Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 22. Jan. 2013 - 5 A 378/11

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2013:0122.5A378.11.0A
bei uns veröffentlicht am22.01.2013

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten Schadensersatz.

2

Der Kläger ist bei der C. (im Folgenden: C.) als Sachbearbeiter im Statusamt eines Regierungsoberamtsrates (Bes.Gr. A 13 LBesO) beschäftigt. Ab dem 9. November 2006 war der Kläger aufgrund eines Schlaganfalls dienstunfähig erkrankt. Nach Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme versetzte die C. ihn mit Bescheid vom 28. Januar 2008 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Aus diesem Grund erhielt der Kläger ab dem 1. Februar 2008 anstelle der Dienstbezüge eines Regierungsoberamtsrates nur noch verringerte Bezüge im Umfang des bislang erdienten Ruhegehalts in Höhe von monatlich 1.253,60 €.

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Den gegen die Ruhestandsversetzungsverfügung erhobenen Widerspruch des Klägers wies die C. mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2008 zurück. Auf die daraufhin erhobene Klage hob das erkennende Gericht die Ruhestandsversetzungsverfügung der C. und deren Widerspruchsbescheid mit Urteil vom 26. August 2008 (Az.: 5 A 60/08 MD) auf. Wegen des teilweisen Einbehalts seiner Dienstbezüge beantragte der Kläger am 25. November 2008 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsschutzgesuch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über die Zahlung ungekürzter Dienstbezüge bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine gegen die Versetzung in den Ruhestand erhobene Klage. Diesen Antrag lehnte die Kammer mit Beschluss vom 1. Dezember 2008 ab (Az.: 5 B 396/08 MD). Mit Beschluss vom 25. Juni 2009 (Az.: 1 L 140/08) lehnte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt den Antrag der C. auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des erkennenden Gerichts vom 26. August 2008 ab.

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Bereits am 7. November 2008 beantragte der Kläger beim Amtsgericht A-Stadt die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens (Az.: 350 IK 1406/08). Das Verfahren wurde am 14. November 2008 eröffnet. Nach rechtskräftigem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Versetzung des Klägers in den Ruhestand hinterlegte die Oberfinanzdirektion des Landes Sachsen-Anhalt im Zeitraum zwischen Juli und Ende September 2009 einen Betrag in Höhe von 26.346,76 €. Dieser Betrag entsprach den ausstehenden Dienstbezügen des Klägers abzüglich eines einbehaltenen Betrages in Höhe von 1.653,24 €, den die Oberfinanzdirektion mit einer ihrerseits gegen den Kläger bestehenden Forderung aufgerechnet hatte. Nachdem die Forderungen sämtlicher Gläubiger in voller Höhe berichtigt werden konnten, hob das Amtsgericht A-Stadt das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 28. April 2011 gemäß § 200 Insolvenzordnung (InsO) auf.

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Bereits mit Schreiben vom 9. November 2009 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten Schadensersatz geltend. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er sei wegen der mit der rechtswidrigen Ruhestandsversetzungsverfügung einhergehenden Verringerung seiner Dienstbezüge nicht mehr in der Lage gewesen, eingegangene Verbindlichkeiten zu bedienen. Aus diesem Grund habe er einen Insolvenzantrag stellen müssen. Für die Durchführung dieses noch nicht abgeschlossenen Verfahrens sei eine Insolvenzverwaltervergütung in Höhe von 5.472,00 € angefallen. Die Gerichtskosten beliefen sich auf schätzungsweise 500,00 €. Ferner habe er während der gerichtlichen Verfahren über die Ruhestandsversetzungsverfügung bedingt durch seine finanzielle Situation seine Wohnung kündigen müssen, um Kosten einzusparen. Dadurch seien Umzugskosten in Höhe von 803,25 € entstanden.

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Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 bat die C. den Kläger näher darzulegen, unter welchem Gesichtspunkt die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegeben seien. Hierzu führte der Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 2010 ergänzend aus, die C. habe ihre allgemeine Fürsorgepflicht ihm gegenüber verletzt. Sie sei verpflichtet, nach Gesetz und Recht tätig zu werden. Die Ruhestandsversetzungsverfügung sei aber rechtswidrig gewesen. Dies habe die C. nach den Ausführungen des erkennenden Gerichtes in seinem Urteil vom 26. August 2008 im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides erkennen müssen. Die C. habe sich indes von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Als Folge seiner Versetzung in den Ruhestand im Februar 2008 habe er nur noch Bezüge im Umfang seines Ruhegehaltes erhalten und eine Einkommenseinbuße in Höhe von monatlich ca. 1.300,00 € hinnehmen müssen. Infolgedessen habe er seine Verbindlichkeiten, die er bereits vor einigen Jahren eingegangen sei, als die Einleitung eines Verfahrens zur Versetzung in den Ruhestand nicht absehbar gewesen sei, nicht mehr bedienen können.

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Mit weiterem Schreiben vom 19. Februar 2010 teilte die C. dem Kläger mit, aus ihrer Sicht seien Schadensersatzansprüche des Klägers weder dem Grunde nach noch in der geltend gemachten Höhe gegeben.

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Am 30. Dezember 2011 hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben.

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Zur Begründung trägt er ergänzend vor, er habe die C. bereits im Widerspruchsverfahren darauf hingewiesen, dass das der Ruhestandsversetzungsverfügung zugrunde gelegte amtsärztliche Gutachten mangelbehaftet sei. Die C. habe sich aber nicht veranlasst gesehen, zumindest eine Nachbegutachtung seines Gesundheitszustandes vornehmen zu lassen. Zwar sei die Reduzierung der Dienstbezüge auch für die Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Versetzung in den Ruhestand gesetzlich vorgesehen. Bei rechtmäßigem Verhalten der C. wäre er aber nicht in den Ruhestand versetzt worden und hätte daher keine Reduzierung seiner Dienstbezüge hinnehmen müssen. Die rechtswidrige Ruhestandsversetzungsverfügung habe daher den geltend gemachten Schaden verursacht. Aufgrund der Verringerung seiner Bezüge sei er nicht mehr in der Lage gewesen, im Umfang von ca. 29.000,00 € bestehende Verbindlichkeiten zu bedienen, wobei er insoweit Ratenzahlungen zu leisten gehabt habe. Den Ruhestandsbezügen in Höhe von monatlich 1.253,60 € hätten monatliche Ausgaben im Umfang von insgesamt 1.820,18 € gegenübergestanden. Diese Gesamtbelastung habe er mit einer Besoldung nach der Bes.Gr. A 13 LBesO ohne Weiteres tragen können. Mit um ca. zwei Drittel verringerten Bezügen sei dies jedoch nicht möglich gewesen. Bereits im März 2008 habe er die Zahlungen an seine Gläubiger einstellen müssen. Anfangs habe er mit seinen Gläubigern noch eine Aussetzung der Ratenzahlungen vereinbaren können. Infolge der Dauer des Klageverfahrens gegen seine Versetzung in den Ruhestand hätten seine Gläubiger einen weiteren Aufschub der Zahlungen jedoch nicht mehr akzeptiert. Dabei habe die C. noch zu einer längeren Verfahrensdauer beigetragen, indem sie Rechtsmittel gegen das der Klage stattgebende Urteil des erkennenden Gerichts eingelegt habe.

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Er sei auch alleiniger Schuldner der Zahlungsverbindlichkeiten gewesen. Er sei seit Mitte des Jahres 2002 alleiniger Mieter der zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzungsverfügung von ihm und seiner zwischenzeitlich von ihm geschiedenen Ehefrau genutzten Wohnung gewesen. Ein Teil der Ratenzahlungen in Höhe von 224,80 € betreffe die Finanzierung des Erwerbs von Möbeln nach der Trennung von seiner Ehefrau im September 2008 und deren Auszug aus der gemeinsamen Wohnung. Verwertbare Vermögensgegenstände oder Forderungen gegen Dritte habe er nicht besessen.

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Der nunmehr geltend gemachte Schaden setze sich aus den Kosten des zwischenzeitlich nach Befriedigung aller Gläubiger abgeschlossenen Insolvenzverfahrens in Höhe von insgesamt 7.071,79 € sowie den Umzugskosten in Höhe von 803,25 € zusammen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.875,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31. Dezember 2011 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die zeitweise Verringerung der Dienstbezüge habe die eingetretene Insolvenz des Klägers und damit den geltend gemachten Schaden nicht adäquat kausal herbeigeführt. Die Verringerung der Dienstbezüge auf die erdienten Ruhestandsbezüge sei gesetzliche Folge der Versetzung in den Ruhestand, auch wenn der Beamte Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel gegen die Ruhestandsversetzungsverfügung erhebe. Die einbehaltenen Beträge seien nachzuzahlen, wenn die angegriffene Entscheidung keinen Bestand habe. Dem von einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand betroffenem Beamten werde daher ein zeitweiser Vermögensnachteil bis zur Aufhebung der Ruhestandsversetzungsverfügung grundsätzlich zugemutet. Dabei gehe der Gesetzgeber davon aus, dass die Ruhestandsbezüge bei vorzeitigem Ruhestand einen angemessenen Lebensunterhalt gewährleisteten. Der bisherige Lebensstandard des Beamten müsse nicht zwangsläufig aufrechterhalten werden können. Der Umstand, dass der Kläger bereits einen Monat nach Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand zahlungsunfähig geworden sei, deute darauf hin, dass dieser schon vor seiner Versetzung in den Ruhestand seine Kreditwürdigkeit ausgereizt und damit selbst die wesentlichen Ursache für die spätere Insolvenz gesetzt habe. Im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Umzugskosten sei anzumerken, dass der Kläger seit Mitte September 2008 getrennt von seiner damaligen Ehefrau gelebt habe. Diese habe über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 1.100,00 € verfügt, was ungefähr den Ruhestandsbezügen des Klägers entsprochen habe. Mit Beginn des Getrenntlebens habe sich das verfügbare Gesamteinkommen um die Hälfte reduziert. Bereits sieben Wochen später habe der Kläger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Zwischen der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzungsverfügung und dem Insolvenzantrag des Klägers hätten dagegen 41 Wochen gelegen. Daran werde deutlich, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen der Trennung des Klägers von seiner Ehefrau und dem Insolvenzantrag deutlich stärker sei. Es sei nicht auszuschließen, dass der im März 2009 erfolgte Umzug des Klägers späte Folge der Aufgabe des ehelichen Zusammenlebens gewesen sei und die Größe der Wohnung sowie die daraus resultierenden hohen Mietkosten dem Kläger langfristig keine alleinige Nutzung erlaubt hätten.

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Dessen ungeachtet komme ein Schadensersatzanspruch des Klägers nur dann in Betracht, wenn er zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht als dienstunfähig anzusehen gewesen wäre. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass das erkennende Gericht die Ruhestandsversetzung allein wegen Verfahrensmängeln aufgehoben habe. Weder das Urteil des Gerichts vom 26. August 2008 noch der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2009 enthielten Feststellungen zur Dienstfähigkeit oder -unfähigkeit des Klägers im für die Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzungsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt. Der C. habe im Zeitpunkt der Versetzung des Klägers in den Ruhestand eine amtsärztliche Bewertung vorgelegen, der sie gefolgt sei. Die den amtsärztlichen Feststellungen zugrunde liegenden ärztlichen Gutachten seien hingegen nicht bekannt gewesen. Die C. habe hiervon erst im Verlauf des Berufungszulassungsverfahrens nach Ablauf der Frist für die Darlegung der Zulassungsgründe Kenntnis erlangt.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die beigezogene Insolvenzakte des Amtsgerichts A-Stadt (Az.: 350 IK 1406/08) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Klage war gegen das Land Sachsen-Anhalt und nicht gegen die C. zu richten. Der Kläger hat in statthafter Weise eine Leistungsklage erhoben, welche unmittelbar die Verurteilung des Beklagten zu einer Zahlung zum Gegenstand hat, ohne dass der begehrte Schadensausgleich eines vorausgehenden, den konkreten Zahlungsbetrag festsetzenden Verwaltungsaktes bedurft hätte. Richtiger Klagegegner dieser auf (schlichte) Zahlung gerichteten Klage ist nicht die Dienstbehörde, welcher der Schadensersatz begehrende Beamte ein pflichtwidriges Verhalten anlastet, sondern der Dienstherr selbst. Die für ein schadensauslösendes Ereignis verantwortlich gemachte Behörde – hier die C. – hat insoweit nicht selbst die Rechtsstellung eines Beteiligten. Die Regelung des § 8 Satz 1 AG VwGO LSA, wonach auch Landesbehörden fähig sind, am Verfahren beteiligt zu sein, gilt hier nicht. Aus § 8 Satz 2 AG VwGO LSA, wonach die Klage gegen die Landesbehörde zu richten ist, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, wird deutlich, dass die Norm nur auf solche Klagen anwendbar ist, in denen Verwaltungsakte angegriffen oder begehrt werden. In diesen Fällen handelt die Landesbehörde in Prozessstandschaft für das Land, dem sie angehört, ohne selbst zum Rechtsträger zu werden (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 18. Juni 2008 - 1 L 208/06 -, zitiert nach juris [m. w. N.]). So verhält es sich hier jedoch nicht.

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Der Kläger hat sein Schadenersatzbegehren auch vor Klageerhebung durch einen entsprechenden Antrag an den Beklagten konkretisiert (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 1993 - 2 B 115/93 -, zitiert nach juris; Urteil vom 10. April 1997 - 2 C 38/95 -, ZBR 1998, 46 [m. w. N.]). Die C. hat für den Beklagten einen Schadensausgleich mit Schreiben vom 19. Februar 2010 jedoch abgelehnt. Insoweit steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass dem Rechtsstreit kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren vorausgegangen ist. Zwar ist nach § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG vor allen beamtenrechtlichen Klagen – also auch vor Erhebung einer Leistungsklage – ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der VwGO durchzuführen. Einen förmlichen Widerspruch gegen die Weigerung des Beklagten, ihm den geltend gemachten Schaden zu ersetzen, hat der Kläger hier zwar nicht erhoben. Allerdings ist die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ausnahmsweise auch dann entbehrlich, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 - 8 C 21/09 -, BVerwGE 138, 1 [m. w. N.]) oder wenn sich der auch für die Widerspruchsentscheidung zuständige Beklagte auf die Klage einlässt und deren Abweisung beantragt, ohne das fehlende Vorverfahren zu rügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1992 - 2 C 14/98 -, NVwZ-RR 2000, 172 [m. w. N.]; Urteil vom 19. Februar 2009 - 2 C 56/07 -, NVwZ 2009, 924). So liegt es hier. Der Beklagte hat sich, vertreten durch die C. als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde, im Verfahren auf die Sache insgesamt eingelassen und zu erkennen gegeben, dass er den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht für gegeben erachtet. Auch in der vorgerichtlich mit dem Kläger geführten Korrespondenz hat der Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er keinen Schadensersatz leisten werde. Bei dieser Sachlage wäre es eine „bloße Förmelei“ und prozessökonomisch nicht sinnvoll, den Kläger darauf zu verweisen, sein Begehren gegenüber dem Beklagten zunächst in einem Vorverfahren durchzusetzen zu versuchen.

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Mangels Widerspruchsbescheides war auch die Klagefrist des § 74 VwGO nicht einzuhalten.

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Schließlich hat der Kläger das Recht, sein Schadensersatzbegehren auf dem Klageweg weiterzuverfolgen, auch nicht dadurch verwirkt, dass er nach dem Schreiben der C. vom 19. Februar 2010, mit dem der Beklagte einen Ausgleich des vom Kläger geltend gemachten Schadens abgelehnt hat, fast zwei Jahre abgewartet hat, bis er am 30. Dezember 2011 Klage erhoben hat. Die Verwirkung von Rechten oder Ansprüchen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB setzt nicht nur voraus, dass seit der Möglichkeit der Anspruchserhebung oder Rechtsverfolgung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Anspruchsstellung oder Rechtsverfolgung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment, vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 8 C 9/11 -, zitiert nach juris [m. w. N.]; Urteil vom 18. Juli 2012 - 8 C 4/11 -, DVBl. 2013, 40 [m. w. N.]). Daran fehlt es hier. Es ist weder von Seiten des Beklagten behauptet worden noch sind sonstige Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, dass der Beklagte darauf vertraut hat, der Kläger werde sein Schadensersatzbegehren nach dem ablehnenden Schreiben vom 19. Februar 2010 nicht weiterverfolgen.

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Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

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Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger Schadensersatz wegen Verletzung der den Dienstherrn gegenüber seinen Beamten treffenden Fürsorgepflicht zu gewähren. Dem Kläger steht ein solcher Anspruch gegen den Beklagten nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog).

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Rechtlicher Anknüpfungspunkt für das Begehren des Klägers ist der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch, der sich aus der im Beamtenverhältnis wurzelnden und einfachgesetzlich in § 79 BG LSA des zum hier maßgeblichen Zeitpunkt noch geltenden Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt – BG LSA a. F. – in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1998 (GVBl. LSA S. 50), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. August 2008 (GVBl. LSA S. 290), und nunmehr in § 45 BeamtStG normierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten herleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1966 - VI C 39.64 -, BVerwGE 25, 138; Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5/99 -, ZBR 2001, 134; Conrad, in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Band I, Stand: November 2012, § 45 BeamtStG, Rdnr. 48). Nach § 79 BG LSA a. F. hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt ihn bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung dieser Fürsorgepflicht setzt voraus, dass die für den Dienstherrn handelnden Personen schuldhaft eine gegenüber dem Beamten bestehende Pflicht des Dienstherrn verletzt haben und dem Beamten dadurch adäquat kausal ein Vermögensschaden erwachsen ist (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. November 2006 - 6 A 131/05 -, zitiert nach juris; Conrad, a. a. O., Rdnr. 50). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

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Zwar hat die Beklagte ihre gegenüber dem Kläger bestehende Fürsorgepflicht verletzt. Als ein Teilaspekt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird die Pflicht angesehen, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, die das Rechtsverhältnis des Dienstherrn zu den in seinem Dienst stehenden Beamten betreffen, und Ermessensentscheidungen unvoreingenommen, sachlich und unter gebührender Berücksichtigung der wohlverstandenen Interessen des Beamten zu treffen (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 7. Aufl. 2011, § 9 Rdnr. 12 [m. w. N.]). Diese Pflicht ergibt sich aber auch schon aus der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG, vgl. Schnellenbach, a. a. O.). Dieser Pflicht hat die C. als für den Beklagten handelnde Behörde nicht hinreichend Genüge getan. Die mit Bescheid vom 28. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2008 erfolgte Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist vom erkennenden Gericht mit rechtskräftigem Urteil vom 26. August 2008 (Az.: 5 A 60/08 MD) demgemäß als rechtswidrig beanstandet und aufgehoben worden.

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Diese Pflichtverletzung ist auch für den geltend gemachten Schaden in dem Sinne ursächlich gewesen, als der Kläger ohne die rechtswidrig erfolgte Versetzung in den Ruhestand aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Insolvenzantrag hätte stellen müssen und auch die Kosten für die von ihm bis zu diesem Zeitpunkt gemietete Wohnung tragen können. Nach seinen nachvollziehbaren Angaben, welche der Beklagte im Wesentlichen unbeanstandet gelassen hat, hätte der Kläger die von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten in Höhe von 769,32 € sowie seine monatlichen Aufwendungen für Versicherungen und Unterkunft in Höhe von weiteren 1.050,87 € mit den ungekürzten Dienstbezügen eines Beamten der Besoldungsgruppe A 13 LBesO finanzieren können. Infolge der Ruhestandsversetzung hat der Kläger für die Zeit der Wirksamkeit der Verfügung lediglich die von ihm erdienten Ruhegehaltsbezüge in Höhe von 1.253,60 € erhalten. Allein mit seinen Ruhegehaltsbezügen konnte der Kläger die diese deutlich übersteigenden monatlichen Aufwendungen (insgesamt 1.820,18 €) nicht erbringen.

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Ein danach gegebenes Maß an Ursächlichkeit, nach dem bereits jedes Ereignis eine Schadensersatzpflicht auslöst, welches nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg (hier Schaden) in seiner konkreten Gestalt entfiele (sog. äquivalente Kausalität, vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 2. Juli 1957 - VI ZR 205/56 -, BGHZ 25, 86), würde jedoch zu einer zu weitgehenden Haftung des Dienstherrn führen. Nach diesem Maßstab wären auch ganz entfernte durch ein Handeln oder Unterlassen des Dienstherrn gesetzte Ursachen für die Zurechnung eines Schadensereignisses ausreichend, um einen Schadensersatzanspruch des Beamten zu begründen. Daher ist ergänzend zu verlangen, dass zwischen der Verletzungshandlung und dem eingetretenen Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Schadens geeignet war (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5/99 -, a. a. O. [m. w. N.]; BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02 -, NJW 2005, 1420 [m. w. N.]). So verhält es sich hier. Es liegt jedenfalls nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, dass ein Beamter bei einer erheblichen Reduzierung seiner Bezüge – wie hier im Fall einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit – im Einzelfall in finanzielle Bedrängnis gerät.

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Aber auch die festzustellende adäquate Kausalität zwischen der Fürsorgepflichtverletzung des Beklagten und dem vom Kläger geltend gemachten Schaden ist im vorliegenden Fall als nicht ausreichend anzusehen, um eine Schadensersatzpflicht des Beklagten zu begründen. Das Risiko einer zeitnah nach Wirksamwerden einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit eintretenden Zahlungsunfähigkeit des Beamten und der daran anknüpfenden Notwendigkeit, die Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens zu beantragen, ist von einer Vielzahl individuell geprägter Faktoren abhängig, die sich dem Einflussbereich des Dienstherrn gänzlich entziehen. Der Dienstherr hat insbesondere keinen Einfluss darauf, in welchem Umfang seine Beamten private Verbindlichkeiten oder finanzielle Risiken eingehen. Um eine ausufernde Haftung des Dienstherrn für allein im Privatbereich des Beamten liegende und nur von diesem zu kalkulierende Risiken zu verhindern, bedarf es daher einer wertenden Ergänzung der allein auf eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ausgerichteten Adäquanzformel. Der eine Schadensersatzpflicht des Dienstherrn auslösende Zurechnungszusammenhang zwischen dem geltend gemachten Schaden und einer Pflichtverletzung besteht demnach nur, wenn der Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt. Der erlittene Nachteil muss aus dem Bereich der Gefahren stammen, deren Abwendung die verletzte Norm oder Pflicht im Blick hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93 -, NJW 1995, 449; Urteil vom 14. Oktober 1971 - VII ZR 313/69 -, BGHZ 57, 137 [m. w. N.]; Conrad, a. a. O., Rdnr. 57 [m. w. N.]; die Anwendbarkeit der Schutzzwecklehre auf die Haftung eines Soldaten nach § 24 Abs. 1 des Soldatengesetzes offen lassend: BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1984 - 6 C 199/81 -, BVerwGE 70, 296).

31

Dies zugrunde gelegt ist ein die Haftung des Beklagten für den beim Kläger eingetretenen Schaden begründender Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der – jedenfalls in der konkreten Gestalt der Versetzungsverfügung der C. vom 28. Januar 2008 rechtsfehlerhaften – Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Klägers zu verneinen.

32

Insoweit darf nämlich die gesetzliche Wertung des § 44 Abs. 3 BG LSA a. F. nicht unberücksichtigt bleiben. Behält ein Beamter – wie hier der Kläger – nach seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit wegen eines eingelegten Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels Anspruch auf Besoldung, so werden nach Satz 1 dieser Norm mit Ablauf des Monats, in dem die Verfügung über die Versetzung in den Ruhestand dem Beamten zugestellt worden ist, die Dienstbezüge einbehalten, die das Ruhegehalt übersteigen. Hat die Entscheidung, den Beamten wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, keinen Bestand, sind die einbehaltenen Beträge gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 BG LSA a. F. nachzuzahlen. Nicht die die Ruhestandsversetzung verfügende Behörde, sondern vielmehr das Gesetz selbst trifft hier also eine materiell-rechtliche Regelung über die Besoldung des wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten, der diesen statusberührenden Rechtsakt mit Rechtsbehelfen oder -mitteln angreift. Danach wird der Besoldungsanspruch dem Grunde nach unberührt gelassen und nur seine Höhe vorübergehend absenkt. Diese Einbehaltensregelung soll nach ihrem Sinn und Zweck nicht nur im öffentlichen Interesse dem Anreiz entgegenwirken, Zwangspensionierungen lediglich zum Zwecke verlängerter Zahlung der vollen Dienstbezüge anzugreifen, und die Staatskasse von Vorleistungen sowie vom Rückforderungsrisiko zu entlasten (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/4659, S. 53 f., zu § 44 Abs. 2 Satz 4 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) in der bis zum 11. Februar 2009 geltenden Fassung [BGBl. I 2001, S. 1510], welche inhaltlich der Regelung des § 44 Abs. 3 Satz 1 BG LSA a. F. entspricht und die nunmehr in § 47 Abs. 4 Satz 2 BBG in der Fassung vom 5. Februar 2009 [BGBl. I S. 160] ihre Entsprechung findet). Sie verhindert zugleich im Interesse des Beamten für den Fall der Erfolglosigkeit seiner Anfechtung der Zurruhesetzungsverfügung, dass er der Rückforderung der weitergewährten Bezüge und deren empfindlichen Auswirkungen auf seine Lebensführung und die seiner Familie ausgesetzt ist (vgl. BT-Drs. 14/4659, S. 53 f.), was ihn umso härter träfe, als er nicht nur die Absenkung der Bezüge hinnehmen, sondern zusätzlich die Rückforderung bedienen müsste. Die vorläufige Einbehaltung des dem Erstattungsrisiko ausgesetzten Besoldungsanteils ist daher auch Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 2007 - 4 S 45/07 -, NVwZ-RR 2007, 542). Anders gewendet findet der Schutzzweck der gerade auch im Zusammenhang mit Zurruhesetzungsentscheidungen zu beachtenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn in § 44 Abs. 3 BG LSA a. F. eine einfachgesetzliche Konkretisierung. Der Schutzzweck der Fürsorgepflicht besteht nicht darin, den Beamten von finanziellen Risiken freizustellen, die in keinem Zusammenhang mit der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit stehen, sondern von dem Beamten aufgrund seiner eigenverantwortlichen Willensentschließung eingegangen worden und ausschließlich seinem privaten Bereich zuzuordnen sind. Den danach verbleibenden Nachteil, dass dem Beamten, der eine Zurruhestandsversetzungsverfügung erfolgreich anficht, der nachzuzahlende Betrag nicht zeitgerecht zur Verfügung steht, mutet das Gesetz dem Beamten grundsätzlich zu. Diese gesetzliche Wertung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Beamte im Nachhinein einen gesetzlich nicht vorgesehenen Nachteilsausgleich im Wege des Schadensersatzes erreichen kann.

33

Etwas anderes ist nur dann geboten, wenn die Zurruhestandsversetzungsverfügung ersichtlich rechtsmissbräuchlich ist und allein dem Zweck dient, die Rechtsfolge der Besoldungskürzung eintreten zu lassen oder wenn die Annahme der Dienstunfähigkeit aus der Luft gegriffen bzw. offensichtlich rechtswidrig erscheint. Allerdings bestünde in diesem Fall ggf. ausnahmsweise ein Anspruch des Beamten auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über die Weiterzahlung der vollen Dienstbezüge (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2012 - 1 B 790/12 -, zitiert nach juris [m. w. N.]; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 2 M 203/02 -, ZBR 2004, 327). So verhält es sich hier jedoch gerade nicht. Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist nicht etwa deshalb gerichtlich beanstandet worden, weil offen zu Tage lag, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich dienstfähig gewesen ist (vgl. Beschluss der Kammer vom 1. Dezember 2008 - 5 B 396/08 MD). Wesentlicher Anknüpfungspunkt für die gerichtliche Aufhebung der Ruhestandsversetzungsverfügung waren vielmehr formelle Fehler. Das Gericht hat es als rechtsfehlerhaft angesehen, dass die C. bei der prognostischen Beurteilung des Gesundheitszustandes des Klägers im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides nicht sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisse ausgeschöpft hat (vgl. Urteil vom 26. August 2008 - 5 A 60/08 MD -, S. 6 f. des Urteilsabdrucks). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihrer Entscheidung eine amtsärztliche Stellungnahme zugrunde gelegt hat, nach welcher der bereits seit längerer Zeit erkrankte Kläger dienstunfähig war. Selbst wenn die Beklagte möglicherweise eine ergänzende Stellungnahme hätte einholen müssen, um den Sachverhalt zuverlässig aufzuklären, kann bei dieser Sachlage nicht davon gesprochen werden, dass die Annahme, der Kläger sei dienstunfähig und daher in den Ruhestand zu versetzen, gänzlich haltlos gewesen ist. Vielmehr hat es sich so verhalten, dass der Kläger im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung aufgrund eines Schlaganfalls am 9. November 2006 bereits über ein Jahr dienstunfähig erkrankt war.

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Hat der Kläger aus den vorgenannten Gründen keinen Anspruch auf Schadensersatz, kann er vom Beklagten auch keine Prozesszinsen in entsprechender Anwendung von § 291 BGB beanspruchen.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 74


(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 44 Dienstunfähigkeit


(1) Die Beamtin auf Lebenszeit oder der Beamte auf Lebenszeit ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 45 Fürsorge


Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlich

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 54 Verwaltungsrechtsweg


(1) Für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. (2)

Insolvenzordnung - InsO | § 200 Aufhebung des Insolvenzverfahrens


(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 47 Verfahren bei Dienstunfähigkeit


(1) Hält die oder der Dienstvorgesetzte die Beamtin oder den Beamten aufgrund eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand für dienstunfähig und ist eine anderweitige Verwendung nicht möglich oder liegen die Voraussetzungen für die begrenz

Soldatengesetz - SG | § 24 Haftung


(1) Verletzt ein Soldat vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Soldaten gemeinsam den Schaden verursac

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(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

(2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

(1) Für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(2) Vor allen Klagen ist ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahme von der obersten Dienstbehörde getroffen worden ist. Ein Vorverfahren ist nicht erforderlich, wenn ein Landesgesetz dieses ausdrücklich bestimmt.

(3) Den Widerspruchsbescheid erlässt die oberste Dienstbehörde. Sie kann die Entscheidung für Fälle, in denen sie die Maßnahme nicht selbst getroffen hat, durch allgemeine Anordnung auf andere Behörden übertragen. Die Anordnung ist zu veröffentlichen.

(4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abordnung oder Versetzung haben keine aufschiebende Wirkung.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Festsetzung einer angemessenen Vergütung für eine von ihr durchgeführte Abwicklung der Praxis des am 19. Dezember 1998 verstorbenen Steuerberaters Jörg Sch.

2

Zum Praxisabwickler war sie von der Beklagten mit Urkunde vom 24. Dezember 1998 gemäß § 70 StBerG auf Vorschlag der Witwe des Verstorbenen bestellt worden. Mit Vertrag vom 26. August 1999 verkauften die Erben des verstorbenen Steuerberaters die Praxis zu einem Kaufpreis von 150 000 DM. Der Verkaufserlös wurde in voller Höhe an sie ausgezahlt.

3

Mit Schreiben vom 23. Juli 1999 stellte die Klägerin für ihre Abwicklertätigkeit den Erben des verstorbenen Steuerberaters einen Betrag von 347 693,66 DM in Rechnung, wobei sie geltend machte, die Praxis des verstorbenen Steuerberaters habe sich in einem chaotischen Zustand befunden, so dass ein Einsatz von 3 Steuerberatern und 5 Diplom-Betriebswirten sowie weiterer Mitarbeiter erforderlich gewesen sei, um die Praxis-Unterlagen den betreffenden Akten zuzuordnen, die Rückstände aufzuarbeiten und die laufenden Aufträge fortzuführen. Da hierauf von den Erben lediglich ein Teilbetrag von 60 000 DM gezahlt wurde, erhob die Klägerin gegen diese beim Landgericht M. Klage auf Zahlung einer Praxisabwickler-Vergütung in Höhe von 273 223,71 DM zuzüglich Zinsen. Sie errechnete ihren Anspruch anhand des Zeitaufwandes der von ihr eingesetzten Steuerberater und Diplom-Betriebswirte, den sie auf 2 350,87 Stunden bezifferte. Als Stundensatz legte sie die Mittelgebühr nach § 13 Abs. 2 StBGebV in Höhe von 127,50 DM zugrunde. Nachdem Vergleichsbemühungen des Landgerichts gescheitert waren und die Klägerin der gerichtlichen Anregung, einen Antrag auf Festsetzung der angemessenen Vergütung gemäß § 70 i.V.m. § 69 StBerG bei der Beklagten zu stellen, nicht nähergetreten war, holte das Landgericht bei der Beklagten ein Sachverständigengutachten zu der Angemessenheit der Forderung der Klägerin ein. Das Gutachten der Beklagten vom 19. November 2003 kam unter Zugrundelegung von 1 732,5 Stunden zu dem Ergebnis, dass für die der Praxisabwicklung zurechenbaren Leistungen eine Vergütung von 256 236,75 DM angemessen sei.

4

Nach einem Berichterstatterwechsel wies das Landgericht die Verfahrensbeteiligten darauf hin, dass es angesichts der bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten Aufgabe der Beklagten sei, die Höhe der angemessenen Abwicklervergütung festzusetzen. Den daraufhin von der Klägerin gestellten Antrag auf Festsetzung der angemessenen Vergütung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 11. April 2005 mit der Begründung ab, für eine Festsetzung der Abwicklervergütung durch sie sei kein Raum, weil § 69 Abs. 4 Satz 5 StBerG nicht die Fälle betreffe, in denen - wie hier - die Bestellung des Praxisabwicklers auf Antrag der Erben erfolgt sei. Daraufhin wandte sich das Landgericht mit Schreiben vom 29. Juni 2005 an das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg als Aufsichtsbehörde der Beklagten, das unter dem 4. August 2005 ausführte, es teile die Rechtsauffassung des Landgerichts. Die Beklagte habe die Vergütung des Praxisabwicklers festzusetzen, wenn sich die Beteiligten hierüber nicht einigen könnten. Eine Differenzierung danach, ob die Abwickler-Bestellung auf Antrag oder von Amts wegen erfolgt sei, sehe das Gesetz nicht vor. Die Steuerberaterkammer hafte für die Vergütung des Praxisabwicklers wie ein Bürge. Unter Hinweis auf dieses Schreiben des Finanzministeriums beantragte die Klägerin daraufhin unter dem 11. August 2005 bei der Beklagten die Festsetzung einer angemessenen Abwicklervergütung in Höhe von 131 011,77 € zuzüglich Zinsen. Nach einer Besprechung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 25. Oktober 2005 teilte das Finanzministerium der Beklagten mit Schreiben vom 4. November 2005 mit, aus seiner Sicht könne festgestellt werden, dass der bestellte Praxisabwickler nach § 70 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 4 StBerG Anspruch auf eine angemessene Vergütung habe. Im vorliegenden Fall erscheine es angemessen, die Durchschnittsmonatsvergütung eines angestellten Steuerberaters als Maßstab für die Abwicklervergütung heranzuziehen. Die Beklagte werde gebeten, unter Beachtung der vorstehenden Kriterien die Abwicklervergütung festzusetzen.

5

Mit Bescheid vom 11. November 2005, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt wurde, setzte die Beklagte daraufhin die Höhe der angemessenen Vergütung auf 30 000 € fest. Zwar sei sie nach wie vor der Auffassung, sie sei nicht zur Festsetzung der angemessenen Vergütung verpflichtet; im Interesse des Fortgangs der Angelegenheit habe ihr Präsidium jedoch dessen ungeachtet entschieden, der Bitte des Finanzministeriums zu entsprechen und eine Festsetzung vorzunehmen. Hinsichtlich der Bemessung der Höhe der Vergütung habe sie sich an dem Schreiben des Finanzministeriums vom 4. November 2005 orientiert, wonach entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwischen der Vergütung des Abwicklers und der im Zusammenhang mit der Abwicklung von diesem getätigten Aufwendungen unterschieden werden müsse. Nur für die Festsetzung der Vergütung des Abwicklers sei die Kammer zuständig. Das insoweit anzusetzende durchschnittliche Monatsgehalt eines angestellten Steuerberaters liege ausweislich einer im Jahr 1999 durchgeführten Umfrage bei ungefähr 5 000 €, so dass sich bei einer Dauer der Abwicklertätigkeit der Klägerin von 6 Monaten ein Gesamtbetrag von 30 000 € ergebe.

6

Nachdem die Bemühungen des Landgerichts, in dem noch rechtshängigen Verfahren (Az: 2 0 319/99 LG M.) eine vergleichsweise Einigung herbeizuführen, gescheitert waren, hat die Klägerin auf Anregung des Landgerichts am 27. April 2006 Klage beim Verwaltungsgericht K. erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die ihr zustehende Vergütung für die Praxisabwicklung unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 11. November 2005 auf 139 746 € zuzüglich Zinsen festzusetzen. Die Beklagte hat demgegenüber insbesondere geltend gemacht, die Klage sei mangels vorheriger Durchführung des nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Widerspruchsverfahrens unzulässig, was sie, die Beklagte, ausdrücklich rüge. Das Widerspruchsverfahren sei keinesfalls entbehrlich und hätte Gelegenheit geboten, die Sache nochmals zu erörtern. Vorsorglich und unter ausdrücklicher Klarstellung, dass damit ein Verzicht auf die Rüge der fehlenden Durchführung des Vorverfahrens nicht verbunden sei, halte sie die Klage zudem auch für unbegründet. Dem Einwand der Beklagten, die Klage sei wegen fehlenden Vorverfahrens unzulässig, ist die Klägerin unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur ausnahmsweisen Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens entgegengetreten. Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht davon abweichen wolle und ein Widerspruchsverfahren für erforderlich halte, erbitte sie einen entsprechenden Hinweis, damit sie noch vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruch einlegen könne. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. März 2007 als unzulässig abgewiesen und ausgeführt, es fehle an dem nach § 68 VwGO erforderlichen Vorverfahren.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung mit Urteil vom 4. März 2009 mit der Begründung zurückgewiesen, das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Es fehle an dem gemäß § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Vorverfahren. Eine der in § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO genannten Ausnahmen, in denen es einer solchen Nachprüfung nicht bedürfe, liege nicht vor. Die Erforderlichkeit des Vorverfahrens entfalle auch nicht deshalb, weil die Beklagte selbst zuständige Widerspruchsbehörde gewesen wäre. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne nicht sicher entnommen werden, ob ein Vorverfahren auch dann entbehrlich sei, wenn sich die Beklagte auf das Fehlen des Vorverfahrens ausdrücklich berufen und nur hilfsweise zur Sache eingelassen habe. In der Kommentarliteratur werde diese Auffassung, die fehlende Durchführung eines Vorverfahrens könne bereits bei hilfsweiser Einlassung der Behörde zur Sache geheilt und das Berufen auf die fehlende Zulässigkeitsvoraussetzung damit unbeachtlich werden, einhellig abgelehnt. Dieser Auffassung sei zu folgen. Bei ausdrücklicher Berufung auf das Fehlen des Vorverfahrens und lediglich hilfsweiser Einlassung sei kein ausreichender Grund dafür ersichtlich, von dem vor Durchführung einer Verpflichtungsklage zwingend vorgeschriebenen Vorverfahren abzusehen. Entgegen der von der Klägerin vorgebrachten Meinung erweise sich das Vorverfahren auch nicht deshalb als entbehrlich, weil sich die Einschätzung der Beklagten bereits als "unabänderlich" erwiesen habe und die Durchführung eines Vorverfahrens daher zwecklos gewesen wäre. Auch die Schreiben des Finanzministeriums rechtfertigten nicht, die von der Klägerin erhobene Klage ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens für zulässig zu erachten. Dies gelte jedenfalls, wenn, wie hier, eine verbindliche Weisung der Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Höhe der der Klägerin zustehenden Vergütung nicht vorliege.

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Zur Begründung ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei trotz Vorliegens eines entsprechenden Ausnahmefalles unter Verstoß gegen Bundesrecht von der Notwendigkeit eines Vorverfahrens ausgegangen und habe deshalb die Berufung zu Unrecht zurückgewiesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein Vorverfahren entbehrlich, wenn es seinen Zweck nicht mehr erfüllen könne. Das sei jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Widerspruchsbehörde bereits außerhalb eines Widerspruchsverfahrens mit der Sache befasst gewesen sei und dabei eine sachliche Überprüfung der Entscheidung der Ausgangsbehörde schon vorgenommen habe. Ferner sei von einem Vorverfahren abzusehen, wenn das Verhalten der Widerspruchsbehörde

9

vor oder während eines gerichtlichen Verfahrens mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten lasse, dass ein Widerspruch erfolglos sein würde. Weder die Rechtsschutz-, noch die Kontroll- noch die Entlastungsfunktion des Widerspruchsverfahrens seien dann noch erfüllbar. Die Beklagte sei bereits seit dem Streit zwischen den Erben und der Beklagten intensiv in den Fall einbezogen gewesen und habe sich wiederholt nicht in der Lage gesehen, ihre Entscheidung zu revidieren. Das Berufungsgericht habe zudem nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Finanzministerium als Aufsichtsbehörde in der Sache bereits entschieden habe. Bei dem Schreiben des Finanzministeriums vom 4. November 2005 handele es sich nicht um eine unverbindliche Empfehlung oder Bitte, sondern um eine staatsaufsichtliche Maßnahme im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 2 StBerG. Angesichts dessen sei nicht mehr zu erwarten gewesen, dass die Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt plötzlich einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen werde. Ein Beschreiten des Rechtsweges sei daher für die Klägerin unvermeidbar gewesen. Aufgrund des gesamten Verlaufs der Ereignisse im Vorfeld des Rechtsstreits habe sie, die Klägerin, davon ausgehen müssen, dass für eine erneute Anrufung der Behörde im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens keine Veranlassung mehr bestanden habe. Für eine solche Fallgestaltung sei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen. Auch ein (anderer) Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg habe diese Rechtsprechung mit einer aktuellen Entscheidung vom 27. Juni 2007 (Az: 4 S 2829/06) bestätigt.

10

Die Klage sei auch materiell begründet. Es sei widersprüchlich, wenn die Beklagte in ihrem Kammer-Gutachten im Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht M. eine um rund 100 000 € höhere Vergütung für angemessen angesehen habe als in ihrem angegriffenen Bescheid. Im Kammer-Gutachten seien die von ihr, der Klägerin, aufgelisteten Stunden, also der tatsächliche Zeit- und Personalaufwand, als angemessen erachtet worden. Der Begriff der angemessenen Vergütung sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Nachprüfung in vollem Umfang unterliege. Ein Anhaltspunkt für die Bemessung sei der Stundensatz oder das Gehalt, das für einen Angestellten oder freien Mitarbeiter in der Steuerberaterpraxis gezahlt werde. Zu berücksichtigen seien aber auch der Zeitaufwand, den der Abwickler für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigte, seine berufliche Erfahrung, die Schwierigkeiten und die Dauer der Abwicklung sowie der Umstand, dass die Tätigkeit eines Abwicklers eine Berufspflicht sei, die im Interesse des Berufsstandes geleistet werde. Die Angemessenheit eines Stundensatzes von 65,19 € werde auch durch die Praxis anderer Steuerberaterkammern bestätigt (vgl. VG Frankfurt/Main, Urteil vom 15. März 2006 - 12 E 300/05 - juris). Die Beklagte sei in ihrem Sachverständigengutachten ebenfalls von einem Stundensatz in dieser Höhe ausgegangen. Im Übrigen habe die Beklagte bei der Berechnung ihrer eigenen Vergütung für die Erstellung ihres Gutachtens im Verfahren vor dem Landgericht M. einen Stundensatz von 51,13 € zugrunde gelegt; nicht einmal diesen billige sie der Klägerin zu. Die Klägerin habe allein für dieses von der Beklagten erstellte Gutachten Kosten von 15 000 DM vorschießen müssen. Der von der Klägerin bei der Praxisabwicklung zu erbringende Arbeitsaufwand sei derart außergewöhnlich gewesen, dass die Beklagte zu Recht in ihrem Gutachten vom 19. November 2003 zu dem Ergebnis gelangt sei, die Festlegung einer pauschalen Abwicklervergütung auf der Basis eines Monatsgehalts wäre nicht angemessen. Was als Gebührenforderung gegenüber den Erben angemessen sei, könne nun im Verhältnis zu der für diese als Bürge haftenden Beklagten nicht unangemessen sein.

11

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. März 2009 und des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2007 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts K. die Beklagte zu verpflichten, die der Klägerin zustehende angemessene Vergütung für die Praxisabwicklung unter Änderung des Bescheides vom 11. November 2005 auf 139 746 € zuzüglich Zinsen festzusetzen.

12

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Die Revision sei bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen genüge, die § 139 Abs. 3 VwGO an eine Revisionsbegründung stelle. Sie erschöpfe sich weitgehend in Bezugnahmen auf früheres Vorbringen und wiederhole dieses. Zudem setze sie sich nicht hinreichend mit der grundsätzlichen Erforderlichkeit eines Vorverfahrens und der nur ausnahmsweisen Entbehrlichkeit eines solchen Vorverfahrens auseinander. Selbst wenn die Revision zulässig wäre, sei sie unbegründet. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergebe sich für den vorliegenden Fall keine Ausnahme von der Erforderlichkeit des Vorverfahrens. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Schreibens des Finanzministeriums vom 4. November 2005 sei zutreffend. Das Bundesverwaltungsgericht sei an diese Auslegung gebunden. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liege nicht vor.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist zulässig (1.) und begründet (2.). Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

15

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Sie enthält einen bestimmten Antrag und substantiiert die gerügte Rechtsverletzung in hinreichendem Maße. Denn die Klägerin macht darin ausdrücklich einen Verstoß gegen § 68 VwGO geltend, den sie darin sieht, dass beide vorinstanzlichen Urteile die Klage zu Unrecht mit der Begründung für unzulässig gehalten hätten, das nach § 68 VwGO erforderliche Vorverfahren sei nicht durchgeführt worden und ein solches Vorverfahren sei auch nicht entbehrlich. Zur Begründung führt sie unter Bezugnahme auf mehrere näher bezeichnete Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus, dass nach ihrer Rechtsauffassung ein Widerspruchsverfahren ausnahmsweise dann nicht (mehr) erforderlich sei, wenn es seinen Zweck nicht mehr erfüllen könne. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Widerspruchsbehörde bereits außerhalb eines förmlichen Widerspruchsverfahrens mit der Sache befasst gewesen sei und dabei eine sachliche Überprüfung der Entscheidung der Ausgangsbehörde schon vorgenommen habe.

16

Die Revisionsbegründung ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch aus sich heraus und ohne dass dazu andere Schriftsätze herangezogen werden müssten, verständlich. (vgl. dazu u.a. Urteil vom 1. Juli 1965 - BVerwG 3 C 105.64 - BVerwGE 21, 286 <288> = Buchholz 427.2 § 8 FG Nr. 57a). Soweit die Beklagte die in der Revisionsbegründung erfolgte teilweise wörtliche Wiederholung von Ausführungen aus früheren Schriftsätzen, insbesondere aus der Berufungsbegründung vom 14. März 2008, rügt, ergibt sich daraus kein Verstoß gegen die gesetzliche Begründungspflicht. Der Schriftsatz vom 13. Mai 2009, mit dem die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Revision begründet haben, enthält keine bloße Bezugnahme auf frühere eigene Schriftsätze oder Schreiben der Klägerin, sondern greift darin Begründungselemente aus früheren Schriftsätzen auf.

17

2. Die Revision der Klägerin ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und beruht hierauf; es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO)

18

2.1 Allerdings ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht davon ausgegangen, dass das Begehren der Klägerin, die Beklagte zur Festsetzung der angemessenen Vergütung nach § 70 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 4 Satz 5 StBerG zu verpflichten, auf den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes gerichtet ist. Die dafür allein statthafte Klageart ist nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die Verpflichtungsklage. Vor Erhebung der Verpflichtungsklage sind, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts ganz oder - wie im vorliegenden Fall - teilweise abgelehnt worden ist, nach § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Die erfolglose Durchführung des Vorverfahrens muss im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage von Amts wegen geprüft werden (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 9. Februar 1967 - BVerwG 1 C 49.64 - BVerwGE 26, 161 = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 35, vom 17. Februar 1981 - BVerwG 7 C 55.79 - BVerwGE 61, 360 = Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 20 und vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 114.81 - BVerwGE 66, 342 = Buchholz 436.0 § 2 BSHG Nr. 7 sowie Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 68 Rn. 33 ff. m.w.N.).

19

Ein Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2005 war auch nicht wegen des Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung entbehrlich. Die verfahrensrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung sind in § 58 VwGO abschließend geregelt. Ist die Rechtsmittelbelehrung unterblieben, ist nach § 58 Abs. 2 VwGO die Einlegung des Rechtsbehelfs - abweichend von der sonst maßgeblichen Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO - innerhalb eines Jahres zulässig. Dass ein Rechtsbehelf entbehrlich wird, wenn über ihn nicht belehrt wird, ist dort nicht bestimmt. Damit bleibt es auch im Falle einer fehlenden oder unrichtigen Rechtsmittelbelehrung bei der Notwendigkeit eines Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO (Urteil vom 20. April 1994 - BVerwG 11 C 2.93 - BVerwGE 95, 321 = Buchholz 436.36 § 18 BAföG Nr. 13).

20

Innerhalb der nach § 58 Abs. 2 VwGO maßgeblichen Jahresfrist hat die Klägerin keinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. November 2005 eingelegt. Auch nachdem die Beklagte mit ihrem Klageerwiderungsschriftsatz vom 8. Juni 2006 und damit noch vor Ablauf der Jahresfrist das Fehlen eines Widerspruchsverfahrens ausdrücklich gerügt hatte, hat die Klägerin unter Berufung auf mehrere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur ausnahmsweisen Entbehrlichkeit eines Widerspruchsverfahrens von der (nachträglichen) Einlegung eines Widerspruchs Abstand genommen und keine Aussetzung des Klageverfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO (analog) oder nach § 94 VwGO (vgl. dazu Urteil vom 13. Januar 1983 a.a.O. <345> = juris Rn. 6; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 68 Rn. 4 m.w.N.; Geis, in: Sodan/Ziekow, a.a.O. Rn. 118) beantragt.

21

Das Widerspruchsverfahren war im vorliegenden Fall auch nicht gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO durch Gesetz ausgeschlossen.

22

Da der von der Klägerin begehrte Verwaltungsakt nicht von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde, sondern von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlassen war/ist, war ein Widerspruchsverfahren auch nicht nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 Nr. 1 VwGO entbehrlich.

23

2.2 Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch verkannt, dass die Klage trotz fehlenden Widerspruchsverfahrens nach § 68 VwGO dennoch zulässig ist.

24

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (vgl. dazu u.a. Urteile vom 27. Februar 1963 - BVerwG 5 C 105.61 - BVerwGE 15, 306 <310> = Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 2, vom 9. Juni 1967 - BVerwG 7 C 18.66 - BVerwGE 27, 181 <185> = Buchholz 442.15 § 4 StVO Nr. 4, vom 23. Oktober 1980 - BVerwG 2 A 4.78 - Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14, vom 15. Januar 1982 - BVerwG 4 C 26.78 - BVerwGE 64, 325 <330> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 47, vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 3.85 - Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 10 und vom 4. August 1993 - BVerwG 11 C 15.92 - Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 16).

25

Diese Rechtsprechung ist zwar im Fachschrifttum auf Kritik gestoßen (vgl. dazu u.a. Ulrich Meier, Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens, 1992, S. 69 ff.; Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 68 Rn. 29 ff.; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 68 Rn. 29 ff.; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 68 Rn. 4 jeweils m.w.N.). Ihr wird vor allem eine Unvereinbarkeit mit dem gesetzlichen Wortlaut und der Systematik sowie dem Zweck der Regelungen der §§ 68 ff. VwGO vorgeworfen.

26

Der Senat hält jedoch nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage an der bisherigen Rechtsprechung fest, wonach ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO ausnahmsweise dann entbehrlich ist, wenn dessen Zweck bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ausgangsbehörde - wie hier nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO - zugleich Widerspruchsbehörde ist und den in Rede stehenden Bescheid aufgrund einer sie bindenden Weisung der (Rechts-)Aufsichtsbehörde erlassen hat, so dass sie bei Fortbestehen der Weisung den Ausgangsbescheid in einem Widerspruchsverfahren ohnehin nicht mehr ändern könnte.

27

Der Wortlaut des § 68 Abs. 1 VwGO steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Aus dem Normtext des § 68 Abs. 1 VwGO ("sind... nachzuprüfen") folgt nur, dass die Durchführung eines Vorverfahrens für die Beteiligten nicht disponibel ist (vgl. Urteile vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 114.81 - BVerwGE 66, 342 <345> = Buchholz 436.0 § 2 BSHG Nr. 7; Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 68 Rn. 159 m.w.N.). Die Zulässigkeit von (weiteren) Ausnahmen von der Notwendigkeit eines Widerspruchsverfahrens über die in §§ 68 ff. VwGO explizit normierten hinaus hängt davon ab, ob diese abschließenden Charakter ("numerus clausus") haben oder nicht. Diese Frage lässt sich anhand des Wortlautes nicht eindeutig entscheiden. Ihre Beantwortung hängt letztlich vom Sinn der in Rede stehenden Regelung(en) ab. Dieser kann angesichts der Offenheit des Wortlautes nur anhand des Regelungszusammenhangs und der Regelungssystematik, der Gesetzeshistorie sowie der mit der Regelung ersichtlich intendierten Zwecksetzung(en) festgestellt werden.

28

Die Entstehungsgeschichte der Regelungen der §§ 68 ff. VwGO ist hinsichtlich der Voraussetzungen einer (ausnahmsweisen) Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens nicht ergiebig. Die Frage, ob ein Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO - über die im Gesetz normierten Fälle hinaus - ausnahmsweise auch in weiteren Fällen entbehrlich sein kann, ist, soweit ersichtlich, weder in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 3/55 S. 38 und S. 72 ff.) noch in den Gesetzesberatungen im Parlament thematisiert worden. Im Verlauf der Beratungen des Rechtsausschusses des Bundestages wurde von dem Vertreter der Bundesregierung allerdings darauf hingewiesen, dass der Regierungsentwurf hinsichtlich der Regelung zum Vorverfahren "nicht etwas völlig Neues enthalte, sondern an alte Vorbilder anknüpfe und versuche, diese in ein möglichst gutes Gleis zu bringen" (vgl. die Nachweise bei von Mutius, Das Widerspruchsverfahren der VwGO als Verwaltungsverfahren und Prozessvoraussetzung, 1969, S. 102 ff. m.w.N.). Damit war auch - jedenfalls implizit - die vor Inkrafttreten der VwGO zu den Vorgängerregelungen ergangene Rechtsprechung einbezogen. Da sich in den Gesetzgebungsmaterialien keine Hinweise darauf finden, dass der Gesetzgeber der VwGO in der Frage der Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens eine Korrektur der damals bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Voraussetzungen einer Entbehrlichkeit des Vorverfahrens (vgl. u.a. Urteile vom 27. Januar 1954 - BVerwG 2 C 113.53 - BVerwGE 1, 72 = Buchholz 332 § 44.MRVO Nr. 1, vom 3. Dezember 1954 - BVerwG 2 C 100.53 - BVerwGE 1, 247 <249>, vom 6. März 1959 - BVerwG 7 C 71.57 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 10 = DVBl 1959, 777 und vom 18. Dezember 1959 - BVerwG 7 C 95.57 - BVerwGE 10, 82 = Buchholz 401.62 Getränkesteuer Nr. 4) vornehmen wollte, liegt der Schluss nahe, dass die §§ 68 ff. VwGO auch insoweit "nicht etwas völlig Neues" in Kraft setzten, sondern "an alte Vorbilder" anknüpfen wollten. Jedenfalls ergibt sich damit aus der Gesetzgebungsgeschichte im Rahmen der sog. historischen Auslegung der hier in Rede stehenden Vorschriften kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass die damals bereits ergangene und vorliegende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur ausnahmsweisen Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens in den Fällen, in denen dessen Zweck bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann, durch den Gesetzgeber der neuen VwGO korrigiert werden sollte.

29

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Gesetzessystematik, namentlich aus dem Regelungszusammenhang, in dem die in § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 Nr. 1 und Nr. 2 sowie in § 75 VwGO normierten Ausnahmen von der Notwendigkeit eines Widerspruchsverfahrens stehen. Für die in diesen Vorschriften normierten Abweichungen ("Ausnahmen") waren jeweils spezifische Gründe und Motive des Gesetzgebers maßgebend. Zwischen der in § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO normierten Grundregelung und den zitierten Vorschriften besteht ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Ausnahmevorschriften sind einer erweiternden Auslegung, insbesondere im Wege der Analogie, nicht zugänglich (vgl. dazu u.a. Urteile vom 17. Dezember 1996 - BVerwG 1 C 24.95 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 40 Rn. 26, vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 <98 >= juris Rn. 249 und vom 17. August 2005 - BVerwG 6 C 15.04 - BVerwGE 124, 110 <121 ff.> = juris Rn. 37 ff.; Muscheler, in: Drenseck/Seer (Hrsg.), Festschrift für Heinrich Wilhelm Kruse zum 70. Geburtstag, 2001, S. 135 ff.<154 ff., 157 ff.>). Um eine solche Erweiterung durch Analogiebildung geht es aber nicht , wenn sich aus Sinn und Zweck der Regelung eine weitere, wenn auch im Gesetz nicht ausdrücklich normierte Ausnahme vom Erfordernis des Widerspruchsverfahrens ergibt und der Regeltatbestand deshalb einschränkend ausgelegt werden muss. Dies gilt namentlich für den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konkretisierten Fall, dass der Gesetzeszweck ein Widerspruchsverfahren deshalb nicht (mehr) gebietet und erfordert, weil im konkreten Fall dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann.

30

Das Vorverfahren soll zum einen im öffentlichen Interesse eine Selbstkontrolle der Verwaltung durch die Widerspruchsbehörde ermöglichen. Außerdem soll es zu einem möglichst effektiven individuellen Rechtsschutz beitragen; für den Rechtsuchenden soll eine gegenüber der gerichtlichen Kontrolle zeitlich vorgelagerte und ggf. erweiterte Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet werden, was insbesondere etwa bei der Kontrolle von Ermessensentscheidungen z.B. im Hinblick auf die im Widerspruchsverfahren für die Widerspruchsbehörde gegebene Möglichkeit einer Prüfung auch der Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts von Bedeutung sein kann. Schließlich soll das Vorverfahren im öffentlichen Interesse die Gerichte entlasten und damit Ressourcen schonen helfen ("Filterwirkung"). Diese dreifache normative Zwecksetzung eines Widerspruchsverfahrens ist allgemein anerkannt (vgl. dazu die Nachweise zur Rechtsprechung und Fachliteratur u.a. bei Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, Vorb. § 68 Rn. 1; Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 68 Rn. 1 FN. 1 und Rn. 2 ff.). Da das Widerspruchsverfahren weder allein den Interessen der Verwaltung noch allein denen des Betroffenen, sondern mehreren Zwecken und damit insgesamt jedenfalls auch dem öffentlichen Interesse an einer über den Gesichtspunkt des Individualrechtsschutzes hinausgehenden (Selbst-)Kontrolle der Verwaltung und einer Entlastung der Verwaltungsgerichte dient, steht es weder im Belieben der Verwaltungsbehörden noch in dem des jeweiligen Rechtsschutzsuchenden, hierauf umstandslos zu verzichten. Wenn allerdings die genannten Zweck(e) eines Vorverfahrens schon auf andere Weise erreicht worden sind oder nicht mehr erreicht werden können, wäre ein Widerspruchsverfahren funktionslos und überflüssig (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 9. Juni 1967 - BVerwG 7 C 18.66 - BVerwGE 27, 181 <185>, insoweit nicht vollständig abgedruckt = Buchholz 442.15 § 4 StVO Nr. 4, vom 23. März 1982 - BVerwG 1 C 157.79 - Buchholz 451.25 LadschlG Nr. 20 S. 1 <6>, vom 24. Juni 1982 - BVerwG 2 C 91.81 - BVerwGE 66, 39 <41> = Buchholz 232 § 61 BBG Nr. 4 und § 62 BBG Nr. 2, vom 2. September 1983 - BVerwG 7 C 97.81 - Buchholz 442.03 § 9 GüKG Nr. 13 = juris Rn. 8 ff., vom 17. August 1988 - BVerwG 5 C 78.84 - Buchholz 424.01 § 65 FlurbG Nr. 5 S. 7<9>, vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 3.85 - Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 10 S. 37<38 f.>, vom 21. September 1989 - BVerwG 2 C 68.86 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 15 S. 8<10>, vom 18. Mai 1990 - BVerwG 8 C 48.88 - BVerwGE 85, 163 <168> = DVBl 1990, 1350, vom 4. August 1993 - BVerwG 11 C 15.92 - Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 16 = NVwZ 1995, 76 und vom 20. April 1994 - BVerwG 11 C 2.93 - BVerwGE 95, 321 = Buchholz 436.36 § 18 BAföG Nr. 13 = juris Rn. 18). Ob diese Voraussetzung im konkreten Fall vorliegt, bestimmt sich freilich nicht nach der subjektiven Einschätzung der Behörde oder des Rechtsschutzsuchenden. Vielmehr ist auf einen objektivierten Beurteilungsmaßstab abzustellen.

31

Ungeachtet der Frage, ob im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bereits ein hilfsweises Einlassen in der Sache durch die beklagte Behörde ausreicht, um von einem Erreichen der dem Gesetz zugrunde liegenden Regelungszwecke der §§ 68 ff. VwGO auszugehen (bejahend: u.a. Urteile vom 23. Oktober 1980 - BVerwG 2 A 4.78 - Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14, vom 2. September 1983 - BVerwG 7 C 97.81 - Buchholz 442.03 § 9 GüKG Nr. 13 = NVwZ 1984, 507 und vom 9. Mai 1985 - BVerwG 2 C 16.83 - Buchholz 421.20 Hochschulpersonalrat Nr. 14 = NVwZ 1986, 374 = juris Rn. 21; verneinend: Beschluss vom 26. September 1989 - BVerwG 8 B 39.89 - Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 35 = juris Rn. 8), können die vom Gesetz normierten Zwecke eines Vorverfahrens unabhängig von der subjektiven Einschätzung der Prozessbeteiligten objektiv jedenfalls dann nicht (mehr) erreicht werden, wenn die Behörde durch die zuständige Aufsichtsbehörde zu ihrer Entscheidung verbindlich angewiesen worden ist (vgl. Urteile vom 23. Oktober 1980 a.a.O. und vom 27. September 1988 a.a.O.). Denn im Rahmen eines (nachgeholten) Widerspruchsverfahrens bestünde dann die in § 72 VwGO vorgesehene Abhilfemöglichkeit nicht mehr, so dass angesichts der rechtlichen Bindung der Behörde durch die aufsichtsbehördliche Weisung die von §§ 68 ff. VwGO bezweckte "Selbstkontrolle der Verwaltung" (durch die Widerspruchsbehörde) nicht mehr erreichbar wäre. Damit könnte das Widerspruchsverfahren auch nicht mehr den weiteren normativen Zweck erfüllen, für den Rechtsuchenden eine gegenüber der gerichtlichen Kontrolle zeitlich vorgelagerte und ggf. erweiterte Rechtsschutzmöglichkeit zu eröffnen. Angesichts der rechtlichen Bindung der Widerspruchsbehörde wäre auch der mit dem Widerspruchsverfahren intendierte dritte normative Zweck nicht mehr erreichbar, die Gerichte zu entlasten ("Filterwirkung").

32

Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg hatte in seiner Eigenschaft als Rechtsaufsichtsbehörde der beklagten Steuerberaterkammer diese nach § 88 Abs. 3 Satz 1 StBerG zur mit dem Bescheid vom 11. November 2005 dann auch erfolgten Festsetzung der angemessenen Abwicklervergütung angewiesen. Hieran war die Beklagte gebunden.

33

Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass das an die Beklagte gerichtete Schreiben des Finanzministeriums vom 4. November 2005 nicht lediglich eine "Empfehlung" bzw. "Bitte" darstellt. Denn unbeschadet der höflich gehaltenen Formulierung wird die Beklagte darin durch ihre Aufsichtsbehörde aufgefordert, die Vergütung "unter Beachtung der vorstehenden Kriterien" festzusetzen. Der Erklärungsgehalt des Schreibens lässt nach dem gemäß §§ 133, 157 BGB (analog) maßgeblichen objektivierten Empfängerhorizont keinen Zweifel daran aufkommen, dass die vom Finanzministerium vorgetragene "Bitte" als verbindliche Weisung zu verstehen war.

34

Der verbindliche "Aufsichtscharakter" des Schreibens wird zudem bei Berücksichtigung der maßgeblichen, dem Adressaten bekannten näheren Umstände seines Zustandekommens und Ergehens deutlich. Bereits mit Schreiben vom 4. August 2005, das der Beklagten zur Kenntnis gegeben wurde, hatte das Finanzministerium auf die unter Vorlage der Akten durch das Landgericht M. erfolgte Anfrage diesem mitgeteilt, es teile die "vorläufig geäußerte Rechtsauffassung des Gerichts in Bezug auf die Pflicht der Steuerberaterkammer N., die umstrittene Verfügung für die Abwicklung festzusetzen". Dabei wird vom Finanzministerium ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein rechtlicher Spielraum für eine andere Interpretation der Vorschriften entgegen der Auffassung der Steuerberaterkammer nicht bestehe. Sowohl die deutliche Formulierung des Schreibens als auch die Tatsache, dass sich das Finanzministerium mit seiner Auffassung "nach außen" hin im amtlichen Verkehr mit einem Gericht festgelegt hat, sprechen dafür, dass es sich nicht um eine bloße Meinungsäußerung oder Empfehlung, sondern um eine verbindliche Auskunft gegenüber dem anfragenden Gericht handelte. Das Schreiben des Finanzministeriums vom 7. September 2005 bestätigte gegenüber der Beklagten, dass eine Rechtspflicht der Beklagten zur Festsetzung der angemessenen Abwicklervergütung bestehe. Zu Recht ist der Verwaltungsgerichtshof deshalb davon ausgegangen, dass die in diesem Schreiben enthaltenen Hinweise auf die "Staatsaufsicht", auf die bislang fehlende Abstimmung durch die Beklagte sowie auf die Möglichkeit einer Vergütungsfestsetzung von Amts wegen durch das Finanzministerium keinen Zweifel an dessen Durchsetzungswillen lassen. Nachdem die Beklagte hiergegen Einwände erhoben hatte, hielt das Landesfinanzministerium dann mit seinem an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 4. November 2005 an seiner Rechtsauffassung ausdrücklich fest und bekräftigte sie unmissverständlich.

35

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs enthält das Schreiben des Finanzministeriums vom 4. November 2005 eine verbindliche Vorgabe allerdings nicht nur bezüglich der Verpflichtung der Beklagten, überhaupt eine Vergütung festzusetzen, sondern auch bezogen auf die umstrittene Höhe der angemessenen Vergütung. Die gegenteilige Auslegung des Berufungsgerichts verletzt revisibles Recht.

36

Der Senat ist befugt, die Auslegung dieses Schreibens durch die Vorinstanz in der Revision am Maßstab der §§ 133, 157 BGB zu überprüfen (vgl. Urteile vom 9. Juni 1983 - BVerwG 2 C 34.80 - BVerwGE 67, 222 <234> = Buchholz 238.5 § 26 DRiG Nr. 1, vom 27. September 1990 - BVerwG 4 C 44.87 - BVerwGE 85, 348 <366> = Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 9, vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286> = Buchholz 237.7 § 72 NWLBG Nr. 4 und vom 5. November 2009 - BVerwG 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 <212 f. Rn. 17 ff. > m.w.N. = Buchholz 316 § 35 VwVfG Nr. 60; vgl. auch Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn. 156 zu § 137), die im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden sind (vgl. dazu u.a. Urteile vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302 <307> = Buchholz 310 § 69 VwGO Nr. 7 und vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 <160> m.w.N. = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264; Vogenauer, §§ 133, 157, Auslegung, in: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Band I, 2003, S. 562 <583 ff. Rn. 33 ff. und Rn. 44 ff.> m.w.N.). Danach ist nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es kommt entscheidend auch nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist ("objektivierter Empfängerhorizont"). Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird (vgl. Urteil vom 27. April 1990 - BVerwG 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 1<5>). Die Auslegung muss sich auf die Erklärung in ihrer Gesamtheit und das mit ihr erkennbar verfolgte Ziel beziehen (vgl. u.a. Beschluss vom 3. Dezember 1998 - BVerwG 1 B 110.98 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 6 S. 12<14>, Urteil vom 12. Dezember 2001 a.a.O. und hat unter Berücksichtigung aller dem Erklärungsempfänger objektiv erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben zu erfolgen (Urteil vom 15. November 2000 - BVerwG 8 C 28.99 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 40 S. 31<32>). Dabei ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung beim Erklärungsempfänger abzustellen (vgl. Beschluss vom 13. September 1999 - BVerwG 11 B 14.99 - NVwZ-RR 2000, 135 und Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <279> = Buchholz 406.27 § 31 BBerG Nr. 2).

37

Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der Bestimmung des Regelungsgehalts des Schreibens des Finanzministeriums vom 4. November 2005 diese Auslegungsmaßstäbe in bundesrechtswidriger Weise angewandt und deshalb zu Unrecht verneint, dass auch hinsichtlich der im Schreiben erwähnten Maßstäbe für die Festsetzung der angemessenen Abwicklervergütung eine verbindliche Anordnung getroffen worden ist.

38

Eine solche Zielrichtung des Schreibens ergibt sich bereits daraus, dass es sich - für den Erklärungsempfänger klar erkennbar - gerade auch mit Einzelfragen der Höhe der Festsetzung der streitigen Vergütung befasst. Zum einen wird "aus der Sicht des Finanzministeriums" - in zeitlicher Hinsicht - festgestellt, dass die Praxisabwicklung ab Januar 1999 erfolgte und spätestens im Juni 1999 durch die Aufgabe von Verkaufsanzeigen abgeschlossen wurde. Des Weiteren wird in dem Schreiben ausgeführt, dass es "im vorliegenden Fall", also konkret bezogen auf die bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin und der Beklagten, angemessen erscheine, die Durchschnittsvergütung eines angestellten Steuerberaters als "Maßstab für die Abwicklervergütung" heranzuziehen. Im anschließenden Schlussabsatz des Schreibens weist dann das Ministerium die Beklagte ausdrücklich an, "unter Beachtung der vorstehenden Kriterien die Abwicklervergütung festzusetzen". Mit "vorstehenden Kriterien" waren ersichtlich alle in dem Schreiben zuvor dargestellten und für die Festsetzung der Vergütung maßgeblichen Kriterien gemeint. Der unmittelbar davor behandelte "Maßstab der Abwicklervergütung" war davon nicht ausgenommen. Das Schreiben war nach seinem für die Beklagte objektiv erkennbaren Sinngehalt insgesamt darauf gerichtet, diese zu veranlassen, aus Rechtsgründen eine bestimmte Einzelfallregelung mit öffentlich-rechtlichem Charakter, nämlich die von der Klägerin auf Anraten des Landgerichts beantragte Festsetzung der angemessenen Vergütung, unter Zugrundelegung der "Durchschnittsvergütung eines angestellten Steuerberaters als Maßstab für die Abwicklervergütung" vorzunehmen. Für die objektive Erkennbarkeit des - auch auf den Maßstab für die Abwicklervergütung bezogenen - Weisungscharakters des Schreibens des Finanzministeriums vom 4. November 2005 ist nicht entscheidend, dass es keine präzise Festlegung auf einen bestimmten ziffernmäßigen Festsetzungsbetrag hinsichtlich der Vergütung enthielt. Das Finanzministerium gab der Beklagten einen handhabbaren Berechnungsmaßstab an die Hand, den die Beklagte dann auch ihrem Festsetzungsbescheid vom 11. November 2005 zugrunde legte. Die betragsmäßige Höhe dieser Durchschnittsvergütung eines angestellten Steuerberaters ließ sich, was die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt hat, dem ihr verfügbaren statistischen Datenmaterial entnehmen. Dementsprechend ist die Beklagte auch verfahren und kam damit - wie sie selbst in ihrem Bescheid vom 11. November 2005 zum Ausdruck gebracht hat - ungeachtet ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung der an sie ergangenen Anweisung nach. Dabei gab sie kund, auch "bei der Bemessung der Höhe der Vergütung" habe sie sich "an dem Hinweis im Schreiben des Finanzministeriums B. vom 4. November 2005 orientiert", der auf die in mehreren ihr bekannten Gerichtsentscheidungen entwickelten Grundsätze zurückgehe.

39

Die von der Beklagten angeführten späteren Erklärungen des Finanzministeriums (Schreiben vom 17. November 2005 sowie dessen E-mail-Korrespondenz mit der Beklagten vom 27. Februar 2009) sind für die Auslegung unerheblich. Denn dafür kommt es auf die Umstände zum Zeitpunkt ihres Zugangs beim Erklärungsempfänger an. Spätere Erklärungen und Stellungnahmen vermögen den objektiven Erklärungsgehalt der auszulegenden Willenserklärung nicht mehr zu beeinflussen.

40

Entgegen der Auffassung der Beklagten ändert auch der Umstand, dass dem Finanzministerium nur die Rechtsaufsicht, jedoch nicht die Fachaufsicht gegenüber der beklagten Steuerberaterkammer obliegt, nichts am festgestellten Inhalt des (Anweisungs-)Schreibens vom 4. November 2005. Für die Auslegung und die Ermittlung des Regelungsgehalts des Schreibens ist nur der geäußerte Wille des Erklärenden entscheidend, aber nicht, ob dieses rechtmäßig war, insbesondere ob es sich innerhalb der rechtlichen Grenzen hielt, die dem Finanzministerium als Rechtsaufsichtsbehörde nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes gegenüber der Beklagten als Selbstverwaltungskörperschaft gezogen sind.

41

Da der Verwaltungsgerichtshof die Berufung wegen des fehlenden Widerspruchsverfahrens und der daraus abgeleiteten Unzulässigkeit der Klage abgewiesen hat, beruht sein Urteil auf dem festgestellten Verstoß gegen Bundesrecht und stellt sich im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Der Senat kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Festsetzung einer angemessenen Vergütung in der im Klageantrag genannten Höhe gerichtete Klage trotz ihrer Zulässigkeit abzuweisen ist. Die dafür notwendige Sachprüfung muss zunächst vom Berufungsgericht vorgenommen werden.

42

Auf die Revision der Klägerin war deshalb das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Rückübertragung des Grundstücks G.straße 38 in E. (Flur ...111, Flurstück ... mit 843 qm, eingetragen im Grundbuch von E., Blatt ...) sowie gegen die Verpflichtung, den durch dessen Veräußerung erzielten Erlös an die Beigeladene auszukehren.

2

Das Grundstück stand seit 1927 im Eigentum der Frau Elly B., die ebenso wie ihr Ehemann Fritz B. im Verzeichnis der biografischen Daten der Juden in Thüringen aufgeführt war. Nach der Scheidung der Ehe schlossen beide zur einvernehmlichen Regelung von Darlehens- und Unterhaltsansprüchen am 23./28. Dezember 1934 einen notariellen Vergleich. Darin verzichtete Frau B. auf die Befreiung von der auf dem Grundstück lastenden Grundschuld, übertrug den Besitz, die Verwaltung sowie Nutzungen und Lasten des Grundstücks mit dem 1. Januar 1935 auf Herrn B. und verpflichtete sich, das Eigentum daran auf sein Verlangen jederzeit auf ihn oder einen von ihm zu bezeichnenden Dritten zu übertragen. Als Gegenleistung wurde die ratenweise Zahlung von 10 000 RM, beginnend frühestens zum 1. Januar 1945, vereinbart. Bei Abschluss des Vergleichs betrug der Einheitswert des Grundstücks 31 500 RM; zum 1. Januar 1935 wurde er auf 38 700 RM festgesetzt.

3

Mit notarieller Erklärung vom 19. Mai 1938 bot Herr B. das Grundstück im eigenen Namen sowie unter Hinweis auf seine Rechte aus dem Vergleich der A. und O. AG zum Kauf an. Deren Hauptaktionäre waren Juden im Sinne der NS-Rassengesetze. Die Aktiengesellschaft nahm das Angebot am 20. August 1938 an. Am selben Tag erklärte Frau B. die Auflassung des Grundstücks. Der Kaufpreis in Höhe von 35 000 RM wurde mit der Grundschuld der Gesellschaft verrechnet. Am 14. September 1938 wurde die Aktiengesellschaft als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Anschließend emigrierte Herr B. nach Australien.

4

Am 8. Dezember 1938 veräußerte die A. und O. AG das Grundstück zum Preis von 37 000 RM an Herrn Willy H. Dieser verstarb 1945 und wurde von seiner Witwe, Frau Gertrude H., und den gemeinsamen Kindern Klaus H. und Irmgard W., geborene H., beerbt. 1956 verließen Gertrude H. und Irmgard W. die DDR. Der Miteigentumsanteil von Klaus H. wurde 1960 auf Gertrude H. übertragen. Sie verstarb 1964 und wurde von Irmgard W. allein beerbt. Am 16. April 1971 veräußerte der staatliche Verwalter das Grundstück an das Eigentum des Volkes.

5

Mit Schreiben vom 22. Januar 1991 machte Frau Irmgard W. vermögensrechtliche Ansprüche wegen des Grundstücks geltend. Am 28. Dezember 1995 trat sie diese Ansprüche notariell an den Kläger ab.

6

Die Beigeladene meldete am 30. März 1991 Restitutionsansprüche auf das "Grundvermögen E., G.straße 38" an. Unter dem 13. Juli 1992 beantragte sie die Rückübertragung des Betriebsvermögens der ehemaligen A. und O. AG in B. Dazu wies sie telefonisch auf die Grundstücksveräußerung vom November 1938 hin. Daraufhin gab das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen E. die Rückübertragungsverfahren der Beigeladenen und der Frau Irmgard W. an das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ab. Das Landesamt gab das Verfahren der Beigeladenen - nicht jedoch das der Frau W. - im Januar 1994 an das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen B. weiter. Die Beigeladene teilte dem Thüringer Landesamt unter dem 1. Februar 1994 mit, das verfahrensgegenständliche Grundstück habe früher im Eigentum "der jüdischen Verfolgten B." gestanden. Ob es sich auch dort um Betriebsvermögen gehandelt habe, sei nicht bekannt. Mit Schreiben vom 16. Februar 1994 informierte das Thüringer Landesamt die Beigeladene über die inzwischen ermittelten Grundstückveräußerungen vom August und Dezember 1938 sowie über den Stand der vermögensrechtlichen Verfahren.

7

Mit Schreiben vom 25. März 1996 erklärte die Beigeladene gegenüber dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen B. (ARoV I), sie nehme ihren Antrag vom 13. Juli 1992 hinsichtlich des Betriebsvermögens der A. und O. AG zurück, da die Rechtsnachfolger der Aktionäre inzwischen selbst Restitutionsanträge gestellt hätten. Davon benachrichtigte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen B. im April 1997 das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen E. und erklärte, die Rechtsnachfolger der Aktionäre hätten nicht die Restitution des Grundstücks beantragt.

8

Nach Anhörung des Klägers und der verfügungsberechtigten ...gesellschaft mbH E. übertrug das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen E. das Grundstück mit Bescheid vom 16. Juli 1997 an den Kläger zurück und setzte einen Ablösebetrag von 2 000 DM fest. Diesen Bescheid stellte es der Beigeladenen nicht zu. Am 9. September 1997 wurde der Kläger nach Hinterlegung des Ablösebetrags als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Am 23. Dezember 1998 veräußerte er das Grundstück notariell zum Preis von 610 000 DM an Herrn Dr. E., auf den das Grundstück am 18. Mai 1999 umgeschrieben wurde.

9

Am 3. August 2000 teilte die Beigeladene dem Staatlichen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, Außenstelle R., telefonisch mit, das Grundstück G.straße 38 sei an Frau Irmgard W. zurückübertragen, der Bescheid aber der Beigeladenen nicht zugestellt worden. Sie bitte deshalb, ihn per Telefax zu übersenden. Das Staatliche Amt zur Regelung offener Vermögensfragen übermittelte am 4. August 2000 aber nur das Schreiben des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen B. vom 11. April 1997 und erläuterte, nach der Antragsrücknahme sei die Beigeladene nicht mehr am Verfahren beteiligt gewesen. Die Beigeladene erklärte mit Schreiben vom 7. August 2000, die Antragsrücknahme habe sich nur auf das Betriebsvermögen der A. und O. AG, nicht auf den Alteigentümer B. bezogen. Dazu verwies sie auf die Schreiben vom 1. und 16. Februar 1994 und bat, ihren Antrag betreffend das Grundstück zu bescheiden.

10

Mit Verfügung vom 30. September 2003 gab das Staatliche Amt zur Regelung offener Vermögensfragen G. die Akten zum Restitutionsverfahren des Klägers und zum Antrag der Beigeladenen auf Rückübertragung des Grundstücks an das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen ab. Dieses hörte den Kläger, die Beigeladene und die Lastenausgleichsbehörde mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 zur beabsichtigten Rücknahme des Rückübertragungsbescheides vom 16. Juli 1997, zur Ablehnung des Rückübertragungsantrags der Beigeladenen und zur Feststellung der Entschädigungsberechtigung des Klägers sowie eines Anspruchs der Beigeladenen auf Auskehr des Veräußerungserlöses an. Der Kläger wandte ein, die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei versäumt worden; außerdem zähle Frau B. wegen ihres Austritts aus der jüdischen Religionsgemeinschaft nicht zu den rassisch Verfolgten. Daraufhin teilte das Bundesamt dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 19. März 2008 mit, es halte nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Der Rückübertragungsbescheid sei nicht rechtswidrig. Ohne den Kläger zu benachrichtigen, informierte es mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 jedoch die Beigeladene, nach erneuter Prüfung werde am Inhalt der beabsichtigten Entscheidung festgehalten. Es stellte ihr den Rückübertragungsbescheid vom 16. Juli 1997 förmlich zu, erkundigte sich, ob sie Widerspruch einlegen wolle, und wies auf die Frist des § 36 VermG hin. Zum umgehend erhobenen Widerspruch der Beigeladenen wurde der Kläger laut Aktenvermerk des Bundesamtes vom 13. Oktober 2008 bewusst nicht angehört.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2008 hob das Bundesamt den Bescheid vom 16. Juli 1997 in Ziffern 1 und 2 auf (Nr. 1), lehnte die Rückübertragung des Grundstücks an die Beigeladene (Nr. 2) und den Kläger (Nr. 3) ab und stellte die vermögensrechtliche Berechtigung der Beigeladenen (Nr. 4) sowie einen Erlösauskehranspruch gegen den Kläger fest (Nr. 5). Außerdem stellte es fest, die Rechtsvorgängerin des Klägers sei geschädigt worden; diesem stehe der gezahlte Ablösebetrag zu (Nr. 6 und 7). Schließlich wurde nach § 7a Abs. 2 VermG eine Gegenleistung in Höhe von 894,76 € festgesetzt (Nr. 8).

12

Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die Rückübertragung an den Kläger sei rechtswidrig gewesen, da dieser nach § 3 Abs. 2 VermG nicht Berechtigter sei. Eine frühere, zur Berechtigung der Beigeladenen führende Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG liege in der Veräußerung des Grundstücks durch Frau B. an die A. und O. AG im Jahre 1938. Die Vermutung verfolgungsbedingten Vermögensverlusts sei nicht nach Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO widerlegt, da der Kaufpreis unter dem Einheitswert gelegen habe und das Rechtsgeschäfts nicht ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. Mit der Rücknahme des Restitutionsantrags betreffend das Betriebsvermögen der A. und O. AG habe die Beigeladene nicht auch den Antrag betreffend das Grundstück zurückgenommen. Das Rücknahmeermessen sei auf Null reduziert. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da § 50 VwVfG einschlägig sei. Für den Fall, dass der Widerspruch der Beigeladenen unzulässig sein sollte, werde das Ermessen hilfsweise wie in der Anhörung zur beabsichtigten Entscheidung vom 15. Oktober 2007 ausgeübt. Dort wurde das Vertrauen des Klägers zwar für schutzwürdig erklärt, aber ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes und der Wiedergutmachung des NS-Unrechts angenommen. Wegen des weit höheren Kaufpreises könne die Beigeladene nicht mit einem Entschädigungsanspruch abgefunden werden.

13

Am 12. November 2008 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben und geltend gemacht, die Beigeladene habe ihr Widerspruchsrecht verwirkt. Außerdem habe Frau B. das Grundstück nicht verfolgungsbedingt, sondern durch den Scheidungsfolgenvergleich verloren. Die Weiterveräußerung des Grundstücks durch die A. und O. AG stelle keinen Zwangsverkauf dar. Der Bescheid des Bundesamtes vom 15. Oktober 2008 überschreite die Rücknahmefrist gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG und weite den Anwendungsbereich des § 50 VwVfG unzulässig aus. Zu einer Erlösauskehr sei der Kläger wegen Investitionen in sein Unternehmen nicht in der Lage.

14

Mit Urteil vom 16. September 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid sei, soweit er im Streit stehe, rechtmäßig. Der Widerspruch der Beigeladenen sei weder verfristet noch verwirkt. Ihre Antragsrücknahme habe sich nur auf das Betriebsvermögen der A. und O. AG bezogen; auf ihren Restitutionsanspruch bezüglich des Grundstücks habe sie nicht verzichtet. Dessen Rückübertragung an den Kläger sei rechtswidrig gewesen, da dieser als Zweitgeschädigter nach § 3 Abs. 2 VermG nicht Berechtigter sei. Die Erstschädigung liege im Zwangsverkauf des Grundstücks durch Frau B. im August 1938. Ihre für die Kollektivverfolgung maßgebliche jüdische Abstammung ergebe sich aus dem Eintrag im Verzeichnis der biografischen Daten der Juden in Thüringen. Die Vermutung verfolgungsbedingten Vermögensverlusts sei nicht nach Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO widerlegt worden. Da Herr B. unmittelbar nach der Grundstücksveräußerung nach Australien emigriert sei, könne nicht angenommen werden, dass der Verkauf allein auf die Scheidung und nicht auch auf die Verfolgung zurückgehe. Außerdem sei der Kaufpreis von 35 000 RM nicht angemessen gewesen. Das Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand des Rückübertragungsbescheides sei nicht schutzwürdig; § 48 Abs. 1 bis 4 VwVfG seien bei der Aufhebung eines Bescheides durch Widerspruchsbescheid nicht anzuwenden.

15

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 1 Abs. 6 VermG, des § 2 Abs. 3 VermG und des § 48 Abs. 1 VwVfG. Für die Anwendung der Vermutungsregel sei auf den Scheidungsfolgenvergleich abzustellen. Außerdem sei die Rücknahme des Rückübertragungsbescheides nach § 48 Abs. 1 VwVfG ausgeschlossen, weil er das Grundstück in Unkenntnis des Drittwiderspruchs und im Vertrauen auf die Bestandskraft der Rückübertragung veräußert habe.

16

Der Kläger beantragt,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Gera zu ändern und den Widerspruchsbescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 15. Oktober 2008 in den Ziffern 1, 3 bis 5 sowie 7 und 8 aufzuheben.

17

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

18

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und meint, der 1934 geschlossene Vergleich stelle lediglich eine vorvertragliche Regelung dar. Die fehlende Bestandskraft der Rückübertragung gegenüber der Beigeladenen rechtfertige eine Aufhebung auch nach relativ langer Zeit.

19

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO).

21

1. Die Einbeziehung der Ziffern 7 und 8 des angegriffenen Widerspruchsbescheides in den Anfechtungsantrag stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar. Sie entspricht vielmehr der sachgemäßen Auslegung des Klagebegehrens gemäß § 88 VwGO, die das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen hat. Die Ziffern 7 und 8 des Widerspruchsbescheides beschweren zwar für sich genommen den Kläger nicht, stehen aber als Folgeregelungen in untrennbarem Zusammenhang mit den ihn beschwerenden Ziffern 1 sowie 3 bis 5.

22

2. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides ohne - nochmaliges - Vorverfahren nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO für zulässig gehalten. Seine Klageabweisung beruht aber auf der unzutreffenden Annahme, der Widerspruchsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in dessen Rechten.

23

a) Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen hätte dem Widerspruch der Beigeladenen nicht stattgeben dürfen, weil er unzulässig war. Bei Widerspruchserhebung am 8. Oktober 2008 hatte die Beigeladene ihr Widerspruchsrecht bereits verwirkt.

24

Im Ansatz zutreffend geht das angegriffene Urteil davon aus, dass das Widerspruchsrecht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt ist, wenn seit der Möglichkeit der Widerspruchserhebung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Widerspruchserhebung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment). Diese Anforderungen gelten auch im Vermögensrecht. Anders als im Baunachbarrecht (dazu vgl. Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <300> = Buchholz 406.11 § 31 BBauG Nr. 9 -; Beschluss vom 16. März 2010 - BVerwG 4 B 5.10 - juris) genügt zur Verwirkung hier nicht schon ein längeres Untätigbleiben trotz sicherer Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis eines Bescheides, da keine dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis vergleichbare Rechtsbeziehung zum Drittbetroffenen besteht (Urteil vom 27. Juli 2005 - BVerwG 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 12). Das neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment ist insbesondere erfüllt, wenn der Adressat eines Bescheides infolge eines bestimmten Verhaltens des Dritten darauf vertrauen durfte, dass dieser sein Widerspruchsrecht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauenstatbestand, vgl. Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 11 f.; Beschluss vom 13. Februar 1998 - BVerwG 7 B 34.98 - juris). Die Vertrauensgrundlage kann sich auch daraus ergeben, dass ein Verhalten des Drittbetroffenen gegenüber der zuständigen Behörde darauf schließen lässt, er sei mit der ihm nachteiligen Entscheidung einverstanden oder werde jedenfalls dagegen keinen Rechtsbehelf einlegen (Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 12; Beschluss vom 21. Januar 1999 - BVerwG 8 B 116.98 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 19 S. 12).

25

Das Verwaltungsgericht hat das Zeitmoment zutreffend bejaht, da zwischen der Kenntnis der Beigeladenen von der Rückübertragung an einen konkurrierenden Anmelder und der Widerspruchserhebung mehr als acht Jahre lagen. Nach seinen Tatsachenfeststellungen war der Beigeladenen spätestens im Sommer 2000 bekannt geworden, dass dem Rückübertragungsantrag der Frau W. stattgegeben worden war. Der Anruf der Beigeladenen vom 3. August 2000 ließ erkennen, dass sie von der Rückübertragung erfahren hatte und deshalb um Übersendung des ihr nicht zugestellten Bescheides bat. Widerspruch erhob sie erst am 8. Oktober 2008.

26

Das angegriffene Urteil überspannt aber die Anforderungen an das Umstandsmoment, da es eine Vertrauensgrundlage mit der Begründung verneint, die Beigeladene habe weder ausdrücklich noch konkludent erklärt, ihr liege nichts mehr an einer Entscheidung über ihren Restitutionsantrag. Ein solcher Verzicht auf die Rückübertragungsentscheidung kann zwar Vertrauen in das Ausbleiben eines Widerspruchs wecken, ist dazu jedoch nicht erforderlich. Vielmehr genügt jedes Verhalten, aus dem sich ergibt, dass eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung nicht mit Rechtsmitteln angegriffen werden wird. Ein solches Verhalten lag in der Reaktion der Beigeladenen auf das Telefax des Landesamtes vom 4. August 2000. Obwohl dieses Schreiben die Rückübertragung bestätigte, ohne den Bescheid zu übermitteln, bestand die Beigeladene nicht auf der zuvor erbetenen Übersendung. Sie begnügte sich in ihrem Antwortschreiben vom 7. August 2000 vielmehr mit der Klarstellung, ihre Antragsrücknahme habe sich nicht auf die Alteigentümer B. bezogen, und mit der Bitte um Bescheidung ihres noch offenen Antrags. Das lässt sich auch bei Berücksichtigung des Hinweises der Beigeladenen auf ihre Antragskonkretisierung vom 1. Februar 1994 und die Mitteilung zum Verfahrensstand vom 16. Februar 1994 nicht als konkludenter Widerspruch auslegen, weil das Schreiben auf den vergeblich angeforderten Rückübertragungsbescheid nicht einging. Die Beigeladene kam auch in der Folgezeit darauf nicht mehr zurück. Dieses Verhalten lässt sich nur dahin verstehen, dass die Beigeladene ihre ursprüngliche Absicht, den Bescheid zu prüfen und gegebenenfalls Rechtsbehelfe dagegen einzulegen, aufgegeben hatte. Ebenso wie die Behörde durfte der Kläger danach annehmen, dass die Beigeladene nunmehr eine Bescheidung ihres eigenen Antrags begehrte und davon ausging, die Behörde werde den Rückübertragungsbescheid zugunsten des Klägers vom Amts wegen überprüfen und gegebenenfalls zurücknehmen. Angesichts dessen musste der Kläger am 8. Oktober 2008 nicht mehr mit einem Widerspruch der Beigeladenen rechnen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt sein Vertrauen auch schon betätigt. In der Annahme, der Rückübertragungsbescheid sei bestandskräftig, hatte er über das Grundstück verfügt und den Erlös für sich verwendet.

27

b) Die angegriffene Entscheidung beruht auf der fehlerhaften Anwendung des § 242 BGB, da sie die Klageabweisung allein auf die Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides stützt. Das gilt auch, soweit sie die mit der Widerspruchsentscheidung verbundenen Folgeregelungen bestätigt, insbesondere die Feststellung der vermögensrechtlichen Berechtigung der Beigeladenen und ihres Anspruchs auf Erlösauskehr gegen den Kläger.

28

3. Das erstinstanzliche Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dazu müsste der rechtswidrige Widerspruchsbescheid nach § 47 VwVfG in einen rechtmäßigen Rücknahmebescheid umzudeuten sein. Das ist jedoch nicht der Fall.

29

Offen bleiben kann, ob eine solche Umdeutung schon nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen ist, weil sie der erkennbaren Absicht des Bundesamtes widerspräche. Wie sich aus dem Schreiben an die Beigeladene vom 7. Oktober 2008 und dem Aktenvermerk vom 13. Oktober 2008 ergibt, hatte das Bundesamt sich für eine Aufhebung der Rückübertragung durch Widerspruchsbescheid entschieden, um die sich abzeichnenden Probleme mit den Grenzen des Rücknahmeermessens, insbesondere der Rücknahmefrist gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG und dem Vertrauensschutz des Klägers nach § 48 Abs. 1 VwVfG, zu umgehen. Ob dennoch eine Umdeutung zulässig ist, weil die Beklagte zumindest "hilfsweise" einen Rücknahmebescheid erlassen wollte, und ob das Verbot der Umdeutung eines gebundenen Verwaltungsakts (§ 68 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 VwGO) in eine Ermessensentscheidung (§ 48 Abs. 1 VwVfG) gemäß § 47 Abs. 3 VwVfG wegen der hilfsweisen Ausübung des Rücknahmeermessens nicht eingreift, muss ebenfalls nicht geklärt werden. Selbst in diesem Fall würde die Umdeutung jedenfalls daran scheitern, dass der angefochtene Widerspruchsbescheid auch als Rücknahmebescheid rechtswidrig wäre.

30

Nach § 47 Abs. 1 VwVfG ist eine Umdeutung nur möglich, wenn die Behörde den anderen, auf das gleiche Ziel gerichteten Verwaltungsakt formell und materiell rechtmäßig hätte erlassen können. Durch Rücknahmebescheid hätte die Rückübertragung des Grundstücks an den Kläger gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG nur aufgehoben werden dürfen, wenn sie rechtswidrig war (a) und das Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt wurde (b). Außerdem müssten die über die Aufhebung der Rückübertragung hinausgehenden, daran anknüpfenden Regelungen im Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2008 rechtmäßig sein, insbesondere die Feststellung der Berechtigung der Beigeladenen und ihres Anspruchs auf Erlösauskehr (c). Keine dieser Voraussetzungen ist auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts zu bejahen.

31

a) Aus diesen Feststellungen ergibt sich nicht, dass der Rückübertragungsanspruch des Klägers nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VermG durch eine vorrangige Rückübertragungsberechtigung der Beigeladenen als Rechtsnachfolgerin jüdischer Geschädigter gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG wegen einer früheren Schädigung nach § 1 Abs. 6 VermG ausgeschlossen wäre.

32

aa) Allerdings hat die Beigeladene Rückübertragungsansprüche bezüglich des Grundstücks rechtzeitig angemeldet und ihren Antrag insoweit auch nicht zurückgenommen. Die Rücknahme betraf nur Ansprüche wegen einer Schädigung des Betriebsvermögens der A. und O. AG, nicht jedoch Ansprüche wegen der außerdem geltend gemachten, zwischenzeitlich konkretisierten Schädigung des Grundstückseigentums der Frau B. oder ihres früheren Ehemannes. Aus den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen ergibt sich jedoch nicht, dass die Beigeladene nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG Rechtsnachfolgerin von Frau oder Herrn B. geworden wäre. Dazu genügt nicht, dass beide nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wegen ihrer Abstammung Juden im Sinne der NS-Rassengesetze waren. Die Rechtsnachfolgefiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG setzt außerdem voraus, dass die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger selbst ihre vermögensrechtlichen Ansprüche nicht rechtzeitig wirksam angemeldet haben. Das Verwaltungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Das Fehlen solcher Anmeldungen ergibt sich auch nicht aus den Akten. Laut Mitteilung des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen B. vom 3. März 1997 (Blatt 78 der Beiakte 2) lagen neben den Anträgen der Rechtsvorgängerin des Klägers und der Beigeladenen drei weitere vermögensrechtliche Anträge vor, die dem verfahrensgegenständlichen Grundstück zuzuordnen waren. Ob mindestens einer dieser Anträge wirksam war und von einem Rechtsnachfolger der Frau oder des Herrn B. abgegeben wurde, ist nicht geklärt. Eine Klärung erübrigt sich auch nicht etwa, weil der Rückübertragungsanspruch des Klägers bei einer Erstschädigung jedenfalls untergegangen wäre. Falls eine Erstschädigung vorlag und durch die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger wirksam angemeldet worden war, deren Antrag sich aber nur auf Entschädigung richtete oder später entsprechend umgestellt wurde, wäre der Kläger auch als Zweitgeschädigter rückübertragungsberechtigt (vgl. Urteil vom 1. Dezember 1995 - BVerwG 7 C 13.94 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 10 S. 6).

33

bb) Unabhängig davon tragen die Feststellungen der Vorinstanz nicht die Annahme, Frau oder Herr B. seien in Bezug auf das Grundstück nach § 1 Abs. 6 VermG geschädigt worden.

34

Ohne weitere Sachaufklärung lässt sich nicht beurteilen, ob Frau B. das Eigentum am Grundstück durch einen Zwangsverkauf im Sinne dieser Vorschrift verlor. Für die Anwendung der Vermutungsregel des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG ist bei entgeltlichen Veräußerungen nicht auf die dingliche Übereignung des Vermögenswerts abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr das Kausalgeschäft, mit dem der Veräußerer sich in bindender Weise wirtschaftlich des Vermögensgegenstandes entäußert hat, denn dies verschafft dem Erwerber bereits einen durchsetzbaren Anspruch auf die Übereignung (Urteile vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.98 - BVerwGE 108, 157 <162> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167 und vom 24. Februar 1999 - BVerwG 8 C 15.98 - BVerwGE 108, 301 <304> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 1; Dietsche/Toussaint, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 1 Abs. 6 VermG, Stand: Juni 2007, Rn. 6.53). Für die Schädigung der Frau B. ist daher nicht - erst - auf die Übereignung des Grundstücks an die A. und O. AG im August 1938 abzustellen, sondern auf den Scheidungsfolgenvergleich vom Dezember 1934, mit dem sie sich zur Übereignung des Grundstücks auf Geheiß ihres früheren Ehemannes verpflichtete. Diese Abrede erschöpfte sich nicht in einer vorvertraglichen Regelung und ging auch über eine bloße Bevollmächtigung hinaus. Sie begründete eine unbedingte Pflicht zur Übereignung an Herrn B. oder einen von diesem bestimmten Dritten. Dass die Erfüllung der Pflicht aufgeschoben wurde und die Person des Auflassungsempfängers noch nicht bestimmt war, schließt die Annahme eines durchsetzbaren Anspruchs nicht aus. Nach der Vergleichsregelung konnte Herr B. den Zeitpunkt der Erfüllung jederzeit frei festlegen und den Auflassungsempfänger benennen. Dementsprechend handelte er bei Abschluss des Kaufvertrags mit der A. und O. AG nicht als Stellvertreter, sondern im eigenen Namen. Mit ihrer Auflassungserklärung erfüllte Frau B. sowohl ihre Verpflichtung ihm gegenüber aus dem Scheidungsfolgenvergleich als auch seine vertragliche Verpflichtung gegenüber der Käuferin.

35

Da der Scheidungsfolgenvergleich vor dem 15. September 1935 geschlossen wurde, ist die Vermutung der Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlusts nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO durch den Nachweis zu widerlegen, dass der Kaufpreis angemessen war und der Veräußerer frei darüber verfügen konnte, wenn nicht sonstige Anhaltspunkte für eine Verfolgungsbedingtheit bestehen. Die freie Verfügbarkeit ist nicht schon wegen der Stundung der Ratenzahlung zu verneinen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2006 - BVerwG 8 C 3.06 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 39 Rn. 30, 32). Die Angemessenheit des Preises lässt sich ohne weitere Aufklärung aber nicht abschließend beurteilen. Die Grundstücksveräußerung war Bestandteil einer einvernehmlichen, nur auszugsweise vorgelegten Regelung von Darlehens- und Unterhaltsansprüchen, deren Höhe sich weder aus den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen noch aus den vorgelegten Akten ergibt. Sonstige Anhaltspunkte für eine Verfolgungsbedingtheit, die eine weitere Aufklärung der Angemessenheit des Kaufpreises erübrigen würden, sind nicht festgestellt.

36

Herr B. wurde durch die Weiterveräußerung des Grundstücks 1938 nicht im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG geschädigt, da er mit dem Verkauf keinen restitutionsfähigen Vermögenswert verlor. Dazu zählt bei Grundstücken nach § 2 Abs. 2 VermG nicht der schuldrechtliche Anspruch auf Übereignung, sondern nur ein dingliches Recht wie das Eigentum oder die Anwartschaft des Auflassungsempfängers (Urteil vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 C 11.02 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 77 S. 92; Beschluss vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 8 B 35.02 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 12). Herr B. hatte durch den Scheidungsfolgenvergleich nur einen schuldrechtlichen Übereignungsanspruch erworben. Ein Durchgangserwerb dinglicher Rechte fand nicht statt, da die Auflassung unmittelbar an die A. und O. AG erklärt wurde.

37

b) Sollte zumindest der Eigentumsverlust der Frau B. mangels nachweislicher Angemessenheit des Kaufpreises auf einen Zwangsverkauf zurückzuführen sein und die Rechtsnachfolgefiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG zugunsten der Beigeladenen eingreifen, wäre die Aufhebung des Rückübertragungsbescheides - auch als Rücknahme - jedenfalls rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Ihre Hilfserwägungen werden dem Sinn und Zweck der Ermächtigung zur Rücknahme nicht gerecht und wahren nicht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (§§ 40, 48 Abs. 1 VwVfG).

38

Entgegen dem angegriffenen Bescheid wären die Vorschriften über den Vertrauensschutz bei einer Rücknahme uneingeschränkt anzuwenden. § 50 VwVfG greift wegen der Unzulässigkeit des Widerspruchs nicht ein (vgl. Urteile vom 4. August 1982 - BVerwG 4 C 42.79 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 49 und vom 13. November 1997 - BVerwG 3 C 33.96 - BVerwGE 105, 354 <360> = Buchholz 451.513 Sonstiges Marktordnungsrecht Nr. 4; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 50 Rn. 93 ff.).

39

Ob die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 VwVfG missachtet wurde, kann offen bleiben. Insbesondere muss nicht geklärt werden, ob der Beklagten bereits sämtliche für die Rücknahme erheblichen Umstände bekannt waren, als sie eine Erstschädigung mit ihrem Schreiben vom 9. Oktober 2006 verneinte, sodass die zwölfmonatige Entscheidungsfrist schon vor der Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 abgelaufen war und dadurch nicht erneut in Lauf gesetzt werden konnte. Ebenso kann dahinstehen, ob die Beklagte andernfalls die Ermittlung der erheblichen Tatsachen und die Anhörung des Klägers durch das behördeninterne Hin- und Herschieben der Akten willkürlich hinauszögerte und ihre Rücknahmebefugnis dadurch verwirkte. Offen bleiben kann schließlich, ob eine Verwirkung jedenfalls wegen der Mitteilung vom 19. März 2008, eine Rücknahme sei nicht mehr beabsichtigt, und wegen der nachfolgenden Einladung der Beigeladenen zur Widerspruchserhebung und der bewussten Missachtung des Anhörungsrechts des Klägers aus § 71 VwGO eingetreten war.

40

Die Rücknahme durch den angegriffenen Bescheid wäre jedenfalls ermessensfehlerhaft, weil die Hilfserwägungen der Beklagten nicht den Anforderungen des § 48 Abs. 1 VwVfG an eine Abwägung von Bestands- und Aufhebungsinteresse entsprechen und von sachwidrigen Erwägungen bestimmt sind. Entgegen der Annahme der Beklagten ist § 48 Abs. 2 VwVfG nicht einschlägig, weil die Rückübertragung keine Geld- oder teilbare Sachleistung zum Gegenstand hat und auch nicht Voraussetzung einer solchen Leistung ist. Vielmehr muss nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG geprüft werden, ob das Vertrauen des Klägers in den Bestand der Rückübertragungsentscheidung in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Die Hilfserwägung im angefochtenen Bescheid, die auf die Begründung der beabsichtigten Entscheidung in der Anhörung vom 15. Oktober 2007 verweist, bejaht die Schutzwürdigkeit des Klägers, geht aber dennoch von einem überwiegenden Rücknahmeinteresse aus. Dabei stützt sie sich auf teils unzutreffende und teils unsachliche Erwägungen. Die Begründung mit dem Wiedergutmachungsinteresse der Beigeladenen lässt unberücksichtigt, dass eine Naturalrestitution wegen der wirksamen Veräußerung des Grundstücks ausgeschlossen ist und dass der finanzielle Ausgleich des der Beigeladenen etwa entstandenen Schadens nicht von der Rücknahme abhängt. Aus der Entscheidung für oder gegen die Rücknahme ergibt sich nur, ob der Schadensausgleich nach Maßgabe eines etwaigen Erlösauskehr- oder Herausgabeanspruchs vom Kläger finanziert werden muss oder ob er nach Maßgabe der Amtshaftung vom Fiskus zu leisten ist. Wie sich aus den Hilfserwägungen der Beklagten ergibt, ließ sie sich bei ihrer Ermessensausübung maßgeblich davon leiten, Amtshaftungsansprüche zu vermeiden. Der Aktenvermerk vom 13. Oktober 2007 bestätigt dies nur. Die Berücksichtigung fiskalischer Gesichtspunkte ist zwar zulässig, soweit gesetzwidrige Leistungen vermieden oder rückgängig gemacht werden sollen (dazu vgl. Urteile vom 19. Februar 2009 - BVerwG 8 C 4.08 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 92 Rn. 46 und vom 24. Februar 2011 - BVerwG 2 C 50.09 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 17). Sie rechtfertigt jedoch nicht, den Ausgleich eines durch rechtswidriges Handeln der Behörde entstandenen Drittschadens auf den nach Einschätzung der Behörde schutzwürdigen Begünstigten abzuwälzen. Andernfalls ließe sich dessen Ausgleichsanspruch nach § 48 Abs. 3 VwVfG nicht erklären.

41

Im Übrigen hat die Beklagte bei der Interessenabwägung unberücksichtigt gelassen, dass die mögliche Rechtswidrigkeit der Rückübertragungsentscheidung nicht in den Verantwortungsbereich des Klägers fällt. Das Übergehen des Rückübertragungsantrags der Beigeladenen wegen einer - hier unterstellten - Schädigung der Frau B. erklärt sich vielmehr daraus, dass das Schreiben der Beigeladenen, mit dem diese ihren Antrag konkretisierte, trotz der Abgabenachricht des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 7. Januar 1994 nicht an die inzwischen sachbearbeitende Stelle gerichtet oder dorthin weitergeleitet wurde und dass die Rücknahme des Antrags betreffend das Betriebsvermögen der A. und O. AG keinen Hinweis darauf enthielt, dass der Restitutionsantrag wegen einer früheren Schädigung des Grundstücks vor dessen Zuführung zum Betriebsvermögen aufrechterhalten werde.

42

c) Mit der Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheides und der Unzulässigkeit seiner Umdeutung in eine Rücknahme entfällt auch die Rechtsgrundlage für die Berechtigtenfeststellung zugunsten der Beigeladenen und die Feststellung des Erlösauskehranspruchs, die jeweils eine wirksame Aufhebung der Rückübertragung an den Kläger voraussetzen. Ob ein Erlösauskehranspruch gegebenenfalls aus § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG - unmittelbar oder in entsprechender Anwendung - aus § 816 BGB oder einer anderen Vorschrift abzuleiten wäre, bedarf daher keiner Entscheidung.

43

4. Nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, weil die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Aufhebung des Rückübertragungsbescheides sich jedenfalls aus den dargelegten Ermessensfehlern ergibt. Eine Zurückverweisung zur Klärung einer möglichen Erstschädigung und einer Rechtsnachfolge der Beigeladenen erübrigt sich damit.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zustimmung zur Abänderung eines Prozessvergleichs sowie die Rückzahlung des aus einem Grundstücksverkauf von ihr an die Beklagten ausgekehrten Erlöses.

2

Eigentümer des Grundstücks war seit dem 21. Juli 1932 der Kaufmann Hermann M., der am 15. Oktober 1933 verstarb und von seiner Ehefrau Johanna M. allein beerbt wurde, die wie ihr Ehemann jüdischen Glaubens war. 1937 verkaufte Johanna M. das Grundstück an den Großkaufmann Friedrich Hermann K. Nach dessen Tod wurde seine Witwe Florentine K. 1943 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Sie verstarb 1968 und wurde von ihren Söhnen Wolfgang K. und Ulrich K. beerbt, die in ungeteilter Erbengemeinschaft als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch bis 1986 eingetragen waren. Im März 1986 ging das Grundstück in das Eigentum des Volkes - Rechtsträger: VEB Gebäudewirtschaft H. - über.

3

Am 11. September 1990 meldeten Wolf-Peter L. als Alleinerbe des verstorbenen Wolfgang K. sowie Ulrich K. vermögensrechtliche Restitutionsansprüche auf das Grundstück an. Sie kündigten eigene Investitionen von 1,2 Mio. DM sowie die Schaffung von 20 Arbeitsplätzen an.

4

Die Beigeladene plante auf dem verfahrensgegenständlichen und auf benachbarten Grundstücken die Errichtung eines multifunktionalen Geschäfts- und Bürohauses mit einem Investitionsvolumen von 80 Mio. DM, womit die Schaffung von 380 Arbeitsplätzen und 40 Ausbildungsplätzen verbunden sein sollte.

5

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1991 stellte die Klägerin (Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, im Folgenden: Vermögensamt) fest, dass der Verkauf des Grundstücks an die Beigeladene investiven Zwecken im Sinne von § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a VermG diene, § 3 Abs. 3 bis 5 VermG auf die Veräußerung keine Anwendung finde und keine Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung erforderlich sei. Gegen diesen Bescheid legten Ulrich K. und Wolf-Peter L. Widerspruch ein und beantragten beim Verwaltungsgericht Halle die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (Az.: 2 VG B 49/92).

6

Mit vermögensrechtlichem Restitutionsbescheid vom 6. Januar 1992 übertrug die Klägerin (Vermögensamt) das verfahrensgegenständliche Grundstück an Wolf-Peter L. und an Ulrich K. zurück. Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Halle vorläufigen Rechtsschutz (Az.: 2 VG B 58/92).

7

Mit notariellem Kaufvertrag vom 3. März 1992 veräußerte die Klägerin das Grundstück an die Beigeladene. Der Vertrag sah einen Mindestkaufpreis von 2,5 Mio. DM vor, der erhöht werden sollte, wenn ein auf Kosten der Beigeladenen einzuholendes Verkehrswertgutachten einen höheren Wert ergeben sollte. § 14 Buchst. e des Kaufvertrages enthielt eine Belehrung über mögliche Restitutionsansprüche früherer Eigentümer nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes.

8

Am 22. April 1992 schlossen die Klägerin, Wolf-Peter L., Ulrich K. und die Beigeladene als Beteiligte der beiden beim Verwaltungsgericht Halle anhängigen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes den hier in Rede stehenden Prozessvergleich, der in zehn Punkten im Wesentlichen Folgendes regelte:

1. Die Antragsteller des Verfahrens 2 VG B 49/92, nämlich die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K., nehmen ihren Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid der (Klägerin) vom 20. Dezember 1991 zurück.

2. Die Stadt H. hebt ihren Restitutionsbescheid vom 6. Januar 1992 auf und setzt auf hiermit gestellten Antrag der Verfügungsberechtigten und "der Berechtigten" das Verfahren zur gütlichen Einigung gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 VermG aus.

3. Der notarielle Kaufvertrag vom 3. März 1992 wird dahingehend geändert, dass anstelle des dort genannten Kaufpreises von 2,5 Mio. DM ein solcher von 3,5 Mio. DM vereinbart wird.

4. Die Stadt H. und die Beigeladene vereinbaren ferner, dass die Bestimmung des Kaufvertrages vom 3. März 1992 über die Einholung eines Verkehrswertgutachtens entfällt.

5. Die Stadt H. und die Beigeladene vereinbaren des Weiteren, dass der sich aus Ziffer 3 dieses Vergleichs ergebende Kaufpreis unverzüglich nach Umschreibung des Eigentums auf die Beigeladene an die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. zu Händen von Herrn Wolf-Peter L. ausgezahlt wird. Die bis zur Auszahlung des Gesamtbetrages von 3,5 Mio. DM auf dem Notaranderkonto aufgelaufenen Zinsen stehen ebenfalls den Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. zu.

6. Die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. stimmen den in Ziffern 3 bis 5 dieses Vergleichs vereinbarten Änderungen des Kaufvertrages vom 3. März 1992 und diesem Vertrag in der nunmehr geltenden Fassung insgesamt zu.

7. Die Stadt H. (Vermögensamt) setzt hiermit den "an die Berechtigten, die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K.," auszukehrenden Erlös auf 3,5 Mio. DM nebst den nach Maßgabe von Ziffer 5 aufgelaufenen Zinsen fest. Die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. erklären Rechtsbehelfsverzicht gegen diese Festsetzung.

8. und 9. treffen Kostenregelungen.

10. Die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. erklären ihren Rückübertragungsantrag für erledigt. Die Beteiligten beider Verfahren verzichten auf den Erlass eines Feststellungsbescheides gemäß § 31 Abs. 5 Satz 3 VermG und die Erstellung eines Übergabeprotokolls.

9

Die im Vergleich getroffenen Abreden wurden im Jahre 1992 vollzogen; der Kaufpreis wurde an die Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. noch im Jahre 1992 ausgezahlt.

10

In der Folgezeit machte die Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. (im Folgenden: JCC) mit Schreiben vom 15., 22. und 23. Dezember 1992 bei der Klägerin (Vermögensamt) im Rahmen einer Globalanmeldung vermögensrechtliche Rückübertragungsansprüche nach den ehemaligen Eigentümern M. unter anderem für das verfahrensgegenständliche Grundstück geltend, hilfsweise Ansprüche auf Entschädigung der feststellbaren Vermögenswerte. Mit Schreiben vom 7. Juni 1994 informierte die Klägerin die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten von Wolf-Peter L. und Ulrich K. über diesen Antrag. In dem Schreiben heißt es, sofern sich diese Ansprüche als berechtigt erwiesen, könne sich der Anspruch der JCC auf die Auskehrung des erzielten Verkaufserlöses richten, da eine Rückübertragung des Grundstückes wegen der erfolgten Weiterveräußerung nicht mehr möglich sein dürfte.

11

Mit Urteil vom 28. Januar 1999 verpflichtete das Verwaltungsgericht Halle die Klägerin (Vermögensamt) zu der Feststellung, dass die JCC hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstücks Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes ist. Dieses Urteil wurde rechtskräftig. Die Klägerin kam der Verpflichtung aus diesem Urteil mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. August 1999 nach.

12

Den Antrag der JCC auf Auskehr des im Prozessvergleich vom 22. April 1992 vereinbarten Verkaufserlöses von 3,5 Mio. DM lehnte die Klägerin (Vermögensamt) mit Bescheid vom 31. Januar 2000 ab. Auf den Widerspruch der JCC hob das Regierungspräsidium Halle diesen Bescheid mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2002 auf und stellte unter anderem fest, dass die JCC dem Grunde nach - unter gleichzeitiger Festsetzung einer Gegenleistung und eines Ablösebetrages - einen Anspruch auf Auskehr des Kaufpreises aus dem am 3. März 1992 zwischen der Klägerin und der Beigeladenen abgeschlossenen Kaufvertrag in der Fassung des am 22. April 1992 geschlossenen Prozessvergleichs in Höhe von 3,5 Mio. DM (1 789 521,58 €) habe. Die hiergegen erhobene Klage der Klägerin wies das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 21. April 2001 ab; das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschluss vom 11. November 2005 zurück. Daraufhin zahlte die Klägerin im Dezember 2005 an die JCC 1 789 521,58 €.

13

Mit an die Bevollmächtigten der Rechtsvorgänger der Beklagten gerichtetem Schreiben vom 6. Dezember 2001 hatte die Klägerin bereits zuvor den Prozessvergleich vom 22. April 1992 mit der Begründung gekündigt, dieser werde nach dem ihr vorliegenden Entwurf des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Halle vom 4. Juli 2001 wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinfällig. Ein Festhalten an diesem Vergleich sei ihr nicht mehr zumutbar. Eine Vergleichsanpassung scheide nach der Natur der Sache aus. Gegenüber der Beigeladenen erklärte die Klägerin keine Kündigung des Prozessvergleichs.

14

Nachdem ihre Bemühungen, den Wolf-Peter L. und Ulrich K. zugeflossenen Verkaufserlös zurückzuerlangen, gescheitert waren, hat die Klägerin am 24. April 2006 beim Verwaltungsgericht Halle gegen die Beklagte zu 1, die nach dem Tod von Ulrich K. als dessen Alleinerbin dessen Rechtsnachfolgerin geworden war, und gegen den Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2, Herrn Wolf-Peter L., als Gesamtschuldner Klage auf Zahlung von 1 789 521,58 € nebst Zinsen, hilfsweise auf Feststellung erhoben, dass der Prozessvergleich vom 20. April 1992 wegen Kündigung unwirksam sei. Mit Beschlüssen vom 5. September 2007 hat sich das Verwaltungsgericht Halle für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren, soweit es sich gegen die Beklagte zu 1 richtet, an das Bayerische Verwaltungsgericht München und, soweit es sich gegen die Beklagte zu 2 richtet, an das Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen.

15

Mit Schriftsätzen vom 25. Juni 2010 hat die Klägerin in beiden Verfahren ihr Klagebegehren dahin geändert, dass sie nunmehr die Beigeladene als weitere Beklagte in die Verfahren einbezogen und von allen Beklagten die Zustimmung zur Anpassung des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 verlangt hat. Außerdem hat sie beantragt, die jeweilige Beklagte zur Zahlung von 1 789 521,58 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verpflichten.

16

Daraufhin hat das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 7. Dezember 2010 die Klage gegen die Beigeladene abgetrennt und an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesen. In gleicher Weise hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 das auch bei ihr gegen die Beigeladene geführte Verfahren abgetrennt und an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesen.

17

In dem vom Bayerischen Verwaltungsgericht München an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesenen Verfahren erkannte die Beigeladene "den mit Schriftsatz vom 25. Januar 2010 geltend gemachten Anspruch der Klägerin in Erfüllung eines außergerichtlichen Vergleichs mit ihr - aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht im Übrigen -" an. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main wies auf den daraufhin von der Klägerin gestellten Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils mit Urteil vom 24. Mai 2012 die Klage gegen die Beigeladene als unzulässig ab. Zur Begründung führte es aus, die Beigeladene sei nicht prozessführungsbefugt, weil die Klägerin nicht alle am Prozessvergleich vom 22. April 1992 Beteiligten verklagt habe, obwohl sie im Hinblick auf den geltend gemachten Anpassungsanspruch notwendige Streitgenossen im Sinne von § 64 VwGO i.V.m. § 62 Abs. 1, 2. Alt. ZPO seien. Die Revision gegen dieses Urteil hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main nicht zugelassen. Das vom Verwaltungsgericht Hamburg an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesene Verfahren hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 31. Mai 2012 eingestellt, nachdem die Klägerin diese Klage zurückgenommen hatte.

18

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Beklagte zu 2 mit Teilurteil vom 8. Dezember 2010 hinsichtlich des dortigen Klageantrages zu 1 (Vertragsanpassung) verpflichtet, einer Anpassung des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 dahingehend zuzustimmen, dass dessen Ziffer 5 durch folgenden Satz ergänzt wird: "Nachdem die Stadt H. einen dem Kaufpreis von 3,5 Mio. DM (= 1 789 521,58 €) entsprechenden Betrag an die Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. gezahlt hat, verpflichten sich nunmehr die Rechtsnachfolger der Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. (als Gesamtschuldner), einen Betrag in Höhe von 1 183 129,41 € an die Stadt H. zu zahlen." Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Anpassung des Vertragsinhalts des gerichtlichen Vergleichs lägen vor. Der Klägerin sei es wegen der nachträglich eingetretenen Veränderungen - Restitutionsantrag der JCC - im Grundsatz nicht zuzumuten, am ursprünglichen Vertrag in vollem Umfang festzuhalten. Hinsichtlich des Klageantrages zu 2 (Zahlung) hat das Verwaltungsgericht Hamburg das Verfahren ausgesetzt. Gegen dieses Teilurteil richtet sich die Revision der Beklagten zu 2, der sich die Klägerin angeschlossen hat.

19

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat mit Urteil vom 16. Dezember 2010 die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen. Die Klägerin könne eine Anpassung des voll abgewickelten Vertrags nicht verlangen. Sie trage das Risiko nachträglicher Anmeldungen, weil diese ihr hätten bekannt sein müssen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

20

Das Bundesverwaltungsgericht hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

21

Die Klägerin rügt Verstöße gegen formelles und materielles revisibles Recht. Insbesondere macht sie geltend, die Urteile verletzten § 60 VwVfG, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München obendrein § 3 Abs. 2, 4 Satz 3 VermG. Ihr stehe gegen die Beklagten sowohl ein Anspruch auf Zustimmung zur Abänderung des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 als auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch in der vollen Höhe von 1 789 521,58 € zu. Ihre Ansprüche seien auch weder verjährt noch verwirkt.

22

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Dezember 2010 und das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2010 zu ändern

und die Beklagten zu verurteilen, zuzustimmen, dass Ziffer 7 des am 22. April 1992 vor dem Verwaltungsgericht Halle geschlossenen Vergleichs durch die folgende Regelung ergänzt wird:

"Nachdem die Stadt H. einen dem Kaufpreis von 3,5 Mio. DM (= 1 789 521,58 €) entsprechenden Betrag an die Claims Conference gezahlt hat, verpflichten sich nunmehr die Rechtsnachfolger der Herren Wolf-Peter L. und Ulrich K. (als Gesamtschuldner), einen Betrag in Höhe von 1 789 521,58 € an die Stadt H. zu zahlen."

sowie die Beklagte zu 1 (Frau Bianca K.) zu verurteilen, an die Klägerin 1 789 521,58 € nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

23

Die Beklagte zu 1 beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Dezember 2010 zurückzuweisen.

24

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass an die Unzumutbarkeit eines weiteren Festhaltens an einer vertraglichen Regelung erhöhte Anforderungen gestellt werden müssten, wenn - wie hier - die Verpflichtungen bereits erfüllt worden seien. Die Klägerin begehre der Sache nach letztlich eine einseitige nachträgliche Vertragsänderung, keine Vertragsanpassung. Es sei aber nicht Aufgabe des § 60 VwVfG, einen Vergleichsvertrag zu korrigieren, der sich später nach allseitiger Erfüllung für eine Vertragspartei als ungünstig erwiesen habe. Der Prozessvergleich enthalte unabhängig davon keine für die Klägerin im Sinne von § 60 Abs. 1 VwVfG unzumutbar gewordene Regelung. Es habe sich ein Risiko verwirklicht, das bereits bei Abschluss des Vergleichs bestanden habe.

25

Die Beklagte zu 2 beantragt,

das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2010 zu ändern und den Klageantrag zu 1 in vollem Umfang abzuweisen.

26

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die Klage sei bereits nach § 173 VwGO i.V.m. § 261 Abs. 3 Ziffer 1 ZPO unzulässig, denn die Klägerin mache zeitgleich Ansprüche mit demselben Streitgegenstand auch gegen die Beklagte zu 1 gerichtlich geltend. Außerdem sei die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch darauf habe, gemäß § 60 VwVfG eine Anpassung des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 zu verlangen. Ein Schuldverhältnis, das einer Anpassung zugänglich wäre, bestehe nach Erfüllung nicht mehr (§ 362 BGB). Es liege auch keine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 VwVfG vor. Das Verwaltungsgericht habe ferner übersehen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bereits verjährt sei. Zumindest sei der Anspruch verwirkt. Das Verwaltungsgericht Hamburg habe zudem ihren Vortrag unberücksichtigt gelassen, sie habe das von ihrem Rechtsvorgänger aus dem Vergleich erhaltene Geld bereits verbraucht, so dass ihr die Herausgabe des Erlangten unmöglich sei.

27

Demgegenüber beantragt die Klägerin,

die Revision der Beklagten zu 2 gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2010 zurückzuweisen.

28

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

29

Der Vertreter des öffentlichen Interesses verteidigt das angegriffene Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München. Die Voraussetzungen für eine Anpassung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG seien nicht gegeben.

30

1. Der Senat hat die gegen die beiden Beklagten bislang getrennt geführten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 93 Satz 1 VwGO). Das war erforderlich, denn die Beklagten stehen in Ansehung des Klaganspruchs in notwendiger Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO i.V.m. §§ 59, 62 ZPO). Streitgegenstand ist der behauptete Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zustimmung zur Anpassung des am 22. April 1992 zwischen ihnen und der Beigeladenen vor dem Verwaltungsgericht Halle geschlossenen Vergleichsvertrages hinsichtlich der dort in Ziffer 7 getroffenen Regelung. Dieser Anspruch kann der Klägerin aus Rechtsgründen - jedenfalls dem Grunde nach - nur gegen beide Beklagten gemeinsam zustehen. Durch die angesprochene vertragliche Regelung setzte die Klägerin - wozu sie als Vermögensamt befugt war - den an die Rechtsvorgänger der Beklagten auszukehrenden Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks L. Straße ... in H. auf 3,5 Mio. DM fest (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG). Auskehrverpflichtet war sie selbst; in ihrer Eigenschaft als seinerzeit Verfügungsberechtigte hatte sie das Grundstück kurz zuvor an die Beigeladene verkauft. Die Rechtsvorgänger der Beklagten wurden als auskehrberechtigt angesehen, weil sie von der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum im Jahre 1986 betroffen waren. Ansprüche nach dem Vermögensgesetz wegen dieser Eigentumsentziehung konnten ihnen jedoch nur gemeinschaftlich zustehen; das Grundstück hatte ihnen zuvor in ungeteilter Erbengemeinschaft nach ihrer Mutter Florentine K. gehört (vgl. § 2a Abs. 4 VermG).

31

2. Das Klagebegehren richtet sich nicht gegen die Beigeladene. Sie wird von ihm nicht berührt. Weder könnte sie von der Klägerin auf Zustimmung zu der verlangten Vertragsanpassung in Anspruch genommen werden, noch müsste die Klägerin, wenn sie es dennoch tut, dies in demselben Verfahren verfolgen wie gegen die Beklagten. Allein aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu den seinerzeit vertragsschließenden Parteien gehört, ergibt sich das nicht. Entscheidend ist nicht diese formelle Beteiligung, sondern allein das konkrete Anpassungsverlangen der Klägerin. Dieses betrifft aber allein die Erlösauskehrberechtigung der Beklagten und ihre eigene Erlösauskehrverpflichtung; es lässt die Rechtsstellung der Beigeladenen gänzlich unberührt.

32

Dem steht nicht entgegen, dass die Verwaltungsgerichte das konkrete Anpassungsverlangen fälschlich nicht der Ziffer 7 des Vergleichsvertrages, sondern dessen Ziffer 5 zugeordnet haben. Die dort getroffene Regelung betrifft zwar auch die Beigeladene; sie erschöpft sich aber in der Bestimmung, dass die Beigeladene den Kaufpreis statt an die Klägerin (als Verkäuferin) auf deren Geheiß hin unmittelbar an die Rechtsvorgänger der Beklagten leisten sollte und dass diese Zahlung für sie erfüllende und damit schuldbefreiende Wirkung haben sollte. Diese Regelung zieht die vorliegende Klage nicht in Zweifel. Namentlich beansprucht die Klägerin nicht, den Vergleichsvertrag dahin abzuändern, dass die erfüllende Wirkung der Zahlung der Beigeladenen in Frage gestellt werde und dass die Beigeladene den Kaufpreis noch einmal zahlen solle.

33

3. Die Beiladung der Beigeladenen war aufzuheben. Sie war weder notwendig (§ 65 Abs. 2 VwGO) noch auch nur zweckmäßig (§ 65 Abs. 1 VwGO). Der Aufhebung steht § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Diese Vorschrift untersagt dem Revisionsgericht nur die (einfache) Beiladung, nicht aber deren Aufhebung. Für ein solches generelles Hindernis bestünde auch kein Grund. Gerade eine Beiladung, die dem Beigeladenen wie den Hauptbeteiligten nur Erschwernisse bereitet und Kosten verursacht, der Sache aber unter keinem Gesichtspunkt dient, muss jederzeit beendet werden können.

Entscheidungsgründe

34

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München und ihre Anschlussrevision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg sind in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang begründet. Die weitergehenden Revisionen der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München und der Beklagten zu 2 gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg sowie die weitergehende Anschlussrevision der Klägerin gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg haben keinen Erfolg.

35

Die Klägerin kann von den Beklagten die Zustimmung zur Anpassung von Ziffer 7 des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 verlangen. Hinsichtlich der sich hieran anschließenden Zahlungsansprüche der Klägerin kann das Bundesverwaltungsgericht nicht abschließend entscheiden; insofern ist der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen, soweit er dort nicht ohnehin noch anhängig ist.

36

1. Der Anspruch auf Zustimmung zur Anpassung des Prozessvergleichs scheitert entgegen der Auffassung der Beklagten nicht daran, dass die Klägerin ihn erst nach Klageerhebung mit Schriftsatz vom 25. Juni 2010 geltend gemacht hat.

37

Allerdings ist das vorherige Anpassungsverlangen eine vom Gericht von Amts wegen zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung. Dieses muss feststellen, ob der Zugang eines solchen Anpassungsverlangens bei den anderen Vertragspartnern nachgewiesen ist, dass ferner die Anpassungsverhandlungen gescheitert sind oder dass solche Verhandlungen von dem oder den Vertragspartner(n) definitiv abgelehnt worden sind. Erst bei Weigerung einer Vertragspartei kann die Anpassung durch eine auf die Abgabe entsprechender Zustimmungserklärungen gerichtete Leistungsklage durchgesetzt werden (vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 60 VwVfG Rn. 23b unter Bezugnahme auf Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <340> = Buchholz 418.61 TierKBG Nr. 10).

38

Diese Voraussetzungen liegen im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und lagen auch schon im Zeitpunkt der beiden angefochtenen Urteile vor. Die Klägerin hat zwar zunächst den Vergleichsvertrag mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 nur gekündigt und in der Klageschrift vom 24. April 2006 die Ansicht vertreten, dass die Kündigung den Vertrag beseitigt habe und eine Vertragsanpassung deshalb nicht mehr erforderlich sei. Nach Aufgabe dieser Rechtsmeinung hat sie ihren Anpassungsanspruch dann jedoch gegenüber beiden Beklagten mit Schriftsatz vom 25. Juni 2010 geltend gemacht. Diese haben ihn abgelehnt und eine Einigung über die von der Klägerin begehrte Abänderung des Prozessvergleichs damit unzweideutig ausgeschlossen. Der in den Verfahren vor den beiden Verwaltungsgerichten erfolgten Klageänderung vom 25. Juni 2010 sind zudem mehrere gescheiterte Einigungsversuche vorausgegangen. Auch die gerichtlichen Vergleichsvorschläge, wonach sich die Beklagten verpflichten sollten, an die Klägerin zur Abgeltung aller möglichen Ansprüche im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Grundstück einen bestimmten Betrag zu zahlen, sind von den Beklagten abgelehnt worden.

39

Schließlich kann die Zulässigkeit des Klaganspruchs auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass das vorgerichtliche Anpassungsverlangen genau den Inhalt hat, auf den der Verlangende nach Auffassung des Gerichts Anspruch hat, mit anderen Worten, dass der Verlangende die Grenzen des beiderseits Zumutbaren selbst bereits zutreffend erkennt und benennt. Dies würde den gebotenen Rechtsschutz von Voraussetzungen abhängig machen, die der Betroffene jedenfalls in Fallgestaltungen der vorliegenden Art kaum je würde erfüllen können. Dementsprechend steht das erkennende Gericht nicht vor der Alternative, dem Klagebegehren ganz zu entsprechen oder es zur Gänze abzuweisen. Vielmehr steht dem Gericht gerade in Ansehung des jeweils Zumutbaren ein Entscheidungsspielraum zu, der Klage teilweise zu entsprechen und sie im Übrigen - hinsichtlich eines unbegründeten Mehrverlangens - abzuweisen (vgl. Urteil vom 26. Januar 1995 a.a.O. S. 343).

40

2. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zustimmung zur Anpassung des Prozessvergleichs ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Hiernach kann eine Vertragspartei, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgeblich gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass ihr das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen. Diese Vorschrift ist hier anwendbar.

41

a) Bei dem Prozessvergleich vom 22. April 1992 handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von §§ 54, 55 VwVfG.

42

Der gerichtliche Vergleich (Prozessvergleich) nach § 106 VwGO ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Regelungen des Prozessrechts richtet, als auch ein Rechtsgeschäft, für das die Rechtsvorschriften des materiellen Rechts gelten. Als Prozesshandlung beendet er den Rechtsstreit unabhängig von dem sachlich-rechtlichen Inhalt des Vergleichs allein aufgrund seines Abschlusses vor Gericht. Als Rechtsgeschäft unterliegt er auch nach Abschluss des Prozesses den allgemeinen Regeln des materiellen Rechts (stRspr; vgl. Urteil vom 28. März 1962 - BVerwG 5 C 100.61 - BVerwGE 14, 103 <104> = Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 3 S. 5 f.).

43

Am Vertragscharakter des Prozessvergleichs ändert nichts, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vermögensamt in seiner Ziffer 7 auf der Grundlage des Vermögensgesetzes einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG erlassen hat, mit dem sie durch hoheitliche Entscheidung gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG den an die Rechtsvorgänger der Beklagten auszukehrenden Erlös aus dem Kaufvertrag auf 3,5 Mio. DM nebst näher bestimmter Zinsen festgesetzt hat. Bestandteil eines Vertrages kann die Verpflichtung der beteiligten Behörde sein, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Sie kann den Verwaltungsakt auch sogleich mit ihrer Vertragserklärung verlautbaren. Zwar ist Wesensmerkmal des Verwaltungsakts, dass die Behörde die Regelung einseitig, kraft ihrer Hoheitsmacht, trifft; auch ihre Einfügung in einen umfassenden Vertrag macht sie als solche nicht vom Willen des anderen Vertragsteils abhängig. Der Vertrag bietet dem Verwaltungsakt jedoch einen zusätzlichen Rechtsgrund; zudem haben die Rechtsvorgänger der Beklagten hier den Verwaltungsakt akzeptiert und auf Rechtsmittel verzichtet.

44

Der Erlass dieses Verwaltungsakts war Teil einer umfassenden vertraglichen Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur vergleichsweisen Beilegung von Streitigkeiten zwischen der Klägerin in ihrer Rolle als Vermögensamt und den Rechtsvorgängern der Beklagten als Restitutionsantragsteller sowie der Beigeladenen als Investorin im Sinne von § 3a VermG a.F. Der Vertrag beinhaltete - außer der in Ziffer 7 erfolgten Festsetzung der Erlösauskehr und des Verzichts der Rechtsvorgänger der Beklagten auf Rechtsmittel dagegen - die Rücknahme von Rechtsbehelfen gegen den zugunsten der Beigeladenen ergangenen Feststellungsbescheid vom 20. Dezember 1991 (Ziff. 1) und die mit Einverständnis der Betroffenen vorgenommene Aufhebung des Restitutionsbescheides vom 6. Januar 1992 durch die Klägerin (Ziff. 2). Das vorliegende Anpassungsverlangen betrifft sachlich Ziffer 7 des Vertrages und damit den Regelungskontext dieser Regelungen. Es beurteilt sich mithin nach öffentlichem Recht.

45

Daran ändert nichts, dass der Vertrag in den Ziffern 3 bis 5 auch privatrechtliche Vereinbarungen trifft, namentlich solche über die Höhe des Kaufpreises. Diese Bestimmungen betreffen nicht das Rechtsverhältnis der Klägerin zu den Rechtsvorgängern der Beklagten, sondern dasjenige der Klägerin zur Beigeladenen; die Klägerin trat insofern auch nicht als Vermögensamt, sondern als Verfügungsberechtigte über das Grundstück auf. Begründet ein Vertrag sowohl öffentlich-rechtliche wie bürgerlich-rechtliche Verpflichtungen, so kommt es auf die Rechtsnatur des jeweils strittigen Vertragsanspruchs an (Urteil vom 29. Mai 1981 - BVerwG 4 C 72.78 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 22 = DÖV 1981, 878 und Beschluss vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 B 94.04 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 22 = DVBl 2005, 516; Rennert, in Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2010, § 40 VwGO Rn. 71 m.w.N.). Aber selbst wenn die Rechtsnatur eines derartigen Mischvertrages nur einheitlich bestimmt werden könnte und deshalb nach dem Schwerpunkt der Regelung zu bestimmen wäre (vgl. Urteil vom 5. Oktober 1965 - BVerwG 4 C 26.65 - BVerwGE 22, 138 <140> = Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 4a; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2000 - V ZB 50/99 - NVwZ-RR 2000, 845), so verbliebe es bei der Geltung öffentlichen Rechts. Denn der Vertrag erhält sein Gepräge durch die getroffenen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen und Regelungen. Die Zurücknahme der Rechtsbehelfe der Rechtsvorgänger der Beklagten gegen den Investitionsvorrangbescheid vom 20. Dezember 1991 sowie die Aufhebung des zu ihren Gunsten ergangenen Restitutionsbescheides vom 6. Januar 1992 durch die Klägerin waren ersichtlich unverzichtbare Bedingungen dafür, dass sich die Beigeladene zu einer Erhöhung des von ihr für das erworbene verfahrensgegenständliche Grundstück zu zahlenden Kaufpreises von 2,5 auf 3,5 Mio. DM verpflichtete, um ihrerseits möglichst umgehend das Grundstück für die vorgesehenen investiven Zwecke nutzen zu können. Umgekehrt setzte die in Ziffer 5 getroffene Vereinbarung über die Auszahlung des auf 3,5 Mio. DM erhöhten Kaufpreises durch die Beigeladene unmittelbar an die Rechtsvorgänger der Beklagten den in Ziffer 7 von der Klägerin erlassenen Verwaltungsakt über die Auskehrung des - erhöhten - Erlöses voraus. Angesichts dessen bilden die öffentlich-rechtlichen Prozesserklärungen und Regelungen den Schwerpunkt des Prozessvergleichs und machen diesen damit insgesamt zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag.

46

b) § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gilt nicht nur für Dauerschuldverhältnisse sowie auf gewisse Zeit angelegte, gestreckte Vertragsbeziehungen, sondern auch für öffentlich-rechtliche Verträge der hier in Rede stehenden Art, welche einmalige Leistungspflichten begründen. Zwar legt das Wort "Anpassung" eine in die Zukunft wirkende Vertragsänderung nahe, und die Bestimmung, dass, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, der Vertrag zu kündigen sei, spricht für die Annahme, dass dem Gesetzgeber vornehmlich Dauerschuldverhältnisse vor Augen gestanden haben. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ein Vertrag, der einmalige Leistungspflichten begründet, ausnahmslos und schlechterdings bindet. § 60 VwVfG ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht seit langem anerkannten allgemeinen Grundsatzes, wonach die strikte Vertragsbindung ("pacta sunt servanda") auch ohne entsprechende Vereinbarung dann durchbrochen werden muss, wenn ein Festhalten an der Vereinbarung infolge einer wesentlichen Änderung der Vertragsgrundlage einer oder mehreren Vertragsparteien nicht zuzumuten wäre ("clausula rebus sic stantibus"). Demzufolge hat der Senat die Anpassung von Verträgen mit einmaligen Leistungspflichten für möglich erachtet (vgl. Urteil vom 9. November 1990 - BVerwG 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <80> = Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 109 zu einem Ablösungsvertrag für Erschließungsbeiträge).

47

Ähnlich liegt es im Zivilrecht. Die zum ungeschriebenen Grundsatz der Vertragsanpassung bei Änderung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 17. April 1973 - X ZR 59/69 - BGHZ 61, 153 <159> und vom 15. Dezember 1983 - III ZR 226/82 - BGHZ 89, 226 <231>) hat aufgrund des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I S. 3138) nunmehr ihren Niederschlag in § 313 BGB gefunden. Die in § 313 Abs. 1 BGB getroffene Regelung entspricht in der Sache § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. § 313 Abs. 3 BGB aber zeigt, dass eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht nur bei Dauerschuldverhältnissen, sondern grundsätzlich bei allen Verträgen in Betracht kommt. Denn § 313 Abs. 3 BGB stellt neben die Kündigung den Rücktritt und enthält in Satz 2 für Dauerschuldverhältnisse eine Sonderregelung. Diese Bestimmungen fassen in Gesetzesform, was bereits zuvor - auch im öffentlichen Recht - anerkannt war. Sie finden im Übrigen jedenfalls gemäß § 62 Satz 2 VwVfG auch im öffentlichen Recht Anwendung.

48

c) Entgegen der im angefochtenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vertretenen Auffassung ist die Anwendbarkeit des § 60 VwVfG auch nicht auf Verträge beschränkt, deren vertraglich begründete Leistungsverpflichtungen noch nicht durch Erfüllung erloschen sind. Zwar erlischt nach § 362 Abs. 1 BGB das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1953 - II ZR 181/52 - BGHZ 10, 391 <396> = juris Rn. 10; Fetzer, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, 6. Aufl. 2012, vor § 362 BGB Rn. 9). Das betrifft indes nur den Anspruch des Gläubigers auf die Leistung und die entsprechende Leistungspflicht des Schuldners. Damit endet nicht notwendig auch das Schuldverhältnis im weiteren Sinn, als die Gesamtheit der schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner. Das Schuldverhältnis wirkt jedenfalls als Rechtsgrund für die empfangene Leistung (§ 812 BGB) fort. Aus ihm ergibt sich für den Gläubiger im Verhältnis der Vertragsparteien die Berechtigung, die Leistung behalten zu dürfen (vgl. Fetzer, a.a.O., Rn. 9 m.w.N.). Bezogen auf diese Rechtswirkungen kommt mithin eine Anpassung des Vertrages auch nach Erfüllung noch in Betracht. Ob eine Anpassung auch zurückliegende Zeiträume betreffen und in diesem Sinne Rückwirkung entfalten kann, ist allein eine Frage der Zumutbarkeit. Insofern mögen erhöhte Anforderungen gelten; schlechthin ausgeschlossen ist ein Anspruch auf Vertragsanpassung jedoch auch dann nicht (vgl. auch BGH, Urteile vom 1. Juni 1979 - V ZR 80/77 - BGHZ 74, 370 <373> und 24. November 1995 - V ZR 164/94 - BGHZ 131, 209 <216 f.>).

49

Aus der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt nichts anderes. Das von den Prozessbeteiligten herangezogene Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - (BVerwGE 97, 331 <342 f.> = Buchholz 418.61 TierKBG Nr. 10 S. 10) ist insoweit nicht einschlägig. Es befasst sich mit einer auf gewisse Dauer angelegten und noch nicht abgeschlossenen Vertragsbeziehung. Es bejaht einen Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 60 VwVfG für die Zeit ab Zugang des Anpassungsverlangens und betrifft damit dessen zeitlichen Anwendungsbereich, nicht jedoch die Frage, ob bereits erfüllte Verträge noch Gegenstand eines Anpassungsverlangens sein können.

50

3. Der Prozessvergleich ist wirksam zustande gekommen (a und b) und nicht wirksam beendet worden (c). Davon sind sowohl das Verwaltungsgericht Hamburg als auch das Bayerische Verwaltungsgericht München zu Recht ausgegangen.

51

a) Der Vergleichsvertrag ist nicht nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 779 BGB unwirksam. Das wäre nur der Fall, wenn der nach seinem Inhalt als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprach und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Daran fehlt es hier. Die gesetzliche Regelung stellt auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ab und erfasst damit nur den Fall des Fehlens der Vergleichsgrundlage zu jenem Zeitpunkt, nicht auch deren späteren Wegfall. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessvergleichs vom 22. April 1992 gingen die Beteiligten übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass die Rechtsvorgänger der Beklagten Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG waren. Erst aufgrund der nach Vergleichsabschluss im Dezember 1992 erfolgten wirksamen Anmeldung des Restitutionsanspruches der JCC nach § 1 Abs. 6 i.V.m. § 2 Abs. 1 VermG ergab sich insoweit eine Änderung der Sach- und Rechtslage.

52

b) Der Prozessvergleich ist auch nicht nach § 58 Abs. 1 VwVfG wegen fehlender Zustimmung der JCC unwirksam. Er hat bei seinem Abschluss nicht in von ihr beanspruchte Rechte eingegriffen, so dass für seine Wirksamkeit ihre schriftliche Zustimmung nicht erforderlich war. Am 22. April 1992 hatte die JCC noch keine vermögensrechtlichen Ansprüche für das verfahrensgegenständliche Grundstück bei der zuständigen Behörde der Klägerin nach § 30 VermG angemeldet. Diese konnte daher damals weder die Berechtigung der JCC im Sinne von § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 6 VermG feststellen noch über einen Anspruch der JCC auf Erlösauskehr nach § 3 Abs. 4 S. 3 VermG entscheiden. Dabei wäre es verblieben, wenn die JCC nicht nachträglich noch Restitutionsansprüche angemeldet hätte. Bis zu dieser Anmeldung konnten damit auch keine von der JCC beanspruchten Rechte im Sinne von § 58 Abs. 1 VwVfG durch den Prozessvergleich verkürzt, beeinträchtigt oder entzogen werden. Dementsprechend hätte die JCC vor der Anmeldung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche auch weder gegen den zugunsten der Beigeladenen erlassenen Investitionsvorrangbescheid vom 20. Dezember 1991 noch gegen den zugunsten der Rechtsvorgänger der Beklagten ergangenen Restitutionsbescheid vom 6. Januar 1992 oder gegen die zu deren Gunsten ergangene Erlösauskehranordnung in Ziffer 7 des Prozessvergleichs wirksam mit Rechtsbehelfen vorgehen können. Erst wenn von mehreren Personen Ansprüche auf Rückübertragung desselben Vermögenswertes oder auf Erlösauskehr geltend gemacht werden, gilt nach § 3 Abs. 2 VermG derjenige als Berechtigter, der von einer Maßnahme gemäß § 1 VermG als Erster betroffen war. Ohne Anmeldung kann diese Rechtswirkung nicht herbeigeführt werden; denn die von der Vorschrift geregelte Anspruchskonkurrenz besteht nur zwischen angemeldeten Ansprüchen.

53

c) Der Prozessvergleich vom 22. April 1992 ist auch nicht nachträglich durch Kündigung oder Anfechtung unwirksam geworden.

54

Allerdings hat die Klägerin den Vergleichsvertrag mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 gekündigt. Das Schreiben ging jedoch nach den getroffenen Feststellungen, die die Klägerin nicht in Zweifel gezogen hat, allein den Prozessbevollmächtigten der Rechtsvorgänger der beiden Beklagten, nicht aber der Beigeladenen und damit nicht allen Vertragsparteien zu. Damit fehlt es bereits am ordnungsgemäßen Zugang der Kündigungserklärung, so dass offenbleiben kann, ob sich die Klägerin überhaupt auf einen Kündigungsgrund berufen konnte.

55

Aus demselben Grunde scheidet ferner aus, die Kündigung in eine Anfechtung nach § 119 oder § 123 BGB umzudeuten. Insofern kann offenbleiben, ob ein Anfechtungsgrund bestünde. Im Übrigen wäre eine Anfechtung - aus welchem Grunde auch immer - am 6. Dezember 2001 jedenfalls verspätet erfolgt (§§ 121, 124 BGB), nachdem die Klägerin von der Anmeldung der vorrangigen Ansprüche der JCC seit Dezember 1992 und von deren vorrangiger Berechtigung an dem Grundstück jedenfalls seit der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. Januar 1999 wusste.

56

4. Die Verhältnisse, die für die in Ziffer 7 des Prozessvergleichs getroffene Regelung maßgebend gewesen sind, haben sich seit dessen Abschluss am 22. April 1992 so wesentlich geändert, dass der Klägerin das Festhalten an dieser Regelung nicht zuzumuten ist.

57

Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG setzt voraus, dass nach Vertragsschluss tatsächliche Umstände oder rechtliche Bedingungen weggefallen sind, die die Vertragspartner zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen haben (a). Vertragsgrundlage sind die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die für den Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Vertragsparteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urteil vom 24. März 2010 - VIII ZR 160/09 - NJW 2010, 1663 ). Wesentlich ist eine Änderung der Verhältnisse daher nur, wenn die Vertragsparteien bei Kenntnis dieser Änderung den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten (b). Schließlich müssen die Folgen der nachträglichen Änderung den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat, weshalb ihm das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zumutbar ist (c).

58

a) Die Vertragsparteien gingen bei Abschluss des Prozessvergleichs am 22. April 1992 übereinstimmend von der Berechtigtenstellung der Rechtsvorgänger der Beklagten, der Restitutionsantragsteller Ulrich K. und Wolf-Peter L., aus. Das ergibt sich schon aus dessen Wortlaut, der Wolf-Peter L. und Ulrich K. in Ziffer 2 und 7 - ersichtlich im Sinne des Vermögensgesetzes - als "die Berechtigten" bezeichnet. Die Berechtigtenstellung der Rechtsvorgänger der Beklagten wurde dabei im Vertrag nicht erst geregelt, sondern von den Vertragsparteien als feststehend vorausgesetzt. Auch dies ergibt sich aus dem Vertragstext. Namentlich stellt Ziffer 7 die Berechtigung der Rechtsvorgänger der Beklagten nicht erst fest, sondern bestimmt lediglich als Konsequenz hieraus, dass sie den "auszukehrenden Erlös" aus der Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks erhalten sollten; auf eine Feststellung der Berechtigung durch Bescheid wurde in Ziffer 10 Satz 2 ausdrücklich verzichtet.

59

Die Vorstellung der Vertragsparteien von der Berechtigtenstellung der Rechtsvorgänger der Beklagten entsprach, wie oben dargelegt, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Sach- und Rechtslage. Diese änderte sich jedoch, als einige Monate später - im Dezember 1992 - die JCC vermögensrechtliche Ansprüche (auch) für das vertragsgegenständliche Grundstück anmeldete; die JCC war Rechtsnachfolger der früher geschädigten Eigentümerin M., weshalb ihre Berechtigung die Rechtsvorgänger der Beklagten verdrängte (§ 3 Abs. 2 VermG).

60

Der Feststellung, dass damit eine tatsächliche und rechtliche Grundlage des Vertrages nachträglich wegfiel, steht nicht die Erwägung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München entgegen, die Vertragsparteien hätten sich über die Möglichkeit einer künftigen Anmeldung von Ansprüchen der JCC und insbesondere über deren mögliche verdrängende Wirkung keine Vorstellungen gemacht. Für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG reicht es aus, wenn nach Vertragsschluss tatsächliche Umstände oder rechtliche Bedingungen weggefallen sind, deren Bestand die Vertragspartner als gemeinsame Grundlage des Vertrages angenommen und deren Fortbestand sie fraglos vorausgesetzt haben, ohne diese tatsächlichen Umstände oder rechtlichen Bedingungen zum Vertragsinhalt gemacht zu haben. Die gemeinsame Vorstellung muss dagegen nicht obendrein auf konkrete künftig eintretende Ereignisse oder deren Ausbleiben gerichtet sein. Sie kann auch in der unausgesprochen gebliebenen Erwartung liegen, ein für die Vereinbarung entscheidender tatsächlicher oder rechtlicher Zustand - wie die gemeinsame Vorstellung von der Berechtigtenstellung der Rechtsvorgänger der Beklagten - werde Bestand haben. Dies entspricht der Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25. Januar 2011 - BVerwG 2 B 73.10 - juris Rn. 8) als auch des Bundesgerichtshofs (vgl. u.a. Urteil vom 9. Juli 2008 - XII ZR 179/05 - BGHZ 177, 193 <208 Rn. 40>).

61

b) Die vermögensrechtliche Berechtigung der Rechtsvorgänger der Beklagten war für die Vertragsparteien so wesentlich, dass sie andernfalls den Vertrag nicht geschlossen hätten. Sonst wäre kaum verständlich, aus welchen Gründen die Klägerin den Veräußerungserlös gerade ihnen hätte zukommen lassen sollen. Sämtliche Vertragsparteien wollten die im Vergleich vereinbarte Regelung über die Auskehr des Erlöses an die Rechtsvorgänger der Beklagten ersichtlich nur deshalb treffen, weil deren Berechtigung für sie fraglos feststand.

62

Die Beklagten wenden ein, die Klägerin hätte den Vergleichsvertrag zugunsten ihrer Rechtsvorgänger auch dann geschlossen, wenn sie mit einer nachfolgenden verdrängenden Anspruchsanmeldung der JCC gerechnet hätte. Ihr sei es allein darum gegangen, den Erstanmeldern L. und K. das Klagerecht "abzukaufen", um die dringend erwünschte Investition des Beigeladenen nicht weiter zu verzögern. Hierfür fehlt aber jeder Anhaltspunkt. Richtig dürfte sein, dass das Motiv des "Abkaufs" jedenfalls die Beigeladene dazu bewogen hat, der Erhöhung des Kaufpreises zuzustimmen; dem wird Rechnung zu tragen sein (vgl. unten c) cc). Die Annahme jedoch, die Klägerin hätte allein aus diesem Grunde das Risiko auf sich genommen, den erheblichen Betrag von 3,5 Mio. DM zweimal bezahlen zu müssen, ist lebensfremd. Viel näher liegt die Annahme, dass die Klägerin, hätte sie dieses Risiko bedacht, auf einem Widerrufs- oder Rücktrittsrecht zumindest für den bereits im ursprünglichen Kaufvertrag bedungenen Kaufpreis von 2,5 Mio. DM bestanden hätte. Ein anderes Vertragsverhalten wäre ihr als öffentlich-rechtliche Körperschaft auch gar nicht möglich gewesen.

63

c) Der Klägerin ist das unveränderte Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung in Ziffer 7 des Vergleichsvertrages infolge der erwähnten wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht mehr zuzumuten. Das Verwaltungsgericht Hamburg ist davon zu Recht ausgegangen. Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat dies dagegen verkannt.

64

aa) Für eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG genügt nicht, dass sich für eine Vertragspartei das normale Vertragsrisiko realisiert. Es reicht ferner nicht aus, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen Interessenlage in den Verschlagsschluss vernünftigerweise jetzt nicht mehr einwilligen würde. Vielmehr muss nach dem Regelungszusammenhang sowie nach dem Zweck der Vorschrift die Änderung der für den Vertragsinhalt maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für die Vertragspartei geführt haben, denen die Vertragspartner billigerweise Rechnung getragen hätten, wenn sie die Entwicklung vorhergesehen hätten. Die Folgen der nachträglichen Änderung müssen also den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat (vgl. Urteile vom 25. November 1966 - BVerwG 7 C 35.65 - BVerwGE 25, 299 <302 f.> = Buchholz 310 Vorbem. III § 42 VwGO Ziff. 3 Nr. 55, vom 9. November 1990 - BVerwG 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <80 f.> = Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 109 und vom 24. September 1997 - BVerwG 11 C 10.96 - Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 1 = NVwZ 1998, 1075; Beschluss vom 25. Januar 2011 - BVerwG 2 B 73.10 - juris Rn. 8). Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden der Vertragspartei abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab zugrunde zulegen (vgl. Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 60 Rn. 7; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 60 Rn. 12a und Lorenz, DVBl 1997, 865 <871> jeweils m.w.N.). Anderenfalls hätte es eine Vertragspartei entgegen dem - für die Gewährleistung von Rechtssicherheit unverzichtbaren - Grundsatz "pacta sunt servanda" in der Hand, über die Eigendefinition der Unzumutbarkeit die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung weitgehend selbst zu bestimmen.

65

Die rechtliche Würdigung, ob sich aus der wesentlichen Änderung der gemeinsam vorausgesetzten Grundlagen des Vertrages unzumutbare Folgewirkungen für eine Vertragspartei ergeben, ist auf der Grundlage aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. Urteile vom 25. November 1966, vom 9. November 1990 und vom 24. September 1997 jeweils a.a.O.; Beschluss vom 25. Januar 2011 a.a.O.). Das Festhalten an dem unveränderten ursprünglichen Vertragsinhalt ist jedenfalls dann unzumutbar, wenn - bei Annahme der Gleichwertigkeit der gegenseitig versprochenen Leistungen bei Vertragsschluss - durch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung oder eine nachträgliche Rechtsänderung ein eklatantes Missverhältnis zwischen ihnen entstanden ist. Denn bei gegenseitigen Verträgen ist in der Regel die Vorstellung von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung Geschäftsgrundlage (BGH, Urteile vom 14. Oktober 1959 - V ZR 9/58 - NJW 1959, 2203 = LM BGB § 242 (Bb) Nr. 34, vom 21. Dezember 1960 - V ZR 56/60 - LM BGB § 242 (Bb) Nr. 39 = MDR 1961, 307 und vom 8. Februar 1978 - VIII ZR 221/76 - JZ 1978, 235 <236> = juris Rn. 13). Die Ausgleichsfunktion der beiderseitigen Leistungen muss im Hinblick auf § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG so stark gestört sein, dass es dem benachteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben unmöglich wird, in der bisherigen vertraglichen Regelung seine Interessen auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen (vgl. BGH, Urteile vom 1. Oktober 1975 - VIII ZR 108/74 - NJW 1976, 142 und vom 11. März 1993 - I ZR 27/91 - NJW-RR 1993, 880 = juris Rn. 15 m.w.N.; Lorenz, a.a.O., S. 867).

66

bb) So liegt es hier. Das Interesse der Klägerin an dem Prozessvergleich beschränkte sich darauf, den bereits vereinbarten Verkauf des Grundstücks an die Investorin - die Beigeladene - durchzusetzen und zu beschleunigen; deshalb stimmte sie einer Regelung durch (verfahrensbeendenden) Prozessvergleich an Stelle einer solchen durch (anfechtbare) Verwaltungsakte zu. In Ansehung des Verkaufserlöses verfolgte die Klägerin hingegen ersichtlich keine eigenen - positiven - Interessen. Ihr stand der Verkaufserlös keinesfalls zu; hingegen war sie zur Auskehr an den vermögensrechtlich Berechtigten verpflichtet (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VermG). Sie musste den von der Beigeladenen geschuldeten Kaufpreis praktisch nur an den Berechtigten weiterleiten, wovon auch Ziffer 5 des Vergleichsvertrages ausgeht. Das Interesse der Klägerin richtete sich insofern allerdings - negativ - darauf, den Kaufpreis nicht zweimal auskehren zu müssen. Dass ihr dies - zumal als öffentlich-rechtliche Körperschaft, welche sich aus Steuermitteln finanziert - angesichts der erheblichen Höhe des Kaufpreises nicht zuzumuten ist, liegt auf der Hand. Genau hierzu aber hat die nachträgliche Anmeldung vorrangiger vermögensrechtlicher Ansprüche durch die JCC geführt.

67

Das Risiko der Doppelzahlung infolge einer nachträglichen Anmeldung von Ansprüchen der JCC liegt nicht einseitig bei der Klägerin. Gegenteiliges ergibt sich nicht schon daraus, dass es sich um ein vermögensrechtstypisches Risiko handelte; § 60 Abs. 1 VwVfG lässt sich nicht von vornherein auf Veränderungen außerhalb des jeweils betroffenen Sach- und Rechtsgebiets beschränken. Es ergibt sich aber auch weder aus der vertraglichen noch aus der gesetzlichen Risikoverteilung (vgl. § 313 Abs. 1 BGB). Für eine Zuweisung des Risikos einer nachträglichen Anmeldung vorrangiger vermögensrechtlicher Ansprüche an die Klägerin durch den Vergleichsvertrag selbst fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Beklagten behaupten zwar, die Klägerin habe dieses Risiko im Vertrage einseitig übernommen, sind jedoch jeden Beleg dafür schuldig geblieben. Auch das Gesetz weist das Risiko nicht einseitig der Klägerin zu, und zwar weder in ihrer Rolle als Verfügungsberechtigte noch in derjenigen als Vermögensamt. Die treuhänderische Verpflichtung des Verfügungsberechtigten nach § 3 Abs. 3 VermG, auf welche die Bevollmächtigte der Beklagten zu 1 vorrangig abhebt, setzt einen Antrag nach § 30 VermG voraus und besteht demzufolge nur gegenüber dem Berechtigten, der Restitutionsansprüche angemeldet hat; hierzu zählte die JCC im April 1992 (noch) nicht. Auch aus der Vorrangregel des § 3 Abs. 2 VermG lässt sich nichts gewinnen; sie greift erst ein, wenn konkurrierende Ansprüche angemeldet sind. Immerhin ist zu bedenken, dass eine solche Anmeldung konkurrierender Ansprüche noch möglich war; die Ausschlussfrist in § 30a VermG wurde erst durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) mit Wirkung vom 22. Juli 1992 eingeführt und war ohnehin im April 1992 noch nicht abgelaufen. Dass eine spätere Anmeldung aber auch solche Ansprüche verdrängen und rückwirkend entwerten würde, über die zuvor bereits unanfechtbar entschieden war, war im April 1992 in der Rechtsprechung noch nicht entschieden (vgl. Urteil vom 21. Juni 2001 - BVerwG 7 C 4.00 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 26) und lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 VermG allein nicht entnehmen.

68

Die Klägerin hat auch keine Sorgfaltspflicht verletzt. Sie war durch die bestehenden Richtlinien gehalten, sich vor Vertragsschluss über das Vorliegen konkurrierender vermögensrechtlicher Anmeldungen zu unterrichten. Gleichermaßen wies die Belehrung durch den Notar, die als § 14 Buchst. e Eingang in den mit der Beigeladenen geschlossenen Grundstückskaufvertrag vom 3. März 1992 gefunden hatte, die Vertragsparteien - und damit auch die Klägerin - "auf ihre Verpflichtung hin..., sich wegen Anmeldungen von derartigen (scil.: vermögensrechtlichen Rückübertragungs-)Ansprüchen zu informieren". Das hat die Klägerin getan; derartige Anmeldungen lagen - unstreitig - seinerzeit nicht vor.

69

Die nachträgliche Anmeldung konkurrierender Ansprüche der JCC auf das in Rede stehende Grundstück war für die Klägerin auch nicht eher vorhersehbar als für die anderen Vertragsparteien. Die JCC leitete ihre Ansprüche als Rechtsnachfolgerin der Johanna M., die jüdischen Glaubens war, daraus her, dass diese das Grundstück 1937 im Wege eines Zwangsverkaufs im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG an Friedrich Hermann K. veräußern musste. Die Klägerin musste von diesem Zwangsverkauf keine bessere Kenntnis haben als die Rechtsvorgänger der Beklagten. Das Grundbuch verzeichnete zwar den Namen M., der auf eine jüdische Glaubenszugehörigkeit hinweisen mochte; der Blick ins Grundbuch stand indes allen Vertragsparteien gleichermaßen offen. Eher noch als bei der Klägerin ließe sich ein Sonderwissen von jenem Zwangsverkauf bei den Rechtsvorgängern der Beklagten vermuten, war es doch ihr Vater und Großvater, der das Grundstück 1937 von Frau M. erworben hatte.

70

Sowenig wie die nachträgliche Anmeldung konkurrierender Ansprüche der JCC für die Klägerin (eher als für die Rechtsvorgänger der Beklagten) vorhersehbar war, sowenig waren deren unzumutbare Folgen für sie vermeidbar. Vorkehrungen schon im Vertrage hätten vorausgesetzt, dass die Vertragsparteien mit einer nachträglichen, aber vorrangigen Anmeldung rechneten; daran fehlt es. Möglichkeiten für spätere Vorkehrungen zur Schadensverminderung oder Schadensvermeidung sind aber nicht ersichtlich.

71

cc) Der Klägerin ist aber ein Festhalten an der in Ziffer 7 des Vergleichsvertrages getroffenen Regelung nicht in der vollen Höhe des hiernach an die Rechtsvorgänger der Beklagten auszukehrenden Betrages von 3,5 Mio. DM unzumutbar. Es ist zu berücksichtigen, dass nach den getroffenen Feststellungen die Vertragsparteien beim Abschluss des Vergleichs und bei der Bezifferung dieses Betrages nicht allein das Ziel verfolgten, den Letzteren als den (angenommenen) Restitutionsberechtigten den Gegenwert des Grundstücks zukommen zu lassen. Denn der in dem notariellen Kaufvertrag zwischen der Beigeladenen und der Klägerin ursprünglich vereinbarte Kaufpreis von 2,5 Mio. DM wurde im Prozessvergleich nicht etwa aufgrund eines neuen Verkehrswertgutachtens um eine Million DM erhöht. Sicherlich stimmte die Beigeladene der Kaufpreiserhöhung zum Teil auch zu, um ein neues Verkehrswertgutachten zu ersparen, insofern also in unbesehener Vorwegnahme seines möglichen Ergebnisses. Hinzu kam aber und vor allem, dass die Beigeladene und die Klägerin mit der Kaufpreiserhöhung den Rechtsvorgängern der Beklagten deren - seinerzeit tatsächlich bestehendes - Klagerecht "abgekauft" haben, wie das Verwaltungsgericht Hamburg rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Ersichtlich hatten sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene seinerzeit ein starkes Interesse daran, dass sich die damals beim Verwaltungsgericht Halle anhängigen gerichtlichen Verfahren nicht noch länger hinzogen und dass insbesondere der zugunsten der Beigeladenen ergangene Feststellungsbescheid vom 20. Dezember 1991 in Bestandskraft erwuchs und so eine jahrelange rechtliche Unsicherheit in Bezug auf die ungeklärten Eigentumsfragen an dem Grundstück vermieden wurden. Da eine zügige Realisierung des Investitionsvorhabens der Beigeladenen seinerzeit auch im öffentlichen Interesse lag und dementsprechend auch die Klägerin als Stadt darauf hoffte, davon zu profitieren, ist es ihr im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zuzumuten, die finanziellen Nachteile zu tragen, die sich für sie aus der Nichtweiterleitung eines dem "Abkaufinteresse" entsprechenden Anteils des Differenzbetrages zwischen dem ursprünglichen und dem am 22. April 1992 vereinbarten Kaufpreis ergeben. Dieser Anteil lässt sich nicht genau ermitteln, weil er maßgeblich auf den damaligen Einschätzungen der Beteiligten hinsichtlich ihrer jeweiligen Interessenlage und deren hypothetischer Entwicklung beruhte. Der erkennende Senat schätzt das "Abkaufinteresse" deshalb gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 1 ZPO auf 70 % des Erhöhungsbetrages von 1 Mio. DM, mithin auf 700 000 DM, die damit von dem Ausgangswert von 3,5 Mio. DM, auf den sich der Anpassungsanspruch der Klägerin bezieht, jedenfalls in Abzug zu bringen sind.

72

Entgegen der vom Verwaltungsgericht Hamburg im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung ist dieser Betrag nicht um weitere 186 000 DM wegen möglicher Entschädigungsansprüche der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgänger nach § 7a Abs. 3c VermG zu reduzieren. Zwar steht eine solche Entschädigung hiernach demjenigen zu, der nach § 3 Abs. 2 VermG wegen eines Anspruchs eines vorrangig Berechtigten nach § 1 Abs. 6 VermG von der Rückübertragung ausgeschlossen ist. Es spricht aber schon wenig dafür, dass die Rechtsvorgänger der Beklagten das Grundstück in redlicher Weise erworben haben, wie § 1 Abs. 2 Satz 1 EntschG zusätzlich voraussetzt, beruhte der Erwerb doch gerade auf dem Zwangsverkauf. Zudem hätte sich ein Entschädigungsanspruch nicht gegen die Klägerin, sondern gegen den Entschädigungsfonds gerichtet (§ 1 Abs. 1, § 9 EntSchG). Schließlich unterliegt der Entschädigungsanspruch nach § 7a Abs. 3c Satz 2 und 3 EntSchG der Verjährung. Ob die Beklagten vor Ablauf der Verjährungsfrist vorsorglich rechtzeitig Entschädigungsansprüche geltend gemacht haben, stand und steht nicht in der Verfügungsmacht der Klägerin.

73

5. Die Anpassung des Vergleichsvertrages mit dem Ziel, den Rechtsgrund für den Erhalt des Erlöses in Höhe von 1 431 617,20 € (entspricht 2,8 Mio. DM) zu beseitigen und die Beklagten zur Rückerstattung dieses Betrages zu verpflichten, ist diesen freilich nur dann zuzumuten, wenn etwa schutzwürdiges Vertrauen gewahrt bleibt.

74

a) Grundsätzlich ist den Beklagten die Vertragsanpassung nicht unzumutbar. Sie haben eine Zahlung erhalten, deren Grundlage auch für sie selbst die Annahme war, Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes zu sein. Die Anmeldung vorrangiger Ansprüche der JCC hat diese Grundlage beseitigt. Ihnen bleibt die seinerzeitige Verfahrensposition; was sie im Zuge der Vergleichsverhandlungen für den "Abkauf" dieser Verfahrensposition erzielen konnten, bleibt ihnen erhalten. Darüber hinaus war für sie die Zahlung ohne sachliche Grundlage.

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b) Allerdings ist zu bedenken, dass das Interesse, das seinerzeitige Verwaltungsverfahren gerade durch einen Prozessvergleich zu beenden, einseitig bei der Klägerin und der Beigeladenen lag. Die Rechtsvorgänger der Beklagten haben dieses Beschleunigungsinteresse der anderen Vertragsparteien zwar ausgenutzt; selbst aber hatten sie kein besonderes Beschleunigungsinteresse, will man ihnen nicht gerade eine Sorge vor ausstehenden konkurrierenden vermögensrechtlichen Anmeldungen unterstellen. Aus ihrer Sicht hätte die Klägerin als Vermögensamt die nötigen vermögensrechtlichen Regelungen daher auch durch Verwaltungsakt treffen können.

76

Dies aber führt dazu, dass sie der Klägerin jedenfalls diejenigen Einwendungen entgegenhalten können, die ihnen zugestanden hätten, hätte die Klägerin die vermögensrechtlichen Regelungen, statt durch Vertrag, durch Verwaltungsakt getroffen. Die Rechtsformwahl des Vertrages kann sie insofern nicht schlechter stellen. Wäre die in Ziffer 7 des Prozessvergleichs erfolgte Festsetzung der Erlösauskehr zugunsten der Rechtsvorgänger der Beklagten ohne Vergleich durch selbstständigen Bescheid ergangen, hätte die Klägerin diesen begünstigenden Verwaltungsakt, der jedenfalls zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war, nur unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 VwVfG widerrufen können. Hiernach darf die zuständige Behörde, wenn sie aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, den bestandskräftigen begünstigenden Verwaltungsakt widerrufen, wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Sie hat dann den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. Nichts anderes kann gelten, wenn der in Rede stehende begünstigende Verwaltungsakt von der zuständigen Behörde - wie hier in Ziffer 7 des Prozessvergleichs - im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erlassen worden ist.

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Einen mit der vertraglichen Regelung in Ziffer 7 des Prozessvergleichs inhaltsgleichen begünstigenden Verwaltungsakt hätte die Klägerin (Vermögensamt) wegen des Wegfalls der vermögensrechtlichen Berechtigung der Rechtsvorgänger der Beklagten widerrufen dürfen. Angesichts des Betrages von 3,5 Mio. DM ist davon auszugehen, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Das Interesse an der sparsamen Verwendung von öffentlichen Mitteln ist als öffentliches Interesse im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG anzusehen (Urteil vom 11. Februar 1982 - BVerwG 2 C 9.81 - Buchholz 232 § 116a BBG Nr. 8 = DVBl 1982, 795<797> und Beschluss vom 17. Oktober 1985 - BVerwG 7 B 161.85 - Buchholz 11 Art. 106 GG Nr. 3 = juris Rn. 4), bei dessen Verletzung Schaden für wichtige Gemeinschaftsgüter droht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um die Verwendung öffentlicher Mittel in der hier in Rede stehenden Größenordnung handelt. Die Klägerin hätte die Beklagten dann jedoch für den Vertrauensnachteil entschädigen müssen, den diese dadurch erleiden, dass sie oder ihre Rechtsvorgänger auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut haben, soweit dieses Vertrauen schutzwürdig ist (§ 49 Abs. 6 VwVfG).

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Den Beklagten muss derselbe Einwand zustehen. Die von der Klägerin beanspruchte Vertragsanpassung ist daher entsprechend einzuschränken. Die Einschränkung führt zusätzlich dazu, dass die Beklagten für den Rückzahlungsbetrag nicht als Gesamtschuldner haften; denn dann wirkte sich der Einwand der einen Beklagten zum Nachteil der anderen aus. Der äußerste Rückzahlungsbetrag von insgesamt 1 431 617,20 € (entspricht 2,8 Mio. DM) ist deshalb auf die Beklagten je hälftig aufzuteilen.

79

c) Ob und in welchem Umfang die Beklagten gegenüber dem Anpassungs- und Zahlungsbegehren der Klägerin im Sinne von § 49 Abs. 6 VwVfG schutzwürdig sind, ist bisher nicht festgestellt worden. Die Beklagten haben zwar vorgetragen, sie hätten das von ihren Rechtsvorgängern erhaltene Geld bereits verbraucht, da sie von der Beständigkeit und Rechtmäßigkeit der im Prozessvergleich vereinbarten Regelungen ausgegangen seien. Eine Erfüllung der mit dem Anpassungsverlangen geltend gemachten Ansprüche sei ihnen damit unmöglich, jedenfalls nicht mehr zuzumuten. Hierzu liegen allerdings bislang keine tatsächlichen Feststellungen in den angefochtenen Urteilen vor. Das Tatsachengericht wird im weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls welche Vermögensdispositionen die Rechtsvorgänger der Beklagten oder diese selbst getroffen haben. Die Beweislast für das Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen schutzwürdigen Vertrauens liegt bei den Beklagten, da sie hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten.

80

Allerdings ist zu bedenken, dass insofern nur Vermögensdispositionen in der Zeit seit dem Abschluss des Prozessvergleichs bis zum Zugang des Schreibens der Klägerin vom 7. Juni 1994 in Betracht kommen, mit welchem sie auf den Eingang der Anmeldung der konkurrierenden Ansprüche der JCC hingewiesen worden sind. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG, die auch im Rahmen von § 49 Abs. 6 VwVfG geboten ist; der auf § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 VwVfG beschränkte Verweis in § 49 Abs. 6 Satz 2 VwVfG steht einer Parallelität des § 49 Abs. 6 VwVfG zu § 48 Abs. 3 VwVfG im Übrigen nicht entgegen (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 49 VwVfG ). Wie für § 48 Abs. 3 VwVfG (vgl. dort Satz 2), so findet daher die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auch für § 49 Abs. 6 VwVfG ihre Grenze in § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG, der im Rahmen von § 49 Abs. 6 VwVfG freilich nur entsprechend und deshalb mit der Maßgabe Anwendung findet, dass an die Stelle der Kenntnis oder grobfahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Widerruflichkeit des Verwaltungsakts tritt. Hieraus ergibt sich, dass ein Vertrauen der Beklagten und ihrer Rechtsvorgänger für die Zeit nach Erhalt des Hinweisschreibens vom 7. Juni 1994 nicht mehr schutzwürdig ist. Denn seitdem mussten sie mit einem Vertragsanpassungs- und Rückforderungsverlangen der Klägerin rechnen.

81

6. a) Der von der Klägerin gegen die Beklagten geltend gemachte Anpassungsanspruch ist nicht verjährt.

82

Gemäß § 62 Satz 2 VwVfG sind bei öffentlich-rechtlichen Verträgen ergänzend zu den Bestimmungen im Verwaltungsverfahrensgesetz die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden. Das gilt auch hinsichtlich der Regelungen über die Verjährung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 62 Rn. 23 m.w.N.). Die gesetzliche Verweisung in § 62 Satz 2 VwVfG ist, wie ihr Wortlaut ausweist, nicht auf Zahlungsansprüche beschränkt. Nach § 194 Abs. 1 BGB unterliegt der Verjährung jedes Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch). Aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Regelungszusammenhang und dem erkennbaren Zweck der Regelung ergibt sich nichts anderes.

83

Ob die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs hiernach entsprechend nur für vertragliche oder auch für gesetzliche Ansprüche gelten, die sich an einen Vertrag knüpfen oder auf einen Vertrag beziehen, und ob sie auch Gestaltungsrechte einschließen, mag offenbleiben. Denn auch wenn die kurze dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. zugrunde gelegt wird, auf welche sich die Beklagten berufen, wäre das Anpassungsverlangen der Klägerin nicht verjährt. Die Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB n.F. mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, und endet nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB n.F. ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Diese Regelung wurde jedoch erst durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in Kraft gesetzt; bis dahin galt für Ansprüche der vorliegenden Art die allgemeine dreißigjährige Frist. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die neuen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die am 1. Januar 2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB sieht vor, dass in Fällen, in denen die Verjährungsfrist des neuen Rechts kürzer als die nach dem bisherigen Recht ist, die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet wird.

84

Hiernach war der Anpassungsanspruch der Klägerin nach § 60 Abs. 1 VwVfG zur Zeit der Klageerhebung am 24. April 2006 nicht verjährt. Die hinreichende Kenntnis von den ihren Anpassungsanspruch nach § 60 Abs. 1 VwVfG begründenden Umständen erhielt die Klägerin, als geklärt war, dass der Anspruch der JCC auf Erlösauskehr bestand und dass sie ihn ungeachtet der im Prozessvergleich vom 22. April 1992 getroffenen Regelung erfüllen musste. Dies stand erst fest, nachdem das Bundesverwaltungsgericht ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 21. April 2001 mit Beschluss vom 11. November 2005 zurückgewiesen hatte.

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b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch der Klägerin auch nicht verwirkt.

86

Ein Anspruch ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die spätere Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment). Diese Anforderungen gelten auch im Vermögensrecht (vgl. u.a. Beschluss vom 4. April 2012 - BVerwG 8 C 9.11 - juris Rn. 24). Das Umstandsmoment ist insbesondere erfüllt, wenn der Schuldner infolge eines bestimmten Verhaltens des Gläubigers darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauenstatbestand, vgl. Urteil vom 27. Juli 2005 - BVerwG 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 11 f.; Beschlüsse vom 13. Februar 1998 - BVerwG 7 B 34.98 - juris und vom 4. April 2012 a.a.O.).

87

Daran fehlt es hier. Nach den von den Tatsachengerichten getroffenen Feststellungen und der Aktenlage hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt gegenüber den Beklagten zum Ausdruck gebracht oder durch ihr Verhalten signalisiert, dass sie im Falle ihrer rechtskräftigen Verpflichtung zur erneuten Auskehr des vereinbarten Kaufpreises an die JCC auf eine Anpassung des Vergleichsvertrages und eine Rückforderung des an die Rechtsvorgänger der Beklagten ausgekehrten Betrages verzichten würde. Vielmehr hat sie die Prozessbevollmächtigten der Rechtsvorgänger beider Beklagten mit Schreiben vom 7. Juni 1994 über die Anmeldung der Ansprüche der JCC unterrichtet und damit zum Ausdruck gebracht, gegebenenfalls Ansprüche erheben zu wollen. In der Folgezeit waren beide Rechtsvorgänger der Beklagten zu den beiden Verwaltungsstreitverfahren beigeladen, mit denen die Klägerin versuchte, die Ansprüche der JCC abzuwehren, und die im November 2005 zu ihrer rechtskräftigen Verpflichtung führten, den Kaufpreis für das Grundstück an die JCC auszukehren. Auch wenn die Klägerin entgegen ihrer im Jahre 2001 erfolgten Androhung zunächst keine Klage gegen die Rechtsvorgänger der Beklagten erhoben hatte, hat sie damit für diese keine Vertrauensgrundlage dergestalt geschaffen, dass nunmehr mit einer Inanspruchnahme der Beklagten nicht mehr zu rechnen sei. Weder der Zeitraum zwischen der Anmeldung der Ansprüche durch die JCC im Dezember 1992 und dem Schreiben vom 7. Juni 1994 noch der Zeitraum zwischen dem rechtskräftigem Abschluss des vorgenannten gerichtlichen Verfahrens im November 2005 und der Erhebung der Klage im April 2006 war so lang, dass allein hieraus die Beklagten oder ihre Rechtsvorgänger den Schluss hätten ziehen können, die Klägerin werde Ansprüche nach § 60 VwVfG nicht mehr verfolgen.

88

1. In Ansehung des sich aus der Vertragsanpassung ergebenden Zahlungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 ist das Verfahren noch beim Verwaltungsgericht Hamburg anhängig. Hinsichtlich ihres Zahlungsanspruchs gegen die Beklagte zu 1 verweist der Senat die Sache ebenfalls dorthin.

89

a) Da die Beklagten in Ansehung des Streitgegenstandes, wie (oben II 1.) gezeigt, notwendige Streitgenossen sind, muss das Verfahren vor einem und demselben Gericht geführt werden. Das gilt nicht nur hinsichtlich des Vertragsanpassungsverlangens selbst, sondern auch hinsichtlich des Zahlungsverlangens. Dass die Klägerin den Streitgegenstand in dieser Weise in zwei Klaganträge aufgeteilt hat und sinnvoll aufteilen konnte, führt nicht dazu, die notwendige Verbundenheit zwischen den gegen die beiden Beklagten gerichteten Verfahren in Ansehung des Zahlungsverlangens wieder zu lösen. Zwar stehen die Beklagten hinsichtlich des Zahlungsverlangens selbst nicht mehr in notwendiger Streitgenossenschaft; sie sind, wie gezeigt, nicht einmal Gesamtschuldner und können dem jeweiligen Zahlungsbegehren je individuelle Einwendungen entgegenhalten. Das liegt jedoch nur in der vorliegenden konkreten Fallgestaltung begründet, die eine derartige Aufgliederung und Abschichtung des umfassenden Klagebegehrens der Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erlaubt. Es ändert nichts daran, dass es sich um einen unselbstständigen Teil eines einheitlichen Streitgegenstandes handelt, für den die Beklagten jedenfalls dem Grunde nach zu notwendigen Streitgenossen verbunden sind; eine Differenzierung zwischen dem Anpassungsanspruch einerseits und dem hierauf aufbauenden Leistungsanspruch andererseits ist daher nicht geboten (vgl. Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <342>; Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG-Kommentar, 9. Aufl. 2010, § 60 VwVfG Rn. 21; a.A. etwa Dauner-Lieb/Dötsch, NJW 2003, 921 <926 f.>, die eine Stufenklage befürworten). Im Übrigen wäre eine erneute Trennung des Verfahrens in Ansehung des Zahlungsverlangens der Höhe nach wenig prozessökonomisch, zumal sich etliche Fragen auch hier für beide Beklagte gleichermaßen stellen.

90

b) Da das Bundesverwaltungsgericht über die Klage nicht abschließend entscheiden kann, die Sache bislang aber bei zwei verschiedenen Verwaltungsgerichten anhängig war, muss der Senat das zuständige Verwaltungsgericht bestimmen (§ 53 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO). Hierzu bedarf es weder des Antrags eines der bislang mit der Sache befassten Verwaltungsgerichte noch eines Antrags der Beteiligten; das Bundesverwaltungsgericht kann das zuständige Gericht auch von Amts wegen bestimmen, wenn die Sache bei ihm ohnehin anhängig ist, es den Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Ziff. 2 VwGO an ein unteres Gericht zurückverweisen muss und hierfür im Sinne von § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO mehrere untere Gerichte in Betracht kommen.

91

An der Bestimmung des zuständigen Verwaltungsgerichts ist der Senat nicht durch § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG gehindert. Das Verwaltungsgericht Halle hatte zwar mit Beschlüssen vom 5. September 2007 die Klage gegen die Beklagte zu 1 an das Bayerische Verwaltungsgericht München und die Klage gegen die Beklagte zu 2 an das Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen. Diese Verweisungsbeschlüsse sind nach § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar und nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG bindend. Die Reichweite dieser Bindungswirkung bezieht sich aber immer nur auf das konkrete, durch den jeweiligen Streitgegenstand bestimmte Verfahren, das verwiesen wurde. Den Verweisungsbeschlüssen des Verwaltungsgerichts Halle lag ein anderer Streitgegenstand zugrunde als im vorliegenden, an das erstinstanzliche Gericht zurückzuweisenden Verfahren. Die Klägerin hatte damals die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1 798 521,58 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit und - als Vorfrage hierzu - die Feststellung der Unwirksamkeit des Prozessvergleichs beantragt. Erst nach der Verweisung hat sie mit Schriftsätzen vom 25. Juni 2010 vor dem Verwaltungsgericht Hamburg und vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München ihre Klage geändert; erst hierdurch wurde das Klagebegehren der Vertragsanpassung rechtshängig. Damit entfällt eine Bindungswirkung der Verweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Halle.

92

Es spricht Überwiegendes dafür, als zuständiges Gericht das Verwaltungsgericht Hamburg zu bestimmen. Zwar bezieht sich der seinerzeitige Prozessvergleich auf vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich eines in Halle belegenen Grundstücks, was für eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Halle spricht (vgl. § 52 Nr. 1 VwGO, § 35 Abs. 2 VermG). Ähnlich gute Gründe lassen sich jedoch für den allgemeinen Gerichtsstand des jeweiligen Beklagten nach § 52 Ziff. 5 VwGO finden. Nachdem dem bisherigen Verfahren dieser letztere Gesichtspunkt zugrundegelegt worden ist, erscheint es dem Senat zweckmäßig, hieran festzuhalten. Dann aber ist es sinnvoll, als zuständiges Gericht nicht das Bayerische Verwaltungsgericht München als den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu 1, sondern das Verwaltungsgericht Hamburg als denjenigen der Beklagten zu 2 zu bestimmen; denn dort ist das Verfahren hinsichtlich des Zahlungsantrags gegen die Beklagte zu 2 ohnehin noch anhängig.

93

2. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Beigeladenen beruht auf § 162 Abs. 3 VwGO. Danach trägt die Klägerin im Hinblick auf ihr nur teilweises Obsiegen die Hälfte der außergerichtlichen Kosten, die der Beigeladenen im Verfahren gegen die Beklagte zu 1 in erster Instanz entstanden sind. Das entspricht der Billigkeit; denn die Beigeladene hat im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen, und sich damit dort - anders als im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Halle und Hamburg und anders als im Revisionsverfahren - einem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten trägt die Beigeladene selbst.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 163/02 Verkündet am:
11. Januar 2005
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 651 g Abs. 1

a) Für eine Reisemängelrüge gemäß § 651 g Abs. 1 BGB reicht es aus, daß
der Reisende erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen,
und dabei die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen
so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter die zur Aufklärung
des Sachverhalts gebotenen Maßnahmen zur Wahrung seiner Interessen
ergreifen kann.

b) Die Ausschlußfrist von einem Monat nach § 651 g Abs. 1 BGB ist jedenfalls
gewahrt, wenn der Reisende seine Mängelrüge bei dem Reisebüro, über
das er die Reise gebucht hat, abgibt und sie von diesem innerhalb der Monatsfrist
an den Reiseveranstalter weitergeleitet wird.
BGH, Urt. v. 11. Januar 2005 - X ZR 163/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das am 19. Mai 2002 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer Verletzung, die sie auf der Rückreise von einem bei der Beklagten gebuchten Pauschalurlaub erlitten hat.
Für den Zeitraum vom 15. bis 29. Juli 2000 buchte die Klägerin für sich und ihre damals 17 Jahre alte Tochter bei der Beklagten eine Pauschalreise nach G. mit Rückflug nach M. . Am Rückreisetag
wurde der Klägerin am Abfertigungsschalter für den vorgesehenen Flug in der Abflughalle des Flughafens mitgeteilt, daß in dieser Maschine nur noch ein freier Platz zur Verfügung stehe. Es könne daher nur entweder die Klägerin oder ihre Tochter zurück nach M. fliegen; die nächste verfügbare Flugmöglichkeit für zwei Personen zu diesem Flughafen sei erst 24 Stunden später. Die Klägerin war nur bereit, mit ihrer Tochter zu fliegen. Ein Schalterangestellter teilte ihr daraufhin mit, daß in Kürze ein Flug einer anderen Fluggesellschaft nach P. starte, auf dem noch Plätze für die Klägerin und ihre Tochter frei seien. Die Klägerin war mit dieser Alternative einverstanden. Der Schalterangestellte mahnte zur Eile, da der Flug nach P. nur noch wenige Minuten für weitere Reisende geöffnet sei. Er lief im Dauerlauf zu dem Abfertigungsschalter für den Flug nach P. auf der anderen Seite der Abflughalle voraus. Die Klägerin und ihre Tochter folgten ihm, jeweils mit ihrem Gepäck. Während des Laufens rutschte die Klägerin aus. Als Folge wurden bei ihr ein Gelenkerguß, eine Zerrung des rechten Kniegelenks mit Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und ein unfallbedingter Knorpeldefekt an der medialen Condyle festgestellt.
Die Klägerin ist auch nach einer Operation nicht endgültig genesen und weiterhin zu 100 % arbeitsunfähig. Im Laufe des Berufungsverfahrens verlor die Klägerin, die vor dem Unfall als Altenpflegerin tätig gewesen ist, ihren Arbeitsplatz durch Kündigung des Arbeitgebers wegen Krankheit.
Am 2. August 2000 gab die Klägerin in dem Reisebüro, bei dem sie die Reise mit der Beklagten gebucht hatte, ein handschriftliches Schreiben ab, in dem das Geschehen bei ihrem Rückflug unter Nennung von Zeit und Ort geschildert sowie die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen mit
Angabe des behandelnden Arztes aufgeführt waren. Es schließt mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen."
Das Reisebüro leitete das Schreiben der Klägerin noch am 2. August 2000 an die Beklagte weiter.
Die Klägerin meint, die Beklagte hafte für ihren Unfall auf dem Flughafen von G. , weil sie zuvor vertragswidrig die Klägerin und ihre Tochter nicht mit dem geschuldeten Flug nach M. transportiert habe. Die Klägerin begehrt deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,-- DM, bezifferten Ersatz verschiedener materieller Schäden und die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus ihrer Unfallverletzung zu ersetzen.
Die Beklagte ist der Auffassung, daß die Klägerin ihre Ansprüche nicht rechtzeitig gemäß § 651 g BGB geltend gemacht habe, so daß sie damit ausgeschlossen sei. Außerdem hafte sie für den Unfall der Klägerin nicht, weil sich insoweit deren allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Verletzungsschaden der Klägerin sei der Beklagten nicht adäquat zurechenbar; vielmehr habe sich nur das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung bestätigt, soweit die Klägerin Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes begehrt hat. Im übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Beklagte dem Grunde nach ver-
pflichtet sei, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Verletzung am 29. Juli 2000 entstanden seien.
Mit der Revision beantragt die Beklagte, das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben, soweit es zu ihrem Nachteil ergangen ist. Die Klägerin tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hat Bestand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, die Ausschlußfrist für die Anmeldung reisevertraglicher Ansprüche (§ 651 g Abs. 1 BGB) sei gewahrt.

a) Regelungszweck dieser Bestimmung ist, dem Reiseveranstalter alsbald Kenntnis davon zu geben, daß von einem seiner Reisenden Ansprüche geltend gemacht und worauf diese gestützt werden. Dadurch wird dem Reiseveranstalter ermöglicht, unverzüglich am Urlaubsort Recherchen über die behaupteten Reisemängel anzustellen, etwaige Regreßansprüche gegen seine Leistungsträger geltend zu machen und gegebenenfalls seinen Versicherer zu benachrichtigen (vgl. BGHZ 90, 363, 367 f.; 102, 80; Tempel, NJW 1987, 2841). Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Reisende deutlich macht, Forderungen gegen den Reiseveranstalter stellen zu wollen
und die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen so konkret beschreibt, daß der Reiseveranstalter Maßnahmen der geschilderten Art zur Wahrung seiner Interessen ergreifen kann. Nicht erforderlich ist dagegen die rechtliche Einordnung oder eine Bezifferung der erhobenen Ansprüche.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 2. August 2000 innerhalb der Monatsfrist des § 651 g Abs. 1 BGB erhalten. Dieses Schreiben enthält unter Nennung von Zeit und Ort eine Schilderung des Geschehens am Flughafen, das zu dem Unfall der Klägerin führte, und teilt die zum damaligen Zeitpunkt eingetretenen Unfallfolgen unter Angabe des behandelnden Arztes mit. Das Schreiben endet mit dem Satz: "Durch diese Situation sind wir nicht bereit, dieses Verhalten auf sich beruhen zu lassen." Damit wurde der Sachverhalt dem Reiseveranstalter so konkret vorgetragen, daß er in eine Sachprüfung eintreten konnte. Er mußte den Schlußsatz des klägerischen Schreibens auch dahingehend verstehen, daß von der Klägerin Ansprüche geltend gemacht wurden. Denn wenn der Reiseveranstalter nach Reiseende ein Schreiben des Reisenden erhält, in dem erhebliche Mängel oder im Zusammenhang mit der Reise eingetretene gravierende Schäden konkret geschildert werden, ist dies nach der Lebenserfahrung jedenfalls dann im Sinne einer Forderung nach finanzieller Entschädigung auszulegen , wenn der Reisende wie hier unmißverständlich erklärt, den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen zu wollen. Es ist dem Reiseveranstalter zumutbar und von ihm zu erwarten, insoweit etwa bestehende Zweifel durch Rückfrage beim Reisenden zu beseitigen (vgl. Tempel, aaO, 2847).
2. Die Beklagte ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 651 f BGB zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die der Kläge-
rin entstanden sind, weil die Beklagte die Rückflugleistung nicht vertragsgemäß erbracht hat. Da die Fluggesellschaft ihr Erfüllungsgehilfe bei der Erbringung reisevertraglicher Leistungen ist, muß die Beklagte insoweit für sie einstehen. Die Beklagte hat den ihr zum Ausschluß ihrer Haftung obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Der eingeklagte Verletzungsschaden ist auch noch zurechenbar durch die mangelhafte Rückflugleistung verursacht, so daß die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen war.

a) Die Beklagte hat die Verletzung der Klägerin äquivalent verursacht. Denn bei vertragsgemäßer Leistung der Beklagten hätte die Klägerin sich nicht mit Gepäck durch die Abflughalle zu einem anderen Schalter bewegen müssen und hätte sich dabei auch nicht verletzen können. Um eine unerträgliche Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu vermeiden, hat sie die Rechtsprechung allerdings schon seit langem durch weitere Zurechnungskriterien eingeschränkt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind als solche Kriterien die Adäquanz des Kausalverlaufs und der Schutzzweck der Norm anerkannt (vgl. nur BGH, Urt. v. 11.11.1999 - III ZR 98/99, NJW 2000, 947).

b) Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen (vgl. nur BGH, Urt .v. 04.07.1994 - II ZR 126/94, NJW 1995, 126, 127; BGHZ 57, 137, 141; st. Rspr.). Adäquanz kann fehlen, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt (BGH, Urt. v. 07.01.1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589). Mit diesem
Inhalt wirkt die Adäquanzlehre nur als recht grober Filter zur Beschränkung der Zurechenbarkeit.
Bei Anwendung dieses Maßstabes liegt es noch nicht außerhalb des zu erwartenden Verlaufs der Dinge, daß nach Wegfall einer vereinbarten Rückflugmöglichkeit die Fluggesellschaft nach einem Ersatzflug sucht, für einen solchen die Zeit knapp wird und der betroffene Fluggast dann infolge von Hektik oder Unachtsamkeit stürzt. Die Reaktion der Klägerin war nicht derart ungewöhnlich oder unsachgemäß, daß sie den Zurechnungszusammenhang zur Pflichtverletzung der Beklagten nach der Adäquanzlehre unterbrochen hätte.

c) Eine vertragliche Haftung besteht schließlich nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Diese Haftungsbegrenzung aufgrund des Schutzzwecks der Norm erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie die deliktische Haftung (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449; Urt. v. 04.07.1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126; BGHZ 116, 209; Urt. v. 30.01.1990 - XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057). Zweck vertraglicher und damit auch reisevertraglicher Haftung ist nicht, den Ersatzberechtigten von seinem allgemeinen Lebensrisiko zu entlasten. Für Schäden, die aufgrund des allgemeinen Lebensrisikos eintreten, wird deshalb auch dann nicht gehaftet, wenn sie im Zusammenhang mit einem haftungsbegründenden Ereignis eintreten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.07.1971 - VI ZR 165/69, NJW 1971, 1982, 1983).
Das Berufungsgericht erkennt zutreffend, daß Sturzschäden grundsätzlich dem normalen Lebensrisiko zuzuordnen sind. Es meint jedoch, die Mitar-
beiter der Fluggesellschaft hätten als Erfüllungsgehilfen der Beklagten durch Nichtgewährung der ursprünglich versprochenen Flugmöglichkeit ein Verhalten der Klägerin herausgefordert, durch das sie in eine gesteigerte Gefahrenlage geraten sei; nachdem die Beklagte so ein vergrößertes Risiko geschaffen habe , sei sie auch für diejenigen Folgeschäden verantwortlich, die die Klägerin bei dem so veranlaßten Verhalten im Rahmen des normalen Lebensrisikos erlitten habe. Dazu gehören nach Auffassung des Berufungsgerichts auch die materiellen Schäden aus dem Sturz. Diese Ausführungen halten zwar nicht in allen Elementen der Begründung, wohl aber im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

d) Der Lauf durch die Abflughalle war ein willentliches, selbstgefährdendes Handeln der Klägerin, das ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko bewirkte. Für den Bereich der unerlaubten Handlung hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in den sogenannten Herausforderungs- und Verfolgungsfällen klargestellt, daß eine deliktische Haftung besteht, wenn das selbstgefährdende Verhalten durch vorwerfbares Tun herausgefordert wurde und der geltend gemachte Schaden infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist (BGHZ 132, 164; BGH, Urt. v. 04.05.1993 - VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234). Diese zur Abgrenzung von Haftung und allgemeinem Lebensrisiko im Deliktsrecht entwickelten Grundsätze gelten ebenso bei der Anwendung der Schutzzwecklehre im Vertragsrecht.

e) Die Klägerin hat sich in einer gesteigerten Gefahrenlage verletzt, die auf vorwerfbares Tun der Erfüllungsgehilfen der Beklagten zurückzuführen war. Mangels Entlastungsbeweises vorwerfbar war der Beklagten zwar zunächst nur die fehlende Bereitstellung der vertragsgemäßen Rückflugleistung. Durch die-
se Pflichtwidrigkeit ist für die Klägerin noch kein gesteigertes Risiko eines Sturzes bei einem Lauf mit Gepäck durch die Abflughalle geschaffen worden. Die Mitteilung der Fluggesellschaft, daß der gebuchte Flug nicht angetreten werden kann, veranlaßt einen Reisenden nicht zu einem Lauf durch die Abflughalle mit Gepäck.
Die Klägerin wurde zu dem risikobehafteten Lauf vielmehr veranlaßt, weil sie von dem Mitarbeiter der Fluggesellschaft auf die kurzfristige anderweitige Flugmöglichkeit nach P. hingewiesen wurde. Dieser Hinweis auf anderweitige Flugmöglichkeiten war zwar im Interesse der Klägerin geboten, die deutlich gemacht hatte, nicht auf den nächsten Flug nach M. warten zu wollen. Die Klägerin hätte gegenüber der Beklagten die Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht geltend machen können, wenn der Hinweis auf die andere Flugmöglichkeit unterblieben wäre.
Die Klägerin und ihre Tochter sollten den angebotenen Flug nach P. allerdings anstelle des geschuldeten Fluges nach M . als Erfüllung der vertraglichen Rückflugleistung annehmen. Damit hat die Beklagte durch ihre Erfüllungsgehilfen eine Leistung an Erfüllung statt angeboten. Dabei hat sie dieselben Sorgfaltsmaßstäbe zu beachten wie bei der ursprünglich geschuldeten Leistung. Sie mußte den Alternativflug insbesondere so anbieten , daß die Klägerin dadurch nicht in eine gesteigerte Gefahrenlage geriet. Die Beklagte hatte der Klägerin vielmehr durch angemessene Hilfe zu ermöglichen , den anderen Flug gefahrlos zu erreichen. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt wurde diese Hilfe nicht gewährt. Das die Klägerin zum Nachlaufen animierende Vorauslaufen des Mitarbeiters der Fluggesellschaft setzte die Klägerin vielmehr einem erhöhten Sturzrisiko aus. Es ist nicht
ersichtlich, daß die Erfüllungsgehilfen der Beklagten die ihnen zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätten, um der Klägerin ein problemloses Erreichen des Ausweichfluges zu ermöglichen. Unter diesen Umständen haftet die Beklagte für die materiellen Schäden der Klägerin infolge ihres Sturzes. Diese Haftung ergibt sich aus der Beklagten vorwerfbarem Verhalten bei der Bereitstellung des Ausweichfluges, nicht jedoch, wie das Berufungsgericht meint, schon aus der Nichtgewährung der vereinbarten Flugmöglichkeit.

f) Auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden der Klägerin rechtsfehlerfrei verneint. Das ist von der Revision nicht beanstandet worden.
3. Die gegen die Tenorierung des Berufungsurteils erhobene Rüge greift ebenfalls nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann über eine unbezifferte Feststellungsklage zwar nicht durch Grundurteil entschieden werden (BGH, Urt. v. 04.10.2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 m.w.N.). Die Auslegung des Berufungsurteils ergibt aber, daß es als Feststellungsurteil zu verstehen ist. Die Worte "dem Grunde nach" im Feststellungsausspruch sind bedeutungslos.
4. Das angefochtene Urteil hat somit Bestand. Die Revision ist zurückzuweisen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff

(1) Verletzt ein Soldat vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Soldaten gemeinsam den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Hat der Dienstherr Dritten Schadensersatz geleistet, gilt als Zeitpunkt, in dem der Dienstherr Kenntnis im Sinne der Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs erlangt, der Zeitpunkt, in dem der Ersatzanspruch gegenüber Dritten vom Dienstherrn anerkannt oder dem Dienstherrn gegenüber rechtskräftig festgestellt wird.

(3) Leistet der Soldat dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch auf den Soldaten über.

(1) Die Beamtin auf Lebenszeit oder der Beamte auf Lebenszeit ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist.

(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann. Die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung ist zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass die Beamtin oder der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt.

(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann einer Beamtin oder einem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

(4) Zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand kann die Beamtin oder der Beamte nach dem Erwerb der Befähigung für eine neue Laufbahn auch ohne Zustimmung in ein Amt dieser Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt versetzt werden, wenn eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist. Das neue Amt muss derselben Laufbahngruppe zugeordnet sein wie das derzeitige Amt. Für die Übertragung bedarf es keiner Ernennung.

(5) Die Beamtin oder der Beamte, die oder der nicht die Befähigung für eine andere Laufbahn besitzt, ist verpflichtet, an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.

(6) Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit, besteht die Verpflichtung, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten wird, auch beobachten zu lassen.

(7) Gesetzliche Vorschriften, die für einzelne Gruppen von Beamtinnen und Beamten andere Voraussetzungen für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit bestimmen, bleiben unberührt.

(1) Hält die oder der Dienstvorgesetzte die Beamtin oder den Beamten aufgrund eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand für dienstunfähig und ist eine anderweitige Verwendung nicht möglich oder liegen die Voraussetzungen für die begrenzte Dienstfähigkeit nicht vor, teilt sie oder er der Beamtin oder dem Beamten mit, dass die Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt ist. Dabei sind die Gründe für die Versetzung in den Ruhestand anzugeben.

(2) Die Beamtin oder der Beamte kann innerhalb eines Monats Einwendungen erheben. Danach entscheidet die für die Ernennung zuständige Behörde über die Versetzung in den Ruhestand mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die oberste Dienstbehörde kann bestimmen, dass ihre Zustimmung nicht erforderlich ist.

(3) Die Versetzungsverfügung ist der Beamtin oder dem Beamten schriftlich zuzustellen. Sie kann bis zum Beginn des Ruhestands zurückgenommen werden.

(4) Der Ruhestand beginnt mit dem Ende des Monats, in dem die Versetzung in den Ruhestand der Beamtin oder dem Beamten bekannt gegeben worden ist. Zu diesem Zeitpunkt wird die Besoldung einbehalten, die das Ruhegehalt übersteigt.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2006 - 11 K 2753/06 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung auf jeweils 21.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Begehrens, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr bis zur Entscheidung in der Hauptsache - nämlich der Anfechtungsklage gegen ihre Zurruhesetzung - die vollen aktiven Dienstbezüge zu zahlen, ist zulässig, da sie innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht eingelegt und innerhalb der - nicht verlängerbaren - Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden ist, und insoweit, als sie sich unter Darlegung der Beschwerdegründe entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.
Die Beschwerde ist aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Begehren der Antragstellerin als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO auf Zahlung der vollen aktiven Dienstbezüge und nicht als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist. Die (§ 44 Abs. 2 Satz 4 BBG nachgebildete) Regelung des § 55 Satz 3 LBG besagt, dass vom Ablauf des Monats, in dem dem Beamten die nicht auf seinen Antrag erfolgte Versetzung in den Ruhestand mitgeteilt worden ist, bis zu deren Unanfechtbarkeit der Teil der Dienstbezüge einbehalten wird, der die Versorgungsbezüge übersteigt; nach Satz 4 der Vorschrift werden die einbehaltenen Dienstbezüge nachgezahlt, falls die Zurruhesetzung unanfechtbar aufgehoben wird. Die Regelung greift also mit der Mitteilung der Zurruhesetzungsverfügung ein. Unterlässt es der Dienstherr wie im vorliegenden Streitfall, ihre sofortige Vollziehung anzuordnen (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), entfaltet der Widerspruch aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) mit der Folge, dass u.a. der Ruhestand nicht beginnt und der Beamte daher kein Ruhegehalt bekommt, sondern sein Anspruch auf Besoldung bestehen bleibt (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 LBG). Die Regelung über das Einbehalten eines Teils der Besoldung knüpft damit zwar an die Zurruhesetzungsverfügung als Verwaltungsakt (§ 35 LVwVfG) an und nicht mehr an eine Entscheidung ohne Verwaltungsaktsqualität (BVerwG, Urteil vom 27.06.1991, BVerwGE 88, 332), wie es die Fortführungsentscheidung der Vorgängerregelung war (vgl. § 55 Abs. 3 Satz 1 LBG a.F.; ebenso § 44 Abs. 4 Satz 1 BBG a.F.), so dass die ältere Rechtsprechung über die Form des einstweiligen Rechtsschutzes überholt ist (OVG Bremen, Beschluss vom 04.11.1988, NVwZ-RR 1990, 41; Niedersächs. OVG, Beschluss vom 14.02.1992, ZBR 1992, 287; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.05.1992, NVwZ-RR 1993, 315; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.02.2003, ZBR 2004, 327); sie wird auch nicht durch die in § 55 LBG genannte, hier unter dem 21.08.2006 ergangene Mitteilung bewirkt, denn diesem Vorgang fehlt die Rechtswirkung nach außen, weil die Einbehaltung bereits unmittelbar durch das Gesetz angeordnet ist und die Mitteilung hierüber nur einen Hinweis auf die Rechtslage und eine Ankündigung ihrer tatsächlichen kassentechnischen Vollziehung darstellt (so schon zu § 55 Abs. 4 Satz 1 LBG a.F. Beschluss des Senats vom 01.07.1985 - 4 S 979/85 -, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, ES/A 5.5 Nr. 8). Sie stellt gleichwohl keine Regelung über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung i.S. von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO dar (so aber Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., RdNr. 702a; lediglich „im praktischen Ergebnis gleichkommend“: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, § 44 RdNr. 14e). Der gesetzlichen Konzeption des vorläufigen Rechtsschutzes gegen belastende Verwaltungsakte liegt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen aufschiebender Wirkung und sofortiger Vollziehung zugrunde; ihm wird u.a. dadurch Rechnung getragen, dass die Einschränkung „vorgeschrieben“, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung also ausdrücklich und eindeutig geregelt sein muss (Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, S. 1225 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 RdNr. 65; jeweils m.w.N.). Die Einbehaltensregelung entspricht dem schon angesichts ihrer Terminologie nicht; es ist auch keine entsprechende Klarstellung durch den Gesetzeswortlaut erfolgt, so dass nicht angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 55 LBG von der schon zum alten Recht vertretenen Auffassung von der materiellrechtlichen Qualität der Einbehaltensregelung (Beschluss des Senats vom 01.07.1985, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 04.11.1988, a.a.O.) abweichen wollte. Dass das Gesetz im Gegenteil keinen rein verfahrensrechtlichen Zweck verfolgt, sondern eine materiell besoldungsrechtliche Regelung ist, kommt mit aller Deutlichkeit darin zum Ausdruck, dass es nicht, wie es bei einer Aussetzungsregelung geschehen müsste, den sofortigen Übergang auf die Versorgungsbezüge anordnet, sondern den Besoldungsanspruch dem Grunde nach unberührt lässt und nur seine Höhe vorübergehend absenkt. Ein weiterer Hinweis lässt sich schließlich der Zweckbestimmung der Einbehaltensregelung entnehmen. Sie wirkt nicht nur im öffentlichen Interesse dem Anreiz entgegen, Zwangspensionierungen lediglich zum Zwecke verlängerter Zahlung der vollen Dienstbezüge anzugreifen und die Staatskasse von Vorleistungen sowie vom Rückforderungsrisiko zu entlasten (vgl. die Begründungen zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4659 S. 53, und der Landesregierung, LT-Drs. 13/3783 S. 20), sondern sie verhindert auch im Interesse des Beamten für den Fall der Erfolglosigkeit seiner Anfechtung der Zurruhesetzung, dass er der Rückforderung der weitergewährten Bezüge und deren empfindlichen Auswirkungen auf seine Lebensführung und die seiner Familie ausgesetzt ist (so die Bundesregierung, BT-Drs. a.a.O.), was ihn umso härter träfe, als er nicht nur die Absenkung der Bezüge hinnehmen, sondern zusätzlich die Rückforderung bedienen müsste. Die vorläufige Einbehaltung des dem Erstattungsrisiko ausgesetzten Besoldungsanteils ist daher auch Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 98 LBG). Auch dieser sachliche Gehalt der Regelung spricht daher für die Annahme, dass sie nicht primär verfahrensrechtlichen Zwecken dient, sondern dem materiellen Besoldungsrecht angehört (im Ergebnis ebenso: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O. RdNrn. 14e, 17a; Müller/Beck, Das Beamtenrecht in Baden-Württemberg, § 55 RdNr. 12). Für den einstweiligen Rechtsschutz bedeutet dies, dass er, weil er nicht an einen kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt anknüpfen kann, nach § 123 Abs. 5 VwGO in der Form des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu gewähren ist, wenn der Dienstherr nicht nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug der Zurruhesetzungsverfügung angeordnet hat (ebenso Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O.; Müller/Beck, a.a.O.; wohl auch Summer in: Fürst, GKÖD, K § 44 RdNr. 15; unklar und unter Bezugnahme auf Rspr. zur alten Rechtslage: Battis, BBG, 3. Aufl., § 44 RdNr. 10).
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller einerseits die Gründe glaubhaft macht, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund), und dass er andererseits einen Anspruch glaubhaft macht, dessen vorläufiger Sicherung die begehrte Anordnung dienen soll (Anordnungsanspruch). Ob das Verwaltungsgericht den Antrag zu Recht auch wegen Fehlens eines Anordnungsgrunds abgelehnt hat, mag zweifelhaft sein, weil man der Antragstellerin von ihrem Rechtsstandpunkt aus, wonach ihre Anfechtung zum Erfolg führen muss, weil ihre Zurruhesetzung rechtswidrig ist, ein Interesse an der Fortzahlung ihrer vollen Dienstbezüge schwerlich unter Verweis auf eine nur vorübergehende Einschränkung des Lebensstandards und die spätere Nachzahlung der einbehaltenen Bezüge absprechen kann; denn der Zeitraum kann erheblich und die verbleibenden Bezüge können gering sein. Jedoch bedarf die Frage keiner Vertiefung und Entscheidung, weil jedenfalls die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die die Prüfung durch den Senat grundsätzlich beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nicht geeignet sind, die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf den von ihm verneinten Anordnungsanspruch in Frage zu stellen.
Dem Verwaltungsgericht ist beizupflichten, wenn es an den Anordnungsanspruch hohe Anforderungen stellt. Schon im Beschluss vom 01.07.1985, a.a.O. hat der Senat wie erwähnt die Auffassung vertreten, dass die Rechtsfolge der Einbehaltung unmittelbar kraft Gesetzes eintritt. Dies gilt auch für die Regelung in ihrer jetzigen Fassung, denn sie setzt anstelle einer Fortführungsentscheidung lediglich die Existenz einer Zurruhesetzungsverfügung, aber nicht auch die Dienstunfähigkeit selbst voraus. Da sie eine besoldungsrechtliche Regelung darstellt, steht der Antragstellerin ein Zahlungsanspruch schon deshalb nicht zu, weil es an der hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlt. Besoldungsleistungen unterliegen nach § 2 Abs. 1 BBesG, der mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG im Einklang steht, dem Vorbehalt des Gesetzes, sie dürfen also nur zugesprochen werden, wenn und soweit sie gesetzlich vorgesehen sind. Nach alter Rechtslage wurde die Einbehaltensregelung daher teilweise als unmittelbar zwingend angesehen und daher der Rechtsschutz versagt (OVG Bremen, a.a.O.; Niedersächs. OVG, a.a.O.); denn § 2 Abs. 1 BBesG hindert die Gerichte, die zuständige Behörde zu verpflichten, dem Beamten Geldleistungen als Besoldung zu gewähren, für die keine gesetzliche Grundlage vorhanden ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.11.1993 Aktenzeichen - 2 BvR 1587/92 -, Juris). Ob dieser Rechtsprechung zu folgen wäre, die in der Konsequenz bedeuten könnte, dass es für die gesamte Dauer des Verfahrens bis zum Abschluss des Streits über die Zurruhesetzung keinen wirksamen Rechtsschutz gegen die Besoldungsabsenkung gibt, kann offen bleiben. Denn auch nach der Auffassung, nach der der Gesetzgeber dem Beamten den Nachteil grundsätzlich zumutet, die aber im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG Rechtsschutz gewährt, ist dieser auf Ausnahmefälle beschränkt, etwa wenn die Zurruhesetzung rechtsmissbräuchlich oder aus der Luft gegriffen erscheint (OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.; zur neuen Rechtslage Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O. RdNr. 17a: ggf. Anspruch auf vorschussweise Zahlung der nach aller Wahrscheinlichkeit nachzuzahlenden Beträge). Auch danach hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das hat das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt. Die Beschwerdegründe rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Der Antragstellerin kann nicht darin gefolgt werden, dass das amtsärztliche Zeugnis vom 23.09.2005 unbrauchbar sei, weil sie nicht nur wenige Meter laufen könne, sondern trotz ihrer Erkrankung seit mehr als vier Jahren bis in die Gegenwart nur zur Hälfte sitzend, zur anderen Hälfte aber stehend und gehend habe tätig sein können, und dass sie in der Lage sei, ohne Gehhilfe durch das Anstaltsgebäude zu gehen und Treppen zu steigen. Damit setzt sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag, wonach die nur zur Hälfte sitzende Tätigkeit auf Dauer beschwerlich sei, was zu Erschöpfungszuständen und Fehlzeiten geführt habe, und dass zur vollen Erfüllung ihrer Dienstpflichten eine Umgestaltung ihres Arbeitsplatzes notwendig sei (VG-Akte S. 19, 21). Sie erwähnt auch nicht, dass die Krankheit nach ärztlichem Urteil mit erheblicher Stolpergefahr verbunden ist. Nach der Darstellung im Widerspruchsbescheid, die sie soweit ersichtlich nicht bestritten hat, hat sie sich aus diesem Grund bei Stürzen häufig verletzt, was ebenfalls zu Fehlzeiten geführt hat, und sie war letztmals ab 07.08.2006 wegen eines Sturzes im privaten Bereich krankgeschrieben. Insgesamt soll sie in den Jahren seit 2003 jährlich an 122, 104, 86 bzw. 45 (Stand: 20.08.2006) Tagen krankheitsbedingt nicht zum Dienst erschienen sein.
Ohne Erfolg bestreitet die Antragstellerin auch, ihre Leistungen der letzten Jahre seien in dem Ausmaß zurückgegangen, wie es in den zurückliegenden dienstlichen Beurteilungen festgehalten sei. Mit ihren Behauptungen, die angebliche Verschlechterung sei nicht nachvollziehbar, sie sei noch ebenso leistungsfähig wie vor ihrer Erkrankung und es gebe keine mit konkreten Einzelfällen belegten oder aktenmäßig festgehaltenen Fehler oder Beanstandungen, vermag sie eine offensichtliche Unhaltbarkeit der Zurruhesetzung nicht glaubhaft zu machen.
Der Einwand der Antragstellerin, ihr stehe die volle aktive Besoldung zu, weil sie in atypischer Weise weiterhin ihren Dienst leiste, und der auf die Rechtsauffassung hinausläuft, in solchen Fällen sei § 55 Satz 3 LBG nicht anwendbar, setzt sich schon nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, weshalb die Dienstleistung nach Versetzung in den Ruhestand nicht den vollen Besoldungsanspruch verleiht. Abgesehen davon kann von einer Atypik nicht die Rede sein. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zurruhesetzung werden die Umwandlung des Beamtenverhältnisses in das Ruhestandsbeamtenverhältnis und damit auch der Fortfall der Dienstleistungspflicht und des Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.06.2006, ZBR 2006, 344) suspendiert; eine Zwangsbeurlaubung ist nur vorübergehend und unter engen - hier nicht erkennbar gegebenen - Voraussetzungen zulässig (vgl. §§ 78 Abs. 1 LBG, 89 LDO). Grundsätzlich darf der Beamte daher nur mit Genehmigung des Dienstvorgesetzten oder bei Dienstunfähigkeit infolge Krankheit dem Dienst fernbleiben (§ 91 Satz 1 und 2 LBG). Allerdings unterscheidet sich der Begriff der Dienstunfähigkeit nach § 53 Abs. 1 LBG von dem nach § 91 LBG. Der beschließende Senat hat in seinem Urteil vom 10.10.1995     - 4 S 2594/94 -, IÖD 1996, 163 und später entschieden, dass Dienstunfähigkeit i.S. von § 53 Abs. 1 LBG ein beamtenrechtlicher und kein medizinischer Begriff ist. Durch ihn wird eine Beziehung hergestellt zwischen der körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung des Beamten einerseits und den Eigenschaften und Fähigkeiten andererseits, die zu einer mindestens ausreichenden Wahrnehmung der Dienstaufgaben erforderlich sind, die dem Beamten gemäß seiner Laufbahn und seinem Amt im statusrechtlichen Sinne übertragen sind. Sind diese Eigenschaften und Fähigkeiten nicht mehr gegeben, ist der Beamte dienstunfähig. In der Regel wird dieser Zustand mit der Feststellung einer Krankheit oder Krankheitsanlage einhergehen. Jedoch ist dies nicht zwingend. Selbst eine Normabweichung von den Fähigkeiten und Eigenschaften eines Durchschnittsmenschen ist nicht erforderlich, wenn das Amt des Beamten besondere Anforderungen stellt. Letztlich erfasst der Begriff der Dienstunfähigkeit jeden in der Konstitution des Beamten gegründeten Zustand, der ihn außer Stande setzt, seine Dienstpflichten zu erfüllen mit Ausnahme des disziplinarrechtlich zu verfolgenden Falles, dass die Nichterfüllung der Dienstpflichten allein in die freie Willensphäre des Beamten fällt (Abgrenzung zwischen nicht wollen und nicht können). Hieraus folgt ferner, dass im Hinblick auf die Feststellung von Krankheiten oder erheblichen Normabweichungen im psychologischen Sinne der ärztliche oder psychologische Befund nicht allein ausschlaggebend sein muss, sondern dass auch insoweit die dienstlichen Anforderungen und die Auswirkungen der dem Beamten noch möglichen Dienstleistung auf den Dienstbetrieb zu berücksichtigen sind. Diese Definition entspricht ihrerseits der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 25.10.1988, Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 17; Urteil vom 16.10.1997, BVerwGE 105, 267). An diesem Dienstunfähigkeitsbegriff hat sich auch durch die Neufassung des § 53 Abs. 1 Satz 1 LBG durch Art. 1 des Gesetzes vom 03.05.2005 (GBl. S. 321) nichts geändert; damit wurde das Beamtenrecht des Landes an § 26 Abs. 1 Satz 1 BRRG angeglichen und dem Regelungsgehalt sprachlich eine zeitgemäße Formulierung gegeben (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., § 42 RdNr. 1). Nach alledem bedeutet der Befund des Dienstherrn, ein Beamter sei dauernd dienstunfähig, nicht zugleich zwingend, dass dieser zu überhaupt keiner Dienstleistung mehr in der Lage und daher auch nicht verpflichtet wäre, dienstliche Aufgaben zu erfüllen, vielmehr hängt dies von den jeweiligen Umständen ab. Im Fall der Antragstellerin ist nicht zweifelhaft, dass sie an einer Muskelerkrankung leidet, die ihre uneingeschränkte Verwendung als Justizvollzugsbeamtin auf Dauer nicht zulässt, dass sie aber auf einem eigens nach ihren Bedürfnissen eingerichteten, behindertengerechten Arbeitsplatz eingesetzt werden könnte. Aus medizinischer Sicht des Amtsarztes kann sie ganztägig Dienst tun, jedoch nur sitzend; auch der Antragsgegner hält sie nicht schon allein wegen ihrer Erkrankung für dienstunfähig, sondern wegen Mangels an einem geeigneten Dienstposten und zusätzlich wegen ungenügender Leistungen. Dass sie bei dieser Sachlage - und offenbar auf eigenen Wunsch, da sie sich für voll dienstfähig hält - weiterhin, wenn auch nach Meinung des Antragsgegners unzulänglich, Dienst tut, entspricht somit der Rechtslage und bietet deshalb keinen Ansatzpunkt, sie von der Einbehaltensregelung auszunehmen.
10 
Soweit sie geltend macht, die behauptete Rechtsfolge ergebe sich bereits nach den Grundsätzen über den faktischen Arbeitsvertrag, der ungerechtfertigten Bereicherung und aus Billigkeitsgesichtspunkten, setzt sie sich nicht wie prozessrechtlich erforderlich mit den einschlägigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander. Abgesehen davon ist diese Rechtsauffassung auch in der Sache offenkundig nicht tragfähig.
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren und die Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruhen auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Antrag ist darauf gerichtet, die Antragstellerin von der in § 55 Satz 3 LBG vorgesehenen Absenkung auszunehmen und die aktiven Dienstbezüge bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung in voller Höhe und unter Ausschluss einer späteren Rückzahlungsverpflichtung weiter gewähren zu lassen. Einschlägig ist damit - anders als in dem mit Beschluss des Senats vom 20.02.2004 - 4 S 2381/03 -, NVwZ-RR 2004, 619 entschiedenen Fall - die in Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. ergangene und auch für § 52 Abs. 1 GKG n.F. einschlägige Streitwertrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den als Teilstatus bezeichneten Rechtspositionen, deren Wert in der Höhe des pauschalierten Zweijahresbetrages der Differenz zwischen dem Teilstatus, den der Beamte innehat, und dem Teilstatus, den er erstrebt, bemessen wird. Zu diesen als Teilstatus zu verstehenden Rechtspositionen gehören etwa Ansprüche auf erhöhtes Unfallruhegehalt oder auf Unfallausgleich, auf eine sonstige erhöhte Versorgung, Besoldung oder auf Anrechnungs- und Ruhensbeträge. Voraussetzung ist, dass der Streit um die Frage geführt wird, ob der Beamte dem Grunde nach Anspruch auf die begehrte Zahlung hat (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 13.09.1999, NVwZ-RR 2000, 188; Beschluss vom 07.04.2005 - 2 KSt 1.05 -, Juris; Senatsbeschluss vom 08.03.2006 - 4 S 1566/05 -; Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004, 1327, Nr. 10.4). In derartigen Fällen sind die Berechnungsregeln des § 42 GKG nicht anwendbar. Einen solchen Anspruch auf eine dem Grunde nach höhere Besoldung macht die Klägerin geltend, indem sie den Rechtsstandpunkt vertritt, auf Beamte, die während des Streits über die Zurruhesetzung weiter Dienst tun, sei die Einbehaltensregelung des § 55 Satz 3 LBG nicht anwendbar. Allerdings erscheint ein Zweijahreszeitraum hier überhöht. Der Senat hält auf der Grundlage des ihm in § 52 Abs. 1 GKG eingeräumten Ermessens bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses stattdessen einen Einjahreszeitraum für angemessen, weil die begehrte Nichtanwendung von vornherein auf die Dauer des Rechtsstreits über die Zurruhesetzung beschränkt ist, die nicht zuverlässig bestimmt werden kann, aber andererseits auch nicht typischerweise zwei Jahre oder mehr beträgt. Ausgehend vom Antrag und den Angaben der Antragstellerin (vgl. § 61 GKG) ergibt sich ein Wert von 21.000 EUR (abgerundete Differenz zwischen den begehrten monatlichen Bezügen in Höhe von monatlich 2.873,19 EUR und den nach Einbehaltung verbleibenden Bezügen von 39 % hieraus = 1.120,54 EUR x 12, wobei davon ausgegangen wird, dass der angegebene Bezug die monatliche Sonderzahlung einschließt). Da der Antrag auf die Vorwegnahme einer Entscheidung in der Sache gerichtet ist, erscheint es nicht gerechtfertigt, den Streitwert lediglich mit der Hälfte des für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anzunehmenden Werts anzusetzen (vgl. Streitwertkatalog Nr. 1.5).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.