Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 05. Juli 2017 - 4 L 603/17.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2017:0705.4L603.17.00
bei uns veröffentlicht am05.07.2017

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die hafenrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 4. April 2017 wird hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 wiederhergestellt sowie hinsichtlich der Ziffer 5 angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Von den Gerichtskosten tragen die Antragstellerin und die Beigeladene jeweils 1/4 und die Antragsgegnerin 1/2. Von den außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin und der Beigeladenen trägt die Antragsgegnerin jeweils 1/2. Von den außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin tragen die Antragstellerin und der Beigeladene jeweils 1/4. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte hafenrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin und begehrt ferner den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Ermöglichung der Sperrung einer Straße.

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Die Antragstellerin ist eine Tochtergesellschaft der A GmbH & Co. KG, einem international tätigen Logistik-Dienstleister, der Transporte zwischen den Seehäfen und dem europäischen Hinterland im trimodalen Verkehr mit allen zugehörigen Zusatzdienstleistungen durchführt. Im Landeshafen von Wörth am Rhein organisiert u.a. die Antragstellerin den Umschlag von Waren, deren Transport per Lkw, Binnenschiff oder Bahn sowie die Rundläufe für die Container. Das im Eigentum des Landes Rheinland-Pfalz, Landesbetrieb „Landeseigene Anlagen an Wasserstraßen“ (BLAW), stehende Hafengelände ist 186 ha groß und befindet sich auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ... . Der Landeshafen von Wörth am Rhein ist an die beigeladenen Hafenbetriebe Rheinland-Pfalz GmbH, eine 100%ige Gesellschaft des Landes Rheinland-Pfalz, verpachtet, die diesen verwaltet. Die Beigeladene hat seit vielen Jahren eine Teilfläche des Hafengeländes an die Antragstellerin vermietet.

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Das Grundstück Flurstück-Nr. ... wird verkehrsmäßig erschlossen über die Kreisstraße 25, die zur Bundesstraße 9 führt. Unmittelbar nördlich der Kreisstraße 25 verläuft bis zum Hafengelände ein Radweg mit dem Zeichen 237 (Radwegebenutzungspflicht), der an dem Grundstück Flurstück-Nr. ... endet. Innerhalb des genannten Grundstücks verläuft eine asphaltierte Straße, teilweise neben Bahngleisen. An seinem südöstlichen Ende grenzt das Grundstück Flurstück-Nr. ... an das Grundstück Flurstück-Nr. … und dieses an das Grundstück Flurstück-Nr. … an. Auf den beiden Grundstücken befindet sich u.a. ein Deichverteidigungsweg (auch Bermenweg genannt), der Teil des dort gebauten Rheinhauptdeiches ist. Der Bermenweg darf von Radfahrern und Fußgängern auf eigene Gefahr genutzt werden. Nördlich des westlichen Endes des Bermenweges liegen das Grundstück Flurstück-Nr. …, auf dem seit über 50 Jahren die Gaststätte „R“ betrieben wird, sowie das Grundstück Flurstück-Nr. …, auf dem der Segelverein ... sein Vereinsgelände hat. Der Streckenabschnitt zwischen dem Beginn des Bermenweges und dem Aussiedlerhof … ist für den öffentlichen Kfz-Verkehr nicht zugelassen. An beiden Stellen ist das Zeichen 260 (Verbot für Kraftfahrzeuge) angebracht. Lediglich der landwirtschaftliche Verkehr ist von diesem Verbot ausgenommen. Südlich des Aussiedlerhofes … ist bis zu diesem der Anliegerverkehr zugelassen. Der Bermenweg mündet knapp 1 km im Süden in die Rheinstraße im Wörther Ortsteil Maximiliansau.

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Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Aufnahme des betroffenen Bereichs dienen (grüne Fläche = Kreisstraße 25, rote Fläche = von der Antragstellerin beabsichtigte Sperrfläche zwischen Tor 1 und Tor 2, orangene Fläche = Straßenabschnitt außerhalb des Containerterminals, gelbe Fläche = Bermenweg, auf dem der Kfz-Verkehr mit Ausnahme von landwirtschaftlichem Verkehr nicht zugelassen ist, blaue Fläche = Bermenweg südlich des Aussiedlerhofes mit zugelassenem Anliegerverkehr):

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Das Land Rheinland-Pfalz hatte am 3. Februar 1967 einen Planfeststellungsbescheid betreffend die Errichtung eines Hafens in der Gemarkung Wörth durch Herstellung eines Hafenbeckens und einer Zufahrt vom Rheinstrom zwischen Rhein-km 365,723 und 365,823 sowie die Verstärkung des Rheinhauptdeichs erlassen.

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Im Dezember 1980 trafen das Land Rheinland-Pfalz und die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Rheindeichordnung eine Verwaltungsvereinbarung. Danach wurde der Antragsgegnerin gestattet, bestimmte Wege entlang des Rheinhauptdeichs zu betreiben. Gemäß der Anlage zu der Verwaltungsvereinbarung durfte die Strecke zwischen dem Aussiedlerhof und dem Abzweig zur Gaststätte „R“ nur für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben werden, während die Strecke bis zum Aussiedlerhof von Maximiliansau kommend auch für den Anliegerverkehr zugelassen wurde.

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Um die Festsetzungen des Planfeststellungsbescheids vom 3. Februar 1967 zu konkretisieren, stellte die Antragsgegnerin den Bebauungsplan „Landeshafen“ auf, der im März 1991 in Kraft trat. In den zeichnerischen Festsetzungen sind die durch das Hafengelände führenden Straßen sowie ein Fuß- und Radweg eingezeichnet. In Bezug auf das Gelände des Segelvereins … wurde ein Sondergebiet „Wassersport“ festgesetzt. In der Planbegründung heißt es u.a.:

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„Der Hafen ist für die Schifffahrt über die im Norden des Hafenbeckens liegende Hafenzufahrt unmittelbar vom Rhein aus zugänglich. Auf dem Land ist das Hafengebiet durch die Kreisstraße (K 25) an die Bundesstraße 9 angeschlossen. Die innere Erschließung erfolgt über Privatstraßen (Hafengelände), die für den öffentlichen Verkehr freigegeben worden sind. Der Wassersportverein mit Clubhaus ist über das Hafengelände und die Straße, die über die Deichkrone südlich des Hafenbeckens führt, erreichbar.

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Der Fuß- und Radweg von Wörth nach Neupotz verläuft durch das Plangebiet; zunächst in westlicher Richtung über die Deichkrone am südlichen Beckenrand, dann nach Norden auf der Hafenstraße bis zur Einmündung der Kreisstraße. Hier wird der Fuß- und Radverkehr über die Kreisstraße nach Westen abgeleitet und über Feldwege um das Gebiet der Firma M geführt, um nördlich des Plangebiets wieder auf den Weg entlang der Deichkrone zu stoßen. Die ehemals kürzere Verbindung des Fuß- und Radweges über den Ölhafen musste aus Sicherheitsgründen gesperrt werden.“

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Im September 2009 erging ein neuer Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Rheinhauptdeiches im Landeshafen von Wörth am Rhein, der u.a. auch den Deichabschnitt I – Hafen Süd, Deich-km 16+400 – 16+795 betraf und u.a. die landseitige Geländeauffüllung auf mindestens 106,40 mNN sowie die Herstellung der erforderlichen Ausbauhöhe durch Erhöhung des Weges auf der Deichkrone zum Gegenstand hatte. Die Maßnahmen wurden in der Folgezeit umgesetzt.

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Die Wegeführung des in der Vergangenheit durch das Hafengelände führenden offiziellen Rhein-Radwegs wurde in der Folgezeit dahingehend geändert, dass der Radweg nunmehr durch die Stadt Wörth hindurchgeführt wird und erst nördlich des Landeshafens wieder auf die ursprüngliche Strecke zurückführt.

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Am 15. Dezember 2015 vermietete die Beigeladene die durch das Hafengelände führende Straße im Bereich der nördlichen Zufahrt zum Terminalgelände im Anschluss an die Pkw-Stellplätze bis zur Höhe der südlichen Spitze des Terminalgeländes ab 2016 an die Antragstellerin. Hierüber hatte die Beigeladene die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 informiert. In dem Vertrag wird u.a. Folgendes ausgeführt:

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Präambel

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Zwischen den Parteien besteht bereits ein Mietvertragsverhältnis über an die Hafenstraße unmittelbar angrenzende Grundstücke, auf denen die Mieterin ein Containerterminal betreibt. Die Hafenstraße wird hauptsächlich von Fahrzeugen zu und von den Grundstücken der Mieterin befahren, jedoch zurzeit auch von anderen Anliegern, Kfz, Radfahrern und Spaziergängern benutzt. Um die uneingeschränkte Nutzung des Containerterminals durch Dritte nicht zu beinträchtigen und die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zukünftig zu vermeiden, beabsichtigen die Parteien die Nutzung der Hafenstraße durch andere Verkehrsteilnehmer im Bereich des Containerterminals weitestgehend einzuschränken und vereinbaren daher Folgendes:

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2 Vertragszweck/Nutzung

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2.1 Die Vermietung der Straße erfolgt zum Zweck des Betriebs des Containerterminals und dient ausschließlich als Zu- und Ausfahrt. Die Mieterin ist berechtigt, zur Erreichung des Nutzungszwecks die Straße auf beiden Zufahrtsseiten durch Errichtung von Zäunen und Toren für den öffentlichen Verkehr zu sperren; sie wird jedoch Anliegern und deren Zulieferern mit Sondergenehmigungen die Durchfahrt von und zu benachbarten Grundstücken am Ende der Straße gestatten. Bei den durchfahrtsberechtigten Anliegern handelt es sich um die Vermieterin, die von dieser Beauftragten, die SGD Süd (Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Anmerkung der Kammer) z.B. im Falle der Deichverteidigung, sowie die Daimler AG. …

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7.1 Die Vermieterin übernimmt die Verkehrssicherungspflicht für die Mietsache. …“

20

Im Hinblick auf die beabsichtigte Sperrung der Straße innerhalb des Hafengeländes für den öffentlichen Verkehr wurde für diesen nach Alternativstrecken gesucht. Mit Schreiben vom 3. August 2016 an die Antragsgegnerin wies die SGD Süd darauf hin, ausgehend von der beabsichtigten Sperrung der Hafenstraße im Landeshafen Wörth im Bereich des Containerterminals der Antragstellerin solle für einen Übergangszeitraum von mehreren Jahren der Deichverteidigungsweg entlang der L als Erschließungsstraße für die Ritterhecke vom Hafen Maximiliansau aus genutzt werden. Die Zulässigkeit der Befahrung des Deichverteidigungsweges in diesem Deichabschnitt sei letztmalig im Jahr 1980 mit einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Stadt und Land geregelt worden. Demnach sei eine Befahrung des Weges zwischen Wörther Altrhein und Hofgut für Anlieger freigegeben. Die daran anschließende Wegstrecke bis zur Ritterhecke sei für den motorisierten Verkehr gesperrt, mit Ausnahme des landwirtschaftlichen Verkehrs. Um in diesem Abschnitt den Anliegerverkehr zur Ritterhecke zulassen zu können, solle die bestehende Vereinbarung bezüglich der laufenden Nr. 12 (Deich-km 15,440 – 16,378 = Strecke zwischen dem Aussiedlerhof und dem Abzweig zur Gaststätte) geändert werden. Zusätzlich solle die zulässige Höchstgeschwindigkeit zwischen dem Hafen Maximiliansau und der Ritterhecke auf 30 km/h beschränkt werden. Der Austausch und die Ergänzung der Verkehrsschilder hätten durch die Antragsgegnerin zu erfolgen. Der bauliche Zustand der Wegstrecke müsse aber verbessert werden. Die Antragsgegnerin werde um schriftliche Bestätigung der Änderung der gebeten.

21

Am 1. Februar 2017 erklärte der Landesbetrieb Mobilität Speyer, er habe keine Einwände gegen die Sperrung der Hafenstraße in dem betreffenden Bereich.

22

Am 15. März 2017 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, die Absperrung der Hafenstraße im Hafen Wörth sei im Bereich ihres Containerterminals nicht zu vermeiden. Alle seit dem Jahr 2008 unternommenen Versuche zur Entschärfung der bestehenden Gefahrensituation seien erfolglos geblieben, weshalb auch die SGD Süd eine sofortige Sperrung dringend empfehle. Diese würden sie nun in den nächsten Tagen wie avisiert vollziehen. Die entsprechenden Barrieren durch Errichtung der erforderlichen Tore und Zaunbegrenzungen würden kurzfristig errichtet. Insofern werde um Kenntnisnahme und Beachtung gebeten, dass die Hafenstraße östlich ab der Zufahrt zum Terminal (Tor 1) und westlich aus Richtung Obstwiese ab Beginn des Terminalgeländes (Tor 2) generell für den öffentlichen Verkehr ab dem 10. April 2017 gesperrt sein werde. Die Durchfahrt über die Hafenstraße im Bereich des Terminalgeländes werde ab dem genannten Zeitpunkt aus beiden Richtungen nur noch in wenigen Ausnahmefällen und mit von ihr, der Antragstellerin, zuvor erteilter Sondergenehmigung möglich sein. Behörden- und Einsatzfahrzeuge seien von der Durchfahrtsbeschränkung ausgenommen.

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Im Hinblick auf den besonderen Gefahrenbereich ihres Terminalbetriebes im Hafen gebe es für die Vollsperrung der Hafenstraße als Teilbereich des Betriebsgeländes keine Alternative. Als verantwortlicher Terminalbetreiber sei sie aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht und Arbeitssicherheit gehalten, das Betriebsgelände und die damit verbundenen Gefahrenzonen zu überwachen und unnötige Risiken für ihre Mitarbeiter und Besucher zu vermeiden. Dies sei nur umsetzbar, wenn unter anderem auch der Zutritt zum Terminal bzw. dessen Durchfahrt auf hierzu Befugte beschränkt bleibe, die die besonderen Sicherheitsvorschriften für das Betreten und Befahren des Terminalgeländes kennen, ausdrücklich akzeptieren und auch einhalten würden. Die Zulassung von öffentlichem Verkehr auf der Hafenstraße stehe einer effektiven Gefahrenprävention entgegen.

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Nach weiterem Schriftwechsel zwischen der Antragsgegnerin und der SGD Süd erklärte der Bürgermeister der Antragsgegnerin am 16. März 2017 gegenüber der SGD Süd, er bestätige die Änderung der laufenden Nr. 12 (Deich-km 15,440 – 16,378) von „frei für die Landwirtschaft“ in „frei für Anlieger“.

25

Am 17. März 2017 erteilte der Landkreis Germersheim der Antragsgegnerin eine Genehmigung nach der Rheindeichordnung zur Anpassung des Deichverteidigungsweges dergestalt, dass dieser künftig zwischen dem Aussiedlerhof Ludwigsau und dem Abzweig zur Gaststätte auch für Anlieger genutzt werden kann.

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Am 4. April 2017 erließ die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin die folgende hafenrechtliche Anordnung:

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„1. Ihr Vorhaben, wie mit dem Schreiben vom 15. März 2017 zum Ausdruck gebracht, die Hafenstraße östlich ab der Zufahrt zum Terminal (Tor 1) und westlich aus Richtung Obstwiese ab Beginn des Terminals (Tor 2) generell für den öffentlichen Verkehr ab dem 10.04.2017 zu sperren, wird zunächst abgelehnt, und die Maßnahmen werden Ihnen hiermit untersagt, weil u.a. bei der avisierten Maßnahme auf der bestehenden Hafenstraße ab den angegebenen, zu errichtenden Barrieren/Tore/Zaunanlagen (Tor 1 und Tor 2) kein Schutzstreifen (Mindestmaß Breite 1,60 Meter parallel verlaufend, rot markiert) berücksichtigt ist, um den Fußgängern und dem Fahrradverkehr die Nutzung der Trasse insoweit zu ermöglichen und der Schutzstreifen nicht durch eine separate Zaunanlage gesichert ist, um Unberechtigten den Zugang zum Betriebsgelände zu verhindern.

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2. Ferner wird Ihnen hiermit untersagt, die Nutzung der Straße für den Verkehr auf der Hafenstraße, wie dies mit dem Antrag/Schreiben vom 15.03.2017 zum Ausdruck gebracht wurde, durch Baumaßnahmen oder Absperrungen von seiner Nutzung her einzuschränken.

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3. Eine teilweise Sperrung bzw. die Anordnung für eine teilweise Sperrung durch die Hafenbehörde wird zunächst so lange zurückzustellen sein, bis ein Anliegerverkehr (PKW, LKW) TEMPORÄR, wie von der SGD genehmigt (Schreiben vom 08. März 2016, AZ: …, SB Hr. K; Anmerkung der Kammer: bei dieser Angabe handelt es sich um einen Schreibfehler, gemeint ist das oben angeführte Schreiben der SGD Süd vom 3. August 2016), über die befestigte Deichberme, Rheinhauptdeich, Deichabteilung I, Deich-km 15,440 - 16,378 erfolgen kann und eine Anordnung gemäß § 3 Abs. 2 LHafVO bekannt gegeben wurde, sowie perspektivisch eine verbindliche Klärung der dauerhaften Führung des Anliegerverkehrs erfolgt ist.

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4. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wird bezüglich der Nr. 1 bis 3 im öffentlichen Interesse angeordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

31

5. Für den Fall der Zuwiderhandlung zu Ziffer I, Nr. 1 Satz 1 sowie Nr. 2 dieser Verfügung, drohen wir Ihnen gemäß § 66 Abs. 5 LVwVG ein Zwangsgeld in Höhe von 20.0000 Euro an. Unmittelbaren Zwang gegen Personen und Sachen wird hiermit ebenso angedroht (§ 65 Abs. 2 Satz 1 LVwVG).“

32

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin u.a. aus, Rechtsgrundlage für den Erlass des Verbots, die Straße zu sperren, sei § 3 Abs. 2 der Landeshafenverordnung – LHafVO –. Zu der Entscheidung, ob die Straße im Hafengelände gesperrt werden könne, sei allein die Ordnungsbehörde zuständig. Sie, die Hafenbehörde, müsse sich nicht damit zufrieden geben, dass die Antragstellerin angekündigt habe, die Straße zu sperren. Die beabsichtigte Maßnahme der Antragstellerin sei unverhältnismäßig, da es mildere Mittel gebe. Das dargestellte Sicherheitsproblem lasse sich durch die Anbringung eines Sicherheitsstreifens mit einer lichten Breite von mindestens 1,60 m entlang der Straße und Installation einer Zaunanlage lösen.

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Im Rahmen der Güterabwägung müsse den Fischereiausübungsberechtigten, Grundstückseigentümern, Freizeitsportlern und Radfahrern eine geringer eingreifende Maßnahme angeboten werden. Das wäre durch einen anzulegenden Schutzstreifen möglich.

34

Durch ein Bewirtschaftungsmodell/Einbahnstraßenverkehr sei es möglich, LKW's über die Hafenstraße in Richtung Tor 2 fahren zu lassen. In Höhe des Terminals, wo die LKW's seitens der Frachten gelöscht würden, müssten dieselben über das „innere Betriebsgelände", wo sich die Container befänden, abgeleitet werden. Diese würden dann in Höhe des Verwaltungsgebäudes der Antragstellerin ankommen und könnten über die K 25 abgeleitet werden. Durch diese Regelung wäre der Betriebsablauf gesichert und könnte störungsfrei verlaufen.

35

Es bestehe auch keine Gefahr im Verzug. Die alternative Zuwegung sei in Aussicht gestellt. Der Haushalt für die Antragsgegnerin sei genehmigt, so dass mit den Baumaßnahmen nach Abklärung weiterer Aspekte begonnen werden könne. Die Vorbereitungen seien im Gange.

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Die hafenrechtliche Anordnung sei auch für sofort vollziehbar zu erklären. Es liege im öffentlichen Interesse, dass private Interessen nicht vor kommunalen Entscheidungen eigennützig gestellt werden dürften. Dies vor allem, wenn die privaten Interessenführer bezüglich ihrer beabsichtigten Maßnahme nicht entscheidungsbefugt seien. Ein Alleingang der Antragstellerin sei nicht hinnehmbar, weil er die Allgemeinheit vor vollendete Tatsachen stellen würde und durch die avisierte Maßnahme Dritte Schaden an Leib und Leben, Vermögen, Eigentum nehmen könnten.

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Die Antragstellerin legte dagegen am 28. April 2017 Widerspruch ein.

38

Ferner hat sie am 19. Mai 2017 um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist der Auffassung, die Antragsgegnerin sei nicht befugt gewesen, vorliegend eine hafenrechtliche Anordnung zu erlassen. Ein derartiger Eingriff in die Rechte widerspreche der Zuständigkeitsregelung in der Landeshafenverordnung. Gegenüber der Beigeladenen sei die Antragsgegnerin auf die bloße Rechtsaufsicht beschränkt. Dies bedeute, im Rahmen der Überprüfung des materiellen Rechts sei die Antragsgegnerin lediglich berechtigt, die Ermessenskontrolle im Sinne der rechtmäßigen Handhabung von Ermessensspielräumen zu überprüfen. Die Antragsgegnerin dürfe aber nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Beigeladenen setzen. Dies habe die Antragsgegnerin aber hier getan.

39

Ferner habe die Antragsgegnerin sie, die Antragstellerin, vor Erlass des Bescheids zu Unrecht nicht angehört. Die Anordnung sei im Übrigen unbestimmt. Die herangezogene Vorschrift des § 3 Abs. 2 LHafVO sei schon nicht einschlägig. Aber auch die Voraussetzungen dieser Norm lägen nicht vor. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.

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Die Antragsgegnerin müsse die Sperrung der Hafenstraße durch die Antragstellerin auch einstweilen dulden. Die Gefahren, die dem Verkehr und Personen durch die Nutzung der Hafenstraße drohten, seien real und unmittelbar. Jede weitere Verzögerung könne zu einer Beschädigung von Leib und Leben sowie Eigentum führen. Die Antragsgegnerin habe insofern kein Ermessen. Seit Monaten habe diese zugesagt, Änderungen betreffend den Bermenweg nach Maximiliansau dergestalt vorzunehmen, dass dort nicht nur - wie bisher bereits auch straßenverkehrsrechtlich zulässig - der Fahrrad- und Personenverkehr, sondern auch PKW Verkehr auf dieser Straße zugelassen werde. Die Einhaltung der Zusage sei bisher aber nicht erfolgt.

41

Die Antragstellerin beantragt,

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1. die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 4. April 2017 wiederherzustellen

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und

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2. im Wege einer einstweiligen Anordnung festzustellen, dass sie, die Antragstellerin, berechtigt ist, die Hafenstraße nach Maßgabe der ihrem Ankündigungsschreiben vom 15. März 2017 beigefügten Skizze zwischen der Zufahrt zum Terminal am Tor 1 bis zum Tor 2 für den öffentlichen Verkehr zu sperren.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie führt aus, die hafenrechtliche Anordnung finde eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 2 LHafVO. Eine Verpachtung der Hafenstraße an die Antragstellerin hätte nicht erfolgen dürfen, ohne zuvor die Frage der Verkehrsführung/-anbindung geklärt zu haben. Das Containerterminal sei von seiner Lage her im südwestlichen Bereich angegliedert. Die Hafenstraße selbst laufe als eigenständige Trasse neben den dort „geparkten“ Containern und sei nicht unmittelbarer Bereich des Containerterminals. Der Mietvertrag greife insoweit nicht unmittelbar auf die Trasse Hafenstraße ein. Die Beigeladene sei insoweit nicht berechtigt gewesen, den Vertrag abzuschließen. Auch die Flucht ins Privatrecht schütze die Parteien vor Abwägungen nicht, die offensichtlich zu berücksichtigen seien.

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Es gehe hier offenkundig nicht um die Abwendung einer Gefahrensituation. Die Situation sei tatsächlich seit Jahrzehnten unverändert und besondere Gefährdungen seien nicht nachweislich; es sei kein Unfallschwerpunkt zu verzeichnen. Vielmehr werde ersichtlich, dass es im Kern um die Optimierung der Betriebsabläufe gehe und die Gefahrenabwehr dazu instrumentalisiert werden solle. Es könne weder eine akute Gefährdungssituation noch eine Unvereinbarkeit mit dem Betrieb des Hafens erkannt werden. Die Antragstellerin trage die Verantwortung für die verkehrssichere Abwicklung des Verkehrs und eine dementsprechende Organisation des Betriebs. Die Lagerung von leeren Güterverkehrsboxen entlang der Straße und die damit einhergehende Verknappung des Raumangebots habe die Antragstellerin selbst verursacht. Veränderungen im Betriebsablauf (z.B. Einbahnstraßenverkehr durch das Terminal und Ausfahrt über die Hafenstraße) seien ohne Weiteres vorstellbar. Eine Voranstellung privatwirtschaftlichen Gewinnstrebens vor die Interessen der Öffentlichkeit sei offenkundig.

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Würde dem Antrag auf Zulassung der Sperrung stattgegeben, würde das signifikante Merkmal des öffentlichen Verkehrs zurück gedrängt und ein Zustand geschaffen, der die Anlieger in ihrem Eigentumsrecht und der erforderlichen Erschließung ihrer baulichen Anlage nicht vertretbar einschränke.

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In den Jahren 2013 bis 2016 sei die Zuwegung über den Bermenweg wegen Hochwassers an 16 Tagen gesperrt gewesen. Auch ansonsten sei die Zufahrt über diesen Weg z.B. wegen Baumaßnahmen oder Unterhaltungsmaßnahmen am Deich nicht immer uneingeschränkt möglich. Im Übrigen wäre durch eine verkehrsbehördliche Anordnung nur Anliegerverkehr zulässig. Der übrige Personenkreis, der nicht Anlieger sei, wäre hiervon ausgenommen. Insbesondere sei die Zuwegung derzeit nicht in geeignetem baulichem Zustand, um den Anliegerverkehr aufzunehmen. Eine Ertüchtigung (Ausweichbuchten, Schleppkurven) wäre zuerst herzustellen. Die Nutzung des Deichbermenweges sei zudem nur temporär durch die Deichbehörde in Aussicht gestellt worden.

51

Sie, die Antragsgegnerin, habe ferner der Firma M aus Speyer den Auftrag erteilt, den Neubau „Parallele Hafenstraße" im Landeshafen Wörth zu prüfen. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass eine zweite Hafenstraße, wie die Antragsgegnerin dachte sie herstellen zu können, so gut wie ausgeschlossen sei. Deshalb müsse auch die vorübergehende „Zuwegung Deichbermenweg“ verworfen werden.

52

Die Antragstellerin plane im Übrigen, die Kapazitäten für Lager und Umschlag ihres Terminals im Landeshafen Wörth auszubauen. Die Anbindung an den Straßenverkehr solle primär über die Dr. Hans-Mohr-Straße (Zufahrt zum Terminal) und die Hafenstraße erfolgen. Die übrige Hafenstraße, die sich ausschließlich auf dem Gelände des Hafengebietes befinde, solle im Wesentlichen von der Bewirtschaftung ausgenommen werden. Die Antragstellerin könne somit durch innere Betriebsabläufe das Teilstück der in Rede stehenden Hafenstraße, für die die angefochtene Verfügung erlassen worden sei, weiterhin dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stellen. Offensichtlich benötige die Antragstellerin überwiegend die öffentlichen Straßen „Mobilstraße und Dr. Hans-Mohr-Straße“, um auf ihr Betriebsgelände zu gelangen. Die neue Wegeführung sehe ein Einbahnstraßen-System vor. Die Antragstellerin benötige künftig den in Rede stehenden Bereich der angefochtenen Verfügung in wesentlichen Teilen nicht mehr in dem bisherigen Maße und habe ihn daher weiter für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung zu stellen.

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Die Antragstellerin habe inzwischen am 29. Juni 2017 die Fortführung ihrer Planungen vorgestellt und das Jahr 2019 als avisierten Startzeitraum benannt. Bemerkenswert an diesem Scoping-Termin sei gewesen, dass von Seiten des von der Antragstellerin selbst beauftragten Büros die „hohe Bedeutung der Hafenstraße für den Freizeitverkehr“ und die „große Erholungsfunktion“ des Areals Ritterhecke für die Bevölkerung hervorgehoben worden sei.

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Die Beigeladene schließt sich dem Antrag und der Argumentation der Antragstellerin an.

55

Die Kammer hat am 26. Juni 2017 durch den Berichterstatter vor Ort einen Erörterungstermin durchgeführt. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift vom 26. Juni 2017 Bezug genommen.

56

Das Land Rheinland-Pfalz hat mit Erklärung vom 4. Juli 2017 gegenüber der Antragsgegnerin die bisherige Duldung der Nutzung der Hafenstraße im fraglichen Bereich widerrufen und um Bestätigung der Berechtigung zur Schließung der Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes gebeten.

II.

57

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg, soweit sich die Antragstellerin gegen die hafenrechtliche Anordnung vom 4. April 2017 wendet (A.). Dagegen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig (B.).

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A. Der Antrag zu 1) ist zulässig (1.) und begründet (2.).

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1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 4. April 2017 wiederherzustellen, bedarf zunächst der Auslegung nach § 88 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –. Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO, soweit sie sich gegen die für sofort vollziehbar erklärten Ziffern 1 bis 3 in dem Bescheid vom 4. April 2017 wendet. Dagegen hat der Widerspruch gegen die gleichzeitig verfügte Zwangsgeldandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 20 Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO – kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Statthaft ist insoweit daher der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO.

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Die so verstandenen Anträge sind zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin als Adressatin belastender Verwaltungsakte antragsbefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog.

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2. Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

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2.1. Allerdings ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 formell rechtmäßig.

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2.1.1. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin und der Beigeladenen war die Antragsgegnerin allerdings zuständig für den Erlass des Bescheids vom 4. April 2017 und damit auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

64

Die Antragsgegnerin hat die Verfügung ausdrücklich auf § 3 LHafVO gestützt. Nach dessen Absatz 1 obliegt die Durchführung dieser Verordnung der Hafenbehörde, soweit in den nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes geregelt ist; Hafenbehörde ist die örtliche Ordnungsbehörde (§ 89 Abs. 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes) und damit die Antragsgegnerin. Ob die inhaltlichen Voraussetzungen der herangezogenen Rechtsgrundlage gegeben sind und ob die Antragsgegnerin möglicherweise ihre hafenrechtlichen Befugnisse nach § 3 Abs. 2 LHafVO überschritten hat, ist keine Frage der Zuständigkeit, sondern eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheids.

65

2.1.2. Die Antragsgegnerin hat in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Hierzu hat die Antragsgegnerin ausgeführt, es liege im öffentlichen Interesse, dass private Interessen nicht vor kommunalen Entscheidungen eigennützig gestellt werden dürften. Dies vor allem, wenn die privaten Interessenführer bezüglich ihrer beabsichtigten Maßnahme nicht entscheidungsbefugt seien. Ein Alleingang der Antragstellerin sei nicht hinnehmbar, weil er die Allgemeinheit vor vollendete Tatsachen stellen würde und durch die avisierte Maßnahme Dritte Schaden an Leib und Leben, Vermögen, Eigentum nehmen könnten. Damit liegt (noch) eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. April 2012 – 1 B 10136/12.OVG –, BauR 2012, 1362).

66

2.1.3. Die Antragsgegnerin hat ferner nicht deshalb verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil sie vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Antragstellerin keine Gelegenheit gegeben hat, sich zu den für die sofort wirksame Anordnung eines präventiven Sperrverbots erheblichen Tatsachen zu äußern. § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – ist nach Auffassung der Kammer auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung weder direkt noch entsprechend anwendbar. Die unmittelbare Anwendung des § 28 Abs. 1 VwVfG scheitert bereits am Wortlaut der Vorschrift, die an einen zu erlassenden Verwaltungsakt anknüpft. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist indessen kein Verwaltungsakt, sondern unselbständiger Teil der durch den Verwaltungsakt getroffenen Regelung und beseitigt das durch die Erhebung des Widerspruchs bzw. der Klage eintretende Vollzugshindernis des Suspensiveffekts des § 80 Abs. 1 VwGO. Gegen eine analoge Anwendung der genannten Vorschrift spricht, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität nicht mit einem Verwaltungsakt vergleichbar ist, für ein gerichtliches Vorgehen gegen sie grundsätzlich keine Fristen bestehen und sie keiner Bestandskraft fähig ist. Ein Bedürfnis für die Vorverlegung eines Rechtsschutzes besteht daher nicht in derselben Weise wie bei Verwaltungsakten (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2014, 721; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 28 Rn. 7).

67

Aber auch wenn man mit der Gegenmeinung (s. z.B. Finkelnburg in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rn. 732 m.w.N.) eine Anhörung aus rechtsstaatlichen Gründen für erforderlich ansehen würde, ist eine nachträgliche Heilung während des hier anhängigen Eilverfahrens erfolgt. Denn die Antragstellerin hatte die Möglichkeit, in diesem Verfahren alles vorzubringen, was sie gegen die Vollziehungsanordnung geltend machen will.

68

2.2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 ist aber in materieller Hinsicht zu beanstanden.

69

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176).

70

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das private Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärten Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung dieser Anordnung. Denn diese erweist sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung jedenfalls nicht als offensichtlich rechtmäßig. Außerdem fehlt es an einem besonderen Vollzugsinteresse.

71

2.2.1. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 bestehen nicht.

72

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die hafenrechtliche Anordnung nicht aus formellen Gründen wegen eines Verstoßes gegen die Anhörungspflicht rechtswidrig.

73

Zwar hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin vor Erlass der Anordnung gegen § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG verstoßen. Danach ist einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Eine entsprechende Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Schließungsanordnung hat nicht stattgefunden.

74

Gründe für ein Absehen von der Anhörungspflicht nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG sind nicht ersichtlich.

75

Der Anhörungsverstoß ist jedoch inzwischen gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden. Denn die erforderliche Anhörung, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, ist im vorliegenden Eilverfahren nachgeholt worden. Zwar folgt die Kammer in Bezug auf diese Rechtsfrage nicht einer teilweise vertretenen Auffassung, nach der schon die Möglichkeit der Heilung genüge, da es keinen Grundsatz gebe, wonach die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für sich genommen stets seiner Vollziehung entgegenstehen würde, ohne dass es auf seine Rechtmäßigkeit in der Sache ankäme (so z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 2014 – 7 CS 14.275 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 16 B 718/13 –, juris). Auch teilt das Gericht nicht die weitere Ansicht, wonach Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich keine nachträgliche Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG seien (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14/09 –, NVwZ 2011, 115; Hess. VGH, Beschluss vom 23. September 2011 – 6 B 1701/11 –, NVwZ-RR 2012, 163). Vielmehr ist die Kammer (s. zuletzt Beschluss vom 14. Juni 2016 – 4 L 403/16.NW –, GewArch 2016, 353) der Meinung, dass eine schriftsätzliche Stellungnahme der Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren eine Nachholung der Anhörung dann bewirken kann, wenn sich die Behörde in ihrem Schriftsatz nicht nur auf die Verteidigung der einmal getroffenen Verwaltungsentscheidung beschränkt, sondern eindeutig und klar zu erkennen gibt, dass sie ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Verfügung aufrechterhalten bleibt (vgl. z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 15 CS 15.1740 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –, NWVBl 2014, 322; OVG Sachsen, Beschluss vom 2. Februar 2012 – F 7 B 278/11 –, juris).

76

Hiervon ausgehend hat die Antragsgegnerin den Anhörungsmangel in ihren mehreren Antragserwiderungsschriften geheilt. Sie hat darin eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie das Vorbringen der Antragstellerin in deren Widerspruchsschreiben und den Antragsbegründungen im Eilverfahren zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer Entscheidung verblieben ist, das präventive Sperrverbot aufrechtzuerhalten.

77

2.2.2. Die Kammer hält die Ziffern 1 bis 3 der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 jedoch in materieller Hinsicht für offensichtlich rechtswidrig. § 3 Abs. 2 LHafVO stellt nach Ansicht der Kammer keine taugliche Ermächtigungsgrundlage dar (2.2.2.1.). Die hafenrechtliche Anordnung kann auch nicht in eine straßenrechtliche Verfügung oder eine polizeirechtliche Anordnung umgedeutet werden (2.2.2.2.).

78

2.2.2.1. Auf § 3 Abs. 2 LHafVO können die Ziffern 1 bis 3 der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 nicht gestützt werden.

79

Gemäß § 3 Abs. 2 LHafVO hat die Hafenbehörde die Aufgabe, Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, der Verkehr oder Betrieb im Hafen bedroht werden, sowie mögliche Gewässerverunreinigungen abzuwehren. Sie hat ferner die Aufgabe, Gefahren abzuwehren, die aus dem Zustand der Hafenanlagen herrühren oder die deren ordnungsgemäßen Zustand beeinträchtigen.

80

2.2.2.1.1. Der Geltungsbereich der – aufgrund des inzwischen außer Kraft getretenen § 41 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 und 3 Landeswassergesetz in der Fassung vom 14. Dezember 1990 (GVBl. 1991 Seite 11) erlassenen –Landeshafenverordnung vom 10. Oktober 2000 (GVBl. 2000, 421) ist allerdings hier eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 LHafVO gilt diese Verordnung für Häfen in Rheinland-Pfalz, deren räumlich abgegrenzte Bereiche im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz bekannt gemacht worden sind. Dies ist im Falle des Landeshafens von Wörth der Fall.

81

2.2.2.2.2. Ein hafenrechtliches Einschreiten der Antragsgegnerin scheidet vorliegend nicht bereits deswegen aus, weil vorrangig die Vorschriften des Landesgesetzes über die Sicherheit in Hafenanlagen und Häfen – LHafSiG – vom 6. Oktober 2006 (GVBl. 2006, 338) zu beachten wären. Das genannte Landesgesetz, das gemäß § 1 Abs. 1 der Verbesserung der Gefahrenabwehr in rheinland-pfälzischen Hafenanlagen und Häfen dient, setzt die Richtlinie 2005/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen (ABI. EG Nr. L 310 vom 25. November 2005, Seite 28) um. Sie bezweckt über die bis dato bestehenden Regelwerke zum Schutz vor terroristischen Angriffen hinaus einen möglichst umfassenden Schutz für das Seeverkehrsgewerbe und die Hafenwirtschaft und erfasst den gesamten Hafen als Schutzobjekt (ausführlich dazu s. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juni 2013 – 4 A 1065/12 –, DVBl 2013, 1204). Gemäß § 4 Abs. 4 LHafSiG kann die zuständige Behörde – dies ist gemäß § 3 Abs. 1 LHafSiG das für die Angelegenheiten des Verkehrs zuständige Ministerium – gegenüber Dritten im Einzelfall Anordnungen treffen, soweit die nach dem SOLAS-Übereinkommen, dem ISPS-Code, der Verordnung (EG) Nr. 725/2004, der Richtlinie 2005/65/EG und diesem Gesetz zu gewährleistende Sicherheit der Hafenanlage, des Hafens oder eines sich an der Hafenanlage befindenden Seeschiffes im Sinne des § 1 Abs. 2 Maßnahmen der Behörde erfordert. Dies gilt auch, wenn die notwendigen Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht alleine durch den Betreiber der Hafenanlage oder den Betreiber des Hafens getroffen werden können oder solchen Gefahrenabwehrmaßnahmen Rechte Dritter entgegenstehen.

82

Die hier von der Antragsgegnerin angeführten Gefahren für die Verkehrsteilnehmer auf der Hafenstraße innerhalb des Containerterminals der Antragstellerin stellen jedoch keine Gefahren dar, für deren Vermeidung die Antragstellerin als Hafenbetreiberin nach dem Landesgesetz über die Sicherheit in Hafenanlagen und Häfen in Anspruch genommen werden könnte.

83

2.2.2.2.3. Die inhaltlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 LHafVO liegen hier indessen nicht vor. Nach Auffassung der Kammer setzt ein Einschreiten nach dieser Vorschrift eine hafenspezifische Gefahr voraus. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen der Landeshafenverordnung. Es geht hier darum, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, den Verkehr oder den Betrieb im Hafen abzuwehren. Ferner hat die Hafenbehörde Gefahren abzuwehren, die aus dem Zustand der Hafenanlagen herrühren oder die deren ordnungsgemäßen Zustand beeinträchtigen. Es geht folglich um den Schutz des Hafens und dessen Betrieb. Die Ziffern 1 bis 3 der Verfügung vom 4. April 2017 bezwecken jedoch gerade nicht den Schutz des Hafenbetriebs, sondern dienen allein der Aufrechterhaltung des öffentlichen Straßenverkehrs innerhalb des Hafengeländes, also einer Maßnahme, die geeignet ist, den Schutz des Hafenbetriebs zu gefährden. Dies stellt aber keine hafenspezifische Gefahr dar. Die Antragsgegnerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht aus § 5 Abs. 2 LHafVO, wonach Unbefugte das Hafengebietaußerhalb der öffentlichen Straßen und Zugänge nur mit Erlaubnis des Hafenunternehmers betreten oder befahren dürfen, herleiten, dass im Umkehrschluss Dritte sich auf den öffentlichen Straßen bewegen dürfen. Denn die Hafenstraße stellt in dem betroffenen Bereich, wie noch auszuführen sein wird, gerade keine öffentliche Straße dar.

84

2.2.2.2. Eine Umdeutung der hafenrechtlichen Anordnung in eine straßenrechtliche oder polizeirechtliche Verfügung scheidet aus.

85

Gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

86

2.2.2.2.1. Zunächst kann die Verfügung nicht auf § 41 Abs. 8 Satz 1 Landesstraßengesetz – LStrG – gestützt werden. Danach kann, sofern eine Straße ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis benutzt oder der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die Straßenbaubehörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen.

87

Gemäß § 41 Abs. 1 Satz LStrG bedarf der Gebrauch der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde. Zwar wird die Sperrung einer Straße durch ein Tor von dieser Vorschrift erfasst (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern., Beschluss vom 11. November 1998 - 1 M 135/97, LKV 1999, 514; VG Greifswald, Beschluss vom 22. Februar 2000 – 2 B 114/98 –, juris).

88

Allerdings ist § 41 Abs. 8 Satz 1 LStrG schon deshalb nicht einschlägig, weil die Antragstellerin die Sperrung der Hafenstraße innerhalb ihres Containerterminals noch nicht verwirklicht hat und damit noch keine Sondernutzung vorliegt.

89

Als Rechtsgrundlage für die Ziffern 1 bis 3 der Verfügung vom 4. April 2017 kommt auch nicht § 48 Abs. 1 LStrG in Betracht. Danach obliegt der Straßenbaubehörde u.a. die Verwaltung der öffentlichen Straßen; sie hat die hierfür notwendigen Maßnahmen zu treffen. Zwar hält es die Kammer nicht von vornherein ausgeschlossen, ein präventives Verbot der Sperrung einer öffentlichen Straße auf die genannte Vorschrift zu stützen (vgl. zum Erlass eines auf § 59 Abs. 1 Landesbauordnung – LBauO - präventiven Bauvorbots VG Neustadt, Beschluss vom 09. Mai 2000 – 4 L 925/00.NW –, juris). Dies bedarf indessen keiner Vertiefung, denn die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 LStrG scheitert schon daran, dass diese Vorschrift voraussetzt, dass es sich bei der betroffenen Straße um eine öffentliche Straße im Sinne des § 1 Abs. 3 LStrG handelt.

90

Eine öffentliche Straße bedarf der Widmung gemäß § 36 LStrG. Voraussetzung für die Widmung ist nach § 36 Abs. 2 LStrG, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des der Straße dienenden Grundstückes ist oder der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt haben oder der Träger der Straßenbaulast im Enteignungsverfahren in den Besitz des der Straße dienenden Grundstückes eingewiesen ist. Die Widmung ist öffentlich bekannt zu machen (§ 36 Abs. 3 LStrG). Vorliegend steht nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten fest, dass die Hafenstraße in dem betreffenden Bereich innerhalb des Hafengeländes zu keinem Zeitpunkt gewidmet worden ist.

91

Die Hafenstraße ist auch keine öffentliche Straße ist Sinne des § 54 Satz 1 und 2 LStrG. Danach sind alle Straßen, die nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße haben, öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes. Dies wird für Straßen, die seit dem 31. März 1948 dem öffentlichen Verkehr dienen, vermutet. Es steht außer Frage, dass die Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes erst nach dem 31. März 1948, nämlich im Jahre 1967, als der Hafen nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses angelegt wurde, gebaut wurde.

92

Eine Widmung der Hafenstraße ist auch nicht durch den im Jahre 1967 erlassenen Planfeststellungsbescheid erfolgt. Zwar liegen dem Gericht die diesbezüglichen Verwaltungsakten nicht vor, da sie bei der SGD Süd bisher nicht aufgefunden werden konnten. Dies ist hier aber unschädlich, denn im Jahre 1967 galt die Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 1 LStrG, wonach bei Straßen, deren Bau in einem Planfeststellungsverfahren geregelt wird, die Widmung in diesem Verfahren mit der Maßgabe verfügt wird, dass sie mit der Verkehrsübergabe wirksam wird, noch nicht. Die genannte Bestimmung wurde erst mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Landesstraßengesetzes vom 27. Oktober 1986 in das Gesetz aufgenommen (GVBl. Seite 277) und sollte ausweislich der Gesetzesbegründung der „Verfahrenskonzentration“ dienen sowie dazu beitragen, dass ein Auseinanderfallen von Verkehrsfreigabe und Widmung (die Straße ist ansonsten während dieses Zeitraumes nur verkehrsrechtlich öffentlich) vermieden wird (Landtagsdrucksache 10/2174).

93

Schließlich ergibt sich eine Widmung der Hafenstraße auch nicht aus dem im Jahre 1991 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Landeshafen“ der Antragsgegnerin. Im Gegensatz zum Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (s. dort Art. 6 Abs. 7) ersetzt ein Bebauungsplan die Widmung nach rheinland-pfälzischem Recht jedoch nicht (s. auch Bogner/Bitterwolf-de Boer u.a., Praxis der Kommunalverwaltung, Satnd August 2016, § 36 LStrG, Anm. 14.3.).

94

Da die Vorschriften des Straßenrechts nach dem Landesstraßengesetz nur für gewidmete öffentliche Straßen und Wege gelten, eine öffentliche Straße in diesem Sinne hier aber nicht vorliegt, kann die Verbotsverfügung nicht auf das Landesstraßengesetz gestützt werden.

95

2.2.2.2.2. Auch eine Umdeutung der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 in eine polizeirechtliche Verbotsverfügung scheidet nach Auffassung der Kammer aus.

96

In Betracht kommt allerdings die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG –. Danach können u.a. die allgemeinen Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die §§ 9 a bis 42 ihre Befugnisse besonders regeln.

97

Auf die allgemeine Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 POG kann hier zurückgegriffen werden, da das hier – wie noch auszuführen sein wird – zu prüfende Straßenverkehrsrecht keine speziellen Ermächtigungen für Maßnahmen zur Beseitigung von Gegenständen auf der Straße oder der Verhinderung der Aufbringung von Gegenständen auf die Straße enthalten.

98

a) Bei der Hafenstraße handelt es sich um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche, für die mangels Widmung zwar nicht die Vorschriften des Landesstraßengesetzes, aber die des bürgerlichen Rechts und des Straßenverkehrsrechts gelten. Das Straßenverkehrsrecht geht auf Grund seiner sicherheitsrechtlichen Zwecksetzungen von einem weiten Begriff der öffentlichen Verkehrsflächen aus. Zu ihnen zählen auch (private) Flächen, auf denen der Verfügungsberechtigte auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung die Benutzung durch jedermann tatsächlich zugelassen hat und dort dementsprechend die typischen Gefahren des Straßenverkehrs abzuwehren sind. Auf diesen Flächen gilt dann auf Grund dessen die Straßenverkehrsordnung (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 8 CS 04.3275 –, juris; Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629).

99

Die Schließung des Hafengeländes mit Hilfe des Anbringens zweier Tore würde gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsordnung – StVO – verstoßen. Danach ist es u.a. verboten, Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Eine eigenmächtige Sperrung der Straße würde ferner eine unzulässige Selbsthilfe im Sinne von § 229 Bürgerliches GesetzbuchBGB – und eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 859 Abs. 3 BGB darstellen. Die konkrete Sperrung einer tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche hebt deren Eigenschaft nicht auf. Denn auch diese Eigenschaft kann endgültig nur in den von der Rechtsordnung bereitgestellten behördlichen und gerichtlichen Verfahren beseitigt werden (vgl. § 230 Abs. 1 BGB; Bay. VGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 – 8 CS 04.3275 –, juris).

100

b) Eine Umdeutung der hafenrechtlichen Anordnung vom 4. April 2017 in eine polizeirechtliche Ordnungsverfügung scheidet hier jedoch aus, weil die Voraussetzungen für den Erlass einer polizeirechtlichen Ordnungsverfügung nicht gegeben sind.

101

aa) Zwar hält die Kammer entgegen der Auffassung der Antragstellerin und der Beigeladenen die Anordnung vom 4. April 21017 nicht für unbestimmt. Gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Hinreichende Bestimmtheit eines belastenden Verwaltungsakts bedeutet, dass der „Entscheidungssatz“ der Regelung - ggf. im Zusammenhang mit den Gründen - für den Betroffenen klar und unzweideutig erkennen lässt, was von ihm verlangt wird und die Behörde auf der Grundlage der ausgesprochenen Regelung ggf. eine Vollstreckung durchführen könnte. Im Einzelnen richtet sich der Maßstab nach dem jeweiligen Regelungsgehalt und den Besonderheiten des angewendeten materiellen Rechts (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 f.).

102

Die Verfügung vom 4. April 2017 bezeichnet in den Ziffern 1 und 2 des Tenors genau, was von der Antragstellerin verlangt wird, nämlich das Verbot, die Hafenstraße östlich ab der Zufahrt zum Terminal (Tor 1) und westlich aus Richtung Obstwiese ab Beginn des Terminals (Tor 2) generell für den öffentlichen Verkehr ab dem 10. April 2017 zu sperren sowie die Nutzung der genannten Straße für den Verkehr durch Baumaßnahmen oder Absperrungen einzuschränken. Sämtliche anderen Angaben im Tenor des Bescheids, insbesondere die gesamte Ziffer 3 haben ersichtlich keine weitergehende Bedeutung in Bezug auf die der Antragstellerin aufgegebene Verpflichtung, die Sperrung zu unterlassen.

103

bb) Es liegt auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor, da – wie ausgeführt – eine eigenmächtige Sperrung der Straße eine unzulässige Selbsthilfe im Sinne von § 229 BGB und eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 859 Abs. 3 BGB darstellen würde. Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehört die gesamte Rechtsordnung, so dass ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit darstellt.

104

cc) Allerdings hält die Kammer die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin nicht für ausreichend. In ihrer Ermessensentscheidung hat die Antragsgegnerin nämlich die Interessen der Antragstellerin nicht hinreichend gewürdigt.

105

So geht die Antragsgegnerin in dem Bescheid zunächst unzutreffend davon aus, dass sie über die Frage, ob die Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes für den öffentlichen Straßenverkehr gesperrt werden darf, selbst entscheidungsbefugt ist und eine inhaltliche Prüfung vornehmen darf. Dem ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht so. Wie ausgeführt, handelt es sich bei der Hafenstraße nicht um eine öffentliche Straße im Sinne des Straßenrechts, sondern um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche im Sinne des Straßenverkehrsrechts auf Privatgelände. Nach § 903 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Land Rheinland-Pfalz, das einen Teil des Grundstücks Flurstück-Nr. ... an die Antragstellerin vermietet hat, ist Eigentümer des genannten Grundstücks und damit auch Eigentümer der auf diesem Grundstück verlaufenden Straßenfläche. Diese Fläche ist als (unbewegliche) „Sache“ im Sinn des § 903 BGB zu qualifizieren (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629). Das Land Rheinland-Pfalz übt als Eigentümer auf dieser privaten Fläche sein privatrechtliches Hausrecht aus. Dieses ermöglicht seinem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt. Das schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben oder von Bedingungen abhängig zu machen und die Einhaltung dieser Zwecke mittels eines Hausverbots durchzusetzen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juni 2013 – 4 A 1065/12 –, DVBl 2013, 1204).

106

Die weitere Tatbestandsvoraussetzung, dass der Ausübung der Eigentümerbefugnisse kein Gesetz und keine Rechte Dritter entgegenstehen, liegt ebenfalls vor. Das Recht des Landes Rheinland-Pfalz zum Ausschluss der Allgemeinheit von der Nutzung der betroffenen Straßenfläche innerhalb des Hafengeländes durch Sperrung dieser Fläche ist insbesondere nicht, wie oben ausgeführt, durch einen Gemeingebrauch (§ 34 LStrG) infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung nach § 36 LStrG eingeschränkt.

107

Da das Land Rheinland-Pfalz als Eigentümer und damit Verfügungsberechtigter des Straßenabschnitts in der Vergangenheit allerdings die Benutzung durch die Allgemeinheit zugelassen hat und es sich daher um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche handelt, muss es die Zustimmung zu dieser Nutzung widerrufen, da es nicht ohne Weiteres berechtigt ist, den Straßenabschnitt zu sperren. Ein Eigentümer kann zur Wahrnehmung seiner Rechte aber die von der Rechtsordnung vorgesehenen behördlichen und gerichtlichen Mittel ergreifen und sich einen entsprechenden Rechtstitel verschaffen (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629 m.w.N.). Dass die tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche durch das Straßenverkehrsrecht geschützt ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil die Zustimmung des Verfügungsberechtigten zur Nutzung der Fläche durch die Allgemeinheit, wenn sie nicht unwiderruflich erteilt wurde, grundsätzlich jederzeit widerrufen werden kann (Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629).

108

Die Antragsgegnerin geht daher in dem Bescheid vom 4. April 2017 von falschen Voraussetzungen aus, wenn sie der Auffassung ist, sie sei über die Frage der Zulässigkeit der Sperrung allein entscheidungsbefugt. Das Land Rheinland-Pfalz hatte die Antragstellerin im Mietvertrag dazu ermächtigt, die Straße auf beiden Zufahrtsseiten durch Errichtung von Zäunen und Toren für den öffentlichen Verkehr zu sperren und dies gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2015 kundgetan. Dies ist als Widerruf der Zustimmung zur Nutzung der Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes zu werten. Entsprechend teilte die vom Land Rheinland-Pfalz bevollmächtigte Antragstellerin am 15. März 2017 der Antragsgegnerin mit, dass die Sperrung demnächst erfolgen solle. Es ging also nur noch darum, eine Erklärung der Antragsgegnerin zu der bevorstehenden Sperrung einzuholen, um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Die Antragsgegnerin hat in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht hinreichend beachtet, dass das Land Rheinland-Pfalz als Eigentümer des Grundstücks Flurstück-Nr. ... vom Prinzip her einen Anspruch auf Zustimmung zu dem Widerruf hat. Die Antragsgegnerin hat in dem Bescheid die Zulässigkeit der beabsichtigten Sperrung inhaltlich mit der Begründung abgelehnt, die Sperrung sei unverhältnismäßig, weil mildere Mittel wie z.B. die Anlegung eines Schutzstreifens für Fahrradfahrer oder die Einführung eines Einbahnverkehrs im Hafengelände zur Verfügung stünden. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Ermessensentscheidung damit nicht hinreichend berücksichtigt, dass ein Eigentümer über sein Eigentum grundsätzlich frei verfügen darf. Die Antragsgegnerin hat die betroffene Verkehrsfläche wie eine öffentliche Straße im Sinne des Straßenrechts behandelt, obwohl diese Voraussetzungen nicht gegeben sind.

109

Vor dem Hintergrund, dass es als ausgeschlossen angesehen werden kann, dass es der Antragsgegnerin gelingt, die streitbefangene Straßenfläche - ggf. nach Beschaffung der Verfügungsmacht im Wege einer Enteignung - zu widmen, stellt die Antragsgegnerin auch ermessensfehlerhafte Erwägungen in Bezug auf die in Betracht kommende Alternativstrecke über den Bermenweg an. Zwar führt die Antragsgegnerin in dem Bescheid aus, die alternative Zuwegung sei in Aussicht gestellt und die Vorbereitungen seien im Gange. Faktisch unternimmt die Antragsgegnerin jedoch nichts, um eine zügige Inbetriebnahme der Alternativstrecke über den Deichverteidigungsweg für den Anliegerverkehr herbeizuführen. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass im Falle der Einführung des Anliegerverkehrs zwischen dem Aussiedlerhof … und der Abzweigung zur Gaststätte „R“ zwar die östlich des Grundstücks Flurstück-Nr. ... gelegenen Grundstücke (u.a. mit der Gaststätte „R“ und dem Segelverein …) über den Bermenweg erschlossen wären, jedoch der bisherige Fahrradverkehr durch das Hafengelände nicht länger stattfinden könnte. Der Fahrradverkehr auf der Hafenstraße im Hafengelände ist jedoch nicht geschützt, da der betroffene Straßenabschnitt innerhalb des Hafengeländes keine gewidmete öffentliche Straße ist. Der offizielle Rhein-Radweg führt nicht mehr durch das Hafengelände (s. http://www.rhein-radweg-rlp.de/de/cms-karte/interaktive-karte-1-15-1-15.html), so dass das Land Rheinland-Pfalz nicht gehindert ist, den Radverkehr im Hafen auszuschließen. Dies hat auch die Antragsgegnerin bei ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.

110

Was die östlich des Grundstücks Flurstück-Nr. ... gelegenen Grundstücke anbetrifft, so sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Erschließung über den Bermenweg gegeben. Zwar ist bisher die Strecke des Bermenweges zwischen dem Aussiedlerhof … und dem Abzweig zur Gaststätte „R“ nur für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben. Jedoch hat die SGD Süd im Schreiben vom 3. August 2016 an die Antragsgegnerin sich damit einverstanden erklärt, im Hinblick auf die beabsichtigte Sperrung der Hafenstraße im Landeshafen Wörth im Bereich des Containerterminals der Antragstellerin den Deichverteidigungsweg entlang der … als Erschließungsstraße für die Ritterhecke vom Hafen Maximiliansau für einen Übergangszeitraum von mehreren Jahren nutzen zu lassen. Die Antragsgegnerin hat hierzu am 16. März 2017 ihre ausdrückliche Zustimmung erklärt und angegeben, sie bestätige die Änderung der laufenden Nr. 12 (Deich-km 15,440 – 16,378) von „frei für die Landwirtschaft“ in „frei für Anlieger“. Am 17. März 2017 erteilte der gemäß § 17 Rheindeichordnung zuständige Landkreis Germersheim der Antragsgegnerin eine Genehmigung nach der Rheindeichordnung zur Anpassung des Deichverteidigungsweges dergestalt, dass dieser künftig zwischen dem Aussiedlerhof Ludwigsau und dem Abzweig zur Gaststätte auch für Anlieger genutzt werden kann.

111

Damit steht einer Erschließung der östlich des Grundstücks Flurstück-Nr. ... gelegenen Grundstücke rechtlich nichts mehr entgegen. Bei Anbringung des Zusatzzeichens „frei für Anlieger“ sind neben den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, welches an der Straße „anliegt“ auch alle Personen berechtigt, die zu einem Anlieger Beziehungen irgendwelcher Art unterhalten oder anknüpfen wollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 – 3 C 14/99 –, NJW 2000, 2121). Auch Gewerbetreibende und ihre Kunden gehören nach diesem Verständnis zu der Verkehrsteilnehmergruppe, die von der Regelung „Anlieger frei“ erfasst werden (s. VG Bremen, Beschluss vom 11. April 2011 – 5 V 2085/10 –, juris). So wird gewährleistet, dass einem Anlieger durch das Verkehrsverbot, von dem er ohne Beschränkungen befreit sein soll, keine Nachteile entstehen. „Anlieger“ in diesem Sinne sind vorliegend somit der Betreiber der Gaststätte „R“ und dessen Gäste, die Mitglieder des Segelvereins … und die Fischereiausübungsberechtigten und zwar unabhängig davon, ob sie mit dem Kfz oder dem Fahrrad den Bermenweg befahren.

112

Nach Angaben des beim Erörterungstermin am 26. Juni 2017 anwesenden Vertreters der SGD Süd kann die alternative Ausweichstrecke für Anlieger über den Bermenweg innerhalb von 4 bis 6 Wochen ausgebaut werden. Da die Antragsgegnerin auch schon Pläne über den verkehrsgerechten Ausbau des Deichverteidigungsweges hat erstellen lassen, gibt es keinen rechtlich anerkennenswerten Grund, die Umsetzung der alternativen Erschließung zu verzögern und sich im Bescheid vom 4. April 2107 auf die noch nicht vorhandene Ausweichstrecke zu berufen. Die Antragsgegnerin hat es vielmehr selbst in der Hand, einen polizeirechtlich und straßenverkehrsrechtlich einwandfreien Zustand herzustellen, indem sie zügig die Baumaßnahmen an dem Bermenweg ausführt.

113

Leidet daher im Ergebnis die Anordnung vom 4. April 2017 in Bezug auf die Ziffern 1 bis 3 des Tenors an Ermessensfehlern, so sind die Verwaltungsakte derzeit offensichtlich rechtswidrig. Damit ist dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin der Vorrang gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin einzuräumen.

114

2.3. Nachdem die Anordnungen in den Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 4. April 2017 momentan offensichtlich rechtswidrig sind, ist auch die akzessorische Regelung in Ziffer 5 (Zwangsmittelandrohung) als offensichtlich rechtswidrig anzusehen.

115

B. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, mit der festgestellt werden soll, dass die Antragstellerin berechtigt ist, die Hafenstraße nach Maßgabe der ihrem Ankündigungsschreiben vom 15. März 2017 beigefügten Skizze zwischen der Zufahrt zum Terminal am Tor 1 bis zum Tor 2 für den öffentlichen Verkehr zu sperren, ist bereits unzulässig.

116

1. Zwar steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen, dass die Antragstellerin einen Feststellungsantrag gestellt hat.

117

In der Hauptsache wäre vorliegend eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – 8 B 11.1708 –, BayVBl 2013, 629). Aber auch in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich die vorläufige Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO begehrt werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris m.w.N.).

118

2. Nach Auffassung der Kammer fehlt der Antragstellerin jedoch die nach § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderliche Antragsbefugnis (zur Anwendbarkeit des § 42 Abs. 2 VwGO auf die Feststellungsklage s. z.B. BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 – 9 C 10/07 –, NVwZ 2008, 423).

119

Danach muss die Antragstellerin prinzipiell geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Prozessführungsbefugt ist nach allgemeinen Grundsätzen jeder, der sich auf eigene Rechte beruft, d. h. behauptet, Inhaber des von ihm im eigenen Namen geltend gemachten Rechts zu sein. Ferner ist antragsbefugt derjenige, der in zulässiger Weise im eigenen Namen fremde Rechte geltend macht, und zwar entweder kraft gesetzlicher Ermächtigung (sog. gesetzliche Prozessstandschaft) oder aufgrund einer Ermächtigung des Inhabers des Rechts (sog. gewillkürte Prozessstandschaft). Vorliegend kommt allein eine gewillkürte Prozessstandschaft in Betracht, da das Land Rheinland-Pfalz, das Eigentümer des Hafengrundstücks und damit verfügungsberechtigt ist, den Widerruf auszusprechen, im Mietvertrag vom 15. Dezember 2015 der Antragstellerin das Recht eingeräumt hat, die Straße zu sperren.

120

Ob im Verwaltungsprozess eine gewillkürte Prozessstandschaft zulässig ist, ist nicht abschließend geklärt. Die Frage wird von Rechtsprechung und Literatur überwiegend verneint (s. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 2 S 2505/14 –, juris; Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 42 Abs. 2 Rn. 37). Die Kammer hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Feststellungsklage eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft.

121

Es steht dem Land Rheinland-Pfalz, das inzwischen am 4. Juli 2017 gegenüber der Antragsgegnerin die Duldung der Nutzung der Hafenstraße innerhalb des Hafengeländes widerrufen und die Feststellung begehrt hat, dass sie berechtigt ist, die Hafenstraße in dem fraglichen Teilstück zu sperren, frei, selbst einen Antrag auf Erlass einer vorläufigen Feststellung zu stellen. Es erscheint allerdings angezeigt, mit einem solchen Antrag zuzuwarten, bis die Antragsgegnerin zu dem Feststellungsantrag des Landes Rheinland-Pfalz in Kenntnis des Beschlusses der Kammer vom heutigen Tage in angemessener Zeit Stellung genommen hat.

122

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

123

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. der Ziffer 35.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013. In Bezug auf den Bescheid vom 4. April 2017 geht die Kammer von einem Streitwert von 5.000 € aus, der nicht zu reduzieren war (s. Ziffer 1.5. Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013). In Bezug auf den Antrag zu 2) legt die Kammer ebenfalls den Auffangstreitwert von 5.000 € zugrunde.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 45 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;2. die erforderliche Be

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(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach de

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2015 - 15 CS 15.1740

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 24. Juni 2010 - 3 C 14/09

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Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt. Gründe 1 Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller strebt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule an. Er ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck es ist, eine Schule zu betreiben. Die Mitglieder des Vereins sind Angehörige der Glaubensgemeinschaft „Z. St.“, die es aus religiösen Gründen ablehnen, ihre Kinder in Schulen außerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft unterrichten zu lassen.

Der Antragsteller zeigte am 24. April 2006 die Errichtung einer Ergänzungsschule an. Mit Bescheid vom 7. September 2006 stellte das damalige Staatsministerium für Unterricht und Kultus, jetzt Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, fest, dass die Schule zur Erfüllung der Vollzeit- und Berufsschulpflicht geeignet ist. Die Wirksamkeit der Feststellung war auf das Schuljahr 2006/2007 begrenzt und wurde letztmals für die Schuljahre 2011/2012 und 2012/2013 verlängert. Nach erfolgloser Aufforderung durch das Ministerium zur Abhilfe des Mangels an einem geeigneten Schulleiter und geeigneten Lehrkräften untersagte die Regierung von Schwaben mit Bescheid vom 22. November 2013 dem Antragsteller den Betrieb der Schule. Die Untersagung wurde darauf gestützt, dass weder ein Schulleiter oder eine Schulleiterin noch Lehrkräfte vorhanden seien, deren Qualifikation für den Betrieb einer Schule, an der die Vollzeit- und Berufsschulpflicht erfüllt werden könne, ausreiche.

Ferner müsse davon ausgegangen werden, dass Kinder im Rahmen des Schulbetriebs körperlich gezüchtigt worden seien. Der Antragsteller sei außerdem seiner Verpflichtung, das Jugendamt von stattgefundenen Übergriffen zu unterrichten, nicht nachgekommen. Die Schule habe auch nicht darauf hingewirkt, dass die Schüler den qualifizierenden Hauptschulabschluss als externe Bewerber an öffentlichen Schulen erwerben. Wichtigstes Ziel des Schulträgers sei die Durchsetzung der Glaubensüberzeugung der Gemeinschaft. Es werde nicht für notwendig erachtet, den Jugendlichen mit einem Schulabschluss eine Grundlage für ein Leben außerhalb der Gemeinschaft zu verschaffen. Schließlich seien auch trotz eines entsprechenden Hinweises keine an der Schule unterrichteten Kinder und Jugendliche an geeigneten Schulen angemeldet worden, nachdem die Feststellung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht nicht mehr verlängert worden war.

Über den dagegen erhobenen Widerspruch wurde noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regierung von Schwaben sei dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in noch ausreichendem Maße nachgekommen. Sie gehe besonders darauf ein, warum trotz der vorläufigen Inobhutnahme der Kinder - weshalb kein Unterricht stattfinden könne - ein besonderes Interesse an der sofortigen Wirksamkeit der Betriebsuntersagung bestehe. Angesichts der weltweiten Struktur der Glaubensgemeinschaft könnten jederzeit schulpflichtige Kinder oder Jugendliche zuziehen. Auch könnten Kinder zurückkehren, wenn Inobhutnahmen in Einzelfällen von den Familiengerichten nicht bestätigt würden.

Ein Anhörungsmangel nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG liege nicht vor und sei jedenfalls gemäß Art. 46 BayVwVfG geheilt.

Der Bescheid der Regierung von Schwaben sei auch materiell rechtmäßig. Die Untersagung des Schulbetriebs sei auf Art. 103 Satz 1 BayEUG zu stützen. Diese Vorschrift gehe davon aus, dass auch Ergänzungsschulen Lehrkräfte mit der erforderlichen fachlichen und pädagogischen Qualifikation und Eignung haben müssen.

Die Betriebsuntersagung diene außerdem dem Schutz der Schülerinnen und Schüler vor körperlicher Misshandlung. Eine solche Gefahr bestehe konkret, weil die Glaubensgemeinschaft das Gebot der Züchtigung mit der Rute aus der Bibel ableite und deshalb nicht davon Abstand nehmen wolle. Die Behauptung, an der Schule sei nicht körperlich gezüchtigt worden, erweise sich als bloße Schutzbehauptung.

Unabhängig davon überwiege das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Auch wenn ein Schulbetrieb derzeit mangels Schülern nicht möglich sei, könne nur durch die Untersagung des Schulbetriebs mit sofortiger Wirkung das Argument, die Glaubensgemeinschaft verfüge über eine Schule, an welcher die Kinder ihre Schulpflicht erfüllen könnten, ausgeräumt werden. Denn der Unterschied zwischen einer Ersatzschule, einer Ergänzungsschule, an der die Schulpflicht erfüllt werden könne und einer sonstigen anzuzeigenden Ergänzungsschule erschließe sich nur schwer.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, weiter.

Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sei nicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien insoweit keine Begründung, sondern eine böswillige Unterstellung. Die Maßnahmen, insbesondere die Untersagung des ohnehin ruhenden Betriebs, seien nicht erforderlich. Dem Anspruch auf staatliche Qualitätssicherung werde schon dadurch Rechnung getragen, dass die Feststellung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht nicht mehr verlängert worden sei. Für körperliche Züchtigungen im schulischen Bereich gebe es keinerlei Hinweise, Indizien oder Nachweise. Es sei auch nicht richtig, dass die Schule ihren sonstigen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.

Die Regierung von Schwaben habe den Antragsteller vor Erlass des Bescheids nicht ordnungsgemäß angehört. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt hätte, würde nur dann stimmen, wenn diese als politische Vorgabe von vornherein festgestanden hätte. Nicht nachvollziehbar sei, warum die Entscheidung über die ohnehin nicht in Betrieb befindliche Ergänzungsschule nicht zurückgestellt worden sei, bis tatsächlich die Möglichkeit eines Schulbetriebs zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht bestehe.

Die Untersagung sei auch materiell rechtswidrig. Die bayerische Schulpflicht verstoße gegen Menschenrechte, namentlich das Erziehungsrecht der Eltern, die Religionsfreiheit und die Privatschulgarantie. Hinsichtlich der Rechtsgrundlage des Art. 103 Satz 1 BayEUG verkenne das Verwaltungsgericht, dass die Schule im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids nicht mehr geeignet gewesen sei, die Schulpflicht zu erfüllen. Außerdem konnten Vorschriften zum Schutz der Schüler in diesem Zeitpunkt schon deswegen nicht verletzt worden sein, weil es keine Schüler gegeben habe. Inzwischen stünden ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung. Zu keinem Zeitpunkt habe es an der Schule körperliche Misshandlungen gegeben. Das Verwaltungsgericht setze insoweit „Misshandlung“ und „Körperstrafen“ zu Unrecht gleich. Dem Antragsteller gehe es auch nicht darum, den Anschein einer richtigen Schule zu wahren, sondern zu gegebener Zeit den Betrieb der Ergänzungsschule unter Erfüllung aller staatlichen Vorgaben wieder aufnehmen zu können. Im Übrigen hat der Antragstellerbevollmächtigte eine Erklärung abgegeben, dass die Schule gewaltfrei geführt werde.

Die Befristung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht hätte gemäß Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG nicht angeordnet werden dürfen. Die Schule sei deshalb weiterhin zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet. Jedenfalls werde zum Zweck der Anfechtung der Befristung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Januar 2014 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Regierung von Schwaben vom 22. November 2013 wieder herzustellen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr dieses Beschwerdeverfahrens sowie die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht abzuändern oder aufzuheben (§ 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Regierung von Schwaben dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in hinreichendem Maß nachgekommen ist. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde, die die sofortige Vollziehung eines von ihr erlassenen Verwaltungsakts anordnet, das besondere Interesse an dessen sofortiger Vollziehung schriftlich zu begründen. Ein Verstoß gegen diese Begründungspflicht macht die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 45). An den Inhalt dieser Begründung sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Die Behörde muss die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angeben, die sie bewogen haben, den Suspensiveffekt eines Rechtsbehelfs gegen den Verwaltungsakt - hier der Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule - auszuschließen (Schmidt a. a. O. Rn. 43). Die Frage, ob die Gründe - sofern sie nicht offensichtlich unrichtig sind - wirklich vorliegen und so schwer wiegen, dass sie die Aufhebung des Suspensiveffekts rechtfertigen, tritt bei der Prüfung, ob der Begründungspflicht formell genüge getan worden ist, in den Hintergrund. Sie spielt vielmehr bei der auf einer Interessenabwägung beruhenden Entscheidung eine Rolle, ob die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs auf Antrag des Adressaten des Verwaltungsakts wieder herzustellen ist.

Gemessen daran genügt die Begründung der Regierung von Schwaben den formalen Anforderungen. Die Erwägung, dass es angesichts der weltweiten Verbreitung der Gemeinschaft und auch abhängig von Entscheidungen der Familiengerichte durchaus wieder möglich sein könnte, dass nach einem Zuzug von Kindern und Jugendlichen oder der familiengerichtlichen Aufhebung der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen im Einzelfall wieder Kinder unterrichtet werden könnten, ist auf die hier gegebene konkrete Situation bezogen. Darauf, ob die Untersagung im Hinblick auf den ohnehin ruhenden Unterrichtsbetrieb, das Unterbleiben der Verlängerung der Feststellung, dass die Ergänzungsschule zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet ist, und die Tatsache, dass gegenwärtig keine Kinder zu unterrichten sind, erforderlich ist, kommt es in diesem Zusammenhang ebenso wenig an, wie darauf, ob sich die Vorwürfe, dass Schülerinnen und Schüler körperlich gezüchtigt worden sein sollen, bestätigen lassen oder der Antragsteller als Träger der Schule seinen sonstigen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Die aufschiebende Wirkung ist nicht allein deswegen anzuordnen, weil die Regierung von Schwaben vor Erlass der Untersagungsverfügung den Antragsteller nicht (hinreichend) angehört hat. Die Verwaltungsgerichtsordnung enthält keine dahingehende Regelung. Es gibt auch keinen Grundsatz, wonach die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für sich genommen stets seiner Vollziehung entgegenstehen würde, ohne dass es auf seine Rechtmäßigkeit in der Sache ankäme. Eine Aussetzung der Vollziehung ist nicht zwingend geboten, wenn der Verwaltungsakt möglicherweise Bestand haben wird, weil der formelle Fehler geheilt werden kann (OVG Hamburg, B. v. 18.12.2006 - 3 Bs 218/05 - NVwZ-RR 2007, 364). Die Nachholung der Anhörung und eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Antragstellers ist im noch anhängigen Widerspruchsverfahren möglich.

Die Ausführungen der Antragstellerseite in der Beschwerde zur Sache führen ebenfalls nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 83) eine eigene - originäre - Entscheidung (statt aller: Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 146) darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind: die, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die, die für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 72 ff.). Sie sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, wird wohl nur die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 77).

Die summarische Prüfung ergibt, dass die Aussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers in der Hauptsache offen sind. Die danach erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagung des Schulbetriebs und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs geht zugunsten des Interesses am Sofortvollzug aus.

Die nicht substantiierten Bedenken des Antragstellers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Schulpflicht in Bayern teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG und das in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte elterliche Erziehungsrecht werden durch das Bestimmungsrecht des Staates im Schulwesen, dem ebenfalls Verfassungsrang zukommt (Art. 7 Abs. 1 GG) eingeschränkt (BayVGH, B. v. 22.4.2014 - 7 CS 13.2592, 7 C 7 C 13.2593 - juris Rn. 18 ff.).

Die Beschwerde hält die Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule, deren Errichtung vor der Aufnahme des Unterrichts gemäß Art. 102 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), lediglich anzuzeigen ist, für rechtswidrig und den dagegen erhobenen Widerspruch für erfolgversprechend. Die Erfolgsaussichten dieses Rechtsbehelfs sind jedoch schon insoweit offen, als Zweifel daran bestehen, ob es sich bei der vom Antragsteller betriebenen Schule tatsächlich um eine nur anzeigepflichtige Ergänzungsschule handelt oder nicht vielmehr um eine Ersatzschule im Sinn von Art. 91 BayEUG, die nur mit staatlicher Genehmigung errichtet und betrieben werden darf (Art. 92 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). In diesem Fall wäre die Untersagung des Betriebs im Ergebnis rechtmäßig, weil das Betreiben einer Ersatzschule ohne staatliche Genehmigung verboten ist.

Die Prüfung, ob es sich um eine Ersatzschule oder eine Ergänzungsschule handelt, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Ersatzschulen sind Privatschulen, die in ihren Bildungs- und Erziehungszielen im Wesentlichen den Bildungsgängen und Abschlüssen der öffentlichen Schulen entsprechen. Ergänzungsschulen finden demgegenüber keine Entsprechung im öffentlichen Schulwesen (Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 1128). Die Beteiligten haben bisher nicht vorgetragen, inwieweit sich die Schule des Antragstellers inhaltlich von öffentlichen Schulen unterscheidet. Das damalige Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat im Bescheid vom 7. September 2006, mit dem die Eignung der Schule zur Erfüllung der Vollzeit- und Berufsschulpflicht festgestellt worden ist, ausgeführt, dass die Lehrpläne dem fachlichen Anforderungsniveau der Grundschule, der Hauptschule und dem schulischen Konzept für berufsschulpflichtige Jugendliche ohne Ausbildungsplatz (JoA) entsprechen. Als Ergänzung zu den öffentlichen Schulen sei sie deshalb anzusehen, weil eine Schulform, in der sowohl die Vollzeit- wie auch die Berufsschulpflicht erfüllt werden können, in Art. 6 Abs. 2 BayEUG nicht vorgesehen sei. Diese Vorschrift hat die Gliederung des öffentlichen Schulwesens zum Gegenstand. Die rein formale Gliederung sagt jedoch nichts über den jeweiligen Schultyp hinsichtlich der Lehr- und Bildungsinhalte sowie der Abschlüsse aus. Es ist deshalb zweifelhaft, ob allein die organisatorische Zusammenfassung von Schultypen, die hinsichtlich der Lehrinhalte und der Abschlüsse der Grundschule, der Mittelschule und der Berufsschule entsprechen, eine Schule entstehen lässt, die im öffentlichen Schulwesen keine Entsprechung findet. Auch das Interesse des Antragstellers geht offenkundig lediglich dahin, dass die der Glaubensgemeinschaft der „Z. St.“ angehörenden Kinder zur Erfüllung ihrer Schulpflicht nicht öffentliche Schulen besuchen müssen. Jedenfalls wurden bisher keine Bildungsziele und Lehrinhalte vorgetragen, die von denen der öffentlichen Pflichtschulen so gravierend abweichen, dass sie sich wesentlich von diesen unterscheiden.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine Ergänzungsschule handelt, bleiben die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen. In diesem Fall ist zugrunde zu legen, dass eine wirksame Feststellung, wonach an der Schule die Schulpflicht erfüllt werden kann, nicht vorliegt. Die Befristung der Feststellung im Bescheid des damaligen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2006 bewirkt, dass seit Ablauf ihrer letzten Verlängerung die Schulpflicht an der Schule des Antragstellers nicht mehr erfüllt werden kann. Ob der Bescheid vom 7. September 2006 gemäß Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG mit einer solchen Befristung versehen werden durfte, kann dahinstehen. Sie bewirkt unabhängig davon, ob sie angeordnet werden durfte, dass der feststellende Verwaltungsakt, nämlich die Feststellung, dass an der Schule die Schulpflicht erfüllt werden kann, mit dem Ablauf der Befristung unwirksam geworden ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 36 Rn. 5). Soweit der Betroffene sich gegen die Befristung wehrt, begehrt er nicht die Befreiung von einer Belastung, sondern die Gewährung einer Begünstigung über die zeitlich limitierte Feststellung der Geeignetheit zur Erfüllung der Schulpflicht hinaus. Die Rechtswidrigkeit der Befristung würde also nicht dazu führen, dass sie aufhebbar oder gar nichtig wäre, sondern dazu, dass eine unbefristete Feststellung erst ausgesprochen werden müsste (Kopp/Ramsauer, a. a. O. Rn. 63).

Abgesehen davon wäre die Befristung unanfechtbar geworden. Die vom Antragsteller beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Zweck der Anfechtung der Befristung müsste an der Ausschlussfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO scheitern.

Das Verwaltungsgericht stützt die Untersagung des Betriebs der Ergänzungsschule insbesondere darauf, dass Lehrkräfte im Sinn von Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG fehlen würden und der Mangel trotz Beanstandung nicht beseitigt worden sei. Gesetzliche Anforderungen an Schulleitung und Lehrer von Ergänzungsschulen enthält das Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen nicht. Die Anforderungen des Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG können allenfalls an Ergänzungsschulen gestellt werden, hinsichtlich derer die Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht festgestellt ist. Das ist hier jedoch gerade nicht (mehr) der Fall. Die Untersagung setzt mithin Verstöße gegen andere Gesetze voraus, z. B. gegen strafrechtliche Bestimmungen, gesundheitliche Vorschriften, sicherheitsrechtliche Regelungen und solche betreffend Einrichtungen, insbesondere bauordnungsrechtliche Vorschriften, Unfallverhütungs- oder Brandschutzvorschriften (Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Art. 103 BayEUG Rn. 2).

Die Regierung von Schwaben und das Verwaltungsgericht stützen die Untersagung u. a. auf die konkrete Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler körperlich gezüchtigt würden. Anhaltspunkte hierfür ergäben sich aus dem Fund eines dazu geeigneten Stocks ebenso wie aus der Einlassung von Mitgliedern der Gemeinschaft, dass sich die Pflicht zur Züchtigung von Kindern im Rahmen der Erziehung aus der Bibel ableite. Ferner haben Personen, die die Glaubensgemeinschaft verlassen haben, in den Medien ausgesagt, dass sie in der Schule gezüchtigt worden seien, bzw. als Lehrer selbst Schülerinnen und Schüler dort gezüchtigt hätten. Die Ermittlung, ob die genannte konkrete Gefahr der Züchtigung in der Schule und damit eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften besteht, muss ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Auch insoweit erscheinen die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache offen.

Die angesichts der offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers erforderliche Interessenabwägung geht zugunsten des öffentlichen Interesses aus, das das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs überwiegt. Je gewichtiger die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme Unabänderliches bewirkt, desto stärker ist der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen und umso weniger müssen seine Interessen zurückstehen. Umgekehrt ist den öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug umso eher der Vorrang einzuräumen, je weniger belastend die Maßnahme für den Betroffenen wirkt und je weniger vollendete Tatsachen dadurch geschaffen werden (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 77).

Gemessen daran haben die Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs zurückzustehen. Der für den Antragsteller im Vordergrund stehende Zweck der Schule, nämlich die Erfüllung der Schulpflicht durch die der Glaubensgemeinschaft angehörenden Kinder außerhalb von öffentlichen Schulen, ist gegenwärtig nicht erreichbar, weil die Eignung der Schule hierfür nicht festgestellt ist. Im Übrigen können derzeit keine Schüler unterrichtet werden, weil die schulpflichtigen, der Glaubensgemeinschaft der „Z. St.“ angehörenden Kinder behördlich in Obhut genommen worden sind und auch nicht absehbar ist, dass sie in naher Zukunft zu ihren Familien zurückkehren werden. Pressemeldungen ist zu entnehmen, dass mehreren der Glaubensgemeinschaft angehörenden Elternpaaren das Sorgerecht für ihre Kinder familiengerichtlich entzogen worden ist (Süddeutsche Zeitung vom 23.10.2014). Die Untersagung des Schulbetriebs hat für den Antragsteller gegenwärtig deshalb kaum Auswirkungen.

Demgegenüber überwiegt - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagung. Denn im Falle eines Zuzugs von der Glaubensgemeinschaft angehörenden Kindern oder der Rückkehr von in Obhut genommenen Kindern könnte versucht werden, die Erfüllung der Schulpflicht zu umgehen. Angesichts der Schwierigkeit, den Unterschied zwischen einer Ersatzschule und einer Ergänzungsschule oder gar den zwischen einer Ergänzungsschule, deren Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht festgestellt ist, und einer solchen, bei der das nicht der Fall ist, in der Öffentlichkeit deutlich darzustellen, erscheint es geboten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache für klare Verhältnisse zu sorgen. Nicht zu vernachlässigen ist im Übrigen auch, dass für den Fall, dass es sich bei der Schule des Antragstellers nicht um eine Ergänzungsschule, sondern um eine Ersatzschule handelt, die Schülerinnen und Schüler entgegen einem gesetzlichen Verbot unterrichtet und einer pflichtgemäßen Beschulung entzogen würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tatbestand

1

Das klagende Eisenbahnverkehrsunternehmen wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung für einen Buslinienfernverkehr.

2

Die Beigeladene, die neben der Durchführung von Städte- und Urlaubsreisen ein europaweites Liniennetz mit Omnibussen betreibt, beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 19. Juli 2005 die Genehmigung der Einrichtung und des Betriebs eines Linienbusverkehrs von Frankfurt a.M. (Hauptbahnhof) nach Dortmund (Hauptbahnhof) mit Zwischenhalten in Bonn, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Bochum. Ab Frankfurt a.M. sollten täglich vier und in der Gegenrichtung ab Dortmund täglich fünf Fahrten stattfinden. Als Fahrpreis waren 25 € für die einfache Fahrt und 50 € für die Hin- und Rückfahrt vorgesehen; bei Buchung mindestens zwei Wochen vor Abfahrt ermäßigt sich der Fahrpreis auf 15 und 30 €. Bei Reisen, die an einem der Zwischenhalte enden, ermäßigen sich die Fahrpreise entsprechend.

3

Die Klägerin erhob im Anhörverfahren nach § 14 des Personenbeförderungsgesetzes - PBefG - Einwendungen gegen die Erteilung der Genehmigung. Sie führe zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen; denn die Strecke werde mit dem von ihr angebotenen schnelleren, bequemeren und umweltfreundlicheren Schienenverkehr bereits ausreichend bedient.

4

Mit Bescheid vom 14. November 2005 erteilte das Regierungspräsidium Darmstadt der Beigeladenen die beantragte Genehmigung befristet bis zum 31. Oktober 2013 und wies die Einwendungen der Klägerin zurück. Versagungsgründe nach § 13 Abs. 2 PBefG lägen nicht vor. Der Verkehr könne mit den vorhandenen Verkehrsmitteln nicht befriedigend bedient werden. Zwar biete die Klägerin auf der Relation Frankfurt a.M. - Dortmund ein dichtes, vertaktetes und vernetztes Fahrtenangebot mit einer deutlich geringeren Fahrtzeit als beim beantragten Busverkehr; zudem biete eine Busreise nicht dieselbe Bequemlichkeit und Bewegungsfreiheit wie eine Fahrt mit der Bahn. Doch betrage der Pkw-Anteil bei Fernreisen 74 %, der Anteil des Bahnverkehrs nur 11 %. Das zeige, dass das Bahnangebot den Wünschen der Öffentlichkeit nicht genüge. Insbesondere wegen des Mangels an umsteigefreien Verbindungen und der häufigen Unpünktlichkeit akzeptiere ein großer Teil des Publikums das Bahnangebot nicht. Wesentlich für die geringe Nutzung der Bahn bei Fernreisen sei außerdem das Fehlen von Angeboten im unteren Preissegment. Bei real gesunkenen Einkommen gewännen Angebote im Low-Cost-Bereich zunehmend an Bedeutung, wie auch die hohe Vermittlungsrate von Mitfahrzentralen zeige. Daher sei durch die äußerst günstigen Bustarife eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung auf der beantragten Relation zu erwarten.

5

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. März 2007 abgewiesen.

6

Die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 21. Oktober 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es: Die der Beigeladenen erteilte Linienverkehrsgenehmigung sei rechtmäßig. Bei dem Begriff der befriedigenden Verkehrsbedienung in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG handele es sich ebenso wie bei der in Buchst. b genannten wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Genehmigungsbehörde habe einen Beurteilungs- und Abwägungsspielraum, dessen Anwendung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden könne. Ein durchgreifender Abwägungsfehler sei nicht festzustellen. Soweit der Beklagte Verspätungen im Schienenverkehr zu Lasten der Klägerin in die Abwägung eingestellt habe, Stauprobleme auf den von der Beigeladenen genutzten Autobahnen aber unerwähnt geblieben seien, könne das nicht zur Aufhebung des Bescheides führen. Dieser Punkt sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erörtert worden; der Beklagte habe bestätigt, dass er auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes keine andere Entscheidung getroffen hätte. Darin sei in entsprechender Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO eine zulässige Ergänzung der Abwägung zu sehen. Die Genehmigung sei auch nicht wegen einer unzureichenden Berücksichtigung der Belange der Klägerin rechtswidrig. Der Beklagte habe zu ihren Gunsten die Vorzüge des Schienenverkehrs in die Abwägung eingestellt, schneller, bequemer und umweltfreundlicher als der Busverkehr zu sein, als letztlich ausschlaggebend habe er jedoch die günstigeren Fahrpreise der Beigeladenen angesehen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass dem Fahrpreis eine besondere Bedeutung beigemessen werden könne. Der Beklagte sei davon ausgegangen, dass bei dem beachtlichen Teil der Bevölkerung, der aus finanziellen Gründen den Schienenverkehr nicht nutzen könne, ein zunehmendes Bedürfnis für den von der Beigeladenen angebotenen Linienbusverkehr bestehe. Er habe ohne Abwägungsfehler annehmen können, dass die Beigeladene eine auf einen anderen Kundenkreis abzielende Verkehrsaufgabe wahrnehme, die die Klägerin nicht abdecke. Deshalb liege der Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG nicht vor. Ein Abwägungsfehler ergebe sich auch nicht daraus, dass der Beklagte bei seinem Tarifvergleich nur die Normalpreise und nicht auch die von der Klägerin angebotenen Sparpreise und Ermäßigungsmöglichkeiten für Bahncard-Kunden berücksichtigt habe. Das sei wegen der beim Erwerb einer Bahncard anfallenden Kosten und den bei einer Inanspruchnahme von Sparpreisen einzuhaltenden Nutzungsbedingungen gerechtfertigt. Aus dem festgestellten Verkehrsbedürfnis folge zugleich, dass der Verkehr der Beigeladenen eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG biete. Der Beklagte habe auch diesen Versagungsgrund geprüft. Entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG habe er der Klägerin vor der Erteilung der Genehmigung zwar nicht die Möglichkeit zu einer Ausgestaltung ihres bisherigen Verkehrsangebotes gegeben. Daraus könne die Klägerin indes keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung ableiten, denn der Verfahrensverstoß habe sie nicht in ihrem Ausgestaltungsrecht verletzt. Eine notwendige Ausgestaltung im Sinne dieser Vorschrift hätte erfordert, dass die Klägerin ähnlich günstige Fahrpreise wie die Beigeladene anbiete. Der Beklagte habe geltend gemacht, nach seinen Erfahrungen als auch für die Tarifgenehmigung zuständige Behörde sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Klägerin von dieser Ausgestaltungsmöglichkeit Gebrauch mache. Dem sei die Klägerin nicht substanziiert entgegengetreten; auch ihrem Einwendungsschreiben und ihrem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren sei eine solche Bereitschaft nicht zu entnehmen. Dagegen hätte die Einrichtung eines eigenen Linienbusverkehrs durch die Klägerin keine Aus-, sondern eine Umgestaltung des vorhandenen Verkehrs bedeutet. Schließlich sei die angefochtene Genehmigung nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte in einem späteren, eine andere Strecke betreffenden Bescheid die Genehmigung eines Parallelverkehrs mit Bussen trotz auch dort niedrigerer Bustarife abgelehnt habe.

7

Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Das Berufungsgericht habe nicht allein aus den günstigeren Fahrpreisen der Beigeladenen das ausschlaggebende Argument dafür herleiten dürfen, dass deren Angebot ein durch den Bahnverkehr nur unzureichend abgedecktes Verkehrsbedürfnis befriedige. Damit werde eine Billigkonkurrenz vom grundsätzlichen Verbot einer Parallelbedienung freigestellt; Folge sei eine Kannibalisierung des vorhandenen Verkehrs durch Dumpingangebote. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG schütze aber das vorhandene Verkehrsangebot und das dabei tätige Unternehmen grundsätzlich vor einer Doppelbedienung. Vom Parallelbedienungsverbot könne nur dispensiert werden, um eine im öffentlichen Interesse dringend erforderliche wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung herbeizuführen. Allein daraus, dass erhebliche Teile der Bevölkerung für Fernreisen das Kraftfahrzeug benutzten oder auf eine Reise ganz verzichteten, könne nicht geschlossen werden, dass ihnen die Bahn zu teuer sei und daher eine Bedürfnisreserve bestehe. Es gebe eine Vielzahl von Gründen für eine solche Haltung. Zudem könne mit dieser Argumentation zu besonders gefragten Tageszeiten oder auf besonders gefragten Strecken stets ein Billigverkehr parallel zum vorhandenen Verkehr eingerichtet werden. Eine solche "Rosinenpickerei" zerstöre bei einem Schienenverkehrsunternehmen, das auch weniger lukrative Zeiträume und Strecken abzudecken habe, die Grundlagen einer wirtschaftlichen Verkehrsbedienung. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1977 ergebe sich nicht, dass den Fahrpreisen für sich betrachtet eine ausschlaggebende Bedeutung zukomme könne, denn dort sei zusätzlich auf die Einbeziehung in ein einheitliches Tarifsystem abgestellt worden. Jedenfalls seien bei einem Preisvergleich auch die von ihr angebotenen Sparpreise und Ermäßigungen für Bahncard-Inhaber zu berücksichtigen. Sie verringerten den Abstand zu den Tarifen der Beigeladenen so weit, dass es nicht mehr gerechtfertigt sei, die Vorzüge einer Bahnreise hinsichtlich Komfort und Reisedauer hintanzustellen. Auch eine wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG könne nicht allein wegen des niedrigeren Fahrpreises angenommen werden. Außerdem setze das Berufungsgericht die Schwelle für einen Abwehranspruch des Schienenverkehrsunternehmens zu hoch an, wenn es ihn erst bei einem ruinösen Wettbewerb anerkenne. Das Schienenverkehrsunternehmen solle davor geschützt werden, durch Parallelverkehre nach und nach in die Unwirtschaftlichkeit getrieben zu werden. Schließlich habe das Berufungsgericht die Reichweite des ihr nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG zustehenden Ausgestaltungsrechts verkannt. Es sei nicht auf das Angebot billigerer Bahntarife beschränkt, vielmehr hätte sie auch gefragt werden müssen, ob sie bereit sei, selbst einen kostengünstigeren Busverkehr in dem von der Beigeladenen angebotenen Umfang durchzuführen.

8

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Änderung der vorinstanzlichen Urteile und zur Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Linienverkehrsgenehmigung. Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte diese Genehmigung nicht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a oder b PBefG versagen musste. Doch wurde der Klägerin nicht die gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG erforderliche Möglichkeit zu einer Ausgestaltung ihres Schienenverkehrs eingeräumt. Daraus kann sie entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung herleiten; weder ist es zu einer Heilung dieses Verfahrensfehlers gekommen, noch entfällt der Aufhebungsanspruch nach § 46 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG.

10

1. Auch wenn die Klägerin nicht selbst Adressatin des angefochtenen Genehmigungsbescheides ist, ist sie klagebefugt. Ein vorhandener Verkehrsunternehmer hat ein Klagerecht gegen die einem anderen Unternehmer erteilte Genehmigung, wenn er geltend macht, sein dem öffentlichen Verkehr bereits dienendes Unternehmen werde durch die neue Genehmigung beeinträchtigt; § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG dient auch dem Schutz des vorhandenen Verkehrsangebots und der darin tätigen Unternehmer (vgl. Urteile vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 90.66 - BVerwGE 30, 347 <348 f.> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 16 S. 27 f. und vom 6. April 2000 - BVerwG 3 C 6.99 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 4 m.w.N.).

11

2. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Linienverkehrsgenehmigung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung (Urteil vom 6. April 2000 a.a.O.), hier also des Genehmigungsbescheides vom 14. November 2005. Zu messen ist die angefochtene Linienverkehrsgenehmigung danach am Personenbeförderungsgesetz in der Fassung des Art. 2 Abs. 7 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1954).

12

Die Klägerin stützt ihre Einwendungen darauf, dass der Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene Versagungsgründe nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG entgegenstünden. Danach ist beim Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen die Genehmigung zu versagen, wenn durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden, insbesondere

a) der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann,

b) der beantragte Verkehr ohne eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung Verkehrsaufgaben übernehmen soll, die vorhandene Unternehmer oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen,

c) die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist und, soweit es sich um öffentlichen Personennahverkehr handelt, unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 selbst durchzuführen bereit sind.

13

Bei der Bewertung von Verkehrsbedürfnissen der unterschiedlichsten Art und ihrer befriedigenden Bedienung sowie einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b PBefG kommt der Genehmigungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, der auch die Frage einschließt, wie gewichtig einzelne öffentliche Verkehrsinteressen sowohl für sich gesehen als auch im Verhältnis zu anderen sind. Dazu hat die Genehmigungsbehörde die Verkehrsbedürfnisse zu ermitteln und zu bewerten, um dann entscheiden zu können, ob und in welchem Maße sie befriedigt werden können und sollen. Diese Entscheidung setzt nicht nur prognostische, sondern auch verkehrs- und raumordnerische Wertungen voraus (vgl. auch § 8 Abs. 4 PBefG). Die Entscheidung ist deshalb ähnlich wie andere planerische Verwaltungsentscheidungen der gerichtlichen Überprüfung nur begrenzt zugänglich (Urteile vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 39.87 - BVerwGE 82, 260 <265> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 29 S. 16 und vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 3 C 1.09 - VerkMitt 2010 Nr. 33 S. 34).

14

3. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG der Erteilung der streitigen Linienverkehrsgenehmigung nicht entgegenstand. Der Beklagte konnte ohne Überschreitung der rechtlichen Grenzen seines Beurteilungsspielraums zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen dieses Versagungsgrundes nicht erfüllt sind.

15

Eine befriedigende Bedienung des Verkehrs mit den vorhandenen Verkehrsmitteln im Sinne dieser Regelung findet dann nicht statt, wenn eine Lücke im Verkehrsangebot besteht (vgl. u.a. Urteile vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 111.66 - BVerwGE 30, 251 <253> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 13 S. 10 und vom 16. Dezember 1977 - BVerwG 7 C 59.74 - BVerwGE 55, 159 <161> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 24 S. 4 f.), wenn - mit anderen Worten - die Nachfrage das Angebot übersteigt. Umgekehrt gehört es im Allgemeinen zur Wahrung öffentlicher Verkehrsinteressen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG, dass nicht mehreren Unternehmen für denselben Verkehr parallel zueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird (sog. Parallelbedienungsverbot). Das gilt jedenfalls dann, wenn davon auszugehen ist, dass eine annähernd kostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen muss ("unstreitig erschöpftes Kontingent", vgl. Urteil vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 7 C 65.87 - BVerwGE 80, 270 <272> = Buchholz 442.03 § 10 GüKG Nr. 3 S. 13).

16

Mit Recht ist das Berufungsgericht der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt, die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung sei wegen eines Abwägungsausfalls rechtswidrig. Dem Genehmigungsbescheid ist zu entnehmen, dass der Beklagte auch die mit dem Schienenverkehr der Klägerin für den Nutzer verbundenen Vorteile gesehen und in seine Beurteilung einbezogen hat.

17

Die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Bewertung der betroffenen Belange durch den Beklagten und der dabei festgestellten Lücke in der Verkehrsbedienung sei es zu keiner offensichtlichen Fehlgewichtung gekommen, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung ebenfalls stand.

18

Ob der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG befriedigend bedient wird, hängt regelmäßig von einer Vielzahl von Faktoren ab. Hierzu zählen unter anderem die Streckenführung, die zeitliche Dichte der Verkehrsbedienung, die angefahrenen Haltestellen und die davon abhängende Vernetzung mit anderen Relationen sowie die Reisegeschwindigkeit und der mit dem entsprechenden Verkehrsmittel verbundene Reisekomfort. Ebenso sind die Höhe der Fahrpreise und die eventuelle Einbindung in ein einheitliches Tarifsystem von Bedeutung; das hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt (vgl. u.a. Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 164 bzw. S. 7; s. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 14. Oktober 1971 - VI A 53/70 - VRS 42, 457 <458>). Die Relevanz der Fahrpreise für eine befriedigende Verkehrsbedienung bestätigt zusätzlich die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl EG L Nr. 156 S. 1). Nach deren Art. 3 Abs. 2 Buchst. c ist eine ausreichende Verkehrsbedienung (auch) nach den Beförderungsentgelten und -bedingungen zu beurteilen, welche den Verkehrsnutzern angeboten werden können. Soweit das Bundesverwaltungsgericht im genannten Urteil außer auf niedrigere Fahrpreise auch auf die Einbeziehung in ein einheitliches Tarifsystem abgestellt hat, um daraus eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung herzuleiten, kann dem - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht entnommen werden, dass hierfür stets beide Faktoren zusammen vorliegen müssen.

19

Das Berufungsgericht sieht - in Übereinstimmung mit dem Beklagten - eine nicht befriedigende Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG und damit ein bislang nicht abgedecktes Verkehrsbedürfnis dadurch begründet, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, den von der Klägerin angebotenen Schienenverkehr zu nutzen. Der Linienbusverkehr der Beigeladenen ziele nicht darauf ab, der Klägerin Kunden zu entziehen, die die Vorteile des Schienenverkehrs nutzen wollen und finanziell auch können, sondern darauf, dem Teil der Bevölkerung ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, der sich eine Bahnfahrt nicht oder nicht mehr leisten könne. Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwände greifen nicht durch.

20

Diese Erwägungen erweisen sich nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil die von der Klägerin angebotenen Fahrpreisermäßigungen für Bahncard-Besitzer und durch die Nutzung der Sparpreise 25 und 50 unberücksichtigt geblieben sind. Zu Recht hat das Berufungsgericht insoweit ausdrücklich auf den mit dem Erwerb einer Bahncard erforderlichen zusätzlichen finanziellen Aufwand (51,50 € für die Bahncard 25 und 206 € für die Bahncard 50) und darüber hinaus auf die bei einer Nutzung der Sparpreise geltenden Einschränkungen der Flexibilität durch Vorausbuchungsfristen, Zugbindung und (teilweise) Wochenendbindung abgestellt. Zwar sind auch das Angebot der Beigeladenen durch die beschränkte Kapazität der eingesetzten Busse notwendigerweise beschränkt und die erworbene Fahrkarte an einen bestimmten Bus gebunden, so dass aus dem Tarifangebot der Klägerin jedenfalls der am ehesten erschwingliche Sparpreis 25 als Vergleichsgröße in Betracht gezogen werden könnte. Doch auch gegenüber diesem Angebot weist der von der Beigeladenen vorgesehene (Normal)Preis von 25 € für die einfache Fahrt von Frankfurt a.M. nach Dortmund noch einen deutlichen Preisvorteil auf.

21

Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass der Beklagte bei seiner Bewertung der öffentlichen Verkehrsinteressen die mit dem Schienenverkehr für den Reisenden verbundenen Vorteile hinsichtlich Reisedauer und Komfort gegenüber den deutlich günstigeren Fahrpreisen der Beigeladenen hintangestellt hat. Diese Gewichtung hält sich in den Grenzen des der Genehmigungsbehörde zustehenden Beurteilungsspielraums; sie wäre erst dann fehlerhaft, wenn die objektive Gewichtigkeit einzustellender Belange in nicht mehr vertretbarer Weise verfehlt würde (vgl. Urteile vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309 <326> = Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 9 S. 59 und vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <126> = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 2 S. 15 f.). Das ist hier nicht der Fall. Zu den öffentlichen Verkehrsinteressen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG gehört, wie § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG belegt, auch das Interesse der Nutzer an einer wirtschaftlichen Verkehrsgestaltung. Von einer offensichtlichen Fehlgewichtung kann auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil für den Teil der Bevölkerung, auf den das Angebot der Beigeladenen jedenfalls auch abzielt, eine Nutzung des Bahnverkehrs zu teuer wäre. Der betroffene Personenkreis wäre aus diesem Grund daran gehindert, die mit einer Bahnreise verbundenen Vorteile zu nutzen, die aus der Sicht der Klägerin vorrangig zu berücksichtigen gewesen wären.

22

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Klägerin, eine "Rosinenpickerei", wie sie die Beigeladene betreibe, entziehe Schienenverkehrsunternehmern, die auch weniger lukrative Strecken und Zeiten zu bedienen hätten, die wirtschaftliche Grundlage. Es fehlt an jeglicher konkreten und substanziierten Angabe dazu, dass der von der Beigeladenen beabsichtigte Busfernverkehr tatsächlich die wirtschaftliche Grundlage für den von der Klägerin auf der in Rede stehenden Strecke angebotenen Schienenverkehr gefährden könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere, dass die Klägerin erwägt, auf der in Rede stehenden Strecke selbst einen Busfernverkehr einzurichten. Auch wenn der Verkehr der Klägerin auf der Strecke Frankfurt a.M. - Dortmund in gewissem Umfang beeinträchtigt werden sollte, müsste sie das hinnehmen. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG gewährt dem vorhandenen Unternehmer, wie insbesondere dessen Buchstabe b deutlich macht, nur in einem eingeschränkten Umfang Besitzstandsschutz. Er soll nicht vor Konkurrenz schlechthin geschützt werden. Denn nicht nur dem vorhandenen Unternehmer, sondern auch dem "neuen" Unternehmer, der sich um Zugang zum öffentlichen Personenverkehr bewirbt, steht das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG zur Seite. Die nach § 8 Abs. 3 PBefG anzustrebende wirtschaftliche Verkehrsgestaltung kann nach den Grundprinzipien einer Marktwirtschaft, denen sich auch die Klägerin nicht entziehen kann, am besten durch Wettbewerb erreicht werden. All dem widerspräche es, wenn es - wie die Klägerin geltend macht - für die Feststellung einer Lücke im Verkehrsangebot auf von einem Konkurrenten angebotene günstigere Fahrpreise nicht ausschlaggebend ankommen könnte. Schon gar nicht kann der Besitzstandsschutz für den vorhandenen Unternehmer so weit gehen, dass ein Verkehrsbedürfnis unbefriedigt bleibt (so auch bereits Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 168 bzw. S. 11).

23

Schließlich greift die Rüge der Klägerin nicht durch, die Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene sei deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte in einem späteren Bescheid günstigere Bustarife gerade nicht als ausreichend für die Annahme einer nicht befriedigenden Verkehrsbedienung angesehen habe, worin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung liege. Aus diesem späteren Bescheid kann die Klägerin - wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - für die hier angegriffene Genehmigung schon deshalb nichts herleiten, weil es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Erlasses dieser Genehmigung ankommt, die zweite Genehmigung zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht erteilt war. Zudem beruhte die spätere Versagung einer Linienverkehrsgenehmigung für das Busunternehmen maßgeblich auf der - wie gezeigt - nicht zwingenden Wertung des Beklagten, dass zu Gunsten der Klägerin auch Fahrpreisermäßigungen durch Bahncard und Sparpreise zu berücksichtigen seien.

24

4. Zu Recht ist das Berufungsgericht dem Einwand der Klägerin nicht gefolgt, die angegriffene Linienverkehrsgenehmigung sei deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte den in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG genannten zweiten Versagungsgrund nicht geprüft habe. Der Beklagte stellt im angegriffenen Bescheid nicht nur darauf ab, dass der vorhandene Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln nicht befriedigend bedient werden könne, was auf den Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG abzielt; vielmehr enthält der Genehmigungsbescheid ausdrücklich auch die Aussage, dass durch den günstigeren Tarif eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung zu erwarten sei. Dem konnte das Berufungsgericht entnehmen, dass der Beklagte die Voraussetzungen von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG geprüft und deren Vorliegen verneint hat.

25

Das ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine Genehmigungsversagung auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Beigeladene keine Verkehrsaufgabe übernehmen will, die die Klägerin bereits wahrnimmt. Eine Wahrnehmung derselben Verkehrsaufgabe im Sinne dieser Regelung liegt nicht schon dann vor, wenn dieselbe Strecke bedient wird, sondern setzt darüber hinaus voraus, dass derselbe Nutzerkreis angesprochen wird. Nach der vom Berufungsgericht gebilligten Annahme des Beklagten richtet sich das Verkehrsangebot der Beigeladenen aber in erster Linie an einen anderen Kreis von Kunden als das der Klägerin. Selbst wenn man von einer teilweisen Überschneidung ausginge, hätte der Beklagte zu Recht eine "wesentliche" Verbesserung der Verkehrsbedienung angenommen, was diesen Versagungsgrund ebenfalls entfallen lässt. Denn nach den Annahmen des Beklagten sieht sich ein beachtlicher Teil der Bevölkerung aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, den von der Klägerin angebotenen Schienenverkehr zu nutzen. Zwar hat der Beklagte - ebenso wie das Berufungsgericht - hierzu keine näheren Feststellungen getroffen, sondern sich mit allgemeinen Hinweisen auf die Einkommensverhältnisse bestimmter Bevölkerungskreise begnügt. Es ist indes offensichtlich und nicht weiter darlegungsbedürftig, das angesichts der regulären Preise der Klägerin gerade bei Personen aus einkommensschwachen Haushalten ein Bedürfnis an preiswerteren Angeboten für Fernreisen besteht, weil sich dieser Personenkreis eine Bahnreise nicht ohne Weiteres leisten kann oder will und bereit ist, unter gewissen Einbußen an Komfort und Schnelligkeit das alternative Angebot einer Busreise in Anspruch zu nehmen. Die von der Klägerin zusätzlich gestellte Anforderung, dass die wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung im öffentlichen Interesse dringend erforderlich sein müsse, findet in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG keine Stütze.

26

5. Die der Beigeladenen erteilte Linienverkehrsgenehmigung ist aber deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte die Klägerin nicht gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG zu einer Ausgestaltung ihres Schienenverkehrs aufgefordert hat.

27

a) Liegen die Versagungsgründe des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b PBefG nicht vor, haben die vorhandenen Unternehmen und Eisenbahnen nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG das (Vor-)Recht, durch eine Ausgestaltung ihres Verkehrs selbst für eine entsprechende Verbesserung der Verkehrsbedienung zu sorgen; dadurch können sie die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung an den neuen Unternehmer verhindern. Nach dieser Bestimmung ist die Genehmigung zu versagen, wenn die für die Bedienung des Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist selbst durchzuführen bereit sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Verkehrsbedienung auf einer Strecke möglichst in der Hand eines Unternehmers liegen, weil Doppelbedienungen immer die Gefahr von Unzuträglichkeiten zum Schaden des Verkehrsnutzers bieten (Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - BVerwGE 30, 352 <356> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 17 S. 34). Der neue Unternehmer kann erst dann zum Zuge kommen, wenn in der vorgeschriebenen Form geklärt ist, dass der vorhandene Unternehmer von seinem Ausgestaltungsrecht keinen Gebrauch macht (vgl. Urteile vom 17. April 1964 - BVerwG 7 C 79.61 - Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 9 und vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 111.66 - a.a.O. S. 253 bzw. S. 10). Geht der vorhandene Unternehmer darauf nicht ein oder sind die Anforderungen an die "notwendige" Ausgestaltung nicht erfüllt, ist dem Antrag des neuen Unternehmers stattzugeben. Ein Ausgestaltungsrecht kann dann, etwa nach Erhebung einer Konkurrentenklage, nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. Urteil vom 28. Juli 1989 a.a.O. S. 262 f. bzw. S. 13 f.).

28

b) Der Beklagte hat vor der Erteilung der streitigen Genehmigung an die Beigeladene die Klägerin nicht zur Ausgestaltung aufgefordert.

29

Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass die Genehmigungsbehörde dem vorhandenen Verkehrsunternehmer gegenüber zum einen präzisiert, in welcher Weise der vorhandene Verkehr zu verändern, also etwa zu ergänzen ist, damit die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs erreicht wird. Zudem verlangt § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG, dass die Genehmigungsbehörde bei der Aufforderung zur Ausgestaltung eine angemessene Frist setzt, innerhalb derer diese Ausgestaltung vorzunehmen ist.

30

aa) Fehl geht allerdings der Einwand der Klägerin, dass ihr auch die Möglichkeit einzuräumen gewesen wäre, selbst einen Fernverkehr mit Bussen einzurichten. Auch wenn sie die Bereitschaft hierzu erklärt hätte, hätte das die Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene nicht hindern können, weil darin keine Ausgestaltung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG mehr gesehen werden kann.

31

§ 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG begründet nur ein Recht zur Ausgestaltung, nicht aber zur Umgestaltung des bestehenden Verkehrsangebotes. Eine Ausgestaltung im Sinne dieser Regelung darf nicht zu einer Umwandlung des bestehenden Verkehrs führen, weil sie dann nicht mehr etwas Vorhandenes verbessern oder vervollständigen, sondern etwas Neues schaffen würde. Die Ausgestaltung muss daher stets im Rahmen des vorhandenen Verkehrs bleiben (Urteil vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 64.67 - BVerwGE 30, 257 <262> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 12 S. 5); das Vorhandene muss im Wesentlichen erhalten bleiben (Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - BVerwGE 30, 352 <355> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 17 S. 34). So können im Rahmen der Ausgestaltung etwa räumliche Änderungen der Linienführung in begrenztem Umfang vorgenommen, die Anschlüsse zwischen einzelnen Strecken verbessert, größere Fahrzeuge eingesetzt oder das Angebot in zeitlicher Hinsicht verändert werden (vgl. Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - a.a.O. S. 356 f. bzw. S 34 f.). Dagegen liegt beispielsweise eine Umgestaltung vor, wenn die Änderung dazu führt, dass der Verkehr partiell den Charakter eines Fern- oder Mittelstreckenverkehrs verliert und stattdessen den eines Ortsnahverkehrs gewinnt (Urteil vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 64.67 - a.a.O.), eine dem allgemeinen Verkehr dienende Linie, wenn auch nur teilweise, in einen reinen Berufsverkehr umgewandelt wird oder es zu einer wesentlichen Änderung der Linienführung kommt (vgl. Urteil vom 6. Dezember 1968 - BVerwG 7 C 73.67 - BVerwGE 31, 133 <136 f.> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 18 S. 41).

32

Unter Berücksichtigung dessen läge in der Aufnahme eines Busfernverkehrs durch die Klägerin keine bloße Aus-, sondern eine Umgestaltung ihres vorhandenen Schienenverkehrs. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Verkehrs zählt das eingesetzte Verkehrsmittel. Die Klägerin selbst hat wiederholt hervorgehoben, dass der Schienenverkehr erhebliche Unterschiede zu einem Fernbusverkehr hinsichtlich Geschwindigkeit, Komfort und Umweltverträglichkeit aufweist. Hinzu kommt, dass der von der Klägerin ins Auge gefasste Busfernverkehr separat und zusätzlich zu dem bisher vorhandenen und von ihr fortgeführten Schienenverkehr stattfinden soll. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, das Bundesverwaltungsgericht habe angenommen, ein Schienenunternehmen könne im Rahmen der Ausgestaltung auch einen Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen einrichten. Diese Aussage im Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - a.a.O. S. 356 bzw. S. 35) geht allein darauf zurück, dass dem vorhandenen Verkehrsunternehmer - wie gezeigt - im Rahmen einer Ausgestaltung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG auch begrenzte räumliche Änderungen der Linienführung möglich sein sollen, diese Möglichkeit beim Schienenverkehr aber fehlt oder jedenfalls erheblich erschwert ist. Damit Bahnunternehmen bei der Wahrnehmung ihres Ausgestaltungsrechts nicht benachteiligt sind, sollte ihnen auch die Einrichtung eines Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen offen stehen. Um einen solchen Ausgleich "natürlicher" Nachteile des Schienenverkehrs geht es im vorliegenden Fall aber nicht. Vielmehr würde der von der Klägerin beabsichtigte Busverkehr dieselbe Strecke bedienen wie bisher ihr Schienenverkehr, der fortgeführt werden soll.

33

Das bedeutet zwar nicht, dass die Klägerin generell daran gehindert wäre, auch selbst Busfernverkehre anzubieten. Es entfällt hierfür aber die mit dem Ausgestaltungsrecht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG verbundene Privilegierung als vorhandenes Eisenbahnunternehmen. Die Klägerin hat sich deshalb, will sie selbst Fernbuslinien betreiben, einem Wettbewerb mit möglichen Konkurrenten um die bessere Verkehrsbedienung zu stellen.

34

bb) Dagegen würde es sich bei einer Anpassung oder Annäherung der Bahnpreise an die von der Beigeladenen vorgesehenen Tarife um eine Ausgestaltung des vorhandenen Schienenverkehrs im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG handeln (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 168 bzw. S. 11). Eine solche Möglichkeit erscheint im Hinblick auf das bei der Klägerin im Fernverkehr praktizierte System der Relationspreise auch nicht von vornherein ausgeschlossen; sie könnte zudem durch Vergünstigungen erreicht werden, die nicht nur auf die konkrete Strecke bezogen sind.

35

Eine entsprechende Ausgestaltungsaufforderung war hier nicht entbehrlich. Im Hinblick auf die der Genehmigungsbehörde insoweit obliegenden Konkretisierungspflichten und die Funktion des Ausgestaltungsrechts innerhalb des Genehmigungsverfahrens wurde diesem Verfahrenserfordernis nicht bereits dadurch genügt, dass das nach § 14 PBefG gebotene Anhörverfahren stattgefunden hat. Ein Verzicht der Klägerin auf ihr Ausgestaltungsrecht (vgl. dazu OVG Münster, Urteil vom 5. Mai 1975 - XIII A 1090/73 - VRS 49, 478 <480>) kann ebenfalls nicht angenommen werden, da es an der hierfür erforderlichen Verzichtserklärung fehlt. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen einer Verwirkung vor.

36

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt die unterbliebene Ausgestaltungsaufforderung zur Aufhebung des Genehmigungsbescheides.

37

aa) Eine Heilung dieses Verfahrensmangels ist nicht eingetreten. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; nach Absatz 2 können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Bei der nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG gebotenen Anfrage der Genehmigungsbehörde bei einem vorhandenen Unternehmer, ob er zur notwendigen Ausgestaltung seines Verkehrs bereit ist, handelt es sich funktional um eine Anhörung im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG. Unterbleibt sie, tritt eine Heilung aber nur ein, soweit die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 45 Rn. 26; zurückhaltend auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 45 Rn. 74). Um die Bewertung solcher Äußerungen der Klägerin geht es jedoch im vorliegenden Fall. Unabhängig davon fehlt nach wie vor die in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG geforderte Fristsetzung.

38

bb) Auch eine Anwendung von § 46 HVwVfG ist nicht möglich. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

39

Bei den verletzten Verfahrensvorschriften muss es sich nicht um solche des Verwaltungsverfahrensgesetzes handeln, auch entsprechende Vorschriften in anderen Gesetzen werden erfasst (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 46 Rn. 14; Sachs, a.a.O. § 46 Rn. 19). Dafür, dass es sich bei der in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG vorgeschriebenen Aufforderung zur Ausgestaltung um ein die Anwendung von § 46 HVwVfG ausschließendes absolutes Verfahrenserfordernis handelt, das unabhängig von der Richtigkeit der von der Behörde getroffenen Entscheidung beachtet werden soll (vgl. zum Beteiligungsrecht von Naturschutzverbänden nach § 29 BNatSchG Urteil vom 12. November 1997 - BVerwG 11 A 49.96 - BVerwGE 105, 348 <353> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 16 S. 43 f. m.w.N.), gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

40

Auch wenn damit die Anwendung des § 46 HVwVfG nicht von vornherein ausgeschlossen ist, so sind doch die dort geregelten Voraussetzungen für eine Unschädlichkeit des Verfahrensfehlers hier nicht erfüllt; denn es ist keineswegs offensichtlich, dass er ohne Einfluss auf die von der Behörde getroffene Entscheidung war. Dies könnte nur angenommen werden, wenn jeglicher Zweifel daran ausgeschlossen wäre, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte.

41

Die Einschätzung dieser Kausalitätsfrage erfordert hier eine hypothetische Betrachtung in zweierlei Hinsicht. Zu beantworten ist nicht nur, wie die Genehmigungsbehörde reagiert hätte, wenn die Klägerin die Bereitschaft zu einer Absenkung ihrer Fahrpreise erklärt hätte. Vorab ist zu beantworten, ob die Klägerin im Falle einer Ausgestaltungsaufforderung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG überhaupt eine entsprechende Bereitschaft bekundet hätte. Dabei ist zu beachteten, dass eine notwendige Ausgestaltung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG nicht zwingend eine vollständige Übernahme des Preissystems der Beigeladenen voraussetzen würde, sondern nur ein zusätzliches, den Tarifen der Beigeladenen zumindest annähernd vergleichbares Preisangebot.

42

Dass die Klägerin ihre Bereitschaft zu einer solchen Anpassung erklärt hätte, kann nach ihrem Vorbringen im Revisionsverfahren nicht mit der erforderlichen Sicherheit verneint werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin erklärt, dass sie bei einer entsprechenden Anfrage der Genehmigungsbehörde zu einer Überprüfung bereit gewesen wäre. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie bei ihrer Entscheidung zwar die Auswirkungen auf das Gesamtsystem ihrer Fahrpreise zu berücksichtigen habe, was eine Fahrpreissenkung auf einzelnen Strecken erschwere. Es könne aber auch in Betracht gezogen werden, Fahrpreisermäßigungen für finanziell Schlechtergestellte einzuführen, etwa im Wege einer besonderen Bahncard. Eine solche Möglichkeit werde auch bereits geprüft. Danach kann nicht von einer offensichtlich fehlenden Kausalität des vom Beklagten begangenen Verfahrensfehlers ausgegangen werden.


Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 26. Mai 2016 gegen die Schließungsanordnung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2016 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte gaststättenrechtliche Schließungsanordnung.

2

Die Antragstellerin ist vietnamesische Staatsangehörige und verfügt über eine momentan bis zum 11. Februar 2019 befristete Aufenthaltserlaubnis, die ihr das Nachgehen einer selbständigen/unselbständigen Tätigkeit gestattet. In der Innenstadt von Bad Dürkheim betreibt sie ein asiatisches Schnellrestaurant. Dieses ist täglich von 11 – 22 Uhr geöffnet. Aktuell beschäftigt die Antragstellerin nach eigenen Angaben vier Personen in ihrem Betrieb. Sie ist im Besitz zweier Bescheinigungen der Industrie- und Handelskammer Pfalz vom 23. Juni 2015, wonach sie zum einen über die Grundzüge der für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann und zum anderen an einer Lebensmittelhygiene-Schulung teilgenommen hat.

3

Mit Bescheiden vom 21. Mai 2015 und vom 15. Januar 2016 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin jeweils eine vorläufige Erlaubnis zum Betreiben der Gaststätte vom 21. Mai 2015 bis 20. August 2015 und vom 15. Januar 2016 bis 30. April 2016. In dem Begleitschreiben zu dem Bescheid vom 15. Januar 2016 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin „vereinbarungsgemäß ihre deutschen Sprachkenntnisse weiter zu verbessern“.

4

In der Folgezeit legte die Antragstellerin eine Bescheinigung der Volkshochschule Bad Dürkheim vor, ausweislich derer die Antragstellerin für die Sprachkurse „Deutsch als Fremdsprache für Anfänger“ vom 16. Februar 2016 - 7. Juni 2016 und „Deutsch I" vom 18. Februar 2016 - 23. Juni 2016 angemeldet war.

5

Mit Bescheid vom 10. Mai 2016, der Antragstellerin gegenüber am 23. Mai 2016 bekanntgegeben, lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung der unbefristeten Gaststättenerlaubnis ab. Des Weiteren verfügte die Antragsgegnerin die Schließung der Gaststätte mit Ablauf des 31. Mai 2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, nach einem Sachbearbeiterwechsel im November 2015 habe sich bei einer Vorsprache der Antragstellerin herausgestellt, dass diese der deutschen Sprache nicht mächtig sei und ausschließlich durch Hinzuziehen von Freunden kommunizieren könne. Aus diesem Grund wäre bereits zu diesem Zeitpunkt die Erteilung der begehrten Gaststättenerlaubnis abzulehnen gewesen. Aus Kulanzgründen sei der Antragstellerin ermöglicht worden, die Gaststätte vorerst weiter zu betreiben unter der Bedingung, dass sie durch Sprachkurse und verstärkte Kommunikation in der deutschen Sprache mit Freunden und Bekannten, Deutschkenntnisse erwerben könne, um die notwendige Selbständigkeit zum Betreiben eines Gewerbes zu erhalten. Bei der neuerlichen Vorsprache am 22. April 2016 habe die Antragstellerin aber weder dem Gesprächsverlauf folgen noch selbst kommunizieren können. Ohne Deutschkenntnisse fehle es der Antragstellerin bereits an den „Grundbausteinen“ zum Betreiben eines Gewerbes. Hinzu komme, dass ihr Koch gekündigt habe. Die Antragstellerin sei aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nicht in der Lage, ein Gewerbe zu betreiben und besitze daher nicht die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit. Der Antrag sei daher abzulehnen und die Gaststätte spätestens mit Ablauf des 31. Mai 2016 zu schließen. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung führte die Antragsgegnerin aus, nach der Sachverhaltsuntersuchung sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Interessen der Allgemeinheit zum Schutze der Rechtsgüter höher zu bewerten seien als die Interessen der Antragstellerin an dem Betreiben einer Gaststätte. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege daher im besonderen öffentlichen Interesse. Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wäre eine ungerechtfertigte Überbewertung der Interessen der Antragstellerin zu Lasten der Allgemeinheit.

6

Hiergegen hat die Antragstellerin am 26. Mai 2016 Widerspruch eingelegt und zugleich am 27. Mai 2016 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt sie aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei bereits formell rechtswidrig. Darüber hinaus überwiege das Suspensivinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit. Die Antragsgegnerin nehme zu Unrecht an, dass sie, die Antragstellerin, die erforderliche gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin beinhalte eine selbständige Tätigkeit nicht, dass der/die Selbständige im Wesentlichen selbst - d.h. ohne Hilfe Dritter - die Tätigkeit ausführe. Unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften könne sich der/die Selbständige vielmehr - beliebig und ohne jegliche Einschränkungen - Dienste Dritter bedienen. Selbst wenn sie, die Antragstellerin, tatsächlich über unzureichende Deutschkenntnisse verfüge, was ausdrücklich bestritten werde, so dürfte es ihr eigenes Problem sein, das sie durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen habe. Bisher habe es keinerlei Beanstandungen gegeben, weder aus Behörden- noch aus Kundensicht. Es sei nicht plausibel, dass die Allgemeinheit vor ihren unzureichenden Deutschkenntnissen geschützt werde solle. Sie bediene sich hierbei der Hilfe ihrer Arbeitskräfte. Aktuell beschäftige sie einen neuen Koch sowie einen Hilfskoch. Sie selbst helfe mit in der Küche. Des Weiteren beschäftige sie einen Spezialitätenkoch für Sushi-Gerichte sowie zwei weitere Bedienungen, die in abwechselnden Schichten arbeiteten. Die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 26. Mai 2016 gegen die die Schließungsanordnung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2016 wird wiederherzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

11

Sie führt aus, selbständiger Gewerbetreibender sei nur derjenige, der auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung tätig werde. Er beschaffe das Betriebskapital, leite die Erzeugung, veräußere die Arbeitserzeugnisse, trage Gewinn und Verlust und ihm obliege die unternehmerische Initiative. Folglich müsse der Inhaber der Gaststättenerlaubnis überwiegend selbst in der Lage sein, sein Geschäft zu betreiben. Bei der Gaststätte der Antragstellerin verhalte es sich so, dass andere Personen für sie einkauften, kochten, die Buchhaltung übernähmen, die Bestellung aufnähmen und Ansprechpartner für mögliche Beschwerden oder Rückfragen der Gäste seien. Aufgrund der völlig unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse der Antragstellerin resultierten Verständigungsprobleme, da sie selbst nicht auf Deutsch kommunizieren könne. Somit sei sie nicht in der Lage, das Geschäft selbst zu betreiben. Ein mögliches Strohmann-Verhältnis oder ähnliches sei nicht auszuschließen. Aus den beiden vorläufigen Erlaubnissen könne die Antragstellerin keinen Besitzstand herleiten. Die Tatsache, dass nach einem Zeitraum von vier Monaten, in welchem die Antragstellerin Sprachkurse besucht habe, keinerlei Verbesserung der Verständigung ersichtlich gewesen sei, lasse keine andere Schlussfolgerung zu, als dass die Antragstellerin zumindest auf kurz- und mittelfristige Sicht nicht in der Lage sein werde, die Sprachkenntnisse so zu verbessern, dass sie als selbständige Inhaberin der Erlaubnis fungieren könne.

II.

12

Das Begehren der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Schließungsanordnung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2016 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig. Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

13

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schließungsanordnung vom 10. Mai 2016 ist in formeller Hinsicht zu beanstanden.

14

1.1. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt (vgl. z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2016 – 8 B 866/15 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2015 – OVG 11 S 39.14 –, juris). Dementsprechend muss die Begründung nachvollziehbar machen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt mit der Folge, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Pauschale und nichts sagende formelhafte Wendungen genügen nicht.

15

Allerdings kann sich das besondere öffentliche Vollziehungsinteresse im Einzelfall bereits aus denselben tatsächlichen Umständen ergeben, die auch den Erlass des Verwaltungsakts als solchen rechtfertigen. In diesem Fall darf die Begründung der Vollziehungsanordnung auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsakts Bezug nehmen, wenn daraus die besondere Dringlichkeit der Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bereits hinreichend deutlich hervorgeht und im Übrigen die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar wird (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 11 CS 14.2217 –; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 2 B 12027/90 –, NVwZ-RR 1991, 307).

16

1.2. Diesen Vorgaben werden die Ausführungen im angefochtenen Bescheid letztlich nicht gerecht.

17

Die Antragsgegnerin hat zur Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schließungsanordnung lediglich ausgeführt, nach der Sachverhaltsuntersuchung sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Interessen der Allgemeinheit zum Schutze der Rechtsgüter höher zu bewerten seien als die Interessen der Antragstellerin an dem Betreiben einer Gaststätte. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege daher im besonderen öffentlichen Interesse. Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wäre eine ungerechtfertigte Überbewertung der Interessen der Antragstellerin zu Lasten der Allgemeinheit. Diese Ausführungen sind lediglich allgemeiner Natur. Es fehlt eine auf den Einzelfall der Antragstellerin bezogene und substantiierte Darlegung der Gründe, warum gerade in ihrem Fall die sofortige Vollziehung der Schließungsanordnung ausnahmsweise angeordnet werden muss. Immerhin hat die Antragstellerin seit Mitte 2015 mit Unterbrechungen bis zum heutigen Tag die Gaststätte betrieben, ohne dass es wegen ihrer mangelnden deutschen Sprachkenntnisse aktenkundig zu Problemen gekommen ist. Darauf geht die Begründung des Sofortvollzugs mit keinem Wort ein.

18

1.3. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (s. zuletzt Beschluss vom 20. Mai 2016 – 4 L 378/16.NW – m.w.N.) der Verstoß gegen die Bestimmung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Nachholen der Begründung im Laufe des gerichtlichen Eilverfahrens geheilt werden. Die Antragsgegnerin hat den Verfahrensverstoß in ihrer Antragserwiderungsschrift vom 9. Juni 2016 jedoch nicht repariert.

19

1.4. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat grundsätzlich bereits dann Erfolg, wenn – wie hier – die Behörde der formellen Pflicht zur Begründung der Vollziehbarkeitsanordnung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Ob in diesem Fall lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben ist (so BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 – 1 DB 26.01 – juris; Bay. VGH, Beschluss vom 6. November 2014 – 10 CS 14.1796 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. September 2011 – 1 S 2554/11 –, NVwZ-RR 2012, 54) oder die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs uneingeschränkt wiederherzustellen ist (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. April 2013 – 1 M 19/13 –, juris; Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 80 Rn. 442) bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Kammer folgt der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 24. August 1994 – 7 B 12.083/94.OVG – juris; s. auch VG Trier, Beschluss vom 11. September 2014 – 6 L 1605/14.TR –, juris), wonach sich das Verwaltungsgericht nicht auf die Prüfung des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO beschränken darf, wenn – wie hier – das Begehren des Antragstellers auf die uneingeschränkte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für dieses weitergehende Begehren ist nämlich auch in dem Fall zu bejahen, in dem die Voraussetzungen für die Aufhebung der Vollziehungsanordnung vorliegen. Denn der von einem Verwaltungsakt Betroffene hat ein schutzwürdiges Interesse daran, möglichst rasch zu erfahren, ob dieser Verwaltungsakt für die gesamte Dauer des Hauptsacheverfahrens vollziehbar ist oder nicht. Im Übrigen sprechen Gründe der Prozessökonomie dafür, die Frage der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts möglichst umfassend zu klären. Die Kammer geht daher auch darauf ein, ob die aufschiebende Wirkung aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung wiederherzustellen ist.

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2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schließungsanordnung vom 10. Mai 2016 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch in materieller Hinsicht rechtswidrig.

21

2.1. Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176).

22

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das private Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Schließungsanordnung das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung dieser Anordnung. Denn diese erweist sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig.

23

2.2. Rechtsgrundlage für die Schließungsanordnung vom 10. Mai 2016 ist § 31 Gaststättengesetz – GastG –i. V. m. § 15 Abs. 2 Gewebeordnung – GewO –. Danach kann die Fortsetzung des Gaststättenbetriebs von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird.

24

2.3. Die angefochtene Schließungsanordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

25

2.3.1. Allerdings hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin vor Erlass der Anordnung gegen § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verstoßen. Danach ist einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Eine entsprechende Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Schließungsanordnung hat nicht stattgefunden.

26

Gründe für ein Absehen von der Anhörungspflicht nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG sind nicht ersichtlich.

27

2.3.2. Der Anhörungsverstoß ist jedoch inzwischen gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden. Denn die erforderliche Anhörung, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, ist im vorliegenden Eilverfahren nachgeholt worden. Zwar folgt die Kammer in Bezug auf diese Rechtsfrage nicht einer teilweise vertretenen Auffassung, nach der schon die Möglichkeit der Heilung genüge, da es keinen Grundsatz gebe, wonach die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für sich genommen stets seiner Vollziehung entgegenstehen würde, ohne dass es auf seine Rechtmäßigkeit in der Sache ankäme (so z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 2014 – 7 CS 14.275 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 16 B 718/13 –, juris). Auch teilt das Gericht nicht die weitere Ansicht, wonach Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich keine nachträgliche Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG seien (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14/09 –, NVwZ 2011, 115; Hess. VGH, Beschluss vom 23. September 2011 – 6 B 1701/11 –, NVwZ-RR 2012, 163). Vielmehr ist die Kammer der Meinung, dass eine schriftsätzliche Stellungnahme der Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren eine Nachholung der Anhörung dann bewirken kann, wenn sich die Behörde in ihrem Schriftsatz nicht nur auf die Verteidigung der einmal getroffenen Verwaltungsentscheidung beschränkt, sondern eindeutig und klar zu erkennen gibt, dass sie ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Verfügung aufrechterhalten bleibt (vgl. z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 15 CS 15.1740 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –, NWVBl 2014, 322; OVG Sachsen, Beschluss vom 2. Februar 2012 – F 7 B 278/11 –, juris).

28

Hiervon ausgehend hat die Antragsgegnerin den Anhörungsmangel in ihrer Antragserwiderungsschrift vom 9. Juni 2016 geheilt. Sie hat darin eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie das Vorbringen der Antragstellerin in deren Widerspruchsschreiben und der Antragsbegründung im Eilverfahrenzur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer Entscheidung verblieben ist, die Schließungsanordnung aufrechtzuerhalten.

29

2.4. Die Kammer hält die Schließungsanordnung jedoch in materieller Hinsicht für offensichtlich rechtswidrig.

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2.4.1. Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 GastG i. V. m. § 15 Abs. 2 GewO vor. Die Antragstellerin betreibt ihre Gaststätte ohne die dafür erforderliche Erlaubnis. Die zuletzt mit Bescheid vom 15. Januar 2016 auf Grund von § 11 GastG vorläufig erteilte Erlaubnis zum Betreiben der Gaststätte „A“ in Bad Dürkheim ist mit dem Ablauf des 30. April 2016 gegenstandslos geworden. Seitdem führt die Antragstellerin die Schank- und Speisewirtschaft ohne die dafür erforderliche gaststättenrechtliche Erlaubnis, also formell illegal. Da die Antragsgegnerin im Bescheid vom 10. Mai 2016 auch den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Gaststättenerlaubnis abgelehnt hat, verfügt die Antragstellerin gegenwärtig somit nicht über die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG erforderliche Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft.

31

2.4.2. Die Anordnung der Betriebsschließung ist aber ermessensfehlerhaft ergangen.

32

2.4.2.1. § 15 Abs. 2 GewO gibt der zuständigen Behörde nicht zwingend vor, dass die Fortsetzung eines ohne die erforderliche Erlaubnis betriebenen Gewerbes zu unterbinden ist, sondern belässt nach der Formulierung der Vorschrift einen Entscheidungsspielraum. Der Behörde ist ein doppeltes Ermessen eröffnet, nämlich hinsichtlich des „Ob“ des Tätigwerdens, das sog. Entschließungsermessen, und hinsichtlich des „Wie“ des Tätigwerdens, das sog. Auswahlermessen (vgl. Leisner in: BeckOK GewO, Stand Oktober 2015, § 15 Rn. 34). Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat die Behörde auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Verwaltung zu beachten. Sie hat zu berücksichtigen, dass eine Unterbindung des Betriebes häufig nicht nur den Betriebsinhaber, sondern ebenso schwer oder noch schwerer die im Betrieb beschäftigten Personen trifft. Ferner hat die Behörde beim Entschließungsermessen grundsätzlich danach zu differenzieren, ob das Gewerbe ohne formale Erlaubnis betrieben wird, der Gewerbetreibende aber in seiner Person und seinen Einrichtungen alle Voraussetzungen erfüllt, die für die Erteilung der erforderlichen Erlaubnis erforderlich sind oder ob der Gewerbetreibende diese Voraussetzungen in materieller Hinsicht nicht erfüllt (vgl. Marcks in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand Januar 2016, § 15 Rn. 14).

33

Für den Fall, dass der Gewerbetreibende sein Gewerbe lediglich formell rechtswidrig ausübt, jedoch grundsätzlich alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung in seiner Person vorliegen, ist es nach einer Ansicht ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde sofort eine Schließungsanordnung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO ausspricht (so z.B. Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 15 Rn. 15; VG München, Urteil vom 28. Juni 2011 – M 16 K 11.1074 –, juris). Demgegenüber wird in Rechtsprechung und Literatur überwiegend die Auffassung, der die beschließende Kammer folgt, vertreten, dass im Fall bloßer formeller Illegalität die Untersagungsverfügung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO grundsätzlich ermessensfehlerfrei sei. Ausnahmen lägen aber dann vor, wenn die erforderliche Erlaubnis bereits beantragt sei oder alsbald beantragt werde und die ausreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis vorliegen bzw. einem Antrag mit Sicherheit stattgegeben werden müsste (vgl. z.B. VG München, Urteil vom 24. Juni 2014 – M 16 K 14.585 –, juris; VG Darmstadt, Beschluss vom 8. Oktober 2013 – 7 L 646/13.DA –, juris; Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 12. Auflage 1995, § 2 Rn. 16 m.w.N.) oder wenn im Fall einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung eine weitergehende materielle Prüfung wegen einer ansonsten drohenden Existenzgefährdung geboten sei (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei Leisner in: BeckOK GewO, a.a.O., § 15 Rn. 38).

34

Ist neben der formellen Illegalität zusätzlich auch noch die materielle Rechtswidrigkeit gegeben, d.h. der Gewerbetreibende erfüllt in seiner Person nicht die Voraussetzungen zur Erteilung einer Genehmigung, ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich von einem intendierten Entschließungsermessen der Behörde auszugehen. Liegen keine besonderen Umstände vor, die der Behörde (ausnahmsweise) eine andere Entscheidungsmöglichkeit eröffnen, ist die Schließung des Betriebs die vom Gesetz vorgezeichnete behördliche Entscheidung. Einer näheren Begründung für das Tätigwerden der Behörde bedarf es in diesen Fällen daher regelmäßig nicht (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10. Februar 2014 – 7 ME 105/13 –, juris; Hess. VGH, Beschluss vom 20. Februar 1996 – 14 TG 430/95 –, GewArch 1996, 291, 292; VG München, Urteil vom 10. Februar 2015 – M 16 K 14.4508 –, juris). Es genügt für die zu fordernde Begründung vielmehr gewöhnlich der Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften und die darin für den Regelfall vorgesehene Entscheidung sowie darauf, dass besondere Umstände, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 40, Rn. 45 m.w.N.).

35

2.4.2.2. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Schließung der Gaststätte der Antragstellerin zum 31. Mai 2016 anzuordnen, offensichtlich rechtswidrig. Ob dies bereits aus dem Umstand folgt, dass die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Formulierungen im Tenor und der Begründung des Bescheids vom 10. Mai 2016 („…die Gaststätte ist spätestens mit Ablauf des 31. Mai 2016 zu schließen“) möglicherweise irrtümlich von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist, kann offen bleiben. Selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin noch von einer – nicht näher begründeten – (intendierten) Ermessensentscheidung ausgehen würde, lag nach Ansicht der Kammer zumindest ein Ausnahmefall vor, der der Antragsgegnerin eine andere Entscheidungsmöglichkeit hätte eröffnen können. Deshalb konnte hier nicht von einer näheren Begründung der Ermessensentscheidung abgesehen werden.

36

a. Ausschließliches Kriterium für die angeordnete Schließung der Gaststätte – und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Versagung der Gaststättenerlaubnis – waren für die Antragsgegnerin die mangelnden Deutschkenntnisse der Antragstellerin. Nach Ansicht der Antragsgegnerin fehlt es der Antragstellerin infolge der Sprachprobleme an der selbständigen Ausübung eines Gewerbes. Ohne Erfüllung des Gewerbebegriffs besitze die Antragstellerin nicht die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Die Antragsgegnerin ist somit (auch) von einem materiell rechtswidrigen Gaststättenbetrieb der Antragstellerin ausgegangen. Fehlende oder unzureichende Deutschkenntnisse rechtfertigen nach Meinung der Kammer jedoch nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin.

37

b. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist die Gaststättenerlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten lässt, dass er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmissbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird. Ferner ist die Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, dass er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.

38

c. Als unzuverlässig im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist im Allgemeinen ein Gewerbetreibender dann anzusehen, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß, d.h. im Einklang mit dem geltenden Recht betreibt (s. z.B. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146/80 –, NVwZ 1982, 503). Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Dezember 2010 - 6 B 11259/10.OVG - m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen nur erhebliche Verstöße die Verneinung der Zuverlässigkeit (BVerwG, Beschluss vom 31. August 1970 – I B 60.70 –, GewArch 1972, 29). Das Gewährbieten erfordert eine Prognose aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen auf das wahrscheinliche zukünftige Verhalten des Gewerbetreibenden (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1997 – 1 B 34/97 –, GewArch 1997, 243).

39

d. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die mangelnde Zuverlässigkeit eines Gastwirts nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Gewerbetreibende nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt. Das Gaststättenrecht stellt ebenso wie das allgemeine Gewerberecht grundsätzlich keine Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse (vgl. Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 BewachV, Rn. 1). Gemäß § 1 Abs. 1 GewO ist der Betrieb eines Gewerbesjedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind.

40

a.a. Was zunächst Angehörige eines anderen EU-Staates („Unionsbürger“) anbetrifft, so können diese die im Primärrecht niedergelegten Grundfreiheiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV –), der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) in Anspruch nehmen. Generelle Beschränkungen in anderen EU-Ländern im Falle fehlender Sprachkenntnisse von Unionsbürgern gibt es nicht. Maßgebend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles. So hat der Europäische Gerichtshof im Jahre 2006 entschieden, dass es Art. 3 der Richtlinie 98/5/EG (inzwischen geändert mit Richtlinie 2013/25/EU) zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, zuwiderläuft, wenn ein Mitgliedstaat die Eintragung von Rechtsanwälten, die ihre Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben und unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig sein wollen, bei der zuständigen Stelle von einer vorherigen Überprüfung von Sprachkenntnissen abhängig macht (Urteil vom 19. September 2006 – C-506/04 –, NJW 2006, 3697). Ferner hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die zuständigen Stellen eines Mitgliedstaats die Kassenzulassung eines Zahnarztes, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist und der im erstgenannten Mitgliedstaat niedergelassen und approbiert ist, aber kein in Art. 3 der Richtlinie 78/686/EWG genanntes Diplom besitzt, davon abhängig machen dürfen, dass dieser Zahnarzt die Sprachkenntnisse hat, die er für die Ausübung seiner Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat braucht (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2000 – C-424/97 –, NVwZ 2001, 903). Nach Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2013/55/EG müssen Berufsangehörige, deren Berufsqualifikation anerkannt wird, über die Sprachkenntnisse verfügen, die für die Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat erforderlich sind. Nach Art. 53 Abs. 3 Satz 2 der genannten Richtlinie können Überprüfungen erforderlicher Sprachkenntnisse nach Abs. 1 nur vorgeschrieben werden, wenn „erhebliche und konkrete Zweifel daran bestehen, dass der Berufsangehörige hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit, die der Berufsangehörige auszuüben beabsichtigt, über ausreichend Sprachkenntnisse verfügt“. Das Erfordernis bestimmter Sprachkenntnisse bei Unionsbürgern genügt als zwingendes Erfordernis folglich nur insoweit, als die Kommunikation zwischen Erbringer und Empfänger der Dienstleistung eine für die gewissenhafte Leistungserbringung unabdingbare Voraussetzung ist, z. B. Aufklärungs- und Unterrichtungspflichten (Pielow in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Einleitung EU Rn. 63).

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b.b. Was Ausländer aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union anbetrifft, gestattet § 1 GewO ihnen, wie bereits erwähnt, den Betrieb eines Gewerbes in Deutschland ebenso wie deutschen Staatsangehörigen und EU-Bürgern. Ob sie dazu einer ausländerrechtlichen Erlaubnis bedürfen, bestimmt sich nach der Art der unternehmerischen Aktivität in Deutschland. Einzelunternehmer wie die Antragstellerin, die als Ausländer in Deutschland selbständig tätig sein möchten, benötigen eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach § 21 Aufenthaltsgesetz – AufenthG –. Über einen solchen Titel verfügt die Antragstellerin, denn dieser wurde ihr im Juli 2013 von der Ausländerbehörde der Stadt Reutlingen ausgestellt. Über welche deutschen Sprachkenntnisse ein Ausländer aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union verfügen muss, um einen Gewerbebetrieb führen zu können, trifft die Gewerbeordnung keine generelle Regelung. Wer in Deutschland den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 GewO grundsätzlich nur anzeigen.

42

Für bestimmte gewerbliche Tätigkeit sieht die Gewerbeordnung allerdings eine Erlaubnispflicht vor. So bestimmt z.B. § 34a GewO, dass einer Erlaubnis der zuständigen Behörde bedarf, wer gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will (Bewachungsgewerbe). Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GewO ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, dass er über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen Vorschriften unterrichtet worden ist und mit ihnen vertraut ist. Hierzu bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 1 BewachungsverordnungBewachV –, dass die Unterrichtung mündlich erfolgt und die zu unterrichtende Person über die zur Ausübung der Tätigkeit und zum Verständnis des Unterrichtungsverfahrens unverzichtbaren deutschen Sprachkenntnisse verfügen muss. Sprachunkundige können von der Unterrichtung daher ausgeschlossen werden (Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 BewachV, Rn. 1). Diese Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse ergeben sich zwingend aus dem in den Anlagen 2 und 3 der Verordnung niedergelegten komplizierten Unterrichtsstoff, der von Dozenten vorgetragen wird und daher von den Teilnehmern verstanden werden muss. Deutsche Sprachkenntnisse sind insbesondere auch wegen der Umsetzung des Unterrichtsstoffes in der Praxis von erheblicher Bedeutung. Nicht oder missverstandene Befehle bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben, Unkenntnis zu beachtender deutscher Rechtsnormen können schwerwiegende Konsequenzen für das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum der bewachten Personen haben. Die Hinzuziehung eine Dolmetschers scheidet hier wegen der besonders gelagerten Situation aus (Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 BewachV, Rn. 1).

43

Als Nachweis einer nach der Gewerbeordnung erforderlichen Sachkundeprüfung oder Unterrichtung (wie die nach § 34a GewO) werden gemäß § 13c GewO unter dort näher genannten Bedingungen im Ausland erworbene Befähigungs- und Ausbildungsnachweise anerkannt. Damit wird ein allgemeiner Anspruch auf Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation im Bereich der Gewerbeordnung eingeführt. § 13c GewO enthält zwar keine ausdrücklichen Vorgaben hinsichtlich der Überprüfung von gegebenenfalls notwendigen deutschen Sprachkenntnissen, so dass die Feststellung der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation wegen unzureichender Sprachkenntnisse grundsätzlich nicht verweigert werden darf. Allerdings ist ergänzend – als quasi allgemeine, ungeschriebene Anerkennungsvoraussetzung – der obligatorische Nachweis über den Besitz der erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse erforderlich (Pielow in: BeckOK GewO a.a.O., § 13c Rn. 15). Orientiert an den Maßgaben der oben genannten Richtlinie 2013/55/EG dürfen die Anforderungen an den Nachweis der Sprachkenntnisse gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei Ausländern aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union aber nicht über die für die Ausübung des konkreten Berufs im allgemeinen Interesse erforderlichen Sprachkenntnisse hinausgehen (vgl. Stenger in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 13c Rn. 15 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 4. Juli 2000 – C-424/97 –, NVwZ 2001, 903).

44

c.c. Das Gaststättengesetz verlangt in keiner Vorschrift ausdrücklich Kenntnisse der deutschen Sprache als unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis. Zwar bestimmt § 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG, dass die Gaststättenerlaubnis zu versagen ist, wenn der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, dass er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann. Zum Unterrichtungsnachweis hat der Bundeswirtschaftsminister die Allgemeine Verwaltungsvorschrift über den Unterrichtungsnachweis im Gaststättengewerbe (Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 1981, Bundesanzeiger 1981 Nr. 39, berichtigt mit Bundesanzeiger 1981 Nr. 52) – GastUVwV – erlassen. Gemäß Nr. 3.1 GastUVwV soll die Unterrichtung die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse vermitteln. Die Unterrichtung erfolgt in der Regel für das Verabreichen von Getränken und zubereiteten Speisen und soll sich erstrecken auf die jeweils einschlägigen Grundzüge der Hygienevorschriften einschließlich des Bundesseuchengesetzes, des Lebensmittelgesetzes und der darauf gestützten Verordnungen, des Fleischbeschaugesetzes und der darauf gestützten Verordnungen, des Milchrechts, des Getränkerechts, insbesondere des Weinrechts und des Bierrechts und des Getränkeschankanlagenrechts (Nr. 3.2 GastUVwV). Zweck des Unterrichtungsnachweises ist der Schutz der Gäste vor den Gefahren für die Gesundheit, die aus der Verletzung lebensmittelrechtlicher Vorschriften im Gaststättengewerbe erwachsen können, sowie der Schutz vor Täuschung und Irreführung (Nr. 3.3 GastUVwV). Die Unterrichtung erfolgt mündlich und darf nicht lediglich in der Übergabe eines Merkblattes bestehen (Nr. 3.3.1 GastUVwV). Die Unterrichtung darf die Dauer von sechs Stunden nicht überschreiten. In besonderen Fällen, z. B. wenn die Zuziehung eines Dolmetschers erforderlich ist, kann die Unterrichtung bis zu acht Stunden dauern. Sie muss innerhalb eines Tages erfolgen (Nr. 3.3.2 GastUVwV).

45

d.d. Die Zulässigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers unterstreicht, dass ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache kein maßgebliches Kriterium ist, um die Ausstellung einer Gaststättenerlaubnis zu versagen. Da die Industrie- und Handelskammer Pfalz der Antragstellerin mit Bescheinigung vom 23. Juni 2015 bestätigt hat, dass sie über die Grundzüge der für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann, muss davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin die Unterrichtung mit oder ohne Dolmetscher verstanden hat und gegebenenfalls ihre dort erworbenen Kenntnisse dem von ihr angestellten Personal, soweit notwendig, weitervermitteln kann. Da die Industrie- und Handelskammer Pfalz mit weiterer Bescheinigung vom 23. Juni 2015 auch bestätigt hat, dass die Antragstellerin an einer Schulung nach § 4 Lebensmittelhygiene-VerordnungLMHV – teilgenommen und dabei ihre bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten vertieft hat, kann unterstellt werden, dass die Antragstellerin auch dieser Schulung hat folgen können.

46

e.e. Schließlich ergeben sich auch aus dem Musterentwurf des Bund-Länder-Ausschusses „Gewerberecht“ der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Anwendung des Gewerberechts auf Ausländer – AuslgewVwV – keine Anhaltspunkte für das Erfordernis von ausreichenden Deutschkenntnissen als Voraussetzung für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis. Nr. 1.1 AuslgewVwV bestimmt lediglich, dass für die Ausübung eines Gewerbes durch Ausländer oder ausländische juristische Personen grundsätzlich die allgemeinen gewerberechtlichen Vorschriften (z.B. die §§ 1, 14, 35 GewO) gelten. An die persönliche Zuverlässigkeit eines Ausländers sind daher die gleichen Anforderungen wie bei Deutschen im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 Grundgesetz – GG – zu stellen. Im Übrigen dürfen Ausländer ein Gewerbe nur betreiben, sofern ausländerrechtliche Vorschriften nicht entgegenstellen.

47

f.f. Die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin kann entgegen der Antragsgegnerin auch nicht damit begründet werden, diese sei wegen ihrer nicht ausreichenden Deutschkenntnissen nicht in der Lage, ihr Geschäft selbst zu betreiben und auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung tätig zu werden. Es sind weder Steuerrückstände noch lebensmittelrechtliche Verstöße aktenkundig. Es steht der Antragstellerin auch frei, als selbständig Gewerbetreibende sich der Hilfe Dritter z.B. beim Einkauf, beim Kochen oder bei der Bestellung in der Gaststätte zu bedienen. Soweit die Antragsgegnerin auf mögliche Verständigungsprobleme mit Kunden etwa bei der Bestellung von Speisen in ihrer Gaststätte hingewiesen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer Unzuverlässigkeit. Die Antragstellerin hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen. Die Antragsgegnerin kann diesbezüglich die Gaststättenerlaubnis der Antragstellerin gegebenenfalls mit einer Auflage nach § 5 GastG versehen, während der Öffnungszeiten der Gaststätte sicherzustellen, dass jederzeit deutsch sprechendes Personal anwesend zu sein hat. Es ist aber gewerberechtlich unverhältnismäßig, von der Antragstellerin zu verlangen, als für die Gaststätte Verantwortliche selbst über ausreichende Deutschkenntnisse zu verfügen, um eine erlaubnispflichtige Gaststätte betreiben zu dürfen.

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g.g. Kann daher im Ergebnis die vermeintliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin nicht mit ihren fehlenden Deutschkenntnissen begründet werden und steht der Erteilung einer Gaststättenerlaubnis auch nicht der Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG entgegen, fehlt es an der materiellen Rechtswidrigkeit des Gaststättenbetriebs mit der Folge, dass die Antragsgegnerin nicht von einem intendierten Entschließungsermessen ausgehen durfte. Es liegt hier „nur“ der Fall einer bloßen formellen Illegalität des Gaststättenbetriebs vor. Da die Antragstellerin am 29. April 2016 die erforderliche Gaststättenerlaubnis beantragt hat und nach dem oben Gesagten auch die ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis vorliegen, ist der Erlass einer Schließungsanordnung ermessensfehlerhaft. Insbesondere verstößt diese gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Antragstellerin hat gemäß dem geschlossenen Mietvertrag pro Monat über 2.000 € Pacht zu zahlen. Sie beschäftigt mehrere Mitarbeiter und hat zwei Kinder zu versorgen. Eine Schließung der Gaststätte zum jetzigen Zeitpunkt hätte für die Antragstellerin möglicherweise irreparable Folgen.

49

Die genannten Umstände hätten die Antragsgegnerin zu einer näheren Ermessensüberlegung in Bezug auf die Schließungsanordnung zwingen müssen. Da die Antragsgegnerin jedoch keine Ermessenserwägungen dazu angestellt haben, liegt ein Ermessensfehler vor, der zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Schließungsanordnung führt.

50

2.5. Selbst wenn man aber zugunsten der Antragsgegnerin vorliegend von einem offenen Ausgang in der Hauptsache ausgehen und die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges der Schließungsanordnung auf die Durchführung einer reinen Interessenabwägung beschränken würde (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176), gelangt die Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Aus der Verwaltungsakte ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die einstweilige Fortführung des Betriebs aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse der Antragstellerin zu Gefahren für die Gesundheit der Gäste führen könnte. Ebenso wenig ist momentan damit zu rechnen, dass die Antragstellerin wegen fehlender ausreichender Deutschkenntnisse nicht in der Lage oder willens sein wird, ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen. Da die Antragstellerin derzeit weiterhin Deutschkurse an der Volkshochschule Bad Dürkheim belegt, ist auch davon auszugehen, dass sie bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ihre Deutschkenntnisse weiter verbessern wird. Die vorzunehmende Interessenabwägung des Gerichts führt daher zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Antragstellerin an einer vorläufigen Fortführung ihres Gewerbebetriebs zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz dem öffentlichen Vollziehungsinteresse an der Schließungsanordnung vorgehen muss.

51

Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

52

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nrn. 1.5, 54.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013 ((LKRZ 2014, 169).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die zwangsgeldbewehrte und für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2015. Nach Nr. 1 des Bescheidstenors hat der Antragsteller die Bauarbeiten zur Errichtung des Wohngebäudes auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung H. (Baugrundstück) ab sofort einzustellen. Für den Fall, dass die Arbeiten entgegen der Nr. 1 des Bescheids fortgesetzt werden, wurde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 Euro angedroht. Ausweislich der Bescheidsbegründung sei anlässlich einer Ortsbesichtigung festgestellt worden, dass die erforderliche Abstandsfläche (Anm.: der östlichen Außenwand) zum auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Baugrundstück S.-Straße Hs-Nr. ... (FlNr. ...) nicht eingehalten werde. Bis zu einer Entscheidung über einen möglichen Rückbau solle verhindert werden, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2014 war dem Antragsteller die bauaufsichtliche Genehmigung zum Neubau eines Wohnhauses mit Garage auf dem Baugrundstück im „vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 BayBO“ erteilt worden. Beantragt wurde u. a. eine „Befreiung von der vorgegebenen Wandhöhe 5,50 m auf (eine) Wandhöhe 5,95 m beim Wohngebäude“; dies betrifft die Wandhöhe zur S.-Straße hin (Anm.: östliche Außenwand). Mit der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde die „beantragte Befreiung von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans … (statt max. 5,50 m - rd. 6 m)“ nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt. Tatsächlich wurde die östliche Außenwand des Wohngebäudes des Antragstellers 5,98 m hoch errichtet (Anm.: gemessen vom Straßenniveau). (Nur) Hinsichtlich der Grenzgarage wurde auch eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt. Unter dem Datum 5. Mai 2015 stellte der Antragsteller einen Änderungsantrag für die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich des Wohnhauses gegenüber den östlichen, nördlichen und südlichen Nachbargrundstücken. Über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden.

Gegen die Baueinstellungsverfügung vom 15. Mai 2015 ließ der Antragsteller am 15. Juni 2015 Anfechtungsklage erheben. Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage betreffend Nr. 1 des Bescheids vom 15. Mai 2015 wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 20. Juli 2015 im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Vorhaben des Antragstellers halte die Abstandsflächen an drei Seiten nicht ein. Erscheine im Hinblick auf die Abstandsflächen zu den nördlichen und südlichen Nachbarn aufgrund der von diesen erteilten Nachbarzustimmungen die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO möglich, scheitere derzeit die Herstellung rechtmäßiger Zustände an einer Abstandsflächenübernahme durch die Eigentümerin des (Anm.: östlich des Baugrundstücks, jenseits der S.-Straße liegenden) Grundstücks FlNr. ..., die ihr fehlendes Einverständnis durch ihren bevollmächtigten Ehemann habe erklären lassen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Baugenehmigung eine Aussage bezüglich einer umfassenden Prüfung der Abstandsflächen enthalte. In den Gründen des Baugenehmigungsbescheids vom 17. Juni 2014 werde ausdrücklich auf das Verfahren nach Art. 59 BayBO hingewiesen.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Das Vorhaben sei plangemäß ausgeführt worden. Die Wandhöhe der Ostfassade des Wohnhauses sei nach Maßgabe der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans mit 5,98 m zu bemessen. Diese Festsetzung wiederhole nicht bloß die Regelung des Art. 6 BayBO, sondern sei eine (eigenständige) Festsetzung. Die Abstandsflächensituation sei insoweit auch Gegenstand eines Antrags auf Befreiung gewesen, vom Prüfungsumfang des Art. 59 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BayBO erfasst und unter Bezugnahme auf § 31 Abs. 2 BauGB auch erteilt worden. Die Inanspruchnahme der gesamten Straßenfläche für die Abstandsfläche habe die Antragsgegnerin bereits genehmigt, so dass im südlichen Teil der östlichen Außenwand mit einer Außenwandlänge von 4,50 m kein Abstandsflächenproblem bestehe. Im nördlichen Bereich der östlichen Außenwand auf einer Länge von 6 m liege die Abstandsfläche zwar mit einer Tiefe von 45 cm - 50 cm auf dem Nachbargrundstück. Dies sei jedoch eine Fläche, in der durch Dienstbarkeit gesicherte Versorgungsleitungen der Antragsgegnerin liegen würden, so dass sie nicht überbaut werden dürfe. Insoweit seien die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 BayBO gegeben. Dessen ungeachtet hätte die Antragsgegnerin die Einhaltung der Abstandsflächen in vollem Umfang auch dann prüfen müssen, wenn nur eine Befreiung beantragt gewesen wäre. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf Art. 55 Abs. 2 BayBO sei verfehlt, weil angesichts der erteilten Befreiungen kein Fall der präventiven Prüfungsreduktion vorliege und diese Vorschrift keine Anwendung finde, in denen der Bauaufsichtsbehörde - wie hier - ein Fehler unterlaufen sei. Die Antragsgegnerin sei anlässlich des Ortstermins vom 7. Mai 2015 zu Unrecht davon ausgegangen, dass die östliche Außenwand des Wohnhauses vom Urgelände aus zu messen sei, woraus sich eine Abstandsflächenerstreckung von 70 cm - 80 cm auf das Nachbargrundstück errechne (Anm: anstelle der eingeräumten rechnerischen Abstandsflächenerstreckung von ca. 45 cm - 50 cm; vgl. Beschwerdebegründung vom 19.8.2015 S. 9), was aber der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 widerspreche. Mit dieser irrigen Rechtsmeinung habe die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgefordert, einen Änderungsantrag (Anm.: datiert auf den 5. Mai 2015; vgl. Anlage K2) zu stellen. Dieser, die irrige Rechtsauffassung der Antragsgegnerin berücksichtigende Änderungsantrag sei in der Erwartung einer Befreiung gestellt worden, die die Antragsgegnerin jedoch ausschließlich an die Zustimmung der Nachbarin geknüpft habe. Dies sei rechtsfehlerhaft, weil eine Befreiung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO auch ohne Zustimmung möglich sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Baueinstellungsverfügung nicht die privaten Interessen des Antragstellers, weil die Baumaßnahme weder formell noch materiell rechtswidrig sei. Vielmehr sei zweifelsfrei erkennbar, dass die Klage in der Hauptsache Erfolg haben werde. Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin bis heute nicht über ihr angebliches Recht auf Beseitigung entschieden habe, das sie mit der Baueinstellung sichern wolle. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf eine Entscheidung (Anm.: wohl über den ausdrücklich gestellten Änderungsantrag vom 5. Mai 2015) innerhalb angemessener Frist. Die Baueinstellung sei in dieser Phase des Baus unverhältnismäßig. Der Antragsteller sei vor Erlass der Baueinstellungsverfügung nicht angehört worden. Er habe deshalb nicht geltend machen können, dass sich nicht die Eigentümerin des Nachbargrundstücks bei der Antragsgegnerin beschwert habe, sondern deren dinglich nicht berechtigter Ehemann. Hinsichtlich der weiteren Darlegungen des Antragstellers wird auf die umfängliche Beschwerdebegründung verwiesen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Juli 2015 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 15. Juni 2015 gegen die Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2015 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Trotz plangemäßer Errichtung des Vorhabens würden die Voraussetzungen des Art. 75 BayBO vorliegen. Das Vorhaben sei materiell rechtswidrig, weil sich die Abstandsfläche über die Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche hinaus auf die gesamte Straßenfläche und teilweise sogar auf das gegenüber liegende Grundstück erstrecke, unabhängig davon welcher untere Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe herangezogen werde. Zu Recht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Prüfumfang des Art. 59 BayBO nicht die Prüfung der Abstandsflächen insgesamt enthalten habe. Aus der Tatsache, dass eine Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Wandhöhe erteilt und eine beantragte Abweichung für die Westseite (Anm.: für eine Garage an der Nordgrenze) des Grundstücks ausgesprochen worden sei, folge nicht, dass die Antragsgegnerin an allen Seiten die Einhaltung der Abstandsflächen habe prüfen müssen. Die Baueinstellung sei erforderlich gewesen, um die Fertigstellung des Gebäudes zu verhindern, bis geklärt sei, auf welchem Weg rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die vom Antragsteller innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wird voraussichtlich erfolglos bleiben, so dass das Interesse an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse an der angefochtenen Baueinstellungsverfügung nachrangig ist.

1. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ist es der Antragsgegnerin als Bauaufsichtsbehörde nicht verwehrt, gegen das Vorhaben nach Art. 75 BayBO vorzugehen. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Ist eine bauaufsichtliche Genehmigung für ein Vorhaben erteilt, können die Arbeiten gleichwohl eingestellt werden, wenn sich die Genehmigung zu einem materiell-rechtlichen Baurechtsverstoß nicht verhält, einen solchen also nicht in formeller Hinsicht legalisiert. So liegt es hier.

a) Die östliche Außenwand des Wohnhauses des Antragstellers hält gegenüber dem jenseits der S.-Straße liegenden Grundstück FlNr. ... (Nachbargrundstück) die gesetzlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO nicht ein.

aa) Die östliche Außenwand des Wohnhauses des Antragstellers verläuft nach den Bauvorlagen in einem Abstand von 2 m zur Ostgrenze des Baugrundstücks und weist (nach Ansicht des Antragstellers) eine abstandsflächenrelevante Wandhöhe von 5,98 m auf. Die zwischen dem Bau- und dem Nachbargrundstück verlaufende S.-Straße ist in Höhe der beiden Grundstücke zwischen 4,50 m (südlicher Teil) und 3,50 m (nördlicher Teil) breit. Hiervon ausgehend überschreitet die bei einer unterstellten Wandhöhe von 5,98 m gegebene Tiefe der (vollen) Abstandsfläche nicht nur die Straßenmitte (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO), sondern kommt im nördlichen Teil auch auf dem Nachbargrundstück zu liegen. Ausweislich der Bauvorlagen zur Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wird das Schmalseitenprivileg bereits gegenüber den im Norden und Süden gelegenen Nachbargrundstücken in Anspruch genommen, so dass seine weitere Anwendung nach Osten nicht in Betracht kommt (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO).

bb) Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 Alt. 1 BayBO berufen, soweit die Abstandsfläche des nördlichen Teils der östlichen Außenwand auf das Nachbargrundstück fällt. Danach dürfen sich u. a. Abstandsflächen ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn rechtlich oder tatsächlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden. Selbst wenn hier aufgrund von Leitungsrechten oder aus sonstigen Gründen eine nicht überbaubare Grundstücksfläche i. S. d. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO vorliegen würde, änderte dies nichts an der materiellem Recht widersprechenden und formell auch nicht legalisierten Inanspruchnahme der S.-Straße über deren Mitte hinaus (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Davon abgesehen stünde eine ggf. nicht überbaubare Fläche des Nachbargrundstücks FlNr. ... in vollem Umfang diesem Grundstück (Eigentümergrundstück) für eine Abstandsflächenverlagerung zur Verfügung (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 6 Rn. 61 m. w. N.). Darauf, ob diese nach Ansicht des Antragstellers nicht überbaubare Fläche durch vorhandene bauliche Anlagen bereits abstandsflächenrechtlich in Anspruch genommen ist (vgl. Anlage K11), kommt es mithin nicht an.

b) Mit der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde, anders als der Antragsteller vorträgt, keine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung hinsichtlich der vor den Außenwänden des Wohnhauses liegenden Abstandsflächen erteilt.

aa) Nach Nr. 2 des Bescheidstenors der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde die „beantragte Befreiung von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans ‚W.‘ hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses (statt max. 5,50 m - rd. 6 m) zugelassen (§ 31 Abs. 2 BauGB)“.

Diese Befreiung erfolgt von der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans. Danach beträgt die Wandhöhe bergseits max. 5,50 m. Die Wandhöhe („Definition gemäß Art. 6 Abs. 3 BayBO“) wird bei Erschließung über verkehrsberuhigte Anliegerstraßen in Bezug auf das Niveau der angrenzenden Verkehrsflächen, von der aus das Gebäude erschlossen wird, festgesetzt; hier also vom Niveau der S. Straße aus. Die textliche Festsetzung Nr. 1.2 regelt das Maß der baulichen Nutzung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, indem die Gebäudehöhe (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) auf ein bestimmtes maximales Maß in Metern festgelegt wird (hier: 5,50 m). Die der Planfestsetzung zugrunde gelegte Definition der „Wandhöhe“ in Anlehnung an den bauordnungsrechtlichen Begriff der Wandhöhe bestimmt (neben der auch festgesetzten Firsthöhe) die „erforderlichen Bezugspunkte“ i. S. d. § 18 Abs. 1 BauNVO bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen. Unterer Bezugspunkt ist demnach (hier) das Straßenniveau; der obere Bezugspunkt folgt aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 BayBO 1998 bzw. aus Art. 6 Abs. 4 BayBO 2008 (Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand). Ob die textliche Festsetzung Nr. 1.2 zugleich - abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO 2008 (bzw. Art. 6 Abs. 3 BayBO 1998) - das Straßenniveau anstelle der „Geländeoberfläche“ als unteren Bezugspunkt zur Ermittlung der Wandhöhe in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht regelt, ist eher fraglich, kann zugunsten des Antragstellers aber unterstellt werden. Fest steht im Übrigen, dass unabhängig von den planlichen Festsetzungen durch Baugrenzen für die Abstandsflächen die Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung gelten (Nr. 2 der textlichen Festsetzungen). Hiervon ausgehend regelt die erteilte Befreiung von den Festsetzungen hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses keinen - auch keinen teilweisen - Dispens von der Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen.

bb) Nach Nr. 3 des Bescheidstenors der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wird eine „Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 Abs. 9 BayBO für die Wandhöhe der Grenzgarage zugelassen (Art. 63 BayBO)“. Diese allein auf die Grenzgarage bezogene Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften lässt im Umkehrschluss erkennen, dass eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus nicht erteilt wurde.

cc) Ohne Belang ist, ob der Antragsteller ursprünglich konkludent (ausdrücklich beantragt wurde eine Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Vorschriften zur: „Wandhöhe Grenzgarage“ und eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zur: „Wandhöhe bergseitig“; vgl. Formblattantrag auf Befreiung/Abweichung vom 27.3.2014) auch eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich (u. a.) der Ostfassade seines Wohnhauses beantragt hatte, ob es im vorliegenden Fall also um nichts anderes gehe, als „dass der Antragsgegnerin ein Fehler vor der Erteilung der Baugenehmigung unterlaufen ist und dass dieser Fehler nun korrigiert werden soll zulasten des Antragstellers“. Denn aus dem Baugenehmigungsbescheid vom 17. Juni 2014 ergibt sich zweifelsfrei, dass eine dahingehende Abweichung nicht erteilt wurde. Wie bereits ausgeführt, wurde in Nr. 2 des Bescheidstenors hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses nur eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplan nach „§ 31 Abs. 2 BauGB“ zum Maß der baulichen Nutzung erteilt; in Nr. 3 des Bescheidstenors wurde lediglich eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für die Wandhöhe der Grenzgarage zugelassen. Aus den Bescheidsgründen der Baugenehmigung ergibt sich nichts anderes („Die Einhaltung der nicht überprüften öffentlich-rechtlichen Vorschriften fällt in die alleinige Verantwortung des Bauherrn und der am Bau Beteiligten“). Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Baugenehmigungsbescheids vom 17. Juni 2014 hätte es dem Antragsteller deshalb oblegen, auf eine Entscheidung über eine etwa beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich des Wohngebäudes hinzuwirken, bevor er sein Vorhaben ausführt.

2. Die Darlegungen des Antragstellers lassen keine Ermessensfehler der angefochtenen Baueinstellungsverfügung erkennen.

a) Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung die Bauaufsichtsbehörde auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensausübung nicht daran hindert, eine Baueinstellungsverfügung zu erlassen. Für den gegenständlichen Fall gilt nichts anderes. Die Bestimmung in Art. 55 Abs. 2 BayBO, auf die das Verwaltungsgericht hinweist, wonach u. a. die Beschränkung der bauaufsichtlichen Prüfung nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen entbindet, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden und die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt lässt, hat lediglich klarstellende, aber keine die Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörde einschränkende Funktion. Aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO folgt unmittelbar, dass die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Die Errichtung des Wohnhauses steht - wie ausgeführt - im Widerspruch zum materiellen Abstandsflächenrecht; dieser Verstoß wurde durch die Baugenehmigung auch nicht legalisiert, weil eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus des Antragstellers tatsächlich nicht erteilt wurde.

b) Darauf, ob der Antragsteller bereits mit Bauantrag vom 27. März 2014 einen (konkludenten) Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus gestellt hat, kommt es auch bei der Ermessensprüfung nicht entscheidungserheblich an. Insbesondere ist das Einschreitensermessen der Bauaufsichtsbehörde nicht schon dann reduziert, wenn (unterstellt) über einen Abweichungsantrag nicht entschieden wurde. Werden - wie hier - Nachbarrechte Drittbetroffener durch eine (unterlassene) Abweichungsentscheidung berührt, kann sich die Bauaufsichtsbehörde nicht über das Erfordernis der „Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange“ hinwegsetzen (vgl. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO), um die Auswirkungen eines etwaigen Behördenversehens zugunsten des Bauherrn zu minimieren. Die Bauaufsichtsbehörde kann die unterlassene Abweichungsentscheidung lediglich nachholen, ist dabei aber an die Voraussetzungen des Art. 63 BayBO gebunden. Zwar kann der Bauherr verlangen, dass ein übergangener Abweichungsantrag ermessensgerecht und in angemessener Zeit beschieden wird. Das Ergebnis einer nachzuholenden Abweichungsentscheidung kann deshalb aber nicht zugunsten des Bauherrn vorweggenommen werden, wenn - wie hier - keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine Ermessensreduktion in Richtung der Erteilung der beantragten Abweichung bestehen.

c) Der Einwand, die Antragsgegnerin habe die Grundlagen ihres Ermessens verkannt, weil sie die im Änderungsantrag vom 5. Mai 2015 beantragte Abweichung von den Abstandsflächen für das Wohngebäude falsch berechnet und die Abweichung ausschließlich an die Zustimmung der Nachbarin geknüpft habe, die aber im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO nicht erforderlich sei, lässt keine vom Verwaltungsgericht abweichende Bewertung zu.

aa) Wie bereits ausgeführt wurde, fehlt es derzeit an einer positiven Abweichungsentscheidung zugunsten des Vorhabens des Antragstellers. Deshalb kommt es im gegenständlichen Verfahren nicht darauf an, auf welcher Grundlage die Antragsgegnerin die abstandsflächenrelevante Wandhöhe im Hinblick auf den Änderungsantrag ermitteln wird.

Soweit es die gegenständliche Baueinstellungsverfügung betrifft, kann offen bleiben, ob die das Maß der baulichen Nutzung betreffende textliche Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans zugleich auf die Berechnung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen anzuwenden ist. Denn die Antragsgegnerin hat sich ausweislich der Bescheidsbegründung beim Erlass der angefochtenen Baueinstellungsverfügung vom 15. Mai 2015 nicht darauf gestützt, dass die Abstandsfläche der östlichen Hauswand zu „70 cm - 80 cm“ auf dem Nachbargrundstück zu liegen kommt, sondern darauf, dass „die Abstandsfläche nicht nur über die Mitte der Verkehrsfläche sondern sogar in das gegenüberliegende Nachbargrundstück fällt“. Diese Erwägung trifft in der Sache zu. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin vom Erlass der Baueinstellungsverfügung abgesehen hätte oder davon absehen hätte dürfen, wenn sie davon ausgegangen wäre, die Abstandsfläche komme nur „45 cm - 50 cm“ auf dem Nachbargrundstück zu liegen. Die unterschiedliche Auffassung der Verfahrensbeteiligten, von welchem unteren Bezugspunkt die abstandsflächenrelevante Wandhöhe zu bemessen ist (Geländehöhe oder Straßenniveau), ist demnach für die Rechtmäßigkeit der Baueinstellungsverfügung ohne Relevanz. Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen weder wörtlich noch sinngemäß ausgeführt, der Antragsteller habe sich „in besonderer Weise rücksichtslos verhalten“ und es hat bei seiner rechtlichen Bewertung entscheidungserheblich auch nicht auf eine etwaige Überschreitung der Abstandsflächen hinsichtlich des nördlichen oder südlichen, sondern allein auf das östliche Nachbargrundstück abgestellt.

bb) Auf die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO kann sich der Antragsteller - wie bereits ausgeführt wurde - nicht berufen, weil eine etwa unbebaubare Fläche in vollem Umfang dem Eigentümergrundstück, hier also dem Grundstück FlNr. ... zur Verfügung steht (vgl. Schwarzer/König, a. a. O., Art. 6 Rn. 61 m. w. N.). Dass die Antragsgegnerin dem Vortrag des Antragstellers zufolge die Erteilung der mit Änderungsantrag vom 5. Mai 2015 beantragten Abweichung an die Zustimmung der Nachbarin knüpft, ist nicht von vornherein zu beanstanden. Die Antragsgegnerin gibt damit wohl zu erkennen, dass einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften aus ihrer Sicht keine rein öffentlichen Belange entgegenstehen. Anders verhält es sich hinsichtlich der im Rahmen einer Abweichung zu prüfenden öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange (Art. 63 Satz 1 BayBO), über die die Bauaufsichtsbehörde nicht nach Belieben disponieren kann. Insoweit kann es gerechtfertigt sein, dem Bauherrn zunächst aufzugeben, eine Nachbarzustimmung einzuholen. Allein die Versagung der Zustimmung durch den Nachbarn hindert die Bauaufsichtsbehörde allerdings nicht, gleichwohl eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften zu erteilen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Umstände und im Hinblick auf die nachbarschützende Intention des Abstandsflächenrechts ist nach Lage der Akten nicht ersichtlich, dass allein die Erteilung der nunmehr ausdrücklich beantragten Abweichung ermessensgerecht wäre.

d) Schließlich ist die Baueinstellungsverfügung nicht unverhältnismäßig. Nachdem eine die Rechte des Nachbargrundstücks betreffende Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugunsten des Vorhabens des Antragstellers bislang nicht erteilt wurde und keine Anhaltspunkte für eine dahingehende Ermessensreduktion ersichtlich sind, ist derzeit offen, ob eine künftige Abweichungsentscheidung einer rechtlichen Prüfung standhalten würde. Wäre tatsächlich eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt worden oder wird eine solche erteilt, müsste die betroffene Nachbarin im Übrigen nicht „im Wege des Antrags nach § 123 VwGO vorgehen“. Sie könnte die Baugenehmigung vielmehr anfechten und zugleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen (vgl. § 212 a Abs. 1 BauGB, § 80 a Abs. 3, Abs. 5 VwGO). In einem gerichtlichen Verfahren wäre dann zu klären, ob die zu begründende Ermessensentscheidung (vgl. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO), an der es bislang fehlt, insbesondere mit den öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar ist (vgl. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Baueinstellung mit der Begründung verfügt hat, bis zu einer Entscheidung über eine mögliche Anordnung eines möglichen (Teil-) Rückbaus solle verhindert werden, dass weitere vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dass die Antragsgegnerin bislang keinen Rückbau angeordnet hat, kann nicht als Nachteil zulasten des Antragstellers gewertet werden. Die Antragsgegnerin ist aber gehalten, alsbald über den nunmehr ausdrücklich gestellten Abweichungsantrag zu entscheiden, nachdem die Eigentümerin des östlichen Nachbargrundstücks offenbar nicht bereit ist, das Angebot des Antragstellers anzunehmen und ihre Zustimmung zu dem Vorhaben zu erteilen.

3. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 2015 (Az. 9 ZB 15.714 - juris Rn. 5 m. w. N.) zutreffend ausgeführt, dass ein etwaiger Anhörungsmangel in entsprechender Anwendung des Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG im Eilverfahren geheilt worden wäre. Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht substantiiert auseinander. Davon abgesehen ist es ohne Belang, ob eine Beschwerde der Nachbarin als Eigentümerin des betroffenen Nachbargrundstücks oder eine Beschwerde ihres dinglich nicht berechtigten Ehemanns den Anlass gab, bauaufsichtlich einzuschreiten. Ein bauaufsichtliches Tätigwerden ist nicht nur auf Antrag des betroffenen Eigentümers, sondern stets dann veranlasst, wenn die Bauaufsichtsbehörde Kenntnis von einer im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehenden Errichtung, Änderung oder Beseitigung einer Anlage erlangt.

4. Nach den vorstehenden Ausführungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Baueinstellungsverfügung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Insbesondere ist die Ausführung des Vorhabens derzeit in materieller und formeller Hinsicht rechtswidrig.

5. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.


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(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.

(1) Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren.

(2) Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittels verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter mit Gewalt wieder abnehmen.

(3) Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Täters wieder bemächtigen.

(4) Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen denjenigen zu, welcher nach § 858 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen muss.

(1) Die Selbsthilfe darf nicht weiter gehen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist.

(2) Im Falle der Wegnahme von Sachen ist, sofern nicht Zwangsvollstreckung erwirkt wird, der dingliche Arrest zu beantragen.

(3) Im Falle der Festnahme des Verpflichteten ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, der persönliche Sicherheitsarrest bei dem Amtsgericht zu beantragen, in dessen Bezirk die Festnahme erfolgt ist; der Verpflichtete ist unverzüglich dem Gericht vorzuführen.

(4) Wird der Arrestantrag verzögert oder abgelehnt, so hat die Rückgabe der weggenommenen Sachen und die Freilassung des Festgenommenen unverzüglich zu erfolgen.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.

Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.

(1) Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren.

(2) Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittels verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter mit Gewalt wieder abnehmen.

(3) Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Täters wieder bemächtigen.

(4) Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen denjenigen zu, welcher nach § 858 Abs. 2 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen muss.

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.