Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 04. Juli 2014 - 9 K 2066/12
Gericht
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30. August 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU zu erteilen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die (rückwirkende) Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern.
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Der Kläger wurde am 10. Januar 1996 in Ecuador geboren und ist ecuadorianischer Staatsangehöriger. Seine Mutter … ist ebenfalls ecuadorianische Staatsangehörige und hat ein weiteres Kind, den Halbbruder des Klägers, der 2007 geboren wurde und spanischer Staatsangehöriger ist. Die Mutter des Klägers reiste mit ihrem Ehemann - dem Stiefvater des Klägers - und dem Halbbruder des Klägers am 15. März 2009 ins Bundesgebiet ein. Am 8. Juni 2009 beantragten der Halbbruder, die Mutter und der Stiefvater des Klägers die Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Abs. 1 FreizügG/EU a.F. (Halbbruder) bzw. einer Aufenthaltskarte gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU a.F. (Mutter und Stiefvater). Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 ab, da keine ausreichenden Existenzmittel und kein ausreichender Krankenversicherungsschutz vorlägen. Dagegen legten der Halbbruder, die Mutter und der Stiefvater des Klägers im Dezember 2009 Widerspruch ein. Mit Vergleich vom 12. Mai 2010 erteilte die Beklagte die beantragte Aufenthaltsbescheinigung sowie die beantragten Aufenthaltskarten und der Widerspruch wurde zurückgenommen.
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Der Kläger reiste im Februar 2011 mit einem Schengen-Besuchsvisum in das Bundesgebiet ein und stellte am 13. April 2011 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 2 FreizügG/EU a.F. Zur Begründung trug er vor, dass er mit seinem spanischen Halbbruder, seiner Mutter und seinem Stiefvater in einer häuslichen Gemeinschaft lebe. Die Mutter übe das alleinige Sorgerecht aus. Der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltskarte folge aus dem Unionsrecht bzw. in Auslegung und Anwendung des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FreizügG/EU. Eine Verweigerung des Aufenthaltsrechts für den Kläger würde zur Folge haben, dass seine Mutter gezwungen werde, das Unionsgebiet zu verlassen. Dies wäre europarechtswidrig. Dem Antrag hatte der Kläger eine Übersetzung u.a. der Sorgerechtsübertragung des Kinder- und Jugendgerichts in Ecuador vom 27. Januar 2011 beigefügt. Daraus ergibt sich, dass das Sorgerecht von dem in Ecuador lebenden Vater auf die in Deutschland lebende Mutter des Klägers übertragen werde, um dem Kläger die besseren Lebensbedingungen in Deutschland in wirtschaftlicher Hinsicht zu ermöglichen und weil der Kläger auf diese Weise seine Ausbildung verwirklichen könne. Weiterhin solle dem Kläger ermöglicht werden, alle Sozialleistungen, die ihm in Deutschland zustünden, zu erhalten.
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Mit Bescheid vom 30. August 2011 lehnte die Beklagte die Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU sowie einen Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger als Halbbruder eines spanischen Staatsangehörigen nicht zu den vom Freizügigkeitsgesetz begünstigten Familienangehörigen von Unionsbürgern zähle und daher kein Aufenthaltsrecht ableiten könne. Auch die Einreise ohne das entsprechende Visum in das Bundesgebiet (§ 2 Abs. 4 FreizügG/EU), stehe einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltskarte entgegen. Eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz könne nicht erteilt werden, da die Voraussetzungen nach § 5 AufenthG nicht erfüllt seien.
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Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug ergänzend vor, dass ein fehlendes Visum nicht zur Verweigerung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts führen dürfe. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe nämlich entschieden, dass die Mitgliedstaaten keine Regelungsbefugnis hätte, um den Nachzug von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen zu regeln. Er sei Bruder eines spanischen Kindes und habe die gleiche Mutter wie dieser. Er falle damit unter den Familienbegriff des Art. 8 EMRK, Art. 7 Grundrechtscharta und Art. 6 Abs. 1 EUV. Selbst wenn der Kläger nicht unter den Familienangehörigenbegriff falle, bestehe dennoch ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht. Denn der EuGH habe neben dem Anwendungsbereich der Freizügigkeitsrichtlinie weitere aufenthaltsrechtliche Konstellationen anerkannt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte ergänzend aus, dass auch die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 (Freizügigkeitsrichtlinie) zur erleichterten Gewährung von Aufenthaltstiteln für nicht freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige nicht erfüllt seien. Darüber hinaus habe der Kläger keine ausreichenden Existenzmittel nachgewiesen. Die Mutter als einzige nach dem Aufenthaltsgesetz Unterhaltsverpflichtete in Deutschland habe derzeit keine Einkünfte. Der Stiefvater des Klägers sei ihm gegenüber nicht unterhaltspflichtig, so dass dessen Einkünfte nicht zur Existenzsicherung des Klägers herangezogen werden könnten. Weiterhin liege kein außergewöhnlicher Härtefall i.S.d. § 36 Abs. 2 AufenthG vor. Weder die Mutter noch der Halbbruder seien auf die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet angewiesen. Dieser habe bis zu seiner Einreise bei seinem leiblichen Vater in Ecuador gelebt und sei dort aufgewachsen und sozialisiert worden. Die Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter sei offensichtlich allein aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt. Demnach könne das Sorgerecht jederzeit wieder auf den Vater rückübertragen werden, wenn der Kläger in sein Heimatland zurückkehre.
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Dagegen hat der Kläger am 13. August 2012 Klage erhoben. Zur Begründung führt er ergänzend aus, dass die Übertragung des Sorgerechts eine höchstpersönliche Entscheidung sei, die sich am Kindeswohl und nicht am Willen der Beklagten zu orientieren habe. Des Weiteren gehöre der Stiefvater zur Bedarfsgemeinschaft, so dass sein Einkommen zwingend zu berücksichtigen sei. In Bezug auf den Begriff der Familienangehörigen, sei zu berücksichtigten, dass die Europäische Kommission von einer fehlerhaften bzw. nicht erfolgten Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie durch die deutsche Rechtslage ausgehe. So sei kein Verfahren zur Erleichterung von Einreise und Aufenthalt für Angehörige des erweiterten Familienkreises eines EU-Bürgers eingeführt worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Begriff des Familienangehörigen in § 3 Abs. 2 FreizügG/EU weitergehe, als die Freizügigkeitsrichtlinie. In § 3 Abs. 2 FreizügG/EU sei nur von Verwandten in auf- und absteigender Linie, jedoch nicht von Verwandten in „gerader“ Linie die Rede. Günstigere einzelstaatliche Rechtsvorschriften in Bezug auf die Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie seien den Mitgliedstaaten unbenommen.
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Der Kläger beantragt,
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die Verfügung vom 30. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 2 FreizügG/EU rückwirkend ab Zeitpunkt der Antragstellung vom 13. April 2011 auszustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt sie ergänzend aus, dass die sozialrechtliche Anrechnung des Einkommens im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft keinen Einfluss auf die Berechnung der Lebensunterhaltssicherung nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Freizügigkeitsgesetz habe. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU sei nicht anwendbar, da der Kläger kein Familienangehöriger eines Unionsbürgers i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 FreizügG/EU sei. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU sei keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern eine Legaldefinition. Auch habe die Mutter des Klägers kein Daueraufenthaltsrecht erworben, da bis zum 1. Juni 2010 weder ausreichende Existenzmittel noch ausreichender Krankenversicherungsschutz nachgewiesen worden seien. Da der Stiefvater des Klägers seit 2011 selbständig tätig sei, bestünden auch Zweifel an einem Fortbestand des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes.
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Der Kläger hat mit der Klagschrift vom 13. August 2012 und die Beklagte mit Schreiben vom 24. August 2012 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer erteilt. In der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2014 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Sachakten der Beklagten, die das Gericht beigezogen hat und die bei der Entscheidung im schriftlichen Verfahren vorlagen, sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Im jeweiligen Einverständnis der Beteiligten durfte der Berichterstatter anstelle der Kammer (vgl. § 87a Abs. 2 und 3 VwGO) im schriftlichen Verfahren (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO) entscheiden.
II.
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Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger hat im bei der Verpflichtungsklage maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt - vorliegend dem Zeitpunkt der Entscheidung im schriftlichen Verfahren - einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU (1.). Hingegen besteht kein Anspruch auf eine rückwirkende Ausstellung ab dem 13. April 2011 (2.).
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1. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU wird freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, von Amts wegen innerhalb von sechs Monaten, nachdem sie die erforderlichen Angaben gemacht haben, eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern ausgestellt, die fünf Jahre gültig sein soll.
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Diese Voraussetzungen sind seit dem 8. Juni 2014 gegeben, da der Kläger seit diesem Zeitpunkt als freizügigkeitsberechtigter Familienangehöriger anzusehen ist. Zwar scheidet eine unmittelbare Anwendung des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU aus [a)]. Jedoch ist § 3 Abs. 1 FreizügG/EU analog auf den Fall des Klägers, nämlich den Familiennachzug zu daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, die mit einem daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürger zusammenleben, anzuwenden [b)]. Die übrigen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU liegen vor [c)].
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a) § 3 Abs. 1 FreizügG/EU ist nicht unmittelbar auf den Kläger anwendbar. Nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürger das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, also das Recht der Freizügigkeit, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU sind Familienangehörige u.a. die Verwandten in absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen oder ihrer Ehegatten, die noch nicht 21 Jahre alt sind. Nach Nr. 2 sind Familienangehörige u.a. die Verwandten in aufsteigender und in absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren. Der Kläger ist kein Familienangehöriger i.S.d. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU seines spanischen Halbbruders, der gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU als nichterwerbstätiger Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt ist. § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FreizügG/EU greifen nicht ein, denn Brüder sind nicht in auf- und absteigender Linie miteinander verwandt.
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Zwar ist der Kläger gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU ein Familienangehöriger eines Daueraufenthaltsberechtigten, da seine Mutter ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU erworben hat [siehe unten b)]. Jedoch sind Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU genannten Daueraufenthaltsberechtigten von dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU nicht erfasst (vgl. 4a.0.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministerium des Innern zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26. Oktober 2009 - Verwaltungsvorschrift FreizügG/EU; Hailbronner, AuslR, Stand: April 2013, § 3 FreizügG/EU, Rn. 16).
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b) Der Kläger ist ein Familienangehöriger eines daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen eines daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgers, der mit diesem in familiärer Lebensgemeinschaft zusammenlebt [aa)]. Auf diesen Sachverhalt ist § 3 Abs. 1 FreizügG/EU analog anzuwenden [bb)].
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aa) Der achtzehnjährige Kläger ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU ein Familienangehöriger i.S.d. Freizügigkeitsgesetzes/EU. Er ist nämlich in absteigender Linie mit seiner Mutter, die eine in § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU genannte Person ist, da sie ein Daueraufenthaltsrecht erworben hat, verwandt. Die Mutter des Klägers (wie auch der Stiefvater des Klägers und gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU der Halbbruder des Klägers) hat ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU erworben. Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU haben Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, ein Daueraufenthaltsrecht, wenn sie sich seit fünf Jahren mit dem Unionsbürger ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben.
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Das Entstehen eines Rechts auf Daueraufenthalt setzt unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hat (BVerwG, Urt. v. 31.5.2012, 10 C 8/12, juris, Rn. 16). Bei der Berechnung des fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts kommt es auf die materielle Rechtslage und nicht auf den Zeitpunkt der Ausstellung der Aufenthaltskarte an, da diese lediglich deklaratorische Bedeutung hat (Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., 2013, § 4a, Rn. 15; Epe in: GK-AufenthG, Band VII, Stand: Juli 2013, IX, § 4a FreizügG/EU, Rn. 13). Das Recht auf Einreise und Aufenthalt ist von der Erteilung eines nationalstaatlichen Aufenthaltstitels nämlich nicht abhängig (vgl. bereits zu den Vorgängerrichtlinien 68/360/EWG und 73/148/EWG: EuGH, Urt. v. 25.7.2002, C-459/99 - MRAX, juris).
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Die Mutter des Klägers hat als Familienangehörige des spanischen Halbbruders des Klägers [(1)] seit dem 8. Juni 2009 ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des § 4 FreizügG bzw. des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt [(2)]. Daran ändert auch die Rücknahme des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2009 im Rahmen des Vergleichs vom 12. Mai 2010 nichts [(3)].
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(1) Die Mutter des Klägers ist als Personensorgeberechtigte für den spanischen Halbbruder des Klägers, der ein nicht erwerbstätiger Unionsbürger ist (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU), in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU als Familienangehörige im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU anzusehen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 22.3.2010, 11 S 1626/08, juris, Rn. 34 ff.; Epe in: GK-AufenthG, Band VII, Stand: Juli 2013, IX, § 3 FreizügG/EU, Rn. 33).
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(2) Seit dem 8. Juni 2009 waren die Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU (hinsichtlich der Mutter und des Stiefvaters des Klägers i.V.m. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU), der zur Umsetzung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erlassen wurde, für die Mutter den Stiefvater und den Halbbruder des Klägers gegeben. Nach § 4 FreizügG/EU bzw. Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2004/38/EG haben nicht erwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Dabei bestehen die Freizügigkeitsvoraussetzungen (Lebensunterhaltssicherung und Krankenversicherungsschutz) schon dann, wenn sie erst durch die geplante Aufnahme einer Arbeit erfüllt werden (VG München, Urt. v. 27.9.2007, M 10 K 06.1564, juris, Rn. 22). Dieser Rechtsauffassung hat sich die Beklagte angeschlossen (S. 4 der Fachanweisung Nr. 2/2013 zum Freizügigkeitsrecht). Bei der Frage, ob ausreichende Existenzmittel gegeben sind, ist die Herkunft der Mittel zur Lebensunterhaltssicherung unerheblich (Epe in GK-AufenthG, Band VII, Stand: Juli 2013, IX, § 4 FreizügG, Rn. 21; vgl. zur Auslegung der insoweit vergleichbaren Regelung in der Richtlinie 90/364/EWG: EuGH, Urt. v. 19.10.2004, C-200/02 - Chen, juris Rn. 30). Es ist eine ausländerbehördliche Prognose anzustellen, ob voraussichtlich keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedsstaats in Anspruch genommen werden müssen (vgl. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG; VG München, Urt. v. 27.9.2007, M 10 K 06.1564, juris, Rn. 20). Solange keine Sozialhilfe bezogen wird, ist davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt gesichert ist (Epe in GK-AufenthG, Band VII, Stand: Juli 2013, IX, § 4 FreizügG, Rn. 22; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: April 2013, § 4 FreizügG/EU, Rn. 16).
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Gemessen an diesem Maßstab haben die Mutter, der Stiefvater und der Halbbruder des Klägers seit dem 8. Juni 2009 über ausreichende Existenzmittel [(a)] und ausreichenden Krankenversicherungsschutz [(b)] verfügt.
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(a) Nach eigenen, von der Beklagten nicht bestrittenen Angaben, an denen auch sonst keine Zweifel bestehen, haben die Mutter und der Stiefvater des Klägers den Lebensunterhalt für sich und den spanischen Halbbruder des Klägers zunächst aus eigenen Ersparnissen bestritten. Dies ist ausreichend, da nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Herkunft der Mittel zur Existenzsicherung unerheblich ist. Ab dem 31. März 2009 hatte der Stiefvater des Klägers ein konkretes Arbeitsangebot für eine sozialversicherungspflichtige Anstellung mit einem Bruttolohn von 1500,-- Euro (S. 12 der Ausländerakte des Stiefvaters des Klägers) und ab dem 2. April 2009 hatten die Mutter und der Stiefvater des Klägers zusätzlich jeweils ein Angebot für einen Minijob (S. 13 f. der Ausländerakte des Stiefvaters). Zwar enthielten die Arbeitsangebote für die Minijobs noch keine genauen Angaben zur Höhe des zu erwartenden Arbeitslohns. Jedoch hätten die beiden zusätzlichen Minijobangebote bei der Unterhaltsberechnung - ohne Hinweis darauf, dass die Beklagte insoweit von einer fehlenden Substantiierung ausgeht - bei der Prognoseentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Insoweit erweist sich schon die in Ausländerakte des Stiefvaters enthaltene Berechnung der Lebensunterhaltssicherung (S. 40) als fehlerhaft.
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Unabhängig davon ist ausschlaggebend für das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel die Tatsache, dass die Mutter und der Stiefvater des Klägers nach den Auskünften des Sozialen Dienstleistungszentrums des Bezirksamts … vom 20. März 2014 und des Jobcenter team.arbeit.hamburg vom 25. März 2014 zu keinem Zeitpunkt während ihres bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet seit dem 15. März 2009 Sozialleistungen (weder nach dem SGB II noch nach dem SGB XII) in Anspruch genommen haben, so dass von ausreichenden Existenzmitteln seit der Einreise auszugehen ist.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde die Vermutung ausreichender Existenzmittel aufgrund der Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen für den Zeitraum seit der Einreise ins Bundesgebiet am 15. März 2009 bis zur Vorlage der Arbeitsangebote am 8. Juni 2009 auch nicht dadurch erschüttert, dass ausreichende Existenzmittel erst durch die Arbeitsaufnahme der Mutter und des Stiefvaters erwirtschaftet werden sollten. Denn diese Behauptung ist unzutreffend. Wie bereits ausgeführt, gaben die Mutter und der Stiefvater des Klägers bei ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte am 8. Juni 2009 an, dass der Lebensunterhalt seit der Einreise durch Ersparnisse gesichert werde (S. 4 der Ausländerakte der Mutter des Klägers und S. 5 der Ausländerakte des Stiefvaters des Klägers). Diese Angabe hat die Beklagte weder bestritten, noch bestehen sonst Zweifel an ihnen. Andere Gründe, die die Vermutung ausreichender Existenzmittel bei Nichtinanspruchnahme öffentlicher Leistungen hätten erschüttern können, hat die Beklagte nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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(b) Die Mutter und der Stiefvater des Klägers haben durch Vorlage ihrer damals gültigen spanischen Krankenversicherungskarten mit dem am 8. Juni 2009 per Fax vorab übersandten Schreiben einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz nachgewiesen. Zwar konnte der Halbbruder des Klägers diesen Schutz nicht durch Vorlage der lediglich bis zum Dezember 2008 gültigen - also zum Zeitpunkt der Vorlage bei der Beklagten abgelaufenen - spanischen Krankenversicherungskarte nachweisen. Jedoch haben die Mutter, der Stiefvater und der Halbbruder des Klägers durch die Vorlage des konkreten Angebots einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Stiefvaters des Klägers am 8. Juni 2009 (vgl. S. 12 der Ausländerakte des Stiefvaters des Klägers) einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz nachgewiesen. Denn die die Familienversicherung von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten führt zu einer ausreichenden Krankenversicherung auch der Mutter (Ehefrau des Stiefvaters) und des Halbbruders (Sohn des Stiefvaters) des Klägers. Dieser Krankenversicherungsschutz wurde auch nicht durch den Beginn der selbstständigen Tätigkeit des Stiefvaters des Klägers im Jahre 2011 unterbrochen. Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 hat die Krankenkasse der Familie des Klägers mitgeteilt, dass der spanische Halbbruder des Klägers seit dem 1. Juli 2010 sowohl in der Kranken- als auch in der Pflegeversicherung ununterbrochen familienversichert ist.
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(3) An dem Vorliegen ausreichender Existenzmittel und eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ändert auch die Rücknahme des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2009 im Rahmen des Vergleichs vom 12. Mai 2010 nichts.
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Zwar führt die Rücknahme eines Rechtsbehelfs gegen einen feststellenden Verwaltungsakt grundsätzlich zur Bestandskraft des Verwaltungsakts und damit der in ihm enthaltenen Feststellung. Die Rücknahme des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2009, mit dem die Beklagte das Nichtbestehen der Freizügigkeitsberechtigung festgestellt hat, steht aber aus zwei - unabhängig voneinander die Entscheidung tragenden - Gründen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Halbbruders, der Mutter und des Stiefvaters des Klägers nicht entgegen. Zum einen kommt es bei der Berechnung des fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts entscheidend auf die materielle Rechtslage an (Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., 2013, § 4a, Rn. 15; Epe in GK-AufenthG, Band VII, Stand: Juli 2013, IX, § 4a FreizügG/EU, Rn. 13). Die Feststellung, dass die Freizügigkeitsberechtigung nicht besteht, war aber rechtswidrig, da seit dem 8. Juni 2009 die Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU in Form ausreichender Existenzmittel und ausreichendem Krankenversicherungsschutz vorlagen [s.o. (2)]. Bei materiell-rechtlicher Betrachtung hielten sich der Halbbruder, die Mutter und der Stiefvater des Klägers seit dem 8. Juni 2009 als Freizügigkeitsberechtigte und damit rechtmäßig i.S.d. § 4a Abs. 1 FreizügG/EU im Bundesgebiet auf.
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Zum anderen ist die Feststellung des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nicht bestandskräftig geworden. Denn im Rahmen des Vergleichs vom 12. Mai 2010 kam es gleichzeitig zur Rücknahme des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2009 und zur Ausstellung der Freizügigkeitsbescheinigung für den Halbbruder und der Aufenthaltskarten für die Mutter und den Stiefvater des Klägers (vgl. S. 66 f. der Ausländerakte des Stiefvaters des Klägers). Damit hat die Beklagte selbst zum Ausdruck gebracht, dass der Bescheid vom 11. Dezember 2009 keine Wirkungen mehr entfaltet. Denn wäre der Bescheid wirksam geblieben, wäre die Beklagte aufgrund von § 11 Abs. 2 FreizügG/EU gehindert gewesen, in dem Vergleich aufgrund des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 FreizügG/EU (in der damals gültigen Fassung) eine Freizügigkeitsbescheinigung bzw. Aufenthaltskarten für Familienangehörige auszustellen. Bei einer wirksamen Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeitsberechtigung findet nämlich nach § 11 Abs. 2 FreizügG/EU nicht mehr das Freizügigkeitsgesetz/EU, sondern das Aufenthaltsgesetz Anwendung. Vor diesem Hintergrund ist - angesichts der Verpflichtung der Beklagten zu rechtmäßigem Verhalten (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) - davon auszugehen, dass sie mit der Ausstellung der Freizügigkeitsbescheinigung und der Aufenthaltskarte den rechtswidrigen Bescheid vom 11. Dezember 2009 konkludent zurückgenommen hat. Zwar kann die konkludente Rücknahme gemäß § 48 HmbVwVfG mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit erfolgen. Da es sich um einen belastenden, rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, ist - wiederum angesichts der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz, in diesem Fall an die materiellen Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes/EU - von einer konkludenten Rücknahme mit Wirkung ex-tunc auszugehen. Zwar ist bei der Rücknahme eines belastenden Verwaltungsakts grundsätzlich die Rücknahme sowohl ex tunc als auch ex nunc möglich (Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., 2014, § 48, Rn. 105). Jedoch hätte die Beklagte angesichts der belastenden Wirkung des rechtswidrigen Bescheids vom 11. Dezember 2009 zu erkennen geben müssen, welche Erwägungen gegen die rückwirkende Aufhebung spricht und welches Interesse an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Bescheids für die Vergangenheit besteht. Dies hat sie aber nicht getan, so dass von einem Überwiegen des Interesses an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände auch für die Vergangenheit auszugehen ist.
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bb) Nach Auffassung des Gerichts ist § 3 Abs. 1 FreizügG/EU im Lichte des Freizügigkeitsrechts der Daueraufenthaltsberechtigten gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU analog auf den Familiennachzug zu daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, die mit einem daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürger zusammenleben, anzuwenden. Die Voraussetzungen eines Analogieschlusses sind erfüllt.
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Eine Analogie setzt als gesetzesimmanente richterliche Rechtsfortbildung eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbarere Sach- und Interessenlage zu den Sachverhalten, die von der analog anzuwendenden Regelung erfasst werden, voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.4.2014, 5 C 40/12, juris, Rn. 21; Urt. v. 12.9.2013, 5 C 35/12, juris, Rn. 27). Hat der Gesetzgeber hingegen eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen (BVerwG, Urt. v. 12.9.2013, a.a.O.). Ob eine Regelungslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den Vorschriften des Gesetzes tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut des Gesetzes nicht alle Fälle erfasst, die nach deren Sinn und Zweck erfasst sein sollten (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.4.2014, a.a.O; Urt. v. 12.9.2013, a.a.O.).
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Diese Voraussetzungen liegen vor. Eine Regelungslücke ist gegeben. Der Familiennachzug zu Daueraufenthaltsberechtigten i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU ist im Freizügigkeitsgesetz/EU nicht geregelt (vgl. 4a.0.2 Verwaltungsvorschrift FreizügG/EU). Dies dürfte darauf beruhen, dass auch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38EG den Familiennachzug zu Daueraufenthaltsberechtigten nicht regelt.
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Diese Regelungslücke ist auch planwidrig und im Vergleich zu den Fallgruppen der Freizügigkeitsberechtigten nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 FreizügG/EU, zu denen ein Familiennachzug gemäß des Wortlauts des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU vorgesehen ist, besteht eine vergleichbarere Sach- und Interessenlage.
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Für den Fall des Familiennachzugs zu daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU ist dies allgemein anerkannt und es wird insoweit eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU befürwortet (vgl. Punkt 4a.0.2 der Verwaltungsvorschrift Freizügigkeitsgesetz/EU; Epe in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2013, § 3 FreizügG/EU, Rn. 45; Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., 2013, § 4a FreizügG/EU, Rn. 27). Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU abschließend sein soll und bewusst der Familiennachzug zu Daueraufenthaltsberechtigten i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU ausgeschlossen werden sollte, sind nicht ersichtlich. In der Gesetzesbegründung anlässlich der Aufnahme des Daueraufenthaltsrechts in das Freizügigkeitsgesetz/EU im Jahre 2008 heißt es zum neu gefassten § 3 Abs. 1 FreizügG/EU (BT-Drs. 16/5065, S. 209): „Die Neufassung passt Absatz 1 an Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe d der Freizügigkeitsrichtlinie an und berücksichtigt die Änderung in § 2 Abs. 2 […] und die Streichung des § 4 Satz 2 […].“ Zum geänderten § 3 Abs. 2 FreizügG/EU wird lediglich ausgeführt, dass es sich um Folgeänderungen handelt (BT-Drs. 16/5065, S. 209). Die Frage, ob auch Familienangehörige von Daueraufenthaltsberechtigten i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU ein Nachzugsrecht erhalten sollen, wird in der Gesetzesbegründung nicht erörtert. In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU heißt es unter Punkt 4a.0.2: „Es fehlt jedoch eine Regelung über den Erwerb eines Aufenthaltsrechts, wenn der Unionsbürger, zu dem der Nachzug erfolgen soll, bereits ein Daueraufenthaltsrecht erlangt hat, der Familienangehörige die Voraussetzungen für den Daueraufenthalt selbst aber noch nicht erfüllt. Da Familienangehörige von freizügigkeitsberechtigten, aber noch nicht daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern ein Aufenthaltsrecht haben, muss dies erst recht für Familienangehörige von daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern gelten. Letztere haben eine stärkere aufenthaltsrechtliche Position als 'gewöhnlich' freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung entsprechender Fälle ist das Freizügigkeitsrecht, das der Daueraufenthaltsberechtigte derzeit innehat.“
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Nach Ansicht des Gerichts ist diese Wertung auf den Familiennachzug zu daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, die mit einem daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürger zusammenleben, zu übertragen, so dass auch insoweit die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU gegeben sind.
- 41
Dem steht nicht entgegen, dass in Art. 12 Abs. 2 Satz 4 und Art. 13 Abs. 2 Satz 4 der Richtlinie 2004/38/EG für den Fall des Todes des Unionsbürgers bzw. für den Fall der Scheidung vom Unionsbürger die betreffenden Familienangehörigen ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich auf persönlicher Grundlage behalten (so aber wohl Hailbronner, AuslR, Stand: April 2013, § 3 FreizügG/EU, Rn. 16). Hailbronner führt selbst einschränkend aus: „Mit Ausnahme der Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben, gibt es keinen 'Kettennachzugsanspruch' von Familienangehörigen zu freizügigkeitsberechtigten Familienmitgliedern.“ (Hailbronner, AuslR, a.a.O.). Dies deutet daraufhin, dass auch nach Auffassung von Hailbronner ein Familiennachzug zu daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU nicht ausgeschlossen ist. Darüber hinaus ist der Hinweis auf Art. 12 Abs. 2 Satz 4 und Art. 13 Abs. 2 Satz 4 der Richtlinie 2004/38/EG für den vorliegenden Fall unergiebig, da sich diese Normen nur auf das „gewöhnliche“ Aufenthaltsrecht aber nicht auf das Daueraufenthaltsrecht von Familienangehörigen beziehen.
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Gegen eine Übertragung der Wertung spricht auch nicht, dass sich daueraufenthaltsberechtigte Unionsbürger und daueraufenthaltsberechtigte Familienangehörige von Unionsbürgern hinsichtlich des Status der Unionsbürgerschaft voneinander unterscheiden. Denn hinsichtlich des Rechts auf Freizügigkeit, welches das einzige der in Art. 20 Abs. 2 AEUV genannten Rechte der Unionsbürger ist, das in der Freizügigkeitsrichtlinie geregelt wird, sind die daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen von Unionsbürgern den daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern durch Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG vollkommen gleich gestellt. Das Daueraufenthaltsrecht von Familienangehörigen nach § 4a Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU ist wie das Daueraufenthaltsrecht von Unionsbürgern nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU an keine weiteren Bedingungen geknüpft. Es erlischt auch nicht bei Tod des Unionsbürgers oder bei einer Scheidung des drittstaatsangehörigen Daueraufenthaltsberechtigten vom Unionsbürger (vgl. Epe in GK-AufenthG, Band VII, Stand: Juli 2013, IX, § 4a FreizügG/EU, Rn. 18). Aufgrund dieser Interessensgleichheit von daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen und daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern ist kein Grund ersichtlich, weshalb in Bezug auf den Familiennachzug zwischen beiden Fallgruppen unterschieden werden sollte. Sowohl die daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen als auch die daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern sind auf die Möglichkeit des Familiennachzugs angewiesen, um ihr Freizügigkeitsrecht effektiv ausüben zu können.
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Für eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU auf den Familiennachzug zu daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, die mit einem daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürger zusammenleben, spricht schließlich der Sinn und Zweck der Freizügigkeitsrichtlinie, zu deren Umsetzung das Freizügigkeitsgesetz/EU erlassen wurde. Gemäß Abschnitt 6 der Präambel der Freizügigkeitsrichtlinie ist die Wahrung der Einheit der Familie ein wichtiges Ziel der Richtlinie. Nach Abschnitt 17 der Präambel der Richtlinie verstärkt das Recht auf Daueraufenthalt das Gefühl der Unionsbürgerschaft und trägt entscheidend zum sozialen Zusammenhalt bei. Das Recht auf Daueraufenthalt wird seinerseits gestärkt und kann damit seine Funktion, das Gefühl der Unionsbürgerschaft zu verstärken und zum sozialen Zusammenhalt beizutragen, besser erfüllen, wenn auch die Möglichkeit des Familiennachzugs zu freizügigkeitsberechtigten Daueraufenthaltsberechtigten i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU besteht.
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c) Die übrigen Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU liegen vor. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Familiennachzug des Klägers um einen Nachzug zu einem erwerbstätigen oder nichterwerbstätigen Daueraufenthaltsberechtigten handelt (vgl. zur Frage des Anknüpfungspunkts beim Familiennachzug zu Daueraufenthaltsberechtigten Nr. 4a.0.2 der Verwaltungsvorschrift FreizügG/EU). Denn auch die weitergehenden Anforderungen des § 4 FreizügG/EU sind erfüllt. Der Kläger verfügt über ausreichend Existenzmittel. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die gesamte Familie des Klägers seit seiner Einreise im Februar 2011 nach den Auskünften des Sozialen Dienstleistungszentrums des Bezirksamts … vom 20. März 2014 und des Jobcenter team.arbeit.hamburg vom 25. März 2014 zu keinem Zeitpunkt Sozialleistungen (weder nach dem SGB II noch nach dem SGB XII) in Anspruch genommen hat, so dass von ausreichenden Existenzmitteln auch für den Kläger auszugehen ist [s.o b) aa) (2) (a)].
- 45
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dabei das Einkommen des Stiefvaters des Klägers zu berücksichtigen, auch wenn dieser nicht gesetzlich zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist (vgl. EuGH, Urt. v. 23.3.2006, C-408/03, juris, Rn. 46 f.).
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Ebenfalls liegt für den Kläger ein ausreichender Krankenversicherungsschutz vor. Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 hat die Krankenkasse der Familie des Klägers mitgeteilt, dass der Kläger seit dem 18. April 2011 sowohl in der Kranken- als auch in der Pflegeversicherung ununterbrochen familienversichert ist.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Erteilung einer Aufenthaltskarte auch nicht entgegen, dass er nicht mit einem bei der deutschen Auslandsvertretung zu beantragenden Visum zur Familienzusammenführung eingereist ist. § 2 Abs. 4 FreizügG/EU ist im Lichte des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 2004/38/EG europarechtskonform so auszulegen, dass lediglich ein von der Grenzpolizei auszustellendes Einreisevisum (vgl. § 14 Abs. 2 AufenthG) gefordert werden darf (vgl. ausführlich: Epe in: GK-AufenthG, Stand: Oktober 2010, § 2 FreizügG/EU, Rn. 136 f.). Das Schengen-Visum des Klägers (S. 4 der Ausländerakte des Klägers) genügte diesen Anforderungen.
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2. Hingegen ist der Antrag, dem Kläger eine Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung vom 13. April 2011 auszustellen, unbegründet. Denn die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU liegen erst seit dem Erwerb des Daueraufenthaltsrechts gemäß § 4a FreizügG/EU durch die Mutter des Klägers am 8. Juni 2014 vor [s.o. 1. b) aa)]. Trotz Aufforderung durch die Beklagte und durch das Gericht, den Krankenversicherungsschutz des Halbbruders des Klägers für den Zeitraum seit der Einreise am 15. März 2009 bis zum Nachweis des Angebots der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Stiefvaters am 8. Juni 2009 zu belegen, hat der Kläger nicht weiter dazu vorgetragen. Zwar ergibt sich aus der Ausländerakte des Stiefvaters des Klägers (S. 65), dass der Halbbruder des Klägers noch mit Schreiben vom 14. April 2010 eine spanische Sozialversicherungsnummer erhalten hat. Damit ist aber weiterhin nicht nachgewiesen, dass im Zeitraum zwischen dem 15. März 2009 und dem 8. Juni 2009 tatsächlich ein ausreichender spanischer Krankenversicherungsschutz bestand.
III.
- 49
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kostenverteilung von 3/4 von der Beklagten und 1/4 vom Kläger zu tragenden Kosten beruht darauf, dass das Gericht die Bedeutung des Ausspruchs über das Bestehen des Freizügigkeitsrechts für deutlich gewichtiger hält, als die Frage, ab wann dieser bestand. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Entscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV.
- 50
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Frage, ob § 3 Abs. 1 FreizügG/EU analog auf den Familiennachzug zu daueraufenthaltsberechtigten Familienangehörigen, die mit einem daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürger zusammenleben, anzuwenden ist, ist - soweit ersichtlich - weder vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht noch von einem anderen Oberverwaltungsgericht oder dem Bundesverwaltungsgericht entschieden worden.
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(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass
- 1.
der Lebensunterhalt gesichert ist, - 1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist, - 2.
kein Ausweisungsinteresse besteht, - 3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und - 4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.
(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer
- 1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und - 2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.
(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.
(1) Den Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative, eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt, ist abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1 und § 29 Absatz 1 Nummer 2 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält.
(2) Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Auf volljährige Familienangehörige sind § 30 Abs. 3 und § 31, auf minderjährige Familienangehörige ist § 34 entsprechend anzuwenden.
(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,
- 1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens; - 2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 4.
über den Streitwert; - 5.
über Kosten; - 6.
über die Beiladung.
(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.
(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er
- 1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt, - 2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt, - 2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder - 3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.
(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.