Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 30. Nov. 2016 - 6 A 1100/14
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 11. Oktober 2013 sowie seines diesbezüglichen Widerspruchsbescheides vom 28. April 2014 verpflichtet, die Klägerin auf ihren Antrag vom 13. Mai 2013 ab dem 01. Juni 2013 bis zum 31. Dezember 2016 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab dem 01. Juni 2013.
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Sie ist ab dem 01. Januar 2013 als Wohnungsinhaberin beim Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio (im Folgenden: Beitragsservice) unter der Beitragsnummer 675 974 165 angemeldet.
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Sie ist Beamtin im Dienst des Freistaates Thüringen; ihr wurde antragsgemäß Sonderurlaub unter Fortfall der Dienstbezüge zum Zwecke der Kinderbetreuung, zuletzt befristet bis zum 31. Dezember 2016, vom Dienstherrn bewilligt. Die am 14. Februar 2005 geborene ältere Tochter der Klägerin, C., ist zu 100 % schwerbehindert (Pflegestufe 3) und wird von der geschiedenen Klägerin häuslich gepflegt, das heißt die Klägerin übernimmt die Grund- und Behandlungspflege für ihre schwerstpflegebedürftige Tochter.
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Die Klägerin beantragte mit Formularantrag vom 13. Mai 2013, der am 31. Mai 2013 beim Beitragsservice einging, die Befreiung/ Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 6 RBStV.
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Ihren Ermäßigungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 03. August 2013, den Befreiungsantrag mit Bescheid vom 11. Oktober 2013 ab. Gegen letztgenannten Bescheid legte die Klägerin am 23. Oktober 2013 Widerspruch ein.
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Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin am 10. Juni 2014 die vorliegende Klage erhoben. Sie meint, dass in ihrem Fall ein atypischer Sachverhalt vorliege, der die Annahme eines Härtefalles rechtfertige. Sie lebe unterhalb der Bedarfssätze nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches. Dies habe der Gesetzgeber im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nicht explizit regeln können. Die Härtefallregelung beschränke sich nicht nur auf die Fälle einer versagten Sozialleistung. Es liege eine vergleichbare Bedürftigkeit vor.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2014 ab dem 01. Juni 2013 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und tritt ihr mit Rechtsausführungen entgegen. Er beruft sich auf die bescheidgebundene Nachweisführung für eine vergleichbare Bedürftigkeit; solche Nachweise habe die Klägerin nicht erbracht.
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Mit Beschluss vom 29. Juli 2016 hat das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten, und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Über die Klage entscheidet der Berichterstatter, dem die Kammer den Rechtsstreit als Einzelrichter mit Beschluss vom 29. Mai 2015 übertragen hat, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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II. Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet.
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Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 11. Oktober 2013 sowie sein diesbezüglicher Widerspruchsbescheid vom 28. April 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, weil sie auf ihren Antrag vom 13. Mai 2013 ab dem 01. Juni 2013 bis zum 31. Dezember 2016 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab dem 01. Januar 2013 ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – (GVOBl. M-V 2011, S. 766), der durch Zustimmungsgesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 4. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 766) in hiesiges Landesrecht umgesetzt wurde.
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Der Beklagte geht fehl in der Annahme, der von der Klägerin ab dem 01. Juni 2013 geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Härtefallgründen stehe ihr nicht zu.
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1. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin nicht zu dem Personenkreis gehört, der nach § 4 Abs. 1 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien ist. Denn es werden natürliche Personen nur in den Fällen, die in den Nummern 1 bis 10 der v.g. Vorschrift geregelt sind, auf Antrag von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV befreit. Der Beginn des Befreiungszeitraums bemisst sich nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 RBStV. Nach § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV sind die Voraussetzungen für die Befreiung durch die entsprechende Bestätigung einer Behörde oder des Leistungsträgers im Original oder durch entsprechenden Bescheid im Original oder in beglaubigter Kopie nachzuweisen. Mit der Regelung des § 4 Abs. 1 RBStV hat der Gesetzgeber für sämtliche Befreiungstatbestände das Grundprinzip aus dem vorangegangenen Rundfunkgebührenstaatsvertrag übernommen, dass nur demjenigen ein Anspruch auf Befreiung zusteht, dessen Bedürftigkeit durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und mit deren Bescheid bestätigt wurde (sog. „bescheidgebundene“ Befreiungsmöglichkeit). Die Befreiungstatbestände des § 4 Abs. 1 RBStV sind abschließend geregelt und die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 09.03.2016 - 3 D 100/15 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.10.2015 - OVG 11 B 7.13 -, juris).
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Danach kann sich die Klägerin auf keinen der in § 4 Abs. 1 RBStV geregelten Befreiungstatbestände berufen. In dem von ihr geltend gemachten Zeitraum gehört sie insbesondere nicht zu den Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Sozialgeld nach SGB XII bzw. SGB II. Auch erhält sie keine anderen Leistungen im Sinne von § 4 Abs. 1 RBStV, insbesondere kann sie sich nicht auf Nr. 7 berufen, weil das Pflegegeld an die Tochter der Klägerin als Pflegebedürftige ausgezahlt wird.
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2. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 6 RBStV, weil aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles hier ausnahmsweise sowohl ein verfahrensrechtlicher als auch ein materiell-rechtlicher Härtefall vorliegt.
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Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 den Antragsteller in besonderen Härtefällen von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Nach Satz 2 liegt ein Härtefall insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkgebührenbeitrags überschreiten. Die Regelung in Satz 2 beruht auf den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 9. und 30. November 2011 (BVerfG, Beschl. v. 09.11.2011 – 1 BvR 665/10 – u. v. 30.11.2011 – 1 BvR 3269/08 – u. – 1 BvR 656/10 –, juris) zur Vorgängerregelung des § 6 Abs. 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV).
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Das Bundesverfassungsgericht hat einen Härtefall dann angenommen, wenn das Einkommen eines Rundfunkgebührenpflichtigen die für die Gewährung der in § 6 Abs. 1 RGebStV aufgezählten Sozialleistungen maßgeblichen Einkommensgrenzen übersteigt (weshalb ein Anspruch auf Sozialleistungen nicht besteht), in denen aber dieser Teil des Einkommens oberhalb der Einkommensgrenzen geringer ist als die Rundfunkgebühr selbst. In einem solchen Fall führt die Versagung der Befreiung von Rundfunkgebühren nämlich dazu, dass das Einkommen des Betroffenen im Ergebnis durch die Belastung der zu zahlenden Rundfunkgebühren unter diese Einkommensgrenzen absinkt, ohne dass er hieran etwas, z.B. durch die Beantragung von Sozialleistungen, ändern könnte.
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Im vorliegenden Fall liegt das Einkommen der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum – bereits vor Abzug zu zahlender Rundfunkbeiträge – unterhalb dessen, was ihr an Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und SGB XII zustehen würde.
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Die Klägerin selbst verfügt mit Ausnahme der Wohngeldzahlungen über kein eigenes Einkommen. Hiervon sind noch Versicherungsleistungen abzuziehen. Selbst unter Berücksichtigung des Kindergeldes und des vom Vater gezahlten Kindesunterhalts liegt das Einkommen unterhalb der Regelsätze für die Grundsicherung der Familie. Die Pflegegeldzahlungen erfolgen an die pflegebedürftige Tochter und nicht an die pflegende Klägerin. Sie stellen daher kein Einkommen der Klägerin dar; Pflegegeld als Leistungen der Pflegeversicherung bleibt als Einkommen bei Sozialleistungen ohnehin unberücksichtigt, § 13 Abs. 5 SGB XI. Der für die Klägerin als alleinerziehende Person maßgebliche Regelsatz belief sich vom 1. Januar 2013 auf 382 €. Hinzu kommt der Regelbedarf (Regelbedarfsstufe 5) für zwei Kinder in Höhe von insgesamt 510 € sowie ein Mehrbedarf in Höhe von 123 €. Die Aufwendungen für ihre Wohnung mit einer Wohnfläche von 98 m² (Miete und Heizkosten) betrugen 575 €. Vermögenswerte, die die Klägerin einsetzen könnte, sind ausweislich ihrer Angaben im Prozesskostenhilfeverfahren nicht vorhanden.
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Bei einem Unterschreiten der Bedarfsgrenze kommt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.06.2008 – 6 B 1/08 –, juris Rn. 5; VG München, Urteil vom 04.05.2016 – M 6 K 16.652 –, juris Rn. 18) in den Fällen des freiwilligen Verzichts auf eine Sozialleistung keine Beitragsbefreiung aus Härtefallgründen in Betracht. Denn der Rundfunkbeitragspflichtige könnte einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bzw. XII stellen und es wären ihm bei entsprechender Einkommens- und Vermögenslosigkeit Sozialleistungen zu bewilligen mit der Folge, dass er auch von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien wäre. Beantragt hingegen ein Rundfunkteilnehmer trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Bewilligung dieser ihm zustehenden Sozialleistungen, kann er keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht verlangen. Es fehlt in diesen Fällen auch an der Voraussetzung einer besonderen Härte nach § 4 Abs. 6 RBStV. Grund hierfür ist, dass die Entscheidung über die Rundfunkbeitragsbefreiung in Fällen, die von der Typologie der Befreiungsvorschriften erfasst werden, von dem Bescheid einer Sozialbehörde über den Empfang der Leistungen abhängig ist, der nur auf Antrag des Bedürftigen erteilt wird (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 10.09.2015 – 3 D 31/15 –, juris Rn. 11).
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Die Regelung zur Nachweisführung durch Sozialleistungsbescheide ist nach der gesetzlichen Konzeption zwingend. Dementsprechend kommt die Anwendung der Härtefallklausel auf Fälle wie den vorliegenden nur dann in Betracht, falls es dem Beitragsschuldner aufgrund eines besonderen Härtefalles nicht möglich wäre, einen entsprechenden Sozialleistungsbescheid vorzulegen (vgl. OVG M-V, Beschl. v. 25.02.2016 – 2 O 36/15 –, u. v. 03.03.2016 – 2 O 94, 95 u. 162/15 –).
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Ein solcher verfahrensrechtlicher Härtefall ist hier ausnahmsweise gegeben. Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und SGB XII erhält die Klägerin nicht, obwohl sie einen entsprechenden Antrag nach SGB XII gestellt hat. Hintergrund ist, dass die Klägerin bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB II und XII hat. Durch die häusliche Vollzeitpflege ihrer zu 100 % schwerbehinderten Tochter C. steht die Klägerin dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung und sie ist weder teilweise noch voll aus gesundheitlichen Gründen erwerbsgemindert (vgl. Ablehnungsbescheid des Landrates des Landkreises B-Stadt vom 23. November 2015). Damit ist es ihr in verfahrensrechtlicher Hinsicht unmöglich, durch eine Sozialbehörde einen positiven Sozialleistungsbescheid zu erhalten, den sie wiederum gegenüber dem Beklagten vorlegen könnte.
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Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines besonderen Härtefalls sind hier gegeben. Nach der Gesetzesbegründung liegt ein besonderer Härtefall vor, wenn - ohne dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 RBStV erfüllt sind - eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.10.2011 – 6 C 34/10 –, juris Rn. 18; Gall/Siekmann in: Hahn/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Auflage, § 4 RBStV Rn. 53 mit Verweis auf BayLT-Drs. 16/7001, S. 16). Die Regelung in § 4 Abs. 6 RBStV enthält keine allgemeine Härte-Auffangklausel. Ein besonderer Härtefall scheidet vielmehr für solche Sachverhalte aus, die nach der Systematik und dem Sinn und Zweck der Befreiungsregelung durch die in § 4 Abs. 1 RBStV aufgezählten, speziellen Befreiungstatbestände abschließend geregelt werden. Erfüllt der Rundfunkteilnehmer nicht die in den dort aufgeführten Leistungsgesetzen genannten Voraussetzungen für einen Leistungsbezug, scheidet im Grundsatz auch eine Rundfunkbeitragsbefreiung aus. Die Härteregelung ist auf atypische Fallkonstellationen bezogen, die vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden sind (BVerwG, Urt. v. 12.10.2011, a.a.O., juris Rn. 22). § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV soll gewährleisten, dass auch in Ausnahmefällen, die wegen ihrer atypischen Ausgestaltung nicht im Einzelnen vorherzusehen sind und sich daher nicht mit den abstrakten Merkmalen des Gesetzes erfassen lassen, ein Ergebnis erreicht wird, das dem Regelergebnis in seiner grundsätzlichen Zielsetzung gleichwertig ist. Dementsprechend kann ein atypischer Fall nur dann angenommen werden, wenn zu der allgemeinen Einkommenssituation noch besondere Lebensumstände hinzukommen (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 19.10.2016 – 6 A 1685/14 –, juris Rn. 37). Dabei ist jeweils auch zu berücksichtigen, ob es mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten ist, den nicht durch § 4 Abs. 1 RBStV erfassten Sachverhalt als besonderen Härtefall anzuerkennen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.11.2011, a.a.O., juris Rn. 11 ff.).
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Hiervon ausgehend ist der dem Befreiungsbegehren zugrunde liegende Sachverhalt so außergewöhnlich, dass der Gesetzgeber diese Fallkonstellation in § 4 Abs. 1 RBStV nicht abschließend geregelt hat. Die Klägerin ist keine Empfängerin von Pflegegeld nach landesrechtlichen Vorschriften, § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV. Das Pflegegeld wird nicht an die Pflegeperson, sondern an die pflegebedürftige Person ausgezahlt. Die Klägerin hat für die Pflege ihrer Tochter die Berufstätigkeit unterbrochen und sich gegen eine Pflege durch einen Pflegedienst entschieden. Die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Pflegeleistung spiegelt sich in den sozialrechtlichen Vorschriften nicht dergestalt wider, dass die Klägerin als Pflegeperson einen Anspruch auf eine sozialrechtliche Leistung erwirbt, weil sie im Gegenzug auf entsprechende Einnahmen aus einer beruflichen Tätigkeit verzichtet. Die berufliche Freistellungsphase zum Zwecke der Angehörigenpflege stellt aus Sicht der Klägerin eine aufopfernde Maßnahme dar. Der Gesetzgeber konnte in § 4 Abs. 1 RBStV für die pflegenden Angehörigen keine Rundfunkbeitragsbefreiung regeln, weil eine bescheidgebundene Anknüpfung an eine konkrete Sozialleistung für diese Personengruppe grundsätzlich nicht möglich ist. Es liegt nach Auffassung des Gerichts eine atypische, vom Normgeber versehentlich nicht berücksichtigte Sondersituation vor und keine bloße Bedarfslage, für die der Normgeber bewusst keine Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV gewähren wollte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.10.2015 – OVG 11 B 7.13 –, juris Rn. 27 ff.; BVerwG, Urt. v. 12.10.2011,a.a.O., juris Rn. 17 ff.).
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Die vergleichbare Bedürftigkeit ergibt sich daraus, dass die Klägerin aus sozialen Gründen gehindert ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sie noch nicht einmal sozialleistungsberechtigt ist. Jede andere Betrachtung würde dazu führen, dass die Klägerin befreiungsrechtlich schlechter gestellt würde als die in § 4 Abs. 1 RBStV begünstigten Personen, obschon eine vergleichbare (ökonomische) Bedürftigkeit gegeben ist. Es kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, dass sie die Einkommensschwäche selbst „verschuldet“ hat, weil sie ihr minderjähriges Kind in der Freistellungsphase selbst pflegen möchte und nicht durch einen Pflegedienst. Pflege durch Angehörige ist ein Menschenrecht; die gesellschaftliche Anerkennung der Pflegeleistung bedeutet auch, der Armutsspirale, in der sich alleinstehende vollzeitpflegende Angehörige befinden, nach Möglichkeit entgegen zu wirken. Genau für einen solchen Fall ist die Härtefallklausel geschaffen worden. Der Klägerin, die sich für eine Vollzeitpflege ihrer minderjährigen Tochter und damit für einen temporären Verzicht auf ein Erwerbseinkommen entscheiden hat, kann nicht noch zugemutet werden, in der Freistellungs- und Pflegphase den Rundfunkbeitrag zu entrichten.
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3. Beginn und Ende der Befreiung ergeben sich aus § 4 Abs. 4 Satz 2 und 3 RBStV. Im Rahmen der zeitlichen Begrenzung der Rundfunkbeitragsbefreiung hat sich das Gericht an dem Bescheid des Freistaates Thüringen vom 14. Januar 2016 über die Gewährung von Sonderurlaub bis zum 31. Dezember 2016 orientiert.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 30. Nov. 2016 - 6 A 1100/14
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Schwerin Urteil, 30. Nov. 2016 - 6 A 1100/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
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die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
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1. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Befreiung von Rundfunkgebühren.
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1. Der Beschwerdeführer und Kläger des Ausgangsverfahrens bezog Einkünfte aus Altersrente und Wohngeld, die nach Abzug der Wohnkosten nur geringfügig über den Regelsätzen nach dem SGB II oder SGB XII lagen, sodass der nach Abzug der Regelsätze verbleibende Betrag die Rundfunkgebühr nicht vollständig abdeckte. Einen Antrag auf Befreiung von den Rundfunkgebühren lehnte die beklagte Rundfunkanstalt durch Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid ab. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen, weil ein geringes Einkommen allein keinen Härtefall im Sinne des § 6 Abs. 3 RGebStV begründe. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung einer hiergegen gerichteten Berufung wurde durch angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts abgelehnt, weil keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe.
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2. Hiergegen hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er macht geltend, in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4, Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Durch die Belastung mit Rundfunkgebühren verbleibe ihm weniger als Regelsatzempfängern nach dem SGB II oder SGB XII, die ihrerseits von der Gebührenpflicht durch § 6 Abs. 1 RGebStV befreit seien. Die Versagung der Gebührenbefreiung stelle eine empfindliche und nachhaltige Einbuße dar, weil er 5 % seines Einkommens für Rundfunkgebühren aufwenden müsse.
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3. Zu der Verfassungsbeschwerde hatten die Justizbehörde Hamburg und die Rundfunkanstalt Gelegenheit zur Äußerung. Die Justizbehörde Hamburg hat sich dahingehend geäußert, dass aus den vom Oberverwaltungsgericht genannten Gründen kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 4 GG vorliege. Die Rundfunkanstalt hat den Beschwerdeführer von den Rundfunkgebühren nach Zustellung der Verfassungsbeschwerde rückwirkend befreit und dies mit den - nicht weiter substantiierten - Besonderheiten des vorliegenden Falles trotz der seinerzeit zutreffenden Ablehnung eines besonderen Härtefalles im Sinne von § 6 Abs. 3 RGebStV begründet.
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Der Beschwerdeführer hat im Hinblick auf die nachträgliche Befreiung die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt und die Festsetzung des Gegenstandswerts und die Anordnung der Auslagenerstattung beantragt. Die Justizbehörde Hamburg und die Rundfunkanstalt hatten Gelegenheit zur Äußerung. Die Rundfunkanstalt hat mitgeteilt, dass der Antrag auf Auslagenerstattung unbegründet sei, weil die Rundfunkanstalt die rückwirkende Befreiung nicht im Hinblick auf spezifisch verfassungsrechtliche Gewährleistungen, sondern aufgrund der einfachgesetzlichen Regelung und der besonderen Umstände des Beschwerdeführers getroffen habe. Im Hinblick hierauf sei sie jedoch bereit, die Kosten des Verfahrens auf der Basis des Mindestgegenstandswertes zu übernehmen.
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II.
- 6
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Dem Beschwerdeführer sind seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
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1. Über die Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden, nachdem dieser seine Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114>; 87, 394 <397>; BVerfGK 3, 326 <327>). Dabei kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. BVerfGE 85, 109 <114>; 87, 394 <397>; BVerfGK 3, 326 <327>). Zwar findet eine Beurteilung der Erfolgsaussichten analog den Verfahrensordnungen der einzelnen Gerichtszweige (vgl. § 91a ZPO, § 161 Abs. 2 VwGO, § 138 Abs. 1 FGO) insbesondere im Verfassungsbeschwerdeverfahren in der Regel nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 1996 - 2 BvR 1308/96 -, juris). Bedenken dagegen, dass im Falle einer Erledigung der Verfassungsbeschwerde über die Auslagenerstattung aufgrund einer nur überschlägigen Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde entschieden und dabei zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen aufgrund einer lediglich kursorischen Prüfung Stellung genommen werden müsste (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115>), greifen jedoch nicht durch, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <115 f.>; BVerfGK 3, 326 <327>).
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2. Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Erstattung der dem Beschwerdeführer durch die für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerde entstandenen notwendigen Auslagen durch die Freie und Hansestadt Hamburg anzuordnen.
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a) Allerdings folgt dies nicht schon daraus, dass die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden könnte, weil die Rundfunkanstalt den Beschwerdeführer nachträglich von den Rundfunkgebühren befreit und damit sein Begehren als berechtigt anerkannt hätte (vgl. dazu BVerfGE 85, 109 <115>; 87, 394 <397>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Mai 1997 - 2 BvR 1692/96 -, juris). Denn die Rundfunkanstalt geht in der Sache weiterhin von einem verfassungsgemäßen Vorgehen aus und hat nur aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles von der Möglichkeit einer Befreiung Gebrauch gemacht.
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b) Die Billigkeitsentscheidung über die Auslagenerstattung ist nicht allein anhand der - nicht eindeutigen - Erklärung der Rundfunkanstalt zu treffen, die Kosten des Verfahrens "auf der Basis des ... Mindeststreitwertes" übernehmen zu wollen. Denn als anhörungsberechtigte Dritte im Sinne des § 94 Abs. 3 BVerfGG ist die Rundfunkanstalt schon nicht Beteiligte des Verfahrens oder berechtigt, Anträge zu stellen (vgl. BVerfGE 55, 132 <133>) und damit erst recht nicht befugt, über die Auslagenerstattung zu disponieren. Die nicht eindeutige Erklärung der Rundfunkanstalt hat auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers entfallen lassen.
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c) Die Entscheidung über die Auslagenerstattung orientiert sich vielmehr an der Erfolgsaussicht der Hauptsache, weil die verfassungsrechtliche Lage durch die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen an eine zulässige Typisierung durch den Gesetzgeber und deren Grenzen (vgl. etwa BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280 f.>) bereits geklärt ist. Hiernach entspricht die Anordnung der Auslagenerstattung der Billigkeit, weil die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg hatte. Jedenfalls soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG rügt, war die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
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aa) Art. 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes ist daher zunächst zu fragen, ob eine Person oder Gruppe durch die als gleichheitswidrig angegriffene Vorschrift anders (schlechter) gestellt wird als eine andere Personengruppe, die man ihr als vergleichbar gegenüberstellt (vgl. BVerfGE 22, 387 <415>; 52, 277 <280>). Das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 110, 412 <431>). Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE 110, 412 <431>; 121, 108 <119>). Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffenen Entscheidungen als Rentner mit einem geringfügig über den Regelsätzen nach dem SGB II und dem SGB XII liegenden Einkommen gegenüber Empfängern dieser Sozialleistungen schlechter gestellt. Während diese nach § 6 Abs. 1 RGebStV auf Antrag von den Rundfunkgebühren befreit sind, wurde dem Beschwerdeführer durch die angegriffenen Entscheidungen weder nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV noch aufgrund eines besonderen Härtefalles nach § 6 Abs. 3 RGebStV eine Rundfunkgebührenbefreiung gewährt. Beide Personengruppen sind miteinander vergleichbar, da das dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Einkommen seiner Höhe nach mit den sozialrechtlichen Regelsätzen vergleichbar ist.
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bb) Diese Differenzierung war nicht gerechtfertigt. Art 3 Abs. 1 GG schließt zwar nicht jede Differenzierung aus und ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 112, 50 <67>; 117, 272 <300 f.>; 122, 151 <174>; stRspr). Derartige, die ungleiche Behandlung rechtfertigende Umstände liegen hier jedoch nicht vor.
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Eine solche Rechtfertigung ergibt sich nicht schon daraus, dass das Einkommen des Beschwerdeführers höher ist als die vergleichbaren sozialrechtlichen Regelsätze. Sein Einkommen übersteigt die Leistungen nach dem SGB II und SGB XII um einen Betrag, der geringer ist als die von ihm zu zahlenden Rundfunkgebühren. Anders als etwa die Personen der Vergleichsgruppe muss der Beschwerdeführer deshalb auf den dem Regelsatz entsprechenden Teil seines Einkommens zurückgreifen, um einen Teil der Rundfunkgebühren zu entrichten.
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Die ungleiche Behandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII findet ihre sachliche Rechtfertigung ebenfalls nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280>). Die Auslegung und Anwendung der § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 3 RGebStV durch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht, insbesondere die restriktive Anwendung der Härtefallregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV wird den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung nicht gerecht. Hierzu ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; stRspr). Die Verwaltungsvereinfachung bei der Prüfung, ob eine Befreiung von Rundfunkgebühren zu gewähren ist, vermag hiernach die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nicht zu rechtfertigen, da keine kleine Anzahl von Personen betroffen ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz intensiv ist.
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Für die Intensität des Gleichheitsverstoßes ist insbesondere die Beitragsbelastung maßgeblich (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>). Diese besteht höchstens in Höhe der Rundfunkgebühr, wird aber je nach Höhe des die Regelsätze übersteigenden Einkommens entsprechend geringer sein. Zwar ist dieser Betrag absolut nicht sehr hoch, er stellt aber eine intensive und wiederkehrende Belastung des Beschwerdeführers dar. Im Verhältnis zum Einkommen führt schon die Belastung mit den verhältnismäßig geringen Beträgen bis zur Höhe der Rundfunkgebühr zu einer Verringerung des Einkommens von bis zu 5 %. Denn der Beschwerdeführer hat für seine Lebensführung lediglich ein Einkommen aus Rente und Wohngeld zur Verfügung, das unter Berücksichtigung der Wohnungskosten seiner Höhe nach mit den Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vergleichbar ist, die nach der Definition in § 20 Abs. 1 SGB II dazu dienen, sowohl die physische als auch die soziale Seite des Existenzminimums sicherzustellen (vgl. BVerfGE 125, 175 <228>). Zugleich ist das Interesse des Beschwerdeführers am Empfang von Rundfunksendungen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG geschützt (vgl. BVerfGE 90, 27 <32>).
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Aufgrund der mit der Pauschalierung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV verbundenen Härten ist die Anwendung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages durch das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht nicht mehr mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, ohne dass der Rundfunkgebührenstaatsvertrag selbst verfassungswidrig wäre. Denn § 6 Abs. 3 RGebStV sieht unbeschadet der Fälle der Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV in besonderen Härtefällen eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vor. Er ermöglicht es dem Rechtsanwender damit, einen besonderen Härtefall anzunehmen, wenn eine Person nur deshalb keine der in § 6 Abs. 1 RGebStV genannten Sozialleistungen erhält, weil ihr Einkommen die dortigen Regelsätze übersteigt, dieser übersteigende Betrag aber geringer ist als die zu zahlenden Rundfunkgebühren. § 6 Abs. 3 RGebStV erlaubt damit eine Rundfunkgebührenbefreiung in dem Umfang, in dem die Rundfunkgebühren das Mehreinkommen gegenüber den Regelsätzen übersteigen. Ob aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität für die Härtefallprüfung besondere gesetzliche Verfahrensregeln, etwa durch Darlegungs- und Auskunftsobliegenheiten, erforderlich sind, bedarf hier keiner Entscheidung.
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III.
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Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Tenor
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Der Prozesskostenhilfebeschluss vom 30. Mai 2011 wird dahingehend geändert, dass an Stelle von Rechtsanwalt Dr. L. nunmehr Rechtsanwalt Dr. H. beigeordnet wird.
-
Die Abänderung der Beiordnung erfolgt mit der Maßgabe, dass hierdurch für die Staatskasse keine höheren Kosten entstehen.
Tenor
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Der Prozesskostenhilfebeschluss vom 30. Mai 2011 wird dahingehend geändert, dass an Stelle von Rechtsanwalt Dr. L. nunmehr Rechtsanwalt Dr. H. beigeordnet wird.
-
Die Abänderung der Beiordnung erfolgt mit der Maß-gabe, dass hierdurch für die Staatskasse keine höheren Kosten entstehen.
(1) Den Leistungen der Pflegeversicherung gehen die Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit
- 1.
nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, - 2.
aus der gesetzlichen Unfallversicherung und - 3.
aus öffentlichen Kassen auf Grund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge
(2) Die Leistungen nach dem Fünften Buch einschließlich der Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 des Fünften Buches bleiben unberührt. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, soweit diese im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 des Fünften Buches oder der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c des Fünften Buches zu leisten sind.
(3) Die Leistungen der Pflegeversicherung gehen den Fürsorgeleistungen zur Pflege
- 1.
nach dem Zwölften Buch, - 2.
nach dem Lastenausgleichsgesetz, dem Reparationsschädengesetz und dem Flüchtlingshilfegesetz, - 3.
nach dem Bundesversorgungsgesetz (Kriegsopferfürsorge) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,
(3a) (weggefallen)
(4) Treffen Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe zusammen, vereinbaren mit Zustimmung des Leistungsberechtigten die zuständige Pflegekasse und der für die Eingliederungshilfe zuständige Träger,
- 1.
dass im Verhältnis zum Pflegebedürftigen der für die Eingliederungshilfe zuständige Träger die Leistungen der Pflegeversicherung auf der Grundlage des von der Pflegekasse erlassenen Leistungsbescheids zu übernehmen hat, - 2.
dass die zuständige Pflegekasse dem für die Eingliederungshilfe zuständigen Träger die Kosten der von ihr zu tragenden Leistungen zu erstatten hat sowie - 3.
die Modalitäten der Übernahme und der Durchführung der Leistungen sowie der Erstattung.
(4a) Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für ein Zusammentreffen von Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe, bezieht der für die Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens oder Gesamtplanverfahrens verantwortliche Träger mit Zustimmung des Leistungsberechtigten die zuständige Pflegekasse in das Verfahren beratend mit ein, um die Vereinbarung nach Absatz 4 gemeinsam vorzubereiten.
(4b) Die Regelungen nach Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 und 4a werden bis zum 1. Juli 2019 evaluiert.
(5) Die Leistungen der Pflegeversicherung bleiben als Einkommen bei Sozialleistungen und bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt; dies gilt nicht für das Pflegeunterstützungsgeld gemäß § 44a Absatz 3. Satz 1 gilt entsprechend bei Vertragsleistungen aus privaten Pflegeversicherungen, die der Art und dem Umfang nach den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig sind. Rechtsvorschriften, die weitergehende oder ergänzende Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung von der Einkommensermittlung ausschließen, bleiben unberührt.
(6) Wird Pflegegeld nach § 37 oder eine vergleichbare Geldleistung an eine Pflegeperson (§ 19) weitergeleitet, bleibt dies bei der Ermittlung von Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsverpflichtungen der Pflegeperson unberücksichtigt. Dies gilt nicht
- 1.
in den Fällen des § 1361 Abs. 3, der §§ 1579, 1603 Abs. 2 und des § 1611 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
für Unterhaltsansprüche der Pflegeperson, wenn von dieser erwartet werden kann, ihren Unterhaltsbedarf ganz oder teilweise durch eigene Einkünfte zu decken und der Pflegebedürftige mit dem Unterhaltspflichtigen nicht in gerader Linie verwandt ist.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
Mit Schreiben vom ... Dezember 2012 beantragte der Kläger bereits einmal Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als Härtefall aus finanziellen Gründen. Er bestreite seinen Unterhalt aus nichtstaatlichen Unterhaltszuschüssen in Höhe des Existenzminimums, das bei Zahlung des Rundfunkbeitrags unterschritten würde. Gegen den diesbezüglichen Ablehnungsbescheid vom ... April 2013 erhob der Kläger zunächst mit Schreiben vom ... Mai 2013 Widerspruch und nach Erlass des zurückweisenden Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2014 mit Schriftsatz vom ... Februar 2014 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Diese Klage wurde - mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - mit Urteil vom 26. Februar 2015 abgewiesen (M 6a K 14.877). Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Kläger auch mit den damals vorgelegten beiden Bescheinigungen des Jobcenters A... jeweils vom ... März 2014 das Vorliegen eines Härtefalls nicht nachgewiesen habe. Gegen das Urteil wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
Mit Schreiben vom ... Juni 2014 stellte der Kläger einen „Folge- bzw. Verlängerungsantrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht“ aus finanziellen Gründen im Sinne eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV. Hierzu legte er eine „Bescheinigung zur Vorlage bei der GEZ“ des Jobcenters A... vom ... Juli 2014 mit folgendem Text bei: „Hiermit wird bestätigt, dass das Einkommen des o.g. Antragstellers den Bedarf nach dem SGB II nicht ausreichend deckt. Diese Bescheinigung gilt für den Zeitraum vom ...07.2014 bis ...12.2014.“ Dieser Bescheinigung lag eine Berechnung bei, die einen „Bedarf nach dem SGB II“ von a... EUR auswies. Mit weiterem Schreiben vom ... Januar 2015 stellte der Kläger noch einen „Folge- bzw. Verlängerungsantrag“ aus denselben Gründen mit einer Bescheinigung des Jobcenters A... vom ... Januar 2015 gleichen Inhalts und einem genannten „Bedarf nach dem SGB II“ von b... EUR. Der Kläger reichte mit einem Schreiben vom ... Juni 2015 noch eine weitere Bescheinigung des Jobcenters A... vom ... April 2015 mit folgendem Text nach: „Hiermit wird bestätigt, dass das Einkommen (siehe auch das Schreiben vom ...01.2015) des o.g. Antragstellers den Bedarf nach dem SGB II nicht ausreichend deckt. Der o.g. verzichtet am ...01.2015 auf eine Antragstellung nach dem SGB II aus persönlichen Gründen. Aus den vorgelegten Unterlagen hat Herr … kein Vermögen, das einen Anspruch auf SGB II Leistungen ausschließen würde.“ Eine Bedarfsberechnung war diesmal nicht beigefügt.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom
Gegen den Bescheid vom
Er führte u. a. insbesondere noch aus, dass ein regulärer ALG-II-Antrag in diesem Zusammenhang keine Lösung sei. Erstens ziehe schon die Stellung eines ALG-II-Antrags, auch ohne überhaupt Sozialleistungen beziehen zu wollen, weitreichende Verpflichtungen und Einschränkungen nach sich. Insofern sei eine Quasi-Zwangsanmeldung zum Sozialsystem, nur um eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zu erlangen, für Personen, die freiwillig auf Sozialleistungen verzichteten, nicht mit der Verfassung vereinbar. Für diese Personengruppe müsse eine andere Möglichkeit der Überprüfung und des Nachweises der Bedürftigkeit bestehen. Zweitens wäre bei einem regulären ALG-II-Antrag mit dem ergangenen Bescheid dann sowieso eine Befreiung nach den Regelungen des § 4 Abs. 1 RBStV möglich und somit eine Befreiungsmöglichkeit nach der Härtefallregelung, wie vom Beklagten angeboten, unnötig.
Mit Widerspruchsbescheid vom
Mit Klageschriftsatz vom ... Februar 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am ... Februar 2016, beantragte der Kläger,
die Bescheide des Beklagten vom
Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass er seit geraumer Zeit nur ein geringes Einkommen unter dem Niveau vergleichbarer Sozialhilfebezieher in Form von Unterhaltszuschüssen beziehe, mit denen er seinen Lebensunterhalt bis zu seinem Übergang in die Selbstständigkeit bestreite, so dass er Anspruch auf staatliche Hilfen habe würde. Auf diese Leistungen verzichte er, da der Bezug bzw. auch schon die Beantragung staatlicher Mittel an vertragliche Vereinbarungen und Verpflichtungen geknüpft sei, die seiner freiheitlichen Lebensführung, insbesondere dem Übergang in die Selbstständigkeit, entgegenstünden und auch mit der Pflege bzw. häuslichen Unterstützung seiner Angehörigen nicht vereinbar sein würden. Des Weiteren verzichte er aus Überzeugung seit vielen Jahren ganz bewusst auf Rundfunk- und Fernsehempfang. Außerdem halte er den Rundfunkbeitrag bzw. Rundfunkbeitragsstaatsvertrag für verfassungswidrig.
Den ergangenen Widerspruchsbescheid erachte er als fehlerhaft, da seinen Bescheinigungen vom ... Juli 2014 und ... Januar 2015 zweifelsfrei alle vom Beklagten gewünschten Angaben zu entnehmen gewesen seien. Er sehe seine Bedürftigkeit als hinreichend und konkret nachgewiesen an, vergleichbar einem vom Verwaltungsgericht Hamburg entschiedenen Fall
Der Beklagte legte mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verwies er auf den Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2016 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
Der Kläger verzichtete mit Schriftsatz vom ... April 2016 nachträglich ebenfalls auf eine mündliche Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 6a K 14.877 sowie die Akte des Beklagten ergänzend verwiesen.
Gründe
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch, auf seine Anträge vom ... Juni 2014 und ... Januar 2015 hin vom Beklagten von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden, noch auf Neubescheidung dieser Anträge durch den Beklagten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag als solcher keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das hat nach der zunächst für Bayern grundlegenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12
2. Der Kläger hat keinen Anspruch, vom Beklagten auf seine o.g. Anträge hin von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden, und zwar weder nach § 4 Abs. 1 RBStV noch nach der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 RBStV.
2.1 Unstreitig liegt keiner der in § 4 Abs. 1 RBStV normierten Befreiungstatbestände beim Kläger vor. Aus seinem gesamten Vorbringen geht vielmehr eindeutig hervor, dass er insbesondere einen Antrag auf Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 RBStV (Arbeitslosengeld II) wegen der damit verbundenen Umstände schon gar nicht stellen möchte.
2.2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des gesetzlich normierten besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 RBStV liegen beim Kläger auch nicht vor.
Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 in besonderen Härtefälle auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Ein Härtefall liegt nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten.
Mit dieser Regelung eines gesetzlich normierten besonderen Härtefalls wurde für das Rundfunkbeitragsrecht den Vorgaben der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherung des Existenzminimums im Hinblick auf Rundfunkgebühren Rechnung getragen (B.v. 30.11.2011 - 1 BvR 3269/08
Diese Fallkonstellation wird vom Kläger jedoch offensichtlich nicht geltend gemacht. Er selbst wies darauf hin, dass es bei ihm nicht um eine entsprechende Überschreitung einer Bedarfsgrenze, sondern um deren Unterschreitung gehe.
2.3 Der Kläger hat jedoch auch keinen Anspruch, wegen des Vorliegens eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV befreit zu werden.
Verzichtet ein Rundfunkbeitragsschuldner darauf, eine staatliche Sozialleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV im dafür vorgesehenen ordentlichen Verwaltungsverfahren überhaupt zu beantragen, kann er keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV wegen eines besonderen Härtefalls beanspruchen mit der Begründung, er stehe einem Empfänger jener Sozialleistung, die er nicht beantragt, im Falle der Antragstellung aber erhalten müsse, hinsichtlich seiner Bedürftigkeit gleich. § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV ist insoweit kein Auffangtatbestand mit einem doch wieder gesonderten Überprüfungsverfahren durch die Rundfunkanstalten nach eigenen Regeln (wie es der Kläger anscheinend für sich fordert). Vielmehr entfalten die in § 4 Abs. 1 RBStV abschließend normierten Tatbestände insoweit eine Sperrwirkung.
Es stellt sich ohnehin schon die Frage, ob überhaupt ein besonderer Härtefall vorliegen kann, wenn ein Betroffener auf ihm an sich zustehende staatliche Sozialleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV - die dann auch zu einer Befreiung führen würden - verzichtet, weil er seinen Lebensunterhalt offensichtlich aus den ihm ansonsten zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln (Einkommen und /oder Vermögen) bestreiten kann und will.
Jedenfalls stellt es sich - wie schon im Urteil vom 26. Februar 2015
2.4 Der Kläger ist daher von Rechts wegen darauf zu verweisen, beim Jobcenter A... einen regulären Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 RBStV, alternativ einen Antrag auf Bewilligung einer der anderen in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Leistungen bei der dafür zuständigen Sozialbehörde, zu stellen. Wird ihm solches dann nach vollständiger Durchführung des hierfür vorgesehenen Verfahrens bewilligt, ist er „Empfänger“ im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV und als solcher von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
Allein diese Vorgehensweise stellt sicher, dass dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen wird, dass ausschließlich die zuständigen Sozialleistungsbehörden - und nicht doch wieder die Rundfunkanstalten - insoweit entscheidungsbefugt sein sollen. Denn nur diesen stehen die rechtlichen Grundlagen zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, ggf. inklusive entsprechender Sanktionsmöglichkeiten etwa bei unzutreffenden Angaben, zur Verfügung.
Eine bloße Ausstellung von Bescheinigungen solcher Behörden aufgrund nur summarischer und vor allem nicht rechtsförmlicher Prüfung der Einkommens- und /oder Vermögenslage der Betreffenden, u.U. noch lediglich anhand von diesen selektiv vorgelegten Unterlagen, trägt dem nicht ausreichend Rechnung, zumal es keinerlei rechtlich normierte Vorgaben über den Inhalt solcher Bescheinigungen und ein hierfür durchzuführendes Prüfverfahren gibt. So würde erneut Rechtsunsicherheit und Rechtsstreit anstelle von Rechtssicherheit und -klarheit entstehen.
Ob sich ein Betroffener dann nach Bewilligung eine Leistung im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV tatsächlich auch auszahlen lässt oder aber darauf verzichtet, ist allein seine Angelegenheit. Insbesondere wäre er über seine Motive hierfür gegenüber einer Rundfunkanstalt wiederum keine Rechenschaft schuldig.
Die Motivation des Klägers hingegen, sich um seiner freiheitlichen Lebensführung willen nicht den rechtlichen Anforderungen eines Antragsverfahrens zur Bewilligung von Sozialleistungen unterwerfen zu wollen, ist rechtlich nicht schützenswert. Er kann insbesondere keine rechtliche Gleichstellung mit denjenigen verlangen, die dies zu tun bereit sind und entsprechend danach handeln.
3. Weiter ist ergänzend Folgendes anzumerken:
3.1 Die Informationen des Beklagten zum Rundfunkbeitrag für Menschen mit Anspruch auf staatliche Sozialleistungen, auf die der Kläger immer wieder hinweist, haben auch bisher bereits ausdrücklich klargestellt, dass im Falle eines Verzichts auf Sozialleistungen eine Bescheinigung der Sozialbehörde erforderlich sei, aus der hervorgehen müsse, dass umfassend geprüft worden sei, dass ein Anspruch auf Leistung bestehe. Ohnehin kann der Kläger aus bloßen Informationen für die Öffentlichkeit keine Rechtsansprüche für sich herleiten.
3.2 Im dem vom Kläger zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg (U.v. 7.3.2013 - 3 K 2817/12) ist aus dem Tatbestand und den Gründen ersichtlich, dass es nach einer zunächst nur überschlägigen Bescheinigung (Seite 3 des Urteils; „… nach den vorgelegten Unterlagen …“) zwar zu einer konkreten, umfassenden Bedarfsberechnung gekommen ist (Seite 6 des Urteils; „… wurde auf eine formelle Leistungsbescheidung verzichtet und Ihnen stattdessen die nachfolgende Berechnungsübersicht Ihrer Bedarfe erstellt.“), auf die das Verwaltungsgericht dann maßgeblich abstellt (Seite 9 des Urteils). Unklar bleibt dabei, ob überhaupt und in welchem Umfang die Vermögensverhältnisse des dortigen Klägers von der Sozialbehörde ermittelt wurden.
Dies kann jedoch aus Sicht der erkennenden Kammer dahinstehen. Denn nach ihrer oben dargelegten Auffassung genügen Bescheinigungen über einen angeblich bestehenden Anspruch auf Sozialleistungen, die im Gegensatz zu Leistungsbescheiden nicht als Ergebnis eines förmlichen Prüfverfahrens erteilt werden, nicht, um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Befreiung vom Rundfunkbeitrag als gegeben nachzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO analog nicht erhoben.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
6. Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, ob jemand wie der Kläger ein vollständiges Bewilligungsverfahren für Sozialleistungen nach § 4 Abs. 1 RBStV durchlaufen muss, obwohl er diese Leistung letztlich nicht beziehen möchte. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Der Kläger möge sich rechtzeitig rechtlich informieren, welche Möglichkeiten der Bewilligung von Prozesskostenhilfe es im Hinblick auf eine Einlegung der Berufung mit dem damit verbundenen Anwaltszwang gibt.
Tatbestand
- 1
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Mit Schreiben vom 17. Januar 2009 teilte die Klägerin der Gebühreneinzugszentrale - GEZ - der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit, dass sie in Gießen studiere und einen PC nutze. Sie wohne dort im Studentenheim und erhalte einen rückzahlbaren Studienkredit. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Befreiung von der Zahlung der Rundfunkgebühren. Mit Schreiben vom 10. Februar 2009 bestätigte die GEZ die Anmeldung und teilte ihr mit, dass die gesetzliche Rundfunkgebühr für ein neuartiges Rundfunkgerät monatlich 5,76 € betrage. Mit weiterem Schreiben vom 11. Februar 2009 bat sie außerdem hinsichtlich der beantragten Gebührenbefreiung um Übersendung des Bewilligungsbescheids.
- 2
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Mit Bescheid vom 1. April 2009 lehnte die GEZ den Befreiungsantrag der Klägerin ab. Zur Begründung stützte sie sich auf § 6 Abs. 1 RGebStV und führte aus, die Klägerin habe mangels Vorlage eines entsprechenden Bescheides die für die Befreiung erforderlichen Voraussetzungen nicht nachgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 19. April 2009 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend, sie sei einkommenslos und finanziere sich über einen Studienkredit. Dass ihr keine Sozialleistungen zustünden, führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Empfängern von Sozialleistungen. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn einem einkommenslosen Menschen Leistungen abgefordert würden, die ein Sozialleistungsempfänger nicht erbringen müsse.
- 3
-
Mit Bescheid vom 28. Juli 2009, zugestellt am 3. August 2009, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus, sämtliche Befreiungstatbestände knüpften an den Empfang bestimmter staatlicher Leistungen oder eine bestehende Schwerbehinderung an und seien an einen Leistungsbescheid oder Schwerbehindertenausweis mit RF-Merkzeichen gebunden. Da die Klägerin einen Studienkredit erhalte, erfülle sie die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht. Bei den in § 6 Abs. 1 RGebStV angegebenen Befreiungsvoraussetzungen handele es sich um eine abschließende Aufzählung; eine analoge Anwendung der Vorschriften komme nicht in Betracht.
- 4
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Am 2. September 2009 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Gießen erhoben und dort Aufhebung der Bescheide vom 1. April und 28. Juli 2009, hilfsweise Verpflichtung des Beklagten zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht beantragt. Mit Urteil vom 2. Februar 2010 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der PC der Klägerin sei nicht rundfunkgebührenpflichtig, da er jedenfalls nicht zum Empfang bereit gehalten werde. Internetfähige PC's seien als multifunktionale Geräte zwar Rundfunkempfangsgeräte, sie würden jedoch in Deutschland noch nicht typischerweise, sondern nur ausnahmsweise zum Rundfunkempfang genutzt.
- 5
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Auf die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Juni 2010 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, ein internetfähiger PC sei ein Rundfunkempfangsgerät, das zum Empfang bereit gehalten werde und dessen Einbeziehung in die Rundfunkgebührenpflicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Ferner habe der Beklagte auch zu Recht die von der Klägerin beantragte Gebührenbefreiung abgelehnt, weil auf sie kein Befreiungstatbestand zutreffe.
- 6
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Nach § 6 Abs. 1 RGebStV würden Personen, welche die dort genannten Voraussetzungen erfüllten und dies durch Vorlage entsprechender Bescheide nachwiesen, im ausschließlich privaten Bereich auf Antrag von der Zahlung der Rundfunkgebühren befreit. Begünstigt durch diese Regelung würden u.a. Personen, welche bestimmte Leistungen nach dem SGB II bzw. XII oder nach dem BAföG erhielten. Nach dieser Regelung könne die Klägerin eine Befreiung von der Zahlung der Rundfunkgebühren für ihren PC aber nicht beanspruchen, weil sie keine der dort genannten Transferleistungen erhalte und damit zu keiner der in dieser Vorschrift genannten, begünstigten Personengruppen gehöre. Nach eigenen Angaben habe die Klägerin kein sonstiges Einkommen und erhalte auch von ihren Eltern keinen Unterhalt. Sie habe sich zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts während des Studiums für einen Studienkredit und nicht für Leistungen nach dem BAföG entschieden. Ihre Situation sei daher vergleichbar mit der eines Menschen, der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII hätte, diese aber nicht in Anspruch nehme.
- 7
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Auch eine entsprechende Anwendung der für BAföG-Empfänger geltenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 RGebStV komme nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe die Fälle, in denen eine Befreiung gewährt werden solle, selbst detailliert aufgelistet. Zudem zeige die Entstehungsgeschichte, dass die Regelung, wonach Personen, deren monatliches Einkommen eine bestimmte Grenze nicht überstiegen habe, von der Zahlung der Rundfunkgebühren befreit gewesen seien, nicht in die Liste der neuen Befreiungstatbestände aufgenommen worden sei. Damit sei deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers geringe Einkommensverhältnisse allein nicht mehr zur Befreiung von Rundfunkgebühren führen sollten. Schließlich habe der Beklagte zu Recht auch eine Befreiung der Klägerin von den Rundfunkgebühren nach der Härtefallregelung des § 6 Abs. 3 RGebStV abgelehnt, denn beschränkte finanzielle Mittel der Gebührenpflichtigen allein rechtfertigten noch nicht die Annahme eines Härtefalls im Sinne dieser Regelung.
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Ihre vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision begründet die Klägerin u.a. damit, internetfähige PC's unterfielen nicht der Rundfunkgebührenpflicht. Jedenfalls sei sie aber gemäß § 6 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien. Ihr Fall stehe nicht einem solchen gleich, in dem Sozialhilfe nicht gewährt werde, weil sie nicht beantragt worden sei, sondern gar mit einer Konstellation vergleichbar, in der eine Person Sozialhilfe deshalb nicht erhalte, weil sie ihr nicht zustehe. Von Sozialhilfe sei sie ausgeschlossen, weil sie einen Studienkredit beziehe. Da sie lediglich über ein Einkommen verfüge, welches auf Sozialhilfeniveau oder darunter liege, liege ein besonderer Härtefall vor, so dass sie von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien sei. Allein darauf abzustellen, ob Sozialhilfe oder BAföG in Anspruch genommen werden könne, verstoße entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs gegen das in Art. 20 GG verankerte Sozialstaatsprinzip. Sie sei faktisch einkommenslos und werde schlechter gestellt als jemand, der einen Sozialtransfer erhalte. Ausbildungsförderung nach dem BAföG werde lediglich teilweise und ohne Zinsen zurückgezahlt, während der Studienkredit im Ganzen zurückzuzahlen sei und verzinst werde. Sie übernehme somit ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Ihre wirtschaftliche Belastung werde durch die Rundfunkgebühr erheblich verschärft. Die unterschiedliche Behandlung von vergleichbar einkommenslosen Gruppen verstoße gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und der daraus ableitbaren Forderung der Belastungsgleichheit unter einkommenslosen Studenten.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2010 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 2. Februar 2010 zurückzuweisen,
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hilfsweise,
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den Beklagten zu verpflichten, sie von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien.
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf die - zwischenzeitlich ergangen - Urteile des Bundesverwaltungsgerichts in den Verfahren BVerwG 6 C 12.09, 6 C 17.09 und 6 C 21.09.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet, denn der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung des Beklagten zu Recht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Haupt- und Hilfsantrag sind unbegründet. Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Rundfunkgebührenpflicht für das von der Klägerin angemeldete Gerät festgestellt und zugleich die Gebührenbefreiung abgelehnt wurde, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil sie nach den Vorschriften des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - vom 31. August 1991 (GVBl I S. 367) in der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Fassung des Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 12. Juni 2008 (Gesetz vom 30. September 2008 - GVBl I S. 840) und in der zum 1. Juni 2009 in Kraft getretenen Fassung des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 18. Dezember 2008 (Gesetz vom 4. März 2009 - GVBl I S. 58) zur Zahlung von Rundfunkgebühren verpflichtet ist (1.) sowie keinen Anspruch darauf hat, von dieser Zahlungsverpflichtung befreit zu werden (2. bis 4.) und diese Rechtslage auch mit Bundesverfassungsrecht übereinstimmt (5.).
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1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Rundfunkgebühr zumindest in Form einer Grundgebühr zu entrichten. Die Klägerin ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV Rundfunkteilnehmerin, weil es sich bei dem von ihr zu Studienzwecken benutzten internetfähigen PC im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV um ein Rundfunkempfangsgerät handelt und sie das Gerät im Rechtssinne zum Empfang bereithält (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 6 C 12.09 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 58 = NJW 2011, 946 Rn. 15). Der Tatbestand des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgerätes zum Empfang in § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV knüpft nicht an die tatsächliche Verwendung des Gerätes durch den Nutzer an, sondern stellt lediglich auf die Eignung des Gerätes zum Empfang von Rundfunkdarbietungen ab. In diesem Sinne geeignet ist ein Gerät schon dann, wenn mit ihm ohne besonderen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen empfangen werden können (a.a.O. Rn. 28). Die Erhebung einer Rundfunkgebühr, anknüpfend an den Besitz eines internetfähigen PC, stellt keinen verfassungswidrigen Eingriff in das Recht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dar (a.a.O. Rn. 37). Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG wird durch die Erhebung von Rundfunkgebühren für internetfähige PC nach der derzeitigen Erhebungspraxis nicht verletzt (a.a.O. Rn. 49). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das vorgenannte Urteil verwiesen.
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2. Von der Rundfunkgebührenpflicht werden nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV auf Antrag natürliche Personen im ausschließlich privaten Bereich - unter anderem - befreit, wenn sie entweder gemäß Nr. 1 Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe) sind oder gemäß Nr. 5 Buchst. a Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehen. Diese - hier allein in Betracht zu ziehenden - Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Nach den Feststellungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs bezieht sie diese Leistungen kraft eigener Entschließung nicht und gehört damit zu keiner der in diesen Vorschriften genannten, begünstigten Personengruppen (BA S. 22). Deshalb kann sie auch nicht gemäß § 6 Abs. 2 RGebStV die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung des Leistungsträgers im Original oder durch die Vorlage des entsprechenden Bescheides im Original oder in beglaubigter Kopie nachweisen. Ihre Situation ist nach den Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vergleichbar mit der eines Menschen, der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII hätte, diese aber nicht in Anspruch nimmt (BA S. 22).
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3. Eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 5 Buchst. a RGebStV kommt nicht in Betracht. Eine Analogie setzt eine planwidrige Lücke im Gesetz voraus. Selbst wenn es als Lücke anzusehen wäre, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV den Fall nicht erfasst, in dem jemand staatliche Transferleistungen nicht erhält, obwohl er die Voraussetzungen erfüllt, wäre diese Lücke nicht planwidrig. Sinngemäß müsste für die "Planwidrigkeit" nämlich angeführt werden, dass Fälle niedrigen Einkommens nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers ein Grund für eine Gebührenbefreiung sein sollten. Dagegen spricht aber die Entstehung der Norm. Mit der Neuregelung des § 6 RGebStV wurden wesentliche Befreiungstatbestände aus § 1 Abs. 1 BefrVO unmittelbar in den RGebStV übernommen. Der Gesetzgeber hat allerdings die früheren Tatbestände nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 und 8 BefrVO, die eine Befreiung wegen geringen Einkommens ermöglichten, bewusst abgeschafft. Stattdessen hat er für sämtliche Befreiungstatbestände das Grundprinzip eingeführt, dass nur demjenigen ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zusteht, dessen Bedürftigkeit durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt wird oder dem - wie bisher - vom Staat im Schwerbehindertenausweis bestätigt wurde, dass er die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebühr erfüllt (Gall/Siekmann, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 6 RGebStV Rn. 3). Dafür, dass bei der Formulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 Buchst. a RGebStV die Berechtigten von Leistungen übersehen worden sein könnten, die Ansprüche auf deren Gewährung bewusst nicht geltend machen, gibt es keine Anhaltspunkte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der betreffende Personenkreis bewusst keinen Eingang in die Vorschrift gefunden hat. Dafür spricht um so mehr, dass der Katalog der in § 6 Abs. 1 RGebStV aufgeführten Befreiungstatbestände mit dem zum 1. März 2007 in Kraft getretenen Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag um drei weitere Fallgruppen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5a, 5b und 11 RGebStV n.F.) ausgedehnt worden ist, in denen eine den übrigen Fällen vergleichbare Bedürftigkeit anzunehmen ist (vgl. zum Fall von den im RGebStV nicht berücksichtigten Wohngeldempfängern, VGH Mannheim, Urteil vom 15. Januar 2009 - VGH 2 S 1949/08 -). Im Übrigen ist § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV im Hinblick auf die gebotene enge Auslegung von Katalogregelungen nicht durch Auslegung oder auch Analogie erweiterbar (Gall/Siekmann, a.a.O. Rn. 11).
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4. Auch der von der Klägerin geltend gemachte Befreiungsanspruch nach § 6 Abs. 3 RGebStV ist unbegründet. Unbeschadet der Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV kann gemäß § 6 Abs. 3 RGebStV die Rundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreien. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.
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a) Der Begriff des "besonderen Härtefalls" wird im RGebStV nicht näher umschrieben. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist darunter im vorliegenden Zusammenhang ein Fall zu verstehen, der den in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10 RGebStV genannten Fällen weitgehend ähnlich ist und in dem es deshalb als nicht hinnehmbar erscheint, eine Gebührenbefreiung zu versagen (OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Juli 2006 - OVG 12 LC 87/06). Der Wortlaut weist somit in die Richtung, dass "besondere" Fälle erfasst werden sollen, die beispielsweise in § 6 Abs. 1 RGebStV nicht katalogisiert sind oder unter keinen Katalogtatbestand passen.
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b) Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nur, dass ergänzend zu dem Katalog von Befreiungstatbeständen in § 6 Abs. 1 RGebStV nach § 6 Abs. 3 RGebStV für die Rundfunkanstalten die - früher in § 2 BefrVO geregelte - Möglichkeit der Ermessensentscheidung bei der Befreiung in besonderen Härtefällen erhalten bleiben sollte. Ein besonderer Härtefall liegt nach der Vorstellung des Gesetzgebers insbesondere vor, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV gegeben sind, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann.
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§ 6 Abs. 3 RGebStV enthält nach der Absicht des Gesetzgebers aber keine allgemeine Härte-Auffangklausel. Nicht gemeint sind von vornherein diejenigen Fälle, die vom Normbereich des § 6 Abs. 1 RGebStV erfasst werden. Dies trifft aber auf die Klägerin zu, deren Lebenssituation wahlweise unter die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 5 Buchst. a RGebStV fällt und deshalb auch nur dort entschieden werden kann. Raum für eine Härtefall-Entscheidung nach § 6 Abs. 3 RGebStV ist darüber hinaus nicht.
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c) Auch die Auslegung nach Sinn und Zweck spricht gegen den Befreiungsanspruch der Klägerin. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 5 Buchst. a RGebStV werden von der Rundfunkgebührenpflicht die dort genannten Empfänger von Hilfeleistungen befreit; die Voraussetzungen für die Befreiung sind durch Vorlage des entsprechenden Bescheides nachzuweisen (§ 6 Abs. 2 RGebStV), auf dessen Gültigkeitsdauer die Befreiung zu befristen ist (§ 6 Abs. 6 Satz 1 RGebStV). Daraus folgt, dass die bloße Einkommensschwäche als solche im Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führt. Die vertragschließenden Länder strebten mit dem nun geltenden Gebührenstaatsvertragsrecht eine Erleichterung des Verfahrens an, um die bislang umfangreichen und schwierigen Berechnungen (auch) der Rundfunkanstalten bei der Befreiung wegen geringen Einkommens zu vermeiden. Durch § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV sollte für den einkommensschwachen Personenkreis eine "bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit" eröffnet werden, wobei die Befreiungstatbestände abschließend und die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden sein sollten.
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Der erkennende Senat hat angesichts dieses Normzwecks, der in dem geltenden § 6 RGebStV klar zum Ausdruck kommt, entschieden, dass die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit nicht dadurch umgangen werden kann, dass einkommensschwache Personen, die keine Sozialhilfe erhalten, weil sie deren Voraussetzungen (noch) nicht erfüllen oder weil sie diese Leistung nicht in Anspruch nehmen wollen, dem Härtefalltatbestand des § 6 Abs. 3 RGebStV zugeordnet werden. Auch ohne eine allgemeine Begriffsbestimmung der "besonderen Härte" ist eindeutig, dass das bloße Bestehen eines gegenüber dem Sozialhilfeträger noch nicht geltend gemachten Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt die Voraussetzungen eines besonderen Härtefalles unter Berücksichtigung des auf Entlastung der Rundfunkanstalten zielenden Normzwecks nicht erfüllen kann (Beschluss vom 18. Juni 2008 - BVerwG 6 B 1.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 44 Rn. 5).
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Die "besondere Härte" in § 6 Abs. 3 RGebStV betrifft einen Fall, der nicht von der Typologie des § 6 Abs. 1 RGebStV erfasst wird. Sofern bei einer Gebührenpflichtigen eine soziale oder ökonomische Härte eintritt, die zwar unter die Fallgruppen für die Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV fällt, die diese aber nicht zur behördlichen Prüfung stellt, kann es auch keinen Bescheid geben, der ihre Situation erfasst, so dass eine bescheidabhängige - d.h. von einem Bescheid einer Sozialbehörde - Entscheidung der Landesrundfunkanstalt nicht möglich ist. Mit der Intention des Gesetzgebers wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Landesrundfunkanstalten oder die für sie handelnde Gebühreneinzugszentrale das Vorliegen eines Härtefalles nach § 6 Abs. 3 RGebStV auch dann unter Berücksichtigung der jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Einzelfall zu prüfen hätten, wenn keine atypische, vom Normgeber versehentlich nicht berücksichtigte Situation vorliegt, sondern eine Bedarfslage, für die der Normgeber keine Befreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV gewähren wollte (OVG Magdeburg, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - OVG 3 L 417/08 -).
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5. Das gefundene Ergebnis verstößt entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen das Sozialstaatsgebot (a)) und den Gleichbehandlungsgrundsatz (b)).
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a) Dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) tragen die Befreiungstatbestände des § 6 RGebStV offenkundig dadurch Rechnung, dass sie einkommensschwachen Personen die Möglichkeit einer "bescheidgebundenen" Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht einräumen (Beschluss vom 18. Juni 2008 - BVerwG 6 B 1.08 - a.a.O. Rn. 7). Auch im Hinblick auf das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 20 GG verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum ist die o.g. Regelung des § 6 RGebStV nicht zu beanstanden, da die aktuellen Regelsatzleistungen nicht mit den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestleistungen gleichgesetzt werden können (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. April 2007 - OVG 4 PA 101/07 - unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 29. September 1998 - BVerwG 5 B 82.97 - Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 18 = NVwZ 1999, 669, zur Verfassungsmäßigkeit der Grundleistungen nach dem AsylbLG).
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b) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass die in § 6 Abs. 1 RGebStV enthaltene sog. bescheidabhängige Gewährung der Gebührenbefreiung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Was den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) betrifft, verlangt dieser erkennbar nicht, den Empfängern von Sozialhilfe solche Personen gleichzustellen, denen Sozialhilfe zustände, falls sie sie beantragen würden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, falls seine Auswahl sachgerecht ist. Dabei ist er - insbesondere bei Massenerscheinungen - auch befugt, zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und diese nicht sehr intensiv belasten (BVerfG, Beschlüsse vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <318 f.> und vom 21. Juni 2006 - 2 BvL 2/99 - BVerfGE 116, 164 <182 f.>, jeweils m.w.N.). Danach ist es nicht zu beanstanden, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 RGebStV die Rundfunkgebührenbefreiung für einkommensschwache Personen an die Vorlage eines Sozialhilfebescheides knüpft. Müssten die Rundfunkanstalten jeder im Einzelfall geltend gemachten Unterschreitung einer sozialrechtlich relevanten Einkommens- und Vermögensgrenze nachgehen, würde sie dies vor beträchtliche Schwierigkeiten stellen, da sie - anders als die sozialrechtlichen Fachbehörden - nicht über die dafür erforderlichen Sachaufklärungsmittel verfügen. Der Wegfall der früher vorhandenen Möglichkeit, Gebührenbefreiung zu erlangen, ohne die betreffende Sozialleistung in Anspruch zu nehmen, belastet nur den relativ kleinen Personenkreis, der diese Leistung nicht in Anspruch nehmen will, obwohl sie ihm zusteht. Auch für diese Personen ist die Belastung, die darin besteht, dass sie die Gebührenbefreiung nicht einzeln, sondern nur als Teil eines "Gesamtpakets" in Anspruch nehmen können, überschaubar. Sie ist in Anbetracht der den Gebührenzahlern zugutekommenden Verwaltungsvereinfachung hinzunehmen und gebietet deshalb von Verfassungs wegen nicht die Anerkennung eines besonderen Härtefalles (Beschluss vom 18. Juni 2008 - BVerwG 6 B 1.08 - a.a.O. Rn. 7).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
- 2
Der seit April 2013 unter der Teilnehmernummer … als Beitragsschuldner geführte Kläger beantragte mit Schreiben vom 26. Mai 2013, beim Beklagten am 20. Juni 2013 eingegangen, Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 6 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV). Dabei legte er eine Studienbescheinigung für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2013 vor und wies darauf hin, dass er wegen Überschreitung der Förderungshöchstdauer keine Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) mehr erhalte. Sein Einkommen liege bei monatlich knapp 400,-- Euro und damit unter den für Sozialhilfeleistungen geltenden Einkommensgrenzen. Von SGB II-Leistungen sei er gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen. Einen entsprechenden Sozialleistungsbescheid könne er daher nicht vorlegen.
- 3
Mit Bescheid vom 31. Juli 2013 lehnte der Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass ihm eine der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen wegen Einkommensüberschreitung verwehrt worden sei. Die Voraussetzungen für die Befreiung aufgrund eines besonderen Härtefalls seien ebenfalls nicht erfüllt.
- 4
Mit Schreiben vom 2. August 2013 wies der Beklagte den Kläger auf die am 15. August 2013 fälligen Rundfunkbeiträge hin und erinnerte mit Schreiben vom 4. Oktober 2013 an die Zahlung.
- 5
Daraufhin wandte sich der Vater des Klägers mit Schreiben vom 25. Oktober 2013 an den Beklagten, zeigte dessen Vertretung an und wies darauf hin, dass weder eine Festsetzung des Beitrags gegenüber dem Kläger erfolgt sei, noch über dessen Befreiungsantrag entschieden worden sei.
- 6
Auf das Informationsschreiben des Beklagten vom 23. Dezember 2013 wies der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 20. Januar 2014 darauf hin, dass der Ablehnungsbescheid vom 31. Juli 2013 dem Kläger erstmals mit jenem Schreiben als Zweitschrift bekanntgegeben worden sei. Zugleich legte er Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein.
- 7
Mit dem Kläger nicht zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 11. August 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung stützte er sich zunächst darauf, dass der Widerspruch nicht zulässig sei, weil die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht eingehalten worden sei. Der Ausgangsbescheid sei dem Kläger bereits im August 2013 bekanntgegeben worden. Im Hinblick darauf, dass der seinerzeit versandte Bescheid nicht als unzustellbar zurückgesandt worden sei, bestünden keine Zweifel am ordnungsgemäßen Zugang.
- 8
Im Übrigen sei der Widerspruch auch unbegründet. Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV sei an den Empfang bestimmter sozialer Leistungen gebunden oder für den Personenkreis taubblinder Menschen möglich. Einen allgemeinen Befreiungstatbestand „geringes Einkommen“ sehe das Gesetz dagegen nicht vor. Der Kläger habe jedoch einen Nachweis im Sinne des § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV, der Voraussetzung für eine entsprechende Befreiung sei, nicht vorgelegt. Er könne auch nicht nach § 4 Abs. 6 RBStV aufgrund eines besonderen Härtefalles von der Rundfunkbeitragspflicht befreit werden. Die Vorschrift stelle nämlich keinen Auffangtatbestand dar, der stets dann eingreife, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV nicht erfüllt seien. Auch liege im Fall des Klägers kein atypischer Sachverhalt vor, den der Gesetzgeber, hätte er ihn gekannt, zu dessen Gunsten geregelt hätte. Vielmehr habe er den Personenkreis von Studenten, die ihren Lebensunterhalt ohne ergänzende Sozialleistungen und mit einem nur geringen Einkommen bestreiten müssten, vor Augen gehabt. Gleichwohl sei die Befreiungsmöglichkeit für Studenten auch insoweit in § 4 Abs. 1 Nr. 5 RBStV abschließend geregelt. Daher könne hier weder von einem atypischen Sachverhalt noch von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen werden.
- 9
Mit der am 17. September 2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Befreiungsbegehren weiter.
- 10
Er weist darauf hin, dass insbesondere aus einem fehlenden Rücklauf des seinerzeit angeblich versendeten Bescheides nicht auf dessen Bekanntgabe geschlossen werden könne.
- 11
In der Sache habe er, da er seinen allgemeinen Lebensunterhalt (ohne Kosten der Unterkunft und Heizkosten) mit einem monatlichen Einkommen in Höhe von 300,-- Euro bestreiten müsse, einen Anspruch auf Befreiung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV aufgrund eines besonderen Härtefalls. Sein Einkommen liege nämlich unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums, was er ohne weiteres nachweisen könne und ausdrücklich versichere. Wegen eines Fachrichtungswechsels habe er keinen Anspruch mehr auf BAföG-Leistungen. Ihm sei es auch im Übrigen nicht möglich, einen Sozialleistungsbescheid im Sinne des § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV vorzulegen. Da er bereits dem Grunde nach keinen Sozialleistungsanspruch habe, verweigerten die Sozialleistungsbehörden eine Einkommensberechnung. Die Versagung der Befreiung für Studenten, die in einer solchen Situation nur über ein derart geringes Einkommen verfügten, verstoße gegen die Menschenwürde. Es könne ihnen nicht zugemutet werden, im Hinblick auf die Beitragspflicht die Ausbildung abzubrechen, die Wohnung aufzugeben oder neben einem Vollzeitstudium eine Arbeit anzunehmen. Auch sei es sehr fraglich, ob der Kläger nach Aufgabe des ersten Studiums überhaupt noch dem Grunde nach einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern habe. In jedem Fall seien diese nicht leistungsfähig. Im Übrigen habe bereits das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit auch andere Härtefallgesichtspunkte geltend gemacht werden könnten.
- 12
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
- 13
den Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn auf seinen Antrag vom 26. Mai 2013 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
- 14
Für den Fall, dass nach Auffassung des Gerichts ein entsprechender Befreiungsanspruch nicht bestehe, beantragt er hilfsweise,
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die Befreiungsregelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages dem zuständigen Verfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorzulegen,
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und insoweit hilfsweise weiter,
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die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, um die Frage zu klären, ob überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz der Länder hinsichtlich einer geräteunabhängigen Rundfunkbeitragspflicht besteht.
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Der Beklagte beantragt,
- 19
die Klage abzuweisen.
- 20
Zur Begründung weist er ergänzend darauf hin, dass der Gesetzgeber mit Blick auf die staatliche Förderung von Studenten auch insoweit eine Regelung getroffen habe, die weder sachlich ungerechtfertigt sei noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Vielmehr sei mit der Anlehnung der Befreiungsmöglichkeit an den Erhalt von staatlichen Leistungen ein zulässiges Differenzierungskriterium gewählt worden. Die Typengerechtigkeit des Abgabenrechts, die es dem Gesetzgeber gestatte, zu verallgemeinern und zu pauschalieren, sei auch damit eingehalten. Die soziale Fürsorge werde dadurch nicht eingeschränkt. Vielmehr werde ein Gleichlauf zwischen staatlichen Sozialleistungen und der Rundfunkbeitragsbefreiung gewährleistet. Ausschlaggebend sei hier, dass der Kläger zwar in den Kreis der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Empfänger von staatlichen Leistungen falle, aber tatsächlich keine Leistungen erhalte und demzufolge auch keinen nach § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV geforderten Nachweis vorlegen könne. Die Rundfunkanstalten selbst hätten keine Möglichkeit, die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu prüfen.
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Mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag habe sich auch an der Grundstruktur der Härtefallregelung nichts geändert. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2011 (1 BvR 665/10) und vom 30. November 2011 (1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10) hätten ebenfalls nicht dazu geführt, dass die Rundfunkanstalten selbst Einkommensberechnungen durchzuführen hätten. Dies gelte auch für die auf dieser Rechtsprechung beruhende Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV. Ansonsten könne ein besonderer Härtefall nur bei einer atypischen, versehentlich nicht geregelten Konstellation angenommen werden, die hier nicht vorliege. Im Übrigen stünde es dem Kläger frei, zusätzlich zu den Einkünften aus seiner Erwerbstätigkeit Wohngeld und einen Studienkredit zu beantragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten, und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 23
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Klägerseite im Verhandlungstermin verhandeln und entscheiden, weil der Kläger mit der Ladung auf diese Folgen des Ausbleibens im Termin hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
- 24
Die zulässige Klage ist unbegründet.
- 25
Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO) ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil das gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO vor Klageerhebung durchzuführende Vorverfahren nicht ordnungsgemäß durchlaufen ist. Entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid hat der Kläger die Frist zur Erhebung des Widerspruchs (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nämlich nicht versäumt. Vor Übersendung des Bescheides vom 31. Juli 2013 an die Klägerseite mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 kann von dessen Bekanntgabe nach § 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwVfG M-V nicht ausgegangen werden. Der Beklagte hat auch auf die gerichtliche Hinweisverfügung vom 6. Oktober 2016 eine vorherige Aufgabe des Bescheides zur Post in keiner Weise belegt. Ebenso wenig hat er den Zugang des Bescheides nachgewiesen.
- 26
Die Klage ist unbegründet, weil dem Kläger der im Hinblick auf sein Schreiben vom 26. Mai 2013 geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht zusteht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Befreiungsvoraussetzungen liegen ebenso wenig vor wie ein besonderer Härtefall im Sinne von § 4 Abs. 6 RBStV. Da der Beklagte den Befreiungsantrag des Klägers vom 26. Mai 2013 daher zu Recht abgelehnt hat, sind der Bescheid vom 31. Juli 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 11. August 2014 rechtmäßig und verletzen den Kläger (auch) nicht in seinen Rechten.
- 27
Gemäß § 4 Abs. 1 RBStV werden natürliche Personen in den Fällen, die in den Nummern 1 bis 10 der Vorschrift geregelt sind, auf Antrag von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV befreit. Der Beginn des Befreiungszeitraums bemisst sich nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 RBStV. Nach § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV sind die Voraussetzungen für die Befreiung durch die entsprechende Bestätigung einer Behörde oder des Leistungsträgers im Original oder durch entsprechenden Bescheid im Original oder in beglaubigter Kopie nachzuweisen. Mit der Regelung des § 4 Abs. 1 RBStV hat der Gesetzgeber für sämtliche Befreiungstatbestände das Grundprinzip aus dem vorangegangenen Rundfunkgebührenstaatsvertrag übernommen, dass nur demjenigen ein Anspruch auf Befreiung zusteht, dessen Bedürftigkeit durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und mit deren Bescheid bestätigt wurde (sog. „bescheidgebundene“ Befreiungsmöglichkeit). Die Befreiungstatbestände des § 4 Abs. 1 RBStV sind abschließend geregelt und die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 09.03.2016 - 3 D 100/15 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.10.2015 - OVG 11 B 7.13 -, juris).
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Danach kann sich der Kläger auf keinen der in § 4 Abs. 1 RBStV geregelten Befreiungstatbestände berufen. In dem von ihm geltend gemachten Zeitraum gehörte er insbesondere nicht (mehr) zu den Empfängern von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a RBStV). Auch erhielt er keine anderen Leistungen im Sinne von § 4 Abs. 1 RBStV.
- 29
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Beitragsbefreiung wegen eines Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV. Danach hat die Landesrundfunkanstalt den Antragsteller in besonderen Härtefällen von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV liegt ein Härtefall insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkgebührenbeitrags überschreiten. Die Voraussetzungen für die Annahme eines besonderen Härtefalls sind hier weder im Sinne des Satzes 2 („insbesondere“) noch des Satzes 1 des § 4 Abs. 6 RBStV erfüllt.
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Die Annahme eines Härtefalls im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV scheidet aus, weil die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die insoweit für den Kläger in Betracht kommende Sozialleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a RBStV ist nämlich nicht in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt worden, dass die Einkünfte die Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten.
- 31
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rundfunkbeitragsbefreiung nach der allgemeinen Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV.
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Nicht unter diese Vorschrift fallen von vornherein diejenigen Fälle, die vom Normbereich des § 4 Abs. 1 RBStV erfasst werden. Seit Einführung der "bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit" durch den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 8. Oktober 2004, fortgeführt durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, kann die bloße Einkommensschwäche als solche im Gegensatz zum davor geltenden Recht (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 und 8 der damaligen Befreiungsverordnungen) nicht mehr zur Befreiung von der Rundfunkgebühren- bzw. -beitragspflicht führen. Die vertragschließenden Länder strebten damit auch nach dem nun geltenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eine Erleichterung des Verfahrens an, um die bislang umfangreichen und schwierigen Berechnungen (auch) der Rundfunkanstalten bei der Befreiung wegen geringen Einkommens zu vermeiden. Mit der Intention des Gesetzgebers wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Landesrundfunkanstalten oder der für sie handelnde Beitragsservice das Vorliegen eines Härtefalles nach § 4 Abs. 6 RBStV auch dann unter Berücksichtigung der jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Einzelfall zu prüfen hätten, wenn keine atypische, vom Normgeber versehentlich nicht berücksichtigte Situation vorliegt, sondern eine Bedarfslage, für die der Normgeber keine Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV gewähren wollte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.10.2015 – OVG 11 B 7.13 –, juris Rn. 27 ff.; BVerwG, Urt. v. 12.10.2011, – 6 C 34/10 –, juris Rn. 17 ff.).
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Daher ist im Hinblick auf die Härteregelung in § 4 Abs. 6 RBStV (ebenso wie bei der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV) davon auszugehen, dass in denjenigen Fällen, die vom Normbereich des § 4 Abs. 1 RBStV (vorher § 6 Abs. 1 RGebStV) erfasst sind, ein Rückgriff auf die Härteregelung grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Erfüllt der Rundfunkteilnehmer nicht die in den dort aufgeführten Leistungsgesetzen genannten Voraussetzungen für einen Leistungsbezug, d.h. kann er keinen Nachweis im Sinne des § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV vorlegen, scheidet in aller Regel auch eine Rundfunkbeitragsbefreiung (zuvor Rundfunkgebührenbefreiung) aus.
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Kommen danach bei einem Studenten nach Ausschöpfung sämtlicher Förderungsmöglichkeiten BAföG-Leistungen nicht mehr in Betracht und hat er wegen § 7 Abs. 5 SGB II schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, kann auch unter Geltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages ein besonderer Härtefall selbst dann in aller Regel nicht angenommen werden, wenn dessen Einkünfte den sozialhilferechtlichen Regelsatz unterschreiten (vgl. auch VG Dresden, Urt. v. 21.06.2016 – 2 K 4069/14 –, juris Rn. 13; VG Hannover, Urt. v. 23.03.2016 – 7 A 2512/15 –, juris Rn. 15 ff.; VG Ansbach, Beschl. v. 18.12.2013 – AN 6 K 13.01024 –, juris Rn. 33 für den Fall eines nicht nach dem BAföG weitergeförderten Fachrichtungswechsels; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 07.10.2013 – 14 K 2595/13 –, juris Rn. 31 ff. für den Fall der Überschreitung der BAföG-Förderungshöchstdauer; VG des Saarlandes, Urt. v. 19.01.2014 – 6 K 162/13 –, juris für den Fall eines Studenten ohne Förderanspruch wegen Überschreitung der Förderungshöchstdauer oder nicht rechtzeitiger Vorlage der förderungsrechtlich erforderlichen Leistungsnachweise; VG Leipzig, Urt. v. 16.07.2014 – 1 K 3881/13 –, juris Rn. 27 ff. ebenfalls für den Fall eines nicht nach dem BAföG weitergeförderten Fachrichtungswechsels; vgl. aber auch OVG Bremen, Urt. v. 14.06.2016 – 1 LB 213/15 –, juris). Die beschriebene Situation von Auszubildenden stellt keine vom Landesgesetzgeber bei der Zustimmung zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag übersehene Sachverhaltskonstellation dar. Sie zwingt auch nicht dazu, vom Grundsatz der "bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit" abzuweichen. Dies gilt umso mehr, als bereits das Ausbildungsförderungsrecht auch auf die Verhältnisse des Einzelfalls Rücksicht nimmt und Härteregelungen vorsieht, etwa für den Fall des Fachrichtungswechsels (§ 7 Abs. 3 BAföG) und die Überschreitung der Förderungshöchstdauer (§ 15 Abs. 3 und 3a BAföG). In den Fällen des § 7 Abs. 2 und 3 BAföG ist auch Ausbildungsförderung in Gestalt eines Bankdarlehens nach § 17 Abs. 3, § 18c BAföG zu berücksichtigen, die ebenfalls zu den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (§ 11 ff. BAföG) gehört.
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Nach der Intention des Gesetzgebers soll ein studierender Wohnungsinhaber, der wegen Nichterfüllung der speziellen Voraussetzungen für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und kraft Gesetzes zudem von allgemeinen Sozialleistungen ausgeschlossen ist, auch nicht aus sozialen Gründen von der Rundfunkbeitragspflicht befreit werden. Damit überträgt der Gesetzgeber die bundesrechtliche Wertung, welche Auszubildenden Anspruch auf die sozialrechtliche BAföG-Förderung haben sollen, auf die ebenfalls an sozialen Erwägungen orientierte Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht. Schließt der Gesetzgeber einen Auszubildenden, der eine dem Grunde nach förderfähige Ausbildung betreibt, etwa wegen einer Überschreitung der Förderungshöchstdauer von der weiteren Ausbildungsförderung (§ 15a BAFöG) und auch von der Gewährung von Sozialhilfe (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) sowie von Leistungen der Grundsicherung (§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II) aus, ist es sachlich nicht geboten, ihm trotzdem die Vergünstigung der Beitragsbefreiung aus sozialen Gründen zu gewähren.
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Auf Grund der ausdrücklich geregelten Leistungsausschlüsse ist mithin davon auszugehen, dass der Sozialgesetzgeber es Studierenden, die keine BAföG-Leistungen erhalten, grundsätzlich zumutet, die Deckung ihres Bedarfs außerhalb des allgemeinen Sozialsystems sicherzustellen. Unter Berücksichtigung des Prinzips der parallelen Wertung der sozialen Bedürftigkeit in den Leistungsgesetzen ist es daher nicht zu beanstanden, dass der Rundfunkgesetzgeber gezielt nur Studierende, die ein Erststudium innerhalb einer bestimmten Studienzeit absolvieren, auch durch eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht fördern wollte. Dabei war dem Gesetzgeber durchaus bewusst, dass Personen, die sich noch in der Ausbildung befinden, häufig nur über geringe finanzielle Mittel verfügen. Dennoch hat er bereits bei der Frage, welche Personen von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien sind, zwischen Empfängern von Ausbildungsförderung und anderen Studierenden differenziert und auch im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag mit der abschließenden Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a RBStV hieran festgehalten. Damit werden Studierende, die auf Unterhaltszahlungen der Eltern verwiesen werden, und solche, die einen Fachrichtungswechsel vornehmen oder die Regelstudienzeit überschreiten, ein Zweitstudium absolvieren oder nicht die Voraussetzungen des § 8 BAföG erfüllen, von der Befreiung bewusst ausgeschlossen.
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Der Fall des Klägers weist demgegenüber keine atypische, vom Gesetzgeber bei der Regelung der speziellen Befreiungstatbestände des § 4 Abs. 1 RBStV übersehene Sachverhaltskonstellation auf, die ausnahmsweise zur Annahme eines Härtefalls im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV führen könnte. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass auch in Ausnahmefällen, die wegen ihrer atypischen Ausgestaltung nicht im Einzelnen vorherzusehen sind und sich daher nicht mit den abstrakten Merkmalen des Gesetzes erfassen lassen, ein Ergebnis erreicht wird, das dem Regelergebnis in seiner grundsätzlichen Zielsetzung gleichwertig ist. Dementsprechend kann ein atypischer Fall nur dann angenommen werden, wenn zu der allgemeinen Einkommenssituation noch besondere Lebensumstände hinzukommen.
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Umstände, aus denen sich hier eine atypische Fallkonstellation ergeben könnte, hat der Kläger jedoch schon nicht vorgetragen, sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens lässt sich bereits die geltend gemachte förderungsrechtliche Situation nicht abschließend beurteilen. So hat er für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2013 (Sommersemester 2013) einen ablehnenden BAföG-Bescheid nicht vorgelegt. Auch im Übrigen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Fall des Klägers in atypischer Weise von der Konstellation abweicht, in der ein Student als beitragspflichtiger Wohnungsinhaber, für den nach Ausschöpfung sämtlicher BAföG-Förderungsmöglichkeiten auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in Betracht kommen, den Rundfunkbeitrag, der für jede Wohnung nur einmal anfällt, aus selbst verdienten oder ihm von Dritten anderweitig zugewendeten finanziellen Mitteln begleichen muss oder ihn etwa auch (im Innenverhältnis) auf verschiedene Bewohner verteilen kann.
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Ausgehend davon sieht die Kammer auch keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen und - wie vom Kläger beantragt - eine Entscheidung des zuständigen Verfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Befreiungsregelungen einzuholen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger schriftsätzlich beantragt, die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, um die Frage zu klären, ob eine Gesetzgebungskompetenz der Länder hinsichtlich einer geräteunabhängigen Rundfunkbeitragspflicht besteht. Auf den Einwand der fehlenden Gesetzgebungskompetenz könnte der Kläger den geltend gemachten Befreiungsanspruch ohnehin nicht stützen. Wäre der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verfassungswidrig, so bliebe das auf eine Verpflichtung zur Beitragsbefreiung gerichtete Klageverfahren ebenfalls erfolglos. Von einer unwirksamen Beitragsverpflichtung könnte der Kläger nämlich nicht befreit werden. Insoweit müsste er sich dann gegen die Erhebung von Rundfunkbeiträgen selbst wenden. Unabhängig davon schließt sich die Kammer der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016 (Aktenzeichen: 6 C 6.15) an, mit dem es die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages für private Haushalte bestätigt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Von einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 167 VwGO hat das Gericht abgesehen, weil nicht ersichtlich ist, dass eine solche hier praktische Bedeutung haben könnte.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.