf erkennen müssen, dass die Klägerin, deren Klage trotz Ablaufs des Geltungszeitraums der streitgegenständlichen Entgeltgenehmigung nicht erledigt ist (1.), nach § 21 Abs. 3 PostG Anspruch auf Genehmigung eines Entgelts hat, in das über die Maßgaben des angegriffenen regulierungsbehördlichen Beschlusses hinaus nicht nur die von dem Berufungsgericht zuerkannten Gemeinkostenzuschläge für Sach- und Kapitalkosten in dem UB Filiale und dem UB Brief, sondern in dem genannten Umfang weitere Kosten nach Maßgabe ihrer Berechnung durch die Klägerin Eingang finden müssen (2.). Für den der Berufung der Klägerin stattgebenden Teil seiner Entscheidung hätte sich das Oberverwaltungsgericht nicht auf ein Bescheidungsurteil beschränken dürfen, sondern ein Verpflichtungsurteil erlassen müssen (3.).

15

1. Das Rechtsschutzbedürfnis für die von der Klägerin erhobene Klage ist nicht entfallen, obwohl die Geltungsdauer der Entgeltgenehmigung vom 6. Februar 2002, deren betragsmäßige Aufstockung die Klägerin erstrebt, mit dem 30. Juni 2004 abgelaufen ist. Denn die Klägerin kann auf Grund einer in Vollzug eines stattgebenden Urteils zu erteilenden Genehmigung eines höheren Entgelts nachträglich einen finanziellen Ausgleich zu ihren Gunsten mit den Wettbewerbern, denen sie Zugang zu ihren Postfachanlagen gewährt hat, herbeiführen.

16

Nach § 23 Abs. 1 und 2 PostG hat eine postrechtliche Entgeltgenehmigung, die einem Lizenznehmer erteilt wird, zur Folge, dass dieser nur die genehmigten Entgelte verlangen darf. Ferner sind Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, nur mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt; derartige Verträge sind unwirksam, wenn es trotz bestehender Genehmigungsbedürftigkeit an einem genehmigten Entgelt fehlt.

17

Eine Entgeltgenehmigung, die kraft Gesetzes derartige Wirkungen entfaltet, hat einen privatrechtsgestaltenden Charakter. Dies hat der Senat in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <113> = Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 S. 16, vom 25. Februar 2009 - BVerwG 6 C 25.08 - Buchholz 442.066 § 37 TKG Nr. 2 Rn. 15, 19, vom 25. März 2009 - BVerwG 6 C 3.08 - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 2 Rn. 14, 21, 29, vom 25. November 2009 - BVerwG 6 C 34.08 - Buchholz 442.066 § 31 TKG Nr. 1 Rn. 13, 30, vom 14. Dezember 2011 - BVerwG 6 C 36.10 - Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 5 Rn. 12 und vom 9. Mai 2012 - BVerwG 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 = Buchholz 442.066 § 37 TKG Nr. 4 Rn. 16) für die telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung unter Bezugnahme auf die mit § 23 PostG im Kern wortgleiche Vorschrift des § 29 des am 26. Juni 2004 außer Kraft getretenen Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120 - TKG 1996) und die an deren Stelle getretene Bestimmung des § 37 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 2012, BGBl I S. 958 - TKG 2004) entschieden. Eng verknüpft mit dieser Einschätzung hat der Senat bereits vor der Aufnahme einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung in § 35 Abs. 5 TKG 2004 angenommen, dass eine telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses entfaltet (Urteile vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 <58 ff.> = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 3 S. 45 ff., vom 25. März 2009 a.a.O. Rn. 25 und vom 9. Mai 2012 a.a.O. Rn. 59; für Entgeltanordnungen nach § 25 Abs. 5 TKG 2004: Urteil vom 23. Juni 2010 - BVerwG 6 C 36.08 - Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 2 Rn. 16). Es spricht nichts dagegen, diese Maßstäbe auf die postrechtliche Entgeltgenehmigung zu übertragen.

18

2. Die Regulierungsbehörde hat über die Genehmigung, der das Entgelt, das der Klägerin nach § 29 Abs. 1 Satz 1 PostG für die Gewährung des Postfachzugangs zusteht, gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 1 PostG bedarf, auf der Grundlage des § 21 Abs. 3 PostG zu entscheiden. Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift bestimmt sich unter Berücksichtigung ihrer Einbettung in die Systematik der Normen, die die postrechtliche Entgeltgenehmigung prägen (a). Auf dieser Grundlage ergibt sich die Berücksichtigungsfähigkeit der von der Klägerin geltend gemachten Kostenpositionen in dem eingangs beschriebenen Umfang (b). Entsprechend ist das der Klägerin zustehende Entgelt zu berechnen (c).

19

a) Die Bestimmung des § 21 Abs. 3 PostG besagt in ihrem hier allein relevanten Satz 1 unter Berücksichtigung der in ihr enthaltenen unmittelbaren und mittelbaren Verweise auf § 21 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 PostG sowie auf § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG, dass die Entgeltgenehmigung in dem hier in Rede stehenden Einzelgenehmigungsverfahren zu versagen ist, wenn das Entgelt dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung und dem Verbot nur auf Grund einer marktbeherrschenden Stellung durchsetzbarer Aufschläge nicht entspricht oder gegen andere Rechtsvorschriften verstößt. Die aus dem Regelungszusammenhang der Norm ableitbaren Maßgaben (aa) bilden die Grundlage für die in ihr ausdrücklich genannten Voraussetzungen (bb).

20

aa) Aus § 21 Abs. 3 Satz 1 PostG ergibt sich nicht nur eine behördliche Befugnis zur Ablehnung einer beantragten Entgeltgenehmigung, sondern - obwohl die Vorschrift dies insoweit übereinstimmend mit § 27 Abs. 3 TKG 1996 und anders als § 35 Abs. 3 Satz 1 TKG 2004 nicht ausdrücklich bestimmt - auch ein Anspruch auf deren Erteilung, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt bzw. Versagungsgründe nicht gegeben sind. Denn ohne einen solchen Anspruch fehlte es der in § 23 PostG geregelten privatrechtsgestaltenden Wirkung der Entgeltgenehmigung an einer tragfähigen Grundlage und Rechtfertigung (vgl. in diesem Sinne den Genehmigungsanspruch für das frühere Telekommunikationsrecht voraussetzend: Urteil vom 21. Januar 2004 a.a.O. S. 58 ff. bzw. S. 45 ff.; für das Postrecht: Lübbig, in: Badura/v. Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern, Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 2).

21

Für diesen Genehmigungsanspruch bestehen von § 21 Abs. 3 Satz 1 PostG vorausgesetzte formelle Voraussetzungen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PostG ist die Entgeltgenehmigung als Verwaltungsakt an einen in schriftlicher Form zu stellenden Antrag des regulierten Unternehmens gebunden. Zusammen mit diesem Antrag sind im Einzelgenehmigungsverfahren gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 21 Abs. 4 PostG erlassenen Post- Entgeltregulierungsverordnung (PEntgV) vom 22. November 1999 (BGBl I S. 2386) alle Unterlagen und Nachweise vorzulegen, die die Regulierungsbehörde instand setzen, eine vollständige materielle Prüfung des beantragten Entgelts durchzuführen. Die beigebrachten Unterlagen und Nachweise müssen nach Art, Anzahl und Inhalt - das heißt in quantitativer und qualitativer Hinsicht - sowohl die geltend gemachten Kosten belegen als auch die rechnerische Ermittlung der beantragten Entgeltbeträge in nachvollziehbarer Form darstellen (so für die inhaltsgleiche Regelung in § 28 TKG 1996 und § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der am 22. Juni 2004 außer Kraft getretenen Telekommunikations- Entgeltregulierungsverordnung vom 1. Oktober 1996 : Schuster/Stürmer, in: Büchner/Ehmer/Geppert/Kerkhoff/Piepenbrock/Schütz/Schuster, Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl. 2000, § 27 Rn. 28 f.; zu § 33 Abs. 1 und 4 TKG 2004, aber ausdrücklich auch für den vorherigen Rechtszustand: Hölscher/Lünenbürger, in: Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, § 33 Rn. 8, 41 f.).

22

Die allgemeine Amtsermittlungspflicht aus § 24 VwVfG wird hiernach durch eine dem antragstellenden Unternehmen auferlegte Mitwirkungslast im Sinne des § 26 Abs. 2 VwVfG begrenzt (vgl. Lübbig, in: Badura/v. Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern, a.a.O. § 22 Rn. 12 f. und zu §§ 28 TKG 1996, 2 TEntgV: Schuster/Stürmer, in: Büchner u.a., a.a.O. § 28 Rn. 15d, 15e). Dies geschieht, um der Regulierungsbehörde die von § 22 Abs. 2 PostG im Interesse des Unternehmens (BTDrucks 13/7774 S. 25; Lübbig, in: Badura/v. Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern, a.a.O. § 22 Rn. 26) geforderte Entscheidung innerhalb einer Frist von grundsätzlich nur sechs Wochen zu ermöglichen und innerhalb dieser Frist die Beteiligungsrechte Dritter - vor allem der nach § 44 Satz 2 PostG i.V.m. § 74 Abs. 2 Nr. 3 TKG 1996 auf Antrag beizuladenden Wettbewerber - zu wahren (vgl. zu §§ 28 TKG 1996, 2 TEntgV: Schuster/Stürmer, in: Büchner u.a., a.a.O. § 28 Rn. 15e).

23

Unterlagen und Nachweise, die das regulierte Unternehmen erst nach Abgabe des Antrags einreicht, muss die Regulierungsbehörde deshalb nur berücksichtigen, wenn dadurch die Einhaltung der Frist des § 22 Abs. 2 PostG und die Wahrung der Rechte Dritter nicht gefährdet werden. Eine solche Gefährdung wird regelmäßig nur ausgeschlossen werden können, wenn das Unternehmen unverzüglich nachbessert (zu §§ 28 TKG 1996, 2 TEntgV: Schuster/Stürmer, in: Büchner u.a., a.a.O. § 28 Rn. 4, 15e). Wenn die Regulierungsbehörde ihrerseits im Verlauf der Kostenprüfung Lücken oder Unstimmigkeiten der eingereichten Unterlagen und Nachweise erkennt, hat sie zu prüfen, ob sie innerhalb der für die Genehmigung verbleibenden Frist von dem Unternehmen noch eine nähere Aufklärung erreichen kann. Allerdings muss jedwede Aufklärungsmaßnahme mit dem im Interesse des regulierten Unternehmens äußerst eng gezogenen zeitlichen Rahmen des Entgeltgenehmigungsverfahrens und mit den in diesem Rahmen zu wahrenden Beteiligungsrechten Dritter vereinbar sein. Dies wird etwa dann angenommen werden können, wenn das Unternehmen das Gerüst für die Kostenprüfung im Wesentlichen bereitgestellt hat und lediglich noch konkretisierende Angaben fehlen, deren Prüfung keinen großen Zeitaufwand erfordert.

24

Ist nach diesen Maßgaben innerhalb der zur Verfügung stehenden Frist keine Vervollständigung der erforderlichen Unterlagen und Nachweise erreichbar und kann sich die Regulierungsbehörde die nötigen Informationen auch nicht ohne Weiteres - etwa durch einen Rückgriff auf aussagekräftige und geeignete Kostenunterlagen aus anderen Genehmigungsverfahren - selbst verschaffen, ist sie zur (teilweisen) Ablehnung des Entgeltantrags entsprechend den bestehenden Nachweislücken befugt und verpflichtet. Dies verdeutlicht die Vorschrift des § 2 Abs. 3 PEntgV. Wenn diese der Regulierungsbehörde ein Versagungsermessen bei nicht vollständiger Vorlage der erforderlichen Unterlagen und Nachweise einräumt, bringt sie damit lediglich den Vorrang einer behördlichen Selbstbeschaffung von Informationen vor einer Versagung der Genehmigung zum Ausdruck, lässt jedoch unberührt, dass über einen Entgeltantrag, soweit es diesem an der erforderlichen Datengrundlage fehlt, nicht positiv entschieden werden darf (so für die bedeutungsgleichen Bestimmungen in § 2 Abs. 3 TEntgV und § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG 2004: Urteil vom 25. November 2009 - BVerwG 6 C 34.08 - Buchholz 442.066 § 31 TKG Nr. 1 Rn. 29, Beschlüsse vom 16. Juni 2010 - BVerwG 6 B 81.09 - juris Rn. 6 und vom 30. Juni 2010 - BVerwG 6 B 7.10 - juris Rn. 10).

25

Genehmigungsfähig sind hiernach von vornherein nur diejenigen Entgelte, die das regulierte Unternehmen insbesondere im Hinblick auf die entstehenden Kosten vollständig durch die erforderlichen Nachweise und Unterlagen unterlegt hat. Das Unternehmen trägt die formelle Darlegungslast und insoweit grundsätzlich auch die materielle Beweislast für die Kostengerechtigkeit des zur Genehmigung gestellten Entgelts (für § 27 TKG 1996, §§ 2 und 3 TEntgV: Beschluss vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 6 B 70.05 - juris Rn. 9 f.; vgl. auch Beschluss vom 5. Januar 2006 - BVerwG 6 B 80.05 - BA S. 4 f.).

26

Da das regulierte Unternehmen seinen Obliegenheiten innerhalb der der Regulierungsbehörde zur Verfügung stehenden Entscheidungsfrist des § 22 Abs. 2 PostG genügen muss, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des beantragten Entgelts in einem gerichtlichen Verfahren über eine gegen eine Entgeltgenehmigung angestrengte (Verpflichtungs-) Klage der Abschluss des Verwaltungsverfahrens (zur Maßgeblichkeit der Sachlage bei Erlass einer angefochtenen telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung als Dauerverwaltungsakt: Urteil vom 14. Dezember 2011 - BVerwG 6 C 36.10 - Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 5 Rn. 26 f.; vgl. allgemein zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Klageverfahren durch das materielle Recht die Nachweise bei Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 90 ff.). Das Unternehmen kann deshalb im regulierungsbehördlichen Genehmigungsverfahren unvollständig gebliebene Nachweise und Unterlagen nicht im gerichtlichen Verfahren vervollständigen.

27

Auch von der Regulierungsbehörde kann das Unternehmen vor Ablauf der Geltungsdauer einer erteilten Entgeltgenehmigung nicht allein durch Stellung eines auf bisher nicht beigebrachte Nachweise und Unterlagen gestützten neuen Entgeltantrags die Genehmigung eines höheren Entgelts verlangen. Es muss vielmehr zuvor eine Aufhebung der bestehenden Genehmigung nach §§ 48, 49 VwVfG erreichen. Lediglich im Fall einer vollständigen Ablehnung eines Entgeltantrags auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 PEntgV ist wegen der nicht bestehenden Gefahr inhaltlich widersprüchlicher Entscheidungen ein Neuantrag ohne Bindung an die Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG möglich (vgl. dazu für das in gleicher Weise strukturierte telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigungsverfahren: Urteil vom 9. Mai 2012 - BVerwG 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 = Buchholz 442.066 § 37 TKG Nr. 4 Rn. 15 ff.).

28

bb) Von den in § 21 Abs. 3 Satz 1 PostG genannten bzw. in Bezug genommenen materiellen Entgeltgenehmigungsvoraussetzungen der Einhaltung des Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne des § 20 Abs. 1 PostG und des Aufschlagsverbots nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG kommt dem erstgenannten Maßstab eine selbständige und die im Ergebnis entscheidende Bedeutung zu. Nach der Entwicklung der Rechtsprechung des Senats im Telekommunikationsrecht, die sich nicht nur auf die neuere Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 2 TKG 2004 (dazu Urteile vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 = Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 1 Rn. 76 und vom 20. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 18.09 - Buchholz 442.066 § 28 TKG Nr. 3 Rn. 20), sondern auch auf die mit § 20 Abs. 1 und Abs. 2 PostG weithin wortgleichen Bestimmungen in § 24 Abs. 1 und Abs. 2 TKG 1996 (dazu Urteil vom 23. November 2011 - BVerwG 6 C 11.10 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 5 Rn. 33; Beschluss vom 16. Juni 2010 a.a.O. Rn. 5) bezieht, bestimmt der Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zugleich den Inhalt des Aufschlagsverbots bzw. rechtfertigt jedenfalls im Fall seiner Überschreitung für sich allein die (teilweise) Versagung der Entgeltgenehmigung.

29

Die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ergeben sich gemäß § 3 Abs. 2 PEntgV aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließlich eines dem unternehmerischen Risiko angemessenen Gewinnzuschlags und vorbehaltlich ihrer Notwendigkeit für die Leistungsbereitstellung. Jenseits dieser Grenzen sind Entgelte, auch soweit sie auf nachgewiesenen Kosten beruhen, in materieller Hinsicht grundsätzlich nicht genehmigungsfähig.

30

Etwas anderes gilt nur im Hinblick auf den in § 20 Abs. 2 Satz 1 a.E. PostG ausdrücklich aufgenommenen Vorbehalt einer nachgewiesenen rechtlichen Verpflichtung oder eines nachgewiesenen sonstigen sachlich gerechtfertigten Grundes, dessen Eingreifen nach § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 PEntgV zur Folge hat, dass auch für die effiziente Leistungsbereitstellung nicht notwendige und andere neutrale Aufwendungen in die Entgeltgenehmigung Eingang finden. Diesem allgemeinen Vorbehalt ordnen § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG und § 3 Abs. 4 Satz 3 PEntgV konkretisierend insbesondere die in angemessener Weise zu berücksichtigenden Kosten für die wesentlichen, im lizenzierten Bereich üblichen Arbeitsbedingungen, für die flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen und für die Versorgungslasten der Beschäftigten der ehemaligen Deutschen Bundespost zu. Bereits nach dem Wortlaut dieser Zuordnung haben die in ihr genannten Kosten nur einen beispielhaften Charakter. Nach dem Willen des Gesetzgebers (Begründung für den Vorschlag des Bundesrates zur Änderung des Gesetzentwurfs, auf den die zum Gesetz gewordene Fassung im Wesentlichen zurückgeht, BTDrucks 13/7774 S. 39) sollen hierdurch unter Aufhebung der in dem allgemeinen Vorbehalt enthaltenen Beweislastverteilung alle Sonderverpflichtungen erfasst werden, denen die Deutsche Post AG - die Klägerin - unterworfen ist, soweit sie diese nicht durch zusätzliches ineffektives Wirtschaften erhöht hat (für diese Einschränkung: Sedemund, in: Badura/v. Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern, a.a.O. § 20 Rn. 135). Das größte Gewicht kommt dabei den Sonderlasten zu, die sich daraus ergeben, dass unter anderem der Klägerin verfassungsrechtlich durch Art. 143b GG und gesetzlich durch § 2 Abs. 1 und 3 des Postumwandlungsgesetzes sowie §§ 2, 14 ff., 21 ff. des Postpersonalrechtsgesetzes (in der Ursprungsfassung Art. 3 und 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation vom 14. September 1994, BGBl S. 2325) die Übernahme des Vermögens und des Personals der vormaligen Deutschen Bundespost auferlegt worden ist (Sedemund, in: Badura/v. Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern, a.a.O. § 20 Rn. 39 f., 127 ff., 135 f., Anh. § 21<§ 2 Rn. 16, 18>).

31

Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob und inwieweit bei der Bestimmung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung als dem zentralen Maßstab der regulierungsbehördlichen Entgeltkontrolle im Post- und Telekommunikationssektor ein Beurteilungsspielraum besteht, ist in der Rechtsprechung des Senats bisher nicht abschließend geklärt. Der Senat hat lediglich entschieden (Urteil vom 24. Juni 2009 - BVerwG 6 C 19.08 - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 3 Rn. 21, Beschluss vom 30. Juni 2010 a.a.O. Rn. 4), dass bei der Überprüfung von Kostenpositionen auf Richtigkeit und Erforderlichkeit, wie sie die Effizienzkontrolle regelmäßig kennzeichnen, die Anerkennung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren behördlichen Entscheidungsspielraums jedenfalls nicht durchgängig geboten, sondern allenfalls in Bezug auf abgrenzbare Teilaspekte angezeigt ist. In Betracht kommen nur in besonderer Weise durch eine Abwägung gegenläufiger Regulierungsziele sowie ökonomische Wertungen und Prognosen geprägte Elemente der Kostenkontrolle, die - wie die weiteren Darlegungen ergeben werden - hier nicht in Rede stehen.

32

Die Anerkennung eines weitergehenden behördlichen Letztentscheidungsrechts ist auch in dem Urteil des Senats vom 23. November 2011 (a.a.O. Rn. 36 ff.) nicht angelegt. Zwar hat der Senat dort zu § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 im Zusammenhang mit der Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen im Rahmen der Genehmigung von Entgelten für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung ausgeführt, der Regulierungsbehörde stehe bezogen auf das Erfordernis, Entgelte an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren, ein - auf der Nahtstelle zum Regulierungsermessen stehender - Beurteilungsspielraum zu. Hierdurch hat der Senat jedoch lediglich die Vorgaben, die der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 24. April 2008 - Rs. C-55/06 - (Slg. 2008, I-2931) für die in Rede stehende Berechnung im Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (ABl EU Nr. L 336 S. 4) - das heißt in Bezug auf den Zugang durch Kupferleitungen - entwickelt hatte, auf die unionsrechtlich nicht geregelte Bemessung der Entgelte für den Zugang durch Glasfaserleitungen auf Grund der allgemeinen telekommunikationsrechtlichen Kostenvorschrift übertragen. Eine über diese begrenzte Problematik hinausgehende Bedeutung kommt der Entscheidung nicht zu.

33

b) Nach diesen Maßstäben kann die Klägerin die Genehmigung eines Entgelts für die Gewährung des Postfachzugangs beanspruchen, das die von ihr geltend gemachten Personalkosten des UB Filiale und des UB Brief mit Ausnahme der für das Jahr 2002 vorgesehenen Steigerung (aa) und von den angesetzten Zuschlägen für Gemeinkosten in den beiden Unternehmensbereichen diejenigen für Sach- und Kapitalkosten (bb), nicht jedoch diejenigen für Abteilungsleitung (cc) und für Leitung und Service (dd) umfasst. Weiter anzuerkennen sind die von der Klägerin für die Agenturen aufgewandten Kosten (ee), wogegen die Klägerin die Anerkennung der von ihr vorgenommenen Kostengewichtung (ff) sowie eines Gewinnzuschlags (gg) nicht verlangen kann.

34

aa) Die Personalkosten des UB Filiale und des UB Brief hat die Klägerin mit Personalkostenstundensätzen von ... DM bzw. ... DM ausgewiesen und mittels zwischen den Beteiligten nicht umstrittener Zeitansätze dem Postfachzugang als Einzelkosten im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 PEntgV in Gestalt fixer und variabler Annahmekosten sowie variabler Einsortierungskosten zugeordnet. Demgegenüber hat die Regulierungsbehörde unbeanstandet von dem Oberverwaltungsgericht lediglich Personalkostenstundensätze von ... DM bzw. ... DM anerkannt. Die Diskrepanz beruht darauf, dass die Regulierungsbehörde die von der Klägerin ermittelten Ausgangswerte für die Bestimmung der Personalkostenstundensätze und die von der Klägerin für das Jahr 2002 zu Grunde gelegte Personalkostensteigerung gekürzt hat. Die Kürzung der Ausgangswerte ist rechtswidrig (aaa), wogegen die Verminderung der für das Jahr 2002 prognostizierten Personalkostensteigerung nicht zu beanstanden ist (bbb).

35

aaa) Die von der Klägerin mit ... DM pro Stunde in dem UB Filiale und von ... DM pro Stunde in dem UB Brief errechneten Ausgangswerte hat die Regulierungsbehörde unter Berufung auf eine nicht nachvollziehbare Abweichung von den Ansätzen des Verfahrens aus dem Jahr 2001 und die Einbeziehung der nach der Besoldungsgruppe A 8 bzw. tariflich in entsprechender Weise vergüteten Kräfte auf Stundensätze von ... DM bzw. ... DM herabgesetzt. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

36

Die Klägerin hat die von ihr angesetzten Personalkosten in formeller Hinsicht mit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 PEntgV hinreichenden Kostennachweisen belegt. Sie hat in dem Entgeltantrag und nochmals mit Schreiben vom 3. Januar 2002 auf die unter dem 12. Dezember 2001 gehaltene schriftliche Nachfrage der Regulierungsbehörde hin dargetan, dass sie für die Bestimmung der Ausgangswerte darauf abgestellt hat, welche Besoldungs- und Tarifgruppen in dem Personalbestand, der in den von ihr betriebenen Postfachanlagen für den Postfachzugang tätig wird, überhaupt - das heißt unabhängig von der Zusammensetzung des Personals in einzelnen Anlagen - vertreten sind. Diese Besoldungs- und Tarifgruppen - solche bis zur Besoldungsgruppe A 8 bzw. der entsprechenden Tarifgruppe - hat sie in Entsprechung zu deren Anteil an dem gesamten Personalbestand in dem UB Filiale bzw. dem UB Brief mit den in der Kosten- und Ergebnisrechnung des Jahres 2000 ausgewiesenen Personalkosten bei der Berechnung des Stundensatzes berücksichtigt.

37

Die derart belegten Kosten entsprechen auch materiell dem - erweiterten - Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung aus § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 a.E. und 2 PostG sowie § 3 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 und 3 PEntgV.

38

Die Klägerin hat die Personalkosten, die ihr für die Gewährung des Postfachzugangs entstehen, im Sinne eines Vollkostenansatzes nach der tatsächlichen Personalkostenstruktur in dem UB Filiale und dem UB Brief bestimmt. Dass dieser Vollkostenansatz als solcher einen anerkannten betriebswirtschaftlichen Grundsatz zur Kostenermittlung und Kostenberechnung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 PEntgV darstellt und damit zur Ausfüllung des Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung geeignet ist, stellt auch die Beklagte der Sache nach nicht in Abrede. Denn die Regulierungsbehörde hat in dem angefochtenen Beschluss nicht nur die von der Klägerin im Rahmen des hiesigen Verfahrens erstmals zur Genehmigung gestellte zweigliedrige Entgeltstruktur - das heißt die Kombination aus einem fixen, sendungsmengenunabhängigen und einem variablen, sendungsmengenabhängigen Entgeltanteil - akzeptiert, die von ihrer Anlage her einen Vollkostenansatz voraussetzt. Die Behörde hat vielmehr zusätzlich hervorgehoben, das zweigliedrige Entgelt sei kostengerechter als ein auf Grund der Annahme einer bestimmten Sendungsmenge berechnetes Pauschalentgelt. Sie hat sich damit zugleich gegen die als Alternative zu einem Vollkostenansatz in Betracht kommende Orientierung an den nach einem Teilkostenansatz bestimmten Stückkosten gewandt. Denn eben diese Kalkulationsmethode lag dem von der Behörde mit dem Begriff des Pauschalentgelts in Bezug genommenen eingliedrigen, pro eingelieferter Sendung bemessenen (Stück-) Entgelt zu Grunde, das die Klägerin in der Vergangenheit für den - unter anderem in dem Verfahren aus dem Jahr 2001 - nach § 31 Abs. 2 PostG angeordneten Postfachzugang erhoben hatte.

39

Um diesen von ihr im Grundsatz anerkannten Gleichlauf zwischen zweigliedrigem Entgelt und Vollkostenansatz bei der konkreten Berechnung der Ausgangswerte für die Bestimmung der Personalkostenstundensätze einzuhalten, hätte die Regulierungsbehörde nicht systemwidrig auf den für das frühere eingliedrige Entgelt der Klägerin verwandten Stück- bzw. Teilkostenansatz zurückgreifen dürfen. Dies hat sie jedoch getan, indem sie die von der Klägerin ausgewiesenen Sätze denjenigen des Verfahrens aus dem Jahr 2001 angeglichen hat.

40

Soweit die Regulierungsbehörde den von der Klägerin für den UB Filiale und den UB Brief geltend gemachten Personalkosten die Anerkennung unter Verweis auf einen nicht kosteneffizienten Einsatz von nach der Besoldungsgruppe A 8 oder entsprechend tariflich vergüteten Kräften versagt hat, kann dies ebenfalls keinen Bestand haben.

41

Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht mit für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindender Wirkung festgestellt, dass die berufliche Qualifikation, die den in der beschriebenen Weise vergüteten Mitarbeitern der Klägerin zur Verfügung steht, für die Ausführung der mit dem Postfachzugang verbundenen Tätigkeiten nicht erforderlich ist. Wäre allein dieser Umstand maßgeblich, träfe die Beurteilung der Regulierungsbehörde zu, dass die insofern aufgewandten Personalkosten nicht dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne des § 20 Abs. 1 PostG und des § 3 Abs. 2 PEntgV entsprechen. Denn Sinn des Effizienzmaßstabs in seiner reinen Form ist es, einen Als-ob-Wettbewerbspreis zu simulieren, das heißt mit dem regulierten Entgelt den Preis vorwegzunehmen, der sich in einem wirksamen Wettbewerbsumfeld durch den Zwang zu optimaler Nutzung der vorhandenen Ressourcen auf Grund der Marktkräfte einstellen würde (vgl. für das Telekommunikationsrecht: Urteile vom 24. Juni 2009 - BVerwG 6 C 19.08 - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 3 Rn. 18 und vom 25. November 2009 - BVerwG 6 C 34.08 - Buchholz 442.066 § 31 TKG Nr. 1 Rn. 19). Ein Einsatz von für die konkrete Aufgabenwahrnehmung überqualifizierten und entsprechend zu hoch entlohnten Kräften wäre auf einem funktionierenden Markt unwirtschaftlich und damit auf Dauer nicht darstellbar.

42

Hiermit kann es jedoch in Anbetracht der normativen Erweiterungen des Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung - vor allem in Gestalt der Vorschriften des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG und des § 3 Abs. 4 Satz 3 PEntgV - nicht sein Bewenden haben. Wie bereits dargelegt, besteht der Zweck dieser Regelungen unter anderem darin, die Berücksichtigungsfähigkeit der Sonderlasten, die sich für die Klägerin aus der Übernahme des Personals der vormaligen Deutschen Bundespost ergeben, im Rahmen der Genehmigung postrechtlicher Entgelte sicherzustellen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die in den Vorschriften ausdrücklich genannten Versorgungslasten, sondern auch generell für ein erhöhtes Niveau der Personalkosten aus den übernommenen Beamtenverhältnissen und Arbeitsverträgen (Sedemund, in: Badura/v. Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern, a.a.O. § 20 Rn. 129).

43

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig und daher im Revisionsverfahren auch ohne entsprechende tatrichterliche Feststellung zu beachten, dass nach der Besoldungsgruppe A 8 oder in entsprechender Weise tariflich vergütete Kräfte, die - jedenfalls was die Beamten anbelangt - zwingend aus dem Kreis der früheren Bundespostbediensteten stammen müssen, in dem UB Filiale und dem UB Brief vorhanden sind und dort jedenfalls auch für die Gewährung des Postfachzugangs eingesetzt werden. Diese Tätigkeit entspricht nach der tatsächlichen Feststellung des Oberverwaltungsgerichts nicht der beruflichen Qualifikation der Betroffenen. Dieser Sachverhalt bildet eine hinreichende Grundlage dafür, den nicht effizienten Einsatz der in Rede stehenden Bediensteten - für die Beamten auch unter Berücksichtigung von § 6 Postpersonalrechtsgesetz - der überkommenen Personalstruktur der Klägerin zuzuordnen und deshalb die insoweit entstehenden Personalkosten im Rahmen der der Klägerin zu erteilenden Entgeltgenehmigung zu berücksichtigen. Denn der Gesetzgeber wollte, wie bereits ausgeführt, mit der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG, die durch § 3 Abs. 4 Satz 3 PEntgV aufgenommen wird, der Klägerin vor allem die Geltendmachung der mit den Sonderlasten aus der Rechtsnachfolge der Deutschen Bundespost verbundenen Kosten erleichtern und ihr insbesondere insoweit keine Beweislast auferlegen (vgl. dazu: Sedemund, in: Badura/v. Danwitz/Herdegen/Sedemund/Stern, a.a.O. § 20 Rn. 136, Anh. § 21, § 2 PEntgV, Rn. 24).

44

bbb) Die Klägerin hat in ihrem Entgeltantrag für das Jahr 2002 eine Personalkostensteigerung von ... % zu Grunde gelegt. Demgegenüber hat die Regulierungsbehörde nur eine Steigerung von ... % anerkannt und darauf verwiesen, die Klägerin habe in ihrer der Behörde bekannten internen Personalplanung jedenfalls für den UB Brief lediglich eine Personalkostensteigerung von ... % prognostiziert. Das Oberverwaltungsgericht hat die Kürzung tragend mit der Begründung bestätigt, die Klägerin habe die von ihr angesetzte höhere Steigerungsrate nicht mit belastbaren Zahlenwerten belegt. Die Klägerin ist mit der von ihr angesetzten Steigerungsrate zu Recht nicht durchgedrungen.

45

Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin schon die tatsächliche Grundlage für die von ihr prognostizierte Personalkostensteigerung nicht in der von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 PEntgV geforderten Weise nachgewiesen hat. Denn sie hat in ihrem Entgeltantrag insoweit lediglich auf ihre interne Planung verwiesen. Konkretisierende Belege für diese pauschale Angabe hat sie trotz entsprechender Aufforderung der Regulierungsbehörde vom 12. Dezember 2001 auch im Rahmen ihres Schreibens vom 3. Januar 2002 im Genehmigungsverfahren im Ergebnis nicht beigebracht.

46

bb) Die von ihrem Entgeltantrag als Gemeinkosten für den UB Filiale und den UB Brief erfassten Sach- und Kapitalkosten - letztere beschränkt auf Abschreibungen - hat die Klägerin in Form von prozentualen Zuschlägen auf die von ihr errechneten Personalkosten geltend gemacht. Sie hat für Sachkosten im UB Filiale ... % und im UB Brief ... % sowie für Kapitalkosten im UB Filiale ... % und im UB Brief ... % angesetzt. Die Regulierungsbehörde hat stattdessen für beide Kostenarten entsprechend der Handhabung in dem Verfahren aus dem Jahr 2001 nur einen einheitlichen Zuschlag von ... DM pro eingelieferter Sendung bewilligt. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das diese behördliche Entscheidung bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts stattgegeben und die prozentualen Zuschläge anerkannt. Diese Anerkennung ist nicht zu beanstanden.

47

Die Klägerin hat die entstehenden Sach- und Kapitalkosten in Form der ausgeworfenen Zuschläge als Gemeinkosten entsprechend den Anforderungen aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 PEntgV belegt und dem Postfachzugang zugeordnet. Die Klägerin hat in ihrem Entgeltantrag eingehend beschrieben, dass und wie sie im Rahmen der Kalkulation ihres zweigliedrigen Entgelts die Zuschläge auf Grund eines Vollkostenansatzes berechnet hat. Sie ist danach zu den genannten Prozentsätzen gelangt, indem sie bezogen auf alle den Postfachzugang gewährenden Organisationseinheiten des UB Filiale und des UB Brief auf der Grundlage der Werte der Kosten- und Ergebnisrechnung für das Jahr 2000 das Verhältnis zwischen den gesamten unmittelbaren Personalkosten dieser Einheiten sowie deren gesamten postfachbezogenen Sachkosten und gesamten unmittelbaren Abschreibungen gebildet hat. Die Klägerin hat weiter ausgeführt, dass sich die Abschreibungen in den betroffenen Einheiten des UB Filiale im Wesentlichen auf Schalteranlagen, IT-Einrichtungen und Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie in denjenigen des UB Brief im Wesentlichen auf Gebäude, IT-Einrichtungen und Betriebsausstattung bezogen. Sie hat hierzu jeweils gerundete Beträge angegeben. Die Klägerin hat ferner dargelegt, dass sie bei den Sachkosten der betroffenen Einheiten im UB Filiale Aufwendungen für Kassendifferenzen und im UB Brief Ausgaben für fremdbezogene Leistungen als nicht postfachbezogen unberücksichtigt gelassen hat, so dass im UB Filiale im Wesentlichen Aufwendungen für Reise- und Fahrtkosten, Dienstbedarf, Telekommunikation und Energie und Reinigung sowie im UB Brief vor allem Aufwendungen für Reise- und Fahrtkosten, Dienstbedarf, Dienstkleidung, Telekommunikation, Instandhaltung und Energie und Reinigung in die Berechnung des Zuschlagswertes eingegangen sind. Auch diese Angaben hat die Klägerin mit gerundeten Beträgen unterlegt. Diese Darlegungen reichen in formeller Hinsicht aus. Das Prinzip für die Kalkulation und die Zuordnung der Kosten wird durch diese Angaben hinreichend verdeutlicht. Die von der Beklagten im Revisionsverfahren erhobene Forderung nach einer weitaus detaillierteren Aufschlüsselung und letztlich einer Gesamtschau sämtlicher in dem Unternehmen der Klägerin anfallenden Kosten führt ersichtlich zu weit.

48

Die Zuschläge sind in der von der Klägerin ermittelten Höhe auch materiell angemessen im Sinne des § 3 Abs. 2 PEntgV und damit Teil der in dieser Vorschrift definierten Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung gemäß § 20 Abs. 1 PostG. Die hierzu von der Regulierungsbehörde in dem angefochtenen Beschluss und von der Beklagten im Gerichtsverfahren erhobenen Einwände gehen ins Leere.

49

Die Beklagte gesteht zu, dass das Verfahren, Gemeinkosten im Wege der Zuschlagskalkulation den Personalkosten zuzuordnen, ein in der betrieblichen Praxis weit verbreitetes und aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht zu beanstandendes Kalkulationsverfahren darstellt. Die Methode ist überdies eng mit der auf einem Vollkostenansatz beruhenden zweigliedrigen Struktur des von der Klägerin zur Genehmigung gestellten Entgelts verbunden, die die Beklagte, wie bereits ausgeführt, ebenfalls im Grundsatz akzeptiert hat. Hiernach ist es - noch deutlicher als in dem bereits dargestellten Zusammenhang der Personalkosten - bereits im Ausgangspunkt verfehlt, wenn die Beklagte die Höhe der von der Klägerin angesetzten Sach- und Kapitalkosten durch einen Vergleich mit den Ansätzen für diese Kosten in dem Verfahren aus dem Jahr 2001 in Frage zu stellen sucht. Denn Gegenstand jenes Verfahrens war anders als hier keine aus einem fixen, sendungsmengenunabhängigen und einem variablen, sendungsmengenabhängigen Teil zusammengesetzte, auf einem Vollkostenansatz und in Bezug auf die Gemeinkosten auf einer Zuschlagskalkulation beruhende Vergütung. Das seinerzeitige Verfahren bezog sich vielmehr auf ein eingliedriges, pro eingelieferter Sendung bemessenes und an den nach einem Teilkostenansatz bestimmten Stückkosten orientiertes (Stück-) Entgelt. Systemimmanente Einwendungen gegen die Effizienz der von der Klägerin als Gemeinkosten geltend gemachten Sach- und Kapitalkosten hat weder die Beklagte erhoben noch sind diese sonst ersichtlich.

50

cc) Als weitere Art von Gemeinkosten hat die Klägerin für den UB Filiale und den UB Brief in ihrem Entgeltantrag Kosten der Abteilungsleitung (Filialbezirksleitung bzw. Abteilungsleitung Auslieferung) ausgewiesen. Sie hat diese als Zuschläge auf sämtliche zuvor dargestellten Kosten in Höhe von ... % in dem UB Filiale und ... % in dem UB Brief angesetzt. Die Regulierungsbehörde ist dem nicht gefolgt und hat wiederum in Anlehnung an das Verfahren aus dem Jahr 2001 nur einen weiteren Zuschlag von ... DM pro eingelieferter Sendung anerkannt. Dies hat vor dem Oberverwaltungsgericht Bestand gehabt. Hiergegen ist im Ergebnis nichts zu erinnern.

51

Die Klägerin hat für diese Gemeinkosten bereits die formellen Genehmigungsvoraussetzungen aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 PEntgV verfehlt. Sie hat zwar in dem Entgeltantrag nachvollziehbar beschrieben, dass sie die prozentualen Zuschläge für die Erhebung dieser Kosten berechnet hat, indem sie nach den Werten der Kosten- und Ergebnisrechnung für das Jahr 2000 die von ihr als postfachrelevant erachteten Kosten der Filialbezirksleitung bzw. der Abteilungsleitung Auslieferung in Relation zu den unmittelbaren Kosten der Leistungserstellung in ihren sämtlichen Filialen - ergänzt um die Vergütungen für die Agenturen - bzw. in der Auslieferung gesetzt hat.

52

Der Klägerin hätte es jedoch darüber hinaus oblegen, jedenfalls in einem Maße, wie sie es im Hinblick auf die Zuschläge für Sach- und Kapitalkosten erfüllt hat, die Bestandteile der Bezugsgrößen für die Zuschlagsberechnung - hier also der Kosten der Filialbezirksleitung bzw. der Abteilungsleitung Auslieferung einerseits und der unmittelbaren Kosten der Leistungserstellung andererseits - anzugeben. Dies hat sie versäumt. Weiterhin hat die Klägerin ungeachtet des von ihr zu Grunde gelegten Vollkostenansatzes sowohl bei der Berechnung der Zuschläge für Sach- und Kapitalkosten als auch bei der hier in Rede stehenden Berechnung der Zuschläge für Kosten der Abteilungsleitung jeweils als nicht postfachbezogen eingestufte Kostenpositionen aus der Kalkulation ausgesondert. Diese Positionen hat sie hier anders als dort jedoch nicht benannt. In Anbetracht dieser gravierenden Unvollständigkeit der Kostenunterlagen bestand in dem fristgebundenen Genehmigungsverfahren kein Raum für eine weitere behördliche Aufklärung.

53

dd) Als dritte Art von Gemeinkosten hat die Klägerin für den UB Filiale und den UB Brief in ihrem Entgeltantrag Kosten für Leitung und Service durch Zuschläge von ... % bzw. ... % auf die zuvor ermittelten Kosten geltend gemacht. Die Regulierungsbehörde hat auch diesen Ansatz verworfen und eine relevante Kostenbelastung durch den von ihr für die Kosten der Abteilungsleitung zugebilligten Zuschlag von ... DM pro eingelieferter Sendung erfasst gesehen. Das Oberverwaltungsgericht hat dies nicht beanstandet. Dieses Entscheidungsergebnis hat Bestand.

54

Dem Entgeltantrag der Klägerin fehlt es wie im Fall der Kosten der Abteilungsleitung an der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 PEntgV erforderlichen Datengrundlage. Zwar ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin wieder die von ihr angewandte Methode für die Berechnung der Zuschläge. Denn nach den Erläuterungen in ihrem Entgeltantrag hat sie hierzu auf der Grundlage der Kosten- und Ergebnisrechnung des Jahres 2000 die Kosten für Leitung und Service für die Unternehmensbereiche Filiale und Brief in Bezug zu den gesamten Wertschöpfungskosten in diesen Bereichen gesetzt.

55

Die Klägerin hat aber auch hier die Bezugsgrößen der Zuschlagskalkulation nicht mit der für die materielle Kostenprüfung erforderlichen Detailliertheit umschrieben. Für sie war ohne Weiteres erkennbar, dass sich diese Prüfung in Anbetracht der beträchtlichen Höhe der ausgeworfenen Gemeinkostenzuschläge vor allem auf die Frage zu erstrecken hatte, ob sich hinter den als Gemeinkosten behandelten Daten etwa Positionen verbargen, die als Einzelkosten hätten behandelt werden müssen. Insoweit reicht die Angabe von 21 bzw. 26 in ihrer Bezeichnung überdies nicht durchweg verständlicher Kostenpositionen für den UB Filiale bzw. den UB Brief in dem Entgeltantrag nicht aus. Zudem hat die Klägerin wiederum ihrer Einschätzung nach nicht postfachbezogene Kostenpositionen bei der Berechnung des Zuschlags nicht berücksichtigt, diese jedoch in offensichtlicher Weise nicht abschließend benannt und auch insoweit keine tragfähige Grundlage für eine Überprüfung zur Verfügung gestellt.

56

ee) Die Kosten für die Agenturen hat die Klägerin in ihrem Entgeltantrag auf der Grundlage der mit ihren Partnern geschlossenen Verträge angesetzt. Der Kostenansatz stimmt in seiner Struktur mit den Ansätzen für den UB Filiale und den UB Brief insoweit überein, als die Kosten der Einsortierung von Postfachsendungen variabel bestimmt sind. Demgegenüber wird anders als bei den eigenen Unternehmensbereichen der Klägerin hinsichtlich der Kosten der Annahme von Postfachsendungen nicht zwischen einem fixen und einem variablen Kostenbestandteil unterschieden, sondern nur ein Fixbetrag ausgewiesen. Die Regulierungsbehörde hat den Kostenansatz der Klägerin für die Agenturen unabhängig von seiner Struktur wegen seiner Höhe als unvereinbar mit dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung bewertet, weil er die Kosten des Postfachzugangs selbst im Vergleich mit dem gegenüber dem UB Brief teureren UB Filiale überschreite. Die Behörde hat die Kosten der Agenturen im Wesentlichen nach den Maßgaben der von ihr für den UB Filiale festgelegten Konditionen berücksichtigt. Das Oberverwaltungsgericht ist dem beigetreten. Diese Entscheidung kann keinen Bestand haben.

57

Die Klägerin kann die Anerkennung ihrer Kostenansätze für die Agenturen beanspruchen. Sie hat in formeller Hinsicht nachgewiesen, dass ihr die entsprechenden Kosten auf Grund der vertraglichen Absprachen mit ihren Partnern entstehen. Materiell können die Kosten nicht als ineffizient beurteilt werden.

58

Die Argumentation, die Agenturen verursachten nach den Ansätzen der Klägerin höhere Kosten für den Postfachzugang als die Aufgabenerledigung durch die Klägerin selbst, und sei es durch den im Vergleich zu dem UB Brief teureren UB Filiale, ist nicht haltbar. Bei einem abstrakten Vergleich der von der Klägerin für die Agenturen und für den UB Filiale ausgeworfenen Kostensätze sind die Kosten der Agenturen zwar im Hinblick auf die fixen Kosten der Annahme höher als diejenigen des UB Filiale. Allerdings ist bereits insoweit zu berücksichtigen, dass bei den Agenturen keine variablen Kosten der Annahme anfallen. Was die Kosten der Einsortierung anbelangt, sind die Agenturen dann deutlich günstiger als der UB Filiale. Zudem hat die Klägerin von der Beklagten unwidersprochen vorgetragen, in der praktischen Anwendung wirke sich die unterschiedliche Gewichtung von fixen und variablen Elementen in der Kostenkalkulation für die Agenturen einerseits und für die eigenen Unternehmensbereiche der Klägerin andererseits dahingehend aus, dass die Kosten in den Agenturen bereits ab einer Menge von 18 Sendungen pro Einlieferungsvorgang unter denjenigen des UB Filiale lägen und dass diese Grenze selbst im Hinblick auf den kostengünstigeren UB Brief immerhin schon bei 72 Sendungen erreicht werde. Diese Auswirkungen der eigenständigen Kostenkalkulation der Klägerin für die Agenturen sind im Rahmen des Maßstabs der effizienten Leistungsbereitstellung hinzunehmen.

59

ff) Die unterschiedlichen Kostensätze des UB Filiale, des UB Brief und der Agenturen hat die Klägerin in ihrem Entgeltantrag gewichtet und zu einem Fixbetrag pro Einlieferungsvorgang und einem variablen Betrag pro eingelieferter Sendung zusammengeführt. Sie hat für diese Gewichtung ... Postfächer (... %) dem UB Filiale, ... Postfächer (... %) dem UB Brief und ... Postfächer (... %) den Agenturen zugewiesen. Die Regulierungsbehörde hat diese Gewichtung zu Gunsten des kostengünstigeren UB Brief verschoben und die Postfächer nach Art einer Mischkalkulation zu ... % dem UB Filiale, zu ... % dem UB Brief und zu ... % den Agenturen zugeordnet. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Gewichtung übernommen. Es besteht kein Anlass für eine Korrektur seitens des Senats.

60

Die Klägerin hat die beantragte, für sie günstige Gewichtung mit dem Schwerpunkt auf dem UB Filiale nicht mit hinreichenden Nachweisen und Unterlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 PEntgV belegt. Die Regulierungsbehörde hat ihr im Genehmigungsverfahren mit Schreiben vom 12. Dezember 2001 vorgehalten, sie habe in dem Verfahren aus dem Jahr 2001 dem UB Brief weitaus größeres Gewicht als in dem aktuellen Entgeltantrag beigemessen. Die Klägerin hat dies mit Schreiben vom 3. Januar 2002 vor allem damit gerechtfertigt, sie habe nunmehr anders als seinerzeit nicht auf die Postfachanlagen und deren Standort abgestellt, sondern die Anzahl der Postfächer in den Blick genommen und es für entscheidend erachtet, welchem Bereich die Kräfte zuzuordnen seien, die die Leistung des Postfachzugangs bezogen auf die Postfächer tatsächlich erbrächten. Die überwiegende Zahl der briefbetriebenen Postfächer werde wegen einer bestehenden Verbindung mit einem Filialstandort und der eingeschränkten Sortierzeiten des Personals des UB Brief faktisch nahezu ausschließlich von Kräften des UB Filiale betreut. Auf weitere Nachfrage der Regulierungsbehörde in der mündlichen Verhandlung vom 8. Januar 2002 hin hat die Klägerin mit Schreiben vom 16. Januar 2002 insbesondere Angaben zur Lage der Sortierzeiten in dem UB Brief gemacht, jedoch keinen näheren Bezug zu bestimmten Mengen von Postfachsendungen hergestellt.

61

Diese Angaben gestatten nur den Schluss, dass die Klägerin durch das Abstellen auf die Zuordnung des tatsächlich mit dem Postfachzugang befassten Personals zwar ein geeignetes Kriterium für die Gewichtung der in dem UB Filiale, dem UB Brief und den Agenturen entstehenden Kosten gefunden haben mag, dass sie dieses aber nicht durch belastbare Nachweise ausfüllen konnte. Durch den Umstand, dass die Regulierungsbehörde das Kriterium - wenn auch nicht in dem von der Klägerin beantragten Ausmaß - übernommen hat, wird die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

62

gg) Als letzte Position hat die Klägerin in ihrem Entgeltantrag einen Gewinnzuschlag von ... % in Ansatz gebracht. Die Regulierungsbehörde hat diesem Zuschlag die Anerkennung versagt, das Oberverwaltungsgericht ist dem gefolgt. Diese Entscheidungen sind zu Recht ergangen.

63

Zwar umfasst der Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Postsektor nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 3 Abs. 2 PEntgV auch einen dem unternehmerischen Risiko angemessenen Gewinnzuschlag und ist hier vom Ansatz her weiter gefasst als im Telekommunikationssektor, für den § 32 Abs. 1 Satz 1 TKG 2004 - wie zuvor schon § 3 Abs. 2 TEntgV - nur eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals vorsieht. Die Klägerin kann den begehrten Zuschlag jedoch bereits deshalb nicht verlangen, weil sie im Genehmigungsverfahren keinerlei Nachweise zum Beleg eines entsprechenden Anspruchs beigebracht, sondern sich auf die Bemerkung beschränkt hat, sie betrachte den Zuschlag in der genannten Höhe als angemessen.

64

c) Nach alledem ist das der Klägerin zustehende Entgelt wie folgt zu berechnen:

65

...

66

...

67

...

68

...

69

...

70

...

71

Im Ergebnis kann die Klägerin danach die Genehmigung eines Entgelts in Höhe von netto 2,04 DM (1,04 €) pro Einlieferungsvorgang und von netto 0,08 DM (0,04 €) pro eingelieferter Sendung beanspruchen.

72

3. Aus den bisherigen Darlegungen folgt zugleich, dass das Oberverwaltungsgericht, soweit es in Bezug auf die Gemeinkostenzuschläge für Sach- und Kapitalkosten in dem UB Filiale und dem UB Brief dem durch den angefochtenen regulierungsbehördlichen Beschluss vom 6. Februar 2002 nicht erfüllten Genehmigungsanspruch der Klägerin Rechnung getragen hat, die Sache hätte spruchreif machen und die Beklagte zur Erteilung einer entsprechenden Genehmigung hätte verpflichten müssen und sich nicht auf den Erlass eines bloßen Bescheidungsurteils beschränken durfte.

73

Ein Beurteilungsspielraum steht, wie ausgeführt, nicht inmitten. Auch bedarf es für die Errechnung des der Klägerin zustehenden Entgelts auf der Grundlage der anzuerkennenden Kostenpositionen keiner neuerlichen Befassung der Regulierungsbehörde.

(1) Namentlich ist zu melden:

1.
der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod in Bezug auf die folgenden Krankheiten:
a)
Botulismus,
b)
Cholera,
c)
Diphtherie,
d)
humane spongiforme Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen,
e)
akute Virushepatitis,
f)
enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS),
g)
virusbedingtes hämorrhagisches Fieber,
h)
Keuchhusten,
i)
Masern,
j)
Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis,
k)
Milzbrand,
l)
Mumps,
m)
Pest,
n)
Poliomyelitis,
o)
Röteln einschließlich Rötelnembryopathie,
p)
Tollwut,
q)
Typhus abdominalis oder Paratyphus,
r)
Windpocken,
s)
zoonotische Influenza,
t)
Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19),
u)
durch Orthopockenviren verursachte Krankheiten,
1a.
die Erkrankung und der Tod in Bezug auf folgende Krankheiten:
a)
behandlungsbedürftige Tuberkulose, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt,
b)
Clostridioides-difficile-Infektion mit klinisch schwerem Verlauf; ein klinisch schwerer Verlauf liegt vor, wenn
aa)
der Erkrankte zur Behandlung einer ambulant erworbenen Clostridioides-difficile-Infektion in eine medizinische Einrichtung aufgenommen wird,
bb)
der Erkrankte zur Behandlung der Clostridioides-difficile-Infektion oder ihrer Komplikationen auf eine Intensivstation verlegt wird,
cc)
ein chirurgischer Eingriff, zum Beispiel Kolektomie, auf Grund eines Megakolons, einer Perforation oder einer refraktären Kolitis erfolgt oder
dd)
der Erkrankte innerhalb von 30 Tagen nach der Feststellung der Clostridioides-difficile-Infektion verstirbt und die Infektion als direkte Todesursache oder als zum Tode beitragende Erkrankung gewertet wurde,
2.
der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn
a)
eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt,
b)
zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
3.
der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung,
4.
die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers,
5.
der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod, in Bezug auf eine bedrohliche übertragbare Krankheit, die nicht bereits nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig ist.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, 3 bis 8, § 9 Absatz 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(2) Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe i hinaus zu melden, wenn Personen an einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis infolge einer Maserninfektion erkranken oder versterben. Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a Buchstabe a hinaus zu melden, wenn Personen, die an einer behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose erkrankt sind, eine Behandlung verweigern oder abbrechen. Die Meldung nach den Sätzen 1 und 2 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(3) Nichtnamentlich ist das Auftreten von zwei oder mehr nosokomialen Infektionen zu melden, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, 3 oder 5, § 10 Absatz 1 zu erfolgen.

(1) Zur Meldung sind verpflichtet:

1.
im Falle des § 6 der feststellende Arzt sowie bei der Anwendung patientennaher Schnelltests bei Dritten die feststellende Person, wenn sie nach § 24 Satz 2 oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 3 Nummer 1 zu solchen Schnelltests befugt ist; in Einrichtungen nach § 23 Absatz 5 Satz 1 ist für die Einhaltung der Meldepflicht neben dem feststellenden Arzt auch der leitende Arzt, in Krankenhäusern mit mehreren selbständigen Abteilungen der leitende Abteilungsarzt, in Einrichtungen ohne leitenden Arzt der behandelnde Arzt verantwortlich,
2.
im Falle des § 7 die Leiter von Medizinaluntersuchungsämtern und sonstigen privaten oder öffentlichen Untersuchungsstellen einschließlich von Arztpraxen mit Infektionserregerdiagnostik und Krankenhauslaboratorien sowie Zahnärzte und Tierärzte, wenn sie aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 3 Nummer 2 befugt sind, im Rahmen einer Labordiagnostik den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers zu führen,
3.
im Falle der §§ 6 und 7 auch die Leiter von Einrichtungen der pathologisch-anatomischen Diagnostik,
4.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 und im Falle des § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 38 bei Tieren, mit denen Menschen Kontakt gehabt haben, auch der Tierarzt,
5.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 und Absatz 3 auch Angehörige eines anderen Heil- oder Pflegeberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung oder Anerkennung erfordert,
6.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 auch die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person; bei Schutzimpfungen, die durch Apotheker für öffentliche Apotheken durchgeführt werden, anstelle der für die Schutzimpfung verantwortlichen Person der Leiter der öffentlichen Apotheke,
7.
im Fall des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 auch die Leiter von den in § 35 Absatz 1 Satz 1 und § 36 Absatz 1 genannten Einrichtungen und Unternehmen,
8.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 auch der Heilpraktiker.

(2) Die Meldepflicht besteht nicht für Personen des Not- und Rettungsdienstes, wenn der Patient unverzüglich in eine ärztlich geleitete Einrichtung gebracht wurde. Die Meldepflicht besteht für die in Absatz 1 Nr. 5 bis 7 bezeichneten Personen nur, wenn ein Arzt nicht hinzugezogen wurde.

(3) Die Meldepflicht besteht nicht, wenn dem Meldepflichtigen ein Nachweis vorliegt, dass die Meldung bereits erfolgte und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden. Eine Meldepflicht besteht ebenfalls nicht für Erkrankungen, bei denen der Verdacht bereits gemeldet wurde und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden.

(4) Absatz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Personen, die die Untersuchung zum Nachweis von Krankheitserregern außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes durchführen lassen.

(5) (weggefallen)

(1) Namentlich ist zu melden:

1.
der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod in Bezug auf die folgenden Krankheiten:
a)
Botulismus,
b)
Cholera,
c)
Diphtherie,
d)
humane spongiforme Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen,
e)
akute Virushepatitis,
f)
enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS),
g)
virusbedingtes hämorrhagisches Fieber,
h)
Keuchhusten,
i)
Masern,
j)
Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis,
k)
Milzbrand,
l)
Mumps,
m)
Pest,
n)
Poliomyelitis,
o)
Röteln einschließlich Rötelnembryopathie,
p)
Tollwut,
q)
Typhus abdominalis oder Paratyphus,
r)
Windpocken,
s)
zoonotische Influenza,
t)
Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19),
u)
durch Orthopockenviren verursachte Krankheiten,
1a.
die Erkrankung und der Tod in Bezug auf folgende Krankheiten:
a)
behandlungsbedürftige Tuberkulose, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt,
b)
Clostridioides-difficile-Infektion mit klinisch schwerem Verlauf; ein klinisch schwerer Verlauf liegt vor, wenn
aa)
der Erkrankte zur Behandlung einer ambulant erworbenen Clostridioides-difficile-Infektion in eine medizinische Einrichtung aufgenommen wird,
bb)
der Erkrankte zur Behandlung der Clostridioides-difficile-Infektion oder ihrer Komplikationen auf eine Intensivstation verlegt wird,
cc)
ein chirurgischer Eingriff, zum Beispiel Kolektomie, auf Grund eines Megakolons, einer Perforation oder einer refraktären Kolitis erfolgt oder
dd)
der Erkrankte innerhalb von 30 Tagen nach der Feststellung der Clostridioides-difficile-Infektion verstirbt und die Infektion als direkte Todesursache oder als zum Tode beitragende Erkrankung gewertet wurde,
2.
der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn
a)
eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt,
b)
zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
3.
der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung,
4.
die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers,
5.
der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod, in Bezug auf eine bedrohliche übertragbare Krankheit, die nicht bereits nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig ist.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, 3 bis 8, § 9 Absatz 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(2) Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe i hinaus zu melden, wenn Personen an einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis infolge einer Maserninfektion erkranken oder versterben. Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a Buchstabe a hinaus zu melden, wenn Personen, die an einer behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose erkrankt sind, eine Behandlung verweigern oder abbrechen. Die Meldung nach den Sätzen 1 und 2 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(3) Nichtnamentlich ist das Auftreten von zwei oder mehr nosokomialen Infektionen zu melden, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, 3 oder 5, § 10 Absatz 1 zu erfolgen.

(1) Zur Meldung sind verpflichtet:

1.
im Falle des § 6 der feststellende Arzt sowie bei der Anwendung patientennaher Schnelltests bei Dritten die feststellende Person, wenn sie nach § 24 Satz 2 oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 3 Nummer 1 zu solchen Schnelltests befugt ist; in Einrichtungen nach § 23 Absatz 5 Satz 1 ist für die Einhaltung der Meldepflicht neben dem feststellenden Arzt auch der leitende Arzt, in Krankenhäusern mit mehreren selbständigen Abteilungen der leitende Abteilungsarzt, in Einrichtungen ohne leitenden Arzt der behandelnde Arzt verantwortlich,
2.
im Falle des § 7 die Leiter von Medizinaluntersuchungsämtern und sonstigen privaten oder öffentlichen Untersuchungsstellen einschließlich von Arztpraxen mit Infektionserregerdiagnostik und Krankenhauslaboratorien sowie Zahnärzte und Tierärzte, wenn sie aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 3 Nummer 2 befugt sind, im Rahmen einer Labordiagnostik den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers zu führen,
3.
im Falle der §§ 6 und 7 auch die Leiter von Einrichtungen der pathologisch-anatomischen Diagnostik,
4.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 und im Falle des § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 38 bei Tieren, mit denen Menschen Kontakt gehabt haben, auch der Tierarzt,
5.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 und Absatz 3 auch Angehörige eines anderen Heil- oder Pflegeberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung oder Anerkennung erfordert,
6.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 auch die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person; bei Schutzimpfungen, die durch Apotheker für öffentliche Apotheken durchgeführt werden, anstelle der für die Schutzimpfung verantwortlichen Person der Leiter der öffentlichen Apotheke,
7.
im Fall des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 auch die Leiter von den in § 35 Absatz 1 Satz 1 und § 36 Absatz 1 genannten Einrichtungen und Unternehmen,
8.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 auch der Heilpraktiker.

(2) Die Meldepflicht besteht nicht für Personen des Not- und Rettungsdienstes, wenn der Patient unverzüglich in eine ärztlich geleitete Einrichtung gebracht wurde. Die Meldepflicht besteht für die in Absatz 1 Nr. 5 bis 7 bezeichneten Personen nur, wenn ein Arzt nicht hinzugezogen wurde.

(3) Die Meldepflicht besteht nicht, wenn dem Meldepflichtigen ein Nachweis vorliegt, dass die Meldung bereits erfolgte und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden. Eine Meldepflicht besteht ebenfalls nicht für Erkrankungen, bei denen der Verdacht bereits gemeldet wurde und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden.

(4) Absatz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Personen, die die Untersuchung zum Nachweis von Krankheitserregern außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes durchführen lassen.

(5) (weggefallen)

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den nach § 16 sowie nach Absatz 1 maßgebenden Voraussetzungen durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(5) Die Landesregierungen können zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Rechtsverordnungen können insbesondere Bestimmungen treffen über

1.
die Verpflichtung der Eigentümer von Gegenständen, der Nutzungsberechtigten oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an Gegenständen sowie der zur Unterhaltung von Gegenständen Verpflichteten,
a)
den Befall mit Gesundheitsschädlingen festzustellen oder feststellen zu lassen und der zuständigen Behörde anzuzeigen,
b)
Gesundheitsschädlinge zu bekämpfen oder bekämpfen zu lassen,
2.
die Befugnis und die Verpflichtung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände, Gesundheitsschädlinge, auch am Menschen, festzustellen, zu bekämpfen und das Ergebnis der Bekämpfung festzustellen,
3.
die Feststellung und Bekämpfung, insbesondere über
a)
die Art und den Umfang der Bekämpfung,
b)
den Einsatz von Fachkräften,
c)
die zulässigen Bekämpfungsmittel und -verfahren,
d)
die Minimierung von Rückständen und die Beseitigung von Bekämpfungsmitteln und
e)
die Verpflichtung, Abschluss und Ergebnis der Bekämpfung der zuständigen Behörde mitzuteilen und das Ergebnis durch Fachkräfte feststellen zu lassen,
4.
die Mitwirkungs- und Duldungspflichten, insbesondere im Sinne des § 16 Abs. 2, die den in Nummer 1 genannten Personen obliegen.

(6) § 16 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.

(1) Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren. Im Rahmen dieser Maßnahmen können von der zuständigen Behörde personenbezogene Daten erhoben werden; diese dürfen nur von der zuständigen Behörde für Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet werden.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 sind die Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes zur Durchführung von Ermittlungen und zur Überwachung der angeordneten Maßnahmen berechtigt, Grundstücke, Räume, Anlagen und Einrichtungen sowie Verkehrsmittel aller Art zu betreten und Bücher oder sonstige Unterlagen einzusehen und hieraus Abschriften, Ablichtungen oder Auszüge anzufertigen sowie sonstige Gegenstände zu untersuchen oder Proben zur Untersuchung zu fordern oder zu entnehmen. Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist verpflichtet, den Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes Grundstücke, Räume, Anlagen, Einrichtungen und Verkehrsmittel sowie sonstige Gegenstände zugänglich zu machen. Personen, die über die in Absatz 1 genannten Tatsachen Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte insbesondere über den Betrieb und den Betriebsablauf einschließlich dessen Kontrolle zu erteilen und Unterlagen einschließlich dem tatsächlichen Stand entsprechende technische Pläne vorzulegen. Der Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde; Entsprechendes gilt für die Vorlage von Unterlagen.

(3) Soweit es die Aufklärung der epidemischen Lage erfordert, kann die zuständige Behörde Anordnungen über die Übergabe von in Absatz 2 genannten Untersuchungsmaterialien zum Zwecke der Untersuchung und Verwahrung an Institute des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder andere vom Land zu bestimmende Einrichtungen treffen.

(4) Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) wird im Rahmen der Absätze 2 und 3 eingeschränkt.

(5) Wenn die von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 betroffenen Personen geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, hat derjenige für die Erfüllung der genannten Verpflichtung zu sorgen, dem die Sorge für die Person zusteht. Die gleiche Verpflichtung trifft den Betreuer einer von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 betroffenen Person, soweit die Erfüllung dieser Verpflichtung zu seinem Aufgabenkreis gehört.

(6) Die Maßnahmen nach Absatz 1 werden auf Vorschlag des Gesundheitsamtes von der zuständigen Behörde angeordnet. Kann die zuständige Behörde einen Vorschlag des Gesundheitsamtes nicht rechtzeitig einholen, so hat sie das Gesundheitsamt über die getroffene Maßnahme unverzüglich zu unterrichten.

(7) Bei Gefahr im Verzuge kann das Gesundheitsamt die erforderlichen Maßnahmen selbst anordnen. Es hat die zuständige Behörde unverzüglich hiervon zu unterrichten. Diese kann die Anordnung ändern oder aufheben. Wird die Anordnung nicht innerhalb von zwei Arbeitstagen nach der Unterrichtung aufgehoben, so gilt sie als von der zuständigen Behörde getroffen.

(8) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme einer abfallrechtlichen Beseitigungsverfügung.
Der Beklagte hatte ursprünglich mit Bescheid vom 23. April 2002 den Kläger sowie neun Anlieferer von Altholz zu der in Insolvenz gefallenen S-GmbH, die auf mehreren gepachteten Grundstücken des Klägers eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Holzschredder-Anlage betrieb, zur Entsorgung von ca. 8.000 bis 10.000 Tonnen Altholz, das im Rechtssinne als Abfall qualifiziert worden war, gesamtschuldnerisch herangezogen. Vergleichbare Verfügungen wurden später gegen fünf weitere Anlieferer von Altholz erlassen. Jeweils wurde die sofortige Vollziehung der Bescheide angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht; dafür wurden voraussichtliche Kosten von etwa 750.000 Euro angesetzt. In dem Bescheid wurde ferner geregelt, dass diese Kosten im Falle einer Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und bezüglich der Anlieferer unter Berücksichtigung bestimmter Tonnen-Beschränkungen anteilig zu tragen seien. Nach Durchführung der Ersatzvornahme wurde der Kläger seitens des Beklagten durch Bescheid vom 30. Oktober 2007 zu Kosten in Höhe von 97.255,21 Euro für die Entsorgung bestimmter Altholzabfälle herangezogen; hinzu kamen bestimmte Auslagen von insgesamt 134,26 Euro und eine Gebühr in Höhe von 2.500,- Euro für erbrachte Aufwendungen durch die Beauftragung eines Dritten zur Durchführung der Ersatzvornahme. Verfügt wurde zudem, dass eventuelle Kostenerstattungen aus dem Insolvenzverfahren der S-GmbH dem Kläger umgehend überwiesen würden.
In der Begründung zur Heranziehung des Klägers für die Kosten der Ersatzvornahme führte der Beklagte an, dass die Inanspruchnahme des zunächst ausgewählten Kostenschuldners, des Insolvenzverwalters über das Vermögen der S-GmbH, voraussichtlich nicht zur (vollständigen) Begleichung der Ersatzvornahmekosten führen werde. Die Entscheidung, wer nun von den sonstigen Pflichtigen – der Kläger und 14 weitere Verantwortliche, die gesamtschuldnerisch zur Entsorgung der Altholzabfälle verpflichtet worden waren – als Kostenschuldner herangezogen werde, liege im pflichtgemäßen behördlichen Ermessen. Leitend für die Heranziehung des Klägers zur Kostentragung seien mehrere Erwägungen gewesen: Zunächst habe der Kläger mit der Verpachtung an die eine Holzschredder-Anlage betreibende S-GmbH bewusst das Risiko übernommen, möglicherweise für die Entsorgung der angesammelten Altholzabfälle aufkommen zu müssen. Sodann habe der Kläger durch Pachteinnahmen von monatlich mehr als 15.000,-- EUR Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen; daher erscheine es gerecht und billig, dass der Kläger für Kosten der Gefahrenbeseitigung aufkomme, die unmittelbar mit der vorteilhaften Grundstücksnutzung (Gewinn bringende Verpachtung) zusammenhingen. Außerdem habe der Kläger als Abfallbesitzer eine größere Sachnähe als die anderen in Betracht kommenden Pflichtigen, die allesamt zum Kreis der Holzlieferanten zählten; seine Sachherrschaft habe der Kläger durch Kündigung des Pachtverhältnisses auch ausgeübt. Ferner seien für die Auswahl des Klägers verfahrensökonomische Gründe leitend gewesen, da bei Inanspruchnahme der 14 Anlieferer weitere 14 Kostenbescheide zu erlassen seien, die wegen der zu erwartenden Rechtsbehelfe ebenso viele Klageverfahren nach sich zögen; die Auswahl des Klägers habe nur ein Verfahren zur Folge, und außerdem könne der Kläger nach den Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich erhalten. Schließlich sei die Inanspruchnahme des Klägers auch verhältnismäßig, denn Zweck der Kostenregelung gemäß § 31 LVwVG sei die Heranziehung der Pflichtigen und nicht die Belastung der Bürger; die Höhe der Kosten sei dem Kläger auf Grund der früheren Pachtvorteile auch zumutbar.
Der Widerspruch des Klägers hatte im Abhilfeverfahren nur bezüglich der Auslagen in Höhe von 3,80 Euro einen sehr geringen Erfolg. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 14. November 2008 seitens der Widerspruchsbehörde zurückgewiesen: Die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Zunächst sei es legitim, nicht erst einmal den weiteren Ablauf des Insolvenzverfahrens abzuwarten, zumal die am Ende verbleibende Insolvenzmasse wohl nur noch rund die Hälfte der Ersatzvornahmekosten abdecke, so dass weitere Pflichtige in Anspruch zu nehmen seien. Mit Blick auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Ersatzvornahme sei wegen einer drohenden Festsetzungsverjährung nach vier Jahren ein Kostenbescheid gegenüber dem Kläger zu erlassen gewesen. Dass nicht auch die Anlieferer zum Kostenersatz herangezogen worden seien, sei verfahrensökonomisch begründet gewesen, da ansonsten 14 Kostenbescheide hätten erlassen werden müssen; zudem sei die gesamtschuldnerische Haftung der Holzanlieferer in der Grundverfügung auf bestimmte Beträge beschränkt worden. Außerdem habe der Kläger als Zustandsstörer und Abfallbesitzer im Vergleich zu den ebenfalls verpflichteten Holzanlieferern die größere Sachnähe gehabt. Ferner habe sich mit der Zustandshaftung eine eigentumsspezifische Gefahr verwirklicht, die eng mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der Verpachtung zusammenhänge, so dass die kostenrechtliche Inanspruchnahme des Klägers, der sich nicht in einer „Opfersituation“ befinde, auch angemessen sei. Schließlich könne der Kläger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von den Holzanlieferern und dem Insolvenzverwalter einen Ausgleich fordern. Mit (ergänzendem) Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2010 wurde der – zunächst zurückgestellte – Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 (Ziff. 4) zurückgewiesen.
Mit seiner gegen die Beseitigungsverfügung vom 23.04.2002 und gegen den Kostenbescheid gerichteten Klage hat der Kläger gerügt, zu Kosten herangezogen zu werden, die er durch sein Verhalten nicht verursacht habe. Außerdem sei es dem Beklagten zuzumuten, den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten, bevor ein Kostenbescheid an den Kläger ergehe. Im Vergleich zu den übrigen Pflichtigen habe er keine größere Sachnähe zum Gegenstand des Abfallbeseitigungsbescheids gehabt; die als Abfallerzeuger verantwortlichen Holzlieferanten hätten den sie betreffenden Anteil an dem Altholz ohne weiteres abholen und einer geordneten Entsorgung zuführen können. Ein Gesamtschuldnerausgleich sei im Abfallrecht nicht vorgesehen. Die Nichtinanspruchnahme der Anlieferer verstoße gegen den Grundsatz der gerechten Lastenverteilung und könne nicht mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerechtfertigt werden. Schließlich sei allenfalls die Haftung für einen Teil der Ersatzvornahmekosten gerechtfertigt gewesen; da die übrigen 14 Adressaten der abfallrechtlichen Verfügung zur Entsorgung von über 9.100 Tonnen Altholz verpflichtet worden seien, habe er, der Kläger, bei einer maximalen Lagerung von 10.000 Tonnen Altholz auf dem fraglichen Grundstück höchstens zu knapp 9% der Ersatzvornahmekosten herangezogen werden dürfen.
Der Beklagte hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen auf die Gründe des Kostenbescheids vom 30. Oktober 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2008 berufen; Ermessensfehler bei der Auswahl des Kostenschuldners seien nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat unter Klageabweisung im Übrigen der Klage gegen den Kostenbescheid in Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids sowie der Widerspruchsbescheide durch Urteil vom 14. Oktober 2010 stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für die Heranziehung des Klägers erfüllt, er sei jedoch ermessensfehlerhaft als Kostenschuldner in Anspruch genommen worden. Ein wesentliches Argument im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung sei die Annahme gewesen, dass dem Kläger ein Regressanspruch gegen die Lieferanten des Altholzes zustehe; diese Annahme sei indes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzutreffend, so dass der Kläger den vermeintlichen Regressanspruch nicht erfolgreich durchsetzen könne. Wegen dieser Fehlannahme seien die Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde sachwidrig und fehlerhaft, so dass die Heranziehung des Klägers zu den Ersatzvornahmekosten rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen (– 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Der Beklagte und Berufungskläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die umfassenden behördlichen Ermessenserwägungen nicht gewürdigt habe, sondern sich allein auf den eher nachgeordneten Hinweis zum Ausgleich im Innenverhältnis der Pflichtigen gestützt und damit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahl des Kostenschuldners zu begründen versucht habe. Wären die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008, S. 12) gewürdigt worden, hätte sich die Ermessensentscheidung als rechtsfehlerfrei dargestellt.
Der Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Oktober 2010 – 2 K 3366/08 – insoweit zu ändern, als der Bescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 30. Oktober 2007 in der Gestalt des teilweisen Abhilfebescheids vom 16. Mai 2008 und die Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. November 2008 und vom 8. Februar 2010, soweit diese sich auf die Bescheide vom 30. Oktober 2007 und vom 16. Mai 2008 beziehen, aufgehoben werden, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er schließt sich der Argumentation des Verwaltungsgerichts an. Die behördlich behauptete Möglichkeit des Klägers, im Innenverhältnis der Pflichtigen Ausgleich zu erhalten, sei nicht ein bloßer Hinweis, sondern eine ermessensleitende Erwägung gewesen; diese sei zudem mit den anderen Ermessensgesichtspunkten untrennbar verknüpft. Da der von den Behörden angenommene Innenregress nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht existiere, sei die Auswahl des Klägers als Kostenschuldner ermessensfehlerhaft gewesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, dass die insgesamt entstandenen Ersatzvornahmekosten zu seiner eigenen Überraschung nur 97.255,21 Euro betragen haben. Ursächlich dafür, dass die tatsächlich entstandenen Kosten erheblich hinter den prognostizierten Kosten zurückgeblieben seien, seien verschiedene Faktoren gewesen, unter anderem die durch den damaligen Winter bedingte gestiegene Nachfrage nach Ersatzbrennstoff, die zur kostengünstigen Entsorgung des Altholzes geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei der „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ („eins plus vierzehn“) erklärbar und gerechtfertigt. Ursprünglich seien die Großanlieferer zwecks finanzieller Schonung des Klägers „mit ins Boot genommen worden“; die tatsächlich entstandenen Ersatzvornahmekosten von lediglich gut 97.000,-- Euro könnten vom Kläger angesichts der Pachteinnahmen zumutbarerweise getragen werden, zumal andernfalls fünfzehn Verwaltungsprozesse zu erwarten gewesen sein und außerdem offen sei, ob „überall etwas zu holen“ gewesen sei.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
17 
Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist das angegriffene Urteil nur, soweit es der Klage gegen den Kostenbescheid des Beklagten stattgegeben hat. Soweit die gegen die abfallrechtliche Beseitigungsanordnung gerichtete Klage erstinstanzlich abgewiesen worden ist, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im Ergebnis als richtig. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass das Verwaltungsgericht einige behördliche Ermessenserwägungen zur Auswahl des Kostenschuldners in der angegriffenen Entscheidung nicht gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 3.5.2011 – 10 S 354/11 – NVwZ-RR 2011, 751 = VBlBW 2011, 442). Die vom Senat im Berufungsverfahren eigenständig zu prüfenden Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde zur Auswahl des Kostenschuldners (vgl. § 128 VwGO) ändern nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 40 LVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen worden ist.
I.
18 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Ersatzvornahme gemäß §§ 31, 25 LVwVG, §§ 6, 8 LVwVGKO lagen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, vor. Kostenschuldner ist der „Pflichtige“ (§ 31 Abs. 2 LVwVG). Sind – wie hier – mehrere Personen durch Verwaltungsakt zur Ausführung einer vertretbaren Handlung verpflichtet worden (vgl. § 25 LVwVG), sind auch mehrere Kostenpflichtige vorhanden. Insoweit ist eine Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei handelt es sich im Rechtssinne um eine behördliche Ermessensentscheidung (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 LVwVfG beachtet worden sind; nur innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde ihre Ermessensausübung auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Die Einhaltung der Ermessensdirektiven des § 40 LVwVfG unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO).
19 
1. Der angefochtene Kostenbescheid (in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids und der Widerspruchsbescheide) ist wegen eines behördlichen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig. Die Behörde ist gesetzlich verpflichtet, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben (§ 40 LVwVfG). Diese Vorgabe verlangt, dass der Ermessensentscheidung sachgemäße Erwägungen zu Grunde liegen. Lässt sich die Behörde bei ihrer Auswahlentscheidung von unsachgemäßen Gesichtspunkten leiten, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. Staab, BWVP 1994, 56). Die Feststellung eines derartigen Ermessensfehlers fällt in die gerichtliche Kontrollkompetenz (§ 114 Satz 1 VwGO).
20 
Im vorliegenden Fall stellt das Gebot der gerechten Lastenverteilung die sachgemäße und zugleich zentrale Ermessensdirektive dar (vgl. unten 2.). Diese Vorgabe wird durch den Kostenbescheid verfehlt (vgl. unten 3.). Der Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; folglich ist er gerichtlich aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 
2. Im Falle einer sog. Störermehrheit, wie dies hier zutrifft, ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht notwendigerweise identisch (Dienelt, NVwZ 1994, 355 f.).
22 
a) Auf der primären Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle und wirksame Gefahrenbeseitigung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 1.10.1991 – 5 S 1823/90 – NVwZ-RR 1992, 350, 351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Beschl. v. 4.3.1996 – 10 S 2687/95 – NVwZ-RR 1996, 387, 390). Ein gesetzliches Rangverhältnis zur gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern oder generelle, richterlich entwickelte Regeln hierzu gibt es nach dem baden-württembergischen Landesrecht nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.1992 – 1 S 2727/91 – NVwZ-RR 1994, 52; Senat, Beschl. v. 6.10.1995 – 10 S 1389/95 – VBlBW 1996, 221, 223 = UPR 1996, 196, 197).
23 
Muss sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern in erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr leiten lassen, schließt dies nicht aus, dass daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere Gefahrennähe eines der Störer sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 – 8 S 525/95 – VBlBW 1995, 281; Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354). Die sachgerechte Störerauswahl auf der primären Ebene muss zivilrechtliche Aspekte des internen Ausgleichs zwischen den Störern nicht berücksichtigen; im Einzelfall kommt etwas anderes allenfalls dann in Betracht, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensbetätigung ihr bekannte und unstreitige Regelungen des internen Ausgleichs völlig unberücksichtigt lässt (Senat, Beschl. v. 29.4.2002 – 10 S 2367/01 – NVwZ 2002, 1260, 1263 = VBlBW 2002, 431, 434; restriktiver BayVGH, Beschl. v. 15.9.2000 – 22 ZS 00.1994 – BayVBl 2001, 149, 150 = NVwZ 2001, 458 = UPR 2001, 271). Andererseits ist die Behörde rechtlich nicht daran gehindert, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung neben dem vorrangigen Aspekt der Effektivität der Gefahrenabwehr in ihre Erwägungen einzubeziehen. Dadurch kann, wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, angesichts des unbefriedigend gelösten internen (finanziellen) Ausgleichs unter mehreren Störern (dazu unten I. 3. a) von vornherein vermieden werden, dass ein Störer die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme allein zu tragen hat (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 269 = VBlBW 1996, 351, 354).
24 
Hier war von der Möglichkeit der kumulativen Inanspruchnahme von Handlungs- und Zustandsstörern (Senat, Urt. v. 19.10.1993 – 10 S 2045/91 – NVwZ-RR 1994, 565, 568) behördlicherseits Gebrauch gemacht worden. Die abfallrechtliche Anordnung zur Entsorgung von Altholz und weiteren Abfällen vom Betriebsgelände der insolventen S-GmbH richtete sich gesamtschuldnerisch an den Kläger und (ursprünglich) neun Anlieferer von Altholz als Abfallerzeuger; für diese wurden bestimmte Mengenbeschränkungen nach Gewichtstonnen festgelegt und verfügt, dass anfallende Kosten der Ersatzvornahme gesamtschuldnerisch und anteilig unter Berücksichtigung jener Beschränkungen zu tragen seien. Ausdrücklich hat sich die zuständige Behörde in ihrer Anordnung vom 23. April 2002 bei der Auswahl der Adressaten davon leiten lassen, eine schnelle und effektive Gefahrenabwehr zu gewährleisten.
25 
b) Anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr ist für den Erlass eines Bescheids über die Anforderung von Kosten einer Ersatzvornahme eine ex post-Betrachtung geboten; die Störerauswahl auf der primären Ebene präjudiziert die Auswahl des Kostenschuldners bzw. der Kostenschuldner bei mehreren Kostenpflichtigen nicht (BayVGH, Urt. v. 1.7.1998 – 22 B 98.198 – BayVBl 1999, 180, 181 = NVwZ-RR 1999, 99, 100). Unter gleichrangig Verpflichteten, wie dies hier der Fall ist und von dem Beklagten in der abfallrechtlichen Anordnung selbst zum Ausdruck gebracht worden ist, muss die Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen nach dem Gebot der gerechten Lastenverteilung erfolgen, falls keine speziellen Ermessensdirektiven zum Tragen kommen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Diese Vorgabe findet ihre rechtliche Grundlage im Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, RdNr. 508). Die Maxime der Lastengerechtigkeit vermeidet, dass – zumal wenn mehrere Störer auf der primären Ebene zur Gefahrenbeseitigung durch Verwaltungsakt verpflichtet worden waren – ohne hinreichenden sachlichen Grund einem der Verpflichteten allein die Kostenlast auferlegt wird (Garbe, DÖV 1998, 632, 634).
26 
Die Unterscheidung zwischen der ex ante-Sicht auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr und der ex post-Betrachtung auf der sekundären Ebene der Kostentragung ist keine Besonderheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme, sondern ein seit geraumer Zeit durchgehendes Strukturprinzip des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O, RdNr. 502). So darf die Polizei zwar gegen den Anscheinsstörer zur Gefahrenbeseitigung einschreiten (z. B. durch unmittelbare Ausführung einer Maßnahme), er darf jedoch nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch genommen werden, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (OVG Hamburg, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 – DVBl 1986, 734, 735 = NJW 1986, 2005, 2006; Finger, DVBl 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt beim Gefahrverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (OVG NW, Beschl. v. 14.6.2000 – 5 A 95/00 – NVwZ 2001, 1314 = NWVBl 2001, 142; OVG Berlin, Beschl. v. 28.11.2001 – 1 N 45/00 – NVwZ-RR 2002, 623). Hat er durch die Maßnahme Nachteile erlitten, kann er sogar wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen (BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303 = DVBl 1992, 1158 = NJW 1992, 2639; in Erinnerung gerufen von BGH, Urt. v. 3.3.2011 – III ZR 174/10 – NJW 2011, 3157, 3158). Selbst in Bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch ist die Unterscheidung zwischen Primärebene und Sekundärebene anerkannt; wurde ein Anscheinsstörer gefahrenabwehrrechtlich herangezogen und stellt sich später heraus, dass der Betreffende gar nicht Störer gewesen ist, kann er Folgenbeseitigung verlangen (BayVGH, Urt. v. 26.7.1997 – 22 B 93/271 – DÖV 1996, 82 = NVwZ-RR 1996, 645).
27 
Danach können Ermessenserwägungen, die auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr bei der Störerauswahl tragfähig sind, nicht unbesehen auf der sekundären Ebene bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen zur Geltung gebracht werden. Zwar gibt es im Polizeikostenrecht keine generelle Regel zu einer Haftung pro rata (Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kapitel Rn. 175), liegen jedoch keine Art. 3 Abs. 1 GG Stand haltenden Sachgründe vor und kann der Verursachungsanteil mehrerer Störer von der Verwaltung ermittelt werden bzw. ist er sogar bereits festgestellt worden, hat sich das Ermessen bei der Auswahl des bzw. der Kostenpflichtigen an dem jeweiligen Maß der Verantwortlichkeit auszurichten (Garbe, DÖV 1998, 632, 636; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., RdNr. 512).
28 
3. Der Beklagte hat, gemessen an diesen Grundsätzen, die Auswahl des Klägers nicht ermessensfehlerfrei i. S. d. § 40 LVwVfG vorgenommen. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung (§ 114 Satz 1 VwGO) sind die Gesichtspunkte, die im Ausgangsbescheid und im Widerspruchsbescheid dargelegt oder sonst aus den Akten ersichtlich sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es schon ermessensfehlerhaft ist, dass vor Erlass des Kostenbescheids der Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgewartet worden ist. Ferner kann offen bleiben, ob sich der Kläger – wofür allerdings wenig spricht – in einer „Opfersituation“ befindet. Ausschlaggebend ist, dass das Gebot der gerechten Lastenverteilung nicht die maßgebliche behördliche Ermessensdirektive dargestellt hat.
29 
a) Der gerechten Lastenverteilung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG könnte allerdings schon dadurch möglicherweise Rechnung getragen werden, dass der zur Kostentragung herangezogene Störer von der Behörde auf einen realisierbaren Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Störer verwiesen werden kann (so Garbe, DÖV 1998, 632, 634). In Betracht kommen insoweit Ansprüche analog §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. analog §§ 426, 421 BGB (Gesamtschuldnerausgleich). Es muss nicht abschließend geklärt werden, ob der behördliche Verweis auf eine derartige zivilrechtliche Lösung der Kostentragungsproblematik dem Gebot einer gerechten Lastenverteilung genügen kann. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste der in Anspruch genommene Kostenpflichtige eine realistische Aussicht darauf haben, von den anderen Störern einen Ausgleich zu erhalten. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
30 
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil (S. 29 bis S. 34) ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der Kläger einen Regressanspruch gegen die 14 Anlieferer im Zivilrechtsweg auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerichtlich schon im Erkenntnisverfahren nicht durchsetzen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Dass allein diese höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf einen vermeintlichen Ausgleichsanspruch entscheidend ist – und nicht etwa bestimmte, von der Rechtsprechung abweichende Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. R. Enders, NVwZ 2005, 381, 384 f.) –, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 – VBlBW 2008, 137, 138). Folglich darf die Verwaltung die maßgebliche zivilrechtliche Judikatur nicht ignorieren (Garbe, DÖV 1998, 632, 635), sondern muss diese Rechtsprechung den Ermessenserwägungen pflichtgemäß zu Grunde legen. Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde haben sich jedoch bei ihren Überlegungen zum Gesamtschuldnerausgleich von jener Rechtsprechung gerade nicht leiten lassen.
31 
Die Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war dem Beklagten auch ohne weiteres möglich. Die Ablehnung des zivilrechtlichen Innenregresses bei einer Störermehrheit, sofern keine abweichenden Spezialbestimmungen (z. B. § 24 Abs. 2 BBodSchG) normiert sind, ist keine neue Aussage des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2010 – III ZR 295/09 – BGHZ 184, 288 = NVwZ 2010, 789), sondern hat eine mittlerweile mehr als dreißigjährige Tradition (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1981 – III ZR 39/80 – NJW 1981, 2457; danach z. B. BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05 – NJW 2006, 3628, 3631). Spätestens mit dem erwähnten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2007 stand für den Beklagten außerdem fest, dass der behördliche Hinweis auf einen – angeblichen – zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich keine tragfähige Ermessenserwägung ist. Jedenfalls die Widerspruchsbehörde, auf deren Bescheid es ankommt (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), konnte und musste diese Rechtsprechung berücksichtigen.
32 
b) Die vom Beklagten angeführten Gründe der Verfahrensökonomie stellen keine sachgerechten Ermessenserwägungen dar. Der Verzicht darauf, auch die Anlieferer zum Kostenersatz heranzuziehen, „da ansonsten 14 Kostenbescheide zu erlassen gewesen wären“ (so Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008, S. 11), hat mit einer gerechten Lastenverteilung offensichtlich nichts zu tun. Es ist schon zweifelhaft, ob eine Erwägung, die die Erleichterung der Arbeit für die Verwaltung zu Lasten eines Bürgers zum Ziel hat, auf der Primärebene der Gefahrenabwehr den Anforderungen des § 40 LVwVfG an eine dem Zweck entsprechende Ermessensausübung genügen könnte. Auf der Sekundärebene, wo es ex post um eine gerechte Verteilung der Kostenlast geht, ist dies nicht der Fall. Zweck der §§ 31, 25 LVwVG ist es nicht, der zuständigen Behörde die Arbeit zu erleichtern.
33 
Dass in der abfallrechtlichen Anordnung (d. h. der Grundverfügung) die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Anlieferer auf bestimmte Beträge beschränkt worden ist, war eine Entscheidung des Beklagten und kann nicht dem Kläger angelastet werden. In der Sache kann hierin sogar ein Ansatz der Behörden zur Vorbereitung einer gerechten Lastenverteilung gesehen werden. Jedenfalls zwingt die vom Beklagten vorgenommene Haftungsbeschränkung der Abfallerzeuger, die das „Ob“ deren möglicher Kostentragung gar nicht betrifft, nicht zur vorrangigen oder alleinigen Kostenbelastung des Klägers unter allen Störern.
34 
c) Entgegen den Behauptungen des Beklagten hatte der Kläger als Abfallbesitzer kostenrechtlich keine größere „Sachnähe“ zu der Ersatzvornahme, um deren Kostentragung es hier geht, als die Abfallerzeuger (Anlieferer). Der Hinweis sowohl im Kostenbescheid vom 30. Oktober 2007 als auch im Widerspruchsbescheid vom 14. November 2008 auf § 3 Abs. 4 und Abs. 6 KrW-/AbfG macht deutlich, dass der Beklagte Erwägungen zur Gefahrenabwehr (Primärebene) unbesehen auf die Kostenverteilung (Sekundärebene) überträgt. Auf der Primärebene kann die „Sachnähe“ – auf der Grundlage einer präzisen Analyse der „Nähebeziehungen“ aller Störer zur Gefahrenlage – ein Gesichtspunkt pflichtgemäßen Ermessens für die Störerauswahl sein (Senat, Urt. v. 30.4.1996 – 10 S 2163/95 – NVwZ-RR 1997, 267, 270 = VBlBW 1996, 351, 354; Staab, BWVP 1994, 56 und 57). Bei der Verteilung der Kosten einer Ersatzvornahme ist nicht erkennbar, worin die größere „Sachnähe“ des Abfallbesitzers zur Kostentragung bestehen soll, nachdem zuvor etliche Abfallerzeuger mit dem Abfallbesitzer gesamtschuldnerisch (und damit auf der Primärebene gleichrangig) zur Gefahrenbeseitigung verpflichtet worden waren. Insoweit stellt sich sogar die Frage widersprüchlichen Behördenverhaltens auf der primären Ebene einerseits und auf der sekundären Ebene andererseits.
35 
d) Der Hinweis des Beklagten darauf, dass sich im vorliegenden Fall eine „eigentumsspezifische Gefahr“ zu Lasten des Klägers als Verpächter des Betriebsgrundstücks der S-GmbH verwirklicht habe, ist in der Sache zutreffend. Dies begründet eine Haftung des Klägers sowohl auf der Primärebene als auch auf der Sekundärebene dem Grunde nach. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch nicht um das „Ob“ einer Kostentragung, sondern um die gerechte Lastenverteilung unter mehreren behördlich gleichrangig Verpflichteten einer Störermehrheit. Die Verwirklichung einer „eigentumsspezifischen Gefahr“ liefert im Rahmen des Auswahlermessens keinen tragfähigen Gesichtspunkt zur Beantwortung der Frage, wer nach einer eventuellen (ggf. ergebnislosen) Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters wegen der verbleibenden Kosten der Ersatzvornahme als Kostenschuldner ausgewählt werden darf. Der Beklagte hat an keiner Stelle dargelegt, was die grundsätzliche (Mit-)Verantwortlichkeit eines Störers an ermessensgerechten Aspekten zur gerechten Lastenverteilung unter einer Vielzahl von Störern soll bieten können.
36 
e) Ähnliches gilt für den Gesichtspunkt der Konnexität zwischen den Pachteinnahmen des Klägers einerseits und der Übernahme des Entsorgungsrisikos andererseits. Richtig ist, dass § 31 LVwVG auf die Heranziehung der Pflichtigen zielt und eine Belastung der Bürger (Steuerzahler) mit Kosten der Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG) zu vermeiden sucht. Dieser Gesetzeszweck wird jedoch durch eine Inpflichtnahme mehrerer Pflichtiger als Kostenschuldner (mindestens) ebenso gut erreicht wie durch die Belastung eines – zuvor als Störer verpflichteten – Kostenschuldners. Dass der Kläger Vorteile und Nutzen aus der Grundstücksverpachtung gezogen hat, mag seine Mithaftung für die Ersatzvornahmekosten begründen. Die Kausalität zwischen vorteilhafter Verpachtung und nachteiliger Verwirklichung des Risikos vermag aber kaum zu erklären, wieso die alleinige Kostenschuldnerschaft des Klägers und die „Schonung“ der 14 Anlieferer, die als Abfallerzeuger und Entsorgungspflichtige ebenfalls Vorteile von der Überlassung ihres Altholzes an die Betreiberin der Holzschredder-Anlage hatten, einer gerechten Lastenverteilung entspricht.
37 
Dies gilt umso mehr, als die pro rata-Haftung der Anlieferer in der abfallrechtlichen Anordnung vom 23. April 2002, bezogen auf 8.163,33 Tonnen Altholz bereits angelegt war. Dies betrifft sowohl den verfügenden Teil als auch die Begründung des Verwaltungsakts. Dort heißt es (S. 8), durch die gleichzeitige Inanspruchnahme auch der großen Abfallerzeuger entsprechend ihrer angelieferten Altholzmengen werde das Insolvenzrisiko eines Entsorgungsfachbetriebes auch nicht ausschließlich auf den Grundstückseigentümer verlagert; selbst wenn dieser zunächst die Entsorgungskosten zu tragen hätte, könne er von den mitverpflichteten Abfallerzeugern anteilig Erstattung seiner Entsorgungsaufwendungen verlangen. Letzteres ist, wie dargelegt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht richtig. Wichtiger – und im vorliegenden Zusammenhang maßgebend – ist jedoch der Umstand, dass behördlicherseits deutlich dokumentiert worden ist, eine Verlagerung des Insolvenzrisikos der S-GmbH allein auf den Kläger werde nicht angestrebt. Dieser – an sich tragfähige – Gesichtspunkt besteht im Rechtssinne unabhängig von der Höhe der Kosten; denn der Grundsatz der gerechten Lastenverteilung ist de jure keine Maxime, die von der Quantität zu verteilender Lasten abhängt. Sodann (S. 9) wurde der Verzicht auf die Verpflichtung auch der 122 „Kleinanlieferer“ vor allem mit einem „unvertretbaren Verwaltungsaufwand“ begründet und geltend gemacht, dass der Kläger insoweit etwas stärker in die Pflicht genommen werde. Auch diese behördliche Einlassung deutet an keiner Stelle darauf hin, dass der Kläger später – nach Durchführung der Ersatzvornahme – als Kostenschuldner (neben dem Insolvenzverwalter) allein in Anspruch genommen werden sollte.
38 
f) Die in der mündlichen Verhandlung seitens des Beklagten nachgeschobenen Erwägungen zum „Ausstieg aus dem Ursprungskonzept“ vermögen eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung im Sinne des § 40 LVwVfG auch im Nachhinein nicht herbeizuführen. Der Senat kann offen lassen, ob es sich dabei um völlig neue Ermessenserwägungen auf Grund einer drastisch geänderten Kostensituation (nur noch gut 97.000,-- Euro an Stelle der prognostizierten weit über 700.000,-- Euro) handelt oder um die nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung von Ermessenserwägungen. Denn auch die nachgeschobenen Überlegungen vermögen den Ermessensfehlgebrauch nicht zu „heilen“.
39 
Die Höhe der auf die Störermehrheit zu verteilenden Kosten der Ersatzvornahme hat – von besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen – grundsätzlich keine Auswirkungen auf die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten auf die Störer. Mit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der alleinigen Inpflichtnahme des Klägers auf der Sekundärebene (vor dem Hintergrund der Pachteinnahmen) macht der Beklagte einen – rechtssystematisch nachgelagerten – Aspekt der Verhältnismäßigkeit der den Kläger individuell treffenden Kostenlast geltend. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die vorrangige Frage der gerechten Verteilung von finanziellen Lasten unter mehreren Störern. Zudem ist ein Betrag von über 97.000,-- Euro nicht etwa so gering, dass die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zu beantwortende Frage der Lastengerechtigkeit gleichsam „übersprungen“ und sogleich die Frage nach der individuellen Zumutbarkeit für den Kläger gestellt werden könnte.
40 
Unabhängig davon stellt es eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gestützte reine Vermutung des Beklagten dar, dass es bei der Verteilung von „nur“ noch gut 97.000,-- Euro auf alle Störer zu fünfzehn Verwaltungsprozessen gekommen wäre. Ebenso rein spekulativ ist der Zweifel daran, „ob überall etwas zu holen“ sei; Fakten, die derartige Mutmaßungen stützen, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Ermessensfehlerfreie Erwägungen können derartige Annahmen ohne Faktenbasis nicht darstellen. Im Gegenteil, bei „nur“ noch gut 97.000,-- Euro an entstandenen Ersatzvornahmekosten war es angesichts der erheblich geminderten Kostenlast, gemessen an der Prognose, eher wahrscheinlich, dass die anderen Pflichtigen hinreichend leistungsfähig und -willig waren, und deshalb umso eher angezeigt, dem Gebot der Lastengerechtigkeit zu folgen, wie dies in der Grundverfügung schon angelegt war.
41 
g) Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Geht es auf der Sekundärebene nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG um die gerechte Lastenverteilung bei einer Störermehrheit, muss eine gewisse Beliebigkeit bei der Beantwortung der Frage, wen es letztlich „trifft“, tunlichst vermieden werden (vgl. dazu auch Garbe, DÖV 1998, 632, 634). Gerät die konkrete Lastentragung aus der Sicht mehrerer an sich Pflichtiger und von der Behörde sogar durch Verwaltungsakt gesamtschuldnerisch Verpflichteter gleichsam zu einem Handeln nach dem Prinzip des mutmaßlich geringsten Aufwands und Widerstands, kann von einer sachgerechten Ermessensbetätigung bei der Auswahl des Kostenschuldners nicht mehr gesprochen werden. Nachdem der Beklagte davon abgesehen hatte, die weiteren 122 Firmen und Einzelpersonen, die weniger als 100 Tonnen Holzabfälle bei der S-GmbH angeliefert hatten, ebenfalls zur Abfallbeseitigung zu verpflichten, sprach kein rechtlicher Gesichtspunkt dagegen, den Kläger und die 14 „Großanlieferer“ zur Kostentragung heranzuziehen, das Maß der jeweiligen Verantwortlichkeit zu ermitteln und die Kostentragung der Schuldner entsprechend einer gerechten Lastenverteilung unter den auf der Primärebene Verpflichteten festzulegen. Dass einem solchen Verfahren „verfahrensökonomische Gründe“ behördlicherseits nicht entgegengehalten werden können, ist bereits dargelegt worden.
II.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 24. Januar 2012
45 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG auf 99.885,67 EUR festgesetzt. Die Erhöhung gegenüber der anteiligen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf der zusätzlichen Berücksichtigung der in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids vom 30.10.2007 festgesetzten Gebühr in Höhe von 2.500,-- EUR. Von einer Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat ab, da die Erhöhung sich nicht auf die anfallenden Gebühren auswirken würde.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Folgende Kosten sind aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten, soweit nicht ein anderer Kostenträger zur Kostentragung verpflichtet ist:

1.
Kosten für die Übermittlung der Meldungen nach den §§ 6 und 7,
2.
Kosten für die Durchführung der Erhebungen nach § 13 Absatz 2,
3.
Kosten für die Ablieferung von Untersuchungsmaterial an bestimmte Einrichtungen der Spezialdiagnostik nach § 13 Absatz 3 Satz 1,
4.
Kosten für Maßnahmen nach § 17 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3, soweit sie von der zuständigen Behörde angeordnet worden sind und die Notwendigkeit der Maßnahmen nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde,
5.
Kosten für Maßnahmen nach § 19,
6.
Kosten für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten nach § 20 Absatz 5,
7.
Kosten für die Durchführung von Ermittlungen nach § 25,
8.
Kosten für die Durchführung von Schutzmaßnahmen nach den §§ 29 und 30,
9.
Kosten für ärztliche Untersuchungen nach § 20 Absatz 12 Satz 2, § 20a Absatz 5 Satz 2, § 36 Absatz 5 Satz 1 und 3, Absatz 6 Satz 2, Absatz 7 Satz 2 und Absatz 10 Satz 2.
In einer Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 2 Satz 7 kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen vorgesehen werden, dass der Bund sich im Hinblick auf die Durchführung der Erhebung durch das Robert Koch-Institut anteilig an der Kostentragung beteiligt. Soweit ein anderer Kostenträger zur Kostentragung verpflichtet ist oder solange dies noch nicht feststeht, können die entsprechenden Kosten vorläufig aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Der andere Kostenträger ist zur Erstattung der Kosten verpflichtet.

(2) Wer die öffentlichen Mittel aufzubringen hat, bleibt, soweit nicht bundesgesetzlich geregelt, der Regelung durch die Länder vorbehalten.

(3) Für aus öffentlichen Mitteln zu bestreitende Kosten der Quarantänemaßnahmen nach § 30 ist der Kostenträger zuständig, in dessen Bezirk die von der Maßnahme betroffene Person zum Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Falls ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht feststellbar ist, werden die Kosten vorläufig von dem Kostenträger übernommen, in dessen Bezirk die Maßnahme angeordnet wird. Der zuständige Kostenträger ist im Fall des Satzes 2 zur Erstattung verpflichtet. Satz 1 gilt nicht, soweit die Länder abweichende Vereinbarungen treffen.

(1) Wenn Gegenstände mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind oder wenn das anzunehmen ist und dadurch eine Verbreitung der Krankheit zu befürchten ist, hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, kann die Vernichtung von Gegenständen angeordnet werden. Sie kann auch angeordnet werden, wenn andere Maßnahmen im Verhältnis zum Wert der Gegenstände zu kostspielig sind, es sei denn, dass derjenige, der ein Recht an diesem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, widerspricht und auch die höheren Kosten übernimmt. Müssen Gegenstände entseucht (desinfiziert), von Gesundheitsschädlingen befreit oder vernichtet werden, so kann ihre Benutzung und die Benutzung der Räume und Grundstücke, in denen oder auf denen sie sich befinden, untersagt werden, bis die Maßnahme durchgeführt ist.

(2) Wenn Gesundheitsschädlinge festgestellt werden und die Gefahr begründet ist, dass durch sie Krankheitserreger verbreitet werden, so hat die zuständige Behörde die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Die Bekämpfung umfasst Maßnahmen gegen das Auftreten, die Vermehrung und Verbreitung sowie zur Vernichtung von Gesundheitsschädlingen.

(3) Erfordert die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 besondere Sachkunde, so kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Verpflichtete damit geeignete Fachkräfte beauftragt. Die zuständige Behörde kann selbst geeignete Fachkräfte mit der Durchführung beauftragen, wenn das zur wirksamen Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten oder Krankheitserreger oder der Gesundheitsschädlinge notwendig ist und der Verpflichtete diese Maßnahme nicht durchführen kann oder einer Anordnung nach Satz 1 nicht nachkommt oder nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass er einer Anordnung nach Satz 1 nicht rechtzeitig nachkommen wird. Wer ein Recht an dem Gegenstand oder die tatsächliche Gewalt darüber hat, muss die Durchführung der Maßnahme dulden.

(4) Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den nach § 16 sowie nach Absatz 1 maßgebenden Voraussetzungen durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(5) Die Landesregierungen können zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechtsverordnungen über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen erlassen. Sie können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Rechtsverordnungen können insbesondere Bestimmungen treffen über

1.
die Verpflichtung der Eigentümer von Gegenständen, der Nutzungsberechtigten oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an Gegenständen sowie der zur Unterhaltung von Gegenständen Verpflichteten,
a)
den Befall mit Gesundheitsschädlingen festzustellen oder feststellen zu lassen und der zuständigen Behörde anzuzeigen,
b)
Gesundheitsschädlinge zu bekämpfen oder bekämpfen zu lassen,
2.
die Befugnis und die Verpflichtung der Gemeinden oder der Gemeindeverbände, Gesundheitsschädlinge, auch am Menschen, festzustellen, zu bekämpfen und das Ergebnis der Bekämpfung festzustellen,
3.
die Feststellung und Bekämpfung, insbesondere über
a)
die Art und den Umfang der Bekämpfung,
b)
den Einsatz von Fachkräften,
c)
die zulässigen Bekämpfungsmittel und -verfahren,
d)
die Minimierung von Rückständen und die Beseitigung von Bekämpfungsmitteln und
e)
die Verpflichtung, Abschluss und Ergebnis der Bekämpfung der zuständigen Behörde mitzuteilen und das Ergebnis durch Fachkräfte feststellen zu lassen,
4.
die Mitwirkungs- und Duldungspflichten, insbesondere im Sinne des § 16 Abs. 2, die den in Nummer 1 genannten Personen obliegen.

(6) § 16 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.

(1) Folgende Kosten sind aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten, soweit nicht ein anderer Kostenträger zur Kostentragung verpflichtet ist:

1.
Kosten für die Übermittlung der Meldungen nach den §§ 6 und 7,
2.
Kosten für die Durchführung der Erhebungen nach § 13 Absatz 2,
3.
Kosten für die Ablieferung von Untersuchungsmaterial an bestimmte Einrichtungen der Spezialdiagnostik nach § 13 Absatz 3 Satz 1,
4.
Kosten für Maßnahmen nach § 17 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3, soweit sie von der zuständigen Behörde angeordnet worden sind und die Notwendigkeit der Maßnahmen nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde,
5.
Kosten für Maßnahmen nach § 19,
6.
Kosten für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten nach § 20 Absatz 5,
7.
Kosten für die Durchführung von Ermittlungen nach § 25,
8.
Kosten für die Durchführung von Schutzmaßnahmen nach den §§ 29 und 30,
9.
Kosten für ärztliche Untersuchungen nach § 20 Absatz 12 Satz 2, § 20a Absatz 5 Satz 2, § 36 Absatz 5 Satz 1 und 3, Absatz 6 Satz 2, Absatz 7 Satz 2 und Absatz 10 Satz 2.
In einer Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 2 Satz 7 kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen vorgesehen werden, dass der Bund sich im Hinblick auf die Durchführung der Erhebung durch das Robert Koch-Institut anteilig an der Kostentragung beteiligt. Soweit ein anderer Kostenträger zur Kostentragung verpflichtet ist oder solange dies noch nicht feststeht, können die entsprechenden Kosten vorläufig aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Der andere Kostenträger ist zur Erstattung der Kosten verpflichtet.

(2) Wer die öffentlichen Mittel aufzubringen hat, bleibt, soweit nicht bundesgesetzlich geregelt, der Regelung durch die Länder vorbehalten.

(3) Für aus öffentlichen Mitteln zu bestreitende Kosten der Quarantänemaßnahmen nach § 30 ist der Kostenträger zuständig, in dessen Bezirk die von der Maßnahme betroffene Person zum Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Falls ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht feststellbar ist, werden die Kosten vorläufig von dem Kostenträger übernommen, in dessen Bezirk die Maßnahme angeordnet wird. Der zuständige Kostenträger ist im Fall des Satzes 2 zur Erstattung verpflichtet. Satz 1 gilt nicht, soweit die Länder abweichende Vereinbarungen treffen.

(1) Namentlich ist zu melden:

1.
der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod in Bezug auf die folgenden Krankheiten:
a)
Botulismus,
b)
Cholera,
c)
Diphtherie,
d)
humane spongiforme Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen,
e)
akute Virushepatitis,
f)
enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS),
g)
virusbedingtes hämorrhagisches Fieber,
h)
Keuchhusten,
i)
Masern,
j)
Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis,
k)
Milzbrand,
l)
Mumps,
m)
Pest,
n)
Poliomyelitis,
o)
Röteln einschließlich Rötelnembryopathie,
p)
Tollwut,
q)
Typhus abdominalis oder Paratyphus,
r)
Windpocken,
s)
zoonotische Influenza,
t)
Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19),
u)
durch Orthopockenviren verursachte Krankheiten,
1a.
die Erkrankung und der Tod in Bezug auf folgende Krankheiten:
a)
behandlungsbedürftige Tuberkulose, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt,
b)
Clostridioides-difficile-Infektion mit klinisch schwerem Verlauf; ein klinisch schwerer Verlauf liegt vor, wenn
aa)
der Erkrankte zur Behandlung einer ambulant erworbenen Clostridioides-difficile-Infektion in eine medizinische Einrichtung aufgenommen wird,
bb)
der Erkrankte zur Behandlung der Clostridioides-difficile-Infektion oder ihrer Komplikationen auf eine Intensivstation verlegt wird,
cc)
ein chirurgischer Eingriff, zum Beispiel Kolektomie, auf Grund eines Megakolons, einer Perforation oder einer refraktären Kolitis erfolgt oder
dd)
der Erkrankte innerhalb von 30 Tagen nach der Feststellung der Clostridioides-difficile-Infektion verstirbt und die Infektion als direkte Todesursache oder als zum Tode beitragende Erkrankung gewertet wurde,
2.
der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn
a)
eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt,
b)
zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
3.
der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung,
4.
die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers,
5.
der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod, in Bezug auf eine bedrohliche übertragbare Krankheit, die nicht bereits nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig ist.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, 3 bis 8, § 9 Absatz 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(2) Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe i hinaus zu melden, wenn Personen an einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis infolge einer Maserninfektion erkranken oder versterben. Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a Buchstabe a hinaus zu melden, wenn Personen, die an einer behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose erkrankt sind, eine Behandlung verweigern oder abbrechen. Die Meldung nach den Sätzen 1 und 2 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.

(3) Nichtnamentlich ist das Auftreten von zwei oder mehr nosokomialen Infektionen zu melden, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, 3 oder 5, § 10 Absatz 1 zu erfolgen.

(1) Zur Meldung sind verpflichtet:

1.
im Falle des § 6 der feststellende Arzt sowie bei der Anwendung patientennaher Schnelltests bei Dritten die feststellende Person, wenn sie nach § 24 Satz 2 oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 3 Nummer 1 zu solchen Schnelltests befugt ist; in Einrichtungen nach § 23 Absatz 5 Satz 1 ist für die Einhaltung der Meldepflicht neben dem feststellenden Arzt auch der leitende Arzt, in Krankenhäusern mit mehreren selbständigen Abteilungen der leitende Abteilungsarzt, in Einrichtungen ohne leitenden Arzt der behandelnde Arzt verantwortlich,
2.
im Falle des § 7 die Leiter von Medizinaluntersuchungsämtern und sonstigen privaten oder öffentlichen Untersuchungsstellen einschließlich von Arztpraxen mit Infektionserregerdiagnostik und Krankenhauslaboratorien sowie Zahnärzte und Tierärzte, wenn sie aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 3 Nummer 2 befugt sind, im Rahmen einer Labordiagnostik den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers zu führen,
3.
im Falle der §§ 6 und 7 auch die Leiter von Einrichtungen der pathologisch-anatomischen Diagnostik,
4.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 und im Falle des § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 38 bei Tieren, mit denen Menschen Kontakt gehabt haben, auch der Tierarzt,
5.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 und Absatz 3 auch Angehörige eines anderen Heil- oder Pflegeberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung oder Anerkennung erfordert,
6.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 auch die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person; bei Schutzimpfungen, die durch Apotheker für öffentliche Apotheken durchgeführt werden, anstelle der für die Schutzimpfung verantwortlichen Person der Leiter der öffentlichen Apotheke,
7.
im Fall des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 auch die Leiter von den in § 35 Absatz 1 Satz 1 und § 36 Absatz 1 genannten Einrichtungen und Unternehmen,
8.
im Falle des § 6 Absatz 1 Satz 1 auch der Heilpraktiker.

(2) Die Meldepflicht besteht nicht für Personen des Not- und Rettungsdienstes, wenn der Patient unverzüglich in eine ärztlich geleitete Einrichtung gebracht wurde. Die Meldepflicht besteht für die in Absatz 1 Nr. 5 bis 7 bezeichneten Personen nur, wenn ein Arzt nicht hinzugezogen wurde.

(3) Die Meldepflicht besteht nicht, wenn dem Meldepflichtigen ein Nachweis vorliegt, dass die Meldung bereits erfolgte und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden. Eine Meldepflicht besteht ebenfalls nicht für Erkrankungen, bei denen der Verdacht bereits gemeldet wurde und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden.

(4) Absatz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Personen, die die Untersuchung zum Nachweis von Krankheitserregern außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes durchführen lassen.

(5) (weggefallen)

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 27. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Die Beklagte untersagte dem Kläger am 1. Oktober 2013 aufgrund passrechtlicher Vorschriften die Ausreise nach Frankreich und in die Schweiz, um wegen des Verdachts unfriedlichen Verhaltens zu verhindern, dass der Kläger an einem am selben Tag stattfindenden Fußballspiel in Basel als Zuschauer teilnimmt. Die Ausreiseuntersagung galt bis zum 1. Oktober 2013, 24:00 Uhr. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist ausgeführt, dass gegen die Ausreiseuntersagung innerhalb eines Monats schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch bei der Bundespolizeidirektion Koblenz erhoben werden kann. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe und auf Antrag das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung anordnen könne. Der Antrag sei an das Verwaltungsgericht Koblenz zu richten.

2

Dagegen legte der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 Widerspruch ein, den er mit Schriftsatz vom 18. Juli 2014 begründete. Am 29. Oktober 2014 erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass die Untersagung seiner Ausreise durch die Beklagte mit Verfügung vom 1. Oktober 2013 rechtswidrig war. Die Beklagte stellte den Kläger klaglos und erklärte die Kostenübernahme. Das Verwaltungsgericht legte mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 die Kosten des übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Rechtsstreits der Beklagten auf.

3

Den Antrag des Klägers, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Januar 2015 abgelehnt. Es hat die Auffassung vertreten, der Widerspruch sei offensichtlich unzulässig gewesen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage setze die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht voraus. Somit habe zum Zeitpunkt der Widerspruchserhebung kein Grund für die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bestanden, sodass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht für notwendig zu erklären sei.

4

Dagegen hat der Kläger Beschwerde erhoben, mit der er im Wesentlichen unter Hinweis auf den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2005 geltend macht, nach der der Ausreiseuntersagung beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung habe er Widerspruch einlegen können.

II.

5

Die Beschwerde ist unbegründet.

6

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

7

Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind, soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Vorverfahren selbst zu führen (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 162 Rn. 18 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Hätte sich die Ausreiseuntersagung nicht durch Zeitablauf erledigt (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG) und hätte somit vor Erhebung der Anfechtungsklage ein Vorverfahren durchgeführt werden müssen, so lägen die Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten zweifellos vor. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass die Ausreiseuntersagung mit Ablauf ihrer zeitlichen Geltungsdauer bis zum 1. Oktober 2013, 24:00 Uhr, wirkungslos geworden ist. Der Verwaltungsakt hat sich damit erledigt, sodass Rechtsschutz nur noch entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO mit der Fortsetzungsfeststellungsklage zu erreichen war. In einem solchen Fall der Erledigung eines Verwaltungsaktes vor Ablauf der Widerspruchsfrist kann ohne Vorverfahren Klage auf Feststellung erhoben werden, dass er rechtswidrig gewesen ist. Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil zur Fortsetzungsfeststellungsklage und ihren prozessualen Voraussetzungen vom 9. Februar 1967 – I C 49.64 – (BVerwGE 26, 161, 165 ff.) vertreten und sie ist seitdem ständige Praxis der Verwaltungsgerichte. Das Bundesverwaltungsgericht ist in der genannten Entscheidung davon ausgegangen, dass das Ergebnis im Einklang mit dem Zweck und der Bedeutung des Vorverfahrens stehe. Danach gibt das Widerspruchsverfahren dem Betroffenen die Möglichkeit, bisher nicht geprüfte Einwendungen vorzubringen, und es gibt der Verwaltung die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes nachzuprüfen, durch Aufhebung des angefochtenen bzw. durch Erlass des beantragten Verwaltungsaktes den Betroffenen klaglos zu stellen oder aber ihn durch einen Widerspruchsbescheid, der auf seine Einwendungen eingeht, von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu überzeugen, damit den ordnungsgemäßen Gang der Verwaltung zu sichern, zum Vorteil des Betroffenen und der Verwaltung unnötige Klagen zu verhindern und dadurch schließlich auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entlasten. Einen wesentlichen Teil dieser Aufgaben kann das Vorverfahren nicht mehr erfüllen, wenn sich der Verwaltungsakt erledigt hat und nur noch seine Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit festgestellt werden kann. Die Nachprüfung der Zweckmäßigkeit wäre für den Betroffenen ohne Interesse. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes und damit eine Korrektur, die sich auf den Gang der Verwaltung auswirken könnte, ist nicht mehr möglich. Der für den erledigten Verwaltungsakt verantwortlichen Behörde oder nächsthöheren Behörde ist es zwar nicht verwehrt, sich zu äußern, wie sie die Rechtmäßigkeit des nicht mehr wirksamen Verwaltungsaktes beurteilt, die Abgabe einer solchen Erklärung gehört aber nicht zu den Aufgaben, die der Verwaltung durch die §§ 68 ff. VwGO übertragen sind. Die Verwaltungsbehörde hat im Vorverfahren nachzuprüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Antrages auf Vornahme eines Verwaltungsaktes rechtmäßig ist. Sie muss dem Widerspruch gegebenenfalls dadurch abhelfen oder stattgeben, dass sie den rechtswidrigen Verwaltungsakt aufhebt oder den zu Unrecht verweigerten Verwaltungsakt erlässt. Dagegen ist es nicht Sache der Verwaltung, auch darüber verbindlich zu entscheiden, ob ein erledigter Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Eine solche Feststellung der Verwaltungsbehörde hätte zudem in einem etwaigen Amtshaftungsprozess geringeres Gewicht als eine entsprechende rechtskräftige Verwaltungsgerichtsentscheidung (zum Ganzen BVerwG, a.a.O.).

8

Mithin war der Widerspruch des Klägers unzulässig und mit Blick auf Sinn und Zweck des Vorverfahrens für ihn völlig ohne Nutzen.

9

Allerdings enthält der Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO keine Einschränkung dahingehend, dass ein nach § 68 VwGO "notwendiges" Vorverfahren geschwebt haben muss. Darauf weist unter anderem das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem vom Kläger genannten Beschluss vom 20. Mai 2005 – 8 OB 57/05 – (juris, Rn. 3) hin (ebenso VGH BW, Beschluss vom 21. August 1991 – 11 S 177/91 -, juris, Rn. 5; Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: April 2013, § 162 Rn. 80; vgl. Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2014, § 162 Rn. 13a). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht vertritt in seinem Beschluss vom 20. Mai 2005 (juris, Rn. 5) weiter die Auffassung, dass ein verständiger Beteiligter gegen einen ihn belastenden, für rechtswidrig erachteten Verwaltungsakt entsprechend der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung vorsorglich Widerspruch einlegen und nicht unmittelbar Klage erheben werde, wenn diese Rechtsbehelfsbelehrung für ihn nicht erkennbar unzutreffend ist. Auf die Richtigkeit einer solchen Rechtsbehelfsbelehrung dürfe er nämlich grundsätzlich vertrauen (ebenso Redeker/von Oertzen, a.a.O.).

10

Bei der Frage, welche Folgen es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines für das Verfahren hinzugezogenen Bevollmächtigten hat, wenn dieses Vorverfahren nicht notwendig und sinnlos war, ist jedoch auch die das Kostenrecht beherrschende Kostenminderungspflicht zu beachten. Der Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte die Pflicht hat, die Kosten nach Möglichkeit niedrig zu halten (Kopp/Schenke, a.a.O., § 162 Rn. 1c), ist in § 162 Abs. 1 VwGO enthalten (VGH BW, Beschluss vom 22. Dezember 1983 – 2 S 2782/83 –, VBlBW 1984, 376 f.; BayVGH, Beschluss vom 23. Mai 1984 – 1 C 83 A. 2598 –, BayVBl. 1985, 28; OVG Berlin, Beschluss vom 4. Januar 2001 – 3 K 9/00 –, NVwZ-RR 2001, 614). Danach sind Kosten die Gerichtskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO stets erstattungsfähig. Allerdings steht die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten unter dem Vorbehalt, dass sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind (VGH BW, a.a.O.). Auch wenn die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts "stets" erstattungsfähig sind, wird eine Prüfung der Notwendigkeit dieser Auslagen und Gebühren im Einzelfall nicht ausgeschlossen (BayVGH, a.a.O.). Ebenso wie die Kostenminimierungspflicht im Rahmen des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu berücksichtigen ist, ist sie auch für die hier zu treffende Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO erheblich. Das bedeutet, dass die im Vorverfahren entstandenen Anwaltskosten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sein müssen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1981 – 4 C 75.80 –, juris, Rn. 8). Ein unzulässiges und für den Kläger in jeder Hinsicht sinnloses Vorverfahren ist keine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Unter diesen Umständen kann die Zuziehung eines Bevollmächtigten für ein solches Vorverfahren nicht für notwendig erklärt werden (vgl. auch OVG MV, Beschluss vom 23. Juli 2008 – 10108/08 –, juris, Rn. 3).

11

Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die der Ausreiseuntersagung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung, wonach innerhalb eines Monats schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch erhoben werden konnte. Diese Rechtsbehelfsbelehrung war nicht von vornherein fehlerhaft. Der Kläger hätte nämlich Widerspruch einlegen müssen, falls er einen Antrag auf Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hätte stellen wollen. Nach Ablauf der zeitlichen Geltungsdauer der Ausreiseuntersagung war jedoch – wie oben ausgeführt – ein Widerspruch unzulässig. Dies war für die Prozessbevollmächtigten des Klägers, denen er am 2. Oktober 2013 die Ausreiseuntersagung übersandt hatte, angesichts der grundlegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) auch ohne Weiteres sofort erkennbar. Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass er anwaltlicher Rechtsberatung bedurfte, um sich über Rechtschutzmöglichkeiten zu informieren. Der zunächst gewählte Weg der Widerspruchseinlegung durch seine Prozessbevollmächtigten war aber nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig. Vielmehr wäre es sachgerecht gewesen, sofort die Fortsetzungsfeststellungsklage zu erheben. Eine vorherige Akteneinsicht war auch ohne Einlegung des Widerspruchs möglich.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.