Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 14. Juni 2016 - 4 L 403/16.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2016:0614.4L403.16.NW.0A
bei uns veröffentlicht am14.06.2016

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 26. Mai 2016 gegen die Schließungsanordnung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2016 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte gaststättenrechtliche Schließungsanordnung.

2

Die Antragstellerin ist vietnamesische Staatsangehörige und verfügt über eine momentan bis zum 11. Februar 2019 befristete Aufenthaltserlaubnis, die ihr das Nachgehen einer selbständigen/unselbständigen Tätigkeit gestattet. In der Innenstadt von Bad Dürkheim betreibt sie ein asiatisches Schnellrestaurant. Dieses ist täglich von 11 – 22 Uhr geöffnet. Aktuell beschäftigt die Antragstellerin nach eigenen Angaben vier Personen in ihrem Betrieb. Sie ist im Besitz zweier Bescheinigungen der Industrie- und Handelskammer Pfalz vom 23. Juni 2015, wonach sie zum einen über die Grundzüge der für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann und zum anderen an einer Lebensmittelhygiene-Schulung teilgenommen hat.

3

Mit Bescheiden vom 21. Mai 2015 und vom 15. Januar 2016 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin jeweils eine vorläufige Erlaubnis zum Betreiben der Gaststätte vom 21. Mai 2015 bis 20. August 2015 und vom 15. Januar 2016 bis 30. April 2016. In dem Begleitschreiben zu dem Bescheid vom 15. Januar 2016 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin „vereinbarungsgemäß ihre deutschen Sprachkenntnisse weiter zu verbessern“.

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In der Folgezeit legte die Antragstellerin eine Bescheinigung der Volkshochschule Bad Dürkheim vor, ausweislich derer die Antragstellerin für die Sprachkurse „Deutsch als Fremdsprache für Anfänger“ vom 16. Februar 2016 - 7. Juni 2016 und „Deutsch I" vom 18. Februar 2016 - 23. Juni 2016 angemeldet war.

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Mit Bescheid vom 10. Mai 2016, der Antragstellerin gegenüber am 23. Mai 2016 bekanntgegeben, lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung der unbefristeten Gaststättenerlaubnis ab. Des Weiteren verfügte die Antragsgegnerin die Schließung der Gaststätte mit Ablauf des 31. Mai 2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, nach einem Sachbearbeiterwechsel im November 2015 habe sich bei einer Vorsprache der Antragstellerin herausgestellt, dass diese der deutschen Sprache nicht mächtig sei und ausschließlich durch Hinzuziehen von Freunden kommunizieren könne. Aus diesem Grund wäre bereits zu diesem Zeitpunkt die Erteilung der begehrten Gaststättenerlaubnis abzulehnen gewesen. Aus Kulanzgründen sei der Antragstellerin ermöglicht worden, die Gaststätte vorerst weiter zu betreiben unter der Bedingung, dass sie durch Sprachkurse und verstärkte Kommunikation in der deutschen Sprache mit Freunden und Bekannten, Deutschkenntnisse erwerben könne, um die notwendige Selbständigkeit zum Betreiben eines Gewerbes zu erhalten. Bei der neuerlichen Vorsprache am 22. April 2016 habe die Antragstellerin aber weder dem Gesprächsverlauf folgen noch selbst kommunizieren können. Ohne Deutschkenntnisse fehle es der Antragstellerin bereits an den „Grundbausteinen“ zum Betreiben eines Gewerbes. Hinzu komme, dass ihr Koch gekündigt habe. Die Antragstellerin sei aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nicht in der Lage, ein Gewerbe zu betreiben und besitze daher nicht die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit. Der Antrag sei daher abzulehnen und die Gaststätte spätestens mit Ablauf des 31. Mai 2016 zu schließen. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung führte die Antragsgegnerin aus, nach der Sachverhaltsuntersuchung sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Interessen der Allgemeinheit zum Schutze der Rechtsgüter höher zu bewerten seien als die Interessen der Antragstellerin an dem Betreiben einer Gaststätte. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege daher im besonderen öffentlichen Interesse. Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wäre eine ungerechtfertigte Überbewertung der Interessen der Antragstellerin zu Lasten der Allgemeinheit.

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Hiergegen hat die Antragstellerin am 26. Mai 2016 Widerspruch eingelegt und zugleich am 27. Mai 2016 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt sie aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei bereits formell rechtswidrig. Darüber hinaus überwiege das Suspensivinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit. Die Antragsgegnerin nehme zu Unrecht an, dass sie, die Antragstellerin, die erforderliche gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin beinhalte eine selbständige Tätigkeit nicht, dass der/die Selbständige im Wesentlichen selbst - d.h. ohne Hilfe Dritter - die Tätigkeit ausführe. Unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften könne sich der/die Selbständige vielmehr - beliebig und ohne jegliche Einschränkungen - Dienste Dritter bedienen. Selbst wenn sie, die Antragstellerin, tatsächlich über unzureichende Deutschkenntnisse verfüge, was ausdrücklich bestritten werde, so dürfte es ihr eigenes Problem sein, das sie durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen habe. Bisher habe es keinerlei Beanstandungen gegeben, weder aus Behörden- noch aus Kundensicht. Es sei nicht plausibel, dass die Allgemeinheit vor ihren unzureichenden Deutschkenntnissen geschützt werde solle. Sie bediene sich hierbei der Hilfe ihrer Arbeitskräfte. Aktuell beschäftige sie einen neuen Koch sowie einen Hilfskoch. Sie selbst helfe mit in der Küche. Des Weiteren beschäftige sie einen Spezialitätenkoch für Sushi-Gerichte sowie zwei weitere Bedienungen, die in abwechselnden Schichten arbeiteten. Die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 26. Mai 2016 gegen die die Schließungsanordnung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2016 wird wiederherzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie führt aus, selbständiger Gewerbetreibender sei nur derjenige, der auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung tätig werde. Er beschaffe das Betriebskapital, leite die Erzeugung, veräußere die Arbeitserzeugnisse, trage Gewinn und Verlust und ihm obliege die unternehmerische Initiative. Folglich müsse der Inhaber der Gaststättenerlaubnis überwiegend selbst in der Lage sein, sein Geschäft zu betreiben. Bei der Gaststätte der Antragstellerin verhalte es sich so, dass andere Personen für sie einkauften, kochten, die Buchhaltung übernähmen, die Bestellung aufnähmen und Ansprechpartner für mögliche Beschwerden oder Rückfragen der Gäste seien. Aufgrund der völlig unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse der Antragstellerin resultierten Verständigungsprobleme, da sie selbst nicht auf Deutsch kommunizieren könne. Somit sei sie nicht in der Lage, das Geschäft selbst zu betreiben. Ein mögliches Strohmann-Verhältnis oder ähnliches sei nicht auszuschließen. Aus den beiden vorläufigen Erlaubnissen könne die Antragstellerin keinen Besitzstand herleiten. Die Tatsache, dass nach einem Zeitraum von vier Monaten, in welchem die Antragstellerin Sprachkurse besucht habe, keinerlei Verbesserung der Verständigung ersichtlich gewesen sei, lasse keine andere Schlussfolgerung zu, als dass die Antragstellerin zumindest auf kurz- und mittelfristige Sicht nicht in der Lage sein werde, die Sprachkenntnisse so zu verbessern, dass sie als selbständige Inhaberin der Erlaubnis fungieren könne.

II.

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Das Begehren der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Schließungsanordnung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2016 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig. Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

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1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schließungsanordnung vom 10. Mai 2016 ist in formeller Hinsicht zu beanstanden.

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1.1. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt (vgl. z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2016 – 8 B 866/15 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2015 – OVG 11 S 39.14 –, juris). Dementsprechend muss die Begründung nachvollziehbar machen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt mit der Folge, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Pauschale und nichts sagende formelhafte Wendungen genügen nicht.

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Allerdings kann sich das besondere öffentliche Vollziehungsinteresse im Einzelfall bereits aus denselben tatsächlichen Umständen ergeben, die auch den Erlass des Verwaltungsakts als solchen rechtfertigen. In diesem Fall darf die Begründung der Vollziehungsanordnung auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsakts Bezug nehmen, wenn daraus die besondere Dringlichkeit der Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bereits hinreichend deutlich hervorgeht und im Übrigen die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar wird (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 11 CS 14.2217 –; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 2 B 12027/90 –, NVwZ-RR 1991, 307).

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1.2. Diesen Vorgaben werden die Ausführungen im angefochtenen Bescheid letztlich nicht gerecht.

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Die Antragsgegnerin hat zur Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schließungsanordnung lediglich ausgeführt, nach der Sachverhaltsuntersuchung sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Interessen der Allgemeinheit zum Schutze der Rechtsgüter höher zu bewerten seien als die Interessen der Antragstellerin an dem Betreiben einer Gaststätte. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege daher im besonderen öffentlichen Interesse. Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wäre eine ungerechtfertigte Überbewertung der Interessen der Antragstellerin zu Lasten der Allgemeinheit. Diese Ausführungen sind lediglich allgemeiner Natur. Es fehlt eine auf den Einzelfall der Antragstellerin bezogene und substantiierte Darlegung der Gründe, warum gerade in ihrem Fall die sofortige Vollziehung der Schließungsanordnung ausnahmsweise angeordnet werden muss. Immerhin hat die Antragstellerin seit Mitte 2015 mit Unterbrechungen bis zum heutigen Tag die Gaststätte betrieben, ohne dass es wegen ihrer mangelnden deutschen Sprachkenntnisse aktenkundig zu Problemen gekommen ist. Darauf geht die Begründung des Sofortvollzugs mit keinem Wort ein.

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1.3. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (s. zuletzt Beschluss vom 20. Mai 2016 – 4 L 378/16.NW – m.w.N.) der Verstoß gegen die Bestimmung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Nachholen der Begründung im Laufe des gerichtlichen Eilverfahrens geheilt werden. Die Antragsgegnerin hat den Verfahrensverstoß in ihrer Antragserwiderungsschrift vom 9. Juni 2016 jedoch nicht repariert.

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1.4. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat grundsätzlich bereits dann Erfolg, wenn – wie hier – die Behörde der formellen Pflicht zur Begründung der Vollziehbarkeitsanordnung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Ob in diesem Fall lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben ist (so BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 – 1 DB 26.01 – juris; Bay. VGH, Beschluss vom 6. November 2014 – 10 CS 14.1796 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. September 2011 – 1 S 2554/11 –, NVwZ-RR 2012, 54) oder die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs uneingeschränkt wiederherzustellen ist (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. April 2013 – 1 M 19/13 –, juris; Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 80 Rn. 442) bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Kammer folgt der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 24. August 1994 – 7 B 12.083/94.OVG – juris; s. auch VG Trier, Beschluss vom 11. September 2014 – 6 L 1605/14.TR –, juris), wonach sich das Verwaltungsgericht nicht auf die Prüfung des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO beschränken darf, wenn – wie hier – das Begehren des Antragstellers auf die uneingeschränkte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für dieses weitergehende Begehren ist nämlich auch in dem Fall zu bejahen, in dem die Voraussetzungen für die Aufhebung der Vollziehungsanordnung vorliegen. Denn der von einem Verwaltungsakt Betroffene hat ein schutzwürdiges Interesse daran, möglichst rasch zu erfahren, ob dieser Verwaltungsakt für die gesamte Dauer des Hauptsacheverfahrens vollziehbar ist oder nicht. Im Übrigen sprechen Gründe der Prozessökonomie dafür, die Frage der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts möglichst umfassend zu klären. Die Kammer geht daher auch darauf ein, ob die aufschiebende Wirkung aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung wiederherzustellen ist.

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2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schließungsanordnung vom 10. Mai 2016 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch in materieller Hinsicht rechtswidrig.

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2.1. Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176).

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Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das private Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Schließungsanordnung das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung dieser Anordnung. Denn diese erweist sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig.

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2.2. Rechtsgrundlage für die Schließungsanordnung vom 10. Mai 2016 ist § 31 Gaststättengesetz – GastG –i. V. m. § 15 Abs. 2 Gewebeordnung – GewO –. Danach kann die Fortsetzung des Gaststättenbetriebs von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird.

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2.3. Die angefochtene Schließungsanordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

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2.3.1. Allerdings hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin vor Erlass der Anordnung gegen § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verstoßen. Danach ist einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Eine entsprechende Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Schließungsanordnung hat nicht stattgefunden.

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Gründe für ein Absehen von der Anhörungspflicht nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG sind nicht ersichtlich.

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2.3.2. Der Anhörungsverstoß ist jedoch inzwischen gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden. Denn die erforderliche Anhörung, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, ist im vorliegenden Eilverfahren nachgeholt worden. Zwar folgt die Kammer in Bezug auf diese Rechtsfrage nicht einer teilweise vertretenen Auffassung, nach der schon die Möglichkeit der Heilung genüge, da es keinen Grundsatz gebe, wonach die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für sich genommen stets seiner Vollziehung entgegenstehen würde, ohne dass es auf seine Rechtmäßigkeit in der Sache ankäme (so z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 2014 – 7 CS 14.275 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 16 B 718/13 –, juris). Auch teilt das Gericht nicht die weitere Ansicht, wonach Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich keine nachträgliche Anhörung im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG seien (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14/09 –, NVwZ 2011, 115; Hess. VGH, Beschluss vom 23. September 2011 – 6 B 1701/11 –, NVwZ-RR 2012, 163). Vielmehr ist die Kammer der Meinung, dass eine schriftsätzliche Stellungnahme der Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren eine Nachholung der Anhörung dann bewirken kann, wenn sich die Behörde in ihrem Schriftsatz nicht nur auf die Verteidigung der einmal getroffenen Verwaltungsentscheidung beschränkt, sondern eindeutig und klar zu erkennen gibt, dass sie ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer erneuten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Verfügung aufrechterhalten bleibt (vgl. z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 15 CS 15.1740 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –, NWVBl 2014, 322; OVG Sachsen, Beschluss vom 2. Februar 2012 – F 7 B 278/11 –, juris).

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Hiervon ausgehend hat die Antragsgegnerin den Anhörungsmangel in ihrer Antragserwiderungsschrift vom 9. Juni 2016 geheilt. Sie hat darin eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie das Vorbringen der Antragstellerin in deren Widerspruchsschreiben und der Antragsbegründung im Eilverfahrenzur Kenntnis genommen und gewürdigt hat, aber dennoch bei ihrer Entscheidung verblieben ist, die Schließungsanordnung aufrechtzuerhalten.

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2.4. Die Kammer hält die Schließungsanordnung jedoch in materieller Hinsicht für offensichtlich rechtswidrig.

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2.4.1. Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 GastG i. V. m. § 15 Abs. 2 GewO vor. Die Antragstellerin betreibt ihre Gaststätte ohne die dafür erforderliche Erlaubnis. Die zuletzt mit Bescheid vom 15. Januar 2016 auf Grund von § 11 GastG vorläufig erteilte Erlaubnis zum Betreiben der Gaststätte „A“ in Bad Dürkheim ist mit dem Ablauf des 30. April 2016 gegenstandslos geworden. Seitdem führt die Antragstellerin die Schank- und Speisewirtschaft ohne die dafür erforderliche gaststättenrechtliche Erlaubnis, also formell illegal. Da die Antragsgegnerin im Bescheid vom 10. Mai 2016 auch den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Gaststättenerlaubnis abgelehnt hat, verfügt die Antragstellerin gegenwärtig somit nicht über die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG erforderliche Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft.

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2.4.2. Die Anordnung der Betriebsschließung ist aber ermessensfehlerhaft ergangen.

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2.4.2.1. § 15 Abs. 2 GewO gibt der zuständigen Behörde nicht zwingend vor, dass die Fortsetzung eines ohne die erforderliche Erlaubnis betriebenen Gewerbes zu unterbinden ist, sondern belässt nach der Formulierung der Vorschrift einen Entscheidungsspielraum. Der Behörde ist ein doppeltes Ermessen eröffnet, nämlich hinsichtlich des „Ob“ des Tätigwerdens, das sog. Entschließungsermessen, und hinsichtlich des „Wie“ des Tätigwerdens, das sog. Auswahlermessen (vgl. Leisner in: BeckOK GewO, Stand Oktober 2015, § 15 Rn. 34). Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat die Behörde auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Verwaltung zu beachten. Sie hat zu berücksichtigen, dass eine Unterbindung des Betriebes häufig nicht nur den Betriebsinhaber, sondern ebenso schwer oder noch schwerer die im Betrieb beschäftigten Personen trifft. Ferner hat die Behörde beim Entschließungsermessen grundsätzlich danach zu differenzieren, ob das Gewerbe ohne formale Erlaubnis betrieben wird, der Gewerbetreibende aber in seiner Person und seinen Einrichtungen alle Voraussetzungen erfüllt, die für die Erteilung der erforderlichen Erlaubnis erforderlich sind oder ob der Gewerbetreibende diese Voraussetzungen in materieller Hinsicht nicht erfüllt (vgl. Marcks in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand Januar 2016, § 15 Rn. 14).

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Für den Fall, dass der Gewerbetreibende sein Gewerbe lediglich formell rechtswidrig ausübt, jedoch grundsätzlich alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung in seiner Person vorliegen, ist es nach einer Ansicht ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde sofort eine Schließungsanordnung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO ausspricht (so z.B. Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 15 Rn. 15; VG München, Urteil vom 28. Juni 2011 – M 16 K 11.1074 –, juris). Demgegenüber wird in Rechtsprechung und Literatur überwiegend die Auffassung, der die beschließende Kammer folgt, vertreten, dass im Fall bloßer formeller Illegalität die Untersagungsverfügung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO grundsätzlich ermessensfehlerfrei sei. Ausnahmen lägen aber dann vor, wenn die erforderliche Erlaubnis bereits beantragt sei oder alsbald beantragt werde und die ausreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis vorliegen bzw. einem Antrag mit Sicherheit stattgegeben werden müsste (vgl. z.B. VG München, Urteil vom 24. Juni 2014 – M 16 K 14.585 –, juris; VG Darmstadt, Beschluss vom 8. Oktober 2013 – 7 L 646/13.DA –, juris; Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 12. Auflage 1995, § 2 Rn. 16 m.w.N.) oder wenn im Fall einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung eine weitergehende materielle Prüfung wegen einer ansonsten drohenden Existenzgefährdung geboten sei (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei Leisner in: BeckOK GewO, a.a.O., § 15 Rn. 38).

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Ist neben der formellen Illegalität zusätzlich auch noch die materielle Rechtswidrigkeit gegeben, d.h. der Gewerbetreibende erfüllt in seiner Person nicht die Voraussetzungen zur Erteilung einer Genehmigung, ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich von einem intendierten Entschließungsermessen der Behörde auszugehen. Liegen keine besonderen Umstände vor, die der Behörde (ausnahmsweise) eine andere Entscheidungsmöglichkeit eröffnen, ist die Schließung des Betriebs die vom Gesetz vorgezeichnete behördliche Entscheidung. Einer näheren Begründung für das Tätigwerden der Behörde bedarf es in diesen Fällen daher regelmäßig nicht (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10. Februar 2014 – 7 ME 105/13 –, juris; Hess. VGH, Beschluss vom 20. Februar 1996 – 14 TG 430/95 –, GewArch 1996, 291, 292; VG München, Urteil vom 10. Februar 2015 – M 16 K 14.4508 –, juris). Es genügt für die zu fordernde Begründung vielmehr gewöhnlich der Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften und die darin für den Regelfall vorgesehene Entscheidung sowie darauf, dass besondere Umstände, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 40, Rn. 45 m.w.N.).

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2.4.2.2. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Schließung der Gaststätte der Antragstellerin zum 31. Mai 2016 anzuordnen, offensichtlich rechtswidrig. Ob dies bereits aus dem Umstand folgt, dass die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Formulierungen im Tenor und der Begründung des Bescheids vom 10. Mai 2016 („…die Gaststätte ist spätestens mit Ablauf des 31. Mai 2016 zu schließen“) möglicherweise irrtümlich von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist, kann offen bleiben. Selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin noch von einer – nicht näher begründeten – (intendierten) Ermessensentscheidung ausgehen würde, lag nach Ansicht der Kammer zumindest ein Ausnahmefall vor, der der Antragsgegnerin eine andere Entscheidungsmöglichkeit hätte eröffnen können. Deshalb konnte hier nicht von einer näheren Begründung der Ermessensentscheidung abgesehen werden.

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a. Ausschließliches Kriterium für die angeordnete Schließung der Gaststätte – und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Versagung der Gaststättenerlaubnis – waren für die Antragsgegnerin die mangelnden Deutschkenntnisse der Antragstellerin. Nach Ansicht der Antragsgegnerin fehlt es der Antragstellerin infolge der Sprachprobleme an der selbständigen Ausübung eines Gewerbes. Ohne Erfüllung des Gewerbebegriffs besitze die Antragstellerin nicht die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Die Antragsgegnerin ist somit (auch) von einem materiell rechtswidrigen Gaststättenbetrieb der Antragstellerin ausgegangen. Fehlende oder unzureichende Deutschkenntnisse rechtfertigen nach Meinung der Kammer jedoch nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin.

37

b. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist die Gaststättenerlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten lässt, dass er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmissbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird. Ferner ist die Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, dass er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.

38

c. Als unzuverlässig im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist im Allgemeinen ein Gewerbetreibender dann anzusehen, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß, d.h. im Einklang mit dem geltenden Recht betreibt (s. z.B. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146/80 –, NVwZ 1982, 503). Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Dezember 2010 - 6 B 11259/10.OVG - m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen nur erhebliche Verstöße die Verneinung der Zuverlässigkeit (BVerwG, Beschluss vom 31. August 1970 – I B 60.70 –, GewArch 1972, 29). Das Gewährbieten erfordert eine Prognose aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen auf das wahrscheinliche zukünftige Verhalten des Gewerbetreibenden (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1997 – 1 B 34/97 –, GewArch 1997, 243).

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d. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die mangelnde Zuverlässigkeit eines Gastwirts nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Gewerbetreibende nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt. Das Gaststättenrecht stellt ebenso wie das allgemeine Gewerberecht grundsätzlich keine Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse (vgl. Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 BewachV, Rn. 1). Gemäß § 1 Abs. 1 GewO ist der Betrieb eines Gewerbesjedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind.

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a.a. Was zunächst Angehörige eines anderen EU-Staates („Unionsbürger“) anbetrifft, so können diese die im Primärrecht niedergelegten Grundfreiheiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV –), der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) in Anspruch nehmen. Generelle Beschränkungen in anderen EU-Ländern im Falle fehlender Sprachkenntnisse von Unionsbürgern gibt es nicht. Maßgebend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles. So hat der Europäische Gerichtshof im Jahre 2006 entschieden, dass es Art. 3 der Richtlinie 98/5/EG (inzwischen geändert mit Richtlinie 2013/25/EU) zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, zuwiderläuft, wenn ein Mitgliedstaat die Eintragung von Rechtsanwälten, die ihre Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben und unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig sein wollen, bei der zuständigen Stelle von einer vorherigen Überprüfung von Sprachkenntnissen abhängig macht (Urteil vom 19. September 2006 – C-506/04 –, NJW 2006, 3697). Ferner hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die zuständigen Stellen eines Mitgliedstaats die Kassenzulassung eines Zahnarztes, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist und der im erstgenannten Mitgliedstaat niedergelassen und approbiert ist, aber kein in Art. 3 der Richtlinie 78/686/EWG genanntes Diplom besitzt, davon abhängig machen dürfen, dass dieser Zahnarzt die Sprachkenntnisse hat, die er für die Ausübung seiner Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat braucht (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2000 – C-424/97 –, NVwZ 2001, 903). Nach Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2013/55/EG müssen Berufsangehörige, deren Berufsqualifikation anerkannt wird, über die Sprachkenntnisse verfügen, die für die Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat erforderlich sind. Nach Art. 53 Abs. 3 Satz 2 der genannten Richtlinie können Überprüfungen erforderlicher Sprachkenntnisse nach Abs. 1 nur vorgeschrieben werden, wenn „erhebliche und konkrete Zweifel daran bestehen, dass der Berufsangehörige hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit, die der Berufsangehörige auszuüben beabsichtigt, über ausreichend Sprachkenntnisse verfügt“. Das Erfordernis bestimmter Sprachkenntnisse bei Unionsbürgern genügt als zwingendes Erfordernis folglich nur insoweit, als die Kommunikation zwischen Erbringer und Empfänger der Dienstleistung eine für die gewissenhafte Leistungserbringung unabdingbare Voraussetzung ist, z. B. Aufklärungs- und Unterrichtungspflichten (Pielow in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Einleitung EU Rn. 63).

41

b.b. Was Ausländer aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union anbetrifft, gestattet § 1 GewO ihnen, wie bereits erwähnt, den Betrieb eines Gewerbes in Deutschland ebenso wie deutschen Staatsangehörigen und EU-Bürgern. Ob sie dazu einer ausländerrechtlichen Erlaubnis bedürfen, bestimmt sich nach der Art der unternehmerischen Aktivität in Deutschland. Einzelunternehmer wie die Antragstellerin, die als Ausländer in Deutschland selbständig tätig sein möchten, benötigen eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach § 21 Aufenthaltsgesetz – AufenthG –. Über einen solchen Titel verfügt die Antragstellerin, denn dieser wurde ihr im Juli 2013 von der Ausländerbehörde der Stadt Reutlingen ausgestellt. Über welche deutschen Sprachkenntnisse ein Ausländer aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union verfügen muss, um einen Gewerbebetrieb führen zu können, trifft die Gewerbeordnung keine generelle Regelung. Wer in Deutschland den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 GewO grundsätzlich nur anzeigen.

42

Für bestimmte gewerbliche Tätigkeit sieht die Gewerbeordnung allerdings eine Erlaubnispflicht vor. So bestimmt z.B. § 34a GewO, dass einer Erlaubnis der zuständigen Behörde bedarf, wer gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will (Bewachungsgewerbe). Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GewO ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, dass er über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen Vorschriften unterrichtet worden ist und mit ihnen vertraut ist. Hierzu bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 1 BewachungsverordnungBewachV –, dass die Unterrichtung mündlich erfolgt und die zu unterrichtende Person über die zur Ausübung der Tätigkeit und zum Verständnis des Unterrichtungsverfahrens unverzichtbaren deutschen Sprachkenntnisse verfügen muss. Sprachunkundige können von der Unterrichtung daher ausgeschlossen werden (Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 BewachV, Rn. 1). Diese Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse ergeben sich zwingend aus dem in den Anlagen 2 und 3 der Verordnung niedergelegten komplizierten Unterrichtsstoff, der von Dozenten vorgetragen wird und daher von den Teilnehmern verstanden werden muss. Deutsche Sprachkenntnisse sind insbesondere auch wegen der Umsetzung des Unterrichtsstoffes in der Praxis von erheblicher Bedeutung. Nicht oder missverstandene Befehle bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben, Unkenntnis zu beachtender deutscher Rechtsnormen können schwerwiegende Konsequenzen für das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum der bewachten Personen haben. Die Hinzuziehung eine Dolmetschers scheidet hier wegen der besonders gelagerten Situation aus (Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 3 BewachV, Rn. 1).

43

Als Nachweis einer nach der Gewerbeordnung erforderlichen Sachkundeprüfung oder Unterrichtung (wie die nach § 34a GewO) werden gemäß § 13c GewO unter dort näher genannten Bedingungen im Ausland erworbene Befähigungs- und Ausbildungsnachweise anerkannt. Damit wird ein allgemeiner Anspruch auf Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation im Bereich der Gewerbeordnung eingeführt. § 13c GewO enthält zwar keine ausdrücklichen Vorgaben hinsichtlich der Überprüfung von gegebenenfalls notwendigen deutschen Sprachkenntnissen, so dass die Feststellung der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation wegen unzureichender Sprachkenntnisse grundsätzlich nicht verweigert werden darf. Allerdings ist ergänzend – als quasi allgemeine, ungeschriebene Anerkennungsvoraussetzung – der obligatorische Nachweis über den Besitz der erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse erforderlich (Pielow in: BeckOK GewO a.a.O., § 13c Rn. 15). Orientiert an den Maßgaben der oben genannten Richtlinie 2013/55/EG dürfen die Anforderungen an den Nachweis der Sprachkenntnisse gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei Ausländern aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union aber nicht über die für die Ausübung des konkreten Berufs im allgemeinen Interesse erforderlichen Sprachkenntnisse hinausgehen (vgl. Stenger in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 13c Rn. 15 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 4. Juli 2000 – C-424/97 –, NVwZ 2001, 903).

44

c.c. Das Gaststättengesetz verlangt in keiner Vorschrift ausdrücklich Kenntnisse der deutschen Sprache als unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis. Zwar bestimmt § 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG, dass die Gaststättenerlaubnis zu versagen ist, wenn der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, dass er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann. Zum Unterrichtungsnachweis hat der Bundeswirtschaftsminister die Allgemeine Verwaltungsvorschrift über den Unterrichtungsnachweis im Gaststättengewerbe (Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 1981, Bundesanzeiger 1981 Nr. 39, berichtigt mit Bundesanzeiger 1981 Nr. 52) – GastUVwV – erlassen. Gemäß Nr. 3.1 GastUVwV soll die Unterrichtung die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse vermitteln. Die Unterrichtung erfolgt in der Regel für das Verabreichen von Getränken und zubereiteten Speisen und soll sich erstrecken auf die jeweils einschlägigen Grundzüge der Hygienevorschriften einschließlich des Bundesseuchengesetzes, des Lebensmittelgesetzes und der darauf gestützten Verordnungen, des Fleischbeschaugesetzes und der darauf gestützten Verordnungen, des Milchrechts, des Getränkerechts, insbesondere des Weinrechts und des Bierrechts und des Getränkeschankanlagenrechts (Nr. 3.2 GastUVwV). Zweck des Unterrichtungsnachweises ist der Schutz der Gäste vor den Gefahren für die Gesundheit, die aus der Verletzung lebensmittelrechtlicher Vorschriften im Gaststättengewerbe erwachsen können, sowie der Schutz vor Täuschung und Irreführung (Nr. 3.3 GastUVwV). Die Unterrichtung erfolgt mündlich und darf nicht lediglich in der Übergabe eines Merkblattes bestehen (Nr. 3.3.1 GastUVwV). Die Unterrichtung darf die Dauer von sechs Stunden nicht überschreiten. In besonderen Fällen, z. B. wenn die Zuziehung eines Dolmetschers erforderlich ist, kann die Unterrichtung bis zu acht Stunden dauern. Sie muss innerhalb eines Tages erfolgen (Nr. 3.3.2 GastUVwV).

45

d.d. Die Zulässigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers unterstreicht, dass ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache kein maßgebliches Kriterium ist, um die Ausstellung einer Gaststättenerlaubnis zu versagen. Da die Industrie- und Handelskammer Pfalz der Antragstellerin mit Bescheinigung vom 23. Juni 2015 bestätigt hat, dass sie über die Grundzüge der für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann, muss davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin die Unterrichtung mit oder ohne Dolmetscher verstanden hat und gegebenenfalls ihre dort erworbenen Kenntnisse dem von ihr angestellten Personal, soweit notwendig, weitervermitteln kann. Da die Industrie- und Handelskammer Pfalz mit weiterer Bescheinigung vom 23. Juni 2015 auch bestätigt hat, dass die Antragstellerin an einer Schulung nach § 4 Lebensmittelhygiene-VerordnungLMHV – teilgenommen und dabei ihre bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten vertieft hat, kann unterstellt werden, dass die Antragstellerin auch dieser Schulung hat folgen können.

46

e.e. Schließlich ergeben sich auch aus dem Musterentwurf des Bund-Länder-Ausschusses „Gewerberecht“ der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Anwendung des Gewerberechts auf Ausländer – AuslgewVwV – keine Anhaltspunkte für das Erfordernis von ausreichenden Deutschkenntnissen als Voraussetzung für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis. Nr. 1.1 AuslgewVwV bestimmt lediglich, dass für die Ausübung eines Gewerbes durch Ausländer oder ausländische juristische Personen grundsätzlich die allgemeinen gewerberechtlichen Vorschriften (z.B. die §§ 1, 14, 35 GewO) gelten. An die persönliche Zuverlässigkeit eines Ausländers sind daher die gleichen Anforderungen wie bei Deutschen im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 Grundgesetz – GG – zu stellen. Im Übrigen dürfen Ausländer ein Gewerbe nur betreiben, sofern ausländerrechtliche Vorschriften nicht entgegenstellen.

47

f.f. Die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin kann entgegen der Antragsgegnerin auch nicht damit begründet werden, diese sei wegen ihrer nicht ausreichenden Deutschkenntnissen nicht in der Lage, ihr Geschäft selbst zu betreiben und auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung tätig zu werden. Es sind weder Steuerrückstände noch lebensmittelrechtliche Verstöße aktenkundig. Es steht der Antragstellerin auch frei, als selbständig Gewerbetreibende sich der Hilfe Dritter z.B. beim Einkauf, beim Kochen oder bei der Bestellung in der Gaststätte zu bedienen. Soweit die Antragsgegnerin auf mögliche Verständigungsprobleme mit Kunden etwa bei der Bestellung von Speisen in ihrer Gaststätte hingewiesen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer Unzuverlässigkeit. Die Antragstellerin hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen. Die Antragsgegnerin kann diesbezüglich die Gaststättenerlaubnis der Antragstellerin gegebenenfalls mit einer Auflage nach § 5 GastG versehen, während der Öffnungszeiten der Gaststätte sicherzustellen, dass jederzeit deutsch sprechendes Personal anwesend zu sein hat. Es ist aber gewerberechtlich unverhältnismäßig, von der Antragstellerin zu verlangen, als für die Gaststätte Verantwortliche selbst über ausreichende Deutschkenntnisse zu verfügen, um eine erlaubnispflichtige Gaststätte betreiben zu dürfen.

48

g.g. Kann daher im Ergebnis die vermeintliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin nicht mit ihren fehlenden Deutschkenntnissen begründet werden und steht der Erteilung einer Gaststättenerlaubnis auch nicht der Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG entgegen, fehlt es an der materiellen Rechtswidrigkeit des Gaststättenbetriebs mit der Folge, dass die Antragsgegnerin nicht von einem intendierten Entschließungsermessen ausgehen durfte. Es liegt hier „nur“ der Fall einer bloßen formellen Illegalität des Gaststättenbetriebs vor. Da die Antragstellerin am 29. April 2016 die erforderliche Gaststättenerlaubnis beantragt hat und nach dem oben Gesagten auch die ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis vorliegen, ist der Erlass einer Schließungsanordnung ermessensfehlerhaft. Insbesondere verstößt diese gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Antragstellerin hat gemäß dem geschlossenen Mietvertrag pro Monat über 2.000 € Pacht zu zahlen. Sie beschäftigt mehrere Mitarbeiter und hat zwei Kinder zu versorgen. Eine Schließung der Gaststätte zum jetzigen Zeitpunkt hätte für die Antragstellerin möglicherweise irreparable Folgen.

49

Die genannten Umstände hätten die Antragsgegnerin zu einer näheren Ermessensüberlegung in Bezug auf die Schließungsanordnung zwingen müssen. Da die Antragsgegnerin jedoch keine Ermessenserwägungen dazu angestellt haben, liegt ein Ermessensfehler vor, der zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Schließungsanordnung führt.

50

2.5. Selbst wenn man aber zugunsten der Antragsgegnerin vorliegend von einem offenen Ausgang in der Hauptsache ausgehen und die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges der Schließungsanordnung auf die Durchführung einer reinen Interessenabwägung beschränken würde (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176), gelangt die Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Aus der Verwaltungsakte ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die einstweilige Fortführung des Betriebs aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse der Antragstellerin zu Gefahren für die Gesundheit der Gäste führen könnte. Ebenso wenig ist momentan damit zu rechnen, dass die Antragstellerin wegen fehlender ausreichender Deutschkenntnisse nicht in der Lage oder willens sein wird, ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen. Da die Antragstellerin derzeit weiterhin Deutschkurse an der Volkshochschule Bad Dürkheim belegt, ist auch davon auszugehen, dass sie bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ihre Deutschkenntnisse weiter verbessern wird. Die vorzunehmende Interessenabwägung des Gerichts führt daher zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Antragstellerin an einer vorläufigen Fortführung ihres Gewerbebetriebs zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz dem öffentlichen Vollziehungsinteresse an der Schließungsanordnung vorgehen muss.

51

Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

52

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nrn. 1.5, 54.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013 ((LKRZ 2014, 169).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Gewerbeordnung - GewO | § 35 Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit


(1) Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bez

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 45 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;2. die erforderliche Be

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 28 Anhörung Beteiligter


(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach de

Gewerbeordnung - GewO | § 34a Bewachungsgewerbe; Verordnungsermächtigung


(1) Wer gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will (Bewachungsgewerbe), bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutz der Allgemeinheit oder der Auftraggebe

Gewerbeordnung - GewO | § 14 Anzeigepflicht; Verordnungsermächtigung


(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn1.der Betrieb verlegt wird,2.der Gegen

Gaststättengesetz - GastG | § 4 Versagungsgründe


(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn 1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene

Gewerbeordnung - GewO | § 15 Empfangsbescheinigung, Betrieb ohne Zulassung


(1) Die Behörde bescheinigt innerhalb dreier Tage den Empfang der Anzeige. (2) Wird ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben, so kann die

Gaststättengesetz - GastG | § 5 Auflagen


(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze 1. der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,2. der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit o

Gaststättengesetz - GastG | § 2 Erlaubnis


(1) Wer ein Gaststättengewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis. Die Erlaubnis kann auch nichtrechtsfähigen Vereinen erteilt werden. (2) Der Erlaubnis bedarf nicht, wer 1. alkoholfreie Getränke,2. unentgeltliche Kostproben,3. zubereitete Spei

Gewerbeordnung - GewO | § 1 Grundsatz der Gewerbefreiheit


(1) Der Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. (2) Wer gegenwärtig zum Betrieb eines Gewerbes berechtigt ist, kann von demselben nicht desha

Gaststättengesetz - GastG | § 31 Anwendbarkeit der Gewerbeordnung


Auf die den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegenden Gewerbebetriebe finden die Vorschriften der Gewerbeordnung soweit Anwendung, als nicht in diesem Gesetz besondere Bestimmungen getroffen worden sind; die Vorschriften über den Arbeitsschutz werd

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Bewachungsverordnung - BewachV

Gaststättengesetz - GastG | § 11 Vorläufige Erlaubnis und vorläufige Stellvertretungserlaubnis


(1) Personen, die einen erlaubnisbedürftigen Gaststättenbetrieb von einem anderen übernehmen wollen, kann die Ausübung des Gaststättengewerbes bis zur Erteilung der Erlaubnis auf Widerruf gestattet werden. Die vorläufige Erlaubnis soll nicht für eine

Gewerbeordnung - GewO | § 13c Anerkennung von ausländischen Befähigungsnachweisen


(1) Als Nachweis einer nach der Gewerbeordnung erforderlichen Sachkundeprüfung oder Unterrichtung werden im Ausland erworbene Befähigungs- und Ausbildungsnachweise anerkannt, die von einer zuständigen Behörde im Ausbildungsstaat ausgestellt worden si

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(1) Leicht verderbliche Lebensmittel dürfen nur von Personen hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, die auf Grund einer Schulung nach Anhang II Kapitel XII Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über ihrer jeweiligen Tätigkeit

Bewachungsverordnung - BewachV 2019 | § 3 Angaben bei der Antragstellung


(1) Mit einem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 34a Absatz 1 der Gewerbeordnung hat die den Antrag stellende Person der zuständigen Behörde folgende Angaben zu übermitteln: 1. Angaben zu natürlichen Personen; auch zu den mit der Leitung des

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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 05. Juli 2017 - 4 L 603/17.NW

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Tenor Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die hafenrechtliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 4. April 2017 wird hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 wiederhergestellt sowie hinsichtlich der Ziffer 5 angeordnet.

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. September 2014 wird in Nr. I abgeändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2. September 2014 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 21. November 2014 wird unter folgender Auflage wiederhergestellt bzw. angeordnet:

Der Antragsteller

1. meldet sich sofort für ein Fahreignungsseminar nach § 4a StVG, § 42 FeV an und nimmt an allen Modulen und Sitzungen teil,

2. legt dem Landratsamt O. zum Nachweis der Anmeldung binnen 10 Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses an seinen Bevollmächtigten eine von dem/den Seminarträgern verbindlich bestätigte Anmeldung zu der verkehrspädagogischen und verkehrspsychologischen Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars vor,

3. a) legt dem Landratsamt O. zum Nachweis der Teilnahme an der verkehrspädagogischen Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars nach § 42 Abs. 3 und 4 FeV (Module 1 und 2) sowie an der Sitzung 1 der verkehrspsychologischen Teilmaßnahme nach § 42 Abs. 6 und 7 FeV binnen eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses an seinen Bevollmächtigten jeweils eine schriftliche Bestätigung des Seminarträgers vor,

b) legt dem Landratsamt O. zum Nachweis der Teilnahme an der Sitzung 2 der verkehrspsychologischen Teilmaßnahme nach § 42 Abs. 6 und 8 FeV binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses an seinen Bevollmächtigten eine schriftliche Bestätigung des Seminarträgers vor.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen unter Abänderung von Nr. II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts der Antragsteller zu einem Drittel und der Antragsgegner zu zwei Dritteln.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Mit Bescheid vom 23. März 2009 entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis der Klassen A und CE sowie sämtlicher darin enthaltener Klassen. Der Antragsteller hatte am 21. Juli 2007 18 oder mehr Punkte im damaligen Verkehrszentralregister erreicht. Den Punkten lagen verschiedene Verkehrsordnungswidrigkeiten zugrunde (2007 zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen, 2006 eine Geschwindigkeitsüberschreitung, Fahren ohne Sicherheitsgurt sowie Überladung, 2005 eine Geschwindigkeitsüberschreitung, mangelhafte Bereifung und unzureichende Ladungssicherung sowie eine Überschreitung der Frist für die HU, 2004 Telefonieren am Steuer und 2002 ein Rotlichtverstoß). Einen dagegen eingelegten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 18. Mai 2009 abgelehnt (Au 7 S 09.513). Die Klage gegen den Bescheid vom 23. März 2009 nahm der Antragsteller daraufhin zurück.

Das Amtsgericht München verhängte mit Strafbefehl vom 7. Oktober 2009, rechtskräftig seit 15. Oktober 2009, wegen eines am 21. November 2008 begangenen Vergehens des fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen gegen den Antragsteller. Die Gültigkeit seiner Fahrerlaubnis der Klasse CE war am 7. Februar 2007 abgelaufen.

Auf seinen Antrag vom 19. August 2009 erteilte ihm die Fahrerlaubnisbehörde am 9. November 2009 die Fahrerlaubnis der Klassen A, BE, C1E, CE, M, S, L und T wieder. Dafür hatte er ein medizinisch-psychologisches Gutachten der A. GmbH vom 1. Oktober 2009 vorgelegt. Der Gutachter stellte fest, es sei zu erwarten, dass der Antragsteller auch zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Es bestehe jedoch begründete Aussicht, dass diese Einstellungsmängel durch die Teilnahme an einem Kurs nach § 70 FeV behoben werden könnten. Der Antragsteller nahm daraufhin an einem solchen Kurs teil und legte eine Teilnahmebestätigung vom 8. November 2009 vor.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass der Antragsteller vier Punkte im Fahreignungsregister erreicht habe. Folgende Taten seien gespeichert:

Tattag

Rechtskraft

OWi/Straftat

Punktezahl

21.11.2008

15.10.2009

Fahrlässiges Fahren ohne Fahrerlaubnis, Lkw mit Anhänger

6 P., wegen FE-Entzug gelöscht

11.2.2010

27.3.2010

Benutzung eines Mobiltelefons als Führer eines Kfz bis 3,5t

1 P. alt

17.3.2011

5.7.2011

Höchstgeschwindigkeit innerorts mit Kfz über 3,5t um 16 km/h überschritten

1 P. alt

2.5.2011

27.10.2011

Ladung ungenügend gesichert bei Kfz über 7,5t

1 P. alt

10.5.2012

31.7.2012

Inbetriebnahme eines Lkw mit Verstoß gegen Verkehrssicherheit (Bremsen)

3 P. alt

19.2.2013

5.4.2013

Benutzung eines Mobiltelefons als Führer eines Pkw

1 P. alt

1.5.2014

Umrechnung von 7 Punkte alt auf 3 Punkte neu (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG)

10.2.2014

25.3.2014

Benutzung eines Mobiltelefons als Führer eines Kfz über 3,5t

1 P. neu

Mit Schreiben vom 2. Juni 2014 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller unter Auflistung der ab 2010 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten auf, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung/Medizinisch-Psychologische Untersuchungsstelle beizubringen. Er habe zwischenzeitlich erneut sechs Mal gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen. Die Prognose des Gutachtens aus 2009 sei damit eindeutig widerlegt. Nachdem er das komplette Punktesystem bereits einmal durchlaufen und dies offensichtlich keinerlei Einfluss auf sein Verhalten im Straßenverkehr gehabt habe, sei die Behörde zu dem Schluss gekommen, dass nicht die Maßnahmen des neuen Fahreignungsbewertungssystems, sondern gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 4 FeV eine neuerliche Fahreignungsüberprüfung angebracht sei. Der Antragsteller legte kein Gutachten vor.

Daraufhin entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde mit Bescheid vom 2. September 2014 die Fahrerlaubnis sämtlicher Klassen (Nr. 1). Sie verpflichtete ihn, seinen Führerschein spätestens drei Tage nach Zustellung des Bescheids abzuliefern (Nr. 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. 2 des Bescheids an (Nr. 3). In den Gründen des Bescheids führte sie unter Nr. IV aus, dass die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 dieses Bescheids nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet werde, da ein dringendes öffentliches Interesse daran bestehe, dass der Antragsteller nicht weiter am motorisierten Straßenverkehr teilnehme.

Über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. September 2014 ist nach Aktenlage noch nicht entschieden. Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 30. September 2014 abgelehnt.

Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde erhoben. Der Sofortvollzug sei hinsichtlich der Nr. 1 des Bescheids überhaupt nicht angeordnet worden. Darüber hinaus sei er nach § 80 Abs. 3 VwGO nicht hinreichend begründet worden. Des Weiteren fehle es an einer ordnungsgemäßen Interessenabwägung. Die Voraussetzungen zu einem Vorgehen außerhalb des Punktesystems lägen nicht vor. Dazu bedürfe es einer Einzelfallbetrachtung und der Abwägung der konkreten Umstände. Die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei rechtswidrig gewesen, da sie keine ausreichende Begründung enthalte, weshalb vom Punktesystem abgewichen werde. Es würden keine wiederholten Verstöße i. S. d. § 11 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 2 FeV vorliegen. Der Antragsteller begehe nicht beharrlich und häufig die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Verkehrsordnungswidrigkeiten, er sei weder ein notorischer Raser noch fahre er unter Alkoholeinfluss. Das Ermessen sei nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden. Innerhalb der letzten 24 Monate habe er nur zwei Ordnungswidrigkeiten begangen, die zur Eintragung jeweils eines Punktes geführt hätten. Es hätte ausgereicht, das Absolvieren eines Seminars zum Abbau von Punkten anzuordnen.

Mit Bescheid vom 21. November 2014 hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids vom 2. September 2014 angeordnet. Im Bescheid vom 2. September 2014 sei versehentlich nur die sofortige Vollziehung der Nr. 2 angeordnet worden. Es handele sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, da in der Begründung von Nrn. 1 und 2 die Rede sei. Im Übrigen tritt er der Beschwerde entgegen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO das form- und fristgerechte Beschwerdevorbringen berücksichtigt, ist mit der Maßgabe begründet, dass die Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 2. September 2014 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 21. November 2014 mit Auflagen im Sinne von § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO zu verbinden war.

1. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 2. September 2014 in der Gestalt, die er durch den Ergänzungsbescheid vom 21. November 2014 gefunden hat. Der Antragsgegner hat den Ergänzungsbescheid mit Schriftsatz vom 25. November 2014 in das Beschwerdeverfahren eingeführt. Im Rahmen der Beschwerde sind Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde zu berücksichtigen, selbst wenn sie vom Beschwerdegegner geschaffen wurden (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 146 Rn. 42).

2. Die Anordnung des Sofortvollzugs genügt den formellen Anforderungen. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt, a. a. O. Rn. 36). Ein solcher Fall lag hier aus Sicht des Antragsgegners vor. Er hat vor diesem Hintergrund unter Nr. IV des Bescheids vom 2. September 2014 und unter Nr. II des Bescheids vom 21. November 2014 zwar knapp, aber ausreichend, das besondere Interesse am sofortigen Vollzug begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt.

3. Das Beschwerdevorbringen führt zu einer Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, da eine eigenständige gerichtliche Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs ergibt, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs unter Auflagen wiederhergestellt bzw. angeordnet werden kann.

Der Widerspruch wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein, denn gegen die Gutachtensanordnung vom 2. Juni 2014 bestehen rechtliche Bedenken.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) vom 5. März 2003 (BGBl S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl S. 3313), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 18. Dezember 2010 (BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. April 2014 (BGBl S. 348), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Behörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn ein gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beigebracht wird. Der Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, U. v. 5.7.2001 - 3 C 13.01 - NJW 2002, 78). Diese Anforderungen sind hier bei summarischer Prüfung nicht erfüllt.

Gegen die Anordnung vom 2. Juni 2014 bestehen durchgreifende Bedenken. Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 FeV vor. Danach kann die Beibringung eines Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden, wenn wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen wurde. Dies ist beim Antragsteller der Fall, denn es sind sechs Verkehrsordnungswidrigkeiten im Fahreignungsregister eingetragen, auf die der Antragsgegner die Anordnung gestützt hat. Ob die Verstöße erheblich waren, ist nicht entscheidungserheblich, denn die Behörde hat sich auf mehrere Verstöße und nicht nur auf einen einzelnen erheblichen Verstoß nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 FeV bezogen.

Gegen die Anordnung bestehen jedoch rechtliche Bedenken dahingehend, ob die Fahrerlaubnisbehörde das in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV eröffnete Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt hat, mithin das Vorgehen außerhalb des Punktsystems ausreichend und zutreffend begründet hat.

Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls festzulegen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV muss die Behörde dem Betroffenen die Gründe für die Zweifel an seiner Eignung darlegen. Dabei sind an die Fragestellung und die Begründung strenge Anforderungen zu stellen, denn eine Gutachtensaufforderung ist nicht selbstständig anfechtbar und muss dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Anordnung rechtmäßig ist (BayVGH, B. v. 27.11.2012 - 11 ZB 12.1596 - juris Rn. 10; NdsOVG, U. v. 8.7.2014 - 12 LC 224/13 - juris Rn. 47). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gewahrt. Die Fahrerlaubnisbehörde hat unter Auflistung der seit 2010 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten ausgeführt, dass damit die Prognose der MPU von 2009 widerlegt sei und das erstmalige Durchlaufen des Punktesystems keinerlei Einfluss auf das Verhalten des Antragstellers im Straßenverkehr gehabt habe. Dies trifft so nicht zu, denn zumindest Geschwindigkeitsüberschreitungen sind nicht mehr so häufig aufgetreten. Auch die Intervalle zwischen den einzelnen Verkehrsordnungswidrigkeiten sind länger geworden und gleichzeitig hat sich die Anzahl der Punkte pro Verstoß durchschnittlich verringert. Es wäre daher erforderlich gewesen, zu begründen, weshalb trotz einer gewissen Besserung im Verkehrsverhalten des Antragstellers ein Abweichen vom Punktsystem gerechtfertigt erscheint. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass alle Verkehrsordnungswidrigkeiten, die zum Entzug der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 23. März 2009 geführt haben, zum Zeitpunkt der Anordnung der medizinisch-psychologischen Begutachtung aus dem Fahreignungsregister getilgt waren. In der Anordnung wurden sie deshalb auch nicht erwähnt. Bei Wiederholungstätern, die das Punktesystem zum zweiten Mal durchlaufen, führt aber regelmäßig die trotz der Löschung der Punkte weiter bestehende Verwertbarkeit der vor der Entziehung der Fahrerlaubnis begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten zu flexibleren Reaktionsmöglichkeiten der Fahrerlaubnisbehörde (vgl. BayVGH, B. v. 7.8.2014 - 11 CS 14.352 - juris Rn. 24). Vor diesem Hintergrund hätte auch begründet werden müssen, weshalb im vorliegenden Fall trotz Tilgung dieser Verkehrsverstöße aus dem Fahreignungsregister von einem nahtlosen Anknüpfen an die vorherigen Verfehlungen ausgegangen werden kann.

Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, ob überhaupt ein besonders gelagerter Ausnahmefall vorliegt, bei dem ein Abweichen vom Punktesystem möglich ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn binnen kurzer Zeit und in rascher Folge erneut Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr begangen werden (vgl. BayVGH, B. v. 7.8.2014 a. a. O.; B. v. 7.2.2012 - 11 CS 11.2708 - juris; VGH BW, B. v. 5.52014 - 10 S 705/14 - ZfSch 2014, 415; OVG NRW, B. v. 7.10.2013 - 16 A 2820/12 - juris; B. v. 29.6.2011 - 16 B 212/11 - ZfSch 2011, 536). Es erscheint eher fraglich, ob nach dem Erreichen der ersten Stufe des Punktesystems in einem Zeitraum von vier Jahren und sechs Monaten nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und der Tilgung aller der Fahrerlaubnisentziehung zugrunde liegenden Verkehrsordnungswidrigkeiten ein solcher Ausnahmefall angenommen werden kann.

4. Die unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs durchgeführte Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergibt, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs unter Auflagen, die im Falle ihrer Erfüllung die Bedenken gegen die charakterliche Eignung des Antragstellers reduzieren, wiederhergestellt bzw. angeordnet werden kann.

Bei der Interessenabwägung ist einerseits die berufliche Situation des Antragstellers in den Blick zu nehmen. Er hat an Eides Statt versichert, dass er seine Fahrerlaubnis für die Fortführung seines Gewerbebetriebs mit neun Angestellten dringend benötigt. Es erscheint nachvollziehbar, dass die Aufrechterhaltung des Betriebs schwierig ist, da neben dem Antragsteller nur ein Angestellter eine Fahrerlaubnis der Klasse C besitzt und damit den firmeneigenen Lastkraftwagen führen kann. Andererseits ist das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende Auftrag des Staates zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben zu beachten (vgl. z. B. BVerfG, U. v. 16.10.1977 - 1 BvQ 5/77 - BVerfGE 46, 160).

Bei der Abwägung ist weiter zu berücksichtigen, dass beim Antragsteller Fehleinstellungen vorhanden sind, die auf charakterliche Mängel hindeuten. Zum einen war er trotz des Wissens um die Notwendigkeit seiner Fahrerlaubnis für die Aufrechterhaltung seines Gewerbebetriebs bisher nicht in der Lage, eine längere Zeitspanne ohne Begehung von Verkehrsordnungswidrigkeiten am Straßenverkehr teilzunehmen. Zum anderen versucht er, seine Taten zu bagatellisieren. Das Gericht teilt seine Auffassung nicht, dass das Benutzen eines Mobiltelefons während des Führens eines Fahrzeugs keine Gefahr darstelle. Der Gesetzgeber hat diese Ordnungswidrigkeit auch nach dem neuen Punktesystem mit der Eintragung von einem Punkt belegt, denn das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung lenkt den Fahrzeugführer ab und führt häufig zu gefährlichen Situationen. Es mag zwar zutreffen, dass der Antragsteller dabei bisher keinen Unfall verursacht hat. Dies ist ggf. aber auch nur dem geistesgegenwärtigen Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer zuzuschreiben. Das Telefonieren während des Fahrens kann zu einer erheblichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen, ohne dass der das Telefon nutzende Fahrzeugführer dies überhaupt wahrnimmt. Der Senat kann darüber hinaus nicht nachvollziehen, weshalb der Antragsteller keine Freisprechanlage oder ggf. ein einseitiges Head-Set benutzt, obwohl er bei der im Jahr 2009 durchgeführten medizinisch-psychologischen Untersuchung angegeben hat, er habe alle Autos damit ausgestattet und benutze diese Einrichtungen, um weitere Ordnungswidrigkeiten zu vermeiden.

Zu seinen Gunsten ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass nach dem Entzug der Fahrerlaubnis im Jahr 2009 eine gewisse Besserung eingetreten ist und Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht mehr so häufig aufgetreten sind. Darüber hinaus haben sich seit dem Jahr 2010 im Vergleich zu der Zeit vor dem Entzug der Fahrerlaubnis auch die Intervalle zwischen den einzelnen Verkehrsordnungswidrigkeiten verlängert und gleichzeitig die Anzahl der Punkte pro Verstoß durchschnittlich verringert. Die begangenen Ordnungswidrigkeiten sind auch nicht Ausdruck einer aggressiven oder rücksichtslosen Persönlichkeitsstruktur, sondern sprechen eher für eine gewisse Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit im Umgang mit den Pflichten als Verkehrsteilnehmer.

Das Gericht geht in Anbetracht der zu berücksichtigenden Umstände davon aus, dass die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar dem Antragsteller dazu verhelfen kann, seine eher leichtfertige Einstellung zu den Straßenverkehrsvorschriften zu überdenken und die schon eingeleitete Besserung zu festigen. Der Antragsteller hat selbst vorgetragen, dass als milderes Mittel gegenüber der Gutachtensanordnung die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar hätte angeordnet werden können. Es erscheint daher notwendig und zumutbar, aber auch ausreichend für seine vorläufige weitere Teilnahme am Straßenverkehr, ihm eine solche Maßnahme aufzuerlegen.

Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass bei einem Verstoß gegen die Auflagen oder dem Bekanntwerden weiterer Verkehrsordnungswidrigkeiten eine umgehende Änderung der Entscheidung des Senats erfolgen kann.

5. Der Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 1 VwGO teilweise stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs.1 GKG i. V. m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte straßenrechtliche Duldungsanordnung.

2

Der Antragsteller schloss mit Herrn A, Herrn B und Frau C am 21. April 2016 zwei notarielle Kaufverträge über den Erwerb der im Außenbereich von A-Dorf gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. …, … und …. Die für die Wirksamkeit des Vertrages erforderliche Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz wurde bisher nicht erteilt. Ebenso fehlt noch der Verzicht auf das gemeindliche Vorkaufsrecht. § 5 der beiden notariellen Verträge lautet wie folgt:

3

Die Übergabe des Vertragsgegenstandes erfolgt sofort.

4

Mit der Übergabe gehen die Gefahr einer zufälligen Verschlechterung des Vertragsgegenstandes sowie die Verkehrssicherungspflicht auf den Käufer über. Von der Übergabe an stehen dem Käufer die Nutzungen zu.

5

Die Grundsteuern übernimmt der Käufer rückwirkend ab 1. Januar 2016.

6

Das Pachtverhältnis besteht mit dem Käufer. Eine Pacht für das laufende Wirtschaftsjahr ist nicht mehr zu leisten.“

7

Die drei genannten Grundstücke, die im Jahre 1982 an Herrn D aus B-Dorf, den Bruder des Antragstellers, verpachtet wurden, sind betroffen vom seit dem 14. Mai 2009 bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss des Landesbetriebs Mobilität für den Neubau der Ortsumgehung Bad Bergzabern im Zuge der Bundesstraße Nr. 427 (B 427) vom 12. Februar 2008 in der Gestalt des Ergänzungsbeschlusses vom 11. Februar 2009 (s. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. März 2009 – 8 C 10435/08 –, juris). Der Antragsgegner möchte im Rahmen der geplanten Ortsumgehung Bad Bergzabern geotechnische Untersuchungen durchführen und in diesem Zusammenhang auch auf den drei genannten Grundstücken Bodenuntersuchungen vornehmen.

8

Mit Schreiben vom 27. April 2016 bat der Antragsgegner den Antragsteller um Zustimmung zu den Bodenuntersuchungen. Dies verweigerte der Antragsteller mit der Begründung, das Eigentum sei derzeit noch nicht auf ihn übergegangen. Unter Hinweis darauf, dass ihm mit den beiden notariellen Verträgen bereits das Nutzungsrecht an den drei Grundstücken übertragen worden sei, bat der Antragsgegner den Antragsteller am 6. Mai 2016 erneut um Abgabe einer Zustimmungserklärung. Dazu war der Antragsteller jedoch nicht bereit. Daraufhin teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 9. Mai 2016 mit, ab dem 25. Mai 2016 würden auch auf den in seinem Besitz befindlichen Grundstücken Flurstück-Nrn. …, … und ... die entsprechenden Baugrunduntersuchungen vorgenommen. Der mittels Bagger hergestellte Schurf werde nach Ende der Erkundung wieder verfüllt. Da die genannten Arbeiten im Interesse der Allgemeinheit lägen, habe § 16 a Bundesfernstraßengesetz – FStrG – die Grundstückseigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte verpflichtet, die Durchführung dieser Vorarbeiten zu dulden. Nachdem er die Betretungserlaubnis bzw. die entsprechende Genehmigung zur Bodenuntersuchung (Schurf) bisher nicht erteilt habe, ergehe hiermit eine Duldungsanordnung. Deren sofortiger Vollzug werde angeordnet.

9

Hiergegen hat der Antragsteller am 16. Mai 2016 Widerspruch eingelegt und zugleich am 17. Mai 2016 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er aus, der Antragsgegner habe den Sofortvollzug angeordnet, ohne dies zu begründen. Schon deshalb sei dem Antrag stattzugeben. Ungeachtet dessen sei er der falsche Adressat der Duldungsanordnung. Das Eigentum sei noch nicht auf ihn übergegangen. Entgegen der Behauptung des Antragsgegners sei er auch nicht Pächter des Grundstücks. Während der Beurkundung sei der Notar möglicherweise stillschweigend davon ausgegangen, dass er, der Antragsteller, Pächter sei. Keiner der Vertragsbeteiligten, die sich auf den Notar verlassen hätten, hätten diesen Fehler bemerkt. So sei der Passus, laut welchem der Antragsteller Pächter sei, in § 5 Abs. 4 der Kaufverträge gelangt. Die notariellen Verträge wirkten jedoch nicht konstitutiv, d. h. der Antragsteller sei nicht Pächter und müsse sich auch nicht vom Antragsgegner als Pächter behandeln lassen, nur weil er in den notariellen Verträgen irrig als solcher bezeichnet werde.

10

Der angefochtene Bescheid sei ferner nicht hinreichend bestimmt. Es werde nicht deutlich, welche Arbeiten mit welchem Umfang zu dulden seien.

11

Der Antragsteller beantragt,

12

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 16. Mai 2016 gegen die Duldungsanordnung des Antragsgegners vom 9. Mai 2016 wiederherzustellen.

13

Der Antragsgegner beantragt,

14

den Antrag abzulehnen.

15

Er führt aus, der Antragsteller sei entgegen seinem Vortrag sehr wohl der richtige Adressat der Duldungsverfügung. Dies ergebe sich aus § 5 Satz 1 der beiden notariellen Kaufverträge vom 21. April 2016. Dort heiße es jeweils „Die Übergabe des Vertragsgegenstands erfolgt sofort." Es sei in diesem Zusammenhang unerheblich, dass möglicherweise der Antragsteller fälschlicherweise als Pächter in dem Vertrag bezeichnet worden sei. Dies ändere nichts an der eindeutigen Regelung, dass der Vertragsgegenstand - gegebenenfalls mit bestehendem Pachtverhältnis mit einem Dritten - auf den Antragsteller übergegangen sei. Dies mache ihn zum richtigen Adressaten der Duldungsverfügung.

16

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Duldungsverfügung sei im öffentlichen Interesse geboten. Die Grundstücksverkäufer und der Pächter Herr D hätten ihre Zustimmung zu den Vorarbeiten bereits erteilt. Der Beginn der Arbeiten sei auf den 25. Mai 2016 festgelegt. Die Ortsumgehung B 427 Bad Bergzabern sei eine Maßnahme des vordringlichen Bedarfs. Für die Realisierung seien durch die Bundesrepublik Deutschland Anfang 2016 kurzfristig Finanzmittel mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt worden, die Baumaßnahme möglichst umgehend zu realisieren. Hierzu seien für die nähere Ausführungsplanung Bodenerkundungen erforderlich. Die Maßnahme sehe einen 1,4 km langen Tunnelvortrieb vor, dessen technische Komplexität einen erheblichen zeitlichen Vorlauf für die Erkundungen und die Ausführungsplanungen bedinge. Das private Interesse trete nicht zuletzt dadurch in den Hintergrund, als unmittelbare Nachteile, die durch die Vorarbeiten verursacht würden, gemäß § 16a Abs. 3 FStrG durch den Baulastträger zu entschädigen seien. Nach alledem überwiege das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Duldungsanordnung.

II.

17

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 9. Mai 2016 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig.

18

Insbesondere ist das Verwaltungsgericht gemäß § 45 VwGO sachlich zuständig.

19

Zwar entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben betreffen, die u.a. in dem Bundesfernstraßengesetz bezeichnet sind. Gemäß § 17 e Abs. 1 FStrG gilt § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO aber nur für Vorhaben im Sinne des § 17 Satz 1 FStrG, soweit die Vorhaben Bundesfernstraßen betreffen, die wegen der Herstellung der Deutschen Einheit, der Einbindung der neuen Mitgliedstaaten in die Europäische Union, der Verbesserung der Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen, ihres sonstigen internationalen Bezuges oder der besonderen Funktion zur Beseitigung schwerwiegender Verkehrsengpässe in der Anlage aufgeführt sind. Die B 427 ist in dieser Anlage jedoch nicht aufgeführt.

20

Es fehlt vorliegend auch an einer sachlichen erstinstanzlichen Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 8 VwGO. Danach entscheidet das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen betreffen. Rechtsstreitigkeiten aus Anlass der Vollziehung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses fallen jedoch nicht unter § 48 Abs. 1 Nr. 8 VwGO (s. Bier/Panzer in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Oktober 2015, § 48 Rn. 32 m.w.N.; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2003 – 1 C 10611/03.OVG –).

21

In der Sache ist der Antrag aber unbegründet.

22

1. In formeller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung vom 9. Mai 2016 im Ergebnis nicht zu beanstanden.

23

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt (vgl. z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2016 – 8 B 866/15 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2015 – OVG 11 S 39.14 –, juris). Dementsprechend muss die Begründung nachvollziehbar machen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt mit der Folge, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Pauschale und nichts sagende formelhafte Wendungen genügen nicht. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen, wenn die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen (s. auch Bay. VGH, Beschluss vom 9. Dezember 2003 – 12 CS 03.2471 –, BayVBl 2004, 468). Ebenso ausreichend ist es, wenn die Begründung der Vollziehungsanordnung auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsakts Bezug nimmt, aus der die besondere Dringlichkeit der Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinreichend deutlich hervorgeht, und im Übrigen die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar wird (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – 11 CS 14.2217 –; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Oktober 1990 – 2 B 12027/90 –, NVwZ-RR 1991, 307) .

24

Nach diesen Grundsätzen genügt der Bescheid vom 9. Mai 2016 nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Denn darin fehlen jegliche Ausführungen zur Frage des Sofortvollzugs.

25

Der Antragsgegner hat den Verstoß gegen die Bestimmung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO allerdings durch Nachholen der Begründung in der Antragserwiderungschrift vom 18. Mai 2016 geheilt. Darin hat der Antragsgegner ausgeführt, der Beginn der Arbeiten sei auf den 25. Mai 2016 festgelegt. Die Ortsumgehung B 427 Bad Bergzabern sei eine Maßnahme des vordringlichen Bedarfs. Für die Realisierung seien durch die Bundesrepublik Deutschland Anfang 2016 kurzfristig Finanzmittel mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt worden, die Baumaßnahme möglichst umgehend zu realisieren. Hierzu seien für die nähere Ausführungsplanung Bodenerkundungen erforderlich. Die Maßnahme sehe einen 1,4 km langen Tunnelvortrieb vor, dessen technische Komplexität einen erheblichen zeitlichen Vorlauf für die Erkundungen und die Ausführungsplanungen bedinge. Das private Interesse trete nicht zuletzt dadurch in den Hintergrund, als unmittelbare Nachteile, die durch die Vorarbeiten verursacht würden, gemäß § 16a Abs. 3 FStrG durch den Baulastträger zu entschädigen seien. Damit hat der Antragsgegner der mit dem Begründungserfordernis in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegenüber dem Adressaten verfolgten Informationsfunktion und der gegenüber der Behörde selbst bezweckten Warnfunktion Genüge getan (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 9 VR 3/14 –, juris). Ob die von dem Antragsgegner angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Mai 2015 – 7 B 10383/15 –, juris).

26

Die Angaben des Antragsgegners in der Antragserwiderungsschrift vom 18. Mai 2016 konnte die Kammer im vorliegenden Verfahren auch berücksichtigen. Denn der Antragsgegner war befugt, den Verfahrensverstoß nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Nachholen der Begründung im gerichtlichen Eilverfahren zu heilen. Zwar verneint eine Ansicht (s. z.B. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. April 2013 – 1 M 19/13 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. September 2011 – 1 S 2554/11 –, NVwZ-RR 2012, 54; Schoch/Schoch, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Oktober 2015, § 80 Rn. 249) dies mit der Begründung, andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO leer liefe und ihre Funktion nicht mehr erfüllen könne, nicht nur den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gesichtspunkte für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu unterrichten, sondern auch die Verwaltung selbst zu einer besonders sorgfältigen Prüfung anzuhalten. Nach der Gegenmeinung (s. z.B. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15. April 2014 – 7 ME 121/13 –, NdsVBl 2014, 286; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. April 2012 – 1 B 10136/12. OVG –, BauR 2012, 1362; Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011 Rn. 750) kann eine fehlende bzw. unzureichende Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges im Laufe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nachgeholt werden. Dieser Ansicht folgt die Kammer in ständiger Rechtsprechung (s. z.B. Beschluss vom 5. Juli 2007 – 4 L 704/07.NW –, juris). Da nach § 45 Abs. 2 VwVfG Verfahrensfehler bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens geheilt werden können, sind keine Gründe ersichtlich, die gegen eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG im Falle des Begründungsmangels nach § 80 Abs. 3 VwGO sprechen. Eine solche Heilungsmöglichkeit ist auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten zu befürworten, denn auch die Ansicht, die ein Nachholen der Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO nach Erhebung des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ablehnt, vertritt die Auffassung, die Behörde könne nach Ergehen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts den Sofortvollzug mit nunmehr ordnungsgemäßer Begründung erneut anordnen, ohne einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO stellen zu müssen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass das Verwaltungsgericht nicht an die – ordnungsgemäße – Begründung der Verwaltungsbehörde gebunden ist, sondern eine eigene Ermessensentscheidung über die Frage trifft, ob der Sofortvollzug materiell gerechtfertigt ist, gibt es keine tragenden Gründe dafür, die Heilungsmöglichkeit nicht bereits während des noch laufenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuzulassen. Der Antragsteller wird durch diese Verfahrensweise nicht unzumutbar in seinen Rechten verletzt, denn er kann hierauf prozessual mit einer Erledigungserklärung reagieren, die regelmäßig zur Folge haben dürfte, dass die Behörde die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Hiervon hat der Antragsteller vorliegend jedoch keinen Gebrauch gemacht.

27

2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung ist auch in materieller Hinsicht gerechtfertigt.

28

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann.

29

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung das private Interesse des Antragstellers an der ungestörten Nutzung der Grundstücke Flurstück-Nrn. …, … und … in der Gemarkung A-Dorf, weil sich die Duldungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig und ihre Vollziehung als eilbedürftig erweist. Wird der Antragsteller danach aber mit einem etwaigen Klageverfahren in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben und ist ein sofortiges Vollziehungsinteresse gegeben, so besteht kein Anlass, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wiederherzustellen.

30

Die angegriffene Duldungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 FStrG. Danach haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen und sonstigen Vorarbeiten durch die Straßenbaubehörde oder von ihr Beauftragte zu dulden. Die Absicht, solche Arbeiten auszuführen, ist dem Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten mindestens zwei Wochen vorher unmittelbar oder durch ortsübliche Bekanntmachung bekanntzugeben (§ 16 a Abs. 2 FStrG). Dadurch werden auch Vorarbeiten erfasst, die – wie hier – nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durchgeführt werden und der Baudurchführung dienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 9 VR 3/14 –, juris m.w.N.; Ronellenfitsch in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Auflage 2012, § 16a Rn. 3).

31

Die Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 1 FStrG sind gegeben. Die auf diese Vorschrift gestützte Anordnung des Antragsgegners kann von dem Grundstückseigentümer oder sonstigem Nutzungsberechtigten nur mit der Begründung angefochten werden, dass die Vorarbeiten nach Art und Umfang nicht notwendig seien (OVG Niedersachsen, Urteil vom 27. April 2010 – 7 KS 85/09 –, NVwZ-RR 2010, 793). Denn dann brauchen Eigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte nicht einmal die regelmäßig damit verbundenen nur geringfügigen Beeinträchtigungen hinzunehmen. Die Zulässigkeit ist nicht davon abhängig, dass die Straßenbaubehörde bereits eine umfassende Abwägung vorgenommen oder Alternativen untersucht hat (Aust in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010. Kapitel 39 Rn. 42.2).

32

Danach greift der Antragsteller die Duldungsanordnung ohne Erfolg an.

33

Soweit er sich zunächst darauf beruft, er sei der falsche Adressat der Verfügung, da er weder Eigentümer noch Pächter der drei Grundstücke sei, kann er damit nicht durchdringen. „Sonstiger Nutzungsberechtigter“ im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 1 FStrG ist auch der Käufer eines Grundstücks, dem dieses – wie hier – mit sofortiger Wirkung übergeben worden ist und auf den mit der Übergabe die Gefahr einer zufälligen Verschlechterung des Vertragsgegenstandes sowie die Verkehrssicherungspflicht übergegangen ist (vgl. § 446 Bürgerliches GesetzbuchBGB –). Die Verkäufer der drei Grundstücke haben dem Antragsteller in den Verträgen ein unmittelbares Besitzrecht eingeräumt. Der Umstand, dass daneben möglicherweise noch ein kollidierendes Nutzungsrecht von Herrn D, dem Bruder des Antragstellers, besteht – ob dieses zutrifft, kann angesichts des nur summarischen Verfahrens in der Kürze nicht abschließend geklärt werden –, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Maßgebend ist hier allein, dass dem Antragsteller kraft zweier notarieller Verträge der unmittelbare Besitz an den drei Grundstücken eingeräumt wurde. Damit ist er „sonstiger Nutzungsberechtigter“ im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 1 FStrG und damit tauglicher Adressat der Duldungsanordnung. Es war dem Antragsgegner im Hinblick auf den nahen Untersuchungstermin auch nicht zuzumuten, die Frage, ob der Antragsteller ein unmittelbares Besitzrecht hat, ungeklärt zu lassen. Ohnehin ist es für die Kammer vor dem Hintergrund, dass sowohl die Grundstückseigentümer als auch der vermeintliche Pächter ihre Zustimmung zu den Bodenuntersuchungen erklärt haben, nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller sich gegen die Duldungsanordnung zur Wehr setzt, da diese mit keinerlei Kosten für ihn verbunden sind.

34

Es ist offenkundig, dass mit dem Projekt „Ortsumgehung Bad Bergzabern“, dem ein bestandkräftiger Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegt, eine Bauabsicht des Antragsgegners besteht, die Grundstücke Flurstück-Nrn. …, … und …, die der adressierte Antragsteller käuflich erworben hat und auf den der Besitz übergegangen ist, im Bereich des Planfeststellungsbeschlusses liegen (s. Blatt 1 der Verwaltungsakte B 427 – Umgehung Bad Bergzabern, Herr D) und die mit dem Schreiben vom 9. Mai 2016 angekündigten Bodenuntersuchungen notwendig sind, um die Detailplanungen des geplanten Tunnels voranzutreiben (§ 16 a Abs. 1 Satz 1 FStrG).

35

Entgegen der Ansicht des Antragstellers genügt die Duldungsanordnung auch dem Bestimmtheitserfordernis des § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG –.

36

Hinreichende Bestimmtheit eines belastenden Verwaltungsakts bedeutet, dass der „Entscheidungssatz“ der Regelung - ggf. im Zusammenhang mit den Gründen - für den Betroffenen klar und unzweideutig erkennen lässt, was von ihm verlangt wird und die Behörde auf der Grundlage der ausgesprochenen Regelung ggf. eine Vollstreckung durchführen könnte. Im Einzelnen richtet sich der Maßstab nach dem jeweiligen Regelungsgehalt und den Besonderheiten des angewendeten materiellen Rechts (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 37 Rn. 5 f.).

37

Die am 9. Mai 2016 gegenüber dem Antragsteller ergangene Duldungsanordnung bezeichnet alle drei Grundstücke, so dass der Antragsteller zweifelsfrei erkennen kann, dass und von welchen Maßnahmen die Grundstücke betroffen sind. Für den Antragsteller geht es im Wesentlichen nur um die Gestattung des Zugangs, auf den er sich ohne weiteres einstellen kann. Dass mögliche Maßnahmen bereits im Vorhinein nicht definitiv beschrieben und angeordnet werden, stellt die nötige Bestimmtheit insgesamt nicht in Frage (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 27. April 2010 – 7 KS 85/09 –, NVwZ-RR 2010, 793). Wo sich, wie hier, eine endgültige Festlegung nach Art und Umfang erst „vor Ort“ treffen lässt, reichen auch beispielhaft – hier die Vornahme eines Schurfs – oder für den Eventualfall benannte Maßnahmen aus (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 18. Juli 2012 – 7 KS 4/12 –, juris; Aust in: Kodal, Straßenrecht, a.a.O., Kapitel 39 Rn. 42.2). Zudem handelt es sich vorliegend um von dem Antragsgegner auszuführende Maßnahmen, die der Antragsteller ebenfalls nur zu dulden hat.

38

Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Konkretisierung der Duldungspflicht in dem streitgegenständlichen Bescheid den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen könnte, ist weder von dem Antragsteller glaubhaft gemacht worden noch sonst ersichtlich.

39

Erfüllt ist auch das Fristerfordernis des § 16a Abs. 2 FStrG, nach dem die Absicht, die in Abs. 1 genannten Arbeiten auszuführen, dem Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten mindestens zwei Wochen vorher unmittelbar bekannt zu geben ist. Bereits bei der Festsetzung des konkreten Zeitraums, in dem die Vorarbeiten stattfinden sollen, ist darauf zu achten, dass dieser frühestens zwei Wochen nach Bekanntgabe stattfindet; andernfalls ist die Anordnung rechtswidrig (BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2008 – 9 A 6/08 –, juris). Dem Fristerfordernis ist durch Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 9. Mai 2016, dem Antragsteller zugestellt am 11. Mai 2016, für die für den 25. Mai 2016 angekündigten Arbeiten Genüge getan.

40

Die das besondere Vollzugsinteresse rechtfertigende Eilbedürftigkeit der angeordneten Erkundungsarbeiten ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei dem Neubau der Ortsumgehung Bad Bergzabern im Zuge der B 427 um ein Vorhaben handelt, das im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf ausgewiesen ist. Mit der Ausweisung eines Vorhabens für den vordringlichen Bedarf hat der Gesetzgeber auch zeitliche Vorstellungen der Realisierung verbunden, die Rücksicht auf die Bewertung der Interessen an der sofortigen Vollziehung solcher Maßnahmen zulassen (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 9 VR 3/14 –, juris).

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –. Dabei legt die Kammer für das vorliegende Eilverfahren die Hälfte des nach 34.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 im Hauptsacheverfahren festzusetzenden Streitwertes zugrunde (so auch BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – 9 VR 3/14 –, juris).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juni 2014 wird in den Nrn. I. und II. aufgehoben.

II.

Die Nr. 2. des Bescheids des Landratsamts Dachau vom 21. Februar 2014 wird aufgehoben.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der in Nr. 1 des Bescheids des Landratsamtes D. vom 21. Februar 2014 verfügten Ausweisung des Antragstellers (Nr. 2. des Bescheids).

Unter Zugrundelegung des Prüfungsrahmens des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO erweist sich die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis als unzutreffend. Ungeachtet der Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht von der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ausgegangen ist, ist der Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ohne Weiteres begründet und die formell rechtswidrige Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 des angefochtenen Bescheids vom 21. Februar 2014 in Nr. 2 dieses Bescheids bereits deshalb aufzuheben, weil der Antragsgegner den Sofortvollzug nicht entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet hat (zu dieser Entscheidungsform bei formellen Mängeln der Vollziehbarkeitsanordnung vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 93 m. Rspr.nachweisen).

In der Beschwerdebegründung vom 11. September 2014 wird vom Antragsteller zu Recht geltend gemacht, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, B. v. 25.1.1996 - 2 BvR 2718/95 - juris Rn. 19). Dieses muss bei der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses der Behörde an der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zum Ausdruck kommen. Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist nämlich auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, B. v. 18.9.2001 -1 DB 26/01 - juris Rn. 6). Pauschale, formelhafte Formulierungen genügen diesen Anforderungen grundsätzlich nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 85). Darauf geht die Begründung des Sofortvollzugs mit keinem Wort ein.

Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid werden diesen Vorgaben letztlich nicht gerecht.

In der Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs geht der Antragsgegner davon aus, dass der Antragsteller unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft erneut Straftaten begehen werde. Das Haftende könne vor dem regulären Ende im Dezember 2015 und damit womöglich vor Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Ausweisungsverfahren liegen. Es sei deshalb erforderlich, die Ausweisung des Antragstellers bereits jetzt zu vollziehen.

Diese Ausführungen sind lediglich allgemeiner Natur und wiederholen im Wesentlichen die mit der Ausweisung selbst angenommene grundsätzliche Wiederholungsgefahr, die vom Antragsteller nach Auffassung des Antragsgegners ausgeht. Es fehlt aber eine auf den Einzelfall des Antragstellers bezogene und substantiierte Darlegung der Gründe, warum gerade in seinem Fall die sofortige Vollziehung ausnahmsweise angeordnet werden müsse. Dabei geht der Antragsgegner zudem von falschen Voraussetzungen aus, wenn im angefochtenen Bescheid von einer möglichen Haftentlassung die Rede ist. Denn der Antragsteller befindet sich längst nicht mehr in Strafhaft, sondern seit Januar 2014 in stationär-psychiatrischer Behandlung in einer Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie, in der er nicht nur eine Drogentherapie durchläuft, sondern ausweislich der Aussage seiner Therapeutin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 26. Juni 2014 auch seine Persönlichkeitsstörung mit guten Fortschritten behandelt wird. Darauf geht die Begründung des Sofortvollzugs mit keinem Wort ein.

Deshalb fehlt es bereits an dem erforderlichen formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war demzufolge aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. August 2011 - 4 K 1583/11 - geändert. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Beschlagnahmeanordnung vom 12.08.2011 durch die Antragsgegnerin wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässigen Beschwerden (§ 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO) sind begründet.
Die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mündlich durch die Antragsgegnerin getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der angegriffenen Beschlag-nahmeanordnung vom 12.08.2011, bestätigt durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.08.2011, kann keinen Bestand haben, weil die Antragsgegnerin entgegen dem zwingenden Erfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung bei deren Anordnung nicht schriftlich begründet hat. Sie leidet daher an einem formellen Mangel, der zu ihrer Aufhebung nötigt, ohne dass es darauf ankommt, ob ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 25.08.1976 - X 1318/76 -, NJW 1977, 165 sowie Beschluss v. 17.07.1990 - 10 S 1121/90 -, juris m.w.N). Durch das Nachbringen der schriftlichen Begründung in der Verfügung vom 15.08.2011 kann der Formmangel nicht geheilt werden.
Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bestimmt, dass die sofortige Vollziehung „besonders angeordnet wird“. Notwendig ist eine entsprechende behördliche Willensentschließung, die dem Betroffenen kundgetan wird. Dafür reicht weder die tatsächliche Vollziehung oder Einleitung der Vollstreckung eines Verwaltungsakts noch die Annahme einer konkludenten Anordnung. Die Entscheidung über die sofortige Vollziehbarkeit muss ausdrücklich erfolgen. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts muss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich begründet werden. Auch die Offensichtlichkeit der Gründe, die einen Sofortvollzug gebieten, rechtfertigt in aller Regel keine Ausnahme vom Begründungszwang, wie die ausdrückliche Regelung in § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO zeigt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse v. 25.8.1976, a.a.O. und v. 17.07.1990, a.a.O., m.w.N.). Von dem besonderen Begründungserfordernis darf nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO, also bei sog. Notstandsmaßnahmen, abgesehen werden. Diese Bestimmungen weichen deutlich vom Begründungsgebot bei Verwaltungsakten und den dortigen Ausnahmen (§ 39 VwVfG) ab. Eine dem § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vergleichbare Vorschrift fehlt in § 80 Abs. 3 VwGO. Angesichts dieser Rechtslage handelt es sich bei § 80 Abs. 3 VwGO um eine abschließende Spezialregelung. Das - danach zwingende - Begründungserfordernis in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verfolgt drei Funktionen. Die Behörde selbst wird angehalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu sein. Diese Warnfunktion soll zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung veranlassen. Der Betroffene wird über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, unterrichtet. Er kann danach die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags gemäß § 80 Abs. 4 VwGO abschätzen. Dem Gericht erlaubt die Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die sofortige Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle.
Diese Vorgaben sind durch die Antragsgegnerin nur unzureichend beachtet worden.
Die Beschlagnahme der Fahrzeuge der Antragsteller wurde nach Maßgabe des § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG durch die Antragsgegnerin als der zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 60 Abs. 1 PolG) am 12.08.2011 mündlich angeordnet. Zur Begründung erklärte die Antragsgegnerin, die Beschlagnahme sei erforderlich, um weitere Besetzungen von Grundstücken zu verhindern. Zugleich wurde von ihr mündlich die sofortige Vollziehung der Maßnahme erklärt. Die Beschlagnahme wurde durch den Polizeivollzugsdienst sofort vollstreckt. Den Antragstellern wurde vor Ort gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 und 2 PolG Bescheinigungen über den Vollzug der Beschlagnahme ausgestellt, in denen als Grund für die Beschlagnahme „Verhinderung weiterer Besetzungen von Grundstücken“ genannt worden ist; die Bescheinigungen weisen die Antragsgegnerin als anordnende Behörde aus.
Diese Bescheinigung ersetzt die erforderliche Begründung nicht. Sie dient vielmehr der Beweissicherung für den Betroffenen und soll es ihm ermöglichen, einen (eventuellen) späteren Anspruch auf Rückgabe der beschlagnahmten Sache mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen. Sie muss daher die beschlagnahmten Sachen hinreichend genau bezeichnen und die Polizeibehörde erkennen lassen, die die Beschlagnahme angeordnet hat (Belz/Mußmann, Polizeirecht für Baden-Württemberg, 7. Auflage, § 33 RdNr. 12).
Von dem Begründungserfordernis kann nicht ausnahmsweise nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO abgewichen werden. Danach gilt das Begründungserfordernis nach Satz 1 dann nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft (§ 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Dies war hier indes nicht der Fall. Auch wenn die Maßnahme aus der Sicht der Antragsgegnerin eilbedürftig war, handelte es sich weder um eine Notstandsmaßnahme, noch wurde sie als solche bezeichnet.
Über den Begründungsmangel kann auch nicht deshalb hinweggesehen werden, weil es sich um eine Maßnahme gehandelt hat, die sofort vollstreckt werden sollte. Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfasst ausdrücklich nur Verwaltungsakte des Polizeivollzugsdienstes im institutionellen Sinne, die sich nach Landesrecht bestimmen. Dieses Privileg ist einem Bedürfnis der Praxis geschuldet (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 2010, § 80 RdNr. 122), erstreckt sich aber nicht auf - unaufschiebbare - Anordnungen und Maßnahmen der sog. Verwaltungspolizei (Ordnungs- bzw. Sicherheitsbehörden). Auch mit Blick darauf, dass für Maßnahmen nach § 33 PolG neben den Polizeibehörden (§ 60 Abs. 1 PolG) auch der Polizeivollzugsdienst (§ 60 Abs. 3 PolG) zuständig ist, ergibt sich nichts anderes. Da nach § 60 Abs. 3 PolG für die meisten der sog. polizeilichen Standardmaßnahmen neben der Zuständigkeit der Polizeibehörde eine eigene Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes besteht, werden diese auch bei unaufschiebbaren Maßnahmen im Regelfall tätig werden, sodass ihnen das Privileg des § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu Gute kommt und damit auch aus diesem Grunde eine Ausnahme vom Begründungserfordernis für die Ortspolizeibehörde nicht gerechtfertigt erscheint.
Durch die nach Vollzug der Maßnahme ergangene Verfügung vom 15.08.2011, die unter Ziff. 7 auch eine schriftliche Begründung der sofortigen Vollziehung enthält, ist der Begründungsmangel nicht geheilt worden.
10 
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (Beschluss v. 25.08.1976, a.a.O. und Beschluss v. 17.07.1990, a.a.O.) und auch nach der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Eyermann, VwGO, 11. Auflage, § 80 RdNr. 44, Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. § 80, RdNr. 179, jeweils m.w.N.; BayVGH, Beschluss. v. 24.02.1988, BayVBl. 1989, 117) kann eine fehlende oder unzureichende Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Der Gegenauffassung (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 01.03.1995, NVwZ-RR 1995, 572; HessVGH Beschluss v. 17.5.1984, DÖV 1985, 75; OVG NRW, Beschluss v. 26.6.1985, NJW 1986, 1894), die dem Gründe der Prozessökonomie entgegenhält und ein Nachholen der Begründung jedenfalls bis zur Stellung eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO erlaubt, ist mit Blick darauf, dass es sich bei § 80 Abs. 3 VwGO um eine abschließende Sonderregelung handelt, nicht zu folgen. Mit der Warn- und Appellfunktion des Schriftlichkeitserfordernisses wäre es nicht vereinbar, wenn eine fehlende Begründung mit heilender Wirkung nachgeholt werden könnte (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 80 RdNr. 174 ff. m.w.N; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.07.1990, a.a.O; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Auflage, § 80 RdNr. 48, m.w.N.).
11 
In der Verfügung vom 15.08.2011 kann schließlich nicht eine neue Anordnung einer sofortigen Vollziehung mit diesmal gesetzeskonformer Begründung gesehen werden. Eine solche Annahme scheitert - ungeachtet der Frage, ob vor Aufhebung des Sofortvollzugs dieser überhaupt neu angeordnet werden kann - bereits daran, dass sich dies dem Inhalt der Verfügung nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG) entnehmen lässt.
12 
Sowohl der Eingang des Entscheidungssatzes („zu der am 12.08.2011 auf mündliche Anordnung der Polizeibehörde erfolgten Beschlagnahme Ihres Fahrzeugs ergeht folgende Verfügung“) als auch der erste Satz der Begründung („Die am 12.08.2011 auf Anordnung der Polizeibehörde erfolgte Beschlagnahme Ihres Fahrzeugs... wird wie folgt begründet:“) weisen vielmehr darauf hin, dass es sich wohl um eine nachträgliche Bestätigung der Beschlagnahme, die rechtlich zulässig ist, sowie um eine allerdings in rechtlicher Hinsicht - nicht zulässige (a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 01.03.1995 - 11 B 10640/95 -) - nachträgliche Bestätigung und Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung handeln soll, ungeachtet der ebenfalls beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung. Insoweit bestehende Unklarheiten gehen zu Lasten der Antragsgegnerin.
13 
Mit dem Wegfall der Anordnung der sofortigen Vollziehung kommt dem Widerspruch der Antragsteller gemäß § 80 Abs. 1 VwGO wieder die aufschiebende Wirkung zu. Für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist daher kein Raum. Es bedarf vielmehr ggfs. einer erneuten, formgemäßen Anordnung.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 39 GKG.
15 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 6. Kammer - vom 28. Januar 2013, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, ist begründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die begehrte aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 13. Dezember 2012 gegen die Regelungen der Ziffn. 1 - 4 im Bescheid des Antragsgegners vom 12. November 2012 wieder herzustellen. Denn die Vollzugsanordnung des Antragsgegners in Ziff. 5 des vorgenannten Bescheides genügt nicht den an sie zu stellenden formellen Anforderungen.

3

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, also in denen - wie hier - die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet wird, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass es einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses bedarf, das erkennen lässt, warum das Aussetzungsinteresse des Betroffenen dahinter zurückzustehen hat.

4

Die Begründung in Ziff. 5 des Bescheides vom 12. November 2012 genügt diesen Anforderungen nicht. Sie lässt nicht erkennen, dass sie das Ergebnis einer Abwägung der im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen ist und welche Gründe für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses, d. h. für ein besonderes Vollziehungsinteresse sprechen.

5

Die Begründung zu Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides (Seite 6), die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im öffentlichen Interesse, verkennt, dass es eines „besonderen“ öffentlichen Interesses bedarf, also das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Betroffenen überwiegen muss und es deshalb nicht ausreicht, Aspekte des öffentlichen Interesses lediglich aufzuzählen, ohne sie gegen die privaten Interessen des Betroffenen abzuwägen und die Gründe zu benennen, weshalb sie sich gegen letztere durchsetzen. Nur eine solche Interessenabwägung und Darlegung der Gründe für ein besonderes - weil das Aussetzungsinteresse überwiegend ist - Vollziehungsinteresse wird dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht. Es hat die Funktion, die Behörde dazu anzuhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu sein, dem Betroffenen die Einschätzung der Erfolgsaussicht eines Aussetzungsantrages zu ermöglichen und dem Gericht - unbeschadet der in materiell-rechtlicher Hinsicht zu treffenden eigenen Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO - aufgrund der Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die Vollziehungsanordnung eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle zu ermöglichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. September 2011 - 1 S 2554/11 -, juris).

6

Hiervon ausgehend genügt es nicht, dass sich der Antragsgegner auf die Sicherung der Daseinsvorsorge als im öffentlichen Interesse liegend bezieht. Der Antragsgegner legt weder nachvollziehbar dar, weshalb ohne die einstweilige Durchführung der angeordneten Sanierungsmaßnahmen die Weiterbenutzung der öffentlichen Infrastruktur infrage steht, noch weshalb dieser Aspekt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Daher reicht es auch nicht aus, dass - worauf wohl das Verwaltungsgericht abstellt - im Gefahrenabwehrrecht die Überlegungen zum Verfügungserlass oftmals mit jenen zum Sofortvollzug übereinstimmen.

7

Soweit der Antragsgegner bei einer Verzögerung der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen infolge der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs eine Verschlechterung des Zustands der Strecke für möglich hält, die Sicherheit des jetzigen Streckenzustandes nicht mehr gewährleistet werden könne, die Strecke einem weiteren Verfall ausgesetzt sei und die Aussichten auf eine erfolgreiche Instandsetzung beim jetzigen Zustand besser seien als zu einem späteren Zeitpunkt, lassen die angeführten Gründe (für ein öffentliches Interesse an der Vollziehungsanordnung) keine Abwägung mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin erkennen. Deren Aussetzungsinteresse besteht hier nicht nur in einem zeitlichen Aufschub der angeordneten Maßnahmen, sondern zwecks Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes darin, von der Schaffung vollendeter Tatsachen verschont zu bleiben, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sind und in tatsächlicher, zumindest aber in wirtschaftlicher Hinsicht und damit faktisch nicht rückgängig zu machen sind. Die Erhaltung des Suspensiveffektes dient vorliegend dazu, durch effektiven Rechtsschutz eine unangemessene Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges in Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides lässt nicht erkennen, dass und warum die vom Antragsgegner angeführten Gründe für eine mögliche Zustandsverschlechterung der Strecke das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen. In diesem Zusammenhang stellt sich im Übrigen auch die Frage, warum die bisher von Kilometer 33,1 bis Kilometer 33,8 praktizierte Langsamfahrstelle nicht auf den Sanierungsbereich erweitert werden konnte bzw. warum eine Langsamfahrstelle insgesamt für den Zeitraum des Suspensiveffektes (vgl. § 80 b VwGO) als nicht (mehr) ausreichend anzusehen ist.

8

Soweit der Antragsgegner unter Verweis auf die Betriebssicherungspflicht der Antragstellerin bei einem fortdauernd schlechten Zustand der Infrastruktur erwartet, dass „früher oder später entsprechende Gefährdungen von der Schieneninfrastruktur ausgehen“, lässt die Begründung nicht erkennen, inwiefern von der betroffenen Gleisanlage bzw. dem Schotterfang eine derart schwerwiegende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin dahinter zurückzustehen hat. Der Begründung mangelt es insoweit an substantiierten Angaben, die eine konkrete schwerwiegende Gefahrenlage plausibel machen und aufzeigen, weshalb eine sofortige Gefahrenabwehr nur durch die Vollziehungsanordnung, nicht aber durch weniger einschneidende (vorübergehende) Maßnahmen, wie z. B. das Langsamfahrgebot oder - hinsichtlich von der Brücke fallenden Schotters - durch eine Durchgangssperre oder Anbringung eines Fangnetzes, realisiert werden kann. Auch in Bezug auf mögliche von der Schieneninfrastruktur ausgehende Gefährdungen lässt die Begründung der Vollziehungsanordnung keine Abwägung der betroffenen Interessen erkennen oder führt Umstände an, die eine Vollziehungsanordnung als notwendige und allein in Betracht kommende Gefahrenabwehrmaßnahme plausibel machen.

9

In Bezug auf die angeordnete Gleisbegehung zur Feststellung des materiellen Gleiszustandes gemäß Ziff. 4 des Bescheides vom 12. November 2012 fehlt es schließlich an jeglicher Begründung für die Vollziehungsanordnung. Denn die Begründung in Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides bezieht sich lediglich auf die angeordneten Sanierungsmaßnahmen.

10

Von dem Begründungserfordernis konnte vorliegend auch nicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO abgesehen werden. Denn es handelt sich bei den Anordnungen gemäß Ziffn. 1 - 4 des Bescheides vom 12. November 2012 weder um Notstandsmaßnahmen noch wurden sie als solche bezeichnet.

11

Eine fehlende oder unzureichende Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann im Hinblick auf die Warn- und Appellfunktion des Schriftlichkeitserfordernisses auch nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27. September 2011, a. a. O.), so dass es auf die ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners im erstinstanzlichen und im Beschwerdeverfahren nicht entscheidungserheblich ankommt. Soweit der Antragsgegner im Übrigen mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 28. Dezember 2012 von seiner bisherigen Begründung eines erhöhten Sanierungsaufwandes durch Zeitablauf sowie dem Argument, dass die Eisenbahninfrastruktur in ferner Zukunft unsicher werden könnte, abgerückt ist und stattdessen eine Beschneidung von Zugangsrechten Dritter als Grund für die Vollziehungsanordnung reklamiert, findet auch insoweit die gebotene Interessenabwägung mit dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht statt. Der einleitende Hinweis, dass Sanierungsmaßnahmen nicht beliebig verschleppt werden könnten, spricht zudem für eine Verkennung des anzulegenden Maßstabes und der Umstände, die das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin begründen.

12

Im Falle eines formellen Fehlers gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist nicht die Vollziehungsanordnung der Behörde aufzuheben, sondern der Suspensiveffekt des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs wieder herzustellen. Die Aufhebung der Vollziehungsanordnung ist im Gesetz weder vorgesehen noch besteht für sie ein praktisches Bedürfnis. Am Erlass einer neuen, formell fehlerfreien Vollziehungsanordnung ist die Behörde weder gehindert noch auf eine Änderung dieses Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO angewiesen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 2. Dezember 1993 - 4 M 10/93 -, juris).

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

14

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren und unter Aufhebung der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren zugleich für die erste Instanz beruht auf §§ 63 Abs. 3, 39, 47, 40, 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Das erstinstanzliche und das Beschwerdeverfahren haben mehrere Streitgegenstände zum Gegenstand, die wertmäßig zusammen zu rechnen sind (§ 39 Abs. 1 GKG). Da der Sach- und Streitgegenstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bewertung der Maßnahmen in Ziffn. 1 bis 4 des angefochtenen Bescheides vom 12. November 2012 bietet, wird jede Einzelanordnung gemäß § 52 Abs. 2 GKG mit dem Auffangwert von 5.000,00 € bemessen. Eine Reduzierung des Streitwertes wegen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist nicht geboten, da das Verfahren eine (faktische) Vorwegnahme der Hauptsache betrifft.

15

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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Tenor

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der im Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. August 2014 enthaltenen Beseitigungsverfügung wird aufgehoben. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zwei Drittel, die Antragsgegnerin ein Drittel.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die straßenrechtliche Beseitigungsverfügung der Antragsgegnerin vom 26. August 2014 wiederherzustellen, ist zulässig (A), aber nur teilweise begründet (B).

A)

2

Der Antrag ist allein gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung gerichtet, den von der Antragstellerin an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet auf öffentliche Verkehrsflächen mit Sprühkreide aufgebrachten Namens ihres Kandidaten für die anstehende Oberbürgermeisterwahl unverzüglich zu beseitigen. Er ist nach § 80 Abs. 5 S. 1, 1. Alt. i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO statthaft, da die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

B)

3

Der Antrag ist teilweise begründet, da die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt und die Anordnung des Sofortvollzugs somit aufzuheben ist (I.). Hinsichtlich der darüber hinaus begehrten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist er hingegen unbegründet, da bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlichen Interessenabwägung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin beziehungsweise der Öffentlichkeit an der sofortigen Vollziehung zurückzutreten hat (II.).

I.

4

Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Diese Begründungspflicht soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Deshalb bedarf es einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im konkreten Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat. Diesen Anforderungen genügt die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht.

5

Darin heißt es zunächst, der Suspensiveffekt des Widerspruchs bezwecke die Aufrechterhaltung des von der Antragstellerin herbeigeführten rechtswidrigen Zustands und würde daher einen Missbrauch der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs darstellen. Dieser Begründungsansatz verkennt, dass in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage ungeachtet der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes den gesetzlich vorgesehenen Regelfall darstellt. Die ohne weitere Begründung aufgestellte Behauptung, die Inanspruchnahme der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei rechtsmissbräuchlich, genügt daher nicht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO.

6

Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang zwar weiter ausgeführt, der rechtswidrige Zustand sei nach dem Landesstraßengesetz und ihrer Sondernutzungssatzung unverzüglich zu beseitigen. Das genügt aber ebenfalls nicht dem formellen Begründungserfordernis für die Anordnung des Sofortvollzugs. Dieser äußerst knappe und lediglich pauschale Hinweis auf nicht einmal konkret benannte gesetzliche Regelungen bzw. Satzungsvorschriften lässt nämlich nicht erkennen, weshalb der Durchsetzung einer aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnung eine solche Dringlichkeit zukommen sollte, dass ein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO besteht.

7

Soweit in dem Bescheid schließlich ausgeführt wird, die Antragsgegnerin sei bemüht, die illegale Werbung im öffentlichen Straßenraum des Stadtgebietes unverzüglich zu beseitigen, durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs und die damit verbundene aufschiebende Wirkung sei für die Öffentlichkeit ein direktes Verwaltungshandeln nicht erkennbar, lässt dies nicht erkennen, dass sich die Antragsgegnerin des Regel-/ Ausnahmeverhältnisses zwischen aufschiebender Wirkung und Sofortvollzug bewusst war. Der bloße Wunsch der Verwaltung, Missstände umgehend zu beseitigen und dies für die Öffentlichkeit erkennbar umzusetzen, genügt nicht um darzulegen, weshalb im konkreten Einzelfall dem öffentlichen Vollzugsinteresse ausnahmsweise Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, der gegen sie erlassenen Verfügung vorläufig nicht nachkommen zu müssen, einzuräumen sein soll.

8

Wegen dieses Begründungsmangels ist die Vollziehungsanordnung aufzuheben (OVG RP, Beschluss vom 24. August 1994 - 7 B 12083/94 -, juris).

II.

9

Da die Antragstellerin nicht nur die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung, sondern die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt hat, darf das Gericht sich jedoch nicht damit begnügen, die Anordnung des Sofortvollzugs wegen des festgestellten formalen Begründungsmangels aufzuheben, sondern hat darüber hinaus zu prüfen, ob die aufschiebende Wirkung aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung wiederherzustellen ist (OVG, a.a.O.). Das ist hier jedoch nicht der Fall, da das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin weniger schwer wiegt als das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin bzw. der Öffentlichkeit. Ihr Widerspruch bzw. eine gegebenenfalls nachfolgende Klage wird nämlich bei der in Verfahren der vorliegenden Art gebotenen summarischen Betrachtung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 158) voraussichtlich keinen Erfolg haben (1.). Sonstige Gründe, die trotz geringer Erfolgsaussichten in der Hauptsache ein überwiegendes Aussetzungsinteresse begründen würden, sind nicht ersichtlich (2.).

10

1. Die Beseitigungsanordnung der Antragsgegnerin ist zumindest bei summarischer Betrachtung rechtmäßig, so dass die Antragstellerin in der Hauptsache voraussichtlich unterliegen wird. Die findet ihre Grundlage in § 41 Abs. 8 S. 1 des Landesstraßengesetzes (LStrG), da die Inanspruchnahme der Straßenoberfläche für die von der Antragstellerin aufgebrachten Beschriftungen eine Sondernutzung darstellt (a) und sie nicht im Besitz der erforderlichen Sondernutzungserlaubnis ist (b). Die Beseitigungsanordnung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht (c).

11

a) Nach § 41 Abs. 1 S. 1 LStrG bedarf der Gebrauch einer (öffentlichen) Straße (vgl. § 1 LStrG) über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde. Nach § 41 Abs. 8 S. 1 LStrG kann die Straßenbaubehörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen, wenn die Straße nicht ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird. Bei der Inanspruchnahme der Straßenoberfläche für Beschriftungen der vorliegenden Art handelt es um eine Sondernutzung im Sinne von § 41 Abs. 1 S. 1 LStrG.

12

aa) Anders als die Antragstellerin meint, übt sie durch den von ihr an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet auf öffentliche Straßen aufgesprühten Namenszug keinen Gemeingebrauch aus. Gemeingebrauch ist der Gebrauch einer öffentlichen Straße im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften (§ 41 Abs. 1 S. 1 LStrG). Bei innerörtlichen Straßen und in besonderem Maße in Fußgängerzonen reicht er allerdings über die Nutzung der Straße zum Zweck der bloßen Ortsveränderung hinaus und umfasst auch den sogenannten kommunikativen Verkehr, der auf Begegnung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern gerichtet ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2014 - 11 A 2250/12 -, juris ; Beschluss vom 3. Juni 2014 - 11 A 2020/12 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 19. Januar 2012 - 4 Bf 269/10 -, DVBl. 2012, 504). Die von der Antragstellerin auf der Straßenoberfläche aufgebrachten Schriftzüge dienen zwar der Kommunikation mit vorübergehenden Passanten, da sie auf den Kandidaten der Antragstellerin für das Amt des Oberbürgermeisters aufmerksam machen sollen. Bei dieser Art von Straßenbenutzung handelt es sich jedoch nicht mehr um Verkehr, also die Inanspruchnahme der Straßen zum Zwecke der Fortbewegung oder zumindest des Aufenthalts von Personen, somit nicht um den Gebrauch der Straße im Rahmen der Widmung. Daran ändert sich auch nichts aufgrund des Umstands, dass sich zumindest kurzfristig eine Person zum Aufbringen des Schriftzugs auf den betreffenden Straßen aufgehalten haben muss.

13

bb) Die Nutzung der Straßenoberfläche als Untergrund für den von der Antragstellerin aufgesprühten Namen stellt auch keine sonstige Benutzung im Sinne von § 45 Abs. 1 LStrG dar. Nach dieser Vorschrift richtet sich die Einräumung von Rechten zur Benutzung der Straße nach bürgerlichem Recht, wenn sie den Gemeingebrauch nicht oder für Zwecke der öffentlichen Versorgung nur kurzfristig beeinträchtigt. Die Beseitigung einer solchen Nutzung könnte nur zivilrechtlich durchgesetzt werden, nicht hingegen mittels einer auf § 41 Abs. 8 S. 1 LStrG beruhenden Beseitigungsanordnung.

14

Die Straßenbenutzung, deren Beendigung die Antragsgegnerin herbeiführen möchte, ist aber keine lediglich dem Privatrecht unterliegende Benutzung, da sie mit einer - wenn auch vergleichsweise geringfügigen - Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs verbunden ist. Für die Annahme einer solchen Beeinträchtigung genügt bereits eine abstrakte Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (vgl. Kodal-Stahlhut, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 27 Rn. 10). Dass solche Beeinträchtigungen die Annahme einer sonstigen Nutzung im Sinne von § 45 Abs. 1 LStrG selbst dann ausschließen, wenn sie lediglich geringfügig sind, ergibt sich bereits aus der Systematik dieser Vorschrift, denn lediglich bei Benutzungen für Zwecke der öffentlichen Versorgung ist es unschädlich, wenn sie den Gemeingebrauch nur kurzfristig beeinträchtigen (vgl. auch BGH, Urteil vom 28. September 1982 - KZR 17/81 -, NVwZ 1983, 499 [Werbetransparent in 4,85 m Höhe über der Straßenoberfläche]).

15

Zwar kann bei lebensnaher Betrachtung kaum angenommen werden, die mittels Sprühkreide aufgebrachten Namen riefen bei Verkehrsteilnehmern eine Hemmschwelle hervor, die sie veranlassen könnten, die Aufschriften zu umgehen bzw. zu umfahren. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragstellerin nehmen die Schriftzüge weniger Platz ein als das Format DIN A3. Zudem sind sie auch nicht aufwendig gestaltet, so dass Passanten, anders etwa als bei einem künstlerisch gestalteten Straßengemälde oder einem zur Abdeckung eines Schachtes angebrachten Gitterrost (vgl. OVG RP, Urteil vom 4. Juni 1973 - 6 A 27/72 -, AS 23. 220) keine Scheu haben dürften, die betreffenden Flächen zu betreten. Da es sich bei den aufgebrachten Schriftzügen lediglich um einen Vor- und Zunamen handelt und diese angesichts der Größe der Buchstaben - von normalsichtigen Personen - im Vorbeigehen gelesen werden können, dürfte auch die hierdurch verursachte Ablenkung bei isolierter Betrachtung noch keine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs darstellen.

16

Dass die Schriftzüge dennoch eine zumindest geringfügige abstrakte Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs hervorrufen, ergibt sich aber insbesondere daraus, dass mit konkreten Beeinträchtigungen zu rechnen ist, wenn es nicht bei den von der Antragstellerin aufgesprühten Namenszügen bleibt, sondern andere, insbesondere konkurrierende Parteien, ihrem Vorbild folgen. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass Passanten je nach Gestaltung und Inhalt solcher Aufdrucke veranlasst werden, stehen zu bleiben, so dass Leichtigkeit und gegebenenfalls die Sicherheit des Verkehrs beeinträchtigt wäre.

17

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufbringung von Schriftzügen auf der Straßenoberfläche es notwendigerweise erfordert, dass der fragliche Bereich für die Dauer der Herstellung von anderen Personen nicht betreten werden kann. Eine gesonderte rechtliche Beurteilung der Beeinträchtigung während der Aufbringung von Aufschriften auf der Straßenoberfläche einerseits und andererseits ihren Auswirkungen auf den Gemeingebrauch nach ihrer Herstellung wäre mit der Intention des § 45 Abs. 1 LStrG, sonstige Straßenbenutzungen vollständig dem Privatrecht zu unterwerfen, nicht zu vereinbaren (vgl. bezüglich der Verlegung von Versorgungsleitungen BVerwG, Urteil vom 29. März 1968 - IV C 100.65 -, BVerwGE 29, 248; Kodal/Stahlhut, a.a.O., Kap. 28, Rn. 17).

18

b) Die Antragstellerin ist nicht im Besitz der für die Inanspruchnahme der Straßenoberfläche erforderlichen Sondernutzungserlaubnis, so dass die Nutzung formell illegal ist. Diese formelle Illegalität rechtfertigt grundsätzlich den Erlass einer Beseitigungsanordnung (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Juli 2012 - 7 LB 29/11 -, juris). Es sind keine Gründe erkennbar, aufgrund derer die formelle Rechtswidrigkeit der Nutzung im vorliegenden Fall für den Erlass der Beseitigungsanordnung nicht als ausreichend zu erachten wäre. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es ermessensfehlerhaft wäre, einen Antrag auf eine Sondernutzungserlaubnis für die Aufbringung von Schriftzügen der hier in Rede stehenden Art abzulehnen. So hat die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung insbesondere darauf hingewiesen, dass im Falle zahlreicher auf die Straßenoberfläche aufgesprühter Wahlsichtwerbung mit einer wochenlangen „Verschandelung“ und Verschmutzung des Stadtbildes zu rechnen sei, während Wahlplakate zeitnah und unproblematisch nach der Wahl entfernt werden könnten. Die Antragsgegnerin ermöglicht der Antragstellerin im Übrigen - wie den anderen Parteien auch - in erheblichem Umfang Wahlsichtwerbung im öffentlichen (Straßen-) Raum. Es ist weder ersichtlich noch wird von der Antragstellerin dargelegt, dass sie für einen effektiven Wahlkampf darüber hinaus auf aufgesprühte Werbebotschaften der vorliegenden Art angewiesen wäre.

19

c) Die Beseitigungsverfügung lässt auch keine sonstigen Rechtsverstöße erkennen.

20

aa) Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG). Mit der Beseitigungsverfügung hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin aufgegeben, die von ihr aufgesprühten Namenszüge aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen, und beispielhaft einige Straßen und Plätze benannt. Damit ist für die Antragstellerin klar und eindeutig erkennbar, was von ihr gefordert wird. Denn sie selbst weiß am besten - sie müsste dies zumindest wissen - an welchen Stellen sie den Namen ihres Kandidaten auf die Straßenoberfläche aufgesprüht hat (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2012 - 11 B 1330/12 -, juris).

21

bb) Der Straßenwahlkampf unterfällt zwar dem Schutzbereich des Art. 21 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Das entbindet Parteien aber nicht vom Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis für solche Wahlkampfaktivitäten, die über den (kommunikativen) Gemeingebrauch hinausgehen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Juni 2014 - 11 A 2020/12 – juris; Stahlhut, a.a.O., Kap. 25 Rn. 115, jew. mit weiteren Nachweisen).

22

cc) Die Beseitigungsanordnung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Antragsgegnerin bestreitet zwar nicht, dass an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet Linien und Symbole auf der Straßenoberfläche vorhanden sind, die auf mehr oder weniger lange zurückliegende Veranstaltungen zurückgehen. Von diesen Überbleibseln geht jedoch ein deutlich geringerer Anreiz zur Nachahmung aus als von den von der Antragstellerin aufgebrachten Schriftzügen. Würden gegen diese nicht vorgegangen, bestünde die Gefahr, dass andere Parteien diesem Beispiel folgen und ebenfalls im laufenden Wahlkampf dazu übergehen, Namen ihrer Kandidaten oder Wahlkampfparolen auf öffentliche Straßen aufzusprühen. Bereits aus diesem Grunde ist es nicht sachwidrig, wenn die Antragsgegnerin die umgehende Beseitigung der von der Antragstellerin aufgebrachten Beschriftungen fordert, während sie in anderen, weniger dringlichen Fällen bislang hiervon abgesehen hat.

23

3. Es besteht auch keine Veranlassung, die die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Beseitigungsverfügung ungeachtet der allenfalls geringen Erfolgsaussichten in der Hauptsache anzuordnen. Wie bereits oben dargelegt, ist die Beseitigung der von der Antragstellerin hergestellten Aufschriften für sie nämlich nicht mit schwerwiegenden Nachteilen im Wahlkampf verbunden, andererseits besteht ein beträchtliches Interesse der Antragsgegnerin bzw. der Öffentlichkeit daran, diese - bei summarischer Betrachtung - rechtswidrigen Aufschriften zu beseitigen, um der Nachahmung durch andere Gruppierungen im laufenden Wahlkampf entgegenzuwirken.

C)

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.

25

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Hälfte des Regelstreitwerts (vgl. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller strebt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule an. Er ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck es ist, eine Schule zu betreiben. Die Mitglieder des Vereins sind Angehörige der Glaubensgemeinschaft „Z. St.“, die es aus religiösen Gründen ablehnen, ihre Kinder in Schulen außerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft unterrichten zu lassen.

Der Antragsteller zeigte am 24. April 2006 die Errichtung einer Ergänzungsschule an. Mit Bescheid vom 7. September 2006 stellte das damalige Staatsministerium für Unterricht und Kultus, jetzt Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, fest, dass die Schule zur Erfüllung der Vollzeit- und Berufsschulpflicht geeignet ist. Die Wirksamkeit der Feststellung war auf das Schuljahr 2006/2007 begrenzt und wurde letztmals für die Schuljahre 2011/2012 und 2012/2013 verlängert. Nach erfolgloser Aufforderung durch das Ministerium zur Abhilfe des Mangels an einem geeigneten Schulleiter und geeigneten Lehrkräften untersagte die Regierung von Schwaben mit Bescheid vom 22. November 2013 dem Antragsteller den Betrieb der Schule. Die Untersagung wurde darauf gestützt, dass weder ein Schulleiter oder eine Schulleiterin noch Lehrkräfte vorhanden seien, deren Qualifikation für den Betrieb einer Schule, an der die Vollzeit- und Berufsschulpflicht erfüllt werden könne, ausreiche.

Ferner müsse davon ausgegangen werden, dass Kinder im Rahmen des Schulbetriebs körperlich gezüchtigt worden seien. Der Antragsteller sei außerdem seiner Verpflichtung, das Jugendamt von stattgefundenen Übergriffen zu unterrichten, nicht nachgekommen. Die Schule habe auch nicht darauf hingewirkt, dass die Schüler den qualifizierenden Hauptschulabschluss als externe Bewerber an öffentlichen Schulen erwerben. Wichtigstes Ziel des Schulträgers sei die Durchsetzung der Glaubensüberzeugung der Gemeinschaft. Es werde nicht für notwendig erachtet, den Jugendlichen mit einem Schulabschluss eine Grundlage für ein Leben außerhalb der Gemeinschaft zu verschaffen. Schließlich seien auch trotz eines entsprechenden Hinweises keine an der Schule unterrichteten Kinder und Jugendliche an geeigneten Schulen angemeldet worden, nachdem die Feststellung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht nicht mehr verlängert worden war.

Über den dagegen erhobenen Widerspruch wurde noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regierung von Schwaben sei dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in noch ausreichendem Maße nachgekommen. Sie gehe besonders darauf ein, warum trotz der vorläufigen Inobhutnahme der Kinder - weshalb kein Unterricht stattfinden könne - ein besonderes Interesse an der sofortigen Wirksamkeit der Betriebsuntersagung bestehe. Angesichts der weltweiten Struktur der Glaubensgemeinschaft könnten jederzeit schulpflichtige Kinder oder Jugendliche zuziehen. Auch könnten Kinder zurückkehren, wenn Inobhutnahmen in Einzelfällen von den Familiengerichten nicht bestätigt würden.

Ein Anhörungsmangel nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG liege nicht vor und sei jedenfalls gemäß Art. 46 BayVwVfG geheilt.

Der Bescheid der Regierung von Schwaben sei auch materiell rechtmäßig. Die Untersagung des Schulbetriebs sei auf Art. 103 Satz 1 BayEUG zu stützen. Diese Vorschrift gehe davon aus, dass auch Ergänzungsschulen Lehrkräfte mit der erforderlichen fachlichen und pädagogischen Qualifikation und Eignung haben müssen.

Die Betriebsuntersagung diene außerdem dem Schutz der Schülerinnen und Schüler vor körperlicher Misshandlung. Eine solche Gefahr bestehe konkret, weil die Glaubensgemeinschaft das Gebot der Züchtigung mit der Rute aus der Bibel ableite und deshalb nicht davon Abstand nehmen wolle. Die Behauptung, an der Schule sei nicht körperlich gezüchtigt worden, erweise sich als bloße Schutzbehauptung.

Unabhängig davon überwiege das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Auch wenn ein Schulbetrieb derzeit mangels Schülern nicht möglich sei, könne nur durch die Untersagung des Schulbetriebs mit sofortiger Wirkung das Argument, die Glaubensgemeinschaft verfüge über eine Schule, an welcher die Kinder ihre Schulpflicht erfüllen könnten, ausgeräumt werden. Denn der Unterschied zwischen einer Ersatzschule, einer Ergänzungsschule, an der die Schulpflicht erfüllt werden könne und einer sonstigen anzuzeigenden Ergänzungsschule erschließe sich nur schwer.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, weiter.

Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sei nicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien insoweit keine Begründung, sondern eine böswillige Unterstellung. Die Maßnahmen, insbesondere die Untersagung des ohnehin ruhenden Betriebs, seien nicht erforderlich. Dem Anspruch auf staatliche Qualitätssicherung werde schon dadurch Rechnung getragen, dass die Feststellung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht nicht mehr verlängert worden sei. Für körperliche Züchtigungen im schulischen Bereich gebe es keinerlei Hinweise, Indizien oder Nachweise. Es sei auch nicht richtig, dass die Schule ihren sonstigen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.

Die Regierung von Schwaben habe den Antragsteller vor Erlass des Bescheids nicht ordnungsgemäß angehört. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt hätte, würde nur dann stimmen, wenn diese als politische Vorgabe von vornherein festgestanden hätte. Nicht nachvollziehbar sei, warum die Entscheidung über die ohnehin nicht in Betrieb befindliche Ergänzungsschule nicht zurückgestellt worden sei, bis tatsächlich die Möglichkeit eines Schulbetriebs zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht bestehe.

Die Untersagung sei auch materiell rechtswidrig. Die bayerische Schulpflicht verstoße gegen Menschenrechte, namentlich das Erziehungsrecht der Eltern, die Religionsfreiheit und die Privatschulgarantie. Hinsichtlich der Rechtsgrundlage des Art. 103 Satz 1 BayEUG verkenne das Verwaltungsgericht, dass die Schule im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids nicht mehr geeignet gewesen sei, die Schulpflicht zu erfüllen. Außerdem konnten Vorschriften zum Schutz der Schüler in diesem Zeitpunkt schon deswegen nicht verletzt worden sein, weil es keine Schüler gegeben habe. Inzwischen stünden ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung. Zu keinem Zeitpunkt habe es an der Schule körperliche Misshandlungen gegeben. Das Verwaltungsgericht setze insoweit „Misshandlung“ und „Körperstrafen“ zu Unrecht gleich. Dem Antragsteller gehe es auch nicht darum, den Anschein einer richtigen Schule zu wahren, sondern zu gegebener Zeit den Betrieb der Ergänzungsschule unter Erfüllung aller staatlichen Vorgaben wieder aufnehmen zu können. Im Übrigen hat der Antragstellerbevollmächtigte eine Erklärung abgegeben, dass die Schule gewaltfrei geführt werde.

Die Befristung der Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht hätte gemäß Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG nicht angeordnet werden dürfen. Die Schule sei deshalb weiterhin zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet. Jedenfalls werde zum Zweck der Anfechtung der Befristung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Januar 2014 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Regierung von Schwaben vom 22. November 2013 wieder herzustellen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr dieses Beschwerdeverfahrens sowie die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen ist die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht abzuändern oder aufzuheben (§ 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Regierung von Schwaben dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in hinreichendem Maß nachgekommen ist. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde, die die sofortige Vollziehung eines von ihr erlassenen Verwaltungsakts anordnet, das besondere Interesse an dessen sofortiger Vollziehung schriftlich zu begründen. Ein Verstoß gegen diese Begründungspflicht macht die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 45). An den Inhalt dieser Begründung sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Die Behörde muss die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angeben, die sie bewogen haben, den Suspensiveffekt eines Rechtsbehelfs gegen den Verwaltungsakt - hier der Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule - auszuschließen (Schmidt a. a. O. Rn. 43). Die Frage, ob die Gründe - sofern sie nicht offensichtlich unrichtig sind - wirklich vorliegen und so schwer wiegen, dass sie die Aufhebung des Suspensiveffekts rechtfertigen, tritt bei der Prüfung, ob der Begründungspflicht formell genüge getan worden ist, in den Hintergrund. Sie spielt vielmehr bei der auf einer Interessenabwägung beruhenden Entscheidung eine Rolle, ob die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs auf Antrag des Adressaten des Verwaltungsakts wieder herzustellen ist.

Gemessen daran genügt die Begründung der Regierung von Schwaben den formalen Anforderungen. Die Erwägung, dass es angesichts der weltweiten Verbreitung der Gemeinschaft und auch abhängig von Entscheidungen der Familiengerichte durchaus wieder möglich sein könnte, dass nach einem Zuzug von Kindern und Jugendlichen oder der familiengerichtlichen Aufhebung der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen im Einzelfall wieder Kinder unterrichtet werden könnten, ist auf die hier gegebene konkrete Situation bezogen. Darauf, ob die Untersagung im Hinblick auf den ohnehin ruhenden Unterrichtsbetrieb, das Unterbleiben der Verlängerung der Feststellung, dass die Ergänzungsschule zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet ist, und die Tatsache, dass gegenwärtig keine Kinder zu unterrichten sind, erforderlich ist, kommt es in diesem Zusammenhang ebenso wenig an, wie darauf, ob sich die Vorwürfe, dass Schülerinnen und Schüler körperlich gezüchtigt worden sein sollen, bestätigen lassen oder der Antragsteller als Träger der Schule seinen sonstigen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Die aufschiebende Wirkung ist nicht allein deswegen anzuordnen, weil die Regierung von Schwaben vor Erlass der Untersagungsverfügung den Antragsteller nicht (hinreichend) angehört hat. Die Verwaltungsgerichtsordnung enthält keine dahingehende Regelung. Es gibt auch keinen Grundsatz, wonach die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für sich genommen stets seiner Vollziehung entgegenstehen würde, ohne dass es auf seine Rechtmäßigkeit in der Sache ankäme. Eine Aussetzung der Vollziehung ist nicht zwingend geboten, wenn der Verwaltungsakt möglicherweise Bestand haben wird, weil der formelle Fehler geheilt werden kann (OVG Hamburg, B. v. 18.12.2006 - 3 Bs 218/05 - NVwZ-RR 2007, 364). Die Nachholung der Anhörung und eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Antragstellers ist im noch anhängigen Widerspruchsverfahren möglich.

Die Ausführungen der Antragstellerseite in der Beschwerde zur Sache führen ebenfalls nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 83) eine eigene - originäre - Entscheidung (statt aller: Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 146) darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind: die, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die, die für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 72 ff.). Sie sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, wird wohl nur die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 77).

Die summarische Prüfung ergibt, dass die Aussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers in der Hauptsache offen sind. Die danach erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagung des Schulbetriebs und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs geht zugunsten des Interesses am Sofortvollzug aus.

Die nicht substantiierten Bedenken des Antragstellers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Schulpflicht in Bayern teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG und das in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte elterliche Erziehungsrecht werden durch das Bestimmungsrecht des Staates im Schulwesen, dem ebenfalls Verfassungsrang zukommt (Art. 7 Abs. 1 GG) eingeschränkt (BayVGH, B. v. 22.4.2014 - 7 CS 13.2592, 7 C 7 C 13.2593 - juris Rn. 18 ff.).

Die Beschwerde hält die Untersagung des Betriebs einer Ergänzungsschule, deren Errichtung vor der Aufnahme des Unterrichts gemäß Art. 102 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), lediglich anzuzeigen ist, für rechtswidrig und den dagegen erhobenen Widerspruch für erfolgversprechend. Die Erfolgsaussichten dieses Rechtsbehelfs sind jedoch schon insoweit offen, als Zweifel daran bestehen, ob es sich bei der vom Antragsteller betriebenen Schule tatsächlich um eine nur anzeigepflichtige Ergänzungsschule handelt oder nicht vielmehr um eine Ersatzschule im Sinn von Art. 91 BayEUG, die nur mit staatlicher Genehmigung errichtet und betrieben werden darf (Art. 92 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). In diesem Fall wäre die Untersagung des Betriebs im Ergebnis rechtmäßig, weil das Betreiben einer Ersatzschule ohne staatliche Genehmigung verboten ist.

Die Prüfung, ob es sich um eine Ersatzschule oder eine Ergänzungsschule handelt, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Ersatzschulen sind Privatschulen, die in ihren Bildungs- und Erziehungszielen im Wesentlichen den Bildungsgängen und Abschlüssen der öffentlichen Schulen entsprechen. Ergänzungsschulen finden demgegenüber keine Entsprechung im öffentlichen Schulwesen (Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 1128). Die Beteiligten haben bisher nicht vorgetragen, inwieweit sich die Schule des Antragstellers inhaltlich von öffentlichen Schulen unterscheidet. Das damalige Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat im Bescheid vom 7. September 2006, mit dem die Eignung der Schule zur Erfüllung der Vollzeit- und Berufsschulpflicht festgestellt worden ist, ausgeführt, dass die Lehrpläne dem fachlichen Anforderungsniveau der Grundschule, der Hauptschule und dem schulischen Konzept für berufsschulpflichtige Jugendliche ohne Ausbildungsplatz (JoA) entsprechen. Als Ergänzung zu den öffentlichen Schulen sei sie deshalb anzusehen, weil eine Schulform, in der sowohl die Vollzeit- wie auch die Berufsschulpflicht erfüllt werden können, in Art. 6 Abs. 2 BayEUG nicht vorgesehen sei. Diese Vorschrift hat die Gliederung des öffentlichen Schulwesens zum Gegenstand. Die rein formale Gliederung sagt jedoch nichts über den jeweiligen Schultyp hinsichtlich der Lehr- und Bildungsinhalte sowie der Abschlüsse aus. Es ist deshalb zweifelhaft, ob allein die organisatorische Zusammenfassung von Schultypen, die hinsichtlich der Lehrinhalte und der Abschlüsse der Grundschule, der Mittelschule und der Berufsschule entsprechen, eine Schule entstehen lässt, die im öffentlichen Schulwesen keine Entsprechung findet. Auch das Interesse des Antragstellers geht offenkundig lediglich dahin, dass die der Glaubensgemeinschaft der „Z. St.“ angehörenden Kinder zur Erfüllung ihrer Schulpflicht nicht öffentliche Schulen besuchen müssen. Jedenfalls wurden bisher keine Bildungsziele und Lehrinhalte vorgetragen, die von denen der öffentlichen Pflichtschulen so gravierend abweichen, dass sie sich wesentlich von diesen unterscheiden.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine Ergänzungsschule handelt, bleiben die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen. In diesem Fall ist zugrunde zu legen, dass eine wirksame Feststellung, wonach an der Schule die Schulpflicht erfüllt werden kann, nicht vorliegt. Die Befristung der Feststellung im Bescheid des damaligen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2006 bewirkt, dass seit Ablauf ihrer letzten Verlängerung die Schulpflicht an der Schule des Antragstellers nicht mehr erfüllt werden kann. Ob der Bescheid vom 7. September 2006 gemäß Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG mit einer solchen Befristung versehen werden durfte, kann dahinstehen. Sie bewirkt unabhängig davon, ob sie angeordnet werden durfte, dass der feststellende Verwaltungsakt, nämlich die Feststellung, dass an der Schule die Schulpflicht erfüllt werden kann, mit dem Ablauf der Befristung unwirksam geworden ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 36 Rn. 5). Soweit der Betroffene sich gegen die Befristung wehrt, begehrt er nicht die Befreiung von einer Belastung, sondern die Gewährung einer Begünstigung über die zeitlich limitierte Feststellung der Geeignetheit zur Erfüllung der Schulpflicht hinaus. Die Rechtswidrigkeit der Befristung würde also nicht dazu führen, dass sie aufhebbar oder gar nichtig wäre, sondern dazu, dass eine unbefristete Feststellung erst ausgesprochen werden müsste (Kopp/Ramsauer, a. a. O. Rn. 63).

Abgesehen davon wäre die Befristung unanfechtbar geworden. Die vom Antragsteller beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Zweck der Anfechtung der Befristung müsste an der Ausschlussfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO scheitern.

Das Verwaltungsgericht stützt die Untersagung des Betriebs der Ergänzungsschule insbesondere darauf, dass Lehrkräfte im Sinn von Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG fehlen würden und der Mangel trotz Beanstandung nicht beseitigt worden sei. Gesetzliche Anforderungen an Schulleitung und Lehrer von Ergänzungsschulen enthält das Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen nicht. Die Anforderungen des Art. 94 Abs. 1 Satz 1 BayEUG können allenfalls an Ergänzungsschulen gestellt werden, hinsichtlich derer die Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht festgestellt ist. Das ist hier jedoch gerade nicht (mehr) der Fall. Die Untersagung setzt mithin Verstöße gegen andere Gesetze voraus, z. B. gegen strafrechtliche Bestimmungen, gesundheitliche Vorschriften, sicherheitsrechtliche Regelungen und solche betreffend Einrichtungen, insbesondere bauordnungsrechtliche Vorschriften, Unfallverhütungs- oder Brandschutzvorschriften (Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Art. 103 BayEUG Rn. 2).

Die Regierung von Schwaben und das Verwaltungsgericht stützen die Untersagung u. a. auf die konkrete Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler körperlich gezüchtigt würden. Anhaltspunkte hierfür ergäben sich aus dem Fund eines dazu geeigneten Stocks ebenso wie aus der Einlassung von Mitgliedern der Gemeinschaft, dass sich die Pflicht zur Züchtigung von Kindern im Rahmen der Erziehung aus der Bibel ableite. Ferner haben Personen, die die Glaubensgemeinschaft verlassen haben, in den Medien ausgesagt, dass sie in der Schule gezüchtigt worden seien, bzw. als Lehrer selbst Schülerinnen und Schüler dort gezüchtigt hätten. Die Ermittlung, ob die genannte konkrete Gefahr der Züchtigung in der Schule und damit eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften besteht, muss ebenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Auch insoweit erscheinen die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache offen.

Die angesichts der offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers erforderliche Interessenabwägung geht zugunsten des öffentlichen Interesses aus, das das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs überwiegt. Je gewichtiger die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme Unabänderliches bewirkt, desto stärker ist der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen und umso weniger müssen seine Interessen zurückstehen. Umgekehrt ist den öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug umso eher der Vorrang einzuräumen, je weniger belastend die Maßnahme für den Betroffenen wirkt und je weniger vollendete Tatsachen dadurch geschaffen werden (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 77).

Gemessen daran haben die Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs zurückzustehen. Der für den Antragsteller im Vordergrund stehende Zweck der Schule, nämlich die Erfüllung der Schulpflicht durch die der Glaubensgemeinschaft angehörenden Kinder außerhalb von öffentlichen Schulen, ist gegenwärtig nicht erreichbar, weil die Eignung der Schule hierfür nicht festgestellt ist. Im Übrigen können derzeit keine Schüler unterrichtet werden, weil die schulpflichtigen, der Glaubensgemeinschaft der „Z. St.“ angehörenden Kinder behördlich in Obhut genommen worden sind und auch nicht absehbar ist, dass sie in naher Zukunft zu ihren Familien zurückkehren werden. Pressemeldungen ist zu entnehmen, dass mehreren der Glaubensgemeinschaft angehörenden Elternpaaren das Sorgerecht für ihre Kinder familiengerichtlich entzogen worden ist (Süddeutsche Zeitung vom 23.10.2014). Die Untersagung des Schulbetriebs hat für den Antragsteller gegenwärtig deshalb kaum Auswirkungen.

Demgegenüber überwiegt - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagung. Denn im Falle eines Zuzugs von der Glaubensgemeinschaft angehörenden Kindern oder der Rückkehr von in Obhut genommenen Kindern könnte versucht werden, die Erfüllung der Schulpflicht zu umgehen. Angesichts der Schwierigkeit, den Unterschied zwischen einer Ersatzschule und einer Ergänzungsschule oder gar den zwischen einer Ergänzungsschule, deren Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht festgestellt ist, und einer solchen, bei der das nicht der Fall ist, in der Öffentlichkeit deutlich darzustellen, erscheint es geboten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache für klare Verhältnisse zu sorgen. Nicht zu vernachlässigen ist im Übrigen auch, dass für den Fall, dass es sich bei der Schule des Antragstellers nicht um eine Ergänzungsschule, sondern um eine Ersatzschule handelt, die Schülerinnen und Schüler entgegen einem gesetzlichen Verbot unterrichtet und einer pflichtgemäßen Beschulung entzogen würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tatbestand

1

Das klagende Eisenbahnverkehrsunternehmen wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung für einen Buslinienfernverkehr.

2

Die Beigeladene, die neben der Durchführung von Städte- und Urlaubsreisen ein europaweites Liniennetz mit Omnibussen betreibt, beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 19. Juli 2005 die Genehmigung der Einrichtung und des Betriebs eines Linienbusverkehrs von Frankfurt a.M. (Hauptbahnhof) nach Dortmund (Hauptbahnhof) mit Zwischenhalten in Bonn, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Bochum. Ab Frankfurt a.M. sollten täglich vier und in der Gegenrichtung ab Dortmund täglich fünf Fahrten stattfinden. Als Fahrpreis waren 25 € für die einfache Fahrt und 50 € für die Hin- und Rückfahrt vorgesehen; bei Buchung mindestens zwei Wochen vor Abfahrt ermäßigt sich der Fahrpreis auf 15 und 30 €. Bei Reisen, die an einem der Zwischenhalte enden, ermäßigen sich die Fahrpreise entsprechend.

3

Die Klägerin erhob im Anhörverfahren nach § 14 des Personenbeförderungsgesetzes - PBefG - Einwendungen gegen die Erteilung der Genehmigung. Sie führe zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen; denn die Strecke werde mit dem von ihr angebotenen schnelleren, bequemeren und umweltfreundlicheren Schienenverkehr bereits ausreichend bedient.

4

Mit Bescheid vom 14. November 2005 erteilte das Regierungspräsidium Darmstadt der Beigeladenen die beantragte Genehmigung befristet bis zum 31. Oktober 2013 und wies die Einwendungen der Klägerin zurück. Versagungsgründe nach § 13 Abs. 2 PBefG lägen nicht vor. Der Verkehr könne mit den vorhandenen Verkehrsmitteln nicht befriedigend bedient werden. Zwar biete die Klägerin auf der Relation Frankfurt a.M. - Dortmund ein dichtes, vertaktetes und vernetztes Fahrtenangebot mit einer deutlich geringeren Fahrtzeit als beim beantragten Busverkehr; zudem biete eine Busreise nicht dieselbe Bequemlichkeit und Bewegungsfreiheit wie eine Fahrt mit der Bahn. Doch betrage der Pkw-Anteil bei Fernreisen 74 %, der Anteil des Bahnverkehrs nur 11 %. Das zeige, dass das Bahnangebot den Wünschen der Öffentlichkeit nicht genüge. Insbesondere wegen des Mangels an umsteigefreien Verbindungen und der häufigen Unpünktlichkeit akzeptiere ein großer Teil des Publikums das Bahnangebot nicht. Wesentlich für die geringe Nutzung der Bahn bei Fernreisen sei außerdem das Fehlen von Angeboten im unteren Preissegment. Bei real gesunkenen Einkommen gewännen Angebote im Low-Cost-Bereich zunehmend an Bedeutung, wie auch die hohe Vermittlungsrate von Mitfahrzentralen zeige. Daher sei durch die äußerst günstigen Bustarife eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung auf der beantragten Relation zu erwarten.

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Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. März 2007 abgewiesen.

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Die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 21. Oktober 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es: Die der Beigeladenen erteilte Linienverkehrsgenehmigung sei rechtmäßig. Bei dem Begriff der befriedigenden Verkehrsbedienung in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG handele es sich ebenso wie bei der in Buchst. b genannten wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Genehmigungsbehörde habe einen Beurteilungs- und Abwägungsspielraum, dessen Anwendung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden könne. Ein durchgreifender Abwägungsfehler sei nicht festzustellen. Soweit der Beklagte Verspätungen im Schienenverkehr zu Lasten der Klägerin in die Abwägung eingestellt habe, Stauprobleme auf den von der Beigeladenen genutzten Autobahnen aber unerwähnt geblieben seien, könne das nicht zur Aufhebung des Bescheides führen. Dieser Punkt sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erörtert worden; der Beklagte habe bestätigt, dass er auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes keine andere Entscheidung getroffen hätte. Darin sei in entsprechender Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO eine zulässige Ergänzung der Abwägung zu sehen. Die Genehmigung sei auch nicht wegen einer unzureichenden Berücksichtigung der Belange der Klägerin rechtswidrig. Der Beklagte habe zu ihren Gunsten die Vorzüge des Schienenverkehrs in die Abwägung eingestellt, schneller, bequemer und umweltfreundlicher als der Busverkehr zu sein, als letztlich ausschlaggebend habe er jedoch die günstigeren Fahrpreise der Beigeladenen angesehen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass dem Fahrpreis eine besondere Bedeutung beigemessen werden könne. Der Beklagte sei davon ausgegangen, dass bei dem beachtlichen Teil der Bevölkerung, der aus finanziellen Gründen den Schienenverkehr nicht nutzen könne, ein zunehmendes Bedürfnis für den von der Beigeladenen angebotenen Linienbusverkehr bestehe. Er habe ohne Abwägungsfehler annehmen können, dass die Beigeladene eine auf einen anderen Kundenkreis abzielende Verkehrsaufgabe wahrnehme, die die Klägerin nicht abdecke. Deshalb liege der Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG nicht vor. Ein Abwägungsfehler ergebe sich auch nicht daraus, dass der Beklagte bei seinem Tarifvergleich nur die Normalpreise und nicht auch die von der Klägerin angebotenen Sparpreise und Ermäßigungsmöglichkeiten für Bahncard-Kunden berücksichtigt habe. Das sei wegen der beim Erwerb einer Bahncard anfallenden Kosten und den bei einer Inanspruchnahme von Sparpreisen einzuhaltenden Nutzungsbedingungen gerechtfertigt. Aus dem festgestellten Verkehrsbedürfnis folge zugleich, dass der Verkehr der Beigeladenen eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG biete. Der Beklagte habe auch diesen Versagungsgrund geprüft. Entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG habe er der Klägerin vor der Erteilung der Genehmigung zwar nicht die Möglichkeit zu einer Ausgestaltung ihres bisherigen Verkehrsangebotes gegeben. Daraus könne die Klägerin indes keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung ableiten, denn der Verfahrensverstoß habe sie nicht in ihrem Ausgestaltungsrecht verletzt. Eine notwendige Ausgestaltung im Sinne dieser Vorschrift hätte erfordert, dass die Klägerin ähnlich günstige Fahrpreise wie die Beigeladene anbiete. Der Beklagte habe geltend gemacht, nach seinen Erfahrungen als auch für die Tarifgenehmigung zuständige Behörde sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Klägerin von dieser Ausgestaltungsmöglichkeit Gebrauch mache. Dem sei die Klägerin nicht substanziiert entgegengetreten; auch ihrem Einwendungsschreiben und ihrem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren sei eine solche Bereitschaft nicht zu entnehmen. Dagegen hätte die Einrichtung eines eigenen Linienbusverkehrs durch die Klägerin keine Aus-, sondern eine Umgestaltung des vorhandenen Verkehrs bedeutet. Schließlich sei die angefochtene Genehmigung nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte in einem späteren, eine andere Strecke betreffenden Bescheid die Genehmigung eines Parallelverkehrs mit Bussen trotz auch dort niedrigerer Bustarife abgelehnt habe.

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Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Das Berufungsgericht habe nicht allein aus den günstigeren Fahrpreisen der Beigeladenen das ausschlaggebende Argument dafür herleiten dürfen, dass deren Angebot ein durch den Bahnverkehr nur unzureichend abgedecktes Verkehrsbedürfnis befriedige. Damit werde eine Billigkonkurrenz vom grundsätzlichen Verbot einer Parallelbedienung freigestellt; Folge sei eine Kannibalisierung des vorhandenen Verkehrs durch Dumpingangebote. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG schütze aber das vorhandene Verkehrsangebot und das dabei tätige Unternehmen grundsätzlich vor einer Doppelbedienung. Vom Parallelbedienungsverbot könne nur dispensiert werden, um eine im öffentlichen Interesse dringend erforderliche wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung herbeizuführen. Allein daraus, dass erhebliche Teile der Bevölkerung für Fernreisen das Kraftfahrzeug benutzten oder auf eine Reise ganz verzichteten, könne nicht geschlossen werden, dass ihnen die Bahn zu teuer sei und daher eine Bedürfnisreserve bestehe. Es gebe eine Vielzahl von Gründen für eine solche Haltung. Zudem könne mit dieser Argumentation zu besonders gefragten Tageszeiten oder auf besonders gefragten Strecken stets ein Billigverkehr parallel zum vorhandenen Verkehr eingerichtet werden. Eine solche "Rosinenpickerei" zerstöre bei einem Schienenverkehrsunternehmen, das auch weniger lukrative Zeiträume und Strecken abzudecken habe, die Grundlagen einer wirtschaftlichen Verkehrsbedienung. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1977 ergebe sich nicht, dass den Fahrpreisen für sich betrachtet eine ausschlaggebende Bedeutung zukomme könne, denn dort sei zusätzlich auf die Einbeziehung in ein einheitliches Tarifsystem abgestellt worden. Jedenfalls seien bei einem Preisvergleich auch die von ihr angebotenen Sparpreise und Ermäßigungen für Bahncard-Inhaber zu berücksichtigen. Sie verringerten den Abstand zu den Tarifen der Beigeladenen so weit, dass es nicht mehr gerechtfertigt sei, die Vorzüge einer Bahnreise hinsichtlich Komfort und Reisedauer hintanzustellen. Auch eine wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG könne nicht allein wegen des niedrigeren Fahrpreises angenommen werden. Außerdem setze das Berufungsgericht die Schwelle für einen Abwehranspruch des Schienenverkehrsunternehmens zu hoch an, wenn es ihn erst bei einem ruinösen Wettbewerb anerkenne. Das Schienenverkehrsunternehmen solle davor geschützt werden, durch Parallelverkehre nach und nach in die Unwirtschaftlichkeit getrieben zu werden. Schließlich habe das Berufungsgericht die Reichweite des ihr nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG zustehenden Ausgestaltungsrechts verkannt. Es sei nicht auf das Angebot billigerer Bahntarife beschränkt, vielmehr hätte sie auch gefragt werden müssen, ob sie bereit sei, selbst einen kostengünstigeren Busverkehr in dem von der Beigeladenen angebotenen Umfang durchzuführen.

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Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Änderung der vorinstanzlichen Urteile und zur Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Linienverkehrsgenehmigung. Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte diese Genehmigung nicht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a oder b PBefG versagen musste. Doch wurde der Klägerin nicht die gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG erforderliche Möglichkeit zu einer Ausgestaltung ihres Schienenverkehrs eingeräumt. Daraus kann sie entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung herleiten; weder ist es zu einer Heilung dieses Verfahrensfehlers gekommen, noch entfällt der Aufhebungsanspruch nach § 46 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG.

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1. Auch wenn die Klägerin nicht selbst Adressatin des angefochtenen Genehmigungsbescheides ist, ist sie klagebefugt. Ein vorhandener Verkehrsunternehmer hat ein Klagerecht gegen die einem anderen Unternehmer erteilte Genehmigung, wenn er geltend macht, sein dem öffentlichen Verkehr bereits dienendes Unternehmen werde durch die neue Genehmigung beeinträchtigt; § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG dient auch dem Schutz des vorhandenen Verkehrsangebots und der darin tätigen Unternehmer (vgl. Urteile vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 90.66 - BVerwGE 30, 347 <348 f.> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 16 S. 27 f. und vom 6. April 2000 - BVerwG 3 C 6.99 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 4 m.w.N.).

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2. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Linienverkehrsgenehmigung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung (Urteil vom 6. April 2000 a.a.O.), hier also des Genehmigungsbescheides vom 14. November 2005. Zu messen ist die angefochtene Linienverkehrsgenehmigung danach am Personenbeförderungsgesetz in der Fassung des Art. 2 Abs. 7 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1954).

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Die Klägerin stützt ihre Einwendungen darauf, dass der Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene Versagungsgründe nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG entgegenstünden. Danach ist beim Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen die Genehmigung zu versagen, wenn durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden, insbesondere

a) der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann,

b) der beantragte Verkehr ohne eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung Verkehrsaufgaben übernehmen soll, die vorhandene Unternehmer oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen,

c) die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist und, soweit es sich um öffentlichen Personennahverkehr handelt, unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 selbst durchzuführen bereit sind.

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Bei der Bewertung von Verkehrsbedürfnissen der unterschiedlichsten Art und ihrer befriedigenden Bedienung sowie einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b PBefG kommt der Genehmigungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, der auch die Frage einschließt, wie gewichtig einzelne öffentliche Verkehrsinteressen sowohl für sich gesehen als auch im Verhältnis zu anderen sind. Dazu hat die Genehmigungsbehörde die Verkehrsbedürfnisse zu ermitteln und zu bewerten, um dann entscheiden zu können, ob und in welchem Maße sie befriedigt werden können und sollen. Diese Entscheidung setzt nicht nur prognostische, sondern auch verkehrs- und raumordnerische Wertungen voraus (vgl. auch § 8 Abs. 4 PBefG). Die Entscheidung ist deshalb ähnlich wie andere planerische Verwaltungsentscheidungen der gerichtlichen Überprüfung nur begrenzt zugänglich (Urteile vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 39.87 - BVerwGE 82, 260 <265> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 29 S. 16 und vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 3 C 1.09 - VerkMitt 2010 Nr. 33 S. 34).

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3. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG der Erteilung der streitigen Linienverkehrsgenehmigung nicht entgegenstand. Der Beklagte konnte ohne Überschreitung der rechtlichen Grenzen seines Beurteilungsspielraums zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen dieses Versagungsgrundes nicht erfüllt sind.

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Eine befriedigende Bedienung des Verkehrs mit den vorhandenen Verkehrsmitteln im Sinne dieser Regelung findet dann nicht statt, wenn eine Lücke im Verkehrsangebot besteht (vgl. u.a. Urteile vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 111.66 - BVerwGE 30, 251 <253> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 13 S. 10 und vom 16. Dezember 1977 - BVerwG 7 C 59.74 - BVerwGE 55, 159 <161> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 24 S. 4 f.), wenn - mit anderen Worten - die Nachfrage das Angebot übersteigt. Umgekehrt gehört es im Allgemeinen zur Wahrung öffentlicher Verkehrsinteressen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG, dass nicht mehreren Unternehmen für denselben Verkehr parallel zueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird (sog. Parallelbedienungsverbot). Das gilt jedenfalls dann, wenn davon auszugehen ist, dass eine annähernd kostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen muss ("unstreitig erschöpftes Kontingent", vgl. Urteil vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 7 C 65.87 - BVerwGE 80, 270 <272> = Buchholz 442.03 § 10 GüKG Nr. 3 S. 13).

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Mit Recht ist das Berufungsgericht der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt, die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung sei wegen eines Abwägungsausfalls rechtswidrig. Dem Genehmigungsbescheid ist zu entnehmen, dass der Beklagte auch die mit dem Schienenverkehr der Klägerin für den Nutzer verbundenen Vorteile gesehen und in seine Beurteilung einbezogen hat.

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Die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Bewertung der betroffenen Belange durch den Beklagten und der dabei festgestellten Lücke in der Verkehrsbedienung sei es zu keiner offensichtlichen Fehlgewichtung gekommen, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung ebenfalls stand.

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Ob der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG befriedigend bedient wird, hängt regelmäßig von einer Vielzahl von Faktoren ab. Hierzu zählen unter anderem die Streckenführung, die zeitliche Dichte der Verkehrsbedienung, die angefahrenen Haltestellen und die davon abhängende Vernetzung mit anderen Relationen sowie die Reisegeschwindigkeit und der mit dem entsprechenden Verkehrsmittel verbundene Reisekomfort. Ebenso sind die Höhe der Fahrpreise und die eventuelle Einbindung in ein einheitliches Tarifsystem von Bedeutung; das hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt (vgl. u.a. Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 164 bzw. S. 7; s. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 14. Oktober 1971 - VI A 53/70 - VRS 42, 457 <458>). Die Relevanz der Fahrpreise für eine befriedigende Verkehrsbedienung bestätigt zusätzlich die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl EG L Nr. 156 S. 1). Nach deren Art. 3 Abs. 2 Buchst. c ist eine ausreichende Verkehrsbedienung (auch) nach den Beförderungsentgelten und -bedingungen zu beurteilen, welche den Verkehrsnutzern angeboten werden können. Soweit das Bundesverwaltungsgericht im genannten Urteil außer auf niedrigere Fahrpreise auch auf die Einbeziehung in ein einheitliches Tarifsystem abgestellt hat, um daraus eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung herzuleiten, kann dem - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht entnommen werden, dass hierfür stets beide Faktoren zusammen vorliegen müssen.

19

Das Berufungsgericht sieht - in Übereinstimmung mit dem Beklagten - eine nicht befriedigende Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG und damit ein bislang nicht abgedecktes Verkehrsbedürfnis dadurch begründet, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, den von der Klägerin angebotenen Schienenverkehr zu nutzen. Der Linienbusverkehr der Beigeladenen ziele nicht darauf ab, der Klägerin Kunden zu entziehen, die die Vorteile des Schienenverkehrs nutzen wollen und finanziell auch können, sondern darauf, dem Teil der Bevölkerung ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, der sich eine Bahnfahrt nicht oder nicht mehr leisten könne. Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwände greifen nicht durch.

20

Diese Erwägungen erweisen sich nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil die von der Klägerin angebotenen Fahrpreisermäßigungen für Bahncard-Besitzer und durch die Nutzung der Sparpreise 25 und 50 unberücksichtigt geblieben sind. Zu Recht hat das Berufungsgericht insoweit ausdrücklich auf den mit dem Erwerb einer Bahncard erforderlichen zusätzlichen finanziellen Aufwand (51,50 € für die Bahncard 25 und 206 € für die Bahncard 50) und darüber hinaus auf die bei einer Nutzung der Sparpreise geltenden Einschränkungen der Flexibilität durch Vorausbuchungsfristen, Zugbindung und (teilweise) Wochenendbindung abgestellt. Zwar sind auch das Angebot der Beigeladenen durch die beschränkte Kapazität der eingesetzten Busse notwendigerweise beschränkt und die erworbene Fahrkarte an einen bestimmten Bus gebunden, so dass aus dem Tarifangebot der Klägerin jedenfalls der am ehesten erschwingliche Sparpreis 25 als Vergleichsgröße in Betracht gezogen werden könnte. Doch auch gegenüber diesem Angebot weist der von der Beigeladenen vorgesehene (Normal)Preis von 25 € für die einfache Fahrt von Frankfurt a.M. nach Dortmund noch einen deutlichen Preisvorteil auf.

21

Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass der Beklagte bei seiner Bewertung der öffentlichen Verkehrsinteressen die mit dem Schienenverkehr für den Reisenden verbundenen Vorteile hinsichtlich Reisedauer und Komfort gegenüber den deutlich günstigeren Fahrpreisen der Beigeladenen hintangestellt hat. Diese Gewichtung hält sich in den Grenzen des der Genehmigungsbehörde zustehenden Beurteilungsspielraums; sie wäre erst dann fehlerhaft, wenn die objektive Gewichtigkeit einzustellender Belange in nicht mehr vertretbarer Weise verfehlt würde (vgl. Urteile vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309 <326> = Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 9 S. 59 und vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <126> = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 2 S. 15 f.). Das ist hier nicht der Fall. Zu den öffentlichen Verkehrsinteressen im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG gehört, wie § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG belegt, auch das Interesse der Nutzer an einer wirtschaftlichen Verkehrsgestaltung. Von einer offensichtlichen Fehlgewichtung kann auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil für den Teil der Bevölkerung, auf den das Angebot der Beigeladenen jedenfalls auch abzielt, eine Nutzung des Bahnverkehrs zu teuer wäre. Der betroffene Personenkreis wäre aus diesem Grund daran gehindert, die mit einer Bahnreise verbundenen Vorteile zu nutzen, die aus der Sicht der Klägerin vorrangig zu berücksichtigen gewesen wären.

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Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Klägerin, eine "Rosinenpickerei", wie sie die Beigeladene betreibe, entziehe Schienenverkehrsunternehmern, die auch weniger lukrative Strecken und Zeiten zu bedienen hätten, die wirtschaftliche Grundlage. Es fehlt an jeglicher konkreten und substanziierten Angabe dazu, dass der von der Beigeladenen beabsichtigte Busfernverkehr tatsächlich die wirtschaftliche Grundlage für den von der Klägerin auf der in Rede stehenden Strecke angebotenen Schienenverkehr gefährden könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere, dass die Klägerin erwägt, auf der in Rede stehenden Strecke selbst einen Busfernverkehr einzurichten. Auch wenn der Verkehr der Klägerin auf der Strecke Frankfurt a.M. - Dortmund in gewissem Umfang beeinträchtigt werden sollte, müsste sie das hinnehmen. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG gewährt dem vorhandenen Unternehmer, wie insbesondere dessen Buchstabe b deutlich macht, nur in einem eingeschränkten Umfang Besitzstandsschutz. Er soll nicht vor Konkurrenz schlechthin geschützt werden. Denn nicht nur dem vorhandenen Unternehmer, sondern auch dem "neuen" Unternehmer, der sich um Zugang zum öffentlichen Personenverkehr bewirbt, steht das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG zur Seite. Die nach § 8 Abs. 3 PBefG anzustrebende wirtschaftliche Verkehrsgestaltung kann nach den Grundprinzipien einer Marktwirtschaft, denen sich auch die Klägerin nicht entziehen kann, am besten durch Wettbewerb erreicht werden. All dem widerspräche es, wenn es - wie die Klägerin geltend macht - für die Feststellung einer Lücke im Verkehrsangebot auf von einem Konkurrenten angebotene günstigere Fahrpreise nicht ausschlaggebend ankommen könnte. Schon gar nicht kann der Besitzstandsschutz für den vorhandenen Unternehmer so weit gehen, dass ein Verkehrsbedürfnis unbefriedigt bleibt (so auch bereits Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 168 bzw. S. 11).

23

Schließlich greift die Rüge der Klägerin nicht durch, die Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene sei deswegen rechtswidrig, weil der Beklagte in einem späteren Bescheid günstigere Bustarife gerade nicht als ausreichend für die Annahme einer nicht befriedigenden Verkehrsbedienung angesehen habe, worin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung liege. Aus diesem späteren Bescheid kann die Klägerin - wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - für die hier angegriffene Genehmigung schon deshalb nichts herleiten, weil es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Erlasses dieser Genehmigung ankommt, die zweite Genehmigung zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht erteilt war. Zudem beruhte die spätere Versagung einer Linienverkehrsgenehmigung für das Busunternehmen maßgeblich auf der - wie gezeigt - nicht zwingenden Wertung des Beklagten, dass zu Gunsten der Klägerin auch Fahrpreisermäßigungen durch Bahncard und Sparpreise zu berücksichtigen seien.

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4. Zu Recht ist das Berufungsgericht dem Einwand der Klägerin nicht gefolgt, die angegriffene Linienverkehrsgenehmigung sei deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte den in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG genannten zweiten Versagungsgrund nicht geprüft habe. Der Beklagte stellt im angegriffenen Bescheid nicht nur darauf ab, dass der vorhandene Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln nicht befriedigend bedient werden könne, was auf den Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a PBefG abzielt; vielmehr enthält der Genehmigungsbescheid ausdrücklich auch die Aussage, dass durch den günstigeren Tarif eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung zu erwarten sei. Dem konnte das Berufungsgericht entnehmen, dass der Beklagte die Voraussetzungen von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG geprüft und deren Vorliegen verneint hat.

25

Das ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine Genehmigungsversagung auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Beigeladene keine Verkehrsaufgabe übernehmen will, die die Klägerin bereits wahrnimmt. Eine Wahrnehmung derselben Verkehrsaufgabe im Sinne dieser Regelung liegt nicht schon dann vor, wenn dieselbe Strecke bedient wird, sondern setzt darüber hinaus voraus, dass derselbe Nutzerkreis angesprochen wird. Nach der vom Berufungsgericht gebilligten Annahme des Beklagten richtet sich das Verkehrsangebot der Beigeladenen aber in erster Linie an einen anderen Kreis von Kunden als das der Klägerin. Selbst wenn man von einer teilweisen Überschneidung ausginge, hätte der Beklagte zu Recht eine "wesentliche" Verbesserung der Verkehrsbedienung angenommen, was diesen Versagungsgrund ebenfalls entfallen lässt. Denn nach den Annahmen des Beklagten sieht sich ein beachtlicher Teil der Bevölkerung aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, den von der Klägerin angebotenen Schienenverkehr zu nutzen. Zwar hat der Beklagte - ebenso wie das Berufungsgericht - hierzu keine näheren Feststellungen getroffen, sondern sich mit allgemeinen Hinweisen auf die Einkommensverhältnisse bestimmter Bevölkerungskreise begnügt. Es ist indes offensichtlich und nicht weiter darlegungsbedürftig, das angesichts der regulären Preise der Klägerin gerade bei Personen aus einkommensschwachen Haushalten ein Bedürfnis an preiswerteren Angeboten für Fernreisen besteht, weil sich dieser Personenkreis eine Bahnreise nicht ohne Weiteres leisten kann oder will und bereit ist, unter gewissen Einbußen an Komfort und Schnelligkeit das alternative Angebot einer Busreise in Anspruch zu nehmen. Die von der Klägerin zusätzlich gestellte Anforderung, dass die wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung im öffentlichen Interesse dringend erforderlich sein müsse, findet in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b PBefG keine Stütze.

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5. Die der Beigeladenen erteilte Linienverkehrsgenehmigung ist aber deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte die Klägerin nicht gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG zu einer Ausgestaltung ihres Schienenverkehrs aufgefordert hat.

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a) Liegen die Versagungsgründe des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b PBefG nicht vor, haben die vorhandenen Unternehmen und Eisenbahnen nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG das (Vor-)Recht, durch eine Ausgestaltung ihres Verkehrs selbst für eine entsprechende Verbesserung der Verkehrsbedienung zu sorgen; dadurch können sie die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung an den neuen Unternehmer verhindern. Nach dieser Bestimmung ist die Genehmigung zu versagen, wenn die für die Bedienung des Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist selbst durchzuführen bereit sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Verkehrsbedienung auf einer Strecke möglichst in der Hand eines Unternehmers liegen, weil Doppelbedienungen immer die Gefahr von Unzuträglichkeiten zum Schaden des Verkehrsnutzers bieten (Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - BVerwGE 30, 352 <356> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 17 S. 34). Der neue Unternehmer kann erst dann zum Zuge kommen, wenn in der vorgeschriebenen Form geklärt ist, dass der vorhandene Unternehmer von seinem Ausgestaltungsrecht keinen Gebrauch macht (vgl. Urteile vom 17. April 1964 - BVerwG 7 C 79.61 - Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 9 und vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 111.66 - a.a.O. S. 253 bzw. S. 10). Geht der vorhandene Unternehmer darauf nicht ein oder sind die Anforderungen an die "notwendige" Ausgestaltung nicht erfüllt, ist dem Antrag des neuen Unternehmers stattzugeben. Ein Ausgestaltungsrecht kann dann, etwa nach Erhebung einer Konkurrentenklage, nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. Urteil vom 28. Juli 1989 a.a.O. S. 262 f. bzw. S. 13 f.).

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b) Der Beklagte hat vor der Erteilung der streitigen Genehmigung an die Beigeladene die Klägerin nicht zur Ausgestaltung aufgefordert.

29

Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass die Genehmigungsbehörde dem vorhandenen Verkehrsunternehmer gegenüber zum einen präzisiert, in welcher Weise der vorhandene Verkehr zu verändern, also etwa zu ergänzen ist, damit die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs erreicht wird. Zudem verlangt § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG, dass die Genehmigungsbehörde bei der Aufforderung zur Ausgestaltung eine angemessene Frist setzt, innerhalb derer diese Ausgestaltung vorzunehmen ist.

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aa) Fehl geht allerdings der Einwand der Klägerin, dass ihr auch die Möglichkeit einzuräumen gewesen wäre, selbst einen Fernverkehr mit Bussen einzurichten. Auch wenn sie die Bereitschaft hierzu erklärt hätte, hätte das die Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene nicht hindern können, weil darin keine Ausgestaltung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG mehr gesehen werden kann.

31

§ 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG begründet nur ein Recht zur Ausgestaltung, nicht aber zur Umgestaltung des bestehenden Verkehrsangebotes. Eine Ausgestaltung im Sinne dieser Regelung darf nicht zu einer Umwandlung des bestehenden Verkehrs führen, weil sie dann nicht mehr etwas Vorhandenes verbessern oder vervollständigen, sondern etwas Neues schaffen würde. Die Ausgestaltung muss daher stets im Rahmen des vorhandenen Verkehrs bleiben (Urteil vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 64.67 - BVerwGE 30, 257 <262> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 12 S. 5); das Vorhandene muss im Wesentlichen erhalten bleiben (Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - BVerwGE 30, 352 <355> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 17 S. 34). So können im Rahmen der Ausgestaltung etwa räumliche Änderungen der Linienführung in begrenztem Umfang vorgenommen, die Anschlüsse zwischen einzelnen Strecken verbessert, größere Fahrzeuge eingesetzt oder das Angebot in zeitlicher Hinsicht verändert werden (vgl. Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - a.a.O. S. 356 f. bzw. S 34 f.). Dagegen liegt beispielsweise eine Umgestaltung vor, wenn die Änderung dazu führt, dass der Verkehr partiell den Charakter eines Fern- oder Mittelstreckenverkehrs verliert und stattdessen den eines Ortsnahverkehrs gewinnt (Urteil vom 11. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 64.67 - a.a.O.), eine dem allgemeinen Verkehr dienende Linie, wenn auch nur teilweise, in einen reinen Berufsverkehr umgewandelt wird oder es zu einer wesentlichen Änderung der Linienführung kommt (vgl. Urteil vom 6. Dezember 1968 - BVerwG 7 C 73.67 - BVerwGE 31, 133 <136 f.> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 18 S. 41).

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Unter Berücksichtigung dessen läge in der Aufnahme eines Busfernverkehrs durch die Klägerin keine bloße Aus-, sondern eine Umgestaltung ihres vorhandenen Schienenverkehrs. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Verkehrs zählt das eingesetzte Verkehrsmittel. Die Klägerin selbst hat wiederholt hervorgehoben, dass der Schienenverkehr erhebliche Unterschiede zu einem Fernbusverkehr hinsichtlich Geschwindigkeit, Komfort und Umweltverträglichkeit aufweist. Hinzu kommt, dass der von der Klägerin ins Auge gefasste Busfernverkehr separat und zusätzlich zu dem bisher vorhandenen und von ihr fortgeführten Schienenverkehr stattfinden soll. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, das Bundesverwaltungsgericht habe angenommen, ein Schienenunternehmen könne im Rahmen der Ausgestaltung auch einen Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen einrichten. Diese Aussage im Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG 7 C 12.67 - a.a.O. S. 356 bzw. S. 35) geht allein darauf zurück, dass dem vorhandenen Verkehrsunternehmer - wie gezeigt - im Rahmen einer Ausgestaltung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG auch begrenzte räumliche Änderungen der Linienführung möglich sein sollen, diese Möglichkeit beim Schienenverkehr aber fehlt oder jedenfalls erheblich erschwert ist. Damit Bahnunternehmen bei der Wahrnehmung ihres Ausgestaltungsrechts nicht benachteiligt sind, sollte ihnen auch die Einrichtung eines Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen offen stehen. Um einen solchen Ausgleich "natürlicher" Nachteile des Schienenverkehrs geht es im vorliegenden Fall aber nicht. Vielmehr würde der von der Klägerin beabsichtigte Busverkehr dieselbe Strecke bedienen wie bisher ihr Schienenverkehr, der fortgeführt werden soll.

33

Das bedeutet zwar nicht, dass die Klägerin generell daran gehindert wäre, auch selbst Busfernverkehre anzubieten. Es entfällt hierfür aber die mit dem Ausgestaltungsrecht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG verbundene Privilegierung als vorhandenes Eisenbahnunternehmen. Die Klägerin hat sich deshalb, will sie selbst Fernbuslinien betreiben, einem Wettbewerb mit möglichen Konkurrenten um die bessere Verkehrsbedienung zu stellen.

34

bb) Dagegen würde es sich bei einer Anpassung oder Annäherung der Bahnpreise an die von der Beigeladenen vorgesehenen Tarife um eine Ausgestaltung des vorhandenen Schienenverkehrs im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG handeln (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1977 a.a.O. S. 168 bzw. S. 11). Eine solche Möglichkeit erscheint im Hinblick auf das bei der Klägerin im Fernverkehr praktizierte System der Relationspreise auch nicht von vornherein ausgeschlossen; sie könnte zudem durch Vergünstigungen erreicht werden, die nicht nur auf die konkrete Strecke bezogen sind.

35

Eine entsprechende Ausgestaltungsaufforderung war hier nicht entbehrlich. Im Hinblick auf die der Genehmigungsbehörde insoweit obliegenden Konkretisierungspflichten und die Funktion des Ausgestaltungsrechts innerhalb des Genehmigungsverfahrens wurde diesem Verfahrenserfordernis nicht bereits dadurch genügt, dass das nach § 14 PBefG gebotene Anhörverfahren stattgefunden hat. Ein Verzicht der Klägerin auf ihr Ausgestaltungsrecht (vgl. dazu OVG Münster, Urteil vom 5. Mai 1975 - XIII A 1090/73 - VRS 49, 478 <480>) kann ebenfalls nicht angenommen werden, da es an der hierfür erforderlichen Verzichtserklärung fehlt. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen einer Verwirkung vor.

36

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt die unterbliebene Ausgestaltungsaufforderung zur Aufhebung des Genehmigungsbescheides.

37

aa) Eine Heilung dieses Verfahrensmangels ist nicht eingetreten. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; nach Absatz 2 können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Bei der nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG gebotenen Anfrage der Genehmigungsbehörde bei einem vorhandenen Unternehmer, ob er zur notwendigen Ausgestaltung seines Verkehrs bereit ist, handelt es sich funktional um eine Anhörung im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG. Unterbleibt sie, tritt eine Heilung aber nur ein, soweit die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 45 Rn. 26; zurückhaltend auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 45 Rn. 74). Um die Bewertung solcher Äußerungen der Klägerin geht es jedoch im vorliegenden Fall. Unabhängig davon fehlt nach wie vor die in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG geforderte Fristsetzung.

38

bb) Auch eine Anwendung von § 46 HVwVfG ist nicht möglich. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

39

Bei den verletzten Verfahrensvorschriften muss es sich nicht um solche des Verwaltungsverfahrensgesetzes handeln, auch entsprechende Vorschriften in anderen Gesetzen werden erfasst (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 46 Rn. 14; Sachs, a.a.O. § 46 Rn. 19). Dafür, dass es sich bei der in § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG vorgeschriebenen Aufforderung zur Ausgestaltung um ein die Anwendung von § 46 HVwVfG ausschließendes absolutes Verfahrenserfordernis handelt, das unabhängig von der Richtigkeit der von der Behörde getroffenen Entscheidung beachtet werden soll (vgl. zum Beteiligungsrecht von Naturschutzverbänden nach § 29 BNatSchG Urteil vom 12. November 1997 - BVerwG 11 A 49.96 - BVerwGE 105, 348 <353> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 16 S. 43 f. m.w.N.), gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

40

Auch wenn damit die Anwendung des § 46 HVwVfG nicht von vornherein ausgeschlossen ist, so sind doch die dort geregelten Voraussetzungen für eine Unschädlichkeit des Verfahrensfehlers hier nicht erfüllt; denn es ist keineswegs offensichtlich, dass er ohne Einfluss auf die von der Behörde getroffene Entscheidung war. Dies könnte nur angenommen werden, wenn jeglicher Zweifel daran ausgeschlossen wäre, dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso entschieden hätte.

41

Die Einschätzung dieser Kausalitätsfrage erfordert hier eine hypothetische Betrachtung in zweierlei Hinsicht. Zu beantworten ist nicht nur, wie die Genehmigungsbehörde reagiert hätte, wenn die Klägerin die Bereitschaft zu einer Absenkung ihrer Fahrpreise erklärt hätte. Vorab ist zu beantworten, ob die Klägerin im Falle einer Ausgestaltungsaufforderung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG überhaupt eine entsprechende Bereitschaft bekundet hätte. Dabei ist zu beachteten, dass eine notwendige Ausgestaltung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c PBefG nicht zwingend eine vollständige Übernahme des Preissystems der Beigeladenen voraussetzen würde, sondern nur ein zusätzliches, den Tarifen der Beigeladenen zumindest annähernd vergleichbares Preisangebot.

42

Dass die Klägerin ihre Bereitschaft zu einer solchen Anpassung erklärt hätte, kann nach ihrem Vorbringen im Revisionsverfahren nicht mit der erforderlichen Sicherheit verneint werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin erklärt, dass sie bei einer entsprechenden Anfrage der Genehmigungsbehörde zu einer Überprüfung bereit gewesen wäre. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie bei ihrer Entscheidung zwar die Auswirkungen auf das Gesamtsystem ihrer Fahrpreise zu berücksichtigen habe, was eine Fahrpreissenkung auf einzelnen Strecken erschwere. Es könne aber auch in Betracht gezogen werden, Fahrpreisermäßigungen für finanziell Schlechtergestellte einzuführen, etwa im Wege einer besonderen Bahncard. Eine solche Möglichkeit werde auch bereits geprüft. Danach kann nicht von einer offensichtlich fehlenden Kausalität des vom Beklagten begangenen Verfahrensfehlers ausgegangen werden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die zwangsgeldbewehrte und für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2015. Nach Nr. 1 des Bescheidstenors hat der Antragsteller die Bauarbeiten zur Errichtung des Wohngebäudes auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung H. (Baugrundstück) ab sofort einzustellen. Für den Fall, dass die Arbeiten entgegen der Nr. 1 des Bescheids fortgesetzt werden, wurde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 Euro angedroht. Ausweislich der Bescheidsbegründung sei anlässlich einer Ortsbesichtigung festgestellt worden, dass die erforderliche Abstandsfläche (Anm.: der östlichen Außenwand) zum auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Baugrundstück S.-Straße Hs-Nr. ... (FlNr. ...) nicht eingehalten werde. Bis zu einer Entscheidung über einen möglichen Rückbau solle verhindert werden, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2014 war dem Antragsteller die bauaufsichtliche Genehmigung zum Neubau eines Wohnhauses mit Garage auf dem Baugrundstück im „vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 BayBO“ erteilt worden. Beantragt wurde u. a. eine „Befreiung von der vorgegebenen Wandhöhe 5,50 m auf (eine) Wandhöhe 5,95 m beim Wohngebäude“; dies betrifft die Wandhöhe zur S.-Straße hin (Anm.: östliche Außenwand). Mit der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde die „beantragte Befreiung von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans … (statt max. 5,50 m - rd. 6 m)“ nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt. Tatsächlich wurde die östliche Außenwand des Wohngebäudes des Antragstellers 5,98 m hoch errichtet (Anm.: gemessen vom Straßenniveau). (Nur) Hinsichtlich der Grenzgarage wurde auch eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt. Unter dem Datum 5. Mai 2015 stellte der Antragsteller einen Änderungsantrag für die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich des Wohnhauses gegenüber den östlichen, nördlichen und südlichen Nachbargrundstücken. Über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden.

Gegen die Baueinstellungsverfügung vom 15. Mai 2015 ließ der Antragsteller am 15. Juni 2015 Anfechtungsklage erheben. Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage betreffend Nr. 1 des Bescheids vom 15. Mai 2015 wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 20. Juli 2015 im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Vorhaben des Antragstellers halte die Abstandsflächen an drei Seiten nicht ein. Erscheine im Hinblick auf die Abstandsflächen zu den nördlichen und südlichen Nachbarn aufgrund der von diesen erteilten Nachbarzustimmungen die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO möglich, scheitere derzeit die Herstellung rechtmäßiger Zustände an einer Abstandsflächenübernahme durch die Eigentümerin des (Anm.: östlich des Baugrundstücks, jenseits der S.-Straße liegenden) Grundstücks FlNr. ..., die ihr fehlendes Einverständnis durch ihren bevollmächtigten Ehemann habe erklären lassen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Baugenehmigung eine Aussage bezüglich einer umfassenden Prüfung der Abstandsflächen enthalte. In den Gründen des Baugenehmigungsbescheids vom 17. Juni 2014 werde ausdrücklich auf das Verfahren nach Art. 59 BayBO hingewiesen.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Das Vorhaben sei plangemäß ausgeführt worden. Die Wandhöhe der Ostfassade des Wohnhauses sei nach Maßgabe der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans mit 5,98 m zu bemessen. Diese Festsetzung wiederhole nicht bloß die Regelung des Art. 6 BayBO, sondern sei eine (eigenständige) Festsetzung. Die Abstandsflächensituation sei insoweit auch Gegenstand eines Antrags auf Befreiung gewesen, vom Prüfungsumfang des Art. 59 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BayBO erfasst und unter Bezugnahme auf § 31 Abs. 2 BauGB auch erteilt worden. Die Inanspruchnahme der gesamten Straßenfläche für die Abstandsfläche habe die Antragsgegnerin bereits genehmigt, so dass im südlichen Teil der östlichen Außenwand mit einer Außenwandlänge von 4,50 m kein Abstandsflächenproblem bestehe. Im nördlichen Bereich der östlichen Außenwand auf einer Länge von 6 m liege die Abstandsfläche zwar mit einer Tiefe von 45 cm - 50 cm auf dem Nachbargrundstück. Dies sei jedoch eine Fläche, in der durch Dienstbarkeit gesicherte Versorgungsleitungen der Antragsgegnerin liegen würden, so dass sie nicht überbaut werden dürfe. Insoweit seien die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 BayBO gegeben. Dessen ungeachtet hätte die Antragsgegnerin die Einhaltung der Abstandsflächen in vollem Umfang auch dann prüfen müssen, wenn nur eine Befreiung beantragt gewesen wäre. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf Art. 55 Abs. 2 BayBO sei verfehlt, weil angesichts der erteilten Befreiungen kein Fall der präventiven Prüfungsreduktion vorliege und diese Vorschrift keine Anwendung finde, in denen der Bauaufsichtsbehörde - wie hier - ein Fehler unterlaufen sei. Die Antragsgegnerin sei anlässlich des Ortstermins vom 7. Mai 2015 zu Unrecht davon ausgegangen, dass die östliche Außenwand des Wohnhauses vom Urgelände aus zu messen sei, woraus sich eine Abstandsflächenerstreckung von 70 cm - 80 cm auf das Nachbargrundstück errechne (Anm: anstelle der eingeräumten rechnerischen Abstandsflächenerstreckung von ca. 45 cm - 50 cm; vgl. Beschwerdebegründung vom 19.8.2015 S. 9), was aber der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 widerspreche. Mit dieser irrigen Rechtsmeinung habe die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgefordert, einen Änderungsantrag (Anm.: datiert auf den 5. Mai 2015; vgl. Anlage K2) zu stellen. Dieser, die irrige Rechtsauffassung der Antragsgegnerin berücksichtigende Änderungsantrag sei in der Erwartung einer Befreiung gestellt worden, die die Antragsgegnerin jedoch ausschließlich an die Zustimmung der Nachbarin geknüpft habe. Dies sei rechtsfehlerhaft, weil eine Befreiung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO auch ohne Zustimmung möglich sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Baueinstellungsverfügung nicht die privaten Interessen des Antragstellers, weil die Baumaßnahme weder formell noch materiell rechtswidrig sei. Vielmehr sei zweifelsfrei erkennbar, dass die Klage in der Hauptsache Erfolg haben werde. Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin bis heute nicht über ihr angebliches Recht auf Beseitigung entschieden habe, das sie mit der Baueinstellung sichern wolle. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf eine Entscheidung (Anm.: wohl über den ausdrücklich gestellten Änderungsantrag vom 5. Mai 2015) innerhalb angemessener Frist. Die Baueinstellung sei in dieser Phase des Baus unverhältnismäßig. Der Antragsteller sei vor Erlass der Baueinstellungsverfügung nicht angehört worden. Er habe deshalb nicht geltend machen können, dass sich nicht die Eigentümerin des Nachbargrundstücks bei der Antragsgegnerin beschwert habe, sondern deren dinglich nicht berechtigter Ehemann. Hinsichtlich der weiteren Darlegungen des Antragstellers wird auf die umfängliche Beschwerdebegründung verwiesen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Juli 2015 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 15. Juni 2015 gegen die Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2015 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Trotz plangemäßer Errichtung des Vorhabens würden die Voraussetzungen des Art. 75 BayBO vorliegen. Das Vorhaben sei materiell rechtswidrig, weil sich die Abstandsfläche über die Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche hinaus auf die gesamte Straßenfläche und teilweise sogar auf das gegenüber liegende Grundstück erstrecke, unabhängig davon welcher untere Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe herangezogen werde. Zu Recht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Prüfumfang des Art. 59 BayBO nicht die Prüfung der Abstandsflächen insgesamt enthalten habe. Aus der Tatsache, dass eine Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Wandhöhe erteilt und eine beantragte Abweichung für die Westseite (Anm.: für eine Garage an der Nordgrenze) des Grundstücks ausgesprochen worden sei, folge nicht, dass die Antragsgegnerin an allen Seiten die Einhaltung der Abstandsflächen habe prüfen müssen. Die Baueinstellung sei erforderlich gewesen, um die Fertigstellung des Gebäudes zu verhindern, bis geklärt sei, auf welchem Weg rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die vom Antragsteller innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wird voraussichtlich erfolglos bleiben, so dass das Interesse an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse an der angefochtenen Baueinstellungsverfügung nachrangig ist.

1. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ist es der Antragsgegnerin als Bauaufsichtsbehörde nicht verwehrt, gegen das Vorhaben nach Art. 75 BayBO vorzugehen. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Ist eine bauaufsichtliche Genehmigung für ein Vorhaben erteilt, können die Arbeiten gleichwohl eingestellt werden, wenn sich die Genehmigung zu einem materiell-rechtlichen Baurechtsverstoß nicht verhält, einen solchen also nicht in formeller Hinsicht legalisiert. So liegt es hier.

a) Die östliche Außenwand des Wohnhauses des Antragstellers hält gegenüber dem jenseits der S.-Straße liegenden Grundstück FlNr. ... (Nachbargrundstück) die gesetzlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO nicht ein.

aa) Die östliche Außenwand des Wohnhauses des Antragstellers verläuft nach den Bauvorlagen in einem Abstand von 2 m zur Ostgrenze des Baugrundstücks und weist (nach Ansicht des Antragstellers) eine abstandsflächenrelevante Wandhöhe von 5,98 m auf. Die zwischen dem Bau- und dem Nachbargrundstück verlaufende S.-Straße ist in Höhe der beiden Grundstücke zwischen 4,50 m (südlicher Teil) und 3,50 m (nördlicher Teil) breit. Hiervon ausgehend überschreitet die bei einer unterstellten Wandhöhe von 5,98 m gegebene Tiefe der (vollen) Abstandsfläche nicht nur die Straßenmitte (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO), sondern kommt im nördlichen Teil auch auf dem Nachbargrundstück zu liegen. Ausweislich der Bauvorlagen zur Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wird das Schmalseitenprivileg bereits gegenüber den im Norden und Süden gelegenen Nachbargrundstücken in Anspruch genommen, so dass seine weitere Anwendung nach Osten nicht in Betracht kommt (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO).

bb) Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 Alt. 1 BayBO berufen, soweit die Abstandsfläche des nördlichen Teils der östlichen Außenwand auf das Nachbargrundstück fällt. Danach dürfen sich u. a. Abstandsflächen ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn rechtlich oder tatsächlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden. Selbst wenn hier aufgrund von Leitungsrechten oder aus sonstigen Gründen eine nicht überbaubare Grundstücksfläche i. S. d. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO vorliegen würde, änderte dies nichts an der materiellem Recht widersprechenden und formell auch nicht legalisierten Inanspruchnahme der S.-Straße über deren Mitte hinaus (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Davon abgesehen stünde eine ggf. nicht überbaubare Fläche des Nachbargrundstücks FlNr. ... in vollem Umfang diesem Grundstück (Eigentümergrundstück) für eine Abstandsflächenverlagerung zur Verfügung (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 6 Rn. 61 m. w. N.). Darauf, ob diese nach Ansicht des Antragstellers nicht überbaubare Fläche durch vorhandene bauliche Anlagen bereits abstandsflächenrechtlich in Anspruch genommen ist (vgl. Anlage K11), kommt es mithin nicht an.

b) Mit der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde, anders als der Antragsteller vorträgt, keine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung hinsichtlich der vor den Außenwänden des Wohnhauses liegenden Abstandsflächen erteilt.

aa) Nach Nr. 2 des Bescheidstenors der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wurde die „beantragte Befreiung von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans ‚W.‘ hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses (statt max. 5,50 m - rd. 6 m) zugelassen (§ 31 Abs. 2 BauGB)“.

Diese Befreiung erfolgt von der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans. Danach beträgt die Wandhöhe bergseits max. 5,50 m. Die Wandhöhe („Definition gemäß Art. 6 Abs. 3 BayBO“) wird bei Erschließung über verkehrsberuhigte Anliegerstraßen in Bezug auf das Niveau der angrenzenden Verkehrsflächen, von der aus das Gebäude erschlossen wird, festgesetzt; hier also vom Niveau der S. Straße aus. Die textliche Festsetzung Nr. 1.2 regelt das Maß der baulichen Nutzung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, indem die Gebäudehöhe (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) auf ein bestimmtes maximales Maß in Metern festgelegt wird (hier: 5,50 m). Die der Planfestsetzung zugrunde gelegte Definition der „Wandhöhe“ in Anlehnung an den bauordnungsrechtlichen Begriff der Wandhöhe bestimmt (neben der auch festgesetzten Firsthöhe) die „erforderlichen Bezugspunkte“ i. S. d. § 18 Abs. 1 BauNVO bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen. Unterer Bezugspunkt ist demnach (hier) das Straßenniveau; der obere Bezugspunkt folgt aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 BayBO 1998 bzw. aus Art. 6 Abs. 4 BayBO 2008 (Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand). Ob die textliche Festsetzung Nr. 1.2 zugleich - abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO 2008 (bzw. Art. 6 Abs. 3 BayBO 1998) - das Straßenniveau anstelle der „Geländeoberfläche“ als unteren Bezugspunkt zur Ermittlung der Wandhöhe in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht regelt, ist eher fraglich, kann zugunsten des Antragstellers aber unterstellt werden. Fest steht im Übrigen, dass unabhängig von den planlichen Festsetzungen durch Baugrenzen für die Abstandsflächen die Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung gelten (Nr. 2 der textlichen Festsetzungen). Hiervon ausgehend regelt die erteilte Befreiung von den Festsetzungen hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses keinen - auch keinen teilweisen - Dispens von der Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen.

bb) Nach Nr. 3 des Bescheidstenors der Baugenehmigung vom 17. Juni 2014 wird eine „Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 Abs. 9 BayBO für die Wandhöhe der Grenzgarage zugelassen (Art. 63 BayBO)“. Diese allein auf die Grenzgarage bezogene Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften lässt im Umkehrschluss erkennen, dass eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus nicht erteilt wurde.

cc) Ohne Belang ist, ob der Antragsteller ursprünglich konkludent (ausdrücklich beantragt wurde eine Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Vorschriften zur: „Wandhöhe Grenzgarage“ und eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zur: „Wandhöhe bergseitig“; vgl. Formblattantrag auf Befreiung/Abweichung vom 27.3.2014) auch eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich (u. a.) der Ostfassade seines Wohnhauses beantragt hatte, ob es im vorliegenden Fall also um nichts anderes gehe, als „dass der Antragsgegnerin ein Fehler vor der Erteilung der Baugenehmigung unterlaufen ist und dass dieser Fehler nun korrigiert werden soll zulasten des Antragstellers“. Denn aus dem Baugenehmigungsbescheid vom 17. Juni 2014 ergibt sich zweifelsfrei, dass eine dahingehende Abweichung nicht erteilt wurde. Wie bereits ausgeführt, wurde in Nr. 2 des Bescheidstenors hinsichtlich der bergseitigen Wandhöhe des Wohnhauses nur eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplan nach „§ 31 Abs. 2 BauGB“ zum Maß der baulichen Nutzung erteilt; in Nr. 3 des Bescheidstenors wurde lediglich eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für die Wandhöhe der Grenzgarage zugelassen. Aus den Bescheidsgründen der Baugenehmigung ergibt sich nichts anderes („Die Einhaltung der nicht überprüften öffentlich-rechtlichen Vorschriften fällt in die alleinige Verantwortung des Bauherrn und der am Bau Beteiligten“). Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Baugenehmigungsbescheids vom 17. Juni 2014 hätte es dem Antragsteller deshalb oblegen, auf eine Entscheidung über eine etwa beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften hinsichtlich des Wohngebäudes hinzuwirken, bevor er sein Vorhaben ausführt.

2. Die Darlegungen des Antragstellers lassen keine Ermessensfehler der angefochtenen Baueinstellungsverfügung erkennen.

a) Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung die Bauaufsichtsbehörde auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensausübung nicht daran hindert, eine Baueinstellungsverfügung zu erlassen. Für den gegenständlichen Fall gilt nichts anderes. Die Bestimmung in Art. 55 Abs. 2 BayBO, auf die das Verwaltungsgericht hinweist, wonach u. a. die Beschränkung der bauaufsichtlichen Prüfung nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen entbindet, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden und die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt lässt, hat lediglich klarstellende, aber keine die Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörde einschränkende Funktion. Aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO folgt unmittelbar, dass die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Die Errichtung des Wohnhauses steht - wie ausgeführt - im Widerspruch zum materiellen Abstandsflächenrecht; dieser Verstoß wurde durch die Baugenehmigung auch nicht legalisiert, weil eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus des Antragstellers tatsächlich nicht erteilt wurde.

b) Darauf, ob der Antragsteller bereits mit Bauantrag vom 27. März 2014 einen (konkludenten) Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für das Wohnhaus gestellt hat, kommt es auch bei der Ermessensprüfung nicht entscheidungserheblich an. Insbesondere ist das Einschreitensermessen der Bauaufsichtsbehörde nicht schon dann reduziert, wenn (unterstellt) über einen Abweichungsantrag nicht entschieden wurde. Werden - wie hier - Nachbarrechte Drittbetroffener durch eine (unterlassene) Abweichungsentscheidung berührt, kann sich die Bauaufsichtsbehörde nicht über das Erfordernis der „Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange“ hinwegsetzen (vgl. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO), um die Auswirkungen eines etwaigen Behördenversehens zugunsten des Bauherrn zu minimieren. Die Bauaufsichtsbehörde kann die unterlassene Abweichungsentscheidung lediglich nachholen, ist dabei aber an die Voraussetzungen des Art. 63 BayBO gebunden. Zwar kann der Bauherr verlangen, dass ein übergangener Abweichungsantrag ermessensgerecht und in angemessener Zeit beschieden wird. Das Ergebnis einer nachzuholenden Abweichungsentscheidung kann deshalb aber nicht zugunsten des Bauherrn vorweggenommen werden, wenn - wie hier - keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine Ermessensreduktion in Richtung der Erteilung der beantragten Abweichung bestehen.

c) Der Einwand, die Antragsgegnerin habe die Grundlagen ihres Ermessens verkannt, weil sie die im Änderungsantrag vom 5. Mai 2015 beantragte Abweichung von den Abstandsflächen für das Wohngebäude falsch berechnet und die Abweichung ausschließlich an die Zustimmung der Nachbarin geknüpft habe, die aber im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO nicht erforderlich sei, lässt keine vom Verwaltungsgericht abweichende Bewertung zu.

aa) Wie bereits ausgeführt wurde, fehlt es derzeit an einer positiven Abweichungsentscheidung zugunsten des Vorhabens des Antragstellers. Deshalb kommt es im gegenständlichen Verfahren nicht darauf an, auf welcher Grundlage die Antragsgegnerin die abstandsflächenrelevante Wandhöhe im Hinblick auf den Änderungsantrag ermitteln wird.

Soweit es die gegenständliche Baueinstellungsverfügung betrifft, kann offen bleiben, ob die das Maß der baulichen Nutzung betreffende textliche Festsetzung Nr. 1.2 des Bebauungsplans zugleich auf die Berechnung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen anzuwenden ist. Denn die Antragsgegnerin hat sich ausweislich der Bescheidsbegründung beim Erlass der angefochtenen Baueinstellungsverfügung vom 15. Mai 2015 nicht darauf gestützt, dass die Abstandsfläche der östlichen Hauswand zu „70 cm - 80 cm“ auf dem Nachbargrundstück zu liegen kommt, sondern darauf, dass „die Abstandsfläche nicht nur über die Mitte der Verkehrsfläche sondern sogar in das gegenüberliegende Nachbargrundstück fällt“. Diese Erwägung trifft in der Sache zu. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin vom Erlass der Baueinstellungsverfügung abgesehen hätte oder davon absehen hätte dürfen, wenn sie davon ausgegangen wäre, die Abstandsfläche komme nur „45 cm - 50 cm“ auf dem Nachbargrundstück zu liegen. Die unterschiedliche Auffassung der Verfahrensbeteiligten, von welchem unteren Bezugspunkt die abstandsflächenrelevante Wandhöhe zu bemessen ist (Geländehöhe oder Straßenniveau), ist demnach für die Rechtmäßigkeit der Baueinstellungsverfügung ohne Relevanz. Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen weder wörtlich noch sinngemäß ausgeführt, der Antragsteller habe sich „in besonderer Weise rücksichtslos verhalten“ und es hat bei seiner rechtlichen Bewertung entscheidungserheblich auch nicht auf eine etwaige Überschreitung der Abstandsflächen hinsichtlich des nördlichen oder südlichen, sondern allein auf das östliche Nachbargrundstück abgestellt.

bb) Auf die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO kann sich der Antragsteller - wie bereits ausgeführt wurde - nicht berufen, weil eine etwa unbebaubare Fläche in vollem Umfang dem Eigentümergrundstück, hier also dem Grundstück FlNr. ... zur Verfügung steht (vgl. Schwarzer/König, a. a. O., Art. 6 Rn. 61 m. w. N.). Dass die Antragsgegnerin dem Vortrag des Antragstellers zufolge die Erteilung der mit Änderungsantrag vom 5. Mai 2015 beantragten Abweichung an die Zustimmung der Nachbarin knüpft, ist nicht von vornherein zu beanstanden. Die Antragsgegnerin gibt damit wohl zu erkennen, dass einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften aus ihrer Sicht keine rein öffentlichen Belange entgegenstehen. Anders verhält es sich hinsichtlich der im Rahmen einer Abweichung zu prüfenden öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange (Art. 63 Satz 1 BayBO), über die die Bauaufsichtsbehörde nicht nach Belieben disponieren kann. Insoweit kann es gerechtfertigt sein, dem Bauherrn zunächst aufzugeben, eine Nachbarzustimmung einzuholen. Allein die Versagung der Zustimmung durch den Nachbarn hindert die Bauaufsichtsbehörde allerdings nicht, gleichwohl eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften zu erteilen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Umstände und im Hinblick auf die nachbarschützende Intention des Abstandsflächenrechts ist nach Lage der Akten nicht ersichtlich, dass allein die Erteilung der nunmehr ausdrücklich beantragten Abweichung ermessensgerecht wäre.

d) Schließlich ist die Baueinstellungsverfügung nicht unverhältnismäßig. Nachdem eine die Rechte des Nachbargrundstücks betreffende Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugunsten des Vorhabens des Antragstellers bislang nicht erteilt wurde und keine Anhaltspunkte für eine dahingehende Ermessensreduktion ersichtlich sind, ist derzeit offen, ob eine künftige Abweichungsentscheidung einer rechtlichen Prüfung standhalten würde. Wäre tatsächlich eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt worden oder wird eine solche erteilt, müsste die betroffene Nachbarin im Übrigen nicht „im Wege des Antrags nach § 123 VwGO vorgehen“. Sie könnte die Baugenehmigung vielmehr anfechten und zugleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen (vgl. § 212 a Abs. 1 BauGB, § 80 a Abs. 3, Abs. 5 VwGO). In einem gerichtlichen Verfahren wäre dann zu klären, ob die zu begründende Ermessensentscheidung (vgl. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO), an der es bislang fehlt, insbesondere mit den öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar ist (vgl. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Baueinstellung mit der Begründung verfügt hat, bis zu einer Entscheidung über eine mögliche Anordnung eines möglichen (Teil-) Rückbaus solle verhindert werden, dass weitere vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dass die Antragsgegnerin bislang keinen Rückbau angeordnet hat, kann nicht als Nachteil zulasten des Antragstellers gewertet werden. Die Antragsgegnerin ist aber gehalten, alsbald über den nunmehr ausdrücklich gestellten Abweichungsantrag zu entscheiden, nachdem die Eigentümerin des östlichen Nachbargrundstücks offenbar nicht bereit ist, das Angebot des Antragstellers anzunehmen und ihre Zustimmung zu dem Vorhaben zu erteilen.

3. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 2015 (Az. 9 ZB 15.714 - juris Rn. 5 m. w. N.) zutreffend ausgeführt, dass ein etwaiger Anhörungsmangel in entsprechender Anwendung des Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG im Eilverfahren geheilt worden wäre. Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht substantiiert auseinander. Davon abgesehen ist es ohne Belang, ob eine Beschwerde der Nachbarin als Eigentümerin des betroffenen Nachbargrundstücks oder eine Beschwerde ihres dinglich nicht berechtigten Ehemanns den Anlass gab, bauaufsichtlich einzuschreiten. Ein bauaufsichtliches Tätigwerden ist nicht nur auf Antrag des betroffenen Eigentümers, sondern stets dann veranlasst, wenn die Bauaufsichtsbehörde Kenntnis von einer im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehenden Errichtung, Änderung oder Beseitigung einer Anlage erlangt.

4. Nach den vorstehenden Ausführungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Baueinstellungsverfügung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Insbesondere ist die Ausführung des Vorhabens derzeit in materieller und formeller Hinsicht rechtswidrig.

5. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.


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Auf die den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegenden Gewerbebetriebe finden die Vorschriften der Gewerbeordnung soweit Anwendung, als nicht in diesem Gesetz besondere Bestimmungen getroffen worden sind; die Vorschriften über den Arbeitsschutz werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

(1) Die Behörde bescheinigt innerhalb dreier Tage den Empfang der Anzeige.

(2) Wird ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben, so kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden. Das gleiche gilt, wenn ein Gewerbe von einer ausländischen juristischen Person begonnen wird, deren Rechtsfähigkeit im Inland nicht anerkannt wird.

(1) Personen, die einen erlaubnisbedürftigen Gaststättenbetrieb von einem anderen übernehmen wollen, kann die Ausübung des Gaststättengewerbes bis zur Erteilung der Erlaubnis auf Widerruf gestattet werden. Die vorläufige Erlaubnis soll nicht für eine längere Zeit als drei Monate erteilt werden; die Frist kann verlängert werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Erteilung einer vorläufigen Stellvertretungserlaubnis.

(1) Wer ein Gaststättengewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis. Die Erlaubnis kann auch nichtrechtsfähigen Vereinen erteilt werden.

(2) Der Erlaubnis bedarf nicht, wer

1.
alkoholfreie Getränke,
2.
unentgeltliche Kostproben,
3.
zubereitete Speisen oder
4.
in Verbindung mit einem Beherbergungsbetrieb Getränke und zubereitete Speisen an Hausgäste
verabreicht.

(3) (weggefallen)

(4) (weggefallen)

(1) Die Behörde bescheinigt innerhalb dreier Tage den Empfang der Anzeige.

(2) Wird ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben, so kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden. Das gleiche gilt, wenn ein Gewerbe von einer ausländischen juristischen Person begonnen wird, deren Rechtsfähigkeit im Inland nicht anerkannt wird.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die nach dem Widerruf ihrer Konzession zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt nach § 30 GewO erfolgte Betriebsuntersagung.

Das Landratsamt M. (im Folgenden: Landratsamt) erteilte der Klägerin mit Bescheid vom ... Februar 1986 (geändert mit Bescheiden vom ... April 1990 und vom ... September 1990) die Konzession zum Betrieb eines Privatsanatoriums mit Klinik nach § 30 GewO unter Festsetzung von Auflagen.

Mit Bescheid vom ... Juni 2014 widerrief das Landratsamt die Konzession der Klägerin zum Betrieb einer Privatklinik gestützt auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 1a GewO. Die Unzuverlässigkeit der Klägerin ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass sie ihren Mitarbeits- und Vorlagepflichten für die Beurteilung einer ordnungsgemäßen Betriebsführung der Privatklinik nicht nachkomme. Weiterhin lägen Tatsachen vor, die die ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten als nicht gewährleistet erscheinen lassen würden. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid Klage (M 16 K 14.3028).

Im Folgenden gingen beim Landratsamt in Bezug auf die Einrichtung der Klägerin mehrere Beschwerden ein. Dort beherbergte Gäste bemängelten, dass das von ihnen gebuchte „Hotel“ Klinikcharakter aufweise und sie daher Zweifel hätten, ob es sich tatsächlich um ein Hotel handle. Ein Patient machte geltend, dass die Wirklichkeit in entscheidenden Punkten mit den im Internet gemachten Zusagen nicht übereinstimme.

Mit Bescheid vom ... September 2014 verpflichtete das Landratsamt die Klägerin unter Androhung eines Zwangsgelds, die Tätigkeit „Betrieb der Privatklinik (…)“ spätestens mit Ablauf des siebten Tages nach Zustellung des Bescheids einzustellen. Weiterhin wurde die sofortige Vollziehung dieser Verpflichtung sowie des mit Bescheid vom ... Juni 2014 erfolgten Widerrufs der Konzession angeordnet. Zur Begründung der Betriebsuntersagung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Fortsetzung des Betriebs könne nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis erforderlich sei, ohne diese Zulassung betrieben werde. Unabhängig von dem erfolgten Widerruf der Konzession liege aufgrund der Änderung der Betriebsräume in Hotelzimmer und Änderung der Betriebsart als Hotel keine Konzession zum Betrieb einer Privatklinik nach § 30 GewO mehr vor, da diese persönlicher und sachlicher Natur sei, d. h. an eine bestimmte Person und an bestimmte Räume gebunden sei. Sie werde ferner für eine bestimmte Betriebsart (hier: Privatklinik) erteilt. Würden erhebliche Änderungen der Lage, baulichen Gestaltung und Einrichtung der Anstalt vorgenommen, liege insoweit ein nicht genehmigter Betrieb vor, der nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO unterbunden werden könne. Da der erfolgte Widerruf der Konzession noch keine Bestandskraft erlangt habe, sei sofortiger Handlungsbedarf zum Schutz der Patienten gegeben. Ohne die angeforderten Nachweise und Unterlagen sei es weiterhin nicht möglich, die Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Klinikbetrieb zu prüfen und eine Gefährdung des Wohls der Patienten, auch aufgrund der festgestellten Änderungen in der Betriebsart und der Zimmerbelegung, auszuschließen. Die angeordnete Betriebsschließung sei aufgrund der festgestellten Tatsachen, der fehlenden Einsicht der Klägerin und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr erforderlich und auch verhältnismäßig, da sie der Erfüllung bzw. Wiederherstellung gewerberechtlicher, medizinscher und hygienetechnischer Bestimmungen diene und durch ein milderes Mittel nicht erreicht werden könne. Sie sei deshalb zur Abwehr eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten gewesen. Überdies habe die Klägerin selbst angegeben, den Betrieb einer Privatklinik evtl. nach interner Prüfung einzustellen und die Räumlichkeiten in diesem Fall als Hotel umzustrukturieren. Da die Klägerin jedoch offensichtlich an der Klinikkonzession festhalte und zudem einen Hotelbetrieb betreibe, sei mit weiteren gewerberechtlich relevanten Verstößen zu rechnen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 2. Oktober 2014 Klage und beantragte zudem die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (M 16 S 14.4509) sowie der Klage (M 16 K 14.3028) gegen den Widerrufsbescheid (M 16 S 14.4517). Hierzu wurde vorgetragen, dass der Sachverhaltsvortrag des Beklagten vollinhaltlich bestritten werde. Die Klägerin betreibe kein Hotel und es sei unzutreffend, dass die Klägerin im Internet und gegenüber Touristen als „Hotel“ aufgetreten sei. In dem Betrieb der Klägerin würden selbstzahlende Gäste zu gesundheitsorientierten Aufenthalten aufgenommen, deren medizinisches Programm erst im Rahmen dieser Aufenthalte entwickelt werde. Die Klinik werde weiterhin so betrieben, wie sie bereits 1986 bzw.1990 konzessioniert worden sei. Eine Gefährdungslage bestehe nicht und werde seitens des Landratsamts auch an keiner Stelle konkretisiert. Der Widerruf der Konzession sei noch nicht bestandskräftig, so dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin nach wie vor im Besitz einer gültigen Konzession sei und bereits insofern eine Betriebseinstellung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO ausscheide. Die Tatsache, dass der Konzessionsinhaber die erteilte Konzession nicht vollständig ausnutze oder neben den konzessionierten Aktivitäten auch andere, nicht konzessionspflichtige Aktivitäten ausübe, stelle nach Auffassung der Klägerin keinen Umstand dar, der eine inhaltliche Änderung der erteilten Konzession beinhalte oder geeignet sei, die bestehende Konzession gar zum Erlöschen zu bringen. Weder gingen von den in der Klinik behandelten Diagnosen Gefahren für die Allgemeinheit aus noch habe die Beherbergung von Nichtpatienten gefährdenden Einfluss auf die Behandlung von stationären Patienten. Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 2 GewO handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Als milderes Mittel wäre hier zunächst eine Aufforderung an die Klägerin in Betracht gekommen, Aktivitäten zu unterlassen, die als nicht in Übereinstimmung mit der Konzession angesehen würden. Es hätte der Klägerin die Möglichkeit gegeben werden müssen, sich zu den vorgetragenen Beschwerden zu äußern.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom ...9.2014, Az.: ... - aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hierzu wurde im Wesentlichen vorgetragen, gesetzliche Voraussetzung für das Einschreiten sei grundsätzlich allein das Fehlen der erforderlichen Konzession und somit ein Verstoß gegen formelles Recht. Die Aufnahme nicht stationär behandlungsbedürftiger Personen in konzessionierte Patientenbetten sei nicht zulässig. Personen mit lediglich Bedarf an „medizinischen Check-Ups“ seien keine klinisch-stationär behandlungsbedürftigen Patienten. Sie aufnehmende Vorsorgeeinrichtungen bedürften keiner Klinikkonzession und seien daher von nach § 30 GewO konzessionierten Einrichtungen zu unterscheiden. Die Einrichtung der Klägerin möge sich zwar auf ihrer Internetseite nicht expressis verbis als Hotel bezeichnen, jedoch werde der Aufenthalt in der Einrichtung in vollem Umfang entsprechend dem in einem Hotel beworben. Eine Gefährdung nicht stationär behandlungsbedürftiger Personen in einer Beherbergungsstätte sei zwar nicht zu befürchten, auch nicht, wenn sie sich fälschlicherweise in einer Klinik aufhielten. Umgekehrt sei die Aufgabe der Klinik aber die Behandlung von Patienten, für die ambulante Behandlungen aus medizinscher Sicht als nicht ausreichend beurteilt würden. Für diese Patienten sei die umfassende Infrastruktur einer Klinik oder - bei stationärem Rehabilitationsbedarf - einer „Reha-Klinik“ vorzuhalten. Dies geschehe - mit durchaus Gefährdungspotential - schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht, wenn auch gesunde Personen mit dem für sie adäquaten und vermutlich von ihnen sogar geforderten lediglichen Hotel- und Freizeitangebot aufgenommen würden.

In der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2014 wurde der Tenor des streitgegenständlichen Bescheids von Seiten des Beklagten dahingehend abgeändert, dass die Klägerin die Tätigkeit „Betrieb der Privatklinik (…)“ spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Bescheids einzustellen habe. Weiterhin wurde die Anordnung des Sofortvollzugs aufgehoben. Die Beteiligten verzichteten übereinstimmend auf weitere mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten in den (gemeinsam verhandelten) Verfahren M 16 K 14.3028, M 16 S 14.4509 und M 16 S 14.4517, die beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.

Der Bescheid des Landratsamts vom ... September 2014, mit dem der Klägerin der Betrieb ihrer Einrichtung untersagt wurde, in der Fassung, die er im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2014 erfahren hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Landratsamt hat die Betriebsuntersagung zu Recht auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO verfügt, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen und auch die Ausübung des der Behörde eingeräumten Ermessens im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs nach § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden ist.

Abzustellen ist für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung insoweit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, da es sich bei der Betriebsuntersagung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 20/78 - juris Rn. 15; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand August 2014, § 15 Rn. 17).

Soweit die Klägerin rügt, sie sei vor Erlass des Untersagungsbescheids nicht angehört worden, ist dieser Anhörungsfehler im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens geheilt worden (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVWVfG). Durch die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids erhielt die Klägerin Kenntnis von den für die getroffene Entscheidung erheblichen Tatsachen. Im Rahmen der Klage nahm die Klägerin hierzu Stellung. Das Landratsamt setzte sich mit dem Vorbringen der Klägerin in seiner Stellungnahme im diesbezüglichen Eilverfahren (M 16 S 14.4509) auseinander (vgl. BayVGH, B. v. 26.1.20093 - CS 09.46 - juris Rn. 23).

Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO kann die Fortsetzung des Betriebs von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung - wie hier - eine Erlaubnis bzw. Konzession erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Kammer hat mit Urteil vom selben Tag die Klage der Klägerin gegen den - auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 1a GewO gestützten - Widerruf der ihr zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 1 GewO erteilten Konzession abgewiesen (M 16 K 14.3028). Auf die Gründe des Urteils wird hierzu Bezug genommen.

Es sind vorliegend auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich im Zeitraum des gerichtlichen Verfahrens für die Zuverlässigkeitsprognose maßgebliche neue Umstände ergeben hätten. Die von dem Landratsamt geforderten Angaben und Unterlagen wurden auch bislang von Seiten der Klägerin nicht vorgelegt. Zudem wurden weitere Auflagenverstöße bekannt. So war in Nr. 2 der Auflagen zur Konzession vom ... Februar 1986 bestimmt, dass Übernachtungsgäste und Erholungssuchende, die ärztlicher Behandlung nicht bedürften, nicht aufgenommen werden dürften. Zudem war in Nr. 22 der Auflagen im Änderungsbescheid vom ... September 1990 festgelegt, dass nur Kranke, und zwar nur solche, die der Zweckbestimmung des Hauses entsprechend würden, in der Einrichtung aufgenommen werden dürften. Im August 2013 kam es nach Aktenlage zu Beschwerden von zwei Personen, die sich in der Einrichtung der Klägerin als „Hotelgäste“ aufgehalten haben.

Dahinstehen kann daher, ob - wie das Landratsamt in dem streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat - darüber hinaus aufgrund einer Änderung der Betriebsräume in Hotelzimmer und Änderung der Betriebsart als Hotel keine Konzession zum Betrieb einer Privatklinik nach § 30 GewO mehr vorliegt.

Soweit § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO ein Rechtsfolgeermessen vorsieht, reduziert sich das Ermessen im inhaltlichen Zusammenhang mit einem vorausgegangenen Widerruf wegen Unzuverlässigkeit im Regelfall auf die Betriebseinstellung als einzig sachgerechte Entscheidung - sog. intendierte Ermessensentscheidung (Schulze-Werner in Friauf, GewO, Stand Mai 2011 § 30 Rn. 70; HessVGH, B. v. 20.2.1996 - 14 TG 430/95 - juris). Ermessensfehler sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich. Gerade auch in Anbetracht der hohen Bedeutung des gefährdeten Rechtsguts, der Gesundheit der Bevölkerung, und des Umstands, dass die Klägerin behördlichen Aufforderungen nur unzureichend nachkommt, rechtfertigt die Notwendigkeit der Abwendung möglicher Gefahren neben dem Widerruf der Konzession zugleich auch die Untersagung der Fortführung des Betriebs (vgl. auch BayVGH, B. v. 26.2.1976 - 251 VI 75, GewArch 1976, 162, 163). Erst mit der Betriebsuntersagung hat das Landratsamt die notwendige rechtliche Voraussetzung für evtl. erforderliche Vollstreckungsmaßnahmen geschaffen, da der Widerruf der Konzession selbst keinen vollstreckbaren Inhalt hat.

Auch gegen die Auslauffrist von drei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids sowie gegen die Zwangsgeldandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Im Übrigen wurden solche auch nicht vorgetragen.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder
2a.
die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde,
3.
der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt,
4.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, daß er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.
Die Erlaubnis kann entgegen Satz 1 Nr. 2a erteilt werden, wenn eine barrierefreie Gestaltung der Räume nicht möglich ist oder nur mit unzumutbaren Aufwendungen erreicht werden kann.

(2) Wird bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Vereinen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufen, so ist dies unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.

(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung

a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und
b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(1) Mit einem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 34a Absatz 1 der Gewerbeordnung hat die den Antrag stellende Person der zuständigen Behörde folgende Angaben zu übermitteln:

1.
Angaben zu natürlichen Personen; auch zu den mit der Leitung des Betriebs oder einer Zweigniederlassung zu beauftragenden Personen; bei Antragstellung für eine juristische Person Angaben zur Person jedes gesetzlichen Vertreters, bei Personengesellschaften Angaben zu jedem zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter:
a)
persönliche Daten:
aa)
Familienname, Geburtsname, frühere Namen, Vornamen,
bb)
Geschlecht,
cc)
Geburtsdatum, Geburtsort, Geburtsland, Staat,
dd)
Staatsangehörigkeiten,
ee)
Meldeanschrift bestehend aus Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat,
ff)
Telefonnummer, E-Mail-Adresse,
b)
wenn vorhanden, Identifikationsnummer, die für die antragsstellende Person im Bewacherregister eingetragen ist (Bewacherregisteridentifikationsnummer),
c)
Art des Ausweisdokuments mit ausstellender Behörde, ausstellendem Staat, Datum der Ausstellung, Ausweisnummer, Ablaufdatum, maschinenlesbarem Namen sowie Inhalt der maschinenlesbaren Zone,
d)
Wohnorte in den letzten fünf Jahren unter Angabe des Zeitraums sowie Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat,
e)
Betriebsanschrift bestehend aus Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat, sowie Anschriften von Zweigniederlassungen und unselbstständigen Zweigstellen bestehend aus Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat,
2.
Angaben zu juristischen Personen:
a)
Name des Unternehmens,
b)
nach Maßgabe der Nummer 1 die persönlichen Daten der zur Vertretung berufenen Person oder Personen,
c)
Rechtsform,
d)
Eintrag im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister, Registergericht sowie Nummer der Eintragung,
e)
Anschrift der Hauptniederlassung und sonstiger Betriebsstätten unter Angabe der Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat,
f)
Telefonnummer, E-Mail-Adresse.

(2) Mit dem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis hat die den Antrag stellende Person zudem folgende Unterlagen beizubringen:

1.
Bei Antragstellung für eine juristische Person den aktuellen Auszug aus dem Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister,
2.
Bescheinigungen in Steuersachen des Finanzamtes und des Gemeindesteueramtes, bei juristischen Personen aller gesetzlicher Vertreter,
3.
Kopie des Personalausweises, des Reisepasses mit Meldebescheinigung, des Pass- oder Ausweisersatzes oder eines sonstigen amtlichen Ausweis- oder Identifizierungsdokuments, bei juristischen Personen aller gesetzlichen Vertreter,
4.
Nachweis über die erfolgreich abgelegte Sachkundeprüfung nach § 34a Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 der Gewerbeordnung oder anerkennungsfähige andere Nachweise für die den Antrag stellende Person sowie die mit der Leitung des Betriebs oder einer Zweigniederlassung zu beauftragenden Personen; bei juristischen Personen für die gesetzlichen Vertreter, soweit sie selbst mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben direkt befasst sind oder keine Person mit der Leitung des Betriebs oder einer Zweigniederlassung beauftragt haben, die einen Sachkundenachweis oder entsprechenden anderen Nachweis besitzt; auf Anforderung durch die zuständige Behörde sind die Nachweise im Original oder als beglaubigte Kopie beizubringen,
5.
Nachweis der Haftpflichtversicherung nach § 15,
6.
Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis.

(3) Änderungen der Angaben nach Absatz 1, die nach Antragstellung eintreten, hat die den Antrag stellende Person der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(1) Der Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind.

(2) Wer gegenwärtig zum Betrieb eines Gewerbes berechtigt ist, kann von demselben nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil er den Erfordernissen dieses Gesetzes nicht genügt.

(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Betrieb verlegt wird,
2.
der Gegenstand des Gewerbes gewechselt oder auf Waren oder Leistungen ausgedehnt wird, die bei Gewerbebetrieben der angemeldeten Art nicht geschäftsüblich sind,
2a.
der Name des Gewerbetreibenden geändert wird oder
3.
der Betrieb aufgegeben wird.
Steht die Aufgabe des Betriebes eindeutig fest und ist die Abmeldung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen.

(2) Absatz 1 gilt auch für den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und für den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(3) Wer die Aufstellung von Automaten jeder Art als selbständiges Gewerbe betreibt, muss die Anzeige bei der zuständigen Behörde seiner Hauptniederlassung erstatten. Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Automaten den Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, seine ladungsfähige Anschrift sowie die Anschrift seiner Hauptniederlassung an dem Automaten sichtbar anzubringen. Gewerbetreibende, für die eine Firma im Handelsregister eingetragen ist, haben außerdem ihre Firma in der in Satz 2 bezeichneten Weise anzubringen. Ist aus der Firma der Familienname des Gewerbetreibenden mit einem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma.

(4) Die Finanzbehörden haben den zuständigen Behörden die nach § 30 der Abgabenordnung geschützten Daten von Unternehmern im Sinne des § 5 des Gewerbesteuergesetzes mitzuteilen, wenn deren Steuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz erloschen ist; mitzuteilen sind

1.
der Name,
2.
die betriebliche Anschrift,
3.
die Rechtsform,
4.
der amtliche Gemeindeschlüssel,
5.
die Wirtschaftsidentifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung und, soweit vorhanden, das Unterscheidungsmerkmal nach § 139c Absatz 5a der Abgabenordnung sowie
6.
der Tag, an dem die Steuerpflicht endete.
Absatz 5 Satz 1 gilt entsprechend.

(5) Die erhobenen Daten dürfen nur für die Überwachung der Gewerbeausübung sowie statistische Erhebungen verarbeitet werden. Der Name, der Name des Geschäfts (Geschäftsbezeichnung), die betriebliche Anschrift und die angezeigte Tätigkeit des Gewerbetreibenden dürfen allgemein zugänglich gemacht werden.

(6) Öffentlichen Stellen, soweit sie nicht als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, soweit

1.
eine regelmäßige Datenübermittlung nach Absatz 8 zulässig ist,
2.
die Kenntnis der Daten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl erforderlich ist oder
3.
der Empfänger die Daten beim Gewerbetreibenden nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erheben könnte oder von einer solchen Datenerhebung nach der Art der Aufgabe, für deren Erfüllung die Kenntnis der Daten erforderlich ist, abgesehen werden muss und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.
Für die Weitergabe von Daten innerhalb der Verwaltungseinheiten, denen die für die Entgegennahme der Anzeige und die Überwachung der Gewerbeausübung zuständigen Behörden angehören, gilt Satz 1 entsprechend.

(7) Öffentlichen Stellen, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, und nichtöffentlichen Stellen dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, wenn der Empfänger ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.

(8) Die zuständige Behörde übermittelt, sofern die empfangsberechtigte Stelle auf die regelmäßige Datenübermittlung nicht verzichtet hat, Daten aus der Gewerbeanzeige regelmäßig an

1.
die Industrie- und Handelskammer zur Wahrnehmung der in den §§ 1, 3 und 5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern genannten sowie der nach § 1 Abs. 4 desselben Gesetzes übertragenen Aufgaben,
2.
die Handwerkskammer zur Wahrnehmung der in § 91 der Handwerksordnung genannten, insbesondere der ihr durch die §§ 6, 19 und 28 der Handwerksordnung zugewiesenen und sonstiger durch Gesetz übertragener Aufgaben,
3.
die für den Immissionsschutz zuständige Landesbehörde zur Durchführung arbeitsschutzrechtlicher sowie immissionsschutzrechtlicher Vorschriften,
3a.
die für den technischen und sozialen Arbeitsschutz, einschließlich den Entgeltschutz nach dem Heimarbeitsgesetz zuständige Landesbehörde zur Durchführung ihrer Aufgaben,
4.
die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Wahrnehmung der Aufgaben, die im Mess- und Eichgesetz und in den auf Grund des Mess- und Eichgesetzes ergangenen Rechtsverordnungen festgelegt sind,
5.
die Bundesagentur für Arbeit zur Wahrnehmung der in § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie der im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz genannten Aufgaben,
6.
die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. ausschließlich zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft für die Erfüllung der ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben,
7.
die Behörden der Zollverwaltung zur Wahrnehmung der ihnen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, nach § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie nach dem Arbeitnehmer-überlassungsgesetz obliegenden Aufgaben,
8.
das Registergericht, soweit es sich um die Abmeldung einer im Handels- und Genossenschaftsregister eingetragenen Haupt- oder Zweigniederlassung handelt, für Maßnahmen zur Herstellung der inhaltlichen Richtigkeit des Handelsregisters gemäß § 388 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder des Genossenschaftsregisters gemäß § 160 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
9.
die statistischen Ämter der Länder zur Führung des Statistikregisters nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Statistikregistergesetzes in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 und 2,
10.
die nach Landesrecht zuständigen Behörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-, Futtermittel-, Tabak-, Tiergesundheits- und Tierschutzrecht,
11.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Einzug und zur Vollstreckung der einheitlichen Pauschsteuer nach § 40a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes,
12.
die Ausländerbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Aufenthaltsgesetz,
13.
die nach § 22 der Abgabenordnung zuständigen Finanzämter, unbeschadet des § 138 der Abgabenordnung,
14.
die für die Erlaubnisverfahren nach diesem Gesetz zuständigen Behörden.
Die Übermittlung der Daten ist auf das zur Wahrnehmung der in Satz 1 bezeichneten Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Sind die Daten derart verbunden, dass ihre Trennung nach erforderlichen und nicht erforderlichen Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, sind auch die Kenntnisnahme, die Weitergabe innerhalb der datenverarbeitenden Stelle und die Übermittlung der Daten, die nicht zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben erforderlich sind, zulässig, soweit nicht schutzwürdige Belange der betroffenen Personen oder Dritter überwiegen. Die nicht erforderlichen Daten unterliegen insoweit einem Verwertungsverbot.

(9) Darüber hinaus sind Übermittlungen der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen Daten nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist oder eine besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht.

(10) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten aus der Gewerbeanzeige ermöglicht, ist nur zulässig, wenn technisch sichergestellt ist, dass

1.
die abrufende Stelle die bei der zuständigen Stelle gespeicherten Daten nicht verändern kann und
2.
ein Abruf durch eine in Absatz 7 genannte Stelle nur möglich ist, wenn die abrufende Stelle entweder den Namen des Gewerbetreibenden oder die betriebliche Anschrift des Gewerbetreibenden angegeben hat; der Abruf von Daten unter Verwendung unvollständiger Abfragedaten oder die Suche mittels einer Ähnlichenfunktion kann zugelassen werden.

(11) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten ermöglicht, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, ist nur zulässig, soweit

1.
dies wegen der Häufigkeit oder der Eilbedürftigkeit der Abrufe und unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Gewerbetreibenden angemessen ist,
2.
die zum Abruf bereitgehaltenen Daten ihrer Art nach für die Aufgaben oder Geschäftszwecke des Empfängers erforderlich sein können und
3.
technisch sichergestellt ist, dass Daten durch andere als die in Absatz 8 genannten Stellen nur abgerufen werden können, wenn dabei der Verarbeitungszweck, für den der Abruf erfolgt, sowie das Aktenzeichen oder eine andere Bezeichnung des Vorgangs, für den der Abruf erfolgt, angegeben wird.
Die Datenempfänger sowie die Verarbeitungszwecke, für die Abrufe zugelassen werden, sind vom Leiter der Verwaltungseinheit festzulegen. Die zuständige Stelle protokolliert die Abrufe einschließlich der angegebenen Verarbeitungszwecke und Vorgangsbezeichnungen. Die Protokolle müssen die Feststellung der für die einzelnen Abrufe verantwortlichen Personen ermöglichen. Eine mindestens stichprobenweise Protokollauswertung ist durch die speichernde Stelle zu gewährleisten. Die Protokolldaten dürfen nur zur Kontrolle der Zulässigkeit der Abrufe verarbeitet werden und sind nach sechs Monaten zu löschen.

(12) Daten, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, darf der Empfänger nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden.

(13) Über die Gewerbeanzeigen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 werden monatliche Erhebungen als Bundesstatistik durchgeführt. Die Statistik nach Satz 1 soll als Informationsgrundlage für die Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Strukturpolitik dienen. Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig sind die Anzeigepflichtigen, die die Auskunftspflicht durch Erstattung der Anzeige erfüllen. Die zuständige Behörde übermittelt aus den Gewerbeanzeigen monatlich die Daten als Erhebungs- oder Hilfsmerkmale an die statistischen Ämter der Länder, die zur Führung der Statistik nach Satz 1 erforderlich sind. Die statistischen Ämter der Länder dürfen die Angaben zum eingetragenen Namen des Betriebes mit Rechtsform und zum Namen des Betriebsinhabers für die Bestimmung der Rechtsform bis zum Abschluss der nach § 12 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes vorgesehenen Prüfung auswerten. Ferner dürfen sie nähere Angaben zu der angemeldeten Tätigkeit unmittelbar bei den Auskunftspflichtigen erfragen, soweit die gemeldete Tätigkeit sonst den Wirtschaftszweigen nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik (ABl. EU Nr. L 393 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung nicht zugeordnet werden kann.

(14) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erlässt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflicht nach Absatz 1, zur Regelung der Datenübermittlung nach Absatz 8 sowie zur Führung der Statistik nach Absatz 13 nähere Vorschriften. Die Rechtsverordnung

1.
bestimmt insbesondere, welche erforderlichen Informationen in den Anzeigen nach Absatz 1 anzugeben sind,
2.
kann die Verwendung von Vordrucken zur Anzeige eines Gewerbes anordnen, die Gestaltung der Vordrucke durch Muster festlegen und Vorgaben treffen, wie und in welcher Anzahl die Vordrucke auszufüllen sind,
3.
kann Rahmenvorgaben für die elektronische Datenverarbeitung und -übermittlung festlegen,
4.
bestimmt, welche Daten zur Aufgabenwahrnehmung der in Absatz 8 Satz 1 bezeichneten Stellen erforderlicherweise zu übermitteln sind, und
5.
bestimmt, welche Daten als Erhebungs- und Hilfsmerkmale für die Statistik nach Absatz 13 Satz 1 an die statistischen Ämter der Länder zu übermitteln sind.

(1) Wer gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will (Bewachungsgewerbe), bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutz der Allgemeinheit oder der Auftraggeber erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen sind auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller oder eine der mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Personen die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt,
2.
der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt,
3.
der Antragsteller oder eine mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person nicht durch eine vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegte Prüfung nachweist, dass er die für die Ausübung des Bewachungsgewerbes notwendige Sachkunde über die rechtlichen und fachlichen Grundlagen besitzt; für juristische Personen gilt dies für die gesetzlichen Vertreter, soweit sie mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben direkt befasst sind oder keine mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person einen Sachkundenachweis hat, oder
4.
der Antragsteller den Nachweis einer Haftpflichtversicherung nicht erbringt.
Die erforderliche Zuverlässigkeit liegt in der Regel nicht vor, wenn der Antragsteller oder eine der mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Person
1.
Mitglied in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, war und seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
Mitglied in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 8 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, festgestellt hat, war und seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1818) geändert worden ist, verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat,
4.
in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrags wegen Versuchs oder Vollendung einer der nachstehend aufgeführten Straftaten zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist oder bei dem die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind:
a)
Verbrechen im Sinne von § 12 Absatz 1 des Strafgesetzbuches,
b)
Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, des Menschenhandels oder der Förderung des Menschenhandels, der vorsätzlichen Körperverletzung, Freiheitsberaubung, des Diebstahls, der Unterschlagung, Erpressung, des Betrugs, der Untreue, Hehlerei, Urkundenfälschung, des Landfriedensbruchs oder Hausfriedensbruchs oder des Widerstands gegen oder des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte oder gegen oder auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen,
c)
Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz, Waffengesetz, Sprengstoffgesetz, Aufenthaltsgesetz, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz oder
d)
staatsschutzgefährdende oder gemeingefährliche Straftat.
Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit hat die Behörde mindestens einzuholen:
1.
eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nach § 150 Absatz 1,
2.
eine unbeschränkte Auskunft nach § 41 Absatz 1 Nummer 9 des Bundeszentralregistergesetzes,
3.
eine Stellungnahme der für den Wohnort zuständigen Behörde der Landespolizei, einer zentralen Polizeidienststelle oder des jeweils zuständigen Landeskriminalamts, ob und welche tatsächlichen Anhaltspunkte bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen können, soweit Zwecke der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr einer Übermittlung der tatsächlichen Anhaltspunkte nicht entgegenstehen und
4.
über die Schnittstelle des Bewacherregisters zum Bundesamt für Verfassungsschutz nach § 11b eine Stellungnahme der für den Sitz der zuständigen Behörde zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz zu Erkenntnissen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bedeutung sein können.
Die zuständige Behörde darf die übermittelten Daten verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben der Überwachung der Gewerbetreibenden erforderlich ist. Übermittlungsregelungen nach anderen Gesetzen bleiben unberührt. § 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2732) geändert worden ist, bleibt unberührt. Haben sich der Antragsteller oder eine der mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Personen während der letzten drei Jahre vor der Überprüfung der Zuverlässigkeit nicht im Inland oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgehalten und kann ihre Zuverlässigkeit deshalb nicht oder nicht ausreichend nach Satz 5 festgestellt werden, so ist die Erlaubnis nach Absatz 1 zu versagen. Die zuständige Behörde hat den Gewerbetreibenden und die mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Personen in regelmäßigen Abständen, spätestens jedoch nach Ablauf von fünf Jahren, auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen.

(1a) Der Gewerbetreibende darf mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen (Wachpersonen) beschäftigen, die

1.
die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen und
2.
durch eine Bescheinigung der Industrie- und Handelskammer nachweisen, dass sie über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen und fachlichen Grundlagen unterrichtet worden sind und mit ihnen vertraut sind.
Für die Durchführung folgender Tätigkeiten ist zusätzlich zu den Anforderungen des Satzes 1 Nummer 1 der Nachweis einer vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegten Sachkundeprüfung erforderlich:
1.
Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum oder in Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr,
2.
Schutz vor Ladendieben,
3.
Bewachungen im Einlassbereich von gastgewerblichen Diskotheken,
4.
Bewachungen von Aufnahmeeinrichtungen nach § 44 des Asylgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) geändert worden ist, von Gemeinschaftsunterkünften nach § 53 des Asylgesetzes oder anderen Immobilien und Einrichtungen, die der auch vorübergehenden amtlichen Unterbringung von Asylsuchenden oder Flüchtlingen dienen, in leitender Funktion,
5.
Bewachungen von zugangsgeschützten Großveranstaltungen in leitender Funktion.
Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Wachperson und einer mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Person hat die am Hauptwohnsitz der natürlichen Person für den Vollzug nach Landesrecht zuständige Behörde mindestens eine unbeschränkte Auskunft nach § 41 Absatz 1 Nummer 9 des Bundeszentralregistergesetzes sowie eine Stellungnahme der für den Wohnort zuständigen Behörde der Landespolizei, einer zentralen Polizeidienststelle oder dem jeweils zuständigen Landeskriminalamt einzuholen, ob und welche tatsächlichen Anhaltspunkte bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen können, soweit Zwecke der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr einer Übermittlung der tatsächlichen Anhaltspunkte nicht entgegen stehen. Bei Wachpersonen und mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Personen ohne einen Hauptwohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ist die Zuverlässigkeit durch die für den Vollzug zuständige Behörde am Betriebssitz des Gewerbetreibenden, welcher die natürliche Person als erster anmeldet, zu überprüfen. Absatz 1 Satz 5 Nummer 4 ist entsprechend anzuwenden bei Wachpersonen, die eine der folgenden Aufgaben wahrnehmen sollen:
1.
Bewachungen nach Satz 2 Nummer 4 und 5, auch in nicht leitender Funktion, oder
2.
Schutzaufgaben im befriedeten Besitztum bei Objekten, von denen im Fall eines kriminellen Eingriffs eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann.
Satz 5 gilt auch nach Aufnahme der Tätigkeit einer Wachperson. Absatz 1 Satz 4, 6 bis 10 ist entsprechend anzuwenden.

(1b) Werden der zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz im Nachhinein Informationen bekannt, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit einer der in Absatz 1 und Absatz 1a Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Personen von Bedeutung sind, übermittelt sie diese der zuständigen Behörde nach den für die Informationsübermittlung geltenden Regelungen der Verfassungsschutzgesetze (Nachbericht). Zu diesem Zweck darf die Verfassungsschutzbehörde Name, Vornamen, Geburtsname, Geburtsdatum, Geschlecht, Geburtsort, Geburtsland, Wohnort und gegenwärtige Staatsangehörigkeit und Doppel- oder frühere Staatsangehörigkeiten der betroffenen Person sowie die Aktenfundstelle verarbeiten, einschließlich einer Verarbeitung mit ihrer Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Die im Rahmen der Überprüfung der Zuverlässigkeit verarbeiteten personenbezogenen Daten der in Absatz 1 und Absatz 1a Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Personen sind spätestens nach fünf Jahren von der Verfassungsschutzbehörde zu löschen. Sollte die Verfassungsschutzbehörde vorher von einer Versagung, Rücknahme, einem Erlöschen oder Widerruf der Erlaubnis durch die zuständige Behörde Kenntnis erlangen, hat sie die im Rahmen der Überprüfung der Zuverlässigkeit gespeicherten personenbezogenen Daten der in Absatz 1 genannten Personen spätestens sechs Monate nach Kenntniserlangung zu löschen. Die Sätze 1 bis 4 sind entsprechend anzuwenden für die nach Absatz 1 Satz 5 Nummer 3 und Absatz 1a Satz 3 beteiligten Polizeibehörden.

(2) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung

1.
die für die Entscheidung über eine Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1 erforderlichen vom Antragsteller bei der Antragsstellung anzugebenden Daten und beizufügenden Unterlagen bestimmen,
2.
die Anforderungen und das Verfahren für den Unterrichtungsnachweis nach Absatz 1a Satz 1 sowie Ausnahmen von der Erforderlichkeit des Unterrichtungsnachweises festlegen,
3.
die Anforderungen und das Verfahren für eine Sachkundeprüfung nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 und Absatz 1a Satz 2 sowie Ausnahmen von der Erforderlichkeit der Sachkundeprüfung festlegen und
4.
zum Schutze der Allgemeinheit und der Auftraggeber Vorschriften erlassen über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen bei der Ausübung des Bewachungsgewerbes, insbesondere über
a)
den Geltungsbereich der Erlaubnis,
b)
die Pflichten des Gewerbetreibenden bei der Einstellung und Entlassung der im Bewachungsgewerbe beschäftigten Personen, über die Aufzeichnung von Daten dieser Personen durch den Gewerbetreibenden und ihre Übermittlung an die für den Vollzug des § 34a zuständigen Behörden, über die Anforderungen, denen diese Personen genügen müssen, sowie über die Durchführung des Wachdienstes,
c)
die Verpflichtung zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung, zur Buchführung einschließlich der Aufzeichnung von Daten über einzelne Geschäftsvorgänge sowie über die Auftraggeber,
d)
(weggefallen)
5.
zum Schutz der Allgemeinheit und der Auftraggeber Vorschriften erlassen über die Unterrichtung der für den Vollzug des § 34a zuständigen Behörden durch Gerichte und Staatsanwaltschaften über rechtliche Maßnahmen gegen Gewerbetreibende und ihre Wachpersonen
6.
die Anforderungen und Verfahren festlegen, die zur Durchführung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22), die zuletzt durch die Richtlinie 2013/55/EU (ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 132) geändert worden ist, Anwendung finden sollen auf Inhaber von in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erworbenen Berufsqualifikationen, die im Inland das Bewachungsgewerbe vorübergehend oder dauerhaft ausüben möchten,
7.
Einzelheiten der regelmäßigen Überprüfung der Zuverlässigkeit nach Absatz 1 Satz 10, auch in Verbindung mit Absatz 1a Satz 7, festlegen,
8.
Einzelheiten zur örtlichen Zuständigkeit für den Vollzug regeln, insbesondere die Zuständigkeit für die Überprüfung der Zuverlässigkeit und erforderlichen Qualifikation.

(3) Nach Einholung der unbeschränkten Auskünfte nach § 41 Absatz 1 Nummer 9 des Bundeszentralregistergesetzes zur Überprüfung der Zuverlässigkeit können die zuständigen Behörden das Ergebnis der Überprüfung einschließlich der für die Beurteilung der Zuverlässigkeit erforderlichen Daten an den Gewerbetreibenden übermitteln.

(4) Die Beschäftigung einer Person, die in einem Bewachungsunternehmen mit Bewachungsaufgaben beschäftigt ist, oder einer mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Person kann dem Gewerbetreibenden untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.

(5) Der Gewerbetreibende und seine Beschäftigten dürfen bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten nur die Rechte, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe zustehen, die ihnen vom jeweiligen Auftraggeber vertraglich übertragenen Selbsthilferechte sowie die ihnen gegebenenfalls in Fällen gesetzlicher Übertragung zustehenden Befugnisse eigenverantwortlich ausüben. In den Fällen der Inanspruchnahme dieser Rechte und Befugnisse ist der Grundsatz der Erforderlichkeit zu beachten.

(6) (weggefallen)

(1) Mit einem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 34a Absatz 1 der Gewerbeordnung hat die den Antrag stellende Person der zuständigen Behörde folgende Angaben zu übermitteln:

1.
Angaben zu natürlichen Personen; auch zu den mit der Leitung des Betriebs oder einer Zweigniederlassung zu beauftragenden Personen; bei Antragstellung für eine juristische Person Angaben zur Person jedes gesetzlichen Vertreters, bei Personengesellschaften Angaben zu jedem zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter:
a)
persönliche Daten:
aa)
Familienname, Geburtsname, frühere Namen, Vornamen,
bb)
Geschlecht,
cc)
Geburtsdatum, Geburtsort, Geburtsland, Staat,
dd)
Staatsangehörigkeiten,
ee)
Meldeanschrift bestehend aus Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat,
ff)
Telefonnummer, E-Mail-Adresse,
b)
wenn vorhanden, Identifikationsnummer, die für die antragsstellende Person im Bewacherregister eingetragen ist (Bewacherregisteridentifikationsnummer),
c)
Art des Ausweisdokuments mit ausstellender Behörde, ausstellendem Staat, Datum der Ausstellung, Ausweisnummer, Ablaufdatum, maschinenlesbarem Namen sowie Inhalt der maschinenlesbaren Zone,
d)
Wohnorte in den letzten fünf Jahren unter Angabe des Zeitraums sowie Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat,
e)
Betriebsanschrift bestehend aus Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat, sowie Anschriften von Zweigniederlassungen und unselbstständigen Zweigstellen bestehend aus Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat,
2.
Angaben zu juristischen Personen:
a)
Name des Unternehmens,
b)
nach Maßgabe der Nummer 1 die persönlichen Daten der zur Vertretung berufenen Person oder Personen,
c)
Rechtsform,
d)
Eintrag im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister, Registergericht sowie Nummer der Eintragung,
e)
Anschrift der Hauptniederlassung und sonstiger Betriebsstätten unter Angabe der Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, wenn vorhanden Zusatz, Land, Staat,
f)
Telefonnummer, E-Mail-Adresse.

(2) Mit dem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis hat die den Antrag stellende Person zudem folgende Unterlagen beizubringen:

1.
Bei Antragstellung für eine juristische Person den aktuellen Auszug aus dem Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister,
2.
Bescheinigungen in Steuersachen des Finanzamtes und des Gemeindesteueramtes, bei juristischen Personen aller gesetzlicher Vertreter,
3.
Kopie des Personalausweises, des Reisepasses mit Meldebescheinigung, des Pass- oder Ausweisersatzes oder eines sonstigen amtlichen Ausweis- oder Identifizierungsdokuments, bei juristischen Personen aller gesetzlichen Vertreter,
4.
Nachweis über die erfolgreich abgelegte Sachkundeprüfung nach § 34a Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 der Gewerbeordnung oder anerkennungsfähige andere Nachweise für die den Antrag stellende Person sowie die mit der Leitung des Betriebs oder einer Zweigniederlassung zu beauftragenden Personen; bei juristischen Personen für die gesetzlichen Vertreter, soweit sie selbst mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben direkt befasst sind oder keine Person mit der Leitung des Betriebs oder einer Zweigniederlassung beauftragt haben, die einen Sachkundenachweis oder entsprechenden anderen Nachweis besitzt; auf Anforderung durch die zuständige Behörde sind die Nachweise im Original oder als beglaubigte Kopie beizubringen,
5.
Nachweis der Haftpflichtversicherung nach § 15,
6.
Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis.

(3) Änderungen der Angaben nach Absatz 1, die nach Antragstellung eintreten, hat die den Antrag stellende Person der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(1) Wer gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will (Bewachungsgewerbe), bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutz der Allgemeinheit oder der Auftraggeber erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen sind auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller oder eine der mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Personen die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt,
2.
der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt,
3.
der Antragsteller oder eine mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person nicht durch eine vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegte Prüfung nachweist, dass er die für die Ausübung des Bewachungsgewerbes notwendige Sachkunde über die rechtlichen und fachlichen Grundlagen besitzt; für juristische Personen gilt dies für die gesetzlichen Vertreter, soweit sie mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben direkt befasst sind oder keine mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person einen Sachkundenachweis hat, oder
4.
der Antragsteller den Nachweis einer Haftpflichtversicherung nicht erbringt.
Die erforderliche Zuverlässigkeit liegt in der Regel nicht vor, wenn der Antragsteller oder eine der mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Person
1.
Mitglied in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, war und seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
2.
Mitglied in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 8 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, festgestellt hat, war und seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,
3.
einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1818) geändert worden ist, verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat,
4.
in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrags wegen Versuchs oder Vollendung einer der nachstehend aufgeführten Straftaten zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist oder bei dem die Verhängung von Jugendstrafe ausgesetzt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind:
a)
Verbrechen im Sinne von § 12 Absatz 1 des Strafgesetzbuches,
b)
Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, des Menschenhandels oder der Förderung des Menschenhandels, der vorsätzlichen Körperverletzung, Freiheitsberaubung, des Diebstahls, der Unterschlagung, Erpressung, des Betrugs, der Untreue, Hehlerei, Urkundenfälschung, des Landfriedensbruchs oder Hausfriedensbruchs oder des Widerstands gegen oder des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte oder gegen oder auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen,
c)
Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz, Waffengesetz, Sprengstoffgesetz, Aufenthaltsgesetz, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz oder
d)
staatsschutzgefährdende oder gemeingefährliche Straftat.
Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit hat die Behörde mindestens einzuholen:
1.
eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nach § 150 Absatz 1,
2.
eine unbeschränkte Auskunft nach § 41 Absatz 1 Nummer 9 des Bundeszentralregistergesetzes,
3.
eine Stellungnahme der für den Wohnort zuständigen Behörde der Landespolizei, einer zentralen Polizeidienststelle oder des jeweils zuständigen Landeskriminalamts, ob und welche tatsächlichen Anhaltspunkte bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen können, soweit Zwecke der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr einer Übermittlung der tatsächlichen Anhaltspunkte nicht entgegenstehen und
4.
über die Schnittstelle des Bewacherregisters zum Bundesamt für Verfassungsschutz nach § 11b eine Stellungnahme der für den Sitz der zuständigen Behörde zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz zu Erkenntnissen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bedeutung sein können.
Die zuständige Behörde darf die übermittelten Daten verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben der Überwachung der Gewerbetreibenden erforderlich ist. Übermittlungsregelungen nach anderen Gesetzen bleiben unberührt. § 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2732) geändert worden ist, bleibt unberührt. Haben sich der Antragsteller oder eine der mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Personen während der letzten drei Jahre vor der Überprüfung der Zuverlässigkeit nicht im Inland oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgehalten und kann ihre Zuverlässigkeit deshalb nicht oder nicht ausreichend nach Satz 5 festgestellt werden, so ist die Erlaubnis nach Absatz 1 zu versagen. Die zuständige Behörde hat den Gewerbetreibenden und die mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Personen in regelmäßigen Abständen, spätestens jedoch nach Ablauf von fünf Jahren, auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen.

(1a) Der Gewerbetreibende darf mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen (Wachpersonen) beschäftigen, die

1.
die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen und
2.
durch eine Bescheinigung der Industrie- und Handelskammer nachweisen, dass sie über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen und fachlichen Grundlagen unterrichtet worden sind und mit ihnen vertraut sind.
Für die Durchführung folgender Tätigkeiten ist zusätzlich zu den Anforderungen des Satzes 1 Nummer 1 der Nachweis einer vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegten Sachkundeprüfung erforderlich:
1.
Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum oder in Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr,
2.
Schutz vor Ladendieben,
3.
Bewachungen im Einlassbereich von gastgewerblichen Diskotheken,
4.
Bewachungen von Aufnahmeeinrichtungen nach § 44 des Asylgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) geändert worden ist, von Gemeinschaftsunterkünften nach § 53 des Asylgesetzes oder anderen Immobilien und Einrichtungen, die der auch vorübergehenden amtlichen Unterbringung von Asylsuchenden oder Flüchtlingen dienen, in leitender Funktion,
5.
Bewachungen von zugangsgeschützten Großveranstaltungen in leitender Funktion.
Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit einer Wachperson und einer mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Person hat die am Hauptwohnsitz der natürlichen Person für den Vollzug nach Landesrecht zuständige Behörde mindestens eine unbeschränkte Auskunft nach § 41 Absatz 1 Nummer 9 des Bundeszentralregistergesetzes sowie eine Stellungnahme der für den Wohnort zuständigen Behörde der Landespolizei, einer zentralen Polizeidienststelle oder dem jeweils zuständigen Landeskriminalamt einzuholen, ob und welche tatsächlichen Anhaltspunkte bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen können, soweit Zwecke der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr einer Übermittlung der tatsächlichen Anhaltspunkte nicht entgegen stehen. Bei Wachpersonen und mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Personen ohne einen Hauptwohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ist die Zuverlässigkeit durch die für den Vollzug zuständige Behörde am Betriebssitz des Gewerbetreibenden, welcher die natürliche Person als erster anmeldet, zu überprüfen. Absatz 1 Satz 5 Nummer 4 ist entsprechend anzuwenden bei Wachpersonen, die eine der folgenden Aufgaben wahrnehmen sollen:
1.
Bewachungen nach Satz 2 Nummer 4 und 5, auch in nicht leitender Funktion, oder
2.
Schutzaufgaben im befriedeten Besitztum bei Objekten, von denen im Fall eines kriminellen Eingriffs eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann.
Satz 5 gilt auch nach Aufnahme der Tätigkeit einer Wachperson. Absatz 1 Satz 4, 6 bis 10 ist entsprechend anzuwenden.

(1b) Werden der zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz im Nachhinein Informationen bekannt, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit einer der in Absatz 1 und Absatz 1a Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Personen von Bedeutung sind, übermittelt sie diese der zuständigen Behörde nach den für die Informationsübermittlung geltenden Regelungen der Verfassungsschutzgesetze (Nachbericht). Zu diesem Zweck darf die Verfassungsschutzbehörde Name, Vornamen, Geburtsname, Geburtsdatum, Geschlecht, Geburtsort, Geburtsland, Wohnort und gegenwärtige Staatsangehörigkeit und Doppel- oder frühere Staatsangehörigkeiten der betroffenen Person sowie die Aktenfundstelle verarbeiten, einschließlich einer Verarbeitung mit ihrer Aktenfundstelle in den gemeinsamen Dateien nach § 6 Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Die im Rahmen der Überprüfung der Zuverlässigkeit verarbeiteten personenbezogenen Daten der in Absatz 1 und Absatz 1a Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Personen sind spätestens nach fünf Jahren von der Verfassungsschutzbehörde zu löschen. Sollte die Verfassungsschutzbehörde vorher von einer Versagung, Rücknahme, einem Erlöschen oder Widerruf der Erlaubnis durch die zuständige Behörde Kenntnis erlangen, hat sie die im Rahmen der Überprüfung der Zuverlässigkeit gespeicherten personenbezogenen Daten der in Absatz 1 genannten Personen spätestens sechs Monate nach Kenntniserlangung zu löschen. Die Sätze 1 bis 4 sind entsprechend anzuwenden für die nach Absatz 1 Satz 5 Nummer 3 und Absatz 1a Satz 3 beteiligten Polizeibehörden.

(2) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung

1.
die für die Entscheidung über eine Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1 erforderlichen vom Antragsteller bei der Antragsstellung anzugebenden Daten und beizufügenden Unterlagen bestimmen,
2.
die Anforderungen und das Verfahren für den Unterrichtungsnachweis nach Absatz 1a Satz 1 sowie Ausnahmen von der Erforderlichkeit des Unterrichtungsnachweises festlegen,
3.
die Anforderungen und das Verfahren für eine Sachkundeprüfung nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 und Absatz 1a Satz 2 sowie Ausnahmen von der Erforderlichkeit der Sachkundeprüfung festlegen und
4.
zum Schutze der Allgemeinheit und der Auftraggeber Vorschriften erlassen über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen bei der Ausübung des Bewachungsgewerbes, insbesondere über
a)
den Geltungsbereich der Erlaubnis,
b)
die Pflichten des Gewerbetreibenden bei der Einstellung und Entlassung der im Bewachungsgewerbe beschäftigten Personen, über die Aufzeichnung von Daten dieser Personen durch den Gewerbetreibenden und ihre Übermittlung an die für den Vollzug des § 34a zuständigen Behörden, über die Anforderungen, denen diese Personen genügen müssen, sowie über die Durchführung des Wachdienstes,
c)
die Verpflichtung zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung, zur Buchführung einschließlich der Aufzeichnung von Daten über einzelne Geschäftsvorgänge sowie über die Auftraggeber,
d)
(weggefallen)
5.
zum Schutz der Allgemeinheit und der Auftraggeber Vorschriften erlassen über die Unterrichtung der für den Vollzug des § 34a zuständigen Behörden durch Gerichte und Staatsanwaltschaften über rechtliche Maßnahmen gegen Gewerbetreibende und ihre Wachpersonen
6.
die Anforderungen und Verfahren festlegen, die zur Durchführung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22), die zuletzt durch die Richtlinie 2013/55/EU (ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 132) geändert worden ist, Anwendung finden sollen auf Inhaber von in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erworbenen Berufsqualifikationen, die im Inland das Bewachungsgewerbe vorübergehend oder dauerhaft ausüben möchten,
7.
Einzelheiten der regelmäßigen Überprüfung der Zuverlässigkeit nach Absatz 1 Satz 10, auch in Verbindung mit Absatz 1a Satz 7, festlegen,
8.
Einzelheiten zur örtlichen Zuständigkeit für den Vollzug regeln, insbesondere die Zuständigkeit für die Überprüfung der Zuverlässigkeit und erforderlichen Qualifikation.

(3) Nach Einholung der unbeschränkten Auskünfte nach § 41 Absatz 1 Nummer 9 des Bundeszentralregistergesetzes zur Überprüfung der Zuverlässigkeit können die zuständigen Behörden das Ergebnis der Überprüfung einschließlich der für die Beurteilung der Zuverlässigkeit erforderlichen Daten an den Gewerbetreibenden übermitteln.

(4) Die Beschäftigung einer Person, die in einem Bewachungsunternehmen mit Bewachungsaufgaben beschäftigt ist, oder einer mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragten Person kann dem Gewerbetreibenden untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.

(5) Der Gewerbetreibende und seine Beschäftigten dürfen bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten nur die Rechte, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe zustehen, die ihnen vom jeweiligen Auftraggeber vertraglich übertragenen Selbsthilferechte sowie die ihnen gegebenenfalls in Fällen gesetzlicher Übertragung zustehenden Befugnisse eigenverantwortlich ausüben. In den Fällen der Inanspruchnahme dieser Rechte und Befugnisse ist der Grundsatz der Erforderlichkeit zu beachten.

(6) (weggefallen)

(1) Als Nachweis einer nach der Gewerbeordnung erforderlichen Sachkundeprüfung oder Unterrichtung werden im Ausland erworbene Befähigungs- und Ausbildungsnachweise anerkannt, die von einer zuständigen Behörde im Ausbildungsstaat ausgestellt worden sind, sofern

1.
der im Ausland erworbene Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis und der entsprechende inländische Befähigungs- oder Ausbildungsnachweis die Befähigung zu einer vergleichbaren beruflichen Tätigkeit belegen,
2.
im Fall einer im Ausbildungsstaat reglementierten beruflichen Tätigkeit die den Antrag stellende Person zur Ausübung dieser beruflichen Tätigkeit im Ausbildungsstaat berechtigt ist und
3.
zwischen den nachgewiesenen ausländischen Berufsqualifikationen und der entsprechenden inländischen Berufsbildung keine wesentlichen Unterschiede bestehen.

(2) Unterscheiden sich die diesen Nachweisen zugrunde liegenden Sachgebiete wesentlich von den in den jeweiligen gewerberechtlichen Verordnungen festgelegten Sachgebieten und gleichen die von der den Antrag stellenden Person im Rahmen ihrer Berufspraxis oder durch sonstige nachgewiesene einschlägige Qualifikationen erworbenen Kenntnisse Fähigkeiten und Kompetenzen diesen wesentlichen Unterschied nicht aus, so ist die Erlaubnis zur Aufnahme der angestrebten Tätigkeit von der erfolgreichen Teilnahme an einer ergänzenden, diese Sachgebiete umfassenden Sachkundeprüfung (spezifische Sachkundeprüfung) oder einer ergänzenden, diese Sachgebiete umfassenden Unterrichtung (ergänzende Unterrichtung) abhängig. Für die spezifische Sachkundeprüfung und die ergänzende Unterrichtung gelten die in den jeweiligen gewerberechtlichen Verordnungen vorgeschriebenen Anforderungen und Verfahren.

(3) Ist für die angestrebte Tätigkeit nach der Gewerbeordnung eine Sachkundeprüfung vorgesehen, so ist der den Antrag stellenden Person nach ihrer Wahl statt der spezifischen Sachkundeprüfung die Teilnahme an einer ergänzenden Unterrichtung zu ermöglichen, sofern der Befähigungsnachweis von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist und die jeweiligen gewerberechtlichen Verordnungen nicht etwas anderes vorsehen. Dies gilt auch für Nachweise, die von einem Drittstaat ausgestellt wurden, sofern diese Nachweise von einem in Satz 1 genannten Staat anerkannt worden sind und dieser Staat der den Antrag stellenden Person eine mindestens dreijährige Berufserfahrung in der angestrebten Tätigkeit bescheinigt. Die Maßnahmen nach Satz 1 sind so auszugestalten, dass sie eine der Sachkundeprüfung vergleichbare Beurteilung der Qualifikation erlauben. Ist für die angestrebte Tätigkeit nach der Gewerbeordnung eine Unterrichtung vorgesehen, kann die den Antrag stellende Person auf Wunsch an Stelle der ergänzenden Unterrichtung eine spezifische Sachkundeprüfung ablegen.

(3a) Die Entscheidung der zuständigen Stelle, die Aufnahme der angestrebten Tätigkeit von der erfolgreichen Teilnahme an einer spezifischen Sachkundeprüfung oder einer ergänzenden Unterrichtung nach Absatz 2 Satz 1 abhängig zu machen, ist gegenüber der den Antrag stellenden Person zu begründen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. In der Begründung ist insbesondere anzugeben,

1.
welche wesentlichen Unterschiede im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 festgestellt wurden,
2.
die Gründe, weshalb die Unterschiede im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 nicht durch die von der den Antrag stellenden Person im Rahmen ihrer bisherigen Berufspraxis oder durch sonstige Befähigungsnachweise erworbenen und nachgewiesenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen ausgeglichen werden, und
3.
das Niveau der im Geltungsbereich dieses Gesetzes erforderlichen Berufsqualifikation gemäß der Klassifizierung in Artikel 11 der Richtlinie 2005/36/EG.
Die zuständige Stelle muss der den Antrag stellenden Person die Möglichkeit geben, die spezifische Sachkundeprüfung oder die ergänzende Unterrichtung innerhalb von sechs Monaten ab dem Zugang der Entscheidung nach Absatz 2 Satz 1 zu absolvieren.

(4) Der Antrag auf Anerkennung sowie die gemäß Satz 2 beizufügenden Unterlagen können elektronisch übermittelt werden. Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen:

1.
eine tabellarische Aufstellung der absolvierten Ausbildungsgänge und der ausgeübten Erwerbstätigkeiten,
2.
ein Identitätsnachweis,
3.
im Ausland erworbene Ausbildungsnachweise,
4.
Nachweise über einschlägige Berufserfahrungen und sonstige Befähigungsnachweise,
5.
eine Bescheinigung darüber, dass die den Antrag stellende Person zur Ausübung des Berufs berechtigt ist, sofern der Beruf im Ausbildungsstaat reglementiert ist,
soweit dies für die Beurteilung erforderlich ist. Die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit erfolgen im Übrigen unter den im Inland geltenden Voraussetzungen. Insbesondere können von der den Antrag stellenden Person Nachweise verlangt werden, die Rückschlüsse auf ihre Zuverlässigkeit, das Vorliegen geordneter Vermögensverhältnisse sowie auf erforderliche Mittel oder Sicherheiten erlauben, sofern dies in den jeweiligen gewerberechtlichen Verordnungen bestimmt ist. Die zuständige Stelle kann die den Antrag stellende Person auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist Informationen zu Inhalt und Dauer der im Ausland absolvierten Berufsbildung sowie zu sonstigen Berufsqualifikationen vorzulegen, soweit dies zur Bewertung der Gleichwertigkeit erforderlich ist. § 13b Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Werden Unterlagen nach Satz 1 elektronisch übermittelt, kann die zuständige Behörde bei begründeten Zweifeln an der Echtheit der Unterlagen die den Antrag stellende Person auffordern, beglaubigte Kopien vorzulegen. Eine solche Aufforderung hemmt den Lauf der Fristen nach Absatz 5 Satz 1 bis 3 nicht.

(5) Die zuständige Stelle bestätigt der den Antrag stellenden Person binnen eines Monats den Empfang der Unterlagen und teilt gegebenenfalls dabei mit, dass Unterlagen fehlen. Die Prüfung des Antrags auf Anerkennung muss spätestens drei Monate nach Einreichen der vollständigen Unterlagen abgeschlossen sein. Diese Frist kann in begründeten Fällen um einen Monat verlängert werden. Die Fristverlängerung ist der den Antrag stellenden Person rechtzeitig und unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Bestehen begründete Zweifel an der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen oder an den dadurch verliehenen Rechten oder benötigt die zuständige Stelle weitere Informationen, kann sie die den Antrag stellende Person auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist weitere geeignete Unterlagen vorzulegen. Soweit die Unterlagen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt wurden, kann sich die zuständige Stelle auch an die zuständige Stelle des Ausbildungsstaats wenden. Der Fristablauf ist solange gehemmt.

(6) Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz ist mit Ausnahme des § 17 nicht anzuwenden.

(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder
2a.
die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde,
3.
der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt,
4.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, daß er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.
Die Erlaubnis kann entgegen Satz 1 Nr. 2a erteilt werden, wenn eine barrierefreie Gestaltung der Räume nicht möglich ist oder nur mit unzumutbaren Aufwendungen erreicht werden kann.

(2) Wird bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Vereinen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufen, so ist dies unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.

(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung

a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und
b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(1) Leicht verderbliche Lebensmittel dürfen nur von Personen hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, die auf Grund einer Schulung nach Anhang II Kapitel XII Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über ihrer jeweiligen Tätigkeit entsprechende Fachkenntnisse auf den in Anlage 1 genannten Sachgebieten verfügen. Die Fachkenntnisse nach Satz 1 sind auf Verlangen der zuständigen Behörde nachzuweisen. Satz 1 gilt nicht, soweit ausschließlich verpackte Lebensmittel gewogen, gemessen, gestempelt, bedruckt oder in den Verkehr gebracht werden. Satz 1 gilt nicht für die Primärproduktion und die Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen nach § 5.

(2) Bei Personen, die eine wissenschaftliche Ausbildung oder eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, in der Kenntnisse und Fertigkeiten auf dem Gebiet des Verkehrs mit Lebensmitteln einschließlich der Lebensmittelhygiene vermittelt werden, wird vermutet, dass sie für eine der jeweiligen Ausbildung entsprechende Tätigkeit

1.
nach Anhang II Kapitel XII Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 in Fragen der Lebensmittelhygiene geschult sind und
2.
über nach Absatz 1 erforderliche Fachkenntnisse verfügen.

(1) Der Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind.

(2) Wer gegenwärtig zum Betrieb eines Gewerbes berechtigt ist, kann von demselben nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil er den Erfordernissen dieses Gesetzes nicht genügt.

(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Betrieb verlegt wird,
2.
der Gegenstand des Gewerbes gewechselt oder auf Waren oder Leistungen ausgedehnt wird, die bei Gewerbebetrieben der angemeldeten Art nicht geschäftsüblich sind,
2a.
der Name des Gewerbetreibenden geändert wird oder
3.
der Betrieb aufgegeben wird.
Steht die Aufgabe des Betriebes eindeutig fest und ist die Abmeldung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen.

(2) Absatz 1 gilt auch für den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und für den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(3) Wer die Aufstellung von Automaten jeder Art als selbständiges Gewerbe betreibt, muss die Anzeige bei der zuständigen Behörde seiner Hauptniederlassung erstatten. Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Automaten den Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, seine ladungsfähige Anschrift sowie die Anschrift seiner Hauptniederlassung an dem Automaten sichtbar anzubringen. Gewerbetreibende, für die eine Firma im Handelsregister eingetragen ist, haben außerdem ihre Firma in der in Satz 2 bezeichneten Weise anzubringen. Ist aus der Firma der Familienname des Gewerbetreibenden mit einem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma.

(4) Die Finanzbehörden haben den zuständigen Behörden die nach § 30 der Abgabenordnung geschützten Daten von Unternehmern im Sinne des § 5 des Gewerbesteuergesetzes mitzuteilen, wenn deren Steuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz erloschen ist; mitzuteilen sind

1.
der Name,
2.
die betriebliche Anschrift,
3.
die Rechtsform,
4.
der amtliche Gemeindeschlüssel,
5.
die Wirtschaftsidentifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung und, soweit vorhanden, das Unterscheidungsmerkmal nach § 139c Absatz 5a der Abgabenordnung sowie
6.
der Tag, an dem die Steuerpflicht endete.
Absatz 5 Satz 1 gilt entsprechend.

(5) Die erhobenen Daten dürfen nur für die Überwachung der Gewerbeausübung sowie statistische Erhebungen verarbeitet werden. Der Name, der Name des Geschäfts (Geschäftsbezeichnung), die betriebliche Anschrift und die angezeigte Tätigkeit des Gewerbetreibenden dürfen allgemein zugänglich gemacht werden.

(6) Öffentlichen Stellen, soweit sie nicht als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, soweit

1.
eine regelmäßige Datenübermittlung nach Absatz 8 zulässig ist,
2.
die Kenntnis der Daten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl erforderlich ist oder
3.
der Empfänger die Daten beim Gewerbetreibenden nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erheben könnte oder von einer solchen Datenerhebung nach der Art der Aufgabe, für deren Erfüllung die Kenntnis der Daten erforderlich ist, abgesehen werden muss und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.
Für die Weitergabe von Daten innerhalb der Verwaltungseinheiten, denen die für die Entgegennahme der Anzeige und die Überwachung der Gewerbeausübung zuständigen Behörden angehören, gilt Satz 1 entsprechend.

(7) Öffentlichen Stellen, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, und nichtöffentlichen Stellen dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, wenn der Empfänger ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.

(8) Die zuständige Behörde übermittelt, sofern die empfangsberechtigte Stelle auf die regelmäßige Datenübermittlung nicht verzichtet hat, Daten aus der Gewerbeanzeige regelmäßig an

1.
die Industrie- und Handelskammer zur Wahrnehmung der in den §§ 1, 3 und 5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern genannten sowie der nach § 1 Abs. 4 desselben Gesetzes übertragenen Aufgaben,
2.
die Handwerkskammer zur Wahrnehmung der in § 91 der Handwerksordnung genannten, insbesondere der ihr durch die §§ 6, 19 und 28 der Handwerksordnung zugewiesenen und sonstiger durch Gesetz übertragener Aufgaben,
3.
die für den Immissionsschutz zuständige Landesbehörde zur Durchführung arbeitsschutzrechtlicher sowie immissionsschutzrechtlicher Vorschriften,
3a.
die für den technischen und sozialen Arbeitsschutz, einschließlich den Entgeltschutz nach dem Heimarbeitsgesetz zuständige Landesbehörde zur Durchführung ihrer Aufgaben,
4.
die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Wahrnehmung der Aufgaben, die im Mess- und Eichgesetz und in den auf Grund des Mess- und Eichgesetzes ergangenen Rechtsverordnungen festgelegt sind,
5.
die Bundesagentur für Arbeit zur Wahrnehmung der in § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie der im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz genannten Aufgaben,
6.
die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. ausschließlich zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft für die Erfüllung der ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben,
7.
die Behörden der Zollverwaltung zur Wahrnehmung der ihnen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, nach § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie nach dem Arbeitnehmer-überlassungsgesetz obliegenden Aufgaben,
8.
das Registergericht, soweit es sich um die Abmeldung einer im Handels- und Genossenschaftsregister eingetragenen Haupt- oder Zweigniederlassung handelt, für Maßnahmen zur Herstellung der inhaltlichen Richtigkeit des Handelsregisters gemäß § 388 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder des Genossenschaftsregisters gemäß § 160 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
9.
die statistischen Ämter der Länder zur Führung des Statistikregisters nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Statistikregistergesetzes in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 und 2,
10.
die nach Landesrecht zuständigen Behörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-, Futtermittel-, Tabak-, Tiergesundheits- und Tierschutzrecht,
11.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Einzug und zur Vollstreckung der einheitlichen Pauschsteuer nach § 40a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes,
12.
die Ausländerbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Aufenthaltsgesetz,
13.
die nach § 22 der Abgabenordnung zuständigen Finanzämter, unbeschadet des § 138 der Abgabenordnung,
14.
die für die Erlaubnisverfahren nach diesem Gesetz zuständigen Behörden.
Die Übermittlung der Daten ist auf das zur Wahrnehmung der in Satz 1 bezeichneten Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Sind die Daten derart verbunden, dass ihre Trennung nach erforderlichen und nicht erforderlichen Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, sind auch die Kenntnisnahme, die Weitergabe innerhalb der datenverarbeitenden Stelle und die Übermittlung der Daten, die nicht zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben erforderlich sind, zulässig, soweit nicht schutzwürdige Belange der betroffenen Personen oder Dritter überwiegen. Die nicht erforderlichen Daten unterliegen insoweit einem Verwertungsverbot.

(9) Darüber hinaus sind Übermittlungen der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen Daten nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist oder eine besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht.

(10) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten aus der Gewerbeanzeige ermöglicht, ist nur zulässig, wenn technisch sichergestellt ist, dass

1.
die abrufende Stelle die bei der zuständigen Stelle gespeicherten Daten nicht verändern kann und
2.
ein Abruf durch eine in Absatz 7 genannte Stelle nur möglich ist, wenn die abrufende Stelle entweder den Namen des Gewerbetreibenden oder die betriebliche Anschrift des Gewerbetreibenden angegeben hat; der Abruf von Daten unter Verwendung unvollständiger Abfragedaten oder die Suche mittels einer Ähnlichenfunktion kann zugelassen werden.

(11) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten ermöglicht, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, ist nur zulässig, soweit

1.
dies wegen der Häufigkeit oder der Eilbedürftigkeit der Abrufe und unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Gewerbetreibenden angemessen ist,
2.
die zum Abruf bereitgehaltenen Daten ihrer Art nach für die Aufgaben oder Geschäftszwecke des Empfängers erforderlich sein können und
3.
technisch sichergestellt ist, dass Daten durch andere als die in Absatz 8 genannten Stellen nur abgerufen werden können, wenn dabei der Verarbeitungszweck, für den der Abruf erfolgt, sowie das Aktenzeichen oder eine andere Bezeichnung des Vorgangs, für den der Abruf erfolgt, angegeben wird.
Die Datenempfänger sowie die Verarbeitungszwecke, für die Abrufe zugelassen werden, sind vom Leiter der Verwaltungseinheit festzulegen. Die zuständige Stelle protokolliert die Abrufe einschließlich der angegebenen Verarbeitungszwecke und Vorgangsbezeichnungen. Die Protokolle müssen die Feststellung der für die einzelnen Abrufe verantwortlichen Personen ermöglichen. Eine mindestens stichprobenweise Protokollauswertung ist durch die speichernde Stelle zu gewährleisten. Die Protokolldaten dürfen nur zur Kontrolle der Zulässigkeit der Abrufe verarbeitet werden und sind nach sechs Monaten zu löschen.

(12) Daten, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, darf der Empfänger nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden.

(13) Über die Gewerbeanzeigen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 werden monatliche Erhebungen als Bundesstatistik durchgeführt. Die Statistik nach Satz 1 soll als Informationsgrundlage für die Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Strukturpolitik dienen. Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig sind die Anzeigepflichtigen, die die Auskunftspflicht durch Erstattung der Anzeige erfüllen. Die zuständige Behörde übermittelt aus den Gewerbeanzeigen monatlich die Daten als Erhebungs- oder Hilfsmerkmale an die statistischen Ämter der Länder, die zur Führung der Statistik nach Satz 1 erforderlich sind. Die statistischen Ämter der Länder dürfen die Angaben zum eingetragenen Namen des Betriebes mit Rechtsform und zum Namen des Betriebsinhabers für die Bestimmung der Rechtsform bis zum Abschluss der nach § 12 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes vorgesehenen Prüfung auswerten. Ferner dürfen sie nähere Angaben zu der angemeldeten Tätigkeit unmittelbar bei den Auskunftspflichtigen erfragen, soweit die gemeldete Tätigkeit sonst den Wirtschaftszweigen nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik (ABl. EU Nr. L 393 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung nicht zugeordnet werden kann.

(14) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erlässt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflicht nach Absatz 1, zur Regelung der Datenübermittlung nach Absatz 8 sowie zur Führung der Statistik nach Absatz 13 nähere Vorschriften. Die Rechtsverordnung

1.
bestimmt insbesondere, welche erforderlichen Informationen in den Anzeigen nach Absatz 1 anzugeben sind,
2.
kann die Verwendung von Vordrucken zur Anzeige eines Gewerbes anordnen, die Gestaltung der Vordrucke durch Muster festlegen und Vorgaben treffen, wie und in welcher Anzahl die Vordrucke auszufüllen sind,
3.
kann Rahmenvorgaben für die elektronische Datenverarbeitung und -übermittlung festlegen,
4.
bestimmt, welche Daten zur Aufgabenwahrnehmung der in Absatz 8 Satz 1 bezeichneten Stellen erforderlicherweise zu übermitteln sind, und
5.
bestimmt, welche Daten als Erhebungs- und Hilfsmerkmale für die Statistik nach Absatz 13 Satz 1 an die statistischen Ämter der Länder zu übermitteln sind.

(1) Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Untersagung kann auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Das Untersagungsverfahren kann fortgesetzt werden, auch wenn der Betrieb des Gewerbes während des Verfahrens aufgegeben wird.

(2) Dem Gewerbetreibenden kann auf seinen Antrag von der zuständigen Behörde gestattet werden, den Gewerbebetrieb durch einen Stellvertreter (§ 45) fortzuführen, der die Gewähr für eine ordnungsgemäße Führung des Gewerbebetriebes bietet.

(3) Will die Verwaltungsbehörde in dem Untersagungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen einen Gewerbetreibenden gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich bezieht auf

1.
die Feststellung des Sachverhalts,
2.
die Beurteilung der Schuldfrage oder
3.
die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 des Strafgesetzbuches begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Die Entscheidung über ein vorläufiges Berufsverbot (§ 132a der Strafprozeßordnung), der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich; dies gilt auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen.

(3a) (weggefallen)

(4) Vor der Untersagung sollen, soweit besondere staatliche Aufsichtsbehörden bestehen, die Aufsichtsbehörden, ferner die zuständige Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer und, soweit es sich um eine Genossenschaft handelt, auch der Prüfungsverband gehört werden, dem die Genossenschaft angehört. Ihnen sind die gegen den Gewerbetreibenden erhobenen Vorwürfe mitzuteilen und die zur Abgabe der Stellungnahme erforderlichen Unterlagen zu übersenden. Die Anhörung der vorgenannten Stellen kann unterbleiben, wenn Gefahr im Verzuge ist; in diesem Falle sind diese Stellen zu unterrichten.

(5) (weggefallen)

(6) Dem Gewerbetreibenden ist von der zuständigen Behörde auf Grund eines an die Behörde zu richtenden schriftlichen oder elektronischen Antrages die persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr vorliegt. Vor Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagungsverfügung kann die Wiederaufnahme nur gestattet werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen.

(7) Zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Gewerbetreibende eine gewerbliche Niederlassung unterhält oder in den Fällen des Absatzes 2 oder 6 unterhalten will. Bei Fehlen einer gewerblichen Niederlassung sind die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. Für die Vollstreckung der Gewerbeuntersagung sind auch die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll.

(7a) Die Untersagung kann auch gegen Vertretungsberechtigte oder mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragte Personen ausgesprochen werden. Das Untersagungsverfahren gegen diese Personen kann unabhängig von dem Verlauf des Untersagungsverfahrens gegen den Gewerbetreibenden fortgesetzt werden. Die Absätze 1 und 3 bis 7 sind entsprechend anzuwenden.

(8) Soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann, sind die Absätze 1 bis 7a nicht anzuwenden. Dies gilt nicht für die Tätigkeit als vertretungsberechtigte Person eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person sowie für Vorschriften, die Gewerbeuntersagungen oder Betriebsschließungen durch strafgerichtliches Urteil vorsehen.

(9) Die Absätze 1 bis 8 sind auf Genossenschaften entsprechend anzuwenden, auch wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt; sie finden ferner Anwendung auf den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und auf den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder
2a.
die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde,
3.
der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt,
4.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, daß er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.
Die Erlaubnis kann entgegen Satz 1 Nr. 2a erteilt werden, wenn eine barrierefreie Gestaltung der Räume nicht möglich ist oder nur mit unzumutbaren Aufwendungen erreicht werden kann.

(2) Wird bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Vereinen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufen, so ist dies unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.

(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung

a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und
b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.