Verwaltungsgericht München Beschluss, 25. Okt. 2018 - M 10 S 18.4681

bei uns veröffentlicht am25.10.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 7.634,94 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Gewerbesteuerhaftungsbescheid.

Der Antragsteller war vom 10. Oktober 2013 bis zum 18. Februar 2016 im Handelsregister als Geschäftsführer der … GmbH eingetragen. Nach dem umfassenden Ermittlungsverfahren des Hauptzollamts … (Schlussbericht vom 14. Juni 2018) und übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten war nicht der Antragsteller, sondern sein Bruder faktischer Geschäftsführer des Unternehmens. Der Antragsteller fungierte als „Strohmann“. Die GmbH wurde erst zum 1. September 2014 tatsächlich aktiv, es gab ein Vorgängerunternehmen, dessen Mitarbeiter und Aufträge die … GmbH ab September 2014 übernommen hat. Die … GmbH wurde von Amts wegen mit Eintrag vom 18. Februar 2016 im Handelsregister gelöscht. Zwei verschiedene Unternehmen wurden neu gegründet und haben Mitarbeiter der … GmbH übernommen. Als Gewinn aus dem Gewerbebetrieb wurde für das Jahr 2014 ein Betrag von 126.736,54 € ermittelt, für das Jahr 2015 ein Betrag von 93.863,65 €. Auf den umfangreichen Schlussbericht des Ermittlungsverfahrens wird Bezug genommen. Der Antragsteller hat für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015 keine Steuererklärungen zur Gewerbesteuer für die … GmbH eingereicht.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2018 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller in Höhe von 30.539,75 € für Gewerbesteuerschulden und Nebenforderungen der Firma … GmbH aus den Jahren 2014 und 2015 in Haftung genommen (Gewerbesteuerschulden: 25.467,75 €; Zinsen: 4.432 €; Verspätungszuschlag: 640 €). Zur Begründung wird ausgeführt: der Gewerbesteuermessbetrag sei durch das Finanzamt … mit Berechnung vom 7. Juni 2018 auf 4.434,50 € (Veranlagungsjahr 2014) bzw. 3.283 € (Veranlagungsjahr 2015) festgelegt worden. Multipliziert mit dem Hebesatz ergebe sich eine Gewerbesteuerschuld in Höhe von 14.633,85 € (Veranlagungsjahr 2014) bzw. 10.833,90 € (Veranlagungsjahr 2015). Zudem werde ein Verspätungszuschlag von 10 € je angefangenem Monat festgesetzt. Gemäß § 71 AO hafte für verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung begehe oder an einer solchen teilnehme. Der Antragsteller habe die Gewerbesteuer 2014 und 2015 hinterzogen. Dies gehe aus einem Schreiben des Finanzamts … vom 14. Juni 2018 und dem Ermittlungsbericht des Hauptzollamtes … vom 20. Oktober 2017 hervor, auf welche verwiesen werde. Der Antragsteller sei als eingetragener Geschäftsführer der … GmbH für die Abgabe richtiger und inhaltlich vollständiger Steuererklärungen verantwortlich gewesen.

Zudem hafte der Antragsteller gemäß § 69 AO als gesetzlicher Vertreter, nachdem Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden seien. Seit Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit sei die Pflicht des Antragstellers gewesen, die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Dass nach den Feststellungen der Prüfung die Geschäfte von einem faktischen Geschäftsführer geführt worden seien, entbinde den Antragsteller nicht von seiner Haftung. Der Antragsteller habe entgegen seinen Pflichten die Steuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 nicht abgegeben. Hierdurch seien die Steuern nicht rechtzeitig festgesetzt worden. Diese Pflichtverletzung sei zumindest grob fahrlässig. Von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebs werde die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften verlangt. Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass Steuererklärungen und Anmeldungen innerhalb der vorgeschriebenen Fristen abzugeben seien. Bei pflichtgemäßer rechtzeitiger Abgabe richtiger Steuererklärungen wäre es nicht zu einem Steuerausfall gekommen. Bei einer rechtzeitigen Festsetzung der Steuern hätte die Gesellschaft noch über ausreichende Mittel verfügt, um ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.

Der Bescheid wurde am 12. Juli 2018 dem Antragsteller zugestellt.

Mit Schreiben vom 8. August 2018 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Haftungsbescheid eingelegt.

Mit Schreiben vom 13. September 2018 hat die Antragsgegnerin die Vollstreckung angekündigt.

Am 21. September 2018 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.

Zur Begründung wird ausgeführt: bei den Ermittlungen des Finanzamtes habe sich herausgestellt, dass der Antragsteller sich lediglich als Geschäftsführer habe eintragen lassen, um seinem Bruder einen Gefallen zu tun. Der Antragsteller erwirtschafte nur einen geringen Verdienst pro Monat, Vermögen sei nicht vorhanden. Eine Zwangsvollstreckung würde demnach ins Leere gehen.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 hat die Antragsgegnerin dem Gericht mitgeteilt, dass eine Begründung des Widerspruchs bisher nicht erfolgt sei. Einen Antrag stellte die Antragsgegnerin nicht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Behörden und Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist hinsichtlich der Säumniszuschläge unzulässig (dazu unter 1.), im Übrigen unbegründet (dazu unter 2.).

1. Der Antrag ist hinsichtlich der Säumniszuschläge in Höhe von 640 EUR unzulässig.

Widerspruch und Klage gegen einen Haftungsbescheid nach § 191 AO haben insoweit keine aufschiebende Wirkung, soweit er Abgaben und die dazu gehörenden Nebenleistungen betrifft (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Haftungsschuld tritt anstelle der uneinbringlichen Steuerschuld, so dass auch die Haftungsschuld dem Finanzierungszweck der öffentlichen Hand dient und daher eine Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darstellt (vgl. VG München, B.v. 10.12.2003, Az.: M 10 S 03.2957). Anders verhält es sich bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen. Der Widerspruch gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aufschiebende Wirkung. Säumniszuschläge sind keine Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sondern ein Druckmittel eigener Art, dem Zwangsgeld verwandt. Entsprechendes gilt, wenn Säumniszuschläge im Rahmen eines Haftungsbescheids geltend gemacht werden (vgl. VG München, B.v. 25.2.2000, Az.: M 10 S 99.4916).

Im Übrigen, also hinsichtlich der Haftung für die Gewerbesteuerschuld und der Verzinsung, ist der Antrag zulässig. Zwar hat der Antragsteller entgegen dem Erfordernis des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nach Aktenlage keinen vorherigen Antrag bei der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, jedoch ist sein Antrag gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO dennoch ausnahmsweise zulässig, nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. September 2018 die Zwangsvollstreckung angekündigt hat und mithin die Vollstreckung droht.

2. In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg (dazu unter a.). Dies gilt auch hinsichtlich einer etwaigen unbilligen Härte gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (dazu unter b.).

a. Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Interessenabwägung anzustellen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68). Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage einzubeziehen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos blieben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers, da kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Nur wenn die Vollziehung einen erheblichen, nicht mehr rückgängig zu machenden Eingriff darstellt, mithin vollendete Tatsachen schafft, könnte auch in diesem Fall das private Interesse des Antragstellers überwiegen (vgl. Schmidt in Eyermann, a.a.O. Rn. 76).

Im vorliegenden Fall wird der Widerspruch voraussichtlich keinen Erfolg haben. Unter Zugrundelegung der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist der angegriffene Gewerbesteuerhaftungsbescheid rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Haftungsbescheid vom 10. Juli 2018 beruht auf § 191 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 AO. Gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 3 Abs. 2 AO sind § 191 sowie §§ 69, 34 AO für die Gewerbesteuer als Realsteuer direkt anwendbar. Unabhängig von der Haftung wegen Steuerhinterziehung nach § 71 AO, auf welche die Antragsgegnerin die Haftung alternativ stützt, wurde der Antragsteller als Geschäftsführer bereits nach § 69 AO rechtmäßig in Anspruch genommen.

Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet.

Die grundsätzliche Haftung des Antragstellers ergibt sich aus § 69 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO. Danach haften gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Haftungsschuldner kraft Gesetzes sind nach § 69 S. 1 AO unter anderem die in § 34 AO bezeichneten Personen. Eine Haftung nach § 69 AO wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann ausgelöst, wenn die dafür in Betracht kommende Person eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und diese Pflichtverletzung einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat (vgl. BFH, U.v. 29.11.2006 - I R 103/05 - juris Rn. 12; U.v. 05.03.1991 - VII R 93/88 - juris Rn. 11 ff.; B.v. 11.08.2005 - VII B 244/04 - juris Rn. 9). Das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheids hat grundsätzlich der Steuergläubiger zu belegen. Dem potentiellen Haftungsschuldner kommt hierbei nach §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AO eine Mitwirkungs- und Auskunftspflicht zu, deren Verletzung zu einer Beweismaßverringerung führen kann (BayVGH, B.v. 22.3.2016 - 4 CS 15.2488 - juris; VG München, B.v. 23.11.2017 - M 10 S 17.4897 - juris, Rn. 70,).

Unstreitig war der Antragsteller in den maßgeblichen Veranlagungsjahren 2014 und 2015 als Geschäftsführer der … GmbH eingetragen. Unerheblich ist, dass nach dem Abschlussbericht des Hauptzollamtes … vom 20. Oktober 2017 sowie nach eigenen Angaben des Antragstellers der Bruder des Antragstellers faktischer Geschäftsführer und der Antragsteller selber nur „Strohmann“ war. Eine Haftung nach § 69 AO i.V.m. § 34 AO knüpft an der formellen Geschäftsführereigenschaft an, nicht an der faktischen Übernahme von Geschäftsführertätigkeiten (vgl. VG München, U.v. 16.9.2004 - M 10 K 03.5631 - juris). Der Antragsteller hat eine Pflicht verletzt, indem er keine Steuererklärungen für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015 abgegeben oder anderweitig dafür gesorgt hat, dass eine solche Steuererklärung abgegeben wurde. Der Antragsteller trug als nominell zum Geschäftsführer Berufener grundsätzlich die Verantwortung, dass Steuererklärungen richtig und rechtzeitig abgegeben werden. Für die … GmbH wurde keine Steuererklärung abgegeben.

Diese Pflichtverletzung erfolgte grob fahrlässig. Der Geschäftsführer einer GmbH verhält sich grob fahrlässig, wenn er sich bewusst nur zum Schein und zur Täuschung im Rechtsverkehr als Geschäftsführer einer GmbH vorschieben lässt, tatsächlich jedoch die Geschäftsführung, die Führung der Bücher und Konten einem anderen überlässt, ohne diese Person, die Buchführung und die Abgabe von Steuererklärungen zu überwachen und zu kontrollieren. Dies gilt unabhängig davon, ob Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers bestehen (vgl. VG München, U.v. 16.9.2004 - M 10 K 03.5631 - juris). Dass der Antragsteller von seiner Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen nach eigenem Vorbringen nicht wusste, entlastet ihn nicht. Ein GmbH-Geschäftsführer kann sich nicht damit exkulpieren, dass er von der ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte ferngehalten wurde und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Ist der Geschäftsführer - seinen entsprechenden Willen vorausgesetzt - nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, er sorge für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (vgl. BFH U.v. 11.3.2004, VII R 52/02 - juris; BayVGH, B.v. 26.10.2004, 4 CS 04.1830 - juris).

Der Antragsgegnerin ist durch die Nichtabgabe der Steuererklärungen ein Schaden in Höhe von 14.633,85 € (Veranlagungsjahr 2014) bzw. 10.833,90 € (Veranlagungsjahr 2015) entstanden, nachdem diese Steuerschuld bisher nicht beglichen wurde. Hinsichtlich der Berechnungen des Hauptzollamtes …, auf welche sich die Antragsgegnerin stützt, bestehen keine Bedenken. Dass die Steuerschulden gegenüber der … GmbH mangels Kenntnis der Antragsgegnerin nie festgesetzt wurden, ist unerheblich. Die Ansprüche gegen den Erstschuldner müssen dem Grunde und der Höhe nach feststehen. Eine Festsetzung dieser Ansprüche ist für die Entstehung der Haftung jedoch nicht erforderlich (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 153. Lieferung 08.2018, § 69 AO, Rn. 14).

Der Schaden beruht auch kausal auf der Pflichtverletzung des Antragstellers. Die Pflichtverletzung des gesetzlichen Vertreters muss für den Haftungsschaden ursächlich sein. Das ist dann der Fall, wenn der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Der Schaden ist unter anderem verursacht, wenn durch die unterlassene oder verspätete Steueranmeldung eine aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeit der Steuerbehörde vereitelt worden ist. Hat der Geschäftsführer die Steuererklärung pflichtwidrig nicht abgegeben, entfällt die Haftung nur dann, wenn der Geschäftsführer auch bei Vermeidung des ihm vorgeworfenen Pflichtenverstoßes, also durch das ihm abverlangte rechtmäßige Verhalten, den Schaden verursacht hätte (sog. rechtmäßiges Alternativverhalten; vgl. BFH U.v. 23.4.2014 - VII R 28/13 - BFH/NV 2014, 1489). Der Kausalzusammenhang zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Steuerausfall fehlt, wenn der Steuerausfall mangels ausreichender Zahlungsmittel unabhängig davon eingetreten ist, ob die Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (BFH, U.v. 6.3.2001 - VII R 17/00 - juris). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Steuerpflichtige noch über ausreichende Mittel verfügt, um nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung zumindest einen Teil der Steuerschuld zu begleichen (BFH, U.v. 26.1.2016 - VII R 3/15 - juris; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 153. Lieferung 08.2018, § 69 AO, Rn. 20 m.w.N. zur Rspr.). Aus der Aktenlage, auf welche das Gericht im Eilverfahren bei der erforderlichen summarischen Prüfung angewiesen ist, lässt sich entnehmen, dass in den Jahren 2014 und 2015 durch den faktischen Geschäftsführer Auszahlungen in Höhe von über 500.000 € von Konten der … GmbH bzw. des Vorgängerunternehmens vorgenommen wurden. Es wurde nicht Insolvenz angemeldet, so dass die Antragsgegnerin vom rechtmäßigen Verhalten und daher von der Zahlungsfähigkeit der … GmbH ausgehen durfte. Es liegt demnach nahe, dass im maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem die Antragsgegnerin die Steuerschulden von der … GmbH bei rechtzeitiger und korrekter Abgabe der Steuererklärungen eingefordert hätte, ausreichende Mittel bei der GmbH zur Verfügung standen. Der Antragsteller hat diesbezüglich keine gegenteiligen oder überhaupt Angaben gemacht. Vor allem ist zu beachten, dass die haftungsbegründende Pflichtverletzung bereits vor Entstehung des Steueranspruchs in der unzureichenden Erfüllung der Vermögensvorsorgepflicht bestehen kann. Als Geschäftsführer einer zahlungsfähigen Gesellschaft oblag dem Antragsteller, Mittel zur Zahlung von Steuerschulden bereitzuhalten. Vom Vorliegen eines Kausalzusammenhangs ist zudem auch auszugehen, wenn auf Grund der verspäteten oder fehlenden Abgabe der Steuererklärung dem Finanzamt die Möglichkeit genommen wird, mit einem Vorsteuererstattungsanspruch aufzurechnen oder rechtzeitig Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten (Jatzke in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 141. Lieferung, § 69 AO, Rn. 55 m.w.N.).

Bei summarischer Prüfung reichen die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Ermessenserwägungen gerade noch aus. Auf Seite 4 des streitgegenständlichen Bescheides führt die Antragsgegnerin aus, es sei ermessensgerecht, alle Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, weil es die Sicherung des Steueranspruchs gebiete, sämtliche Möglichkeiten zur Realisierung auszuschöpfen. Nach Auslegung ist dies so zu verstehen, dass die Antragsgegnerin ihr Entschließungs- und Auswahlermessen zugunsten einer Inanspruchnahme ausüben möchte, um den Steueranspruch zu realisieren.

Der Zinsanspruch stützt sich auf § 233a AO, die Höhe wurde nach § 238 Abs. 1 Satz AO berechnet. Das Gericht hat nach summarischer Prüfung keine Bedenken hinsichtlich der Höhe der Zinsen unabhängig von den diesbezüglichen anhängigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Bis zu einer etwaigen Aufhebung ist § 238 AO als geltendes Recht der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen.

Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorgebracht oder ersichtlich.

b. Auch ist die Vollziehung des Haftungsbescheids nicht nach § 80 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 VwGO wegen einer unbilligen Härte auszusetzen. Eine unbillige Härte liegt nur dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabepflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, insbesondere, wenn die wirtschaftliche Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet wäre (BayVGH, B.v. 30.6.2008 - 4 CS 08.1409 - juris).

Eine unbillige Härte im Sinn des § 80 Abs. 4 VwGO setzt das Vorliegen eines persönlichen Billigkeitsgrundes in der Person des Abgabepflichtigen voraus, wobei Gegenstand der Beurteilung gerade die Vollziehung des Abgabenbescheides bzw. die sofortige Zahlung durch den Abgabepflichtigen darstellt. Im Rahmen der Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist entscheidend darauf abzustellen, ob die sofortige Vollziehung bzw. Zahlung der geforderten Abgabe eine wesentliche Ursache für die Existenzgefährdung darstellen würde.

Die Antragstellerseite hat keine Nachweise für eine solche unbillige Härte erbracht. Es wurde allein vorgetragen, der Antragsteller arbeite in angestellter Tätigkeit und erwirtschafte einen geringen Verdienst pro Monat, Vermögen sei nicht vorhanden. Nachweise oder konkrete Angaben fehlen.

3. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.

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(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar.

(2) Für die Realsteuern gelten, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend:

1.
die Vorschriften des Ersten, Zweiten, Vierten, Sechsten und Siebten Abschnitts des Ersten Teils (Anwendungsbereich; Steuerliche Begriffsbestimmungen; Datenverarbeitung und Steuergeheimnis; Betroffenenrechte; Datenschutzaufsicht, Gerichtlicher Rechtsschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten),
2.
die Vorschriften des Zweiten Teils(Steuerschuldrecht),
3.
die Vorschriften des Dritten Teils mit Ausnahme der §§ 82 bis 84(Allgemeine Verfahrensvorschriften),
4.
die Vorschriften des Vierten Teils(Durchführung der Besteuerung),
5.
die Vorschriften des Fünften Teils(Erhebungsverfahren),
6.
§ 249 Absatz 2 Satz 2,
7.
die §§ 351 und 361 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3,
8.
die Vorschriften des Achten Teils(Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren).

(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar. Der Dritte bis Sechste Abschnitt des Vierten Teils gilt jedoch nur, soweit dies besonders bestimmt wird.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

(2) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

(3) Ein Steuerpflichtiger hat über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Preisen (Verrechnungspreisen), sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten (Angemessenheitsdokumentation). Hat ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des Satzes 1 für ein Unternehmen zu erstellen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, so gehört zu den Aufzeichnungen auch ein Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens hat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Millionen Euro betragen. Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen im Sinne dieses Absatzes sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen.

(4) Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen; die Vorlage richtet sich nach § 97. Im Falle einer Außenprüfung sind die Aufzeichnungen ohne gesondertes Verlangen vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.

(5) Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der nach den Absätzen 3 und 4 zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.417,46 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts, der dem Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für die Gewerbesteuerschulden der H.-GmbH gewährt hat.

Der Antragsteller war Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der H.-GmbH, eines Transportunternehmens mit Sitz im Gemeindegebiet des Antragsgegners. Mit Bescheiden vom 13. Oktober 2006 setzte der Antragsgegner für die H.-GmbH Gewerbesteuererhöhungen für die Veranlagungsjahre 2000, 2001 und 2002 fest (ursprüngliche Fälligkeit: 16.11.2006). Das Finanzamt S. bewilligte mit Schreiben vom 18. Oktober 2006 antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung für die Gewerbesteuermessbeträge der genannten Veranlagungsjahre. Mit Schreiben vom 8. November 2006 verfügte der Antragsgegner ebenfalls die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheid vom 25. März 2008 setzte der Antragsgegner für die H.-GmbH eine Gewerbesteuererhöhung für das Veranlagungsjahr 2004 fest (ursprüngliche Fälligkeit: 28.4.2008). Das Finanzamt S. bewilligte mit Schreiben vom 11. April 2008 für einen Teilbetrag des Gewerbesteuermessbetrags die Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 20. Mai 2008 verfügte der Antragsgegner insoweit ebenfalls die Aussetzung der Vollziehung.

Mit Schreiben vom 16. März 2011 beendete das Finanzamt S. die Aussetzung der Vollziehung für die Veranlagungsjahre 2000, 2001, 2002 und 2004 mit Wirkung ab 17. März 2011. In der Folge hob der Antragsgegner mit Schreiben vom 25. August 2011 die Aussetzung der Vollziehung auf; die Wirkung der Aufhebung datierte er auf den 17. März 2011. Die Fälligkeit der Zinsbeträge wurde auf den 28. September 2011 festgesetzt. Zum 17. März 2011 bestanden offene Gewerbesteuerforderungen und Nebenforderungen in Höhe von 12.182,86 € (ohne Mahngebühren und Säumniszuschläge). Der Antragsgegner mahnte die Erfüllung der streitgegenständlichen Forderungen gegenüber der H.-GmbH an; eine Zahlung erfolgte nicht.

Das Amtsgericht S. lehnte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der H.-GmbH mit Beschlüssen vom 27. Dezember 2012 mangels Masse ab. Gemäß der Handelsregisterveröffentlichung vom 26. Februar 2013 wurde die H.-GmbH von Amts wegen aufgelöst.

Nach vorheriger Anhörung nahm der Antragsgegner den Antragsteller mit Haftungsbescheid vom 21. August 2013 in Höhe von insgesamt 15.019,86 € als Haftungsschuldner für die Gewerbesteuerrückstände der H.-GmbH für die Veranlagungsjahre 2000, 2001, 2002 und 2004 in Anspruch. Der genannte Betrag umfasst neben den Gewerbesteuerforderungen und den Zinsen auch Säumniszuschläge von 2.812,00 €. In den Bescheidsgründen wurde ausgeführt, der Antragsteller hafte als Geschäftsführer der H.-GmbH nach § 34, § 69 AO für die nicht beglichenen Steuerforderungen. Der Antragsteller hätte im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit dafür sorgen müssen, dass bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld ausreichend Mittel der GmbH bereitgestanden hätten, um sämtliche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt zu begleichen.

Mit Schreiben vom 10. September 2013 ließ der Antragsteller beim Antragsgegner Widerspruch erheben und die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Der Antragsgegner beschloss mit Gemeinderatsbeschluss vom 31. Oktober 2013, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen und den Widerspruch dem Landratsamt S. zur Entscheidung vorzulegen. Gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 25. November 2013 „Einspruch“ ein, den der Antragsgegner mit Schreiben vom 27. Februar 2014 zurückwies. Im Widerspruchsverfahren legte der Antragsteller mit Schreiben vom 2. März 2015 Bilanzunterlagen vor. Er bestritt, dass zu den Festsetzungszeitpunkten der Gewerbesteuererhöhungen in den Jahren 2006 und 2008 Vermögenswerte im Unternehmen vorhanden gewesen seien, aus denen ein sorgfältiger Kaufmann hätte Rücklagen bilden können.

Das Landratsamt wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24. September 2015 zurück. Eine Rücklagenbildungspflicht habe spätestens mit der Festsetzung der Gewerbesteuererhöhungen durch die Bescheide vom 13. Oktober 2006 und 25. März 2008 bestanden. Der Antragsteller hätte dafür Sorge tragen müssen, dass die Steuerforderungen bei späterem Eintritt der Fälligkeit nach Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung entrichtet würden. Die Nichtbefolgung der Rücklagenbildungspflicht könne eine Dauerpflichtverletzung begründen, die über den tatsächlichen Fälligkeitstermin hinaus bis zum endgültigen Schadenseintritt anhalten könne. Die Verletzung der Vermögensvorsorgepflicht sei auch schuldhaft. Nach den eigenen Angaben des Antragstellers sei davon auszugehen, dass bei Entstehung der Steuerschulden ausreichende Mittel im Unternehmen vorhanden gewesen seien. Die Rücklagen - soweit tatsächlich vorhanden - seien verfrüht aufgelöst und pflichtwidrig für die Begleichung anderer Verbindlichkeiten verwendet worden. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen könnten die rechtliche Beurteilung nicht ändern.

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 29. September 2015 wurde das Konto des Antragstellers mit einer Pfändung in Höhe von 17.669,86 € belastet.

Das Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 30. Oktober 2015 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (W 2 K 15.978) gegen den Haftungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids an und verpflichtete den Antragsgegner, bis zu einer Hauptsacheentscheidung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss keine Rechte herzuleiten. Zur Begründung verwies es auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, weil der Antragsgegner nicht hinreichend festgestellt habe, dass zum Zeitpunkt der Festsetzung der Gewerbesteuererhöhungen eine Rücklagenbildung noch möglich war. Dem Gericht seien trotz schriftlicher Aufforderungen die Akten des Widerspruchsverfahrens nicht vorgelegt worden.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er macht Verfahrensfehler des Gerichts sowie eine unzutreffende Beweislastverteilung geltend. Der Antragsteller behaupte selbst nicht, dass anfänglich keine ausreichenden Vermögenswerte für die Bildung von Rücklagen zur Verfügung gestanden hätten. Auch sei zunächst kein Insolvenzantrag gestellt worden. Das Insolvenzgutachten attestiere der GmbH eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit erst für das Jahr 2011. Daraus könne der Rückschluss gezogen werden, dass eine solche in den Jahren 2006 und 2008 nicht bestanden habe.

Der Antragsteller tritt dem Vorbringen des Antragsgegners entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. Oktober 2015, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Sätze 6 und 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (W 2 K 15.978) gegen den Haftungsbescheid des Antragsgegners vom 21. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. September 2015 angeordnet und den Antragsgegner verpflichtet, bis zu einer Entscheidung der Hauptsache aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 29. September 2015 keine Rechte herzuleiten. Das Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren und das weitere Geschehen nach Erlass des erstinstanzlichen Eilbeschlusses, insbesondere die nachträglich vorgelegten Widerspruchsakten, führen zu keiner anderen Beurteilung. Es verbleibt bei der zutreffenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids bestehen, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1, § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht konnte zu Recht keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Antragstellers feststellen, die seine ermessensgerechte Inanspruchnahme im Wege des Haftungsbescheids rechtfertigen könnte (vgl. § 191 Abs. 1 Satz 1, § 34, § 69 AO). Dies gilt unabhängig davon, auf welchen Anknüpfungspunkt bzw. welche Pflichtverletzung die Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner gestützt werden soll.

a) Der Antragsgegner knüpft im Haftungsbescheid vom 21. August 2013 zunächst an eine angebliche Pflichtverletzung betreffend die Steuerentrichtungspflicht der GmbH nach § 34 Abs. 1 AO an (vgl. auch das Anhörungsschreiben vom 2.7.2013). Eine diesbezügliche Haftung des Geschäftsführers setzt die Feststellung des Antragsgegners voraus, dass die Gesellschaft ungeachtet sonstiger Verbindlichkeiten bei Fälligkeit der Steuerschulden oder später über hinreichende Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten verfügte (vgl. BayVGH, B. v. 26.6.2000 - 4 CS 00.379 - juris Rn. 13). Eine solche Feststellung hat hier weder in hinreichender Weise der Antragsgegner getroffen noch ergibt sie sich aus dem Akteninhalt. Die Gewerbesteuererhöhungen für die Veranlagungsjahre 2000, 2001, 2002 und 2004 wurden zwar mit Bescheiden vom 13. Oktober 2006 und vom 25. März 2008 festgesetzt, anschließend aber außer Vollzug gesetzt. Ihre Fälligkeit trat erst mit Beendigung der Aussetzung der Vollziehung durch die Aufhebungsverfügung des Antragsgegners vom 25. August 2011 ein. Ausweislich des auszugsweise in den Akten befindlichen, vom Antragsgegner nicht in Zweifel gezogenen Gutachtens des Insolvenzverwalters war die H.-GmbH aber bereits im Juli 2011 zahlungsfähig. Die Steuerentrichtungspflicht als solche scheidet daher als Anknüpfungspunkt für die Pflichtverletzung aus; sie wurde auch im Widerspruchsbescheid vom 24. September 2015 nicht mehr aufgegriffen.

b) Den Schwerpunkt der Ausführungen im Haftungsbescheid und den alleinigen Anknüpfungspunkt für den Widerspruchsbescheid bildet der dem Antragsteller vorgeworfene Verstoß gegen die Vermögensvorsorgepflicht. Auch insoweit hat es der - hierzu primär berufene - Antragsgegner jedoch nicht vermocht, eine schuldhafte Pflichtverletzung substantiiert darzulegen. Es ist derzeit nicht hinreichend geklärt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die H.-GmbH zum maßgeblichen Zeitpunkt bzw. im maßgeblichen Zeitraum zur Rücklagenbildung in der Lage war. Eine nähere Aufklärung der Umstände muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Wenn die Beschwerde dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang Verfahrensfehler in Bezug auf die Sachaufklärung vorwirft, verkennt sie zum einen, dass es maßgeblich auf den behördlichen Haftungsbescheid ankommt, und zum anderen, dass im vorläufigen Rechtsschutzverfahren im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Entscheidung nur präsente Beweismittel Berücksichtigung finden (vgl. BayVGH, B. v. 5.6.2015 - 4 CS 15.602 - juris Rn. 3).

aa) Die Pflicht zur Bildung von Rücklagen ist Bestandteil der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Steuern bzw. die steuerlichen Nebenleistungen entrichtet werden (vgl. hierzu und zum Folgenden OVG NRW, B. v. 28.10.2013 - 14 B 535/13 - juris Rn. 9 ff.; BFH, U. v. 11.3.2004 - VII R 19/02 - BFHE 205, 335/339 ff.). Rücklagen sind auch dann zu bilden, wenn Steuerforderungen entstanden, aber streitbefangen sind. Diesbezügliche Pflichtverletzungen sind in der Regel grob fahrlässig. Sind allerdings keine verwalteten Mittel (mehr) vorhanden, trifft den gesetzlichen Vertreter der juristischen Person auch nicht die Pflicht, die Steuern bzw. steuerlichen Nebenleistungen zu entrichten. Das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheids hat grundsätzlich der Steuergläubiger zu belegen. Dem potentiellen Haftungsschuldner kommt hierbei nach § 90 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Satz 1 AO eine Mitwirkungs- und Auskunftspflicht zu, deren Verletzung zu einer Beweismaßverringerung führen kann. Die objektive Beweis- bzw. Feststellungslast für das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Rücklagenbildung trägt jedoch der Steuergläubiger, hier also der Antragsgegner.

bb) Hieran gemessen bestehen nach summarischer Prüfung bisher keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Antragstellers. Maßgeblicher zeitlicher Bezugspunkt ist nicht der jeweilige Entstehungszeitpunkt der Gewerbesteuer mit Ablauf der Veranlagungsjahre 2000, 2001 etc. (vgl. § 18 GewStG), sondern die Festsetzung der Gewerbesteuererhöhungen mit Bescheiden vom 13. Oktober 2006 und 25. März 2008. Die zwischenzeitliche Aussetzung der Vollziehung, die bis ins Jahr 2011 andauerte, änderte an der Pflicht zur Rücklagenbildung nichts. Dass in den Jahren 2006/2008 bis 2011 eine Rücklagenbildung noch möglich war, hat der Antragsgegner im Haftungsbescheid bzw. im Verwaltungsverfahren jedoch nicht hinreichend festgestellt. Im Widerspruchsverfahren hat der Antragsteller mit Schreiben vom 2. März 2015 in Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht die Bilanzen der GmbH betreffend die Jahre 2006 bis 2009 vorgelegt und hierzu vorgetragen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum keine Vermögenswerte zur Rücklagenbildung im Unternehmen vorhanden gewesen seien. Im Kontennachweis zur Bilanz zum 31. Dezember 2006 sind (Gewerbe-)Steuerrückstellungen sowie sonstige Rückstellungen enthalten, deren Höhe sich in den folgenden Geschäftsjahren verändert hat. Die Gewerbesteuerrückstellungen wurden offenbar aufgelöst, während die sonstigen Rückstellungen signifikant erhöht wurden. Um welche Rückstellungen es sich dabei handelt bzw. für welche Verwendungszwecke sie gebildet wurden, lässt sich den Unterlagen nicht entnehmen.

Mit den vorgelegten Nachweisen zur Geschäftsentwicklung hat sich weder die Widerspruchsbehörde hinreichend auseinandergesetzt noch der anwaltlich vertretene Antragsgegner selbst, obwohl er hierzu mehrfach Gelegenheit und - nicht zuletzt durch Akteneinsicht im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens - auch Zugang zu den entsprechenden Unterlagen hatte. Konkrete Feststellungen, die den Vortrag des Antragstellers hätten widerlegen können, wurden nicht getroffen. Auch eine Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Geschäftslage des Unternehmens erfolgte nicht. Die Ausführungen der Widerspruchsbehörde erschöpfen sich in der Mutmaßung, dass Rücklagen entweder nicht ordnungsgemäß gebildet oder verfrüht aufgelöst und pflichtwidrig für die Begleichung anderer Verbindlichkeiten verwendet worden seien. Warum bzw. zur Begleichung welcher Forderungen die Rückstellungen für die Gewerbesteuer aufgelöst wurden und was es mit den übrigen Rückstellungen auf sich hat, wurde nicht näher hinterfragt. Es ist daher derzeit nicht hinreichend aufgeklärt, ob überhaupt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Antragstellers vorliegt, geschweige denn, auf welche konkrete Haftungssumme sie sich beziehen könnte.

Die Feststellungslast des Antragsgegners entfällt schließlich nicht deshalb, weil der Antragsteller im Fall der Zahlungsunfähigkeit der Steuerschuldnerin einen Insolvenzantrag hätte stellen müssen und fehlende Aufzeichnungen eine Beweisführung unmöglich machen würden (vgl. BayVGH, B. v. 28.7.2000 - 4 ZB 00.1416 - juris Rn. 4). Zwar wurde - nach Zahlungsunfähigkeit der GmbH im Juli 2011 - die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse erst Ende 2012 abgelehnt. Die aus den genannten Umständen zu gewinnende Vermutung, die Steuerschuldnerin habe zuvor noch über ausreichende Mittel verfügt, ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Haftungsschuldner das Fehlen von Mitteln lediglich behauptet, ohne dies näher darzulegen. So liegt es hier angesichts der Erfüllung der Mitwirkungspflicht seitens des Antragstellers gerade nicht.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beträgt der Streitwert in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Ziffer 2 des Gewerbesteuerhaftungsbescheids der Antragsgegnerin vom 25. September 2017 wird hinsichtlich der Haftung für die Gewerbesteuerrückstände der ... Energy GmbH aus 2014 (46.354,00 Euro) angeordnet und hinsichtlich der Haftung für die Säumniszuschläge (2.317,50 Euro) wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bis zu einer Entscheidung der Hauptsache aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 24. August 2017 und vom 21. September 2017 keine Rechte herzuleiten.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 12.168,63 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Gewerbesteuerhaftungsbescheid der Antragsgegnerin vom 25. September 2017, mit dem er zur Haftung von Gewerbesteuerrückständen der ... Energy GmbH aus dem Jahre 2014 nebst Säumniszuschlägen i.H.v. insgesamt 48.674,50 Euro zur Haftung herangezogen worden ist.

1. Gesellschaftsrechtliche Verhältnisse

Die ... Energy GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 16. November 1999 unter ihrer ehemaligen Firma „... Management GmbH“ gegründet und am 2. Dezember 1999 im Handelsregister beim Amtsgericht ... unter HR ... eingetragen (Stammeinlage: 25.000,- Euro, Sitz zuletzt: ......). Die Gesellschaft befasste sich im Wesentlichen mit der Projektierung und dem Handel von Solaranlagen.

Aufgrund notariellen Geschäftsanteilsabtretungsvertrags vom 22. Februar 2012 erlangte der Antragsteller sämtliche Geschäftsanteile der ... Energy GmbH und wurde gleichzeitig zum alleinigen Geschäftsführer bestellt; der vereinbarte Kaufpreis betrug 500,- Euro. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am ... März 2012.

In der Gesellschafterversammlung vom 15. August 2013 wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, der Antragsteller als Geschäftsführer abberufen und gleichzeitig zum Liquidator bestellt (Eintragung im HR ...8.2013).

Am 18. August 2014 stellte der Antragsteller für die ... Energy GmbH Eigeninsolvenzantrag beim Insolvenzgericht München, der mit Zahlungsunfähigkeit begründet wurde.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28. August 2014 (Az.: 1542 IN 2680/14) wurde ein Sachverständigengutachten über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Auftrag gegeben.

In seinem Gutachten vom 8. Oktober 2014 empfahl der mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Sachverständige, den Insolvenzantrag mangels Masse abzuweisen. Zu den betrieblichen Verhältnissen der ... Energy GmbH stellte das Gutachten fest, dass der Geschäftsbetrieb der ... Energy GmbH spätestens im Herbst 2013 eingestellt worden sei, der letzte Arbeitnehmer sei zum 30. September 2013 ausgeschieden. Das Mietverhältnis über die Geschäftsräume sei durch Kündigung der GmbH zum 31. Dezember 2012 beendet worden, in Bezug auf dessen Abwicklung sei aber noch ein Rechtsstreit vor dem Landgericht München II (Az.: 2 O 5000/2012) mit der ehemaligen Vermieterin anhängig.

Bzgl. der Bilanzen verwies das Gutachten auf die Jahresabschlüsse, aus denen sich für die Jahre 2010 bis 2012 folgende Verluste ersehen ließen: 2010 - 14.890,40 Euro, 2011 - 550.999,98 Euro, 2012 - 207.811,04 Euro.

Die Liquidationseröffnungsbilanz zum 14./15. August 2013 weise einen Verlust i.H.v. 37.018,49 Euro aus. Die Bilanz zum 14. August 2014 weise einen Gewinn i.H.v. 622.901,95 Euro aus.

Zu den Jahresabschlüssen führte der Sachverständige folgende Besonderheiten aus: Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag habe in der Bilanz vom 14./15. August 2013 noch 667.699,13 Euro betragen, während dieser Betrag in der Bilanz zum 14. August 2014 sich nur noch auf 54.798,18 Euro belaufen habe und dort gleichzeitig der Jahresüberschuss von 622.901,95 Euro ausgewiesen worden sei; der Steuerberater der GmbH habe mitgeteilt, dass dieser Jahresüberschuss dadurch entstanden sei, dass Rückstellungen für Gewährleistungen aufgelöst worden seien.

Ferner sei die ... Energy GmbH zur Zahlung einer Forderung der ... Solartechnik Vertriebs GmbH i.H.v. 20.526,38 Euro verurteilt worden (Landgericht München I, Urteil vom 22. Juli 2013 – 15 HKO 6066/13), aufgrund dessen am 3. Februar 2014 der ... Energy GmbH ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt worden sei; spätestens seit diesem Zeitpunkt dürfte nach Ansicht des Sachverständigen Zahlungsunfähigkeit vorgelegen haben.

Auf die Einzelheiten des Insolvenzgutachtens, insbesondere die Ausführungen zum Insolvenzstatus wird verwiesen.

Unter anderem wies der Gutachter auch auf mögliche strafrechtlich relevante Sachverhalte (Insolvenzverschleppung durch den Antragsteller) hin.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 3. November 2014 (Az.: 1542 IN 2680/14) wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen (vgl. Eintragung im HR am 26.11.2014). Die Löschung nach § 394 FamFG wurde am 12. Mai 2016 im Handelsregister eingetragen.

2. Strafverfahren gegen den Antragsteller

Mit Strafbefehl vom 31. Juli 2015 wurde der Antragsteller der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 1, Abs. 4 InsO beschuldigt und gegen ihn wurde eine Geldstrafe i.H.v. 80 Tagessätzen zu zuletzt 90,- Euro (Beschluss des Strafrichters vom 2.11.2015) verhängt; die Entscheidung wurde am 27. Oktober 2015 rechtskräftig (Az.: Cs 61 Js 4064/15). Bereits zum Zeitpunkt des Liquidationsbeschlusses am 15. August 2013, spätestens jedoch mit Rechtskraft des Urteils über die Forderung der ... Solartechnik Vertriebs GmbH am 29. Oktober 2013 sei dem Antragsteller die Zahlungsunfähigkeit der ... Energy GmbH bekannt gewesen, er habe es jedoch pflichtwidrig unterlassen, binnen der gesetzlichen Frist von drei Wochen, also bis zum 5. September 2013, einen Eigeninsolvenzantrag zu stellen.

3. Steuerliche Veranlagung der ... Energy GmbH

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2015 setzte das Finanzamt ... den Gewerbesteuermessbetrag gegenüber der ... Energy GmbH in Liquidation (i.L.) für das Jahr 2014 auf 13.244,- Euro fest (Gewinn aus Gewerbebetrieb: 622.916,- Euro davon anrechenbar festgestellter Gewerbeverlust des Vorjahres: - 244.442,- Euro gemäß gesondertem Bescheid vom 9.12.2015).

In Vollzug des Messbetragsbescheids setzte die Antraggegnerin daraufhin mit Gewerbesteuerbescheid vom 11. Dezember 2015 gegenüber der ... Energy GmbH – z. Hd. des Antragstellers als Liquidator – die Gewerbesteuer für das Veranlagungsjahr 2014 auf 46.354,- Euro fest.

Eine Zahlung seitens der GmbH i.L. erfolgte auch auf Mahnung vom 22. Juni 2016 nicht.

4. Haftungsverfahren

Mit Schreiben vom 1. Juni 2016 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller Gelegenheit, sich zu einer beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme als Geschäftsführer der ... Energy GmbH bis zum 16. Juni 2016 zu äußern; eine vom Antragsteller beantragte Verlängerung der Äußerungsfrist gewährte die Antragsgegnerin nicht.

Vielmehr erließ sie am 16. Juni 2016 einen (ersten) Haftungsbescheid, mit dem sie den Antragsteller als gesetzlichen Vertreter der früheren Firma ... Energy GmbH mit seinem gesamten Vermögen für die Rückstände aus der Gewerbesteuer 2014 zzgl. Nebenforderungen i.H.v. 48.674,50 Euro in Anspruch nahm. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen zum Erlass eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO seien erfüllt.

Gegen diesen ersten Haftungsbescheid ließ der Antragsteller Widerspruch einlegen, den die Antragsgegnerin dem Landratsamt ... zur Entscheidung zuleitete; unter dem 4. September 2016 wies das Landratsamt die Antragsgegnerin auf das Fehlen jeglicher Ermessensausübung in diesem ersten Haftungsbescheid hin. Daraufhin erließ die die Antragsgegnerin unter dem 8. September 2017 erneut einen (zweiten) Haftungsbescheid, in dessen Begründung nunmehr Ausführungen zum Ermessen nach § 191 Abs. 1 AO erfolgten, dem jedoch wohl keine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt war (Bl. 132 der Akten der Antragsgegnerin).

Auf der Grundlage dieser ersten beiden Haftungsbescheide leitete die Antragsgegnerin die Vollstreckung der Haftungsforderung beim Antragsteller ein (Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ggü. der ... Rentenversicherung vom 24.8.2017 sowie ggü. der ...bank ... e.G. und der Bausparkasse ... AG jeweils vom 21.9.2017).

Mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 25. September 2017 hob die Antragsgegnerin ihre Haftungsbescheide vom 16. Juni 2016 und 8. September 2017 auf (Ziff. 1 des Bescheids), nahm den Antragsteller gleichzeitig aber erneut als gesetzlichen Vertreter der früheren Firma ... Energy GmbH mit seinem gesamten Vermögen für die Rückstände der Gewerbesteuer 2014 zzgl. Nebenforderungen i.H.v. insgesamt 48.674,50 Euro (Gewerbesteuer 2014, fällig zum 16.1.2016: 46.354,00 Euro; Säumniszuschläge: 2.317,50 Euro; Rücklastschriftgebühren der Bank: 3,00 Euro) zzgl. weiter anfallender Säumniszuschläge in Haftung (Ziff. 2 des Bescheids). Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziff. 2 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 3).

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Erlass eines Haftungsbescheids nach § 191 Abs. 1 AO stehe im Ermessen der Antragsgegnerin. Die Städte und Gemeinden seien zu wirtschaftlichen und sparsamen Bewirtschaftung ihrer Mittel gesetzlich verpflichtet. Im Rahmen des Haushaltsausgleichs stünden den zu erwartenden Einnahmen Ausgaben gegenüber, die bei Nichtentrichtung der Steuern auf andere Weise finanziert werden müssten. Deshalb liege es im öffentlichen Interesse, die Steuern vollständig einzuziehen. Weiterhin würde es dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, nur einen Teil der Steuerpflichtigen tatsächlich zur Zahlung der Gewerbesteuer heranzuziehen.

Auf die bestandskräftig festgesetzte Gewerbesteuer sei bis dato nicht geleistet worden. Als Geschäftsführer, späterer Liquidator und gesetzlicher Vertreter der ... Energy GmbH habe der Antragsteller seine Pflichten vorsätzlich verletzt, wie sich aus dem Schuldspruch des Amtsgerichts München (Az.: Cs 61 Js 4064/15) ergebe.

Es müsse davon ausgegangen werden, dass die mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 21. September 2017 festgesetzten Guthaben des Antragstellers sofort abgezogen würden, sollte die Anordnung des Sofortvollzugs aufgehoben werden; der Antragsteller habe am Telefon von 42.000,- Euro gesprochen, über die er verfügen müsse, weil sie für die Anschaffung einer Küche und die Tilgung eines Kredits vorgesehen seien.

5. Widerspruchsverfahren

Mit Schriftsatz seiner nunmehr bestellten Verfahrensbevollmächtigten vom 2. Oktober 2017 hat der Antragsteller gegen den Haftungsbescheid vom 25. September 2017 Widerspruch einlegen lassen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass offensichtlich keinerlei kausaler Zusammenhang zwischen einer etwaigen vom Antragsteller begangenen Insolvenzverschleppung und der Unfähigkeit der ... Energy GmbH, die für den Veranlagungszeitraum 2014 festgesetzten Gewerbesteuerschulden zu zahlen, bestehe. Die Haftungsvoraussetzungen seien insoweit von der Antragsgegnerin nicht ansatzweise geprüft worden. Auf die weitere Begründung des Widerspruchs wird verwiesen.

Gleichzeitig wurde Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne. Auch hinsichtlich des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung könne eine andere Entscheidung nicht getroffen werden, da weiterhin davon auszugehen sei, dass die mit Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 21. September 2017 festgesetzten Guthaben sonst sofort abgezogen würden.

Unter dem 20. Oktober 2017 legte die Antragsgegnerin den Widerspruch dem Landratsamt ... zur Entscheidung vor; über dem Widerspruch ist bislang nicht entschieden.

6. Gerichtliches Eilverfahren

Mit Telefax vom 16. Oktober 2017 haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Nr. 2 des Haftungsbescheids der Antragsgegnerin vom 25. September 2017 anzuordnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die ... Energy GmbH habe schon bei der Übernahme durch den Antragsteller bereits über kaum eigene Mittel verfügt, wodurch sich auch der geringe Kaufpreis von 500,- Euro für die Geschäftsanteile im Nennwert von 25.000,- Euro erkläre. Die ... Energy GmbH habe zum 31. Dezember 2012 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i.H.v. 640.680,64 Euro ausgewiesen. Maßgebliche Passivkosten hätten dabei die sonstigen Rückstellungen für Gewährleistungsverbindlichkeiten i.H.v. 500.000,- Euro gebildet. Steuerlich seien die aufgelaufenen Verlustvorträge i.H.v. 507.547,- Euro aufgrund der Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile jedoch nach § 8c Körperschaftsteuergesetz (KStG) nicht mehr verwertbar gewesen. Nach der Übernahme der Geschäftsanteile hätte der Antragsteller geplant, dass die GmbH als Vertriebsgesellschaft für eine dritte Gesellschaft im Rahmen des sogenannten Apollon-Projekts der EU tätig werden sollte, dies habe sich aber zerschlagen. Erträge seien von der GmbH ab Mitte 2012 praktisch nicht mehr erwirtschaftet worden, so dass der Antragsteller zum 14. August 2013 die Auflösung beschlossen habe. Die Liquidations-Eröffnungsbilanz habe dabei weiterhin einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i.H.v. 677.699,13 Euro ausgewiesen. Im Geschäftsjahr 2013/2014 sei dann die vorbezeichnete Rückstellung aufzulösen gewesen, was zu einer Reduzierung des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags zum 14. August 2014 auf 54.782,61 Euro geführt habe, ohne dass allerdings ein entsprechender Zufluss erfolgt sei. Handelsbilanziell habe dieser Zufluss zwar nicht gereicht, um die Verlustvorträge bzw. den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag vollständig auszugleichen; da jedoch ein wesentlicher Teil der Verlustvorträge nach § 8c KStG nicht mehr habe verwendet werden können, habe dies zu dem Gewerbesteuermessbescheid vom 19. Dezember 2015 für 2014 geführt. Rund 1,5 Jahre vor Erlass dieses Bescheids habe der Antragsteller aber bereits Insolvenzantrag gestellt. Schon zu diesem Zeitpunkt habe der vom Insolvenzgericht beauftragte Gutachter empfohlen, den Insolvenzantrag mangels Masse abzuweisen. Grund für die Insolvenzantragstellung sei nicht die Gewerbesteuerschuld, sondern ein Rechtstreit mit dem Vermieter der Geschäftsräume der ... Energy gewesen. Im Zusammenhang mit dem Insolvenzantragsverfahren sei gegen den Antragsteller der Strafbefehl vom 31. Juli 2015 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung ergangen, der sich darauf stütze, dass die Gesellschaft seit Mitte 2012 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen und spätestens seit 29. Oktober 2013 zahlungsunfähig gewesen sei. Die – vermögenslose – GmbH sei nicht in der Lage gewesen, die Gewerbesteuerschuld zu bedienen, die sich infolge der Auflösung der Rückstellung für Gewährleistungen für den Veranlagungszeitraum 2014 als steuerlicher Bilanzgewinn ergeben habe. Der Haftungsbescheid sei ergangen, nachdem die GmbH bereits aus dem Handelsregister gelöscht gewesen sei.

Die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids ergebe sich bereits daraus, dass die ... Energy GmbH im Zeitpunkt des Erlasses des „ersten“ Haftungsbescheids bereits aus dem Handelsregister gelöscht und untergegangen sei, so dass eine - akzessorische – Inanspruchnahme per Haftungsbescheid nicht mehr in Betracht gekommen wäre.

Ungeachtet dessen setze die Haftung voraus, dass die GmbH infolge einer Verletzung der steuerlichen Pflichten des Antragstellers nicht zur Begleichung der Gewerbesteuerschuld in der Lage gewesen sei; an dieser Kausalität fehle es vorliegend jedoch ganz offensichtlich. Die Antragsgegnerin nehme offenbar an, dass die erforderliche Kausalität allein dadurch belegt sei, dass der Antragsteller einen Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung akzeptiert habe; ein solcher Schluss sei aber gerade nicht möglich (BFH, U.v. 2.2.1988 – VII R 80/86 - mit weiteren Nachweisen). Es komme vielmehr darauf an, ob die GmbH bei pflichtgemäßem Verhalten des Antragstellers überhaupt in der Lage gewesen wäre, die Gewerbesteuerschuld zu erfüllen. Die GmbH habe aber bereits im Jahr 2013 nicht ansatzweise über hinreichende Mittel verfügt, um die hier gegenständliche Gewerbesteuerschuld zu begleichen. Dies sei letztlich schon seit der Übernahme der Geschäftsführung durch den Antragsteller 2002 der Fall gewesen. Die Gewerbesteuerschuld, die der Haftungsinanspruchnahme zugrunde liege, sei jedoch erst mit Auflösung der Rückstellungen 2014 entstanden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die GmbH bereits schon länger nicht mehr über hinreichende Mittel verfügt habe. Daraus folge, dass die GmbH auch bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung die Gewerbesteuerschuld nicht hätte erfüllen können und die angebliche Pflichtverletzung des Antragstellers nicht kausal für den entstandenen Steuerschaden gewesen sei. Diese Wertung dränge sich geradezu auf, wenn man die Ausführungen in dem Strafbefehl unterstelle, dass spätestens nach der Beschlussfassung über die Liquidation keine positive Fortführungsprognose mehr bestanden habe, so dass bereits seit dem 14. August 2013 Insolvenzantragspflicht bestanden hätte. So hätte danach spätestens am 29. Oktober 2013 Zahlungsunfähigkeit bei der GmbH vorgelegen. Die Steuerschuld wäre mithin bei der Antragsgegnerin auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Antragstellers ausgefallen.

Ergänzend und vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Gewerbesteuerschuld aus einem reinen Buchgewinn aus Auflösung einer Rückstellung entstanden sei, der keinerlei Vermögenszufluss gegenüber gestanden habe, zumal damit nicht einmal der durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag der ... Energy GmbH ausgeglichen worden sei. Der Umstand, der letztlich zur Gewerbesteuerschuld geführt habe, sei das Zusammenspiel zwischen diesem Buchgewinn und der verlustig gegangenen Möglichkeit zur Nutzung der Verlustvorträge nach § 8c KStG wegen der Veräußerung von 100% der Geschäftsanteile im Jahr 2012 an den Antragsteller. Zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller die Gesellschaft praktisch als „leere Gesellschaft“ erworben habe; Erträge seien nach der Übernahme nicht mehr erzielt worden. Durch die wegen § 8c KStG verlustig gegangene Möglichkeit zur Verrechnung des Buchgewinns sei eine Art „versteckte Steuerbelastung“ entstanden, ohne dass damit eine vom Antragsteller zu verantwortende geschäftliche Tätigkeit verbunden gewesen wäre. Dies alles sei im Rahmen der Ermessensausübung der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden.

Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2017 hat der nunmehr von der Antragsgegnerin bestellte Verfahrensbevollmächtigte beantragt,

den Antrag kostenpflichtig abzulehnen.

Zur Begründung wird unter dem 3. November 2017 geltend gemacht, der Antragsteller habe seine Pflichten als Geschäftsführer der ... Energy GmbH schuldhaft verletzt; dies sei nicht nur aus dem Strafbefehl zu folgern, vielmehr wären bei pflichtgemäßem Handeln des Antragstellers, insbesondere bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags und bei rechtzeitiger Auflösung der Gewährleistungsrückstellungen, keine weiteren Verluste der Gesellschaft von mehr als 240.000,- Euro aufgelaufen und hätten die Steuerforderungen der Antragsgegnerin ohne weiteres bedient werden können. Der Strafbefehl weise nach, dass der Antragsteller den Insolvenzantrag vorsätzlich wesentlich zu spät gestellt habe.

Zum Sachverhalt sei ergänzend festzustellen, dass laut Bescheiden des Finanzamts ... zum 31. Dezember 2011 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust von 515.293,- Euro und ein körperschaftsteuerlicher Verlustvortrag von 507.547,- Euro bestanden habe; der Unternehmenskauf zum 1. Januar 2012 sei jedoch steuerschädlich (§ 8c KStG) gewesen, so dass diese Verluste nicht mehr zu berücksichtigen gewesen und entsprechend finanzamtlich auf null festgesetzt worden seien. Mit Bescheiden vom 10. November 2015 seien der steuerliche Verlust 2012 bzw. der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31. Dezember 2012 auf 207.424,- Euro festgesetzt worden. Im Jahr 2014 habe die GmbH einen Gewinn von 622.916,- Euro erzielt, der auf die Auflösung von Rückstellungen für Gewährleistungen zurückzuführen gewesen sei. Mit Bescheiden vom 9. Dezember 2015 sei der auf den 31. Dezember 2013 mit 244.442,- Euro festgestellte und vorgetragene Gewerbeverlust als Verlustabzug im Jahr 2014 berücksichtigt worden, woraus sich für 2014 ein Gewerbeertrag i.H.v. 378.400,- Euro ergeben habe. Der auf der Basis des entsprechenden Gewerbesteuermessbetrags über 13.244,- Euro von der Antragsgegnerin erlassene Gewerbesteuerbescheid sei bestandskräftig. Zahlungen seien nicht geleistet worden.

Rechtlich habe der Antragsteller als gesetzlich Verantwortlicher durch die Nichtleistung der rechtskräftig festgesetzten Gewerbesteuer und steuerlichen Nebenleistungen eine Pflichtverletzung begangen, durch die das Vermögen der Antragsgegnerin geschädigt worden sei. Dies sei auch schuldhaft erfolgt. Dem Antragsteller sei die schlechte Liquiditätslage der Gesellschaft seit Kauf des Unternehmens zum 1. Januar 2012 bekannt gewesen: ihm sei auch bekannt gewesen, dass die Auflösung von Rücklagen zu einem Unternehmensgewinn und folglich zu Steuerforderungen führen würde. Entgegen der Gepflogenheiten und trotz des ausdrücklichen Hinweises des beurkundenden Notars sei im Rahmen des Unternehmenskaufvertrags auf Betreiben der Parteien auf nähere Vereinbarungen zur Beschaffenheit des Unternehmens, zur Gewährleistung usw. abgesehen worden. Damit hätten die Parteien es vermieden, relevante Unternehmensdaten vorzulegen, anhand derer die wirtschaftliche und bilanzrechtliche Situation der GmbH nachvollziehbar beurteilbar gewesen wäre. Ungeachtet dessen räume der Antragsteller ein, dass der geringe Kaufpreis für die Gesellschaft aus deren schlechter Fortführungsprognose hergerührt habe. In der Gesamtschau mit den erheblichen Verlustvorträgen erwecke dies den Eindruck, dass die Gesellschaft bereits damals keine positive Fortführungsprognose habe aufweisen können und die Beendigung der Gesellschaft von Vornherein beabsichtigt gewesen sei. Sehe man dies in der Gesamtschau mit dem im Laufe des Jahres 2012 neu erwirtschafteten Gewerbeverlusten i.H.v. 207.424,- Euro, so könne zudem der Eindruck gewonnen werden, dass in der Gesellschaft entsprechendes Vermögen vorhanden gewesen sei, aus dem diese Verluste hätten getragen werden können. Zum 31. Dezember 2013 habe zudem ein Gewerbeverlust 2013 i.H.v. 37.018,- Euro, mithin ein vortragsfähiger Verlust i.H.v. 244.442,- Euro bestanden. Diese Verluste hätten aber offenbar nicht zu entsprechenden Verbindlichkeiten geführt, die in der Insolvenzaufstellung als solche auszuweisen gewesen wären, seien also aus dem Vermögen der Gesellschaft getragen worden. Das Vermögen könne daher zum 1. Januar 2012 nicht lediglich im Nominalwert der Stammeinlage und Erinnerungsposten bestanden haben. Das Insolvenzgutachten führe dementsprechend auch aus, dass 2012 noch ein Umsatz von 170.320,- Euro erzielt worden sei, 2011 i.H.v. rund 1,5 Millionen und im Jahr 2010 gar von rund 11 Millionen Euro. Auch hieraus sei zu erkennen, dass die Abwicklung der Gesellschaft von vornherein beabsichtigt gewesen sei. Dies decke sich auch mit der Begründung des Strafbefehls sowie mit den vorstehend dargelegten Gewerbeverlusten aus 2010 bis 2013 sowie mit den Feststellungen des Insolvenzgutachtens zu den in diesen Jahren erzielten Umsätzen. Es sei damit nachgewiesen, dass der Antragsteller trotz der bereits 2011 bestehenden und bekannten wirtschaftlichen Schwierigkeiten und trotz des vollständigen Einstellens des Geschäftsbetriebs spätestens Mitte 2012 dennoch Verbindlichkeiten habe auflaufen lassen, die innerhalb der beiden Jahre 2012 und 2013 zu einem weiteren Verlust i.H.v. 244.442,- Euro geführt hätten. Dennoch habe der Antragsteller die Gesellschaft erst mit Beschluss vom 15. August 2013 aufgelöst und am 16. August 2014 Insolvenzantrag gestellt und damit gegen seine Pflichten als Geschäftsführer schuldhaft und in strafrechtlich vorwerfbarer Weise verstoßen. Bezweckt werde durch die Insolvenzantragspflicht die rechtzeitige Einleitung des Verfahrens und damit der Schutz der Altgläubiger vor weiterer Verringerung der Haftungsmasse sowie der Neugläubiger vor Vertragsabschluss mit notleidenden Gesellschaften. Der Verweis auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Strafbefehls sei hier auch nicht pauschal, sondern unter Hinweis auf die bereits 2012 bestehende Insolvenzreife der Gesellschaft und dem die Gläubiger, hier insbesondere die Antragsgegnerin, benachteiligende verspätete Antragstellung erfolgt.

Es sei auch keine umfassende Akzessorietät der Haftungsschuld gegenüber der Steuerschuld im Sinne einer Ausfallhaftung gegeben, so dass die Durchsetzung der Steuerforderung auch nicht erst erfolglos gegenüber der Steuerschuldnerin, also der GmbH, hätte versucht werden müssen, ehedem die Haftung beim Antragsteller eingetreten wäre. Er könne daher nicht erfolgversprechend einwenden, die Steuerforderung sei mit Beendigung der Liquidation untergegangen.

Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens habe im Übrigen noch das Eigenkapital der Gesellschaft i.H.v. 25.000,- Euro zur Verfügung gestanden, das zur Befriedigung der Antragsgegnerin hätte verwendet werden können und müssen. Mitnichten sei eine Inanspruchnahme des Antragstellers ausgeschlossen, weil die Steuerschuld untergegangen sei.

Bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung hätte der Antragsteller den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits Mitte 2012 stellen müssen und damit eine geordnete Liquidation der Gesellschaft ermöglicht. Bei diesem pflichtgemäßen Handeln wäre die Forderung gegenüber der Antragsgegnerin zeitlich früher entstanden und befriedigt worden; die Gewerbesteuerforderung wäre nicht ausgefallen.

Die Pflicht für die Entrichtung der Steuer aus dem Vermögen des Steuerschuldners entstehe nicht erst mit deren Fälligkeit; bereits vor Fälligkeit habe er die Mittel so zu verwalten, dass er zur pünktlichen Zahlung der später entstehenden Steuerschulden in der Lage sei. Der Antragsteller habe seine Pflichten insbesondere auch dadurch verletzt, dass er sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger schuldhaft außer Stande gesetzt habe, künftig fällig werdende Steuern zu tilgen, deren künftige Entstehung – durch die zwingende Auflösung der Gewährleistungsrücklagen – ihm bekannt gewesen sei. Faktum sei, dass der Geschäftsbetrieb Mitte 2012 eingestellt worden und nur noch Restaufträge abgewickelt worden seien. Insolvenzrechtlich sei unerheblich, an welchen Projekten sich die ... Energy GmbH habe wirtschaftlich beteiligen wollen, da unsichere Projekte nicht als Aktiva zu führen seien. Gegen die Gesellschaft gerichtete Forderungen der Vermieter wären als streitige Forderungen zu passivieren gewesen, ebenso Forderungen von Geschäftspartnern in dem Zeitpunkt, in dem sie geltend gemacht worden seien. Mit Insolvenzantragstellung und/oder Liquidierung der Gesellschaft Mitte 2012 hätte einerseits vermieden werden können, dass weitere Verbindlichkeiten auflaufen und andererseits, dass einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigt worden seien. Das Insolvenzgutachten weise aus, dass die Gesellschaft „kleinere Forderungen“ befriedigt habe, das Mietverhältnis zum 31. Dezember 2012 beendet worden sei und Monatsmieten i.H.v. mehr als 7.500,- Euro bis dahin offenbar bezahlt worden seien sowie ein Mitarbeiter bis September 2013 beschäftigt worden sei. Die GmbH habe ausweislich der generierten Verluste und der selbst eingeräumten Zahlungen an Drittgläubiger einzelne Gläubiger wie hier die Antragsgegnerin bewusst benachteiligt.

Von entscheidender Bedeutung sei in diesem Zusammenhang auch die Auflösung der Gewährleistungsrücklagen, die entgegen der handelsrechtlichen und steuerlichen Verpflichtungen aufrechterhalten worden seien. Für die bis zum Tage der Bilanzaufstellung bekannt gewordenen einzelnen Garantiefälle seien Einzelrückstellungen zu bilden; seien keine solch konkretisierten Fälle bekannt, könnten auch Pauschalrückstellungen gebildet werden, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Kaufmann aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit Garantieinanspruchnahmen rechnen müsse oder sich dies aus der branchenmäßigen Erfahrung ergebe. Sei der Grund für die Gewährleistungsverpflichtung entfallen, müsse die Rückstellung sowohl nach Handelsrecht als auch nach Steuerrecht aufgelöst werden. Im Rahmen des vorliegenden Unternehmenskaufvertrags hätten die Parteien trotz Hinweises des Notars auf nähere Vereinbarungen zur Gewährleistung usw. abgesehen und es vermieden, nähere Angaben zu Gewährleistungsfällen zu machen. Der massive Umsatzrückgang seit 2010 sei auf einen Rückgang der Aufträge zurückzuführen, so dass auch das Risiko auf Inanspruchnahme von Gewährleistungsansprüchen entsprechend zurückgegangen sei, mit der Folge, dass auch die Gewährleistungsrücklagen ab 2012 erheblich aufzulösen gewesen wären, auch zumal ab Mitte 2012 nur noch Restarbeiten abgewickelt worden seien. Dies bestätige auch der Insolvenzbericht, der keinerlei Gewährleistungs- oder Garantiefälle verzeichne. Wäre der Antragsteller der Verpflichtung zur sukzessiven Auflösung der Rücklagen nachgekommen, wären die Buchgewinne bereits in den Jahren 2012 und 2013 angefallen. Hätte der Antragsteller zudem seine Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung bereits 2012 erfüllt, wären nicht die oben aufgeführten Verluste i.H.v. 207.424,- Euro zusätzlich aufgelaufen und nicht einzelne Gläubiger vorrangig befriedigt worden. Die Gesellschaft hätte damit ohne Weiteres die Steuerverbindlichkeiten i.H.v. 46.354,00 Euro aus dem vorhandenen liquiden Vermögen und dem 2012 erzielten Umsatz von 170.320,41 Euro bedienen können. Der Antragsteller versuche, den Sachverhalt so darzustellen, als habe die Auflösung der Rücklagen erst 2014 im Rahmen des Insolvenzverfahrens erfolgen können, dies sei jedoch unrichtig. Damit falle auch die Argumentation des Antragstellers in sich zusammen, die GmbH hätte die Steuerschuld aufgrund des Insolvenzverfahrens ohnehin nicht leisten können. Bei pflichtgemäßer Auflösung der Gewährleistungsrückstellungen hätte es wohl nicht einmal zu einem Insolvenzverfahren kommen müssen. Jedenfalls wäre bei pflichtgemäßer Auflösung der Gewährleistungsrücklagen und Insolvenzantragstellung die Liquidation der Steuerschulden aus dem Vermögen der Gesellschaft ohne Weiteres möglich gewesen, weil der Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt noch Vermögen zur Verfügung gestanden habe und sie Umsätze erzielt habe. Damit werde auch die Argumentation des Antragstellers obsolet, die Gewerbesteuerschuld sei durch einen reinen Buchgewinn entstanden, vielmehr sei damals ein tatsächlicher Vermögenszufluss zu verzeichnen gewesen. Der Antragsteller habe in zumindest grob fahrlässiger Weise durch das pflichtwidrige Aufrechterhalten der Gewährleistungsrücklagen – ohne dahinter stehende Garantie- oder Gewährleistungsfälle – bei gleichzeitig vorsätzlich wesentlich verspätet beantragtem Insolvenzverfahren, aber in Kenntnis der (ex ante Anfang 2012: voraussichtlichen) Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eine Steuerforderung vorsätzlich gleichsam zu spät zur Entstehung gebracht und ihre Erfüllung, die bei pflichtgemäßem Handeln möglich gewesen wäre, vereitelt. Die Haftungsvoraussetzungen seien daher gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Ziff. 2 des Haftungsbescheids der Antragsgegnerin vom 25. September 2017 ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag ist zulässig.

Die grundsätzlich mit Widerspruch und Anfechtungsklage verbundene aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) tritt kraft Gesetzes nicht ein, wenn durch einen Verwaltungsakt öffentliche Abgaben und Kosten angefordert werden (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Widerspruch und Klage gegen einen Haftungsbescheid nach § 191 AO haben insoweit keine aufschiebende Wirkung, als ein Widerspruch oder eine Klage gegen die Abgabe, für die gehaftet werden soll, keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Dies ist bei kommunalen Steuern (§§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 AO) und den dazugehörigen Nebenleistungen nach § 37 Abs. 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 4 AO grundsätzlich der Fall.

Eine Ausnahme besteht aber hinsichtlich der Festsetzung von Säumniszuschlägen. Hier entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, denn Säumniszuschläge sind keine Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, sondern ein dem Zwangsgeld verwandtes Druckmittel eigener Art. Entsprechendes gilt, wenn Säumniszuschläge im Rahmen eines Haftungsbescheids geltend gemacht werden. Auch hier kommt dem Widerspruch hinsichtlich der Säumniszuschläge bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu (BayVGH, B.v. 21.12.1998 - 4 ZS 98.2811 – juris; VG München, B.v. 26.8.2008 - M 10 S. 08.2507 - juris; v. 24.3.2014 – M 10 S. 13.5972 - juris).

Vorliegend hat die Antragsgegnerin allerdings in Ziff. 3 ihres Bescheids vom 25. September 2017 die sofortige Vollziehbarkeit der Haftungsverfügung in Ziff. 2 des Bescheids angeordnet.

Hinsichtlich der Haftung für die Gewerbesteuerrückstände der ... Energy GmbH (46.354,00 Euro) geht diese Vollzugsanordnung mit Blick auf die bereits gesetzlich angeordnete Vollziehbarkeit ins Leere; hinsichtlich der Haftung für die Säumniszuschläge (2.317,50 Euro) entfaltete sie jedoch Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, so dass auch insoweit ein Rechtschutzbedürfnis für den insoweit so verstandenen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO besteht.

Auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO liegen vor, da ein Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung von der Antragsgegnerin abgelehnt wurde und sie darüber hinaus bereits die Vollstreckung betreibt.

2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in den Fällen einer nach § 80 Abs. 2 VwGO gesetzlich vorgesehenen oder behördlich angeordneten Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen bzw. wiederherstellen, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.

Dies ist bei der Anforderung öffentlicher Abgaben in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte; das Gericht trifft insoweit eine originäre Ermessensentscheidung.

Zweifel im genannten Sinne bestehen, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher als ein Unterliegen ist. Die hiernach erforderliche Prognose über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren kann nur mit den Mitteln des Eilverfahrens getroffen werden. Demnach sind in erster Linie die vom Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebrachten Einwände zu berücksichtigen, andere Fehler der Heranziehung hingegen nur, wenn sie sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen. Allerdings können im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weder schwierige Rechtsfragen abschließend entschieden noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden.

Vorliegend bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 25. September 2017, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt.

Die Antragsgegnerin stützt ihren Haftungsbescheid der Sache nach auf § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO.

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige durch einen Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Auf der Grundlage von § 69 Satz 1 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, soweit in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten eine Steuer nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt wird. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO).

Das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheids hat grundsätzlich der Steuergläubiger zu belegen. Dem potentiellen Haftungsschuldner kommt hierbei nach §§ 90 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AO eine Mitwirkungs- und Auskunftspflicht zu, deren Verletzung zu einer Beweismaßverringerung führen kann (BayVGH, B.v. vom 22.3.2016 - 4 CS 15.2488 – juris).

Nach der zu treffenden kursorischen Prüfung vermögen hier nach Auffassung des Gerichts weder die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Begründung des Haftungsbescheids vom 25. September 2017 noch die Ergänzungen ihres Verfahrensbevollmächtigten in der Antragserwiderung vom 3. November 2017 eine Haftung des Antragstellers nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 Abs. 1 AO zu rechtfertigen.

§ 69 S. 1 AO stellt fünf Tatbestandsvoraussetzungen auf: Der Haftende muss dem Personenkreis der §§ 34, 35 AO angehören, er muss eine Pflichtverletzung begangen haben, die Pflichtverletzung muss zu einem Haftungsschaden geführt haben und für den Eintritt des Schadens ursächlich sein; schließlich muss der Haftende schuldhaft gehandelt haben.

Der Haftungsschaden besteht darin, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind; Kausalität ist gegeben, wenn der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Der Vertreter verletzt seine Pflichten schuldhaft, wenn er Steuerschulden schlechter behandelt als andere Verbindlichkeiten; sind allerdings keine verwalteten Mittel (mehr) vorhanden, ist er auch nicht verpflichtet, die Steuerschulden vorrangig zu befriedigen, vielmehr hat er im Zeitpunkt der Fälligkeit die vorhandenen Mittel lediglich anteilig zur Befriedigung des Steuergläubigers und der übrigen Gläubiger einzusetzen (vgl. i.E. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 149. Lieferung Juli 2017, § 69 AO, Rn. 6 bis 35 m.w.N).

a. Der Antragsteller war seit dem 2. März 2012 als alleiniger Geschäftsführer der ... Energy GmbH und nach Auflösung der Gesellschaft (Gesellschafterbeschluss vom 15.8.2013, HR-Eintrag vom ...8.2013) bis zu ihrer Löschung aufgrund insolvenzgerichtlichen Beschlusses vom 3. November 2014 - Az.: ... - (HR-Eintrag vom ...6.2016) als alleiniger Liquidator der GmbH i.L. im Handelsregister eingetragen und somit gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§§ 6, 35 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 1 GmbHG).

Als solchem oblag es ihm nach § 34 Abs. 1 AO, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden. Ferner oblag es ihm, schon im Vorfeld auf bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung Rücksicht zu nehmen und sich nicht (schuldhaft) außer Stande zu setzten, diese im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen (vgl. BFH, U.v. 26.4.1984 – V R 128/79 – juris).

b. Die Antragsgegnerin begründet ihren Haftungsbescheid dahingehend, der Antragsteller habe als Geschäftsführer, späterer Liquidator und gesetzlicher Vertreter der ... Energy GmbH seine Pflichten vorsätzlich verletzt, wie sich aus dem Schuldspruch des Amtsgerichts München über die Insolvenzverschleppung ergebe; einen Schaden sieht sie in der Nichterfüllung der bestandskräftig festgesetzte Gewerbesteuerforderung.

Ferner wirft sie dem Antragsteller vor, es pflichtwidrig unterlassen zu haben, die Gewährleistungsrückstellungen bereits ab Mitte 2012 sukzessive aufzulösen, wodurch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig hätten festgesetzt werden können.

aa. Soweit die Antragsgegnerin mit Hinweis auf den Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 31. Juli 2015 - Cs 61 Js 4064/15 - davon ausgeht, dass der Antragsteller eine Pflichtverletzung begangen hat, indem er nicht binnen drei Wochen nach Eintritt und Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der ... Energy GmbH spätestens zum Zeitpunkt ihrer rechtskräftigen Verurteilung zur Zahlung von 14.199,92 Euro nebst Zinsen (insges. 20.526,38 Euro) an die ... Solartechnik Vertriebs GmbH aufgrund Urteil des Landgerichts München I vom 22. Juli 2013 – 15 HKO 6066/13 -, also spätestens am 5. September 2013, Eigeninsolvenzantrag gestellt hat, trifft dies grundsätzlich zu und wird letztlich vom Antragsteller auch nicht bestritten.

Unstreitig ist ferner auch, dass die mit Gewerbesteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2015 für das Veranlagungsjahr 2014 gegenüber der ... Energy GmbH i.L. auf 46.354,00 Euro festgesetzte Steuerforderung bei Fälligkeit am 14. Januar 2016 nicht beglichen worden ist.

Es ist allerdings von der Antragsgegnerin in ihrem Haftungsbescheid nicht ansatzweise dargelegt worden und auch nicht ersichtlich, inwiefern der spätestens seit dem 5. September 2013 „verschleppte“ Insolvenzantrag vom 18. August 2014 für den Steuerausfall bei der Antragsgegnerin in Kausalzusammenhang stehen sollte.

Die Haftung des gesetzlichen Vertreters setzt die Feststellung voraus, dass die Gesellschaft ungeachtet sonstiger Verbindlichkeiten bei Fälligkeit der Steuerschulden oder später über hinreichende Mittel zu deren Begleichung verfügte; dies wird grundsätzlich bis zu einer Insolvenzantragstellung vermutet (vgl. BayVGH, B. v. 26.6.2000 - 4 CS 00.379 - juris; VG München, U.v. 5.5.2011 – M 10 K 10.1412 – juris).

Aus dem Insolvenzgutachten vom 8. Oktober 2014 und dem Strafbefehl vom 31. Juli 2015 ergibt sich aber gerade, dass die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der ... Energy GmbH i.L. tatsächlich (spätestens) schon aufgrund des landgerichtlichen Zahlungsurteils im Verfahren gegen die ... Solartechnik Vertriebs GmbH am 22. Juli 2013 und der daraus betriebenen Zwangsvollstreckung (Pfändung vom 3. Februar 2014) anzunehmen war. Die Vermutung der Liquidität der GmbH war also bereits in diesem Zeitpunkt erschüttert und spätestens mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 3. November 2014 - 1542 IN 2680/14 –, mit dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde widerlegt.

Jedenfalls bei Fälligkeit der der Haftung zu Grunde liegenden Steuerforderung am 14. Januar 2016 lag unbestritten Mittellosigkeit bei der ... Energy GmbH i.L. vor, so dass die Nichtzahlung dem Antragsteller haftungsrechtlich nicht vorwerfbar ist.

bb. Auch der Vorwurf der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe es pflichtwidrig unterlassen, die Gewährleistungsrückstellungen - die sich laut Kontennachweis zur Bilanz zum 31. Dezember 2012 auf 500.000,00 Euro und im Vorjahr auf 510.827,80 Euro beliefen - bereits ab Mitte 2012 sukzessive aufzulösen, so dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig hätten festgesetzt werden können, führt nach summarischer Beurteilung nicht zu einer Haftung.

Insoweit ist es der Antragsgegnerin schon nicht gelungen, eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Antragsteller substantiiert darzulegen.

Die kaufmännische Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen beruht auf § 249 HGB. Hierbei handelt es sich um Passivposten mit dem Zweck, Aufwendungen, deren Existenz oder Höhe am Abschlussstichtag noch nicht sicher sind und die erst später zu einer Auszahlung führen, der Periode der Verursachung zuzurechnen (vgl. § 266 Abs. 3 Buchst. B HGB). Sie sind aus dem Betriebsvermögen des Unternehmens ausgegliedert und werden dem Fremdkapital zugerechnet (Baumbach/Hopt/Merkt HGB § 249 Rn. 1, beck-online) Gem. § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HGB sind auch Rückstellungen für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtungen erbracht werden und denen sich der Kaufmann aus geschäftlichen Erwägungen nicht entziehen kann (Kulanzleistungen), zu bilden. Es sind somit nicht nur rechtliche Verpflichtungen, sondern auch faktische Verpflichtungen zu passivieren. Die Passivierungspflicht endet im Zeitpunkt des Wegfalls des Rückstellungsgrundes (§ 249 Abs. 2 S. 2 HGB).

Garantierückstellungen, mit denen das Risiko künftiger Erlösschmälerungen durch kostenlose Nacharbeiten oder durch Ersatzlieferungen oder aus Minderungen oder Schadensersatzleistungen wegen Nichterfüllung aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Gewährleistung erfasst werden sollen, können - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - als Einzelrückstellung für die bis zum Tage der Bilanzaufstellung bekanntgewordenen einzelnen Garantiefälle oder als Pauschalrückstellung gebildet werden (BFH, U.v. 30.6.1983 - IV R 41/81 - juris).

Rückstellungen sind nach § 253 Abs. 1 HGB in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags anzusetzen.

Abzugrenzen sind sie von Rücklagen im Sinne von Reserven, bei Kapitalgesellschaften in der Form von Eigenkapital (vgl. § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB)

Nach diesen Maßgaben ist vorliegend derzeit nicht hinreichend geklärt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die ... Energy GmbH bzw. der Antragsteller als ihr Geschäftsführer nach (handels-/steuer-)bilanziellen Regeln zur Bildung von Gewährleistungsrückstellungen verpflichtet war und wann und wie deren Auflösung mit Blick auf § 249 Abs. 2 S. 2 HGB zu erfolgen hatte.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass die Beurteilung der Notwendigkeit von Rückstellungen und deren Umfang auf Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns und unter Berücksichtigung der betriebsindividuellen und branchenüblichen Erfahrungen zu erfolgen hat. Dass der Antragsteller hiergegen verstoßen hat, wird jedoch unter Hinweis auf fehlende Ausführungen zu Garantiefällen in dem Insolvenzgutachten vom 8. Oktober 2014 letztendlich lediglich gemutmaßt. Die Gewährleistungsrückstellungen beliefen sich laut Kontennachweis zur Bilanz zum 31. Dezember 2012 auf 500.000,00 Euro und im Vorjahr auf 510.827,80 Euro. Angesichts der Umsätze der GmbH von über 11 Millionen Euro noch in 2010 erscheinen Gewährleistungsrückstellungen in dieser Höhe und deren Fortbestand in 2012 aus Sicht des Gerichts nicht von Vornherein überzogen. Eine nähere Aufklärung der Umstände hierzu muss - soweit erforderlich - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Aber selbst wenn – wie die Antragsgegnerin vortragen lässt - die Rückstellungen bereits Mitte 2012 hätten aufgelöst werden müssen und sich daraus nach (ggf. gem. § 8c Abs. 1 KStG eingeschränktem) Verlustabzug ein Gewerbeertrag ergeben hätte und infolgedessen eine Gewerbesteuer mit Ablauf des Jahres 2012 als Erhebungszeitraum entstanden wäre (§§ 14 Satz 2, 18 GewStG), die dann ggf. „rechtzeitig“ hätte festgesetzt werden können, ist bereits hier festzuhalten, dass die Auflösung der Rückstellungen mit Blick auf den Schuldenstand der ... Energy GmbH wohl auch schon in 2012 lediglich zu Buchgewinnen – ohne „reale“ Ertragszuflüsse - geführt hätte; der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag belief sich nach der Bilanz zum 31. Dezember 2012 auf 640.680,64 Euro. Insoweit ist die Argumentation des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, mit der Auflösung der Rückstellungen bereits 2012 hätte eine Insolvenz der ... Energy GmbH möglicherweise sogar vermieden werden können, nicht nachvollziehbar; es handelte sich gerade nicht um Rücklagen.

Die Antragsgegnerin trägt - wie ausgeführt - die objektive Beweisbzw. Feststellungslast für das Vorhandensein ausreichender (tatsächlicher) Mittel im Haftungszeitraum, aus denen die Steuerschulden der ... Energy GmbH - ggf. zumindest anteilig - hätten getilgt werden können (vgl. in Bezug auf die Verpflichtung zur Rücklagenbildung speziell auch BayVGH, B.v. 22.3.2016 - 4 CS 15.2488 - juris). Ihr Vortrag erschöpft sich insoweit jedoch weitgehend in Spekulation.

Vor diesem Hintergrund kommt auch eine Haftung für die Säumniszuschläge gem. § 69 Satz 2 AO nach summarischer Prüfung nicht in Betracht.

3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beträgt der Streitwert in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 4 VwGO ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war neben einem weiteren Mitgesellschafter bis zum 30. November 2006 Geschäftsführer der … GmbH (GmbH). Danach wurde Frau X zur alleinigen Geschäftsführerin berufen. Auf deren Antrag wurde mit Beschluss vom … Juni 2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

2

Da die GmbH zum Fälligkeitszeitpunkt, dem 28. Februar 2005, die Umsatzsteuerjahreserklärung 2003 nicht abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer 2003 mit Bescheid vom 22. Juni 2005 auf 2.958,41 €.

3

Aus den fristgerecht eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für das 1. bis 3. Quartal 2006 ergaben sich jeweils Guthaben (4.075,96 €, 5.268,71 €, 76.706,81 €), die das FA mit rückständigen Steuern der GmbH, u.a. Umsatzsteuer 2004 und Lohnsteuer Februar 2006, verrechnete.

4

Aufgrund einer bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung setzte das FA die Umsatzsteuer 2003 mit Änderungsbescheid vom 12. Juni 2007 auf 36.822 € fest. Nach Abzug des bereits getilgten Schätzungsbetrags von 2.958,97 € verblieb eine ab 16. Juli 2007 fällige Umsatzsteuer 2003 in Höhe von 33.863,03 €. Dieser Betrag ist in der zur Insolvenztabelle festgestellten Summe der vom FA angemeldeten Abgabenverbindlichkeiten enthalten.

5

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2007 nahm das FA den Kläger --neben seinem Mitgeschäftsführer und der später berufenen Geschäftsführerin-- gemäß § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung (AO) in Höhe von 80 % der rückständigen Umsatzsteuer 2003 in Haftung. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren, das zunächst zu einer Verböserung führte, erging im Klageverfahren ein erneuter Änderungsbescheid, mit dem die Haftungssumme auf 27.496,62 € (80 % von 33.863,03 € nebst Säumniszuschlägen --SZ-- in Höhe von 406,20 € --80% von 1/2 der angefallenen SZ--) festgesetzt wurde.

6

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und den Haftungsbescheid aufgehoben. Der Kläger habe zwar den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 69 i.V.m. § 34 AO dadurch verwirklicht, dass er grob fahrlässig nicht für die fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2003 der GmbH zum 28. Februar 2005 sowie für die Entrichtung des sich daraus ergebenden Steuerbetrags zum Zeitpunkt seiner fiktiven Fälligkeit zum 28. März 2005 gesorgt habe. Wörtlich führt das FG aus: "Bei sachgerechter Vorgehensweise des Beklagten bei der Vornahme von Verrechnungen i.S. von § 225 AO wäre aber die streitgegenständliche, fiktiv bereits am 28. März 2005 fällige Umsatzsteuerschuld in Höhe von 27 090,42 EUR spätestens mit dem Eingang der Umsatzsteuervoranmeldung für das 3. Quartal 2006 beim Beklagten am 10. Oktober 2006 und der anteiligen Umbuchung des daraus resultierenden Erstattungsbetrags in Höhe von 76 706,81 EUR, also noch innerhalb des hier relevanten Haftungszeitraums (28. Februar 2005 bis 30. November 2006) vollständig getilgt gewesen. Denn der Beklagte hätte in diesem Fall das Erstattungsguthaben gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 225 Abs. 2 AO z.B. nicht - wie hinsichtlich eines Teilbetrags geschehen - auf die rückständige Umsatzsteuer 2004, sondern vorrangig auf die (ältere) Umsatzsteuerschuld 2003 verrechnen müssen. Auf eine solche gesetzeskonforme Vorgehensweise des Beklagten durfte der Kläger vertrauen (...). Dieser Umstand führt dazu, dass die Haftung des Klägers für die Umsatzsteuer 2003 zu verneinen ist, denn es ist aufgrund der Handhabung von Verrechnungsanträgen zwischen dem Beklagten und der GmbH in den Jahren 2003 ff. davon auszugehen, dass die GmbH bei pflichtgemäß pünktlicher Abgabe einer inhaltlich zutreffenden Umsatzsteuererklärung 2003 (...), also noch innerhalb des hier relevanten Haftungszeitraums, beim Beklagten einen Antrag auf Verrechnung der Guthaben aus den Umsatzsteuervoranmeldungen 1. bis 3. Quartal 2006 mit der (fiktiv) rückständigen Umsatzsteuer 2003 gestellt hätte und dieser vom Beklagten positiv beschieden worden wäre (...)."

7

Das FA rügt die Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung sei rechtswidrig, da ihr die Annahme eines zweifachen hypothetischen Geschehensablaufs zugrunde liege. Zum einen unterstelle das FG die Abgabe einer inhaltlich zutreffenden und fristgerechten Umsatzsteuererklärung für 2003, zum anderen, dass der Kläger spätestens am 30. November 2006 einen Verrechnungsantrag mit Guthaben aus den Umsatzsteuervoranmeldungen 2006 gestellt hätte. Mit dieser Argumentation wäre jeder Haftungsinanspruchnahme nach § 69 AO der Boden entzogen, da dann jedem Haftungsschuldner --hypothetisch-- ein pflichtgemäßes Verhalten zu unterstellen wäre.

8

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

10

Er verteidigt das FG-Urteil unter Hinweis darauf, dass nach den Feststellungen des FG tatsächlich genügend Guthaben zur Verrechnung und Tilgung aller Steuerschulden der GmbH zur Verfügung gestanden und auch der vom FG prognostizierte Verrechnungsantrag später gestellt worden sei. Ergänzend beruft er sich auf einen Umsatzsteuer-Vergütungsanspruch für das 4. Quartal 2006, bei dessen vorrangiger Verrechnung ebenfalls die Steuerschuld aus 2003 getilgt worden wäre.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist begründet. Das FG-Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (--FGO--). Da die Entscheidung auch nicht im Ergebnis zutreffend ist (§ 126 Abs. 4 FGO), ist das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

1. Nach den vom Kläger nicht in Frage gestellten Feststellungen des FG hat er durch nicht fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2003 und demzufolge nicht fristgerechter Entrichtung des sich daraus ergebenden Steuerbetrags den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 69 i.V.m. § 34 AO verwirklicht. Es kann nicht zweifelhaft sein und bedarf daher keiner näheren Begründung, dass der eingetretene Steuerschaden durch die Pflichtverletzungen des Klägers verursacht worden ist.

13

2. Der Senat kann der Urteilsbegründung nicht klar entnehmen, woran das FG den Haftungsanspruch scheitern lässt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger auf eine "gesetzeskonforme Vorgehensweise" des FA bezüglich einer Verrechnung der Steuerschuld 2003 mit Vergütungsansprüchen aus 2006 "vertrauen durfte", obwohl er die Abgabe der Steuererklärung 2003 --nach der vom FG getroffenen Feststellung-- pflichtwidrig unterlassen und damit die zutreffende (gegenüber der Schätzung des FA weit höhere) Festsetzung der Umsatzsteuer 2003 verhindert hat.

14

Selbst wenn diese Ausführungen dahin interpretiert werden könnten, das FG habe bei der Prüfung der Kausalität der Pflichtverletzung ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Klägers in Betracht gezogen, ließe sich damit seine Entscheidung nicht begründen. Ungeachtet der Frage, ob der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens dem Haftungsanspruch überhaupt entgegengehalten werden kann, wäre im Streitfall bei pflichtgemäßer Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2003, der Steuerschaden nicht in gleicher Weise, sondern gerade nicht eingetreten. Es bestehen daher keine Zweifel an der Kausalität.

15

Im Hinblick auf die vom FG zitierten Senatsentscheidungen (vgl. nur Senatsurteil vom 2. August 1988 VII R 60/85, BFH/NV 1989, 150) ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Entscheidung die --irrige-- Rechtsauffassung zugrunde lag, der Haftungsanspruch entfalle, wenn das FA den eingetretenen Steuerschaden durch eigenes pflichtwidriges Verhalten --im Streitfall durch die vermeintlich unzutreffende Verrechnung des Steuerguthabens 2006-- (mit-)verschuldet hat.

16

Zum einen hat sich das FA nicht pflichtwidrig verhalten, als es den Erstattungsanspruch aus 2006 mit bereits fälligen Steuerschulden aus 2004 und 2006 verrechnet hat. Denn anders als das FG meint, hätte der Vergütungsbetrag aus der Umsatzsteuervoranmeldung für das 3. Quartal 2006 nicht in Anwendung der in § 225 Abs. 2 AO vorgegebenen Verrechnungsreihenfolge mit der "fiktiv fälligen" Umsatzsteuerschuld 2003 --ihre Aufrechenbarkeit i.S. des § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sei hier dahingestellt-- verrechnet werden müssen. Die in § 225 Abs. 2 AO angeordnete Tilgungsreihenfolge gilt nur für freiwillige Zahlungen des Steuerschuldners. Gegen welche Ansprüche die Aufrechnung erklärt wird, entscheidet gemäß § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 396 Abs. 1 BGB der Aufrechnende, hier also das FA (vgl. Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 225 Rz 8 und § 226 Rz 6). Demnach war das FA nicht gehindert, gegen die Erstattungsansprüche der GmbH aus 2006 mit bereits festgesetzten und fälligen --und damit aufrechenbaren-- Steuerforderungen aus 2004 und 2006 aufzurechnen.

17

Zum anderen sei angemerkt, dass es --selbst im Fall eines unterstellten Fehlverhaltens des FA-- an einer Rechtsgrundlage dafür fehlt, den Haftungsanspruch wegen Mitverschuldens der Verwaltung ganz oder teilweise entfallen zu lassen; allenfalls kann ein etwaiges Mitverschulden des FA im Rahmen der Ermessensprüfung Berücksichtigung finden und dies nur dann, wenn es gegenüber dem Verschulden des Haftungsschuldners deutlich überwiegt (Senatsbeschluss vom 21. September 2009 VII B 85/09, BFH/NV 2010, 11, m.w.N.). Zu diesen Grundsätzen verhält sich das Urteil nicht.

18

3. Mit den Ausführungen des Klägers zur vermeintlich gebotenen Verrechnung mit einem angeblichen Vergütungsanspruch aus dem Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum 4. Quartal 2006 macht er geltend, die Primärschuld sei geringer als vom FA geltend gemacht. Das angebliche Guthaben aus der Voranmeldung besteht aber nicht, weil das FA der Steueranmeldung nicht zugestimmt hat (§ 168 Satz 2 AO).

19

4. Da sonstige Mängel des angefochtenen Haftungsbescheids vom Kläger nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich sind, erweist sich die Aufhebung des Haftungsbescheids als rechtsfehlerhaft mit der Folge, dass das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.

20

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Finanzamts wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 6. November 2014  13 K 1065/13 dahingehend geändert, dass die Klage auch hinsichtlich der Voranmeldungs-Zeiträume September und Oktober 2011 abgewiesen wird.

Soweit das Finanzamt die Revision zurückgenommen hat, wird das Revisionsverfahren eingestellt.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen das Finanzamt und die Kläger je zur Hälfte.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens bis zum 2. April 2015 tragen das Finanzamt 40 % und die Kläger 60 %, ab diesem Zeitpunkt tragen die Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren im Jahr 2011 jeweils Geschäftsführer einer GmbH, die im selben Jahr Komplementärin und Geschäftsführerin einer inzwischen nach Insolvenz aufgelösten GmbH & Co. KG (KG) war. Für den Voranmeldungszeitraum Juli 2011 war die KG aufgrund einer Dauerfristverlängerung nach § 18 Abs. 1 und 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung bis zum 10. September 2011 verpflichtet. Mit fristgerecht eingegangener Umsatzsteuervoranmeldung Juli 2011 meldete sie eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von 10.079,09 € an. Sie beglich diesen Betrag zunächst durch mehrere Teilzahlungen am 11., 14. und 21. Oktober 2011. Im Rahmen einer im Jahr 2011 bei der KG durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung für die Monate November 2010 bis August 2011 wurden Abweichungen zwischen angemeldeten Umsatzsteuerbeträgen, Vorsteuer sowie Bauleistungen gemäß § 13b UStG und der Buchführung festgestellt, die aus Vereinfachungsgründen im Voranmeldungszeitraum August 2011 erfasst worden sind. Die Feststellungen führten zu Mehrsteuern in Höhe von 6.490,61 €. Inzwischen ist unstreitig, dass ein zunächst dem Voranmeldungszeitraum August 2011 zugeordneter Betrag von 504,26 € in die Monate Februar bis Mai 2011 fällt. Insgesamt wird für den Voranmeldungszeitraum August 2011 nunmehr ein Betrag von 16.755,90 € geschuldet, den die KG zunächst mit Zahlungen vom 21. Oktober und 17. November 2011 beglichen hat. Für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 bestehen aufgrund fristgerechter Umsatzsteuervoranmeldungen Steuerschulden in Höhe von 11.335,44 € bzw. 13.908,38 €. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 3. Januar 2012 wurde aufgrund des am selben Tag gestellten Insolvenzantrags ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen der KG bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am … Februar 2012 eröffnet.

2

In der Folgezeit erklärte der vom Insolvenzgericht bestellte Insolvenzverwalter die Anfechtung nach den §§ 129 und 130 der Insolvenzordnung (InsO) für Zahlungen der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin zahlte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die vereinnahmte Umsatzsteuer der Voranmeldungszeiträume Juli und August 2011 nebst Nebenleistungen --insgesamt 27.418,25 €-- dem Insolvenzverwalter zurück. Mit der Begründung, die Kläger hätten ihre Pflicht als Geschäftsführer verletzt, vom 11. Oktober 2011 bis zum 2. Januar 2012 für die KG fällige Steuern zu entrichten, erließ das FA auf § 69 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 34 AO gestützte Haftungsbescheide. Unter Ansatz von Steuerschulden in Höhe von 63.059,14 € sowie einer unstreitigen Haftungsquote von 40,64 % errechnete das FA eine Haftungsschuld von insgesamt 25.627,23 €, die es im erstinstanzlichen Verfahren auf 25.422 € herabsetzte. Die nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klagen hatten teilweise Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) urteilte, die verbundenen Klagen seien unbegründet, soweit die Kläger hinsichtlich des Voranmeldungszeitraums Juli 2011 jeweils für einen Betrag in Höhe von 4.543 € in Anspruch genommen worden seien. Beide Kläger seien Geschäftsführer und gesetzliche Vertreter der GmbH gewesen, die wiederum als Komplementärin die gesetzliche Vertreterin der KG gewesen sei. Ihre Pflichten hätten sie zumindest grob fahrlässig dadurch verletzt, dass sie trotz der schon seinerzeit bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten die für den Monat Juli 2011 angemeldete Umsatzsteuer in Höhe der Tilgungsquote nicht entrichtet hätten. Der Betrag sei erst im Oktober 2011 in mehreren Raten gezahlt worden. Die Pflichtverletzung sei auch ursächlich für den durch die Anfechtung und Rückzahlung der Beträge entstandenen Haftungsschaden gewesen, denn dieser beruhe nicht allein auf der späteren Anfechtung durch den Insolvenzverwalter. Erst durch die verspätete Zahlung im Oktober 2011 hätten die Kläger eine Anfechtung nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen ermöglicht. Ermessensfehler seien nicht erkennbar.

4

Die haftungsrechtliche Inanspruchnahme der Kläger für Umsatzsteuer des Voranmeldungszeitraums August 2011 sei indes rechtswidrig. Zwar hätten die Kläger gegen ihre Pflicht zur Anmeldung und fristgerechten Zahlung der Steuer verstoßen, doch sei diese Pflichtverletzung unter Beachtung der nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anzuwendenden Adäquanztheorie für den Haftungsschaden nicht kausal gewesen. Die Beträge seien im Oktober und November 2011 zunächst beglichen worden. Ein endgültiger Steuerschaden sei erst durch die Anfechtung des Insolvenzverwalters eingetreten, die als eigentliche Ursache anzusehen sei. Aufgrund der Dauerfristverlängerung wäre jedoch selbst eine fristgerechte Zahlung in den dreimonatigen Anfechtungszeitraum vor Stellung des Insolvenzantrags gefallen, so dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer Anfechtung zu rechnen gewesen sei. Somit entfalle die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, ohne dass auf einen hypothetischen Kausalverlauf abgestellt werden müsste.

5

Darüber hinaus seien die angefochtenen Haftungsbescheide rechtswidrig, soweit sie die Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 beträfen. Zwar hätten die Kläger die ihnen als Geschäftsführer obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt, doch bestehe auch in diesen Fällen keine Kausalität zwischen dieser Pflichtverletzung und dem Steuerschaden. Die Anfechtungsmöglichkeit etwaiger Steuerzahlungen nach §§ 129 ff. InsO könne nicht als Entschuldigungsgrund anerkannt werden. Hypothetische Erwägungen seien nicht anzustellen. Auch liege hinsichtlich der Haftungsnorm des § 64 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) keine Pflichtenkollision vor. Denn selbst der letzte Fälligkeitstermin am 12. Dezember 2011 liege über drei Wochen vor dem Tage der Stellung des Insolvenzantrags. Der Rechtsprechung des BFH sei ein striktes Verbot jeglicher hypothetischer Betrachtung nicht zu entnehmen. Im Streitfall wäre der Schaden in jedem Fall eingetreten. Durch die Handlung der Geschäftsführer sei kein das Steueraufkommen gefährdender Vorteil entstanden. Bei Erlass der Haftungsbescheide habe das FA bereits von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter nach § 130 InsO im April 2012 und von der Erfüllung der Voraussetzungen dieser Vorschrift Kenntnis gehabt. Zugleich sei dem FA bewusst gewesen, dass es auch bei fristgerechter Zahlung der Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 den hier geltend gemachten Steuerschaden erlitten hätte, da diese Zahlungen ebenso angefochten worden wären.

6

Mit seiner Revision wendet sich das FA gegen die Auffassung des FG, es bestehe hinsichtlich eines Teils der Haftungsschuld keine Kausalität zwischen der vom FG angenommenen schuldhaften Pflichtverletzung und dem Eintritt des Steuerschadens. Im Streitfall sei tatsächlich nicht gezahlt worden, weshalb auch der Insolvenzverwalter nicht habe anfechten können. Hinsichtlich einer etwaigen insolvenzrechtlichen Anfechtung stelle das FG hypothetische Überlegungen an. Damit verkenne es, dass die Kläger durch die Nichtentrichtung fälliger Steuern eine reale Ursache für den Steuerschaden gesetzt hätten. Durch eine nur gedachte Anfechtung könne diese Ursache nicht entfallen. Nach der BFH-Rechtsprechung gebiete es der Schutzzweck des § 69 AO, nur den tatsächlichen Kausalverlauf zu berücksichtigen. Der bloße Umstand, dass das FA die Haftungsbescheide in Kenntnis der Anfechtung erlassen habe, rechtfertige es nicht, einen hypothetischen Kausalverlauf haftungsbeschränkend zu berücksichtigen. Im Zeitpunkt der Pflichtverletzung könnten noch keine zuverlässigen Feststellungen über die tatsächliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und über die Ausübung von Anfechtungsrechten getroffen werden. Nach der Ansicht des FG könnte ein Geschäftsführer innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag seine steuerlichen Pflichten vernachlässigen, ohne dass er haftungsrechtliche Folgen befürchten müsse. Die Durchsetzung des Haftungsanspruchs wäre somit mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.

7

Das FA stellt den Antrag, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage auch hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 als unbegründet abzuweisen.

8

Die Kläger stellen den Antrag, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die Kläger schließen sich der Rechtsauffassung des FG an, soweit dieses den angefochtenen Haftungsbescheid zu ihren Gunsten geändert hat. Im Streitfall habe die Fälligkeit der letzten Steuerschuld vor dem Insolvenzantrag gelegen. Auf hypothetische Kausalverläufe brauche im Streitfall nicht zurückgegriffen zu werden. Es finde vielmehr die Adäquanztheorie Anwendung.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt in Bezug auf die Umsatzsteuer der Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG hat das FA die Kläger zu Recht gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Durch die zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung der Nichtentrichtung fälliger Umsatzsteuern in Höhe der Haftungsquote haben die Kläger eine Ursache für den Eintritt des Steuerschadens gesetzt, der nicht entfällt, weil die geleisteten Zahlungen tatsächlich angefochten worden sind bzw. weil zumindest hinsichtlich der unterbliebenen Zahlungen die Möglichkeit einer Anfechtung nach §§ 129, 130 InsO bestanden hätte.

11

1. Nach den Feststellungen des FG, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden und daher für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend sind, haben die Kläger die ihnen als GmbH-Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Denn als Geschäftsführer und gesetzliche Vertreter der Komplementär-GmbH nach § 35 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 34 Abs. 1 AO hatten sie die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen. Die Umsatzsteuerschulden aus den Voranmeldungszeiträumen September und Oktober 2011 sind jedoch von ihnen nicht entrichtet worden. Zu Recht hat das FG geurteilt, dass sich die Kläger im Hinblick auf die Haftung nach § 64 GmbHG und eine etwaige Anfechtung nach § 130 InsO nicht auf eine entschuldigende Pflichtenkollision berufen können (vgl. Senatsentscheidungen vom 27. Februar 2007 VII R 67/05, BFHE 216, 491, BStBl II 2009, 348, und vom 4. Juli 2007 VII B 268/06, BFH/NV 2007, 2059).

12

2. Entgegen der Auffassung des FG besteht zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung der Kläger und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der Umsatzsteuern entstandenen Vermögensschadens ein adäquater Kausalzusammenhang, der nicht dadurch entfällt, dass Zahlungen, wenn sie innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet worden wären, aufgrund einer nachträglichen Betrachtung der Geschehensabläufe hätten angefochten werden können.

13

a) Der nach der BFH-Rechtsprechung zu fordernde Kausalzusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn der Steuerausfall als Vermögensschaden des Fiskus mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens des Steuerpflichtigen unabhängig davon eingetreten ist, ob Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (Senatsurteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100, m.w.N.). Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht auf die Fälle übertragen werden, in denen der Steuerpflichtige --wie im Streitfall-- noch über ausreichende Mittel verfügt, um nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung zumindest einen Teil der Umsatzsteuerschuld zu begleichen.

14

b) Verletzt ein gesetzlicher Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO zumindest grob fahrlässig seine Pflicht zur fristgemäßen Entrichtung von Steuern, setzt er mit seinem schuldhaften Verhalten eine Ursache, die bewirkt, dass dem FA die ihm zustehenden Steuerbeträge vorenthalten werden. Nach dem Sinn und Zweck des § 69 AO kann in diesen Fällen eine Schadenszurechnung nicht deshalb entfallen, weil bei nachträglicher Betrachtung des tatsächlichen Geschehensablaufs tatsächlich geleistete Zahlungen oder gedachte Zahlungen infolge einer Anfechtung nach insolvenzrechtlichen Vorschriften durch Erstattung der Beträge an die Finanzbehörde wieder hätten rückgängig gemacht werden müssen. Insoweit kann ein hypothetischer Kausalverlauf keine Berücksichtigung finden (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 AO Rz 21; Jatzke in Beermann/ Gosch, AO, § 69 Rz 46.1; Intemann in Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 69 Rz 55; a.A. Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 69 Rz 131a, und Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 AO Rz 32g).

15

aa) Die steuerliche Haftungsvorschrift des § 69 AO geht auf § 109 der Reichsabgabenordnung (RAO) zurück, dem zoll- und verbrauchsteuerrechtliche Haftungsvorschriften als Vorbild dienten, und mit dem das zivilrechtliche Vertretungsrecht in der RAO berücksichtigt und den steuerlichen Bedürfnissen angepasst werden sollte (Beermann, Haftungsbescheid nach der AO und Entschließungsermessen, in Festschrift für Franz Klein, S. 953, 961). Der haftungsrechtliche Zugriff auf gesetzliche Vertreter und Verfügungsberechtigte kann damit legitimiert werden, dass ihnen die Erfüllung steuerlicher Pflichten obliegt, die der Steuerpflichtige mangels eigener Handlungs- und Geschäftsfähigkeit nicht selbst erfüllen kann. Andererseits kommt in der Haftungsvorschrift auch das Bemühen des Gesetzgebers zum Ausdruck, der steuerrechtlichen Stellvertretung Schranken zu setzen und der Gefahr entgegenzuwirken, dass der Steuerpflichtige durch die Stellvertretung das Steueraufkommen gefährdende Vorteile erlangt (Tipke in Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 109 RAO Rz 1, m.w.N.). Durch den in § 69 AO normierten Haftungsanspruch soll der Vertreter zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden steuerlichen Pflichten angehalten und das Steueraufkommen durch Schaffung einer Rückgriffsmöglichkeit gesichert werden.

16

bb) Vom Normzweck erfasst wird nicht nur die Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls, sondern auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit. Die Pflicht zur pünktlichen Steuerzahlung dient nicht nur der Vermeidung des Verzugsschadens beim Fiskus, denn dieser Schaden wäre bereits durch Verzugszinsen auszugleichen. Auch zur Vermeidung sonstiger Schadensrisiken, wie z.B. einer verminderten Leistungsfähigkeit, wollte der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Steuerzahlung anhalten. Gerade in Zeiten der Krise kommt der Pflicht zur pünktlichen Zahlung der Steuer eine erhöhte Bedeutung zu. Sie soll den Fiskus nicht nur davor schützen, dass der Steuerschuldner zahlungsunfähig wird, bevor er (verspätet) bereit ist, seine Steuerschulden zu begleichen, sondern auch vor allen sonstigen Risiken verspäteter Zahlungsbereitschaft (zur Schadenszurechnung bei der Lohnsteuer vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342).

17

cc) Die Erreichung der dargestellten Zwecke würde gefährdet, wenn tatsächliche oder nur gedachte Anfechtungen nach § 130 InsO von vornherein zu einem Wegfall der Kausalität zwischen einer schuldhaften Pflichtverletzung und dem endgültigen Steuerausfall führten. Denn ein gesetzlicher Vertreter könnte in Kenntnis einer Überschuldung oder einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllung der ihm als Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO obliegenden steuerlichen Pflichten mit dem Hinweis vernachlässigen, dass, wenn er Steuerzahlungen vornähme, diese ohnehin der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO ausgesetzt seien und er infolgedessen auch nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden könne. Sofern ein Schuldner bzw. dessen gesetzlicher Vertreter beabsichtigt, nach § 18 Abs. 1 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst zu beantragen, könnte er unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Termins für die Antragstellung aus haftungsrechtlicher Sicht für einen Zeitraum von drei Monaten vor diesem Datum gefahrlos von der Entrichtung fälliger Steuern absehen. In solchen Fällen kann zum Zeitpunkt der Nichtentrichtung fälliger Steuern jedoch noch keine zuverlässige Aussage darüber getroffen werden, ob es tatsächlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommen wird und ob im Fall der Eröffnung eines solchen Verfahrens eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO überhaupt erfolgen und auch erfolgreich sein würde (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 VII R 65/05, BFHE 217, 233, 238, BStBl II 2008, 273). Somit hätte es der gesetzliche Vertreter in der Hand, durch Stellung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung und ein vorher darauf abgestimmtes Zahlungsverhalten dem Fiskus einen endgültigen Steuerschaden zuzufügen, ohne dass diesem die Möglichkeit zur Geltendmachung eines steuerlichen Haftungsanspruchs eröffnet wäre. Diese Folgen liefen dem Sinn und Zweck der in § 69 AO getroffenen Regelungen zuwider.

18

c) Im Übrigen ist es aus steuerrechtlicher Sicht nicht geboten, die für zivilrechtliche Schadensersatznormen, vor allem § 823 und § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), entwickelten Grundsätze auf § 69 AO zu übertragen. Wie der BFH entschieden hat, bestehen zwischen den Schadensersatznormen des Zivilrechts und der steuerrechtlichen Haftungsvorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende gewichtige Unterschiede (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1972 VI R 187/68, zu § 109 RAO, BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364). Wiederholt hat der BFH darauf hingewiesen, dass § 69 AO lediglich Schadensersatzcharakter besitzt (Senatsentscheidungen vom 1. August 2000 VII R 110/99, BFHE 192, 249, BStBl II 2001, 271; vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678; vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859). Die auf § 69 AO gestützte Haftung begründet eine Sonderverbindlichkeit gegenüber dem Fiskus, die den Individualansprüchen aus rechtsgeschäftlicher Haftung, Vertrauenshaftung und unerlaubter Handlung vergleichbar ist, ohne diesen Anspruchsgrundlagen genau zu entsprechen (Senatsbeschluss vom 2. November 2001 VII B 155/01, BFHE 197, 1, BStBl II 2002, 73). Auch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der sog. hypothetischen Kausalität nicht um ein Problem der Kausalität, sondern um eine Frage der Schadenszurechnung handelt (Schiemann in Staudinger, Kommentar zum BGB mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearbeitung 2005, § 249 Rz 93; Oetker in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 249 BGB Rz 208; Palandt/ Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., Vorbem. zu § 249 BGB Rz 96; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 7. Juni 1988 IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355). Denn ein nur gedachter Geschehensablauf kann die Kausalität einer realen Ursache nicht beseitigen. Nach der BGH-Rechtsprechung ist es daher eine für verschiedene Fallgruppen durchaus unterschiedlich zu beantwortende Wertungsfrage, inwieweit hypothetische Kausalverläufe geeignet sind, eine an sich gegebene Haftung zu beeinflussen (BGH-Urteil in BGHZ 104, 355, 360). Auszugehen ist vom Schutzzweck der jeweils verletzten Norm (Schiemann in Staudinger, a.a.O., § 249 BGB Rz 94).

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3. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Überlegungen haben die Kläger im Streitfall durch die pflichtwidrige Nichtabführung fällig gewordener Steuerbeträge eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt, so dass die Kausalität dieser Ursache für den Schadenseintritt durch eine zu vermutende Anfechtung des Insolvenzverwalters nicht rückwirkend beseitigt werden kann. Es bleibt dabei, dass durch die schuldhafte Pflichtverletzung der Kläger dem Fiskus ein diesem geschuldeter Abgabenbetrag vorenthalten worden ist, weshalb die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme nach § 69 AO erfüllt sind.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 und 2 FGO. Mit Schriftsatz vom 2. April 2015 hat das FA die Revision hinsichtlich des Voranmeldungszeitraums August 2011 zurückgenommen, insoweit wird ab diesem Zeitpunkt von einem geminderten Streitwert ausgegangen.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.