Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Apr. 2016 - M 12 K 16.30295
Gericht
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers fortzusetzen und über seinen Antrag vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist ein - nach eigenen Angaben - am ... geborener eritreischer Staatsangehöriger. Er reiste - wieder nach eigenen Angaben - am 30. September 2014 ins Bundesgebiet ein (Bl. 23 der Behördenakte - BA) und stellte am 20. Oktober einen Asylantrag (Bl. 5 BA).
Am
Der Kläger erhielt eine Aufenthaltsgestattung (Bl. 33 f. BA).
Am ... April 2015 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte für den Kläger und bat um Akteneinsicht (Bl. 52 BA). Diese wurde dem Prozessbevollmächtigten gewährt (Bl. 56 BA).
Mit Schreiben vom ... Juli 2015 bat der Prozessbevollmächtigte um Durchführung des Asylverfahrens und Ladung zur persönlichen Anhörung (Bl. 57 BA).
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) teilte dem Prozessbevollmächtigten am
Mit Schreiben vom ... September 2015 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, der Kläger sei verheiratet. Das Verfahren der Ehefrau werde unter dem Az. ... geführt. Dort seien Dokumente abgelichtet. Er bitte um Zusendung des Fragebogens für Eritreer zur Verfahrensbeschleunigung (Bl. 59 BA).
Mit Schreiben vom
Auch der Prozessbevollmächtigte erhielt mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom ... Oktober 2015 übersandte der Prozessbevollmächtigte den (ausgefüllten) Fragebogen des Klägers. Er führte aus, der Kläger sei Vater des Kindes der Antragstellerin aus dem von ihm genannten Verfahren. Die Angabe, dass die beiden verheiratet seien, beruhe auf einem Irrtum (Bl. 73 BA). Er übersandte eine Vaterschaftsanerkennung (Bl. 82 BA).
Am ... Februar 2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben mit dem Antrag,
die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren des Klägers fortzuführen und über den Asylantrag des Klägers zu entscheiden.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Der Kläger befinde sich seit
Das Gericht bat mit Zustellung der Klage am
Mit Schreiben vom
keinen Antrag.
Mit Schreiben vom
Mit Beschluss vom 8. April 2016
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
Gründe
Über die Verwaltungsstreitsache konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sowohl der Klägerbevollmächtigte (Schreiben vom ...2.2016) als auch die Beklagte (Schreiben vom
Die Klage ist als Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig. Insbesondere ist auch die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 75 Satz 2 VwGO gegeben. Nach dieser Vorschrift ist die Klage zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Das ist hier der Fall.
Bis zu welchem Zeitpunkt die Frist für eine Entscheidung über einen Asylantrag noch als angemessen zu bewerten ist, lässt sich nicht verallgemeinernd beantworten, sondern ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig (BVerwG, U. v.
Bei der Beantwortung dieser Frage ist das, auch im elften Erwägungsgrund zur Richtlinie 2005/85/EG bzw. dem achtzehnten Erwägungsgrund zur Richtlinie 2012/32/EU zum Ausdruck kommende, Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse an einer schnellen und dem an einer inhaltlich richtigen Entscheidung von maßgeblicher Bedeutung. So liegt es gem. dem achtzehnten Erwägungsgrund zur Richtlinie 2013/32/EU sowohl im Interesse der Mitgliedsstaaten als auch der Personen, die internationalen Schutz beantragen, dass über die Anträge so rasch wie möglich, unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge, entschieden wird. Es gilt daher im Asylverfahren, wie sich aus den europäischen Vorgaben (Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG bzw. Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU) ergibt, dass über den Antrag so rasch wie möglich entschieden werden soll. Dem gegenüber stehen das öffentliche Interesse (Art. 20 Abs. 3 GG) und das private Interesse des Antragstellers an einer inhaltlich richtigen Entscheidung. Dies kann je nach Einzelfall - abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren - dazu führen, dass sich die Verfahrensdauer bis zu einer sachlichen Entscheidung über den Asylantrag verlängert.
Bei der Bewertung, ob eine Frist noch als angemessen i. S. v. § 75 Satz 1 VwGO anzusehen ist, spielt insbesondere der Schwierigkeitsgrad einer Entscheidung eine Rolle. Je komplexer sich die im Rahmen der Entscheidung über den Asylantrag ergebenden Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht darstellen, umso mehr Zeit ist der Behörde für die Entscheidung einzuräumen (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 2013/32/EU zu der den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit der Fristverlängerung um höchstens neun Monate). Fristverlängernd kann sich auch das Verhalten des Antragstellers selbst auswirken. Verletzt er seine Mitwirkungspflicht aus § 15 AsylG und erschwert oder verhindert dadurch die Entscheidung der Behörde, kann dies auch die Angemessenheit einer längeren Frist begründen (vgl. Art. 31 Abs.3 Satz 3 lit.c) der Richtlinie 2013/32/EU).
Einen gesetzlichen Anhaltspunkt für die Bestimmung der Angemessenheit der Frist gem. § 75 Satz 1 VwGO im Bereich des Asylrechts bieten die in § 24 Abs. 4 AsylG in nationales Recht umgesetzte asylrechtliche Regelung des Art. 23 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2005/85/EG sowie die Regelung in Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU. So sieht Art. 23 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2005/85/EG vor, dass der Kläger nach sechs Monaten einen Auskunftsanspruch hat. Art. 31 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2013/32/EU sieht nunmehr vor, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird. Vor diesem Hintergrund geht das Gericht davon aus, dass eine angemessene Frist jedenfalls nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit der Asylantragstellung abgelaufen ist (so auch VG Regensburg, B. v.6.7.2015 -RN 1 K 15.31185 - juris). Ist die Entscheidung über den Asylantrag nicht binnen der vorgenannten Regelbearbeitungszeit von sechs Monaten seit Asylantragstellung getroffen worden, bedarf es regelmäßig bestimmter vom Bundesamt darzulegenden Gründe, die eine längere Bearbeitungszeit als angemessen erscheinen lassen. Gem. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 2013/32/EU können die Mitgliedsstaaten die Sechsmonatsfrist um höchstens neun weitere Monate verlängern, wenn a) sich in tatsächlicher und/oder rechtlicher Sicht komplexe Fragen ergeben; b) eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz beantragt, so dass es in der Praxis sehr schwierig ist, das Verfahren innerhalb von sechs Monaten abzuschließen; c) die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Antragsteller seinen Pflichten nach Art. 13 (der Richtlinie 2913/32/EU) nicht nachgekommen ist. Ausnahmsweise können die Mitgliedsstaaten die Fristen gemäß diesem Absatz in ausreichend begründeten Fällen um höchstens drei Monate überschreiten, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zu gewähren, Art. 31 Abs. 3 Satz 4 der Richtlinie 2013/32/EU. Gem. Art. 31 Abs. 4 der Richtlinie 2013/32/EU können die Mitgliedsstaaten den Abschluss des Prüfungsverfahrens weiter aufschieben, wenn aufgrund einer aller Voraussicht nach vorübergehenden ungewissen Lage im Herkunftsstaat vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, innerhalb der in Absatz 3 festgelegten Fristen zu entscheiden. Die Mitgliedsstaaten schließen das Prüfungsverfahren in jedem Fall innerhalb einer maximalen Frist von 21 Monaten nach der förmlichen Antragstellung ab, Art. 31 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU.
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist im vorliegenden Fall eine angemessene Frist für eine Entscheidung über den Asylantrag des Klägers bereits abgelaufen. Der Kläger hat am 20. Oktober 2014, mithin vor fast 19 Monaten, einen Antrag zur Durchführung eines Asylverfahrens beim Bundesamt gestellt (Bl. 5 BA), über den bis heute nicht entschieden ist. Damit sind die in § 24 Abs. 4 AsylG bzw. Art. 31 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2013/32/EU genannten sechs Monate bei weitem überschritten. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass eine Entscheidungsfrist von fast 19 Monaten im vorliegenden Fall noch angemessen ist.
Es liegt auch kein zureichender Grund im Sinne von § 75 Satz 2 VwGO für die fehlende Entscheidung über den Asylantrag des Klägers innerhalb einer angemessenen Frist vor.
Das Bundesamt hat sich zum Vorliegen eines Grundes für die verzögerte Bearbeitung und Entscheidung auch im Klageverfahren nicht geäußert. Auch wenn gerichtsbekannt ist, dass das Bundesamt durch die stark erhöhten Asylbewerberzahlen überlastet ist, reicht dies nicht aus, um einen zureichenden Grund für die Nichtverbescheidung anzunehmen. Es handelt sich nicht um eine kurzfristig erhöhte Geschäftsbelastung, sondern um eine permanente Überlastung der Behörde. In einem solchen Fall ist es Aufgabe des zuständigen Bundesministeriums bzw. der Behördenleitung, für hinreichenden Ersatz zu sorgen und entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen (vgl. VG Dresden, U. v. 13.2.2015 - A 2 K 3657/14 - juris; VG Düsseldorf, U. v. 30.10.2014 - 24 K 992/14.A - juris; VG Braunschweig, U. v. 8.9.2014 - 8 A 618/13 - juris; VG Osnabrück, U. v. 14.10.2015 - 5 A 390/15 - juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde wie hier keine Perspektive für eine Entscheidung aufzeigt, so dass auf zunächst unbestimmte Zeit offen bleibt, wann überhaupt über den Antrag entscheiden wird. Der Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom ... Oktober 2015 der Beklagten den (ausgefüllten) Fragebogen zugesandt. Eine Reaktion darauf ist nicht erfolgt. Auch auf die Klage hin hat die Beklagte nur mit Aktenübersendung reagiert; auf die Gründe für die Verzögerung der Bearbeitung des Asylantrags ist sie trotz Anfrage des Gerichts nicht eingegangen. Auch ein weiteres gerichtliches Schreiben vom 15. März 2016 mit der Bitte mitzuteilen, bis wann über den Asylantrag entschieden wird, blieb unbeantwortet. Aus den Akten ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wäre.
Die Klage ist auch begründet, § 113 Abs. 1 VwGO.
Der Kläger hat Anspruch auf Fortsetzung des Asylverfahrens und Verbescheidung des gestellten Antrags. Die materielle Pflicht der Beklagten zur Entscheidung ergibt sich direkt aus Art. 16a Abs. 1 GG als einem subjektiv-öffentlichen Recht. Diesem Grundrecht kann nur durch aktives staatliches Handeln Geltung verschafft werden. Eine Verletzung dieses Grundrechts kann deshalb bereits durch reines Unterlassen, also durch Nichtverbescheidung von Anträgen, eintreten. Somit begründet Art. 16a Abs. 1 GG eine Pflicht des Staates zur Bescheidung von Asylanträgen, die die Gerichte sowohl unmittelbar aufgrund von Art. 16a Abs. 1 GG als auch aufgrund von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu gewährleisten haben. Die für die Entscheidung gesetzte Frist von drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils ist verhältnismäßig und gewährt ausreichend die Möglichkeit, den Kläger anzuhören und eine Entscheidung zu treffen.
Der Klage war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung bestimmt sich nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
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Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt.
(2) Er ist insbesondere verpflichtet,
- 1.
den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen; - 2.
das Bundesamt unverzüglich zu unterrichten, wenn ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist; - 3.
den gesetzlichen und behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten; - 4.
seinen Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen; - 5.
alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz sind, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen; - 6.
im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken und auf Verlangen alle Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen; - 7.
die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden.
(3) Erforderliche Urkunden und sonstige Unterlagen nach Absatz 2 Nr. 5 sind insbesondere
- 1.
alle Urkunden und Unterlagen, die neben dem Pass oder Passersatz für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können, - 2.
von anderen Staaten erteilte Visa, Aufenthaltstitel und sonstige Grenzübertrittspapiere, - 3.
Flugscheine und sonstige Fahrausweise, - 4.
Unterlagen über den Reiseweg vom Herkunftsland in das Bundesgebiet, die benutzten Beförderungsmittel und über den Aufenthalt in anderen Staaten nach der Ausreise aus dem Herkunftsland und vor der Einreise in das Bundesgebiet sowie - 5.
alle sonstigen Urkunden und Unterlagen, auf die der Ausländer sich beruft oder die für die zu treffenden asyl- und ausländerrechtlichen Entscheidungen und Maßnahmen einschließlich der Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sind.
(4) Die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden können den Ausländer und Sachen, die von ihm mitgeführt werden, durchsuchen, wenn der Ausländer seinen Verpflichtungen nach Absatz 2 Nr. 4 und 5 nicht nachkommt sowie nicht gemäß Absatz 2 Nummer 6 auf Verlangen die Datenträger vorlegt, aushändigt oder überlässt und Anhaltspunkte bestehen, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist. Der Ausländer darf nur von einer Person gleichen Geschlechts durchsucht werden.
(5) Durch die Rücknahme des Asylantrags werden die Mitwirkungspflichten des Ausländers nicht beendet.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung, sowie über freiwillige Rückkehrmöglichkeiten. Der Ausländer ist persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt
- 1.
dem Asylantrag vollständig stattgeben will oder - 2.
der Auffassung ist, dass der Ausländer aufgrund dauerhafter Umstände, die sich seinem Einfluss entziehen, nicht zu einer Anhörung in der Lage ist. Im Zweifelsfall ist für die Feststellung der Dauerhaftigkeit der Umstände eine ärztliche Bestätigung erforderlich. Wird von einer Anhörung abgesehen, unternimmt das Bundesamt angemessene Bemühungen, damit der Ausländer weitere Informationen unterbreiten kann.
(1a) Sucht eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig um Asyl nach und wird es dem Bundesamt dadurch unmöglich, die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung durchzuführen, so kann das Bundesamt die Anhörung vorübergehend von einer anderen Behörde, die Aufgaben nach diesem Gesetz oder dem Aufenthaltsgesetz wahrnimmt, durchführen lassen. Die Anhörung darf nur von einem dafür geschulten Bediensteten durchgeführt werden. Die Bediensteten dürfen bei der Anhörung keine Uniform tragen. § 5 Absatz 4 gilt entsprechend.
(2) Nach Stellung eines Asylantrags obliegt dem Bundesamt auch die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.
(3) Das Bundesamt unterrichtet die Ausländerbehörde unverzüglich über
- 1.
die getroffene Entscheidung und - 2.
von dem Ausländer vorgetragene oder sonst erkennbare Gründe - a)
für eine Aussetzung der Abschiebung, insbesondere über die Notwendigkeit, die für eine Rückführung erforderlichen Dokumente zu beschaffen, oder - b)
die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen könnten.
(4) Eine Entscheidung über den Asylantrag ergeht innerhalb von sechs Monaten. Das Bundesamt kann die Frist auf höchstens 15 Monate verlängern, wenn
- 1.
sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben, - 2.
eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig Anträge stellt, weshalb es in der Praxis besonders schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist nach Satz 1 abzuschließen oder - 3.
die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Ausländer seinen Pflichten nach § 15 nicht nachgekommen ist.
(5) Besteht aller Voraussicht nach im Herkunftsstaat eine vorübergehend ungewisse Lage, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann die Entscheidung abweichend von den in Absatz 4 genannten Fristen aufgeschoben werden. In diesen Fällen überprüft das Bundesamt mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat. Das Bundesamt unterrichtet innerhalb einer angemessenen Frist die betroffenen Ausländer über die Gründe des Aufschubs der Entscheidung sowie die Europäische Kommission über den Aufschub der Entscheidungen.
(6) Die Frist nach Absatz 4 Satz 1 beginnt mit der Stellung des Asylantrags nach § 14 Absatz 1 und 2. Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) zu behandeln, so beginnt die Frist nach Absatz 4 Satz 1, wenn die Bundesrepublik Deutschland als für die Prüfung zuständiger Mitgliedstaat bestimmt ist. Hält sich der Ausländer zu diesem Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet auf, so beginnt die Frist mit seiner Überstellung in das Bundesgebiet.
(7) Das Bundesamt entscheidet spätestens 21 Monate nach der Antragstellung nach § 14 Absatz 1 und 2.
(8) Das Bundesamt informiert den Ausländer für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, über die Verzögerung und unterrichtet ihn auf sein Verlangen über die Gründe für die Verzögerung und den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung zu rechnen ist.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.