Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 11. Apr. 2013 - 9 A 158/11

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2013:0411.9A158.11.0A
11.04.2013

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Bescheiden, mit denen der Beklagte Beiträge für die Herstellung der zentralen Schmutzwasseranlage sowie Säumniszuschläge erhebt.

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Der Kläger ist Eigentümer des 1.478 m² großen Grundstücks in …,  (Flur , Flurstück …). Das Grundstück ist mit einem eingeschossigen Wohngebäude bebaut und wurde im Jahre 1996 an die öffentliche Abwasseranlage des Beklagten angeschlossen.

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Mit hier streitigem Bescheid vom 13.12.2002 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Anschlussbeitrag i. H. v. 4.638,29 € fest (1.241 m² x 1 x 7,31 DM/m²). Dagegen legte der Kläger unter dem 07.01.2003 Widerspruch mit der Begründung ein, die Beitragsfestsetzung sei verjährt. Mit Schreiben vom 22.10.2008 mahnte der Beklagte die Zahlung des festgesetzten Beitrages an und wies mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 den Widerspruch als unbegründet zurück.

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Für den Zeitraum vom 16.01.2003 bis 15.11.2008 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 22.10.2008 Säumniszuschläge in Höhe von 3.220,00 € (4.600,00 € x 70 Monate x 1 vom Hundert/Monat) fest. Den vom Kläger mit Schreiben vom 28.10.2008 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 zurück.

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Am 09.11.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, der Beitragsanspruch sei verjährt, weshalb auch die Erhebung von Säumniszuschlägen zu Unrecht erfolgt sei.

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Der Kläger beantragt,

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die Bescheide des Beklagten vom 13.12.2002 und vom 22.10.2008 in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 10.05.2011 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

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Die zulässige Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg. Der Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 13.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten, weshalb ihm insoweit ein Aufhebungsanspruch zur Seite steht (1.); dagegen erweist sich der Säumniszuschlagsbescheid des Beklagten vom 22.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2011 als rechtmäßig (2.) [§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO].

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1. Nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA können Beiträge nur auf Grundlage einer wirksamen Satzung erhoben werden. Davon ist für den Beklagten jedoch in Anbetracht der dem Gericht nunmehr vorliegenden Unterlagen nicht auszugehen (anders noch OVG LSA, Urt. v. 11.09.2012, 4 L 49/12; auch VG Magdeburg, Urt. v. 15.11.2011, 9 A 311/10 MD, beide juris). Die Beitragssatzungen des Beklagten leiden jedenfalls an Mängeln im Einzelfall (1.1) bzw. sind deshalb unwirksam, weil die in der jeweiligen Satzung enthaltene Tiefenbegrenzungsregelung für Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, nicht vorteilsgerecht im Sinne von § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA ist (1.2).

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1.1 Die Beitragserhebung kann der Beklagte nicht auf seine Beitragssatzungen vom 31.07.1995 (AS 1995) bzw. 21.10.1996 (AS 1996) stützen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Satzungen überhaupt wirksam bekannt gemacht wurden (so OVG LSA, Urt. v. 11.09.2012, a. a. O.) oder ob die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Satzungen maßgebliche Bekanntmachungsvorschrift des § 26 der Verbandssatzung vom 21.09.1994 (VS 1994) zu unbestimmt war (so VG Magdeburg, Urt. v. 15.11.2011, a. a. O.).

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a) Die AS 1995 leidet - ebenso wie die AS 1996 - bereits an dem Mangel, dass nach ihr eine im Wesentlichen vorteilsgerechte Verteilung des Aufwandes auf die von der öffentlichen Schmutzwassereinrichtung bevorteilten Grundstücke nicht möglich ist. Die Satzungen genügen nicht §§ 2 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA muss eine Abgabensatzung einerseits den Maßstab, nach dem eine Abgabe erhoben werden wird, bestimmen und diesen andererseits ausgestalten. Der Sinn und Zweck des Satzungsvorbehaltes für die Ausgestaltung des Maßstabes besteht darin, vorzugeben, welche für die Abgabenerhebung wesentlichen Merkmale durch Rechtssatz zu regeln und damit einer Regelung durch die Verwaltung im Wege des Ermessens zu entziehen sind (so OVG LSA, B. v. 10.07.2004, 1 M 34/04 m. w. N.). Es ist folglich nicht ausreichend anzugeben, welcher Maßstab bei der Erhebung der Abgabe zur Anwendung kommt (hier: nutzungsbezogener Flächenmaßstab), wenn wegen der Vielzahl unterschiedlicher Fallkonstellationen seine konkrete Anwendung im Einzelfall nicht hinreichend bestimmt ist. Der Maßstab muss folglich im Anschlussbeitragsrecht ausgestaltet werden durch Maßstabselemente, die sowohl untereinander als auch für sich genommen geeignet sein müssen, den Grundsätzen der Bestimmtheit sowie der Beitrags- und Vorteilsgerechtigkeit zu genügen.

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Zudem muss im Anschlussbeitragsrecht eine Satzung geeignet sein, grundsätzlich alle im Geltungsbereich der Satzung vorkommenden Anwendungsfälle zu erfassen (so auch OVG LSA Urt. v. 11.09.2012, 4 A 155/09; BVerwG, U. v. 19.08.1994, 8 C 23/92 zum Erschließungsbeitragsrecht; beide juris). Inwieweit auf eine Maßstabsregelung ausnahmsweise verzichtet werden kann, weil Anwendungsfälle tatsächlich nicht entstehen und auch nicht entstehen werden oder inwieweit der Beitragssatz Ausdruck einer im Wesentlichen vorteilsgerechten Verteilung sein kann, ist bislang nicht abschließend geklärt (OVG LSA, Urt. v. 11.09.2012, a. a. O.; vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 11.12.2003, 9 A 340/02; v. 13.09.2006, 9 A 78/06 m. w. N.; OVG Koblenz, U. v. 14.03.2008, 6 A 11228/07, juris).

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Aufgrund der AS 1995 und 1996 war jedenfalls eine im Wesentlichen vorteilsgerechte Verteilung nicht möglich. Denn diesen Satzungen fehlen Maßstabsvorschriften sowohl für solche Grundstücke, die (ganz oder teilweise) im Geltungsbereich einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB belegen sind als auch für solche, die vom bauplanungsrechtlichen Innen- in den Außenbereich übergehen. Fehlt erstere Regelung in den Satzungen gänzlich, so ergibt sich Letzteres auch nicht aus § 4 Abs. 3 lit. c) AS 1995/ 1996. Darin ist zwar geregelt, dass als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufene Parallelen gilt. Diese Regelung kann jedoch nicht im Wege der Auslegung auf Grundstücke angewandt werden, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen. Zwar sind auch Normen von kommunalen Satzungen einer Auslegung zugänglich, wobei die Interpretation nur dann nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt ist, wenn der Wille des Satzungsgebers wenigstens andeutungsweise im Satzungstext seinen Niederschlag gefunden hat (BVerwG, Urt. v. 14.12.1995, 4 N 2/95; OVG LSA, Urt. v. 06.05.2003, 1 L 498/02; beide juris; VG Magdeburg, Urt. v. 15.11.2011, a. a. O. zum § 4 Abs. 3 lit. d) AS 2009) oder es sich nicht lediglich um ein offensichtliches redaktionelles Versehen handelt (OVG LSA, B. v. 20.08.2002, 1 L 191/01). Beides ist hier nicht der Fall. Der Wortlaut der Vorschrift knüpft für die darin erwähnten Grundstücke nur an den unbeplanten Innenbereich an. Die Vorschrift ist über ihren Wortlaut hinaus auch nicht in der Weise ergänzbar, dass davon auch solche Grundstücke erfasst werden sollen, die (nur) „teilweise“ im unbeplanten Innenbereich belegen sind. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn nach ihrem Wortlaut für die Norm offenkundig kein Anwendungsbereich bestünde, was nicht der Fall ist, da auch eine Tiefenbegrenzung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich zulässig ist (OVG LSA, Urt. v. 06.12.2001, 1 L 133/01, juris; siehe auch unten 1.2). Verwendet der Satzungsgeber in anderen Regelungen ausdrücklich den Begriff des Außenbereichs (vgl. § 4 Abs. 3 lit. f) und g) AS 1995/ 1996), so dass auch deshalb eine über den reinen Wortlaut hinausgehende Auslegung der Norm nicht in Betracht kommen.

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Fehlen in einer Beitragssatzung die vorstehend erörterten Regelungen, so können die so einzuordnenden Grundstücke beitragsrechtlich nicht veranlagt werden, was sowohl einer im Wesentlichen vorteilsgerechten Ermittlung des Beitragssatzes - ungeachtet des Umstandes, wie er tatsächlich berechnet wurde - als auch einer (vorteils-)gerechten Heranziehung aller Grundstücke im Verbandsgebiet entgegen steht. Die Maßstabsregelungen sind wegen der Vielzahl der nach ihnen zu bemessenen Anwendungsfälle auch nicht etwa entbehrlich.

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b) Auch die Beitragssatzung vom 07.02.2000 (BS 2000) einschließlich der Änderung vom 14.08.2007 war nicht wirksam (so auch VG Magdeburg, B. v. 02.08.2007 und 07.09.2007, jeweils zu 9 B 130/07 MD).

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Der in § 4 BS 2000 geregelte Beitragsmaßstab verletzt höherrangiges Recht. Er ist nicht vorteilsgerecht i. S. v. § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA. Nach § 4 Abs. 4 Buchst. d) aa) BS 1996 und BS 2000 ist bei bebauten Wohngrundstücken (Grundstücke, die nicht überwiegend gewerblich genutzt werden) auf die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse abzustellen. Diese Regelung erweist sich dann als nicht vorteilsgerecht, wenn die Umgebungsbebauung hinter der tatsächlichen Bebauung des veranlagten Grundstückes zurückbleibt. Ist in der näheren Umgebung z. B. überwiegend nur ein Vollgeschoss vorhanden, das veranlagte Grundstück tatsächlich z. B. mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut, wäre nach dieser Vorschrift gleichwohl nur ein Vollgeschoss in Ansatz zu bringen. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, auch für bebaute Grundstücke auf das zulässige Maß der baulichen Nutzung abzustellen. Entscheidet sich der Satzungsgeber dafür, hat er jedoch mit einer „Öffnungsklausel“ zu gewährleisten, dass bei einer über das sich aus der Umgebungsbebauung hinausgehende Maß der Bebauung des Grundstücks, dieses zur Beitragsbemessung herangezogen werden muss. Zudem ist auch bei Grundstücken in B-Plangebieten, die über die zulässige Bebauung hinaus bebaut sind, gemäß § 4 Abs. 4 Buchst. a) ee) BS 1996 und BS 2000 auf die tatsächliche Bebauung abzustellen. Insofern führt der in § 4 BS 1996 und BS 2000 geregelte Beitragsmaßstab zu einer Privilegierung der über die Umgebungsbebauung hinaus bebauten Wohngrundstücke im unbeplanten Innenbereich. Sachliche Gründe für diese Privilegierung, insbesondere aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig bestehen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass es im Verbandsgebiet des Beklagten nicht vorkäme, dass Wohngrundstücke im unbeplanten Innenbereich über die Umgebungsbebauung hinaus bebaut sind. Bei lebensnaher Betrachtung ist vielmehr damit zu rechnen, dass derartige Fälle durchaus häufig vorkommen.

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Auch infolge des Inkrafttretens der 2. Änderungssatzung vom 14.08.2007 zur BS 2000 ist eine Änderung der Rechtslage nicht bewirkt, der Mangel der Wirksamkeit der BS 2000 durch die 2. Änderungssatzung vom 14.08.2007 nicht behoben worden. Ist die Maßstabsregelung einer Abgabensatzung unwirksam und infolge dessen die Satzung insgesamt oder zumindest hinsichtlich der entsprechenden Abgabe nichtig, so kann der Satzungsgeber die Wirksamkeitsmängel nur auf zwei Wegen beheben. Er hat die Möglichkeit, eine komplett neue Abgabensatzung (einschließlich wirksamen Maßstabselements) zu erlassen. Entscheidet er sich aber dazu, eine Änderungssatzung zu erlassen, mit der lediglich das unwirksame Maßstabselement durch eine gültige Regelung ersetzt wird, muss er dieser Änderung Rückwirkung auf den Zeitpunkt beimessen, zu dem die zu ändernde Satzung in Kraft treten sollte. Fehlt es hingegen - wie vorliegend - an einer solchen Rückwirkungsanordnung, so geht die Änderung ins Leere, weil eine nichtige Satzung durch eine nachfolgende und zeitlich später geltende Änderung in ihrer Gültigkeit nicht aufleben kann (vgl. OVG LSA, B. v. 09.12.2004, 1 M 421/04 m. w. N.).

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c) Auch die Beitragssatzung vom 29.01.2008 (veröffentlicht im Amtsblatt für den Abwasserverband „Bodeniederung“; BS 2008) ist nicht wirksam (so auch B. v. 02.12.2008, 9 B 229/08 MD).

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Zwar hatte der Beklagte damit eine vollständige Abgabensatzung neu erlassen, diese enthält hingegen keine wirksame Regelung zur Heranziehung von Grundstücken, die teilweise im unbeplanten Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegen, was nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit der Satzung, sondern auch aus Gründen einer vorteilsgerechten Heranziehung notwendig wäre (siehe oben).

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Die BS 2008 enthält in § 4 Abs. 3 lit. d) und e) zwei unterschiedliche Regelungen zur Heranziehung von Grundstücken, die teilweise im Innenbereich und teilweise im Außenbereich belegen sind. Jede dieser Regelungen ist zwar für sich betrachtet hinreichend bestimmt und jede dieser Regelungen könnte für sich genommen in einer Satzung Bestand haben, beide Regelungen gemeinsam machen die Satzung hingegen zu unbestimmt. Weder kann es der Rechtsunterworfene erkennen noch ist es der Verwaltung konkret vorgegeben, welche Regelung wann zur Anwendung kommen wird, wie also ein teilweise im unbeplanten Innenbereich und teilweise im Außenbereich belegenes Grundstück veranlagt wird. Die Anwendung dieser Regelungen führt zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Nach § 4 Abs. 3 lit. d) BS 2008 wäre es beispielsweise denkbar, dass ein 150 m langes Grundstück, welches in einer Tiefe von 100 m im Innenbereich liegt, unter Berücksichtigung dessen veranlagt wird, wohingegen das gleiche Grundstück nach § 4 Abs. 3 lit. e) BS 2008 - weil wegen der Tiefe fraglich ist, ob es insgesamt im Innenbereich zugeordnet werden kann - nur mit einer Länge von 50 m (Tiefenbegrenzungsregelung) zu veranlagen ist.

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d) Nach dem dem Gericht nunmehr vorliegenden Unterlagen ist auch die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung der zentralen Schmutzwasseranlage des Abwasserzweckverbandes „….“ vom 03.03.2009 (AS 2009) nicht wirksam.

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Auch wenn das Gericht an seiner im Urteil vom 15.11.2011 (a. a. O.) vertretenen Rechtsansicht zur Anwendbarkeit der AS 2009 in Bezug auf die Grundstücke, die vom Gebiet eines B-Planes in den unbeplanten Innenbereich übergehen, zur Regelung der Anzahl der Vollgeschosse bei angeschlossenen Grundstücken im Außenbereich (§ 4 Abs. 4 lit. e)), zur Rundungsregelung in § 4 Abs. 4 lit. a) bb) und cc) sowie zur Auslegung von § 4 Abs. 3 lit. d) festhielte, so ist jedenfalls die Vorschrift des § 4 Abs. 3 lit. d) AS 2009 nach den dem Gericht nunmehr vorliegenden Unterlagen nicht vorteilsgerecht sein. Denn selbst bei der darin normierten Tiefenbegrenzung von 50 m gibt es eine Vielzahl von Grundstücke, die jenseits der Tiefenbegrenzung bebaut sind, jedoch von der Regelung nicht erfasst werden, obwohl die Fälle der sog. übergreifenden Bebauung bei der Bemessung des Vorteils durch die Maßstabsausgestaltung zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.06.2004, 4 K 38/02, juris). War das Gericht in seinem Urteil vom 15.11.2011 (a. a. O.) ausgehend von dem Grundsatz, dass einem Satzungsgeber bei der Wahl und Ausgestaltung des Maßstabes ein Beurteilungsspielraum vor dem Hintergrund der konkreten örtlichen Verhältnisse zur Seite steht, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist (OVG LSA, U. v. 30.01.2003, 1 L 362/01 zur Wahl des Maßstabes; B. v. 02.09.2009, 4 L 467/08 zum Maßstabselement „höchste Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse“) noch zu der rechtlichen Beurteilung gelangt, dieser sei trotz der Nichtregelung zur sog. übergreifenden Bebauung (noch) eingehalten, so kann daran wegen der nunmehr zu den örtlichen Verhältnissen vorgelegten Unterlagen nicht mehr festgehalten werden.

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1.2 Sämtliche Satzungen des Beklagten (AS 1995, AS 1996, BS 2000, BS 2008 und AS 2009) sind zudem deshalb nicht vorteilsgerecht, weil sie von einer nicht vorteilsgerechten (§ 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA) Tiefenbegrenzungsregelung ausgehen.

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a) Die Aufnahme einer typisierenden Tiefenbegrenzung in einer Anschlussbeitragssatzung nach §§ 2 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 1 KAG ist zulässig. Sie dient bei der näheren Ausgestaltung des nutzungsbezogenen Flächenmaßstabes der Ermittlung der beitragspflichtigen Fläche unter Anknüpfung an die bauplanungsrechtlichen Kategorien des Innen- (§ 34 BauGB) und Außenbereichs (§ 35 BauGB).

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Dies ist für das leitungsgebundene Beitragsrecht deshalb sachgerecht, weil (auch) bei der Anwendung des [generell als vorteilsgerecht anerkannten, vgl. aus bundesrechtlicher Sicht BVerwG, B. v. 30.04.1996, 8 B 31/96; für das Landesrecht VG Magdeburg, zuletzt Urt. v. 13.12.2012, 9 A 251/11 MD m. w. N.; beide juris] nutzungsbezogenen Flächenmaßstabes nur der Teil des Grundstücks als bevorteilte Fläche berücksichtigt werden darf, bei dem es sich um Bauland handelt; denn nur auf diesem Teil kann eine abwasserrelevante Nutzung überhaupt verwirklicht werden. Kann nur auf solchen Flächen überhaupt Abwasser anfallen, weisen nur diese Flächen einen hinreichenden Bezug zum Anschlussbeitrag auf.

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Die Ausgestaltung des nutzungsbezogenen Flächenmaßstabes durch eine Tiefenbegrenzung für Grundstücke, die vom bauplanungsrechtlichen Innen- in den Außenbereich übergehen (sog. qualifizierte Tiefenbegrenzung), ist auch in Sachsen-Anhalt obergerichtlich für den Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen anerkannt.

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Bereits in seinem Urteil vom 07.09.2000, 1 K 14/00 (zu Grundstücken, gänzlich im unbeplanten Innenbereich belegen sind), führt das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt aus, es sei grundsätzlich rechtlich nicht bedenklich, die bevorteilte Fläche für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich anhand einer Tiefenbegrenzung zu ermitteln, sofern die konkrete Ausgestaltung der Tiefenbegrenzung in den bestehenden örtlichen Verhältnissen ihren Widerhall finde. Dabei dient die Tiefenbegrenzung dazu, die beitragsfähige Fläche zu ermitteln, nicht sie zu vermindern, sondern sie zu bestimmen. Eine Tiefenbegrenzung ist deshalb dann unbedenklich, wenn die Grundstücke im Regelfall tatsächlich jenseits dieser Linie baulich nicht mehr nutzbar sind. Dies wird man bei dörflichen Siedlungsstrukturen, in denen die der Straße abgewandten Grundstücksteile nicht an bebaute Grundstücke angrenzen eher annehmen können, als bei Städten und solchen Ortschaften, in denen sich die Bebauung in einem Ortskern zusammengedrängt befindet. Sie darf insbesondere nicht dazu führen, dass in nennenswertem Umfange Flächen ausgeschieden werden, die bebaut oder bebaubar sind und Anschussbedarf nach sich ziehen (nachfolgend OVG LSA, Urt. v. 23.08.2001, 1 L 133/01, juris).

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Die Tiefenbegrenzung, so das OVG LSA (B. v. 10.03.2006, 4 L 250/05), diene dazu, das bevorteilte Bauland vom nicht bevorteilten Außenbereich typisierend abzugrenzen, wobei die Vermutung gelte, dass die vom Innenbereich in den Außenbereich hinein ragenden Grundstücke ab einer bestimmten Grundstückstiefe dem Außenbereich zuzurechnen und deshalb baulich nicht mehr nutzbar sind. Es ist dem Satzungsgeber erlaubt, solche typisierenden Regelungen zu schaffen, die baulich nicht nutzbare Grundstücksteile bei der Beitragsbemessung ausscheiden (auch OVG LSA, Urt. v. 27.04.2006, 4 L 186/05, juris)

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b) Davon ausgehend sind die in der jeweiligen Satzung enthaltenen Tiefenbegrenzungsregelungen rechtlich zu beanstanden. Denn die insoweit als bevorteilt bestimmten Flächen (bis zu einer Tiefe von 50 m) bei Grundstücken, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, sind nicht uneingeschränkt Bauland.

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aa) Bauland im Sinne des Anschlussbeitragsrechts ist jede privatnützlich baulich oder gewerblich nutzbare oder im Außenbereich tatsächlich angeschlossene Fläche (vgl. Haack in Driehaus: Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2013, § 8 Rn. 2152, 2174). Bauland im beitragsrechtlichen Sinne ist regelmäßig identisch mit dem Bauland im Sinne von § 19 Abs. 3 BauNVO, welches sich entweder aus dem Bebauungsplan ergibt oder nach § 34 BauGB zu bestimmen ist (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, Kommentar, 11. Aufl., § 19 Rn. 6; Boeddinghaus, BauNVO, Kommentar, 5. Aufl., § 19 Rn. 8). Diese Fläche bestimmt dann in Verbindung mit der Grundflächen- bzw. Geschossflächenzahl das zulässige Maß der baulichen Nutzung auf dem Grundstück. Für den Flächenfaktor beim nutzungsbezogenen Flächenmaßstab bedeutet dies, dass das bauliche Nutzungsmaß umso größer ist, je mehr Bauland zur Verfügung steht, weil dann auch bei gleicher Anzahl von Vollgeschossen eine größere Geschossfläche verwirklicht werden kann. Damit geht ein höherer Vorteil einher; allein dies legitimiert die Erhebung eines differenzierten Beitrages.

34

Bauland ist im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes und im unbeplanten Innenbereich die gesamte Grundstücksfläche (so schon OVG LSA, Urt. v. 23.08.2001, 1 L 134/01; nun auch B. v. 09.08.2006, 4 L 255/06, beide juris). Insoweit hat in der Regel die Größe des Grundstücks im bürgerlich-rechtlichen Sinne unmittelbaren Einfluss auf den Umfang des Vorteils und damit die Höhe des Beitrages. Anders bei den Grundstücken, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen. In diesen Fällen ist der Umfang des Baulands nach § 34 Abs. 1 BauGB zu bestimmen. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt für die Bestimmung, bis zu welcher Tiefe eine bauliche Nutzung in der Regel stattfindet, stellt die ortsübliche Tiefe der tatsächlich vorhandenen Bebauung der Grundstücke dar, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand: März 2012, § 8, Rn. 413 m. w. N.), wobei es dem Satzungsgeber gestattet ist, diese in repräsentativ ausgewählten Ortslagen festzustellen (OVG Weimar, Urt. v. 21.06.2006, 4 N 574/98; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10.10.2012, 1 L 289/11, beide juris).

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bb) Die Tiefe der tatsächlich vorhandenen Bebauung bildet mithin den Ausgangspunkt für die Feststellung der Tiefe der baulichen Nutzung, weil darin der nach § 34 Abs. 1 BauGB erforderliche Bebauungszusammenhang seinen Ausdruck findet. Zum Bebauungszusammenhang gehören regelmäßig neben Wohnhäusern auch gewerblich genutzte Vorhaben, landwirtschaftliche Betriebsgebäude und Nebengebäude, da sie dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, B. v. 02.04.2007, 4 B 7/07, juris), nicht jedoch Bauten, die nur vorübergehend (z. B. Wochenendhäuser, Gartenhäuser etc.) genutzt werden (so auch OVG LSA, B. v. 01.02.2006, 2 L 912/03, juris); diese können nur im Einzelfall am Bebauungszusammenhang teilnehmen (vgl. BVerwG, B. v. 02.03.2000, 4 B 15/00). Aus der Bebauungstiefe muss sich jedoch nicht gleichsam das „absolute“ Maß für die Beurteilung der Tiefe der baulichen Nutzung ergeben. Denn für das Anschlussbeitragsrecht ist, wie oben dargelegt, die Bestimmung des Baulandes von Bedeutung, welches bei Grundstücken, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, nicht allein durch die tatsächlich vorhandene Bebauung, sondern durch die „Tiefe der baulichen Nutzung“ bestimmt wird (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 21.09.1993, 9 L 6639/93, juris; Blomenkamp in Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 1464; OVG Münster, B. v. 27.06.1996, 3 B 2735/95 [zum Erschließungsbeitragsrecht]; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand: März 2012, § 8, Rn. 413 m. w. N. [zum Erschließungsbeitragsrecht]; OVG Weimar, Urt. v. 18.12.2000, 4 N 472/00 und OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14.09.2010, 4 K 12/07, juris; [beide hinweisend im Zusammenhang mit einer Tiefenbegrenzung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich].

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Die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung endet nicht zwingend unmittelbar an der Hinterkante des letzten Baukörpers, sondern kann je nach den Umständen bei einem Wohnhaus einen angemessenen Hausgarten einschließen. Zum Innenbereich zählt somit auch eine sich an das letzte Gebäude noch anschließende Freifläche, die als Garten, Hof oder in ähnlicher Weise bauakzessorisch genutzt wird (OVG LSA, Urt. v. 23.08.2001, a. a. O.; B. v. 08.09. 2006, 4 L 273/06 sowie B. v. 18.08.2009, 4 M 112/09 [zu einer sonstigen Nutzung]; OVG Lüneburg, Urt. v. 21.09.1993, 9 L 6639/93; OVG Greifswald, Urt. v. 05.07.2001, 3 L 197/00 jeweils m. w. N.; alle juris). Ob neben der Fläche zwischen der Straße und der Rückwand der letzten Bebauung auch noch eine weitere Fläche als bauakzessorische Nutzung zu berücksichtigen ist, hängt von den konkreten örtlichen Verhältnissen ab (vgl. Blomenkamp in Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 1464, a. a. O.). Eine zwingende Berücksichtigungspflicht hat das OVG LSA, B. v. 08.09. 2006, a. a. O., bei der Inzidentkontrolle einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB verneint (anders VG Schwerin, Urt. v. 17.02.2012, 4 A 1740/10 [für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich], juris); ein Berücksichtigungsverbot besteht ebenfalls nicht (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10.10.2012, a. a. O.). Berücksichtigungsfähig für die Beurteilung der insoweit maßgeblichen örtlichen Verhältnisse sind bei einer qualifizierten Tiefenbegrenzung jedoch lediglich die vom Innen- in den Außenbereich übergehenden Grundstücke (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand: März 2012, § 8 Rn. 413).

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cc) Die „Ortsüblichkeit der Tiefe baulicher Nutzungen“ enthält dabei den entscheidenden Zulässigkeitsmaßstab der Pauschalierung und schließt deshalb die Anwendung einer "10%-Regel" aus. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i. S. v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist, weshalb die Ermittlung eines Durchschnittswertes einer solchen Beurteilung allein nicht gerecht wird (vgl. OVG Weimar, Urt. v. 21.06.2006, a. a. O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10.10.2012, a. a. O.), da eben „ortüblich“ nicht der Durchschnitt ist. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe bereits zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss.

38

Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, in der die Grundstücke in etwa die gleiche Bebauungstiefe aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14.09.2010, a. a. O.). Sachgerecht ist bei dieser Betrachtung zunächst die Bildung von Gruppen in sog. 5-m-Schritten, in der Regel beginnend mit Bebauungstiefen von 21 m oder 26 m, da in aller Regel eine geringere Bebauungstiefe lediglich bei einer unbeachtlichen Anzahl von Grundstücken vorliegen dürfte, die deshalb nicht repräsentativ sind; weitergehende (Unter-)Differenzierungen sind aus der Sicht des Gerichts nicht erforderlich. Von einer zahlenmäßig hinreichend großen Gruppe ist jedenfalls dann auszugehen, wenn ihr mehr als die Hälfte (vgl. Blomenkamp in Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 1464) oder die zahlenmäßig deutlich überwiegende Anzahl von Grundstücken (so VG Greifswald, Urt. v. 05.12.2011, 3 A 223/110 für 43,7% bei keinerlei gleichwertigen Gruppen, juris) zugeordnet werden können. Diese Gruppe ist dann für die Örtlichkeit so prägend, so dass eine Tiefenbegrenzung in Nachzeichnung dieser Tiefe baulicher Nutzungen (bis … m) zulässig ist.

39

Ergeben die örtlichen Verhältnisse dies nicht, so ist der Betrachtungsrahmen zu erweitern. Zunächst sind (zwei) „benachbarte Gruppen“ (z. B. Gruppe der 26 bis 30 m tiefen Grundstücke mit den 31 bis 35 m tiefen Grundstücken bzw. Letztere mit den 36 bis 40 m tiefen Grundstücken usw.) in den Blick zu nehmen. Werden diese „benachbarte Gruppen“ den oben beschriebenen Anforderungen gerecht, kann ebenfalls von ihrer Prägung für die Ortsüblichkeit ausgegangen werden (vgl. Blomenkamp in Driehaus, a. a. O.). Ist auch diese Betrachtung nicht zielführend, kann sich die Ortsüblichkeit auch aus der Eröffnung eines „Korridors“ ergeben, der sich an 3 benachbarten Gruppen orientiert.

40

c) Davon ausgehend ist für das Verbandsgebiet des Beklagten nicht von einer Tiefe der baulichen Nutzung von 50 m auszugehen.

41

Mangels Bestehens normativer bundes- und landesrechtlicher Vorgaben war ihm dieser Nachweis unabhängig von der Frage, welche Unterlagen dem Satzungsgeber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzungen jeweils vorlagen und von welchen Erwägungen er sich im Einzelnen bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung hat leiten lassen, auch noch während des gerichtlichen Verfahren möglich (vgl. OVG LSA, B. v. 05.11.2001, 1 L 374/01, unv. [zum Anschluss- und Benutzungszwang]; Urt. v. 10.11.2011, 4 L 69/09 [zur sog. Ergebnisrechtsprechung im Benutzungsgebühren- und Anschlussbeitragsrecht]; VGH München, Urt. v. 26.02.1998, 6 B 94.3817). Dies begegnet jedenfalls in den Fällen keinen Bedenken, in denen der Satzungsgeber z. B. die der Tiefenbegrenzung zugrunde gelegte Tiefe der baulichen Nutzung nur gegriffen hat. Hat er dagegen seinem Satzungsermessen konkrete Erwägungen zugrunde gelegt, die rechtlich jedoch für die beitragsrechtliche Abgrenzung des Baulandes nicht tragen, kann die Tiefenbegrenzungsregelung vom Gericht nicht mit anderen, rechtlich haltbaren Erwägungen geheilt werden; die Satzung leidet dann einen einem methodischen Fehler (vgl. OVG LSA, zuletzt Urt. v. 27.03.2012, 4 L 233/09, juris)

42

aa) Der Beklagte hat in den von ihm ausgewählten Ortslagen des Verbandsgebietes für 257 Grundstücke deren Bebauungstiefe festgestellt.

43

Dass die insoweit zugrunde gelegten Grundstücke nicht repräsentativ wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte hat dabei sowohl eher kleinstädtisch geprägte Ortslagen (Egeln, Löderburg, Westeregeln etc.) als auch eher rein ländlich strukturierte Ortslagen (Tarthun etc.) berücksichtigt. Dass es derartig signifikante Unterschiede in der Siedlungsstruktur zwischen den einzelnen Ortslagen gab und gibt, die ihre Einbeziehung bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit nicht mehr rechtfertigen würde, ist nicht ersichtlich. Davon zeugen auch die dem Gericht vorgelegten Übersichtspläne, aus denen sich die Tiefenbegrenzung als „Umring“ ergibt. Erst wenn sich bestimmte Ortslagen zu einer oder mehreren Gruppen zusammenfassen ließen, die sich - was die Bebauungstiefe betrifft - signifikant von einer oder mehreren anderen Gruppen unterscheiden würden (z. B. Ortsüblichkeit, die mehr als 100% über der ansonsten üblichen Bebauungstiefe liegt), wäre eine auf das gesamte Verbandsgebiet bezogene ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung gar nicht ermittelbar, was zur Festlegung einer differenzierten Tiefenbegrenzung nach einzelnen Ortslagen zur Gewährleistung der Beitragsgerechtigkeit zwingend würde. Ein ausdrückliches Verbot einer differenzierten Tiefenbegrenzung nach Ortslagen - nicht nach Straßenzügen - ist dem Landesrecht nicht zu entnehmen. Seine Zulässigkeit ergibt sich aus den o. a. Grundsätzen der Bestimmung einer Tiefenbegrenzung, die eine Ortsüblichkeit voraussetzt.

44

Auch hat der Beklagte die Bebauungstiefe anhand der tatsächlich vorhandenen Bebauung nach den o. a. Grundsätzen bestimmt.

45

bb) Vorliegend sind weder einer Gruppe mehr als die Hälfte aller betrachteten Grundstücke zuordnen noch befindet sich in ihr im Vergleich zu den anderen Gruppen eine deutliche Mehrheit der Grundstücke. Insoweit ergibt sich folgendes Bild:

46

Bis 20 m: 13 Grundstücke (= ca. 5%),

47

von 21 m bis 25 m: 35 Grundstücke (= ca. 13%),

48

von 26 m bis 30 m: 52 Grundstücke (= ca. 20%),

49

von 31 m bis 35 m: 34 Grundstücke (= ca. 13%),

50

von 36 m bis 40 m: 25 Grundstücke (= ca. 10%),

51

von 41 m bis 45 m: 31 Grundstücke (= ca. 12%),

52

von 46 m bis 50 m: 19 Grundstücke (= ca.  8%),

53

von 51 m bis 55 m: 20 Grundstücke (= ca.  8%),

54

über 55 m: 28 Grundstücke (= ca. 12%).

55

Der gleiche Befund ergibt sich auch in Bezug auf zwei unmittelbar benachbarte Gruppen. Hier ergibt sich das folgende Bild:

56

21 bis 30 m = 87 Grundstücke

57

26 bis 35 m = 86 Grundstücke

58

31 bis 40 m = 59 Grundstücke

59

und

60

41 bis 50 m = 40 Grundstücke.

61

Eine repräsentativ große Gruppe ergibt sich erst infolge der Betrachtung von drei benachbarten Gruppen. Danach ergibt sich das folgende Bild:

62

21 bis 35 m = 141 Grundstücke

63

26 bis 40 m = 111 Grundstücke

64

31 bis 45 m = 90 Grundstücke

65

und

66

36 bis 50 m = 75 Grundstücke.

67

Weit mehr als die Hälfte der betrachteten Grundstücke sind der Gruppe 21 bis 35 m zuzuordnen, was der maßgebliche Ausgangspunkt für die Festlegung der Tiefenbegrenzung in der Satzung sein muss. Da der diese Gruppen bestimmende Korridor „sehr weit“ ist, darf nicht außer Betracht bleiben, durch welche (Unter-)Gruppen diese Gruppe bestimmt wird. Dominierend ist dabei die Gruppe der 26 bis 30 m tiefen Grundstücke, wobei die diesseits und jenseits liegenden Gruppen in etwa gleich groß sind. Daraus folgt, dass die ortsübliche Bebauungstiefe durch Grundstücke mit einer Bebauungstiefe von ca. 30 m geprägt wird.

68

cc) Demgegenüber geht die Tiefenbegrenzung in den Satzungen von einer baulichen Nutzung von 50 m aus, was in Ansehung der vorstehend ermittelten ortsüblichen Bebauungstiefe von ca. 30 m die Berücksichtigung einer bauakzessorischen Tiefe von ca. 20 m erfordert.

69

Zwar hält das Gericht in Anbetracht des vorliegenden Materials die Berücksichtigung von bauakzessorischen Nutzung für nicht unzulässig. Denn einerseits ist davon auszugehen, dass die hier betrachteten Ortsrandlagen einem Wohn- oder Dorfgebiet im Sinne der BauNVO entsprechen. Für solche Gebietstypen ist von einer regelmäßigen Grundflächenzahl (§ 17 BauNVO) zwischen 0,4 und 0,6 auszugehen. Allein die Bebauungstiefe berücksichtigend, würde diese Grundflächenzahl in aller Regel für diese Grundstücke erheblich überschritten werden. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sich die vorhandene Bebauungsstruktur anhand einer Innenbereichsfläche vollzogen hat, die über die Tiefe der tatsächlichen Bebauung hinausgeht. Andererseits hat sich der Satzungsgeber für die mit ihrer Gesamtfläche im unbeplanten Innenbereich belegenen und in ähnlicher Weise wie die in den Außenbereich übergehenden, tiefen Grundstücke entschieden, keine Tiefenbegrenzung in die Satzung (zur generellen Zulässigkeit BVerwG, Urt. v. 01.09.2004, 9 C 15/03 [zum Erschließungsbeitragsrecht]; so auch OVG LSA, Urt. v. 07.09.2000, 1 K 14/00, alle juris; a. A. Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 411 ff.) mit der Folge aufzunehmen, dass auch für diese Innenbereichgrundstücke die gesamte Fläche beitragsfähig ist [siehe oben b) aa)]. Zwar ist der Satzungsgeber zur Aufnahme einer Tiefenbegrenzungsregelung für Grundstücke, die (insgesamt) im unbeplanten Innenbereich belegen sind, rechtlich nicht verpflichtet (so auch OVG LSA, B. v. 28.05.2003, 1 M 519/02). Vor dem Hintergrund einer Belastungsgleichheit zwischen den Grundstücken ist es dann jedoch nicht verfehlt, für die in den Außenbereich übergehenden Grundstücke eine bauakzessorische Nutzung zu berücksichtigen, zumal auch vorliegend die tiefen Grundstücke im unbeplanten Innenbereich regelmäßig von einer straßenbegleitenden Bebauung mit rückwärtiger Gartennutzung etc. geprägt sind.

70

Es sind für das Verbandsgebiet des Beklagten jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bauakzessorische Nutzungen von ca. 20 m Tiefe die bauliche Situation prägen. Diese Tiefe entspricht ca. 70% der bebauten Fläche, was eher unüblich ist.

71

Die für die baulichen Nutzungen angenommene Tiefe von 50 m lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass in den Satzungen keine Regelung zu der sog. übergreifenden Bebauung enthalten ist. Denn Maßstab sind allein die oben dargelegten Kriterien. Das Fehlen eines solchen Kriteriums kann wegen der ihm eigentlich zukommenden Funktion nicht als Rechtfertigung für eine „Ausweitung“ der Tiefe baulicher Nutzungen dienen. Die Regelung kann allein als Widerlegung der mit der Tiefenbegrenzung einhergehenden Vermutung über die Tiefe der ortsüblichen baulichen Nutzung in Ausnahmefällen dienen. Denn sobald der Satzungsgeber zur Verwaltungsvereinfachung eine typisierende und damit pauschalierende Flächenermittlungsmethode benutzt, ist es ihm verwehrt, einseitig und zum Nachteil des jeweiligen Grundstückseigentümers von dieser Regelung abzuweichen, was sowohl eine Flächenreduzierung als auch eine Flächenvergrößerung betrifft. Aus diesem Grunde ist die Regelung in der Beitragssatzung zur übergreifenden Bebauung stets eng auszulegen, weshalb es allein darauf ankommt, ob jenseits der Tiefenbegrenzungslinie eine Bebauung des Grundstücks mit Gebäuden besteht, die in einem ohne weiteres erkennbaren Bebauungszusammenhang mit einer Bebauung auf dem innerhalb der Tiefenbegrenzung befindlichen Teil des Grundstücks liegt (OVG LSA, Urt. v. 27.04.2006, 4 L 186/05, juris).

72

Auch unter Berücksichtigung des dem Satzungsgeber zuzubilligendem Wertungsspielraumes ist deshalb die Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m nicht vorteilsgerecht.

73

2. Der hier streitige Beitragsbescheid des Beklagten vom 13.12.2002 lässt sich auch nicht auf die Satzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „….“ (WAZV) vom 18.12.2012 über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung der zentralen Schmutzwasserentsorgung in den dort aufgeführten Gemeinden (Schmutzwasserbeitragssatzung Gebiet 2) stützen. Zwar gehört u. a. die Stadt …., in der das klägerische Grundstück belegen ist, mit den anderen Gemeinden des Beklagten seit dem 01.01.2011 dem WAZV an. Die Verbandsmitgliedschaft beruht jedoch auf der Auflösung des Beklagten (§ 14 Abs. 3 und 4 GKG LSA) und dem Beitritt dieser Gemeinden zum WAZV, so dass dieser nicht Rechtsnachfolger des Beklagten ist (vgl. §§ 157 WG LSA a. F., 83 WG LSA v. 16.03.2011). Nur im Falle der Rechtsnachfolge würde jedoch der WAZV uneingeschränkt in die Rechte und Pflichten des Beklagten mit der Folge eintreten, dass ihm auch die vom Beklagten erlassenen Beitragsbescheide zuzurechnen wären und er diesen Bescheiden auch neues Satzungsrecht unterlegen könnte. Ob die das Fortbestehen während der Auflösung dem Beklagten das Recht verleiht, eine neue Beitragssatzung zu erlassen, ist bislang nicht abschließend geklärt (vgl. Haack in: Driehaus, a. a. O., § 8 Rn. 2249).

74

3. Die Festsetzung von Säumniszuschlägen findet ihre Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) KAG LSA i.V.m. § 240 Abs. 1 AO. Danach ist, wenn eine Abgabe nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet war, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 v. H. des abgerundeten rückständigen Abgabenbetrages zu entrichten. Diese Voraussetzungen liegen hier in Bezug auf den Bescheid vom 22.10.2008 vor.

75

a) Der die Säumniszuschläge begründende Beitragsbescheid des Beklagten vom 13.12.2002 war wirksam; ob er auch rechtmäßig war bzw. ist, ist für § 240 Abs.1 AO unbeachtlich, solange er nicht nichtig i. S. v. §§ 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG LSA, 125 AO) ist, wofür hier keine Anhaltspunkte vorliegen. Die „schlichte“ Rechtswidrigkeit (siehe dazu oben) führt jedenfalls nicht zur Nichtigkeit eines Abgabenbescheides (vgl. Brockmeyer in: Klein, Abgabenordnung, 9. Auflage, § 125 Rdnr. 7).

76

b) Die so wirksam festgesetzte Beitragforderung war am 16.01.2003 fällig. Ungeachtet der Wirksamkeit der Abgabensatzung, in der Regelungen über die Fälligkeit enthalten sind, tritt die Fälligkeit jedenfalls mit dem Ablauf der Zahlungsfrist ein, die in dem Abgabenbescheid enthalten ist (§§ 13a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA, 220 Abs. 2 AO); dies gilt auch in Ansehung von § 2 Abs. 1 KAG LSA (vgl. OVG LSA; Urt. v 30.01.2003, 1 L 362/01, juris). Dem steht weder die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Fälligkeit eines Erschließungsbeitrages in den Fällen nachgeschobener Satzungen [vgl. u. a. Urt. v. 14.02.2001, 11 C 9/00 m. w. N., juris; aa.)] noch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 30.05.2012, 4 L 2228/11, juris; bb)] entgegen .

77

aa) Zwar geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Erschließungsbeitrag in den Fällen nachgeschobener Satzungen während des Rechtsbehelfs- und Klageverfahrens erst einen Monat nach Entstehung der Beitragspflicht fällig wird. Diese Auslegung betrifft jedoch nur die spezialgesetzliche Regelung des § 135 Abs. 1 BauGB und kommt Bedeutung ausschließlich für etwaige Ansprüche aus einer Amtspflichtverletzung und nicht für die Bestimmung solcher Zeitpunkte zu, an die andere rechtliche Regelungen besondere Rechtsfolgen knüpfen (so auch BayVGH, B. v. 27.09.2012, 6 ZB 10.1083, juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 24 Rn 51 ff.). Aus diesem Grunde erübrigt sich die Erörterung der Frage nach dem Fälligkeitszeitpunkt in den Fällen, in denen - wie hier - zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (noch immer) keine wirksame Satzung vorliegt.

78

bb) Sofern das OVG LSA im seiner Entscheidung vom 30.05.2012 zudem die Auffassung vertritt, ein (nur) formeller Beitragsbescheid sei nicht in der Lage die Fälligkeit einer Beitragsforderung zu bewirken, weshalb dessen Erlass auch nicht zum Eintritt der Zahlungsverjährung i. S. v. §§ 228 ff. führen könne, so vermag das Gericht einerseits der dafür herangezogenen Begründung nicht vollends zu folgen (aaa) und diese andererseits auf die Frage der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes nach § 240 Satz 1 AO nicht uneingeschränkt zu übertragen (bbb).

79

aaa) Bei der Anwendung der Vorschriften der Abgabenordnung ist stets im Blick zu behalten, dass diese nicht für das (fehleranfällige) Kommunalabgabenrecht gemacht sind. Im Steuerrecht entstehen die Ansprüche, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Steuergesetze anknüpfen (§ 38 AO). Dann kann es nur Streit darum geben, ob der Tatbestand verwirklicht wurde oder nicht, wobei bei Nichtverwirklichung keine Rechtsfolgen eintreten. Anders im Kommunalabgabenrecht, in dem Rechtsfolgen auch noch nachträglich begründet werden können, sich der zuvor erlassene Bescheid eines bestehenden Abgabenschuldverhältnisses mithin allenfalls berühmt. Aus diesem Grunde sind auch solche kommunalen Abgabenbescheide, denen noch kein materielles Abgabenschuldverhältnis zugrunde liegt, jedenfalls geeignet, entsprechend § 220 Abs. 2 AO die Fälligkeit von Ansprüchen zu begründen. Welche Rechtsfolgen sich daraus für den Eintritt der Zahlungsverjährung ergeben können, ist hier unbeachtlich, da der mit Bescheid vom 13.12.2002 festgesetzte Betrag zugleich mit der Bekanntgabe des Säumniszuschlagsbescheides vom 22.10.2008 angemahnt wurde, was gemäß § 228 Abs. 1 Satz 1 AO die Hemmung des Ablaufs der Zahlungsverjährung bewirkt.

80

bbb) Der in § 240 Abs. 1 Satz 1 AO verwendete Begriff des „Fälligkeitstages“ ist in dem Sinne auszulegen, dass dafür allein der (wirksame) Erlass eines Beitragsbescheides genügt (BayVGH, B. v. 27.09.2012, 6 ZB 10.1083 zu Erschließungsbeiträgen, juris; Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand März 2012, § 12 Rn. 75 ff. ohne jedoch auf die hier beachtliche Konstellation einzugehen). Diese Auslegung entspricht dem Wesen des Säumniszuschlages, der als Druckmittel eigener Art den Abgabenpflichtigen zur Zahlung der Abgabe unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit anhalten soll (OVG LSA, B. v. 07.11.2008, 4 L 240/07, juris). Dafür, dass die „Fälligkeit“ einer Abgabe nicht das Bestehen eines materiellen Abgabenschuldverhältnisses voraussetzt, spricht auch § 240 Abs. 1 Satz 4 AO (i. d. S. auch VG Schwerin, B. v. 30.01.2013, 4 B 836/12, juris). Die Vorschrift bestimmt u. a. für den Fall der Aufhebung oder Änderung einer Abgabenfestsetzung, dass bis dahin verwirkte Säumniszuschläge unberührt bleiben. Der Grundsatz der Akzessorietät, nach dem Säumniszuschläge als steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) grundsätzlich vom Bestehen der ihnen zugrunde liegenden Steuerschuld abhängig sind, wird durch diese Vorschrift nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers durchbrochen (vgl. BT-Drs. 7/4292 S. 39). Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO daher bewusst in Kauf genommen, dass Säumniszuschläge anders als Aussetzungszinsen (§ 237 Abs. 1 Satz 1 AO) auch dann zu entrichten sind, wenn sich die Abgabenfestsetzung später als nicht rechtmäßig erweist (vgl. BayVGH, Urt. v. 26.04.2006, 4 B 04.64, juris), wobei die Vorschrift nur deshalb als verfassungsgemäß anzusehen ist, weil dem Rechtsschutzbedürfnis des Abgabepflichtigen durch die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Abgabenfestsetzung selbst hinreichend Genüge getan ist (BVerfG, B. v. 30.01.1986, 2 BvR 1336/85, zitiert nach BVerwG, B. v. 02.05.1995, 8 B 50.95, juris). Zahlt der Veranlagte dagegen nicht und betreibt, stellt er keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bzw. betreibt er kein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hat er es selbst zu verantworten, wenn er letztlich Säumniszuschläge entrichten muss (OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.03.2011, 9 N 71.10, juris).

81

c) Die Abgabenforderung war auch weder gestundet noch erlassen. Der Kläger war auch säumig, als er die vom Beklagten mit Bescheid vom 13.12.2002 festgesetzten Anschlussbeiträge unstreitig nicht, mithin auch nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet hatte. Denn zur Verwirkung von Säumniszuschlägen bedarf es lediglich der Fälligkeit einer Abgabe. Dies setzt aufgrund der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltenen Regelung nicht die Bestandskraft des Abgabenbescheides voraus. Im Unterschied zu der gegen den Säumniszuschläge festsetzenden Bescheid erhobenen Klage entfaltet ein gegen Anschlussbeitragsbescheide erhobener Rechtsbehelf gemäß § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung, da Anschlussbeiträge öffentliche Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind. Dies sind Leistungen, die ein Hoheitsträger zur Deckung seines Finanzbedarfs kraft seines Hoheitsrechts verlangt (vgl. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 12. Auflage, München 2006, § 80 Rdnr. 19 f.). Auch bei den auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Abgabensatzung erhobenen Anschlussbeiträge für die öffentliche Abwasserentsorgung handelt es sich um eine solche Abgabe und die hiergegen erhobenen Rechtsbehelfe hindern nur (noch) den Eintritt der Bestandskraft der Bescheide. Zur Entstehung von Säumniszuschlägen bedarf es jedoch lediglich der sofortigen Vollziehbarkeit, nicht auch der Bestandskraft des zugrunde liegenden Bescheides.

82

d) Auch die nachträgliche Aufhebung des Beitragsbescheides vom 13.12.2002 (siehe oben 1.) steht der Erhebung von Säumniszuschlägen aus einem Säumnisbetrag i. H. v. 4.600,00 Euro - wie vorstehend erörtert - nicht entgegen. Denn § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bestimmt, dass für den Fall der Aufhebung oder Änderung einer Abgabenfestsetzung bis dahin verwirkte Säumniszuschläge unberührt bleiben.

83

e) Ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken begegnet die Höhe der - nicht verjährten (§§ 13 Abs. 1 Ziffer 5 lit. b), 13a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA, 1 Abs. 3, 3 Abs. 4, 228 ff. AO) - Säumniszuschläge. Insofern ist der Beklagte zu Recht von einem Säumniszeitraum von 70 Monaten ausgegangen und hat dem einen Säumnisbetrag in Höhe von 4.600,00 Euro zugrunde gelegt (4.600,00 € x 70 x 1 vom Hundert).

84

Nicht zu entscheiden war vorliegend, welche Bedeutung einer noch nicht entstandenen sachlichen Beitragspflicht im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung (vgl. OVG Münster, Urt. v. 23.11.2001, 3 A 1928/98 zum Erlass von Aussetzungszinsen beim Nachschieben einer Satzung; juris) zukommen würde. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Bedeutung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (1 BvR 2457/08), wenn aufgrund dieser sowie einer landesrechtlichen Regelung eine erneute Beitragserhebung gegenüber dem Kläger gar nicht mehr möglich wäre.

II.

85

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

86

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

87

Die Berufung war zuzulassen, da das Gericht im Ergebnis von der o. a. Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht für ein im Hoheitsbereich des Beklagten belegenes, seit dem Jahr 1996 angeschlossenes, jedoch erst im Jahr 2002 zu Anschlussbeiträgen herangezogenes Grundstück abweicht, und auch die Frage nach der Fälligkeit eines Anschlussbeitrages bei noch nicht entstandener sachlicher Beitragspflicht als Voraussetzung für die Erhebung von Säumniszuschlägen für das Kommunalabgabenrecht des Landes Sachsen-Anhalt nicht abschließend obergerichtlich geklärt ist.


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 14 Ausnahmen von der Abhängigmachung


Die §§ 12 und 13 gelten nicht,1.soweit dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt ist,2.wenn dem Antragsteller Gebührenfreiheit zusteht oder3.wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder aussichtslos noch mutwillig erscheint und wenn glaubhaft g

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 17 Orientierungswerte für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung


Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen: 1234 BaugebietGrund- flächenzahl (

Abgabenordnung - AO 1977 | § 220 Fälligkeit


(1) Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich nach den Vorschriften der Steuergesetze. (2) Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, so wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig,

Baugesetzbuch - BBauG | § 135 Fälligkeit und Zahlung des Beitrags


(1) Der Beitrag wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheids fällig. (2) Die Gemeinde kann zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall, insbesondere soweit dies zur Durchführung eines genehmigten Bauvorhabens erforderlich ist, zula

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 4 Verweisungen


(1) Verweist ein erstinstanzliches Gericht oder ein Rechtsmittelgericht ein Verfahren an ein erstinstanzliches Gericht desselben oder eines anderen Zweiges der Gerichtsbarkeit, ist das frühere erstinstanzliche Verfahren als Teil des Verfahrens vor de

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Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 11. Apr. 2013 - 9 A 158/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 11. Apr. 2013 - 9 A 158/11 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 30. Jan. 2013 - 4 B 836/12

bei uns veröffentlicht am 30.01.2013

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 2. Der Streitwert wird auf 383,00 Euro festgesetzt. Gründe I. 1 Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf ih

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 10. Okt. 2012 - 1 L 289/11

bei uns veröffentlicht am 10.10.2012

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011 – 3 A 402/10 – wie folgt geändert: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Das Urteil

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 14. Sept. 2010 - 4 K 12/07

bei uns veröffentlicht am 14.09.2010

Tenor Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 2

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Die Grundflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des Absatzes 3 zulässig sind.

(2) Zulässige Grundfläche ist der nach Absatz 1 errechnete Anteil des Baugrundstücks, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf.

(3) Für die Ermittlung der zulässigen Grundfläche ist die Fläche des Baugrundstücks maßgebend, die im Bauland und hinter der im Bebauungsplan festgesetzten Straßenbegrenzungslinie liegt. Ist eine Straßenbegrenzungslinie nicht festgesetzt, so ist die Fläche des Baugrundstücks maßgebend, die hinter der tatsächlichen Straßengrenze liegt oder die im Bebauungsplan als maßgebend für die Ermittlung der zulässigen Grundfläche festgesetzt ist.

(4) Bei der Ermittlung der Grundfläche sind die Grundflächen von

1.
Garagen und Stellplätzen mit ihren Zufahrten,
2.
Nebenanlagen im Sinne des § 14,
3.
baulichen Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche, durch die das Baugrundstück lediglich unterbaut wird,
mitzurechnen. Die zulässige Grundfläche darf durch die Grundflächen der in Satz 1 bezeichneten Anlagen bis zu 50 vom Hundert überschritten werden, höchstens jedoch bis zu einer Grundflächenzahl von 0,8; weitere Überschreitungen in geringfügigem Ausmaß können zugelassen werden. Im Bebauungsplan können von Satz 2 abweichende Bestimmungen getroffen werden. Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festsetzt, kann im Einzelfall von der Einhaltung der sich aus Satz 2 ergebenden Grenzen abgesehen werden
1.
bei Überschreitungen mit geringfügigen Auswirkungen auf die natürlichen Funktionen des Bodens oder
2.
wenn die Einhaltung der Grenzen zu einer wesentlichen Erschwerung der zweckentsprechenden Grundstücksnutzung führen würde.

(5) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festsetzt, darf die zulässige Grundfläche in Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten durch die Grundflächen von Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme aus solarer Strahlungsenergie und Windenergie überschritten werden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011 – 3 A 402/10 – wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldnerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Trinkwasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstück .../..., Flur ..., Gemarkung ... mit einer Größe von 1.777 m², welches an die öffentliche Wasserversorgungsanlage des Wasserzweckverbandes Strelitz angeschlossen ist.

3

Mit Bescheid vom 01. Dezember 2008 zog der Beklagte, ausgehend von einer beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 1.263 m² und einem Vollgeschoss, die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 736,46 EUR heran. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 22. Juli 2009 reduzierte der Beklagte die Beitragsforderung aufgrund einer Änderung des bislang zugrunde gelegten Mehrwertsteuersatzes von 19 % auf 7 % auf 662,19 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010, zugestellt am 26. März 2010, wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

4

Die Klägerin hat am 26. April 2010 Klage erhoben.

5

Sie hat vorgetragen, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Wasserabgabensatzung sei unter Beachtung der neuesten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern unwirksam, da der Tiefenbegrenzungslinie gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) der Satzung nicht die tatsächlichen Verhältnissen zugrunde gelegt worden seien. Fehlerhaft sei auch die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche. Es könne lediglich die Fläche herangezogen werden, die an die Straße angrenze. Beitragspflichtig sei damit eine Fläche von 586 m², so dass sich ein Beitrag von 307,24 EUR errechne. Der Beklagte gehe satzungswidrig von einer Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen aus. Selbst bei Anwendung der Tiefenbegrenzung würde die Fläche nur 939,39 m² betragen, da sich die Parallele am Verlauf der Straße orientieren müsse. Die Klägerin hat insoweit zur Erläuterung auf einen von ihr an den Beklagten übermittelten Flurkartenausschnitt verwiesen; für die weiteren Einzelheiten wird dazu auf den bei den Verwaltungsvorgängen (Beiakte B, Bl. 3) befindlichen Flurkartenausschnitt verwiesen.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 – Az. 1620006 – in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 insoweit aufzuheben, als ein Beitrag von mehr als 307,24 EUR festgesetzt wird.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er hat vorgetragen, dass die in der Verbandsversammlung am 10. August 2011 beschlossene Wasserabgabensatzung eine ordnungsgemäß ermittelte Tiefenbegrenzungsregelung aufweise, und dies unter Vorlage der die Ermittlung und Festlegung der Tiefenbegrenzung betreffenden Dokumente erläutert; für die weiteren Einzelheiten wird auf diese Dokumente, die sich bei der Gerichtsakte befinden, verwiesen. Im Übrigen liege das klägerische Grundstück im unbeplanten Innenbereich und die Grundstücksfläche betrage bei Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung 1.263 m².

11

Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Wasserzweckverband Strelitz am 10. August 2011 seine Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) beschlossen, die am 17. August 2011 ausgefertigt worden ist. Die Satzung ist nach ihrem § 24 Satz 1 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten.

12

Mit dem angefochtenem Urteil vom 07. September 2011, Az. 3 A 402/10, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 aufgehoben, soweit darin ein Beitrag von mehr als 307,24 EUR festgesetzt worden ist. Die zulässige Klage sei begründet. Dem angegriffenen Bescheid fehle die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage. Die am 10. August 2011 beschlossene Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) sei unwirksam. Die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung verstoße, soweit eine Tiefenbegrenzung von 50 m normiert werde, gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG bzw. das darin normierte Vorteilsprinzip. Dieser Verstoß führe zur Unwirksamkeit der Verteilungsregelung und damit zur Unwirksamkeit der Wasserabgabensatzung insgesamt. Die Bestimmung normiere eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung. Ihr Anwendungsbereich beschränke sich nicht auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen, straßennahen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen (sog. „Randlagengrundstücke“). Die Bestimmung finde vielmehr auch auf solche Grundstücke Anwendung, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, im unbeplanten Innenbereich lägen (sog. „zentrale Innenbereichsgrundstücke“). Eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung sei im Anschlussbeitragsrecht zulässig. Sie habe sich zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfinde, stelle die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung stehe dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses ordnungsgemäß ausüben zu können, müsse er die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes sowohl für die ortsübliche Bebauungstiefe als auch für die ggf. einzubeziehende bauakzessorische Nutzung ermitteln. Nach diesen Kriterien entspreche die in der Wasserabgabensatzung festgesetzte Tiefenbegrenzungslinie von 50 m nicht den örtlichen Verhältnissen. So sei bereits die Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe methodisch fehlerhaft. Der Wasserzweckverband Strelitz habe bei den vorliegenden Messdaten zur Ermittlung der ortspezifischen Bebauungstiefe sowohl „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ als auch „Randlagengrundstücke“ berücksichtigt. Dies sei fehlerhaft, denn es widerspreche der Funktion der Tiefenbegrenzung. Auch die „schlichte“ Tiefenbegrenzung diene der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen. Daher könnten nur „Randlagengrundstücke“ für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innenbereich in den Außenbereich übergehen. „Zentrale Innenbereichsgrundstücke“ gäben für diese Frage dagegen nichts her, da sie vollständig im unbeplanten Innenbereich lägen. Der Fehler sei nicht „ergebnisneutral“. Vielmehr begründe die Berücksichtigung von „zentralen Innenbereichsgrundstücken“ bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe die Gefahr einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen. Im Gebiet des Wasserzweckverbandes Strelitz lägen drei Kleinstädte. Angesichts der dort vorhandenen eher kleinteiligen Bebauungsstruktur habe die Berücksichtigung zentraler Innenbereichsgrundstücke die Folge, dass die Zahl der eher weniger tief bebauten Grundstücke zunehme und damit das Gesamtergebnis der Untersuchung dergestalt beeinflusse, dass die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung kleiner ausfalle, als bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von „Randlagengrundstücken“. Sinke aber die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung, so steige bei dieser Sachlage die Anzahl der Grundstücke im zentralen Innenbereich bedenklich, die von der Tiefenbegrenzungsregelung profitierten.

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Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folge und von einer methodisch fehlerfreien Ermittlung der Bebauungstiefe in den einzelnen Messreihen ausginge. Denn in diesem Fall habe der Beklagte die vorliegenden Messergebnisse nicht ermessensfehlerfrei gewichtet. Bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung habe eine wertende Betrachtung zu erfolgen. Der Beklagte habe vorliegend die ortspezifische Grundstückstiefe anhand von 14 repräsentativen Messreihen ermittelt und – unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Tiefe der bauakzessorischen Nutzung von 15 m – die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m festgelegt, d.h. er sei grundsätzlich von einer üblichen Bebauungstiefe in seinem Verbandsgebiet von 35 m ausgegangen. Soweit dem die Überlegung zugrunde liege, die durchschnittliche Bebauungstiefe aller untersuchten Grundstücke betrage 31,59 m, sei dies fehlerhaft. Denn eine Durchschnittsbildung sei mit der erforderlichen Gewichtung nicht zu vereinbaren, weil in den Durchschnittswert regelmäßig auch „Ausreißer“, also Grundstücke mit einer außergewöhnlich großen bzw. geringen Bebauungstiefe einfließen würden, die gerade nicht die „übliche“ Bebauungstiefe widerspiegelten. Zur Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe könne entgegen der Beschlussvorlage vom 11. August 2011 auch nicht darauf abgestellt werden, dass 70,09 % aller Grundstücke im Verbandsgebiet bis zu einer Tiefe von 35 m bebaut worden seien. Denn die reine Addition der Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefen der ermittelten Messreihen gebe regelmäßig keine Auskunft darüber, welche Messreihen eine hinreichend große Gruppe von Grundstücken abbildeten, die eine in etwa gleiche Bebauungstiefe aufwiesen. Die Kammer verkenne nicht, dass die Bewertung der Messreihen im Ermessen des Beklagten stehe, und wolle dieses Ermessen nicht selbst ausüben. Es sei aber kein plausibler Grund für die vom Beklagten vorgenommene Bewertung erkennbar: Entweder man stütze sich auf die Messreihen mit den „zweistelligen“ Vom-Hundert-Sätzen (Messreihen 2 bis 5), dann sei eine Bebauungstiefe von bis zu 30 m ortsüblich, was unter Berücksichtigung der vom Beklagten festgestellten Tiefe der bauakzessorischen Nutzung (15 m) eine Tiefenbegrenzung von 45 m rechtfertigen würde. Oder aber man ziehe den Kreis der berücksichtigungsfähigen Messreihen weiter und berücksichtige zusätzlich die zahlenmäßig etwa gleichstarken Messreihen 6 (31 bis 35 m) und 7 (36 bis 40 m), die 8,93 % bzw. 9,69 % aller Grundstücke beträfen. Dann läge die ortsübliche Bebauungstiefe bei 40 m, was unter Berücksichtigung der Tiefe der bauakzessorischen Nutzung eine Tiefenbegrenzung von 55 m rechtfertigen würde. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil die Berufung wegen grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache zugelassen.

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Das Urteil ist dem Beklagten am 30. September 2011 zugestellt worden. Am 21. Oktober 2011 hat er Berufung eingelegt.

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Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor,

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bei der in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung normierten Tiefenbegrenzungsregelung handele es sich um eine sog. „undifferenzierte“ Tiefenbegrenzungsregelung, die sämtliche Grundstücke im unbeplanten Innenbereich, unabhängig von ihrer Qualität als „Randlagengrundstück“ im Übergangsbereich zwischen Innen- und Außenbereich, betreffe. Das Verwaltungsgericht sei offensichtlich der Auffassung, dass die Tiefenbegrenzungslinie dort zu ziehen sei, wo sich die Bebauung im Sinne einer signifikanten Häufigkeit konzentriere. Diese Erwägung überzeuge nicht. Der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, auch bei der undifferenzierten Tiefenbegrenzung käme es ausschließlich darauf an, festzustellen, wann der Innenbereich in den Außenbereich übergehe, sei unzutreffend. Der Unterschied zwischen der „undifferenzierten“ und der sog. „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung liege gerade darin, dass von der undifferenzierten Tiefenbegrenzung auch die Grundstücke betroffen seien, die sich vollständig im Innenbereich befinden. Würde man der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen und annehmen, dass es auch bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzung ausschließlich um die typisierte Abgrenzung von Innen- und Außenbereich gehe, würden alle Grundstücke, die von der Tiefenbegrenzung betroffen seien, „Randlagengrundstücke“ sein, mit der Folge, dass es einen Unterschied zwischen qualifizierter und undifferenzierten Tiefenbegrenzung nicht gebe. Bei der undifferenzierten Tiefenbegrenzung sei daher nicht die Frage zu beantworten, wann der Innenbereich in den Außenbereich übergehe, sondern wie sich die ortstypische bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke am Maßstab der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB darstelle. Der Beklagte stütze sich dabei auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. September 2004 – 9 C 15.03 –, wonach maßgeblich gerade auf die bauliche Ausnutzbarkeit unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB abgestellt werde. Folgerichtig gehe es bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzungsregelung auch darum zu erkennen, dass der Erschließungsvorteil, dessen Umfang von der zulässigen baulichen Nutzung (Ausnutzbarkeit) abhänge, bei übergroßen Grundstücken im Innenbereich regelmäßig nicht größer sei, als bei den durchschnittlich tiefen Grundstücken eines Abrechnungsgebietes. Hinsichtlich dieses Kriteriums besäßen aber auch die zentral gelegenen Innenbereichsgrundstücke, auch soweit sie vollständig dem Innenbereich zuzuordnen seien, durchaus Aussagepotenzial hinsichtlich der typischen baulichen Ausnutzbarkeit von Innenbereichsgrundstücken. Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge und mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung sei, dass es auch bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzungsregelung um eine Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich gehe, erweise sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, man dürfe methodisch nur die „Randlagengrundstücke“ berücksichtigen, als unzutreffend. Die entsprechende Ermittlung der örtlichen Verhältnisse dürfte dann aber gerade auch dazu dienen, festzustellen, ab wann überhaupt von einem „Randlagengrundstück“ gesprochen werden könne. Wenn die Tiefenbegrenzungslinie den Übergang zwischen dem Innen- und Außenbereich markiere, dann stehe vor Feststellung der örtlichen Verhältnisse noch überhaupt nicht fest, bei welchen Grundstücken in einer Ortslage der Innenbereich in den Außenbereich übergehe. Ohne die erforderlichen Ermittlungen sei daher noch nicht bekannt, welche Grundstücke sogenannte „Randlagengrundstücke“ seien. Es sei schlechterdings nicht möglich, bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse zur Festsetzung einer Tiefenbegrenzungslinie ausschließlich „Randlagengrundstücke“ zu berücksichtigen, weil die Randlage erst das Ergebnis der Ermittlungstätigkeit sei.

17

Soweit das Verwaltungsgericht meint, es sei unzulässig, die Tiefenbegrenzungslinie auf Grundlage eines ermittelten Durchschnittwertes der ortsüblichen Bebauung sowie durch eine Addition der Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefe der ermittelten Messreihen festzusetzen, sei dies ebenfalls nicht überzeugend. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass der beklagte Zweckverband seine Entscheidung, die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung einer bauakzessorischen Nutzung von 15 m anzunehmen, nicht alleine auf die ermittelte durchschnittliche Bebauungstiefe gestützt habe. Vielmehr habe die durchschnittliche Bebauungstiefe dazu gedient, festzustellen, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage hielten, d.h. also, ob die Anzahl der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, der Anzahl der Grundstücke in etwa entspreche, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Für diese Ausgewogenheit habe die durchschnittliche Bebauungstiefe Aussagekraft. Immerhin habe auch das Bundesverwaltungsgericht in der bereits erwähnten Entscheidung hinsichtlich der Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie maßgeblich darauf abgestellt, dass bei Innenbereichsgrundstücken die bauliche Ausnutzbarkeit regelmäßig nicht größer sei als bei den „durchschnittlich“ tiefen Grundstücke eines Abrechnungsgebietes. Um festzustellen, ab wann eine bauliche Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke typischerweise nicht mehr gegeben sei, sei es zudem erforderlich gewesen, gewissermaßen von unten kommend, sämtliche Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefen zu summieren, und so festzustellen, ab wann eine Bebauung nur noch ausnahmsweise stattfinde. Zur Vorteilsgerechtigkeit gehöre, ausreichend Flächen heranzuziehen, um den Beitragssatz möglichst gering zu halten. Vor diesem Hintergrund halte es der Beklagte eben gerade nicht für vorteilsgerecht, beispielsweise die Tiefenbegrenzungslinie im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung bei 45 m zu ziehen, weil hier immerhin noch bei 40 % der untersuchten Fälle eine Bebauung jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Ein Verhältnis von 60 zu 40 stelle noch kein Regel-Ausnahme-Verhältnis dar. Demgegenüber erfasse die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung 70,09 % der untersuchten Grundstücke mit der Folge, dass lediglich bei 30 % der untersuchten Fälle die bauliche Nutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Hierin habe der beklagte Zweckverband unter Ausnutzung des ihm zustehenden weiten Ermessens angenommen, dass an dieser Stelle ein Regel-Ausnahmeverhältnis durchaus angemessen sei und angenommen werden könne. Darin liege auch der sachliche Grund, die Tiefenbegrenzungslinie bei der Messreihe 6 zu ziehen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008, Az. 1620006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 unter Aufhebung des Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011, Az. 3 A 402/10, abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22

Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei im Ergebnis richtig. Selbst bei ermessenfehlerfreier Festsetzung der Tiefenbegrenzungsregelung und damit wirksamer Satzungsgrundlage hätte es der Klage stattgeben müssen, da auch dann die streitgegenständlichen Bescheide in dem angefochtenen Umfang rechtswidrig gewesen wären. In Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung habe die Klägerin aufgrund der nur teilweisen Anfechtung des Beitragsbescheides den Beitrag bereits vollständig entrichtet. Darüber hinaus bestehe keine Beitragspflicht der Klägerin. Hätte der Beklagte auch die Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zur Beitragspflicht unterwerfen wollen, hätte es hierzu einer entsprechenden Satzungsregelung bedurft, wie sie in zahlreichen anderen Beitragssatzungen und der Mustersatzung des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V zu finden sei.

23

Das Verfahren ist in der mündlichen Verhandlung mit dem Verfahren Az. 1 L 27/09 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden.

24

Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakten samt der zu diesen gereichten Behördenakten und auf die beigezogenen Akten des Verfahrens Az. 1 M 91/09 (VG Greifswald Az. 3 B 249/09) nebst Behördenakten, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.

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Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin ist unbegründet; das verwaltungsgerichtliche Urteil war entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der angefochtene Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin folglich nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er kann auf eine wirksame Rechtsgrundlage gestützt werden (1.); auch die Rechtsanwendung ist nicht zu beanstanden (2.).

28

1. Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mangels wirksamer, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KG M-V aber erforderlicher Rechtsgrundlage rechtwidrig. Die am 10. August 2011 beschlossene, am 17. August 2011 ausgefertigte und nach ihrem § 24 Satz 1 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getretene Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) ist wirksam und damit Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides.

29

Die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung von 50 m verstößt entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG bzw. das darin normierte Vorteilsprinzip.

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Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS bestimmt:

31

Als Grundstücksfläche gilt: bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen; bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Im Falle eines Eckgrundstückes ist die Tiefenbegrenzungsregelung in jede Richtung der vorhandenen Anbaustraßen aus zu ziehen.

32

Die in der Vorschrift enthaltene Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m ist nicht zu beanstanden.

33

Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie in Anlage 1 1. A Abs. 1 WAgS geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen. Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise – höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

34

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Es ist darauf abzustellen, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht. Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Gericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen.

35

Bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse ist eine Begrenzung auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt. Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i. S. v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann. Der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB muss nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden, sondern kann je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen (bauakzessorische Nutzung); auch topographische Verhältnisse können dabei eine prägende Rolle spielen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris; Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris; jeweils m. w. N.).

36

Nach Maßgabe dieses Maßstabes liegt der streitgegenständlichen Tiefenbegrenzungsregelung weder eine methodisch fehlerhafte Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe bzw. der diesbezüglichen örtlichen Verhältnisse im Gebiet des Zweckverbandes zugrunde (a) noch hat das satzungsgebende Organ des Wasserzweckverbandes die betreffenden Ermittlungsergebnisse bei seiner Festlegung im Übrigen ermessensfehlerhaft bewertet und gewichtet (b).

37

a) Das Verwaltungsgericht meint, es sei methodisch fehlerhaft gewesen, dass der Wasserzweckverband Strelitz zur Ermittlung der ortspezifischen Bebauungstiefe sowohl „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ als auch „Randlagengrundstücke“ berücksichtigt habe. Dies sei zu beanstanden, weil es der Funktion der Tiefenbegrenzung – der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen – widerspreche. Daher könnten auch nur Randlagengrundstücke für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innenbereich in den Außenbereich übergingen. Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

38

aa) Das Verwaltungsgericht führt zunächst (S. 5 des Urteils) aus, der Anwendungsbereich der Regelung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS beschränke sich nicht auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen, straßennahen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen („Randlagengrundstücke“), vielmehr seien „auch“ solche Grundstücke erfasst, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, im unbeplanten Innenbereich lägen ( „zentrale Innenbereichsgrundstücke“). Von diesem grundsätzlichen Normverständnis ausgehend entwickelt es dann seinen Rechtsstandpunkt, nur die von ihm so bezeichneten Randlagengrundstücke dürften in die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe einbezogen werden.

39

Diesem Rechtsstandpunkt scheint damit eine grundlegende Fehldeutung des Regelungsgehalts der Bestimmung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS zugrunde zu liegen: Anlage 1 Ziff. 1.3 B. c) WAgS findet nicht „auch“, sondern nach seinem klaren Wortlaut („Grundstücken, … die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen“) entweder nur oder jedenfalls vor allem auf solche Grundstücke Anwendung, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, „innerhalb“ des unbeplanten Innenbereichs liegen, daneben allenfalls „auch“ auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen („Randlagengrundstücke“). Das Verwaltungsgericht hat demzufolge in seinem grundsätzlichen Normverständnis den Regelungsgehalt der Bestimmung gewissermaßen in sein Gegenteil verkehrt. Seine methodische Kritik, es könnten nur „Randlagengrundstücke“ für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innen- in den Außenbereich übergingen, verliert den Regelungsgehalt von Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS aus den Augen. Bei zutreffendem Verständnis der Norm betrachtet der Senat daher die Annahme, obwohl sie sich zumindest in erster Linie auf vollständig im Innenbereich belegene Grundstücke bezieht, dürften gerade diese Grundstücke für die Ermittlung der für sie vorgesehenen Tiefenbegrenzungsregelung nicht berücksichtigt werden, als unschlüssig.

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Bleibt man im Übrigen eng am Wortlaut („Grundstücke, … die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen“), folgt daraus ohne Weiteres, dass es definitionsgemäß nach Maßgabe von Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS keine „Randlagengrundstücke“ und/oder „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ geben kann, sondern eben ausschließlich nur innerhalb des Innenbereichs liegende Grundstücke, auf die die Tiefenbegrenzungsregelung Anwendung findet. Entsprechende Regelungen waren ohne Beanstandung insoweit bereits Gegenstand von Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 – und Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 – sowie v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –). Auch dort beschäftigte sich insbesondere der 4. Senat mit den „insgesamt im Innenbereich gelegenen Grundstücken“.

41

bb) Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts stehen im Widerspruch zur Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 03. Mai 2005 – 1 L 268/03 – darauf hingewiesen, dass eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung, die die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegele, auch auf „zentrale“ Grundstücke des unbeplanten Innenbereichs anwendbar sei. Der Senat hat sich dabei auf die erschließungsbeitragsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, BVerwGE 121, 365 – zitiert nach juris) bezogen, wonach es keinen tragfähigen Grund gebe, die entwickelten Grundsätze für eine Tiefenbegrenzung auf einen wie auch immer gearteten „Randbereich“ des unbeplanten Innenbereichs im Übergang zum Außenbereich zu beschränken oder – im Gegenteil – auf diesen Randbereich für unanwendbar zu halten. Wegen entsprechender örtlicher Verhältnisse könne danach die Anwendbarkeit einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung auch auf „zentrale“ Grundstücke mit § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB in Einklang stehen. Dann ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, die „zentralen“ Grundstücke bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse „außen vor zu lassen“.

42

cc) Mit der in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS geregelten Tiefenbegrenzung soll nach dem zutreffenden Vortrag des Beklagten in erster Linie die Frage beantwortet werden, wie sich die ortsübliche bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke am Maßstab der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB darstellt bzw. ab welcher Linie typischerweise „übertiefe“ Grundstücke in ihrem hinteren Teil weder bebaut noch bauakzessorisch genutzt werden können; daneben mag es in Innenbereichsrandlagen auch um die Klärung gehen, ab wo der Innenbereich in den Außenbereich übergeht. Bezogen auf die Frage des beitragsrechtlichen Vorteils können nicht baulich nutzbare – jenseits der ortsüblichen Bebauungstiefe bzw. der hierauf gegründeten Tiefenbegrenzungslinie liegende – Teilflächen „übertiefer“, vollständig im Innenbereich liegender Grundstücke den Außenbereichsteilflächen „übertiefer“ Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, gleichstehen. Entsprechend hat das Oberverwaltungsgericht in den vorstehend in Bezug genommenen Entscheidungen formuliert, die Tiefenbegrenzung sei eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks „Bauland“ ist und jenseits eine bauliche Nutzung nicht mehr stattfinde, damit also das Kriterium der baulichen Nutzbarkeit unterstrichen. Wenn eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt, verstößt es folglich nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und das in § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V normierte Vorteilsprinzip, bei vollständig im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstücken den die Tiefengrenze überschreitenden Grundstücksteilen, soweit sie nicht tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden (können), keinen beitragsrechtlichen Vorteil beizumessen (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, a. a. O.). Insoweit sind die zentral gelegenen Innenbereichsgrundstücke, auch soweit sie vollständig dem Innenbereich zuzuordnen sind, bei der Ermittlung der ortsüblichen bzw. typischen baulichen Ausnutzbarkeit von Innenbereichsgrundstücken heranzuziehen.

43

dd) Vor Feststellung der örtlichen Verhältnisse steht zudem überhaupt noch nicht fest, bei welchen Grundstücken in einer Ortslage im Gebiet des Wasserzweckverbandes der Innenbereich in den Außenbereich überginge. Die Tiefenbegrenzungslinie soll in der Sichtweise des Verwaltungsgerichts gerade erst „vertypt“ die Grenze bestimmen, ab der dies der Fall wäre. Die „Randlage“ wird jedenfalls bei den betreffenden Grundstücken erst durch Ermittlung der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe konkretisiert. Der Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es schlechterdings nicht möglich sei, bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse zur Festlegung einer Tiefenbegrenzungslinie ausschließlich Randlagengrundstücke zu berücksichtigen, weil die Randlage der Grundstücke im konkreten Einzelfall erst das Ergebnis der Ermittlungstätigkeit sei. Wollte das Verwaltungsgericht verlangen, unabhängig von einer Tiefenbegrenzungslinie sei im Vorfeld der eigentlichen Ermittlung derselben zunächst für jedes einzelne Grundstück eine Differenzierung nach zentralen Innenbereichs- und Randlagengrundstücken zu fordern, um dann anschließend nur unter Berücksichtigung der letzteren die tatsächlichen Grundlagen zu ermitteln und die Tiefenbegrenzungslinie festzulegen, ginge im Übrigen jeder Vereinfachungsvorteil derselben verloren.

44

ee) Wenn das Verwaltungsgericht meint, die Berücksichtigung von zentralen Innenbereichsgrundstücken begründe bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe die „Gefahr“ einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen, verkennt dies den skizzierten Regelungsgehalt der konkret in Rede stehenden Tiefenbegrenzungsregelung und erscheint dies zudem spekulativ. Eine „Gefahr“ einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen ist noch keine Feststellung einer solchen und vermag daher die gerichtliche Verwerfung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsfestlegung nicht zu tragen. Auch der weitere Hinweis darauf, dass im Gebiet des Wasserzweckverbandes Strelitz drei Kleinstädte lägen und angesichts der dort vorhandenen „eher“ kleinteiligen Bebauungsstruktur die Berücksichtigung zentraler Innenbereichsgrundstücke die Folge habe, dass die Zahl der „eher“ weniger tief bebauten Grundstücke zunehme und damit das Gesamtergebnis der Untersuchung dergestalt beeinflusse, dass die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung kleiner ausfalle als bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von Randlagengrundstücken, liegt zum einen mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen neben der Sache und lässt zum anderen bereits eine hinreichende Tatsachenbasis und eine hinreichend konkrete Betrachtung der Verhältnisse im Verbandsgebiet bzw. der vorliegenden Ermittlungsergebnisse vermissen. Hierzu bestünde für die Gerichte im Übrigen grundsätzlich auch nur dann Anlass, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen oder geltend gemacht werden, die unter diesem Blickwinkel zur Annahme einer fehlerhaft zusammengestellten Tatsachenbasis für die Ermessensentscheidung führen könnten.

45

b) Der Wasserzweckverband hat – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – die Ergebnisse seiner Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse bei seiner Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m im Übrigen ermessensfehlerfrei bewertet und gewichtet.

46

Er ist bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m wie folgt vorgegangen: Er hat ein Referenz-/Untersuchungsgebiet mit 964 km² Fläche der ländlich geprägten Gesamtverbandsgröße von 984 km² zugrunde gelegt. Ausgewertet wurden insgesamt 5.038 Grundstücke im unbeplanten Innenbereich in drei von drei Kleinstädten sowie 86 von 103 Dörfern. Komplett erfasst wurden 17 von 18 Gemeinden und sechs Ortslagen der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft. Hieraus resultiert die Übersicht „Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie / Zusammenfassung Bebauungstiefe im unbeplanten Innenbereich“, die die Zahl der Grundstücke mit einer bestimmten Bebauungstiefe, gestaffelt in 5 m-Schritten, darstellt. Die ermittelte Bebauungstiefe stellt dabei auf das Ende der tatsächlichen Bebauung ab. Die durchschnittliche Bebauungstiefe wurde mit 31,58 m ermittelt. Unter Einbeziehung einer bauakzessorischen Nutzung von 15 m wurde die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m festgelegt; dabei wurden insgesamt 70,09 % der Grundstücke in dem Sinne erfasst, dass ihre bauliche Nutzung bis an diese Grenze endet. In der Begründung der Beschlussvorlage VB/15/11 ist ausgeführt, dass neben der Bebauungstiefe die sogenannte bauakzessorische Nutzung (Garten, Terrasse, etc.) untersucht und im Verbandsgebiet mit 15 m als ortsüblich festgestellt worden sei. Weiter heißt es:

47

„Unter Berücksichtigung einer der größten Gruppen entsprechenden Bebauungstiefe bis 20 m ergäbe sich unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung eine Tiefenbegrenzungslinie von 35 m. Bei dieser Tiefenbegrenzungslinie würden allerdings lediglich 34,16 % aller Grundstücke erfasst werden. Dies ist eine noch nicht hinreichend große Anzahl von Grundstücken, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie ermöglichen würde.

48

Die Gruppe der Grundstücke, die unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung des Grundstücks von 15 m eine bauliche Nutzung zwischen 45 und 50 Metern aufweist, beträgt 8,93 %. Zieht man unter Einbeziehung dieser Gruppe die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 Metern, wären 70,09 % aller Grundstücke erfasst. Dies ist eine Zahl, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie zulässt. Dafür spricht zudem die Tatsache, dass die durchschnittliche bauliche Nutzung der Grundstücke unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung in dieser Gruppe liegt (46,58 %).“

49

Auf der Basis der Ermittlungen der Bebauungstiefe und der vorstehenden Erwägungen des Wasserzweckverbandes ist ein justitiabler Ermessensfehler bei der Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie auf 50 m nicht feststellbar.

50

Wie bereits ausgeführt geht es bei der Frage der Ortsüblichkeit nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe. Da es zwangsläufig auch Grundstücke mit nicht üblichen Bebauungstiefen gibt, die also nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen, kann für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig ausreichend große Gruppe von Grundstücken maßgeblich sein, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen.

51

Betrachtet man hiervon ausgehend und auf der Grundlage der Übersicht „Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie / Zusammenfassung Bebauungstiefe im unbeplanten Innenbereich“ einen Korridor der tatsächlichen Bebauungstiefe von 21 bis 50 m bzw. – nach Addition der ortsüblichen bauakzessorischen Nutzung – von 36 bis 65 m, also etwa 15 m unter- und oberhalb der normierten Tiefenbegrenzungslinie, lässt sich feststellen, dass mit diesem Korridor eine Gruppe von knapp 56 % aller Grundstücke erfasst ist. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Wasserzweckverband in diesem Bereich eine im vorstehenden Sinne zahlenmäßig ausreichend große Gruppe von Grundstücken, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, verortet hat. Das gilt insbesondere mit Blick auf das ihm für die Festsetzung der Tiefenbegrenzung zustehende normgeberische und weit zu verstehende Ermessen.

52

Auch die Begründung der Beschlussvorlage benennt Kriterien, die entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts geeignet sind, die konkret bei 50 m festgelegte Tiefenbegrenzung ermessensfehlerfrei abzusichern. Insbesondere durfte der Wasserzweckverband auch die durchschnittliche Bebauungstiefe berücksichtigen, die er im Ergebnis seiner Untersuchungen festgestellt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Berechnung einer solchen durchschnittlichen Bebauungstiefe – wie vorliegend mit 5.038 Grundstücken – eine hinreichend große Zahl von Grundstücken zugrunde liegt. Denn damit werden jedenfalls „Ausreißer“ weitgehend nivelliert. Dass die durchschnittliche Bebauungstiefe einen Bezug zur ortsüblichen Bebauungstiefe aufweist, ist aus Sicht des Senats offensichtlich: Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen, jedenfalls dann, wenn eine hinreichend große Zahl von Grundstücken in die Betrachtung einbezogen wird. Nicht unplausibel ist auch der diesbezügliche Vortrag des Beklagten, die durchschnittliche Bebauungstiefe erlaube die Kontrolle, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage hielten, d.h. also, ob die Anzahl der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, der Anzahl der Grundstücke in etwa entspreche, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Für diese Ausgewogenheit habe die durchschnittliche Bebauungstiefe Aussagekraft. Die durchschnittliche Bebauungstiefe kennzeichne nämlich die Linie, bei der sich die Anzahl der Grundstücke, deren bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, mit der Anzahl der Grundstücke, deren bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, decke. Insoweit sei – zumindest als Kontrollüberlegung – eine Bezugnahme auf die durchschnittliche Bebauungstiefe durchaus zulässig. Schließlich hat auch der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 14. September 2010 – 4 K 12/07 – (juris, vgl. Rn. 83) den Gesichtspunkt der durchschnittlichen Bebauungstiefe im Kontext des Erfordernisses der Üblichkeit der Bebauungstiefe als relevant erwähnt.

53

Ebenfalls als nicht ermessensfehlerhaft erweist sich die Berücksichtigung des Umstandes, dass mit der Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m immerhin 70,09 % aller Grundstücke – in dem Sinne, dass dort ihre Bebauung spätestens endet – erfasst würden und dies eine Zahl sei, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie zulasse. Auch dieser Aspekt ist im vorerwähnten Urteil des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts angesprochen worden. Er wird dem Umstand gerecht, dass aus einer ortsüblichen Bebauungstiefe als Basis der Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie zugleich folgt, dass das Eingreifen der Tiefenbegrenzungsregelung nicht der Regelfall sein kann. Wäre dies anders, läge darin ein Anhaltspunkt dafür, dass die ortsübliche Bebauungstiefe nicht korrekt ermittelt worden ist. In diese Richtung zielt auch das Vorbringen des Beklagten, zur Vorteilsgerechtigkeit gehöre, ausreichend Flächen heranzuziehen, um den Beitragssatz möglichst gering zu halten. Vor diesem Hintergrund halte er es für vorteilsgerecht, wenn die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung 70,09 % der untersuchten Grundstücke mit der Folge erfasse, dass lediglich bei 30 % der untersuchten Fälle die bauliche Nutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, und habe unter Ausnutzung des ihm zustehenden weiten Ermessens angenommen, dass an dieser Stelle ein Regel-Ausnahmeverhältnis durchaus angemessen sei und angenommen werden könne. Auch diese Erwägungen erscheinen jedenfalls nicht unplausibel.

54

Das Verwaltungsgericht kann seinerseits nicht überzeugend darlegen, warum die 50 m-Linie ermessensfehlerhaft sein soll. Ihm ist zuzugeben, dass die Tiefenbegrenzungslinie möglicherweise auch anders, z. B. bei 45 m hätte gezogen werden können. Selbst wenn man aber unterstellen wollte, dies wäre „richtiger“ gewesen, könnte dies nicht ohne weiteres damit gleichgesetzt werden, dass die 50 m-Linie vom Zweckverband ermessensfehlerhaft bzw. handgreiflich „falsch“ festgelegt worden wäre. Mit seinen Überlegungen zur Berücksichtigungsfähigkeit einzelner Messreihen beachtet das Verwaltungsgericht den diesbezüglich weiten Ermessensspielraum des Wasserzweckverbandes nicht im ausreichenden Maße.

55

2. Soweit die Klägerin weiter geltend macht, fehlerhaft sei auch die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche, liegt auch kein Rechtsanwendungsfehler vor.

56

Die Klägerin meint, es könne lediglich die Fläche herangezogen werden, die an die Straße angrenze. Der Beklagte gehe demgegenüber fehlerhaft von einer Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele aus. Selbst bei Anwendung der Tiefenbegrenzung würde die Fläche nur 939,39 m² betragen, da sich die Parallele an dem Verlauf der Straße orientieren müsse, die an der Ecke zum Nachbarflurstück 45/5 abknicke.

57

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung satzungskonform. Der Wortlaut der Bestimmung gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die berücksichtigungsfähige Fläche – auch – durch eine vom Endpunkt der Grundstücksstraßengrenze ausgehenden gedachten Senkrechten zur Straße zu begrenzen wäre. Der Wortlaut – „die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen“ – führt vielmehr zwanglos auf das Normverständnis des Beklagten, die gesamte Grundstücksfläche zwischen diesen Parallelen zu berücksichtigen, auch wenn im rückwärtigen Bereich Flächen erfasst werden, die ihrerseits nicht mehr „auf der Höhe“ der Grundstücksgrenze bzw. zwischen den beiden Endpunkten der Grundstücksstraßengrenze lägen sich also das Grundstück im rückwärtigen Bereich verbreitert. Systematisch wird das Normverständnis des Beklagten auch dadurch gestützt, dass nach der Tiefenbegrenzungsregelung bei Grundstücken, die nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen als Grundstücksfläche gilt. Auch dort ist offensichtlich die berücksichtigungsfähige Fläche nicht auf die Breite des betreffenden Weges beschränkt. Schließlich erschiene es vorteilswidrig, dergleichen rückwärtige Flächen unberücksichtigt zu lassen, wenn ihre bauliche Nutzung gerade ortsüblich ist. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, einen Unterschied zwischen der auf der einen und der auf der anderen Seite der gedachten Senkrechten liegenden Fläche zu machen. Die hilfsweise Argumentation der Klägerin, jedenfalls müsse sich die Parallele auf der gesamten Breite ihres Grundstücks am Verlauf der Straße orientieren, überzeugt ebenfalls nicht. Auch insoweit ist der Wortlaut der Bestimmung eindeutig, wonach die Parallele zur jeweiligen Straßengrenze zu ziehen ist. Die Parallele wird folglich nur zu der konkret vorhandenen Straßengrenze gezogen. Soweit das Grundstück der Klägerin im rückwärtigen Bereich über diese konkrete Grenze hinaus eine der Straße zugewandte Grundstücksseite aufweist, grenzt es gerade nicht an die Straße an. Die weitere Regelungsalternative der Tiefenbegrenzungsbestimmung – „bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen“ – ist jedenfalls im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin nicht einschlägig, ebenso wenig die Regelung für Eckgrundstücke. Soweit der Abwasserbeseitigungszweckverband Tollensesee möglicherweise einer gleichlautenden Bestimmung ein anderes Normverständnis zugrunde legt, ist dies vorliegend rechtlich nicht von Bedeutung.

58

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

59

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

60

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 23. Dezember 2009 wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück 48) mit einer Größe von 11.000 qm. Er ist für sein im Bereich des beklagten Verbandes liegendes Grundstück bisher nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden.

2

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss am 4. Dezember 2006 die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz (TBS). Die Satzung wurde am 14. Dezember 2006 von der Verbandsvorsteherin ausgefertigt und am 6. Januar 2007 öffentlich bekanntgemacht. Am 5. November 2007 beschloss die Verbandsversammlung die Erste Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz. Diese Satzung wurde am 15. November 2007 ausgefertigt. Sie ändert die in § 4 d) TBS enthaltene Regelung über die Tiefenbegrenzung von im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegenden Grundstücken. Der dem Satzungsbeschluss zugrundeliegenden Vorlage (Nr. 09-1/2007) beigefügt war eine fünfseitige "Dokumentation der Ermessenserwägungen bezüglich Auswahl, Ermittlung und Festsetzung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern". Mit der am 21. Dezember 2009 beschlossenen und am 23. Dezember 2009 ausgefertigten Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung wurde § 5 TBS dahingehend geändert, dass der Beitragssatz je Quadratmeter bevorteilter Grundstücksfläche nicht mehr wie zuvor 6,- Euro einschließlich Umsatzsteuer, sondern nunmehr 5,04 Euro zuzüglich gesetzlich geltender Umsatzsteuer beträgt.

3

Der Antragsteller hat am 15. Juni 2007 einen Normenkontrollantrag gegen die Schmutzwasserbeitrags- und die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners gestellt (4 K 10/07). Mit Beschluss vom 10. Juli 2007 hat der Senat das Verfahren gegen die Trinkwasserbeitragssatzung abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen weitergeführt.

4

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor:

5

Die Kalkulation des in § 5 TBS bestimmten Beitragssatzes sei zu beanstanden. Der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes identisch. In der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über kostenlos übernommenes Vermögen. Nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Einrichtung zuzurechnen seien. Unterlagen hierzu seien den Beitragsunterlagen nicht zu entnehmen. Auch der Umfang der Gesamtinvestitionen von 18.081.197,- € sei nicht nachvollziehbar. Es sei unklar, inwieweit es sich um Nettobeträge handele. Der Anlagespiegel sei nicht nachvollziehbar. Es gebe begründete Anhaltspunkte dafür, dass Aufwand für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten in die Kalkulation einbezogen worden sei. Beispielhaft werde auf die Positionen 60721950022, 6072192002 und 0560110 hingewiesen. Fraglich sei, ob der Aufwand für früher hergestellte Hausanschlüsse zu Recht in die Beitragskalkulation eingestellt worden sei. Die zur Beschlussfassung vorgelegten Kalkulationsunterlagen enthielten unterschiedliche Aussagen zum Zeitraum der Globalkalkulation. Die korrekte Berechnung der beitragsfähigen Flächen werde bestritten. Den Vertretern in der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 4. Dezember 2006 die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll entnommen werden. Gleiches gelte für die Beschlussfassung über den geänderten Beitragssatz in der Verbandsversammlung vom 21. Dezember 2009. Der an diesem Tage beschlossenen Änderung (§ 5 TBS) hätte aufgrund verschiedener mittlerweile eingetretener Veränderungen auf der Flächenseite eine neue bzw. überarbeitete Kalkulation, die auch eine Überprüfung der Aufwandsseite erfordert hätte, zugrundegelegt werden müssen. Verschiedene Bestimmungen der Trinkwasserbeitragssatzung seien unwirksam. Den Kreis der Beitragsschuldner erstrecke § 6 Abs. 1 TBS im Widerspruch zu § 7 KAG auf "dinglich Berechtigte". Dies führe zur Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung. Nach § 2 Abs. 1 TBS unterlägen auch Außenbereichsgrundstücke, die bebaut seien und nur angeschlossen werden könnten, ohne bereits angeschlossen zu sein, der Beitragspflicht. Im Außenbereich reiche aber die Bebauung des Grundstücks allein nicht aus, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen. Die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Tiefenbegrenzung von 50 m sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Die durchschnittliche Bebauungstiefe beruhe auf einer fehlerhaften arithmetischen Mittelung der tatsächlichen Bebauung. Die Tiefenbegrenzung entspreche außerdem nicht den örtlichen Gegebenheiten. § 4 Abs. 2 d) TBS leide außerdem darunter, dass danach im Falle einer Zuwegung zum Grundstück die Grundstücksfläche beginnend vom Ende der Zuwegung bis zu einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zu messen sei und die Zuwegung somit flächenmäßig unberücksichtigt bliebe. Nach § 4 Abs. 2 b) TBS würden die Grundstücke, die im Plangebiet liegen und in den Außenbereich übergehen, gegenüber vollständig im Außenbereich liegenden Grundstücken ungerechtfertigt bessergestellt. Nach § 4 Abs. 2 g) TBS komme auf privaten Grünflächen und Parkplätzen trotz bauakzessorischer Nutzung eine Beitragserhebung nicht in Betracht. Dies sei nicht vorteilsgerecht. § 4 Abs. 5 TBS sei gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als gemäß der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen könnten baurechtlich ebenfalls zu Wohn- und gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse zu werten seien. Abweichend von anderen Beitragssatzungen enthalte § 4 Abs. 5 TBS keinerlei Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss, die eine Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren. Ein sachlicher Grund für diese weitgehende Regelung zum Vollgeschossmaßstab bestehe nicht.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam zu erklären.

8

Der Antragsgegner beantragt,

9

den Antrag abzuweisen.

10

Er tritt den Einwänden des Antragstellers in allen Punkten entgegen. Insbesondere die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Regelung über die Tiefenbegrenzung für sogenannte Übergangsgrundstücke sei nicht zu beanstanden. Die Festlegung der qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern entspreche den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 13 AGGerStrG statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).

13

I. Der Antrag ist fristgerecht nach § 47 Abs. 2 Satz 1, § 195 Abs. 7 VwGO binnen eines Jahres nach Bekanntmachung der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung bei Gericht eingegangen. Die Satzung ist in ihrer ursprünglichen Fassung am 6. Januar 2007 veröffentlicht worden. Der Normenkontrollantrag wurde am 15. Juni 2007 gestellt.

14

Änderungen oder Neuregelungen der angegriffenen Rechtsvorschrift setzen die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf, wenn mit ihnen eine neue oder zusätzliche Beschwer verbunden ist. Ein erneuter Fristenlauf beginnt dann, wenn sich aus der Neuregelung eine neue belastende Wirkung ergibt, z. B. durch das Zusammenwirken mit geänderten anderen Bestimmungen (vgl. OVG Bautzen, 20.08.2008 - 5 D 24/06 -, juris). Die mit der Ersten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 15. November 2007 vorgenommene Änderung der Tiefenbegrenzungsregel nach § 4 Abs. 2 d) TBS hat im Wesentlichen der Klarstellung schon geltenden Satzungsrechts gedient, insbesondere verläuft die Tiefenbegrenzungslinie nach der neuen Regelung unverändert zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Danach hat die Erste Satzungsänderung keinen neuen Fristlauf ausgelöst. Die geänderte Bestimmung ist vielmehr von dem gegen die im Januar 2007 veröffentlichte Ursprungssatzung gerichteten Normenkontrollantrag vom 15. Juni 2007 erfasst.

15

Soweit der Antrag nunmehr auch die Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 und damit § 5 TBS mit dem jetzt geltenden Beitragssatz in Höhe von 5,04 € erfasst, liegt hierin eine in entsprechender Anwendung von § 91 VwGO zulässige Antragsänderung, insbesondere war die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Bekanntmachung der Satzungsänderung noch nicht abgelaufen.

16

Der Antragsteller ist schließlich als noch nicht zu Trinkwasseranschlussbeiträgen herangezogener Eigentümer eines im Verbandsgebiet liegenden Grundstückes antragsbefugt i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Er kann geltend machen, möglicherweise durch die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung in seinen Rechten verletzt zu werden, indem er auf ihrer Grundlage zu Beitragszahlungen durch - bei angenommener Unwirksamkeit der Satzung - rechtswidrige Beitragsbescheide verpflichtet wird.

17

Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag des Antragstellers, die Trinkwasserbeitragssatzung für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmung des § 11 TBS nicht angegriffen ist. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechtes unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, 27.07.2005 - 4 K 4/03 -, KStZ 2006, 156, 157). Durch die Erklärung der Unwirksamkeit der übrigen Satzungsbestimmungen verliert auch die Regelung über die Ordnungswidrigkeiten ihren rechtlichen Gehalt.

18

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Zwar greifen die Einwendungen des Antragstellers ganz überwiegend nicht durch (nachfolgend 1.). Die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 war aber nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insgesamt für unwirksam zu erklären, weil die Tiefenbegrenzungsregelung des § 4 Abs. 2 d) TBS gegen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und den aus dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verstößt, daher unwirksam ist und die daraus folgende Satzungslücke zur Ungültigkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung führt (nachfolgend 2.).

19

Die formelle Ordnungsgemäßheit der Trinkwasserbeitragssatzung hat der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Dem Senat drängen sich entsprechende Mängel nicht auf (vgl. zum Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren OVG Greifswald, 02.06.2004 – 4 K 38/02 -, juris, Rn. 133 = DVBl. 2005, 64 [nur Leitsätze]).

20

1. Die gegen die Gültigkeit der angefochtenen Satzung erhobenen Einwände des Antragstellers treffen ganz überwiegend nicht zu. Dies gilt insbesondere für die auf die Kalkulation des Beitragssatzes zielenden Rügen (nachfolgend a. bis f.). Die gegen die Gültigkeit einzelner Satzungsbestimmungen gerichteten Angriffe führen ebenfalls überwiegend nicht zum Erfolg (g. bis l.).

21

a. Wenn der Antragsteller geltend macht, der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes des Antragsgegners identisch, ist dem nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass bei einer Globalkalkulation nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG der notwendige Aufwand für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung auf der Grundlage der von dem Verband gewählten Wasserversorgungskonzeption zu ermitteln ist (vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2010, § 8 Rn. 678b). Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dies hier nicht geschehen ist.

22

Die Kalkulation des Anschlussbeitrages Trinkwasser nennt einen Investitionszeitraum bis zum Jahre 2020 ("geplante Investitionen von 2006 bis 2020: 18.081.197,- €"). Das Trinkwasserversorgungskonzept des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt-Lübz ("Investitionen Rohrnetz [2006 bis 2020]") sieht Investitionen bis zum Jahr 2018 vor. Für die Jahre 2019 und 2020 ist für Investitionen jeweils der Betrag von 0,- € prognostiziert. Ein Widerspruch zwischen Kalkulation und Trinkwasserversorgungskonzept ist danach nicht zu erkennen. Der Antragsgegner hat zu diesem Einwand des Antragstellers ausgeführt, bei der Überarbeitung des Trinkwasserversorgungskonzeptes im Jahre 2006 habe sich bei der Spezifikation der einzelnen notwendigen Maßnahmen ergeben, dass bei günstigem zeitlichen Verlauf der Investitionen von einer Fertigstellung der Einrichtung bereits im Jahr 2018 auszugehen sei. Da zeitliche Verschiebungen nicht auszuschließen seien, sei auf eine Änderung des Zeitraumes für die Gültigkeit des Trinkwasserversorgungskonzeptes verzichtet worden. Die Kalkulation habe daher den nach dem Trinkwasserversorgungskonzept maßgeblichen Investitionszeitraum zutreffend berücksichtigt.

23

b. Auch der Einwand des Antragstellers führt nicht weiter, in der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über (von der Westmecklenburger Wasser GmbH) bei Errichtung des Verbandes kostenlos übernommenes Vermögen. Die Folge sei, dass möglicherweise nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es trifft zu, dass es nach der Auffassung des Senates dann, wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, rechtlich nicht zulässig ist, für diese Altanlage einen Wert in die Kalkulation einzustellen. Denn bei dem Wert der Altanlage handelt es sich dann nicht um Kosten, die dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden sind. Anderes gilt, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (vgl. OVG Greifswald, 15.11.2000 - 4 K 8/99 -, KStZ 2001, 174, 177). Wenn der Antragsgegner danach aus dem Wert des Anlagevermögens für den Bereich Trinkwasser das kostenlos von "WMW" übernommene Vermögen abzuziehen hatte, so ist das offenbar auch im gebotenen Umfang geschehen. Der Senat hat nach der im gerichtlichen Verfahren abgegebenen plausiblen Erläuterung des Antragsgegners zu dem tatsächlichen Hintergrund des auf Blatt 172 der Verwaltungsvorgänge dargestellten Wertes von 16.283.771,09 € jedenfalls keinen Anlass, an der Richtigkeit des in der Kalkulation abgesetzten Betrages von 14.267.518,75 € zu zweifeln. Nach den Ausführungen des Antragsgegners hat der Verband die Summe der kostenlos übernommenen Anlagegüter aus einer Addition der in den Abschreibungsbuchunterlagen enthaltenen Angaben gewonnen und so einen Wert von vor 1993 angeschafften Gütern von 14.267.518,75 € ermittelt. Diesen Wert hat er anhand einer Obergrenze einer Plausibilitätsüberprüfung unterzogen, indem er ihn einem in der Bilanz zum 31.12.1993 ausgewiesenen übertragenen Gesamtvermögen von 16.283.771,09 € gegenübergestellt hat. Anhand dieser Gegenüberstellung konnte er kontrollieren, ob der Gesamtwert aus den Einzelwerten der Anlagegüter nicht etwa oberhalb des übertragenen Gesamtvermögens lag. Das Gesamtvermögen soll nach der Stellungnahme des Antragsgegners zum einen nicht beitragsfähige Positionen enthalten und zum anderen auch Anlagegüter, die nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung geworden seien. So erkläre sich die Differenz zwischen den beiden Werten. Darin liegt eine nachvollziehbare Begründung für die in den Kalkulationsunterlagen enthaltenen, das übernommene Anlagevermögen betreffenden unterschiedlichen Werte, die an dieser Stelle eine weitere Sachaufklärung nicht erfordert. Ob schließlich der Antragsgegner den Wert von 14.267.518,75 € korrekt ermittelt hat, hatte der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht weiter zu prüfen.

24

c. Der Einwand des Antragstellers, es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen ("Darlehen Investitionen KfW" in Höhe von 588.088,43 €) in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Wasserversorgungseinrichtung zuzurechnen seien, trifft nicht zu. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren Kopien der Beschlüsse seiner Verbandsversammlung vorgelegt, die die Übertragung von vier "KfW-Krediten" für der Wasserversorgung dienende Bauvorhaben in Goldberg und B-Stadt von der Westmecklenburger Wasser GmbH E-Stadt auf den Antragsgegner belegen. Die Summe der dort aufgeführten und in Anspruch genommenen bzw. abgerufenen Kreditbeträge ergibt den in der Kalkulation ausgewiesenen Betrag.

25

d. Der Antragsgegner hat auf den Einwand des Antragstellers, er habe in den beitragsfähigen Aufwand auch Aufwendungen für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten eingestellt, ausgeführt, solche Aufwendungen würden nicht aktiviert, sondern in die laufenden Kosten gebucht und über Gebühren finanziert. Weiteren Anlass zur Prüfung sieht der Senat danach an dieser Stelle ebenfalls nicht. Zu den von Antragstellerseite angesprochenen drei verschiedenen im Anlagespiegel enthaltenen Positionen hat der Antragsgegner erläutert, bei der Position 60721950022 ("Auswechslung Knotenpunkte") handele es sich um die planmäßige Umsetzung des im Trinkwasserversorgungskonzept bezüglich einer veralteten Altanlage vorgesehenen Standards und nicht um Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten. Gleiches gelte für eine unter der Position "05in60110" verzeichnete Baumaßnahme aus dem Jahr 2005 am Reinwasserbehälter im Wasserwerk Herzberg. Hier sei eine als Provisorium anzusehende veraltete Steuerungstechnik in einer seinerzeit kostenlos übernommenen Altanlage durch neue Steuerungstechnik ersetzt worden. Der im Anlagespiegel an der zugehörigen Stelle verwendete Begriff der Sanierung sei insoweit nicht zutreffend. Es handele sich nicht um eine Sanierung neu errichteter Anlagenteile, sondern um die erstmalige Verwirklichung des im Trinkwasserkonzept vorgesehenen Standards. Die Position 6072192002 sei schließlich in den Herstellungsaufwand nicht eingerechnet worden, weil sie zu dem vom Verband kostenlos übernommenen Vermögen gehöre. Danach war auch zu diesen Punkten keine vertiefte Überprüfung angezeigt.

26

Entgegen den Ausführungen des Antragstellers ergibt sich außerdem der Umfang der Gesamtinvestitionen aus dem Trinkwasserkonzept. Hier wird - entgegen dessen Auffassung - auch hinreichend deutlich, dass es sich um Nettoinvestitionen handeln soll.

27

e. Der Antragsteller rügt, den Vertretern der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 21. Dezember 2009 über die Änderung des Beitragssatzes in § 5 TBS (Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung) die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Gleiches gelte für die Beschlussfassung vom 4. Dezember 2006. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll der Verbandsversammlung entnommen werden. Diese Rüge ist unzutreffend.

28

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG, Stand: Juni 2010, § 2 Anm. 8.3.1.2) muss der Verbandsversammlung - neben der Beschlussvorlage über die Satzung - eine (Global-) Kalkulation bei der Beschlussfassung über die Abgabensatzung vorliegen. Wird dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können.

29

Es unterliegt aus Sicht des Senates keinen Zweifeln, dass der Verbandsversammlung in ihrer Sitzung vom 4. Dezember 2006 ebenso wie in der Sitzung vom 21. Dezember 2009 die Kalkulationsunterlagen mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme vorgelegen haben. Das folgt für die Sitzung vom 4. Dezember 2006 aus der wohl nach späterem Abhören des Tonbandmitschnittes am 19. März 2008 gefertigten Ergänzung zum Protokoll der Verbandsversammlung Nr. 02/2006, wonach im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 5 die Verbandsvorsteherin explizit darauf hingewiesen habe, dass zur Beratung alle Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme vorlagen. Diese in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte Protokollergänzung ist als öffentliche Urkunde nach §§ 98 VwGO, 418 ZPO anzusehen, die den vollen Beweis der darin (aufgrund eigener Wahrnehmung, § 418 Abs. 3 ZPO) bezeugten Tatsache begründet, mithin dass der Hinweis durch die Verbandsvorsteherin auf die ausliegenden Kalkulationsunterlagen ergangen ist (vgl. dazu MüKo ZPO, § 418, Rn. 4; Rudisile in: Schoch, VwGO § 98, Rn. 206;). Die Voraussetzungen des § 418 ZPO liegen vor. Die Verbandsversammlung (§§ 155, 156 KV) ist eine öffentliche Behörde i.S.d. Definition der öffentlichen Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO. Als solche Behörden werden nicht nur Verwaltungsbehörden angesehen, sondern die in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügte Organe der Staatsgewalt, die dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein, gleichviel ob das Organ unmittelbar vom Staate oder einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt ist (BGH, 16.10.1963 - IV ZB 171/63 -, BGHZ 40, 225, 228; vgl. OVG Magdeburg, 10.12.1998 - C 2 S 477/96 -, juris: Protokoll über die Sitzung des Gemeinderats ist öffentliche Urkunde, die nach § 418 ZPO den vollen Beweis begründet). Die von Antragstellerseite geäußerte Einschätzung, es sei ungewöhnlich, dass die Protokollergänzung so spät gekommen sei, ist danach unbeachtlich.

30

Damit erweist sich die Rüge fehlender Kalkulationsunterlagen allein als offenbar ungeprüfte und unzutreffende Vermutung. Gleiches gilt für den inhaltlich gleichlautenden, die Sitzung vom 21. Dezember 2009 betreffenden Einwand. Hier ist schon der Sitzungsniederschrift (Verbandsversammlung 03/2009) selbst zu entnehmen, dass die Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme im Präsidium ausgelegen haben. Im Übrigen besteht kein einziger Anhaltspunkt, dass ein Verbandsvertreter Bedarf an einer Einsichtnahme in die Unterlagen geäußert hätte und diese nicht möglich gewesen wäre.

31

f. Wenn weiter eingewandt wird, die dem Beschluss der Verbandsversammlung über die Änderung des Beitragssatzes vom 21. Dezember 2009 zugrundeliegende Kalkulation habe der Antragsgegner nicht ohne Prüfung der Aktualität von Aufwands- und Flächenseite verwenden dürfen, insbesondere seien seit dem Jahre 2006 im Verbandsgebiet verschiedene Flächennutzungs- und Bebauungspläne sowie Abrundungssatzungen in Kraft getreten, so führt auch das nicht zum Erfolg. Der Erlass oder die Änderung solcher Pläne und Satzungen sind mit Blick auf die zahlreichen Gemeinden des gesamten Verbandsgebietes ein permanent stattfindender Vorgang der bauplanungsrechtlichen Fortentwicklung, der zu einer Vergrößerung ebenso wie zu einer Verkleinerung der beitragsrelevanten Gesamtfläche führen kann. Damit zusammenhängende Ungenauigkeiten der Flächenberechnung müssen bei einer gesetzlich zulässigen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG) Globalkalkulation ebenso wie andere mit einer mehrere Jahre in die Zukunft reichenden Investitionsprognose verbundene Schätzungen in Kauf genommen werden. Anderenfalls müsste eine Kalkulation bei jeder Änderung der bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten in einem Teil des Verbandsgebietes überarbeitet werden, um auch minimale Veränderungen der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen. Dies ist aber angesichts der ohnehin nur scheinbar vorhandenen Präzision der Kalkulation (Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 3.4) nicht zu fordern. Vielmehr wird - ohne dass sich der Senat an dieser Stelle mangels Entscheidungserheblichkeit abschließend äußern muss - angesichts der Regelung in § 6 Abs. 2 d) KAG eine Beitragskalkulation grundsätzlich für den Zeitraum von fünf Jahren als hinreichend aktuell angesehen (Aussprung, a.a.O., § 9 Anm. 3.4; vgl. dazu auch OVG M-V, 15.11.2000, a.a.O., 177).

32

Damit reicht allein der Hinweis des Antragstellers auf eine Veränderung bzw. den Erlass von Bebauungsplänen und Abrundungssatzungen nicht aus, um die Aktualität der Globalkalkulation des Antragsgegners in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte dafür, dass dies ausnahmsweise anders gesehen werden müsste, etwa weil besonders intensive Flächenänderungen betroffen wären, die erhebliche Auswirkungen auf die Kalkulation hätten, fehlen im Vortrag des Antragstellers. Solche drängen sich bei der aus dem August 2006 stammenden Flächenkalkulation für den im Dezember 2009 getroffenen Beschluss über den Beitragssatz auch nicht auf.

33

g. § 2 TBS ist nicht im Hinblick auf eine etwaige Beitragspflicht noch nicht angeschlossener bebauter Außenbereichsgrundstücke zu beanstanden. Die Vorschrift lautet:

34

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden können und

35

(a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können, oder

36

(b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinden zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen, oder

37

(c) wenn sie bebaut sind.

38

(2) Wird ein Grundstück an die Trinkwasserversorgung tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen.

(3).....................

39

§ 2 Abs. 1 c) TBS ist nicht so zu verstehen, dass bebaute Außenbereichsgrundstücke, die an die Einrichtung nur angeschlossen werden können, ohne schon angeschlossen zu sein, bereits der Beitragspflicht unterliegen sollen und dass die Bestimmung damit gegen das Vorteilsprinzip nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG verstieße. Mangels Baulandqualität solcher Grundstücke führt bei ihnen allein die Anschlussmöglichkeit noch nicht zu einer gesicherten Vorteilslage (vgl. Klausing in: Driehaus, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1032). Entgegen der Auffassung des Antragstellers zwingt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 TBS nicht zu einer solchen Deutung der Norm, denn er ist nicht in diesem Sinne eindeutig und lässt Raum für eine Lesart, die zu einer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht führt.

40

Sollten schon nichtangeschlossene und nur anschließbare bebaute Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterstellt werden, so müsste die Bestimmung folgendermaßen gelesen werden: "Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die ....angeschlossen werden können und wenn sie bebaut sind". Der Satz müsste dann aber richtigerweise lauten: "...angeschlossen werden können und bebaut sind". Wegen dieser grammatikalischen Ungenauigkeit lässt sich § 2 Abs. 1 TBS auch so verstehen, dass sich die Formulierung unter Buchstabe c) ("wenn sie bebaut sind") allein auf die unter den Buchstaben a) und b) geregelten Fälle festgesetzter oder nach der Verkehrsauffassung bestehender, aber noch nicht verwirklichter Bebaubarkeit bezieht (beplanter bzw. Innenbereich) und sie um die Fälle schon realisierter Bebauung solcher Grundstücke ergänzt. Der von dem Antragsteller angesprochene Fall des angeschlossenen und bebauten Außenbereichsgrundstückes unterfiele dann allein § 2 Abs. 2 TBS. Dass dieses nach dem Wortlaut mögliche Verständnis der Norm vorzugswürdig gegenüber einer Interpretation ist, die zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führt, versteht sich von selbst. Darüber hinaus fügt sich allein die so verstandene Bestimmung auch in das weitere Satzungsgefüge ein. Dies wäre nicht der Fall, wenn man § 2 Abs. 1 c) TBS entnehmen wollte, dass bereits bebaute und nur über eine Anschlussmöglichkeit verfügende Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterfallen sollen. Für solche Grundstücke fehlte es dann nämlich an einem Beitragsmaßstab mit der Folge, dass sie zwar der Beitragspflicht unterstellt würden, letztendlich jedoch überhaupt nicht veranlagt werden könnten. Nach § 4 Abs. 1 TBS ("Beitragsmaßstab") wird der Anschlussbeitrag für die bevorteilte Grundstücksfläche unter Berücksichtigung der Art und des Maßes der Bebaubarkeit des Grundstückes berechnet. Ist eine Grundstücksfläche nicht bevorteilt, wird danach dafür auch kein Beitrag berechnet. Das trifft aber auf mit noch nicht angeschlossenen Baulichkeiten bebaute Außenbereichsgrundstücke mangels gesicherter Vorteilslage zu. Damit übereinstimmend regelt § 4 Abs. 2 i) TBS, dass bei bebauten Grundstücken im Außenbereich der mit 0,2 vervielfachte Teil der Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten als Grundstücksfläche gilt. Ohne bereits angeschlossene Baulichkeiten errechnet sich danach keine unter Geltung des Grundstücksflächenmaßstabes für die Beitragserhebung erforderliche Grundstücksfläche.

41

h. Der Antragsteller meint, § 4 Abs. 2 b) TBS ordne für Grundstücke, die im Bereich eines Bebauungsplanes liegen und über die Grenzen des Bebauungsplanes hinausreichen, für den Außenbereichsteil die Geltung der Grundstücksfläche im Umfang der Grundfläche der Baulichkeit an. § 4 Abs. 2 i) TBS bestimme hingegen für ganz im Außenbereich liegende bebaute Grundstücke die durch die GRZ 0,2 geteilte Grundfläche als beitragspflichtige Fläche. Hierin sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erkennen. Das trifft nicht zu.

42

§ 4 Abs. 2 b) TBS enthält entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Auffassung keine Regelung für Grundstücke, die teils im Gebiet eines Bebauungsplanes und teils im Außenbereich liegen. Die Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die Fläche außerhalb des Plangebietes baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Die Möglichkeit einer baulichen Nutzung besteht jedoch für Außenbereichsflächen grundsätzlich nicht. Der Außenbereich ist nach § 35 Abs. 2 BauGB grundsätzlich unbebaubar (Battis/Krautzberger/Löhr, 11. Aufl., Vorb §§ 29-38, Rn. 5). Befindet sich ein Gebäude auf einer Außenbereichsfläche, so mag dieses Bestandsschutz genießen und als solches genutzt werden können. Damit ist jedoch nicht zugleich die Außenbereichsfläche selbst baulich nutzbar. Würde das Gebäude zerstört, dürfte es im Grundsatz wegen seiner Lage im Außenbereich nicht wieder aufgebaut werden (vgl. BVerwG, 20.09.1974 - IV C 70.72 -, DÖV 1975, 104, 105).

43

Damit ist § 4 Abs. 2 i) TBS alleinige Norm zur Berechnung der Grundstücksfläche bei bebauten und angeschlossenen Grundstücken im Außenbereich. Der von Antragstellerseite gerügte Konflikt mit § 4 Abs. 2 b) TBS besteht nicht.

44

Die von Antragstellerseite monierte Ungleichbehandlung führte aber auch nur dann zum Fehlen einer erforderlichen Maßstabsregelung, also einer Satzungslücke und somit zur Nichtigkeit der Satzung, wenn es im Verbandsbereich überhaupt vom Bebauungsplanbereich in den Außenbereich übergehende Grundstücke gäbe. Nur dann könnte sich eine nichtige Maßstabsregelung vor dem Hintergrund des im Recht der leitungsgebundenen Einrichtung geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit als rechtlich problematisch darstellen und ggf. zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt führen (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004 - 4 K 34/02 -, juris, NordÖR 2004, 417[nur Leitsätze]). Der Antragsgegner hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, es gebe in seinem Verbandsgebiet keine Veranlagungsfälle, bei denen einzelne Buchgrundstücke über die Bebauungsplangrenze hinausreichten, direkt in den Außenbereich übergingen und trotz vorhandener Baulichkeiten nicht dem unbeplanten Innenbereich zuzurechnen wären.

45

i. Die § 4 Abs. 2 d) Satz 2 TBS betreffende Rüge des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller meint, dass danach bei von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffenen sogenannten "Pfeifenstielgrundstücken" die Zuwegung zum Grundstück bei der Berechnung des Beitrages außer Betracht bleibe, was mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sei. Wegeflächen auf Grundstücken müssten bei der Kalkulation in vollem Umfang berücksichtigt werden.

46

Die Vorschrift lautet:

47

"Als Grundstücksfläche gilt:

d) bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen."

48

Die Bedenken des Antragstellers sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenlinie, indem insoweit der Abstand von 50 Metern erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Bei "Pfeifenstiel-" bzw. "Zuwegungsgrundstücken" wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 50 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung - anders als der Antragsteller meint - in die beitragspflichtige Fläche.

49

j. Die Rüge, § 4 Abs. 2 g) TBS sei nicht vorteilsgerecht, greift nicht durch. Die Bestimmung lautet:

50

"bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden (z.B. Schwimmbäder, Camping- und Sportplätze), die Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl (GRZ) 0,2. Die unter Berücksichtigung des Maßes der Nutzung ermittelte Fläche wird den betreffenden Gebäuden so zugeordnet, dass ihre Grenzen jeweils im gleichen Abstand von den Außenwänden der Gebäude verlaufen. ..."

51

Nach Auffassung des Antragstellers blieben danach bauakzessorisch genutzte private Grünflächen oder private Parkplätze beitragsfrei, da sich auf diesen Flächen üblicherweise keine an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten befänden. Gleiches gelte, wenn in einem Bebauungsplan für Teilflächen eines Buchgrundstückes sowohl eine sonstige Nutzung ohne Bebauung als auch eine andere Teilfläche "Bebauung" geplant sei. Bei konsequenter Anwendung der Vorschrift wäre die Folge, dass trotz der Bebaubarkeit nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes nur die Grundfläche des an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Gebäudes geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2 als Grundstücksfläche beitragsfähig wäre. Dies sei nicht vorteilsgerecht.

52

Dem ist nicht zu folgen.

53

Im Anschlussbeitragsrecht ist im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007 - 1 L 256/06 - (Volkswerft), NordÖR 2008, 40, 41; 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, DÖV 2004, 259, 260). Unter "Grundstück" ist danach derjenige katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Grundbuch unter einer besonderen Nummer eingetragen ist. Diese vom Bundesverwaltungsgericht im Erschließungsbeitragsrecht vertretene Rechtsansicht (vgl. etwa BVerwG, 12.12.1986 - 8 C 9.86 -, NVwZ 1987, 420) gilt auch für das Recht der leitungsgebundenen Anlagen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Für die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage der beitragsrechtlich maßgeblichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes, insbesondere die Frage, ob das gesamte Grundstück oder nur Teile baulich nutzbar sind, muss ebenfalls grundsätzlich die (gesamte) Fläche des im Bereich eines Bebauungsplanes nach § 30 BauGB oder vollständig im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB liegenden Buchgrundstückes betrachtet werden. Eine Unterteilung des Grundstückes nach verschiedenen Nutzungsarten (Bauland, Parkplatz, Grünfläche etc.) scheidet - von Ausnahmen abgesehen - aus. Für die Frage der Baulandeigenschaft des Grundstückes ist dessen gesamte Fläche einheitlich und nicht nach Grundstücksteilen getrennt zu betrachten, obgleich so gut wie nie die gesamte Fläche der baulichen (oder sonstwie beitragsrechtlich relevanten) Nutzung zugeführt werden bzw. voll überbaut werden darf. Denn die Zulässigkeit einer Bebauung setzt zumeist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraus, für die Ausführbarkeit eines Bauvorhabens muss daher in der Regel mehr an Fläche zur Verfügung stehen, als für die bauliche Anlage als solche benötigt wird. Baulinien, Baugrenzen, Abstands- und Anbauverbotsvorschriften sind für den Umfang der zu berücksichtigenden Grundstücksfläche ebenso ohne Belang wie bauplanungsrechtliche Festsetzungen von Grundstücksteilen als private Grünfläche (BVerwG, 29.11.1994 - 8 B 171/94 -, NVwZ 1995, 1215, 1216; vgl. Klausing in: Driehaus, a.a.O., § 8, Rn. 1029). Anderes gilt nur, wenn ein Grundstücksteil einer privaten Nutzung durch den Eigentümer - wie etwa bei der Festsetzung als öffentliche Grünfläche - schlechthin entzogen ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 8).

54

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass § 4 Abs. 2 g) TBS eine von diesen Maßstäben abweichende Regelung treffen will. Wird demnach ein im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplanes oder vollständig im Bereich nach § 34 BauGB liegendes baulich nutzbares Grundstück in Teilen auch "sonstig" i.S.v. § 4 Abs. 2 g) TBS genutzt, so bleibt es für die Frage der Baulandqualität bei der gesamten Grundstücksfläche. Nur wenn das Grundstück ausschließlich im in § 4 Abs. 2 g) TBS angesprochenen Sinne nutzbar ist oder im Bereich nach § 34 BauGB in dieser Weise genutzt wird, gilt der dort geregelte Maßstab für die "sonstige Nutzung". Ein Verstoß gegen das Vorteilsprinzip kann daher nicht gesehen werden.

55

k. § 4 Abs. 5 TBS ist nicht zu beanstanden. Die im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 und 4 TBS stehende Bestimmung lautet:

56

(Abs.3) Zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung wird die Fläche nach Abs. 2 mit einem Vom-Hundert-Satz für jedes Vollgeschoss wie folgt bewertet:

a) für das erste Vollgeschoss 25 %,

b) für jedes weitere Vollgeschoss 20 % der Grundstücksfläche nach Absatz 2

57

(Abs. 4) Als Zahl der Vollgeschosse gilt:

a) soweit ein B-Plan besteht, die hier festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse,

b) soweit kein B-Plan besteht oder in einem B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist:

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

- bei genehmigten Vorhaben die Zahl der genehmigten Vollgeschosse,

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.

58

(Abs. 5) Als Vollgeschoss gelten alle Geschosse, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern Vollgeschosse sind. Bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen gemäß der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern nicht erreicht werden.

59

Der Antragsteller hält § 4 Abs. 5 TBS für gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Die Vorschrift sei daher unbestimmt, und es bliebe letztlich der Entscheidung des rechtsanwendenden Sachbearbeiters überlassen, wie die zahlreich vor 1994 errichteten Gebäude zu veranlagen seien. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei auch nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Diesen Einwänden vermag der Senat nicht zu folgen.

60

§ 4 Abs. 5 TBS ist nicht unbestimmt. Einer Norm - auch einer Bestimmung in einer kommunalen Beitragssatzung - fehlt nicht deshalb die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit oder Klarheit, weil sie der Auslegung bedarf. Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Das Gebot der Bestimmtheit darf nicht übersteigert werden, weil die Normen sonst starr und kasuistisch würden und der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten. Es ist deshalb ausreichend, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann. Dabei ist die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Gesetzgebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat (BayVerfGH, 22.06.2010 - Vf. 15-VII-09 -; juris; OVG Weimar, 18.12.2000 - 4 N 472/00 -, LKV 2001, 415ff; BVerwG, 14.12.1995 - 4 N 2/95 -, NVwZ-RR 1996, 429). Im Interesse der Normerhaltung kann eine Bestimmung nur dann für nichtig gehalten werden, wenn keine nach anerkannten Auslegungsregeln zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende, insbesondere den Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelung mit berücksichtigende Auslegung möglich ist (BVerwG, 20.08.2003 - 6 CN 5/02 -, juris; 15.12.1993 - 6 C 20/92 -, BVerwGE 94, 352, 358).

61

Danach kann § 4 Abs. 5 TBS in einer Weise ausgelegt werden, die auch im Satzungstext hinreichend deutlich ihren Ausdruck findet. Die Vorschrift für unbestimmt zu halten oder anzunehmen, sie treffe für Bauwerke, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtet worden sind, im Hinblick auf die Anforderungen an deren Geschosshöhen überhaupt keine Regelung, sodass der Rechtsanwender nicht mehr in der Lage sei zu erkennen, was der Satzungsgeber für diese Fälle bestimmt habe, geht fehl.

62

Der Sinn der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS, wonach bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, die Mindesthöhen nach der Landesbauordnung nicht eingehalten werden müssen, ist in ausreichend deutlicher Weise der Regelungssystematik des in § 4 Abs. 3 bis 5 TBS bestimmten Vollgeschossmaßstabes zu entnehmen. Zur Ermittlung der für den Anschlussbeitrag maßgeblichen Grundstücksfläche (§ 4 Abs. 1 TBS) ist die nach § 4 Abs. 2 TBS ermittelte Fläche nach § 4 Abs. 3 TBS für das erste Vollgeschoss mit 25% und für jedes weitere Vollgeschoss mit 20% zu bewerten. Nach § 4 Abs. 4 b) TBS gilt, soweit kein Bebauungsplan besteht oder in einem solchen Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist, bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Absatz 5 des § 4 TBS schließlich regelt, dass als Vollgeschoss alle Geschosse gelten, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Vollgeschosse sind. Das sind nach § 2 Abs. 6 LBauO v. 26. April 1994 (GVOBl. 1994, 518) Geschosse, die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder, wenn kein darunterliegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ähnliches gilt nach § 87 Abs. 2 LBauO v. 18. April 2006 (GVOBl. 2006, 102), wonach die Geschosse über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben müssen, was auch schon nach § 2 Abs. 4 Gesetz über die Bauordnung v. 20. Juli 1990 (Gesetzblatt Teil I 1990, 929) geltendes Recht war (vgl. zur Legaldefinition des Vollgeschosses OVG Greifswald, 11.10.2007 - 3 M 169/07 -, LKV 2008, 421).

63

Wenn der Satzungsgeber vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen anordnet, dass für die Bewertung von Gebäuden, die vor Inkrafttreten der den Beurteilungsmaßstab für Vollgeschosse enthaltenden Rechtsvorschrift errichtet worden sind, die Anforderungen dieser Vorschrift nicht gelten sollen, so ist dem ohne Weiteres der Sinn zu entnehmen, dass für diese Gebäude - was die Mindesthöhe der Geschosse anbelangt - ein weniger strenger Begriff des Vollgeschosses gelten soll. Denn ordnete die Satzung auch für solche früher errichtete Gebäude den Vollgeschossmaßstab nach der Landesbauordnung an, so könnte der Fall eintreten, dass ein solches Gebäude allein deshalb, weil seine Geschosshöhen die an ein "Vollgeschoss" zu stellenden Voraussetzungen nicht erfüllen mussten und nicht erfüllten, obwohl es wie ein neueres Gebäude mit nach der Landesbauordnung vorgeschriebenen Geschosshöhen genutzt wird, vorteilswidrigerweise zu gering oder überhaupt nicht veranlagt wird, weil es keine Vollgeschosse i.S.d. Landesbauordnung, sondern nur niedrigere Geschosse aufwiese. Die Regelung will demnach verhindern, "Altbauten" wegen der Maßgeblichkeit der Anzahl der Vollgeschosse besser zu stellen, wenn sie die für Vollgeschosse geltenden Mindesthöhen der Landesbauordnung nicht erreichen. Da der vom Maß der Nutzung abhängige wirtschaftliche Vorteil bei Vollgeschossen einerseits und bei Geschossen unterhalb der Vollgeschossigkeit andererseits annähernd gleich ist (OVG NW, 29.08.2000 - 15 A 4178/00 -, juris, Rn. 4) verstieße das - wenn es denn solche Gebäude im Verbandsgebiet gäbe - gegen das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG geltende Vorteilsprinzip, wonach die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen sind.

64

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS ist zu entnehmen, dass sich für früher errichtete Gebäude die Qualifizierung als für die Flächenberechnung (§ 4 Abs. 3 TBS) relevantes Geschoss nach den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Anforderungen bestimmen soll. Dies findet in dem Satzteil "..., die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden,..." hinreichend Ausdruck. Eine andere sinnvolle Interpretation der Norm bietet sich nicht an. Insbesondere scheidet eine Deutung aus, die quasi am Buchstaben des § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS haftete. Bei einer solchen Interpretation müssten die Mindesthöhen der Landesbauordnung nur dann nicht eingehalten werden, wenn das Gebäude vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet worden ist. Das hieße, dass Gebäude, die unter Missachtung der seinerzeitigen rechtlichen Anforderungen errichtet worden sind, nicht unter die Freistellung von den Mindesthöhen nach der Landesbauordnung fielen mit der Folge, dass für sie der Vollgeschossbegriff der Landesbauordnung anzuwenden wäre. Dann könnten Grundstücke mit solchen "illegalen" Gebäuden mangels Erreichen der Mindestgeschosshöhe nicht in vorteilsgerechtem Maße oder sogar überhaupt nicht herangezogen werden. Dies widerspräche dem Willen des Satzungsgebers, möglichst vorteilsgerechte Ergebnisse auch bezüglich der "Altbauten" zu erzielen.

65

Die Bestimmung kann auch nicht - wie der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts E-Stadt vom 22. Januar 2010 (- 8 A 1364/09 -, Urteilsabdruck, S. 6) meint - deshalb beanstandet werden, weil danach satzungsrechtliche Einschränkungen für die Anrechenbarkeit von Dachräumen mit schrägen Wänden fehlten und Altbauten deshalb ohne hinreichenden sachlichen Grund in höherem Maße als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen würden. Diese Erwägung ist nicht zwingend. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS befreit lediglich von der Geltung der für Vollgeschosse vorgesehenen Mindesthöhen. Das Kriterium nach den oben genannten Bestimmungen der verschiedenen Landesbauordnungen, wonach die Mindesthöhe auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder der eigenen Grundfläche des Geschosses (vgl. § 2 Abs. 6 LBauO 1994) vorliegen muss, wird von § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht berührt. Somit gilt auch für Dachgeschosse älterer Gebäude, dass die seinerzeitigen Anforderungen an die Mindesthöhe von Vollgeschossen bzw. von nach der beitragsrechtlich relevanten Nutzung her nicht anders zu behandelnden "Geschossen" gleichermaßen wie für Dachgeschosse von Neubauten auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses vorliegen müssen. Ein Dachraum in einem unter Geltung der Deutschen Bauordnung (DBO) vom 2. Oktober 1958 errichteten Gebäude muss danach eine lichte Höhe von 2,20 m (vgl. §§ 93c, 366 Abs. 2 DBO) über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses haben, um als Vollgeschoss i.S.v. § 4 Abs. 3 bis 5 TBS zu zählen.

66

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Bestimmung schon vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtete Gebäude von der Geltung der dort geregelten Mindesthöhen ausnimmt, obwohl auch nach dem zuvor geltenden Gesetz über die Bauordnung dieselbe Mindesthöhe einzuhalten war (so aber VG Greifswald, 28.04.2010 - 3 A 1398/07 -, Urteilsabdruck, S. 5 zu einer vergleichbaren Satzungsregelung). Wie oben ausgeführt ist nach § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS für ältere Gebäude hinsichtlich der Mindesthöhe der Räume das seinerzeitige Recht anzuwenden, sodass für unter Geltung des Gesetzes über die Bauordnung errichtete Gebäude ebenfalls die nach den späteren Fassungen der Landesbauordnung vorgesehene Mindesthöhe (2,30 m) zugrundezulegen ist. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS bleibt insoweit ohne rechtliche Bedeutung.

67

Wenn § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS danach im Einzelfall eines älteren Gebäudes nicht einfache Fragen nach den früheren rechtlichen Anforderungen an die Errichtung baulicher Anlagen in Bezug auf die Mindesthöhe von Geschossen aufwerfen kann und sich sein Regelungsgehalt erst aufgrund einer Auslegung der Norm vollständig erschließt, so kann darunter womöglich eine reibungslose Anwendung der Bestimmung im Einzelfall leiden. Eine Unwirksamkeit der Norm und damit womöglich der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Im Übrigen weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht auf sämtliche vor 1994 errichtete Gebäude Anwendung findet, sondern sich ihre Geltung auf solche Gebäude beschränkt, deren Geschosse niedriger als 2,30 m sind.

68

l. § 6 Abs. 1 TBS verstößt zwar gegen § 7 Abs. 2 KAG, soweit neben dem Eigentümer des Grundstückes der zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigte als Beitragsschuldner bezeichnet wird. Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung. § 6 Abs. 1 TBS lautet:

69

"Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes oder zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigter ist. Bei einem erbbaubelasteten Grundstück ist der Erbbauberechtigte an Stelle des Eigentümers Beitragsschuldner. Ist das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet, so ist der Inhaber dieses Rechtes anstelle des Pflichtigen nach Satz 1 oder Satz 2 beitragspflichtig."

70

Damit bestimmt § 6 Abs. 1 TBS auch den zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigten zum Beitragspflichtigen, obwohl nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG, von dem Sonderfall des Inhabers eines Gewerbebetriebes im Zusammenhang mit § 8 Abs. 7 KAG abgesehen, allein der Eigentümer des bevorteilten Grundstückes Beitragspflichtiger ist. Dieser wird nach § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG nur im Falle eines erbbaubelasteten Grundstückes durch den Erbbauberechtigten als Beitragspflichtigen ersetzt und nach Satz 4 dieser Bestimmung im Falle der Belastung des Grundstückes mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 EGBGB durch den Inhaber dieses Rechts. Weitere dinglich Berechtigte scheiden nach den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes daher, anders als noch nach § 8 Abs. 10 KAG in der Fassung vom 1. Juni 1993, als Beitragspflichtige aus. § 6 Abs. 1 TBS geht unzulässigerweise darüber hinaus.

71

Dieser Fehler führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung. Zwar gehört die Bestimmung des Kreises der Abgabenschuldner zu dem in § 2 Abs. 1 KAG geregelten notwendigen Umfang einer Abgabensatzung. Hier ist aber § 6 Abs. 1 TBS trotz des angesprochenen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 KAG nur teilnichtig, denn die Norm bleibt auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll, insbesondere umfasst der Restbestand der Bestimmung den von § 2 Abs. 1 KAG erforderten Mindestinhalt, und es ist anzunehmen, dass der Antragsgegner § 6 Abs. 1 TBS auch ohne den nichtigen Teil (Bestimmung des dinglich Berechtigten als Beitragspflichtigen) erlassen hätte (vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, 27.01.1978 - VII C 44.76 -, DVBl. 1978, 536, 537; Sauthoff in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8 Rn. 1714; OVG Greifswald, 29.11.2001 - 1 M 66/01 -, NordÖR 2002, 81, 82; 02.06.2004, a.a.O.). Die letztgenannte Annahme wird auch nicht dadurch widerlegt, dass der Antragsgegner die fragliche Satzungsbestimmung im Laufe des Prozesses verteidigt hat. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass er § 6 Abs. 1 TBS mit einem dem Kommunalabgabengesetz entsprechenden Regelungsgehalt nicht erlassen hätte. Diese Annahme wäre nicht nur deshalb fernliegend, weil der Antragsgegner als Körperschaft des öffentlichen Rechts per se um den Erlass gesetzeskonformer Satzungen bemüht sein muss, sondern auch deshalb, weil es nach der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Auskunft des Antragsgegners aus seiner Sicht im Verbandsgebiet Anwendungsfälle des "dinglich Berechtigten" neben den in § 6 Abs. 1 TBS erfassten Fallgruppen (Erbbauberechtigter, Inhaber des Rechts nach Art. 233 § 4 EGBGB) nicht geben soll. Daher ist dem Antragsgegner an dieser Stelle auch kein Regelungsbedürfnis zu unterstellen, das der Annahme widersprechen könnte, er hätte die Satzungsbestimmung auch ohne den zu beanstandenden Teil erlassen.

72

2. § 4 Abs. 2 d) TBS verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit die hier geregelte Tiefenbegrenzungslinie bei grundsätzlich 50 m gezogen wird (a.). Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregel und damit zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung (b.).

73

§ 4 Abs. 2 d) lautet:

74

Als Grundstücksfläche gilt:

… bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen...

75

a. Die Bestimmung regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung, denn sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich liegen, nicht jedoch (auch) für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke (sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung). Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senates grundsätzlich zulässig (vgl. OVG Greifswald, 15.03.1995 - 4 K 22/94 -, KStZ 1996, 114, 118; 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, NVwZ-RR 2002, 687ff; 02.06.2004, a.a.O.). Daran hat sich mit Einführung von § 9 Abs. 5 KAG durch die Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 nichts geändert. Ziel der Einführung dieser Bestimmung war es nicht, ein in der Rechtsprechung allgemein anerkanntes Rechtsinstitut auf nunmehr besonders geregelte Fälle einzuschränken. Vielmehr sollte dem Satzungsgeber zusätzlich die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, für bebaute Grundstücke im baurechtlichen Innenbereich mit einem überdurchschnittlich großen nicht bebauten Grundstücksteil aus abgabenpolitischen Gründen eine Flächenbegrenzung vorzusehen (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 4/1307, S. 49/50; dazu Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 10).

76

Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden (vgl. dazu eingehend OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem - wie in § 4 Abs. 1 TBS geregelten - kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen (vgl. BVerwG, 26.07.1993 - 8 B 85/93 -, juris, Rn. 3). Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise - höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

77

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt - wenn eine solche ermittelbar ist - die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 39). Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht (15.11.2000, - 4 K 8/99 -, a.a.O.; 13.11.2001, - 4 K 16/00 -, a.a.O.; 02.06.2004, - 4 K 38/02 -, a.a.O.; vgl. auch OVG Greifswald, 29.11.2001, - 1 M 66/01 -,a.a.O.). Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 - 9 C 15/03 -, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu (BVerwG, 30.07.1976 - IV C 65.74 -, DÖV 1977, 247; OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 43). Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln (OVG Greifswald, 15.03.1995, a.a.O.; 15.11.2000, a.a.O.; 13.11.2001, a.a.O.; 20.11.2003, a.a.O.; 27.08.2008 - 1 L 155/06 -, n.v.). Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (vgl. Erläuterungen zu den Gemeinsamen Satzungsmustern des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V über Beiträge und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung und die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung, Anm. 10, abgedruckt bei Aussprung, a.a.O., KAG-Anhang 7.3). Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.).

78

Hier hat der Antragsgegner die Anforderungen an eine solche sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet grundsätzlich erfüllt. Der Senat hält insbesondere die von dem Antragsgegner angestellte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse begrenzt auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen für zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt (vgl. Bloemenkamp in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1464). Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Dass er dabei von zutreffenden tatsächlichen Umständen wie etwa der richtigen Anzahl der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Ortslagen auszugehen hat, bedarf keiner näheren Ausführungen.

79

Der Antragsgegner hat sodann jedoch die Tiefenbegrenzung nicht nach diesen Ermittlungen bestimmt, sondern die gewonnenen Ergebnisse mit im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht zutreffenden Erfordernissen des auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatzes der Typengerechtigkeit kombiniert. Damit hat er sich von seinen Daten über die ortsübliche Bebauungstiefe der vom Innen- in den Außenbereich übergehenden Grundstücke aufgrund eines hier nicht maßgeblichen Kriteriums entfernt und insoweit die Tiefenbegrenzungslinie nicht nach dem Maßstab von § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG, Art. 3 Abs. 1 GG rechtsfehlerfrei festgesetzt.

80

Der Grundsatz der Typengerechtigkeit dient der Erhaltung der dem Normgeber im Abgabenrecht in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Danach ist es ihm gestattet, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dabei stellt das Auftreten solcher abweichenden Einzelfälle die Entscheidung des Normgebers nicht in Frage, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit bewahrt damit die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität getroffene Entscheidung des Normgebers für einen bestimmten "Regelungstypus" davor, durch das Auftreten von Einzelfällen, die der Regelung unterfallen, dem Typus aber widersprechen, in Frage gestellt zu werden (BVerwG, 30.04.2009 - 9 B 60/08 -, Buchholz 401.9, Nr. 57; 01.08.1986 - 8 C 112/84 -, NVwZ 1987, 231, 232; 19.09.1983 - 8 N 1/83 -, BVerwGE 68, 36, 41; vgl. zum Grundsatz der Typengerechtigkeit, Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, 863, 879).

81

Der Antragsgegner hat nach dem Inhalt seiner der Beschlussvorlage Nr. 09-1/2007 beigefügten Dokumentation der Ermessenserwägungen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzung und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, der Dokumentation seinerzeit ebenfalls beigefügten Excel-Tabelle festgestellt, dass 77% der in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke im Übergangsbereich vom Innen- in den Außenbereich kleiner oder gleich 40 Meter tief und 84% der Grundstücke kleiner oder gleich 45 Meter tief bebaut sind. Den weiteren Angaben ist zu entnehmen, dass danach nicht nur 7% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke eine Bebauungstiefe von 40 bis 45 Metern aufwiesen, sondern auch nur 9 % eine Tiefe von 45 bis 50 Metern und 7% eine über 50 Meter hinausreichende Bebauungstiefe. Die Tiefenbegrenzungslinie hat er daraufhin in einem Abstand von 50 Meter gezogen, da dies – wie er meinte - nur dann willkürfrei geschehen könne, wenn die ermittelten örtlichen Verhältnisse belegten, dass die Grundstücke im unbeplanten Übergangsbereich mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzungslinie die Ausnahme, d.h. weniger als 10% der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, darstellten. Nur dann stehe die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung. Betrage die Anzahl der übertiefen Grundstücke mehr als 10%, so lasse sich die Einführung einer Tiefenbegrenzung nicht mehr auf den Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität stützen.

82

Diese Auffassung führt zu unzutreffenden Ergebnissen. Die Anwendung der Regel auf die Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie, wonach nicht mehr als 10% der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen dürfen, bedingt bereits eine vorteils- und gleichheitswidrige Tiefenbegrenzungsregelung, wenn der Satzungsgeber allein die Grundstücke mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzung im Blick hat. Eine solche Vorgehensweise übersieht, dass nicht nur die bei exakter Einzelfallbetrachtung der örtlichen Grundstücksverhältnisse jenseits der Linie noch Baulandqualität aufweisenden Grundstücke "dem Typ" widersprechen. Auf die Grundstücke, deren Baulandeigenschaft bei genauer Betrachtung schon diesseits der Linie endet, trifft dies ebenso zu. Je weiter der Ortsgesetzgeber die Tiefenlinie in Richtung des Außenbereiches verlegt, desto geringer wird zwar die Anzahl der Grundstücke mit tieferer Bebaubarkeit, umso größer aber die Anzahl derer, deren Bebaubarkeit eigentlich schon eher (diesseits der Linie) endet. Auch diese Fälle widersprechen im Sinne des Grundsatzes der Typengerechtigkeit dem generalisierend normierten Regelfall. Die Zahl der von der Regel abweichenden Fälle kann durch ein Verschieben der Linie weg von den tatsächlich ermittelten Bebauungstiefeergebnissen daher nicht verringert werden. Geschieht dies - wie im vorliegenden Fall - dennoch, so geht dies zu Lasten der Eigentümer von Grundstücken mit geringerer Bebauungstiefe. Das im Übergangsbereich gelegene Grundstück, das bei exakter Betrachtung beispielsweise nur bis zur Tiefe von 35 Metern Baulandqualität hat, würde bei einer entsprechend einer ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet von (angenommen) 40 Metern verlaufenden Tiefenbegrenzung - zulässigerweise pauschalierend - so behandelt, als wenn es fünf Meter tiefer Baulandqualität hätte. Bei einem Hinausschieben der Tiefenlinie auf 50 Meter verdreifachte sich aber bereits die beitragspflichtige Fläche, die bei genauer Grundstücksbetrachtung ohne Tiefenbegrenzungsregelung für die Bemessung des Beitrages überhaupt nicht angerechnet würde. Weicht der Satzungsgeber von dem aus Verwaltungsvereinfachungsgründen zulässigen Kriterium der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe ab und gelangt so zu einem abweichenden Verlauf der Tiefenlinie, so entfernt er sich damit ohne vertretbaren Grund von dem wegen des Vorteilsprinzips (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG) und aus Gründen der Gleichbehandlung bestehenden Erfordernis einer realitätsnahen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen.

83

Die Anwendung der als Begrenzung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit aufgestellten Quantifizierungsregel von höchstens 10% zulässiger Ausnahmefälle auf die Ermittlung der Tiefenbegrenzung erscheint aber auch grundsätzlich als unzutreffend. Die erforderliche Orientierung der Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung (BVerwG, 01.09.2004, a.a.O.) enthält bereits den entscheidenden Zulässigkeitsmaßstab der Pauschalierung und schließt die Anwendung der "10%-Regel" aus. Der Maßstab der ortsüblichen bzw. -angemessenen Bebauungstiefe greift weiter als das mit 90% und 10% quantifizierte Regel-Ausnahmeverhältnis. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i.S.v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist (vgl. Bloemenkamp, a.a.O., Rn. 1464). Dafür ist nicht erforderlich, dass sie in mindestens 90% der Fälle auftritt. Dies würde wegen der unterschiedlichen Verteilung der die einzelnen Grundstücke betreffenden Bebauungstiefen wohl auch zumeist zur Unanwendbarkeit der Tiefenbegrenzung führen. Denn schon sobald sich die Streubreite der tatsächlich anzutreffenden Bebauungstiefen ausgehend von der festgesetzten Tiefenbegrenzungslinie um mehr als 5% nach oben und unten erstreckte, wäre die Höchstgrenze von 10% überschritten. Es ist - wie zuvor ausgeführt - anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (vgl. dazu Bloemenkamp, a.a.O.). Der Senat hätte keine Bedenken, dies in dem vorliegenden Fall etwa für die Gruppe der bis zu 40 m tief bebauten Grundstücke anzunehmen, für die der Antragsgegner den Wert von immerhin 77% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke bei einer durchschnittlichen Bebauungstiefe aller Grundstücke von 34,85 m ermittelt hat.

84

Die bisherige Rechtsprechung des mit dem Abgabenrecht befassten 1. Senates steht dazu nicht im Widerspruch. Soweit er sich bislang zu Fragen der Tiefenbegrenzung in Verbindung mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit geäußert hat (04.12.2007 - 1 M 27/07 -, n.v.), ist das allein in dem Zusammenhang geschehen, dass eine im erstinstanzlichen Verfahren von dem Verwaltungsgericht festgestellte Kollision der festgesetzten Tiefenbegrenzung mit der "10%-Regel" nach Überarbeitung der Kalkulation durch den Zweckverband im Beschwerdeverfahren nicht mehr festgestellt werden konnte. Eine Aussage über die Anwendbarkeit dieser Quantifizierung im Zusammenhang mit der Tiefenbegrenzung ist damit entgegen anderslautender Einschätzung in der Kommentarliteratur (vgl. Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 4.3) nicht verbunden gewesen.

85

Der Senat hat dennoch erwogen, die vorliegend festgelegte Tiefenbegrenzungslinie von 50 Metern für ermessensgerecht zu erachten, weil bei Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich zu berücksichtigen sein mag, dass der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden muss, sondern je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen kann (bauakzessorische Nutzung) und auch topographische Verhältnisse dabei eine prägende Rolle spielen können (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34, Rn. 25f; Rieger in: Schrödter, Baugesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl., § 34, Rn. 14). Der Senat sieht sich jedoch gehindert, die hier getroffene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung von 50 Metern aufgrund dieser Überlegungen für fehlerfrei zu halten. Der Antragsgegner hat ausweislich seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen diesen Gesichtspunkt bei der Festlegung der Tiefengrenze selbst nicht mit einbezogen, sondern allein die hintere Begrenzung des letzten nach seiner Einschätzung für einen Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB relevanten Gebäudes ausschlaggebend sein lassen. Allein danach und nach der Eingruppierung in derart definierte Tiefengruppen („Grenzwerte“ von 40,45 und 50 Metern) hat er die ortsübliche Bebauungstiefe ermittelt. Der Senat müsste damit an die Stelle der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung des Antragsgegners eine eigene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung setzen; dies ist ihm jedoch verwehrt. Außerdem erforderte eine Berücksichtigung dieser Umstände womöglich eine weitere Ermittlung der örtlichen Verhältnisse, weil das Ziehen der Grenze zwischen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und dem Außenbereich grundsätzlich eine Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhaltes erfordert (BVerwG, 06.11.1968 – IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20, 21).

86

b. Der danach festzustellende Verstoß von § 4 Abs. 2 d) TBS gegen den Vorteilsgrundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) und das Gleichbehandlungsprinzip führt zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung.

87

Die Normierung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht zwar nicht vorgeschrieben. Ihre Anordnung steht vielmehr im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Fehlt sie, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung des einzelnen Grundstückseigentümers zugrundezulegen. Dies kann dazu führen, dass eine Kanalbaubeitragssatzung trotz festgestellter Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzung fortbesteht.

88

Hier ist eine Fortgeltung der Trinkwasserbeitragssatzung trotz Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nach § 4 Abs. 2 d) TBS jedoch ausgeschlossen. Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung schlägt nur dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durch, wenn die Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, daß sie auch ohne diesen erlassen worden wären (BVerwG, 27.01.1978, a.a.O.). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.

89

§ 4 Abs. 2 d) TBS könnte ohne die Regelung über die Tiefenbegrenzung nicht fortbestehen, weil dann bei Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks zählen würde. Dies wäre vorteilswidrig, weil dann auch die einer Bebauung entzogene Außenbereichsfläche mitgerechnet würde. Betrachtete man deshalb die gesamte Regelung unter § 4 Abs. 2 d) TBS als nichtig, so fehlte dem Beitragsmaßstab eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von solchen Übergangsgrundstücken. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004, a.a.O., juris, Rn. 91) zu beanstanden. Darüber hinaus würde sich die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS auf den Bestand weiterer Satzungsbestimmungen auswirken [(§ 4 Abs. 2 e) und f)], die auf diese Bestimmung Bezug nehmen.

90

Eine isolierte Nichtigkeit der Tiefenbegrenzungsregelung bei Fortbestand der weiteren Satzungsbestimmungen scheidet auch deshalb aus, weil sie nicht dem Willen des Satzungsgebers entspräche. Nach seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen waren Vorstand und Verbandsvorsteher zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität eine Vermutungsregel in Form einer Tiefenbegrenzung aufgestellt und keine konkreten Einzelabgrenzungen von Innen- und Außenbereichsflächen vorgenommen werden sollten. Denn eine ohne Tiefenbegrenzungsregel erforderliche einzelfallbezogene Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen wäre sehr zeit- und kostenaufwändig.

91

Danach würde dem Antragsgegner bei Annahme der alleinigen Nichtigkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS eine Beitragssatzung aufgenötigt, die dieser ausdrücklich so nicht erlassen wollte. Somit musste der Senat die gesamte Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners für unwirksam erklären.

92

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

93

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen:

1234
BaugebietGrund-
flächenzahl (GRZ)
Geschoss-
flächenzahl (GFZ)
Bau-
massenzahl
(BMZ)
inKleinsiedlungsgebieten (WS)0,20,4
inreinen Wohngebieten (WR)
allgemeinen Wohngebieten (WA)
Ferienhausgebieten


0,4


1,2


inbesonderen Wohngebieten (WB)0,61,6
inDorfgebieten (MD)
Mischgebieten (MI)
dörflichen Wohngebieten (MDW)


0,6


1,2


inurbanen Gebieten (MU)0,83,0
inKerngebieten (MK)1,03,0
inGewerbegebieten (GE)
Industriegebieten (GI)
sonstigen Sondergebieten


0,8


2,4


10,0
inWochenendhausgebieten0,20,2

In Wochenendhausgebieten und Ferienhausgebieten dürfen die Orientierungswerte für Obergrenzen nach Satz 1 nicht überschritten werden.

Die §§ 12 und 13 gelten nicht,

1.
soweit dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt ist,
2.
wenn dem Antragsteller Gebührenfreiheit zusteht oder
3.
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder aussichtslos noch mutwillig erscheint und wenn glaubhaft gemacht wird, dass
a)
dem Antragsteller die alsbaldige Zahlung der Kosten mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde oder
b)
eine Verzögerung dem Antragsteller einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde; zur Glaubhaftmachung genügt in diesem Fall die Erklärung des zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalts.

(1) Verweist ein erstinstanzliches Gericht oder ein Rechtsmittelgericht ein Verfahren an ein erstinstanzliches Gericht desselben oder eines anderen Zweiges der Gerichtsbarkeit, ist das frühere erstinstanzliche Verfahren als Teil des Verfahrens vor dem übernehmenden Gericht zu behandeln.

(2) Mehrkosten, die durch Anrufung eines Gerichts entstehen, zu dem der Rechtsweg nicht gegeben oder das für das Verfahren nicht zuständig ist, werden nur dann erhoben, wenn die Anrufung auf verschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Die Entscheidung trifft das Gericht, an das verwiesen worden ist.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Der Beitrag wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheids fällig.

(2) Die Gemeinde kann zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall, insbesondere soweit dies zur Durchführung eines genehmigten Bauvorhabens erforderlich ist, zulassen, dass der Erschließungsbeitrag in Raten oder in Form einer Rente gezahlt wird. Ist die Finanzierung eines Bauvorhabens gesichert, so soll die Zahlungsweise der Auszahlung der Finanzierungsmittel angepasst, jedoch nicht über zwei Jahre hinaus erstreckt werden.

(3) Lässt die Gemeinde nach Absatz 2 eine Verrentung zu, so ist der Erschließungsbeitrag durch Bescheid in eine Schuld umzuwandeln, die in höchstens zehn Jahresleistungen zu entrichten ist. In dem Bescheid sind Höhe und Zeitpunkt der Fälligkeit der Jahresleistungen zu bestimmen. Der jeweilige Restbetrag ist mit höchstens 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Jahresleistungen stehen wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 3 des Zwangsversteigerungsgesetzes gleich.

(4) Werden Grundstücke landwirtschaftlich oder als Wald genutzt, ist der Beitrag so lange zinslos zu stunden, wie das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt werden muss. Satz 1 gilt auch für die Fälle der Nutzungsüberlassung und Betriebsübergabe an Familienangehörige im Sinne des § 15 der Abgabenordnung. Der Beitrag ist auch zinslos zu stunden, solange Grundstücke als Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes genutzt werden.

(5) Im Einzelfall kann die Gemeinde auch von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist. Die Freistellung kann auch für den Fall vorgesehen werden, dass die Beitragspflicht noch nicht entstanden ist.

(6) Weitergehende landesrechtliche Billigkeitsregelungen bleiben unberührt.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

(1) Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich nach den Vorschriften der Steuergesetze.

(2) Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, so wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig, es sei denn, dass in einem nach § 254 erforderlichen Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt worden ist. Ergibt sich der Anspruch in den Fällen des Satzes 1 aus der Festsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, so tritt die Fälligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung ein.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, in Fällen der §§ 370, 373 oder 374 zehn Jahre.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

2. Der Streitwert wird auf 383,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf ihre in der Hauptsache (Aktenzeichen 4 A 1898/12) erhobene Klage auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlass von festgesetzten Säumniszuschlägen in Bezug auf einen Trinkwasserbeitrag.

2

Mit Bescheid vom 6. Februar 2008 setzte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin einen Trinkwasserbeitrag für das Grundstück L… Straße 4 in B-Stadt in Höhe von 3.658,20 € fest.

3

Mit „Zahlungserinnerung“ vom 8. September 2011 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin im Wesentlichen zur Zahlung des festgesetzten Trinkwasserbeitrages sowie von Säumniszuschlägen in Höhe von 1.533 € auf. Die Zahlungserinnerung enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, der zufolge gegen die in diesem Mahnschreiben festgesetzten Säumniszuschläge nach § 240 AO innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden könne. Der Widerspruch habe keine aufschiebende Wirkung und entbinde nicht von der Zahlungspflicht. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist ferner ausgeführt, dass der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift beim Antragsgegner eingelegt werden könne, wobei dessen postalische Anschrift in der Rechtsbehelfsbelehrung benannt wurde.

4

Mit Schreiben vom 14. September 2011 teilte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner mit, dass sie die Zahlungserinnerung erhalten habe und mit Befremden feststellen müsse, dass der Antragsgegner auf ihr Schreiben vom "29.10.2008" keine Reaktion zeige.

5

Mit Schreiben vom 28. September 2011 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass ihm kein Schreiben vom 29.10.2008 vorliege. Die Zahlungserinnerung sei rechtmäßig und nicht zu beanstanden.

6

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2011 teilte die – nunmehr anwaltlich vertretene – Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass sie mit Schreiben vom 29. Februar 2008 Widerspruch eingelegt habe, weil sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei, sondern ihre Tochter, Frau Gudrun B.. Das Widerspruchsschreiben sei durch die Tochter der Antragstellerin verfasst, durch die Antragstellerin persönlich unterschrieben und sodann durch ihre Tochter am gleichen Tage vorab per Fax sowie als Brief ordnungsgemäß zur Post gebracht worden. Hilfsweise beantragte die Antragstellerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Sache machte sie geltend, dass sie im Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht mehr Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks gewesen sei. Die Übertragung und auch die Eintragung im Grundbuch seien bereits im Jahr 2004 erfolgt.

7

Einem in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Auszug aus dem Geodatenportal zufolge war zum 20. Oktober 2011 die Tochter der Antragstellerin als Eigentümerin des mittlerweile in die Flurstücke 156/6 und 156/7 aufgeteilten Grundstücks eingetragen. Ob es sich auch um getrennte Grundstücke handelt, lässt sich dem Auszug aus dem Geodatenportal nicht entnehmen. In der Folgezeit bat der Antragsgegner die Antragstellerin, das Widerspruchsschreiben vom 29. Februar 2008 sowie den Faxbericht zu übersenden. Sodann solle der Sachverhalt nochmals überprüft werden. Die Antragstellerin übersandte eine Kopie des Schreibens vom 29. Februar 2008 sowie eine Erklärung ihrer Tochter vom 13. November 2011, in der diese angab, das Widerspruchsschreiben vom 29. Februar 2008 für ihre Mutter gefertigt, dieser zur Unterschrift vorgelegt, sodann am 29. Februar 2008 per Telefax an den Antragsgegner übersandt und am selben Tag das Original in einen Briefumschlag gesteckt, ausreichend frankiert und zur Post verbracht zu haben. Einen Sendebericht für das Telefax könne sie nicht vorliegen, weil es sich seinerzeit um ein einfaches Faxgerät gehandelt habe, das solche Sendeberichte nicht gefertigt habe.

8

Mit Schreiben vom 2. Februar 2012 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Er versah dieses Schreiben mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen diesen „Bescheid“ Widerspruch eingelegt werden könne.

9

Mit Schreiben vom 2. März 2012, das am selben Tag per Telefax übermittelt wurde, erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 2. Februar 2012. Zur Begründung gab sie an, sie habe konkreten Zeugenbeweis dafür angetreten, dass der Widerspruch vom 29. Februar 2008 tatsächlich an den Antragsgegner übersandt worden sei.

10

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2012 wies der Antragsgegner den Widerspruch gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Widerspruch der Antragstellerin von 29. Februar 2008 beim Antragsgegner nicht eingegangen sei. Die Nachweispflicht hierüber obliege der Antragstellerin. Die Zusendung einer Kopie des Widerspruches reiche als Nachweis nicht aus. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben (Aktenzeichen 4 A 802/12).

11

Mit Schreiben vom 20. August 2012 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge. Sie führte aus, dass die Einziehung der dem Grunde nach entstandenen Säumniszuschläge in diesem Fall sachlich unbillig im Sinne des § 12 KAG M-V in Verbindung mit § 227 AO sei. Die Festsetzung der Säumniszuschläge entspreche zwar dem Wortlaut der Vorschrift, sei aber nach dem Zweck des zu Grunde liegenden Gesetzes nicht mehr zu rechtfertigen und laufe der gesetzlichen Wertung zuwider. Die den Säumniszuschlägen zu Grunde liegende Beitragsforderung sei im März 2008 fällig geworden. Gegen die Beitragsforderung habe die Antragstellerin bereits im Februar 2008 Widerspruch erhoben. Über den Zeitraum von insgesamt 42 Monaten habe sie keine Reaktion auf ihren Widerspruch erhalten. Die Festsetzung von Säumniszuschlägen nach Ablauf von 42 Monaten könne den Zweck der Erhebung von Säumniszuschlägen nicht mehr erfüllen. Der Zweck der Festsetzung bestehe in erster Linie darin, den Abgabepflichtigen zu einer rechtzeitigen Zahlung des Beitrages zum Fälligkeitstermin anzuhalten. Dieser Zweck könne 42 Monate nach Fälligkeit der Beitragsforderung nicht mehr in dem von § 240 AO beabsichtigten Sinne erfüllt werden.

12

Mit Bescheid vom 23. August 2012 lehnte der Antragsgegner den Erlass der Säumniszuschläge ab. Zur Begründung führte er aus, dass er bereits mit Bekanntgabe des Ausgangsbescheides sein Ermessen ausgeübt habe, dass Säumniszuschläge im Falle einer verspäteten Zahlung bzw. Nichtzahlung zu erheben seien. Bezüglich der Einkommenssituation der Antragstellerin liege ein Antragsformular auf Ratenzahlung als Anlage bei.

13

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 24. September 2012, mit dem zusätzlich die Aussetzung der Vollziehung begehrt wurde, wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2012 zurück, nachdem bereits der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 26. September 2012 abgelehnt worden war. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auch nach erneuter Prüfung nicht erkennbar sei, dass die Einziehung der Säumniszuschläge für die Antragstellerin unbillig sei. Die Berechnung der Säumniszuschläge sei ordnungsgemäß und nicht zu beanstanden. Der Widerspruchsbescheid wurde der Antragstellerin am 25. Oktober 2012 zugestellt.

14

Hiergegen hat die Antragstellerin am Montag, den 26. November 2012, Klage erhoben (Az.: 4 A 1898/12) und zugleich den vorliegenden Betrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie vertieft ihr Vorbringen, dass ein Fall der sachlichen Unbilligkeit vorliege. Sie habe gegen den Beitragsbescheid vom 6. Februar 2008 am 29. Februar 2008 Widerspruch erhoben. Termin zur Fälligkeit des Beitrages sei der 10. März 2008 gewesen. Sie habe über einen Zeitraum von insgesamt 42 Monaten keine Reaktion auf ihren Widerspruch erhalten. Sie habe bis zu dem Zeitpunkt auch keine Mahnung oder Zahlungserinnerung erhalten. Die Festsetzung von Säumniszuschlägen erst 42 Monate nach Fälligkeit der Beitragsforderung könne den Zweck der Erhebung von Säumniszuschlägen im Sinne des § 240 AO nicht mehr erfüllen. Die Antragstellerin sei Rentnerin und verfüge über keine besonderen Kenntnisse im Verwaltungsrecht. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin lediglich über ein monatliches Einkommen in Höhe von 943,06 € verfüge.

15

Die Antragstellerin beantragt,

16

die aufschiebende Wirkung der Klage auf Erlass der Säumniszuschläge (Az.: 4 A 1898/12) anzuordnen.

17

Der Antragsgegner beantragt,

18

den Antrag abzulehnen.

19

Er nimmt auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug.

II.

20

Der Antrag ist – bei der gebotenen Auslegung des Begehrens der Antragstellerin – statthaft. Er ist vorliegend als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu qualifizieren, weil die in der Hauptsache erhobene Klage als eine Verpflichtungsklage auf Erlass der gegenüber der Antragstellerin festgesetzten Säumniszuschläge zu qualifizieren ist. Dementsprechend kann vorliegend nicht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden, sondern das Begehren der Antragstellerin ist dahingehend auszulegen, dass sie dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig untersagen lassen möchte, aus dem Bescheid vom 8. September 2011 zu vollstrecken, bis in der Klage über den Erlass der Säumniszuschläge (Aktenzeichen 4 A 1898/12) eine Entscheidung ergangen ist.

21

Auf die Frage, ob auch bei diesem Antrag in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 6 VwGO ein Antrag an den Antragsgegner auf Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen zu richten ist, kommt es vorliegend nicht an, weil ein derartiger Antrag – sinngemäß – mit Schreiben vom 24. September 2012 gestellt und mit Schreiben des Antragsgegners vom 26. September 2012 abgelehnt worden ist.

22

Der so verstandene Antrag ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

23

Die Antragstellerin hat bei summarischer Prüfung nicht das Vorliegen eines Anordnungsanspruches, d.h. eines Anspruchs auf Erlass der Säumniszuschläge glaubhaft gemacht.

24

Maßstab für einen Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge ist allerdings vorliegend nicht § 6 der Satzung über Stundung, Niederschlagung und Erlass von Forderungen und Ansprüchen des beklagten Zweckverbandes vom 25. Mai 2009, soweit die darin enthaltenen Regelungen § 227 AO in Verbindung mit § 12 Abs. 1 KAG MV einschränken. Maßgeblich für den Tatbestand des § 227 AO ist die Unbilligkeit der Einziehung des Anspruchs nach Lage des einzelnen Falls. Eine Beschränkung des Erlasses auf die drei Fallgruppen des § 6 Abs. 1 Buchstaben a) bis c) ist in dieser Regelung nicht vorgesehen. Insolvenz, Existenzgefährdung sowie Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Beitreibung zur einzuziehenden Forderung sind zwar Anwendungsfälle der sachlichen Unbilligkeit, umfassen den Tatbestand der Unbilligkeit im Sinne des § 227 AO aber nicht vollständig.

25

Gründe für eine sachliche Unbilligkeit der Beitreibung der mit Bescheid vom 8. September 2011 festgesetzten Säumniszuschläge sind nicht erkennbar. Dabei kann das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur ohne weitere Sachaufklärung von dem beiderseitigen Vortrag der Beteiligten ausgehen, demzufolge die Antragstellerin ihren Widerspruch am 29. Februar 2008 per Telefax sowie durch Absendung des Widerspruchs zur Post erhoben haben will, beim Antragsgegner entsprechend seiner Einlassung jedoch weder ein Telefax noch ein Brief angekommen sind.

26

Bei Zugrundelegung dieses Sachverhaltes ist eine sachliche Unbilligkeit der Festsetzung der Säumniszuschläge im Rahmen der „Zahlungserinnerung“ vom 8. September 2011 nicht erkennbar. Wenn man aus der Sicht des Antragsgegners davon ausgeht, dass für ihn der Beitragsbescheid vom 6. Februar 2008 mangels Erhebung eines Widerspruchs im März 2008 bestandskräftig geworden ist, so trifft ihn aus der Sicht des Gerichts keine rechtlich maßgebliche Obliegenheit, die Antragstellerin zu einem früheren Zeitpunkt als dem 8. September 2011 zur Zahlung der Beitragsforderung aufzufordern und im Rahmen dessen auf die entstandenen Säumniszuschläge hinzuweisen bzw. diese festzusetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner bereits im Beitragsbescheid vom 6. Februar 2008 auf das Entstehen von Säumniszuschlägen im Falle der Nichtzahlung hingewiesen hat. Aus seiner Sicht hatte er damit das Erforderliche getan, um die – aus seiner Sicht - Beitragspflichtige zur Zahlung anzuhalten. Maßstab für die Verpflichtung des Antragsgegners zum Hinweis auf die noch ausstehende Forderung kann nach Auffassung des Gerichts zunächst nur die gesetzliche Frist über die Zahlungsverjährung sein. Diese Frist beträgt gemäß § 12 KAG M-V in Verbindung mit § 218 AO fünf Jahre. Ohne das Vorliegen besonderer Umstände kann dem Antragsgegner deshalb nach Auffassung des Gerichts nicht vorgehalten werden, dass er zu einem früheren Zeitpunkt auf die ausstehende Forderung und das zwischenzeitliche Entstehen von Säumniszuschlägen hätte hinweisen müssen.

27

Ein sachlicher Billigkeitsgrund ist nach Auffassung des Gerichts auch insoweit nicht zu erkennen, als die Antragstellerin das Entstehen der Säumniszuschläge nicht verhindern konnte, weil sie - zumindest subjektiv – das Erforderliche getan hatte, um eine Aussetzung der Vollziehung zu erreichen. Selbst wenn man vom Sachvortrag der Antragstellerin ausgeht, sie habe den Widerspruch und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Hilfe ihrer Tochter zunächst per Telefax und sodann durch Aufgabe zur Post fristgerecht erhoben, hatte sie damit noch nicht das Nötige getan, um ohne weitere Reaktion des Antragsgegners von der tatsächlichen Aussetzung der Vollziehung ausgehen zu können. Sie durfte sich nicht darauf verlassen, dass der Antragsgegner durch Stillschweigen von seiner Forderung einstweilen Abstand genommen hatte, zumal ihr bekannt sein musste, dass ihre Tochter als neue Eigentümerin des Grundstücks noch keinen Bescheid bekommen hatte. Bei dieser Sachlage oblag es ihr, nach mehrmonatiger fehlender Reaktion des Antragsgegners von sich aus nachzufragen, ob der Beitragsbescheid auf ihren Widerspruch hin nicht mehr aufrecht erhalten werde. Selbst wenn es aus ihrer Sicht offensichtlich gewesen sein mag, dass sie bereits seit geraumer Zeit nicht Eigentümerin des Grundstücks war, führt dies zu keiner anderen Betrachtung ihrer Obliegenheiten – auch als rechtlich unerfahrene Bürgerin. Die Hinweise des Antragsgegners zum Entstehen der Säumniszuschläge im Beitragsbescheid und zur Zahlungspflicht trotz der Erhebung des Widerspruchs sind hinreichend deutlich.

28

Eine sachliche Unbilligkeit kann vorliegend auch nicht aus der Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides vom 6. Februar 2008 und etwaigen Erfolgsaussichten der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage hergeleitet werden. Wie sich aus § 240 Abs. 1 Satz 4 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V ergibt, ist der Fortbestand des Anspruchs auf Zahlung von Säumniszuschlägen gerade nicht davon abhängig, dass sich der ihnen zugrunde liegende Abgabenbescheid letztendlich als rechtmäßig erweist. Anders als Aussetzungszinsen bleiben Säumniszuschläge vielmehr grundsätzlich auch dann verwirkt, wenn der Beitragsbescheid als rechtswidrig aufgehoben wird. Bezüglich der Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage ist zudem zu berücksichtigen, dass die Frage des fristgerechten Zuganges des Widerspruchs ebenso offen ist wie die Frage der fristgerechten Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sofern es darauf ankommen sollte. Kenntnis davon, dass der Widerspruch vom 29. Februar 2008 nicht beim Antragsgegner angekommen war, dürfte die Antragstellerin zumindest durch das Schreiben des Antragsgegners vom 28. September 2011 erhalten haben, mithin unter entsprechender Anwendung der Drei-Tage-Frist für die Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO spätestens am 1. Oktober 2011. Dementsprechend dürfte die Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen des § 60 Abs. 2 VwGO im Zeitpunkt des Schreibens ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19. Oktober 2011 bereits abgelaufen gewesen sein. Daher spricht bei summarischer Prüfung einiges dafür, dass der Beitragsbescheid vom 6. Februar 2008 bestandskräftig geworden ist.

29

Andere sachliche Billigkeitsgründe sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vom Gericht wird erwogen, dass ein sachlicher Billigkeitsgrund für den Erlass von Säumniszuschlägen dann vorliegen könnte, wenn der Antragsgegner in Kenntnis einer rechtskräftigen Entscheidung bezüglich eines Beitragsbescheides aufgrund von vom Gericht festgestellten erheblichen Fehlern der Beitragssatzung trotz unveränderter – nichtiger - Satzungslage weiterhin Beitragsbescheide erhebt. Zwar wirkt eine derartige Gerichtsentscheidung, die kein Normkontrollverfahren ist, jeweils nur unmittelbar zwischen den Beteiligten, doch ist es gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit zu erwägen, ob der Antragsgegner gegebenenfalls in einem gleichgelagerten Fall unter besonderen Voraussetzungen zumindest einen Anspruch auf Erlass von Säumniszuschlägen hat, wenn der gegen ihn gerichtete Beitragsbescheid ebenfalls aufgehoben wird. Solche besonderen Voraussetzungen können darin zu sehen sein, dass ein Beitragsbescheid in Kenntnis einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts ergeht, die gerade auf die Nichtigkeit der als Rechtsgrundlage dienenden Beitragssatzung abgestellt hat. Auch in diesem Fall entstehen grundsätzlich von Gesetzes wegen gemäß § 240 AO i.V.m. § 12 KAG M-V die Säumniszuschläge, doch könnte hier viel dafür sprechen, dass ein Rechtsanspruch des ursprünglich Beitragspflichtigen auf Erlass der Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen gegeben ist.

30

Auch ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Der Beitragsbescheid vom 6. Februar 2008 ist zwar ergangen, nachdem das Gericht in einem Urteil vom 30. Januar 2008 (8 A 803/07) erstmals die seinerzeit maßgebliche Beitragssatzung des Beklagten überprüft und als Rechtsgrundlage für nichtig bewertet hatte. Im Zeitpunkt des Erlasses des hier streitgegenständlichen Beitragsbescheides lagen dem Antragsgegner aber noch nicht die schriftlichen Gründe des Urteils vor und es war dementsprechend erst recht noch keine Rechtskraft eingetreten. Folglich kann dem Antragsgegner nicht vorgeworfen werden, dass er in diesem konkreten Fall den Beitragsbescheid erlassen hat, obwohl ihm die Rechtsauffassung des Gerichts über die Nichtigkeit der Satzung bekannt war und er sich gegen diese Rechtsauffassung noch nicht mit einem weiteren Rechtsmittel gewehrt hat, zumal er später tatsächlich die Zulassung der Berufung beantragt hat.

31

Persönliche Billigkeitsgründe sind ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Der Verweis auf die Rente der Antragstellerin von 943,06 € reicht hierfür nicht aus. Dass die Säumniszuschläge angesichts der Vermögensverhältnisse der Antragstellerin ohnehin nicht beitreibbar wären, ist bislang nicht dargetan worden und auch nicht erkennbar, zumal die Beitragsforderung selbst zwischenzeitlich beglichen wurde.

32

Sonstige Anordnungsansprüche sind nicht ersichtlich. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass der Antragstellerin aus anderen Gründen im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge zuerkannt werden wird. Zwar ist die bislang vom Antragsgegner vorgenommene Ermessenentscheidung deutlich verfehlt. Die Aussage, man habe bereits im Beitragsbescheid vom 6. Februar 2008 auf die Folgen der Nichtzahlung hingewiesen und halte deshalb an der Durchsetzung der Säumniszuschläge fest, lässt eine einzelfallbezogene Ermessensausübung nicht erkennen. Dies kann aber allein noch nicht zu einem Anspruch der Antragstellerin auf Erlass der Säumniszuschläge, sondern allenfalls zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit der Verpflichtung zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts führen. Dass eine Neubescheidung ggf. dann zu einem Erlass der Säumniszuschläge führen wird, muss als offen angesehen werden. In dieser Situation kann aber kein anerkennenswertes überwiegendes Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Einbehalt der von ihr geforderten Säumniszuschläge erkannt werden.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergeht gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 53 Abs. 2 GKG. Dabei geht das Gericht entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung von einem Viertel des in der Hauptsache streitigen Betrages aus.

(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung über einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde.

(2) Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt.

(3) Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn nach Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder eines Feststellungsbescheids die Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheids oder Gewerbesteuerbescheids ausgesetzt wird.

(4) § 234 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.