Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 2 K 2745/16

bei uns veröffentlicht am20.12.2017

Tenor

Soweit die Beteiligten die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Die im Bescheid vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 enthaltene Gebührenforderung in Höhe von 30,- Euro wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung, mit der u.a. die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wurde.

2

Der im Jahr … geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er nahm im Mai 20.. eine Beziehung zu der deutschen Staatsangehörigen A auf, mit der er sich im Juni 20.. verlobte. Der Kläger und seine Verlobte wurden am … Eltern des Kindes B. Im Januar 2014 beantragte der Kläger die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung zu seinem deutschen Kind, erhielt dieses am 27. März 2014 in Rabat und reiste nach Deutschland ein. Am 17. April 2014 erteilte ihm die Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung, die bis zum 16. Oktober 2015 gültig war.

3

Am 1. September 2015 beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Er wurde am … Vater des deutschen Kindes C, dessen Mutter ebenfalls Frau A ist. Der Kläger erhob am 21. Juni 2016 beim Verwaltungsgericht Hamburg eine Untätigkeitsklage unter dem Aktenzeichen 4 K 2745/16, die später in den Zuständigkeitsbereich der Kammer zwei wechselte.

4

Im Rahmen des Verfahrens auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis holte die Beklagte Auskünfte beim Landesamt für Verfassungsschutz ein. Dieses teilte mit Schreiben vom 2. August 2016 mit, es bestünden Sicherheitsbedenken aufgrund von Erkenntnissen über den Kläger hinsichtlich der Unterstützung einer Terrororganisation. Der Kläger habe in großem Umfang dschihadistische Propagandaaktivitäten für Terrororganisationen wie Al Kaida und den IS betrieben, indem er Videos und Beiträge in sein Facebook-Profil eingestellt habe. Dieses Profil sei mit 2000 Usern vernetzt und die Videos und Beiträge seien nach wie vor für jeden Facebook Nutzer offen einsehbar und kommunizierbar. Die IS-Videos seien teilweise mit unterstützenden Kommentaren versehen sowie mit Aufrufen zum Hass. Darüber hinaus besuche der Kläger seit mindestens Oktober 2014 die Taqwa-Moschee.

5

Der Kläger wurde am 4. August 2016 zur beabsichtigten Ausweisung und zur Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis angehört. Zwischenzeitlich konkretisierte das Landesamt für Verfassungsschutz seine Einschätzungen in einem Vermerk vom 11. August 2016. Der Kläger nahm nicht Stellung.

6

Mit Bescheid vom 22. September 2016, zugestellt am 26. September 2016, wies die Beklagte den Kläger aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes aus. Sein Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt. Sie wies den Kläger darauf hin, dass er zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet sei. Sollte er nicht binnen eines Monats nach Bekanntgabe dieser Verfügung ausgereist sein, werde ihm die Abschiebung nach Marokko oder in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. Die Kosten einer Abschiebung habe er zu tragen. Das aufgrund der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG bestehende Einreise- und Aufenthaltsverbot werde auf den Zeitpunkt von zehn Jahren ab nachgewiesene Ausreise befristet. Das im Falle einer Abschiebung entstehende Einreise- und Aufenthaltsverbot werde auf den gleichen Zeitpunkt befristet. Für die Befristung werde eine Gebühr von 30 € erhoben. Eine Gebührenforderung ergehe gesondert. Darüber hinaus wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er gesetzlich verpflichtet sei, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die vom Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilten Erkenntnisse, die sie sich zu Eigen machte. Insbesondere führte sie aus, dass der Kläger die Ausweisungstatbestände des § 54 Abs. 1 Nr. 2 und des Nr. 5 AufenthG erfülle. Er habe massiv dschihadistische Propagandaaktivitäten für Terrororganisationen betrieben und zu Hass gegen Teile der Bevölkerung (gegen die Glaubensgemeinschaften der Juden und Schiiten) aufgerufen. Die Beklagte führte aus, dass ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse gegenüberstehe, da der Kläger mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebe. Die Ausweisungstatbestände überwögen jedoch. Von dem Kläger ginge angesichts der besonderen Gefahren des islamistischen Terrorismus aufgrund seines persönlichen Verhaltens eine besonders schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Vor dem Hintergrund einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei auch die Länge der Sperrfrist auf zehn Jahre festzusetzen. Bei schwerwiegenden Gefahren sei im Einzelfall auch eine langfristige Trennung eines Vaters von seinen deutschen Kindern mit den Grundrechten der Betroffenen vereinbar. Der Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis werde im Hinblick auf die Ausweisungsinteressen abgelehnt.

7

Der Kläger erhob am 25. Oktober 2016 hiergegen Widerspruch, begründete diesen jedoch nicht.

8

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2016 zurück und bekräftigte die in der Ausgangsverfügung getätigten Ausführungen.

9

Der Kläger stellte sodann seine Untätigkeitsklage um und beantragte am 21. Dezember 2016 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Mit Beschluss vom 19. Januar 2017 (2 E 8114/16) lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab, da keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeben seien. Das Gericht verneinte insbesondere einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Hinblick auf den absoluten Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, da ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestehe. Die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung könne auch in so genannter Sympathiewerbung auf sozialen Medien wie Facebook bestehen. Der Kläger habe nicht glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Ein Abschiebungshindernis liege in den familiären Bindungen insbesondere deshalb nicht, weil durch die Geburt seiner Kinder keine Zäsur in seinem Verhalten erkennbar geworden sei. Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde machte der Kläger geltend, es sei nicht nachvollziehbar, ob die in arabischer Schriftsprache verfassten Kommentare zutreffend übersetzt worden seien. Ein eigenständiger Aufruf zur Gewalt sei durch ihn, den Kläger, nicht erfolgt. Er habe sich das behördliche Vorgehen zur Warnung gereichen lassen und entfalte jedenfalls nun keine Aktivitäten in sozialen Medien mehr, trete nicht für salafistische Positionen ein, rufe nicht zur Gewalt auf und sei nicht gewaltbereit. Eine konkrete Gefahr drohe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 19. Januar 2017 mit Beschluss vom 13. März 2017 (4 Bs 25/17) ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger habe nicht bestritten, dass es sich um sein Facebook-Profil gehandelt habe und dass ihm dessen Inhalt nicht zugerechnet werden könne. Mit dem Hinweis, es sei kein ausdrücklicher Aufruf zur Gewalt erfolgt, habe der Kläger die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur bereits relevanten Sympathiewerbung nicht in Zweifel gezogen. Allein aus dem Umstand, dass er sich nunmehr ruhig verhalte, ergebe sich keine Abkehr von der bisherigen Unterstützung des islamistischen Terrorismus.

10

Am 26. Juli 2017 wurde der Kläger in sein Heimatland abgeschoben.

11

Er hat im vorliegenden Klageverfahren erklärt, dieses vom Ausland aus über seinen deutschen Rechtsanwalt weiterbetreiben zu wollen, hat jedoch den Rechtsstreit hinsichtlich der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt. Insbesondere hat er zur Begründung seiner Klage ausgeführt, das Teilen fremder Filme und Beiträge auf dem eigenen Facebook-Profil stelle noch keine für eine Ausweisung relevante Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung dar. Es habe sich nicht um verbotene Aktivitäten gehandelt. Jedenfalls seien die Einträge auf der dem Kläger zuzurechnenden Facebook-Seite eher der Teilnahme an einer Demonstration gleichzusetzen und nicht derart schwerwiegend, dass sie angesichts der zwei deutschen Kleinkinder eine Ausweisung des Klägers rechtfertigen würden. Im Übrigen sei die Dauer der Einreisesperre zu lang bemessen. Seine Lebenspartnerin beziehe Leistungen nach dem SGB II und dürfe sich nicht für längere Zeit im Ausland aufhalten. Mehrere Auslandsreisen könne sie auch nicht finanzieren. Dadurch würden die Kinder faktisch ohne Erziehungsbeitrag ihres Vaters aufwachsen. Der Kläger müsse auch damit rechnen, dass ihm die Erteilung eines Visums auch nach dem Ablauf der Einreisesperre versagt werde.

12

Der Kläger beantragt,

13

den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 aufzuheben,

14

hilfsweise,

15

das im Bescheid der Beklagten vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 verfügte zehnjährige Einreiseverbot mit Sperrfrist für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf ein Jahr ab nachgewiesener Ausreise zu verkürzen.

16

Die Beklagte hat den Rechtsstreit ebenfalls hinsichtlich der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt und beantragt im Übrigen,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie betont die Gefährlichkeit der vom Kläger geposteten und geteilten Facebook-Beiträge und die Bedeutung der Sympathiewerbung für den IS über das Internet. Die Schutzinteressen des deutschen Staates seien hoch und es wäre der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, wenn aktive IS-Sympathisanten auch bei familiären Beziehungen nicht so lange wie möglich aus dem Bundesgebiet ferngehalten würden. Der Kläger habe bis heute nicht glaubhaft erklärt, dass er von seiner Haltung bzw. von seinen Aktivitäten abgerückt sei. In einem solchen Fall könne er jederzeit eine Überprüfung der angegriffenen Verfügung einschließlich der verfügten Sperrfrist beanspruchen.

19

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Vorsitzende als Berichterstatterin einverstanden erklärt.

20

In der mündlichen Verhandlung hat die hinzugezogene Dolmetscherin zahlreiche der vom Landesamt für Verfassungsschutz schriftlich niedergelegten Posts des Klägers bzw. Titel der geteilten Filme auf seinem Facebook-Profil übersetzt. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls, der Gerichtsakte, der beigezogenen Sachakten der Beklagten und der Gerichtsakte mit dem Aktenzeichen 2 E 8114/16 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

I. Soweit die Beteiligten hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog).

22

II. Im Übrigen ist die zulässige Klage im Hauptantrag nur zu einem geringen Teil begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 ist sowohl hinsichtlich der verfügten Ausweisung (hierzu unter 1.) als auch hinsichtlich der beiden zehnjährigen Einreisesperren sowie der Sperren der Wiedererteilung einer Aufenthaltserlaubnis (hierzu unter 2.) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 113 Abs. 1 VwGO. Dies gilt nicht für die Gebührenforderung in Höhe von 30,- Euro, die aufzuheben ist (hierzu unter 3.). Der Hilfsantrag des Klägers auf Verkürzung der Sperrfrist bleibt ebenfalls ohne Erfolg (hierzu unter 4.).

23

1. Rechtsgrundlage der Ausweisungsverfügung ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Hierbei sind insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Für die Abwägung hat der Gesetzgeber vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen das öffentliche Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und unter welchen Voraussetzungen das Bleibeinteresse des Ausländers (§ 55 AufenthG) als schwer bzw. als besonders schwer zu gewichten ist.

24

Nach diesen Grundsätzen besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach §§ 54 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG (a.). Diesem steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG gegenüber (b.). Bei der Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß 53 Abs. 1 und 2 AufenthG überwiegt das Ausweisungsinteresse (c.).

25

a. Im Fall des Klägers besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (aa.) und nach § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG (bb.). Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AufenthG sind erfüllt (cc.). Auch die zusätzliche Begründung der Ausweisung im Hinblick auf generalpräventive Aspekte ist nicht zu beanstanden (dd.).

26

aa. Nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.

27

Voraussetzung ist damit zunächst, dass die Vereinigung ihrerseits den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat. Dies muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urt. v. 25.10.2011, 1 C 13/10, juris, Rn. 16). Für die erforderliche individuelle Unterstützung einer solchen Vereinigung durch den einzelnen Ausländer genügt es dagegen, dass Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen (BVerwG, Urt. v. 25.10.2011, a.a.O.). Auch wenn die Vorschrift das Vorliegen von entsprechenden Indiztatsachen genügen lässt, müssen jedenfalls hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen vorliegen, welche die Schlussfolgerung im Sinne des Ausweisungstatbestandes rechtfertigen. Maßgeblich ist insoweit eine wertende Gesamtbetrachtung, ob im Falle des betroffenen Ausländers die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestands erfüllt sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, 1 C 26/03, juris).

28

Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terro-ristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urt. v. 30.7.2013, a.a.O. Rn. 13 zu § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.). Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS), die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftritt, handelt es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. Diese Einschätzung entspricht der die allgemeine Auffassung der internationalen Staatengemeinschaft wiedergebenden Resolution 2249 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 20. November 2015, in welcher erneut unter Hinweis auf entsprechende Vorgängerresolutionen die terroristischen Handlungen des IS verurteilt und die Staatengemeinschaft zu Gegenmaßnahmen aufgerufen wurden (http://www.un.org/depts/german/sr/sr_15/sr2249.pdf; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015, Au 1 K 14.1546, juris Rn. 36). Der IS hat sich bis in die jüngste Vergangenheit zu einer Vielzahl terroristischer Anschläge – auch in Europa – bekannt, z.B. zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin am 19. Dezember 2016 mit 12 Toten und ca. 50 Verletzten.

29

Es liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger den IS unterstützt. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG umfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken (BVerwG, Urt. v. 25.10.2011, a.a.O.). Dazu gehört jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung sowie ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Bestrebungen fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Der Unterstützungsbegriff ist dabei unabhängig von der strafrechtlichen Auslegung des § 129a StGB zu bestimmen und umfasst auch die Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterscheidet nicht zwischen dem Unterstützen und Werben und beinhaltet keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer (BVerwG, Urt. v. 25.10.2011, a.a.O.). Maßgeblich ist allein, ob die potentielle Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung gefestigt und ihr Gefährdungspotenzial gestärkt wird. Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an (BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, a.a.O., juris Rn. 25 m.w.N.). Ob allein die Äußerung einer Sympathie für eine terroristische Vereinigung im privaten Kreis diese Anforderungen erfüllen würde, kann dahinstehen. Jedenfalls genügt eine Meinungskundgabe oder sonstige Aktivität, die geeignet ist, eine für die terroristische Organisationen vorteilhafte Außenwirkung zu erzielen (so BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, a.a.O. zur Teilnahme an einer Demonstration für einen verbotenen Verein).

30

Insbesondere kann die Verbreitung von gewaltverherrlichenden Einträgen, die den IS, dessen Ideologie, den bewaffneten Dschihad, Selbstmordanschläge, und den Märtyrertod verteidigen bzw. glorifizieren über soziale Medien wie Facebook eine Unterstützungshandlung in Gestalt einer Sympathiewerbung im oben genannten Sinne darstellen (VG Hamburg, Beschl. v. 19.1.2017, 2 E 8114/16, n. veröff., BA S. 12; Beschl. v. 22.2.2016, 19 E 6426/15, juris Rn. 19, 22; VG München, Urt. v. 26.1.2017, M 12 K 16.5397, juris Rn. 68; VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015, Au 1 K 14.1546, juris Rn. 46). Denn hierbei handelt es sich um eine Sympathiebekundung mit großer Außenwirkung, insbesondere dann, wenn eine erhebliche Zahl von Facebook-Nutzern die Beiträge zur Kenntnis nimmt. Wie die Kammer bereits im Beschluss vom 19. Januar 2017 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (2 E 8114/16, BA S. 12 f.) ausgeführt hat, nutzt der IS nutzt im Vergleich zu anderen Gruppen in besonderer Weise soziale Medien wie Facebook, um Botschaften unter seinen Anhängern zu verbreiten und um neue Anhänger zu werben:

31

http://www.tagesspiegel.de/politik/facebook-twitter-instagram-wie-der-islamische-staat-im-internet-kaempft/10814766.html vom 10.10.2014;
https://www.welt.de/politik/deutschland/article149835714/Dschihadisten-werben-mit-Mordvideos-und-SpongeBob.html - vom 11.12.2015;
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-09/islamischer-staat-helfer-festnahme-spanien-bruessel-wuppertal-facebook-seite vom 28.9.2016;
http://www.sueddeutsche.de/digital/propaganda-im-netz-terror-freunde-gruenden-facebook-kopie-1.2383051 vom 8.3.2015

32

Die Bedeutung sozialer Netzwerke für den IS wird auch aus der Meldung deutlich, dass, nachdem Facebook und Twitter vermehrt die Nutzung ihrer Netzwerke durch den IS erkannt und islamistische Propaganda-Accounts gelöscht haben, eine IS-Hackergruppe ein Droh-Video gegen die Leitungen dieser Unternehmen veröffentlicht haben soll:

33

http://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-droht-chefs-von-facebook-und-twitter-a-1079168.html vom 25.2.2016

34

Wer radikales Gedankengut über soziale Medien verbreitet, auch wenn er selbst nicht aktiv zur Gewalt aufruft, betätigt sich als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Die Möglichkeit der Organisation mit terroristischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. Kämpfer anzuwerben, erhöht sich hierdurch. Unerheblich ist hierbei, ob jemand fremde Beiträge, die eine terroristische Vereinigung unterstützen, verbreitet oder ob er dies in Gestalt eigener Beiträge tut. Denn auch „geteilte“ Beiträge Dritter, die über das eigene Profil verbreitet werden, stellen eine Sympathiebekundung mit großer Außenwirkung dar (ebenso für VG Hamburg, Beschl. v. 22.2.2016, 19 E 6426/15, juris Rn. 22, für Einträge, die mit einem „Like“ versehen wurden). Das Unterbinden der Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung entspricht vor diesem Hintergrund einem Grundinteresse der Gesellschaft, da dadurch dem internationalen Terrorismus bereits im Vorfeld die logistische Basis entzogen werden kann. Die Anwesenheit von Sympathisanten und radikalisierten Anhängern einer terroristischen Vereinigung ruft eine nur schwer berechenbare Gefährdungslage und angesichts der Anschlagsgefahr die Notwendigkeit von ersichtlichen Überwachungsmaßnahmen hervor (VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015, a.a.O.).

35

Wie bereits im Beschluss der Kammer vom 17. Januar 2017 (a.a.O.) ausgeführt wurde, liegen hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen dafür vor, dass der Kläger das benannte Facebook-Profil des in Hamburg wohnhaften „D“ und damit aktive Sympathie-Werbung für den IS betrieben hat. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat im Schreiben vom 2. August 2016, das dem Gericht im Original und mit farbigen Lichtbildern vorliegt, mit einem Screenshot ein vor August 2016 auf dieser Seite veröffentlichtes Lichtbild des „D“ vorgelegt. Dieses Lichtbild weist nach Auffassung der Kammer - verglichen mit dem in der Akte befindlichen Lichtbild des Klägers aus seinem Reisepass - seine Identität nach. Dies hat er auch nicht bestritten.

36

Die zahlreichen, von der Beklagten unter Bezugnahme auf die vom Landesamtes für Verfassungsschutz angeführten, mit Quellenangaben versehenen und ausgewerteten Veröffentlichungen (Facebook-Posts) auf der Seite des „D“ u.a. im Vermerk vom 11. August 2016 stellen hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen für die Unterstützung der terroristischen Vereinigung IS durch den Kläger dar. Das Gericht nimmt insoweit auf die in den Gerichts- und Sachakten enthaltenen Auswertungen durch das Landesamt für Verfassungsschutz Bezug, deren in die deutsche Sprache übersetzte Inhalte der Kläger zuletzt nicht mehr bestritten hat. Dafür, dass wesentliche Übersetzungsfehler auf Seiten des Landesamtes für Verfassungsschutz vorliegen könnten, bestehen insbesondere nach der stichprobenartigen zweiten Übersetzung durch die vereidigte Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren zwischen 2014 und 2016 auf der Facebook-Seite des „D“ dschihadistische Propaganda betrieben und Gegner des IS diffamiert. Er hat danach nicht nur am 23. Januar 2014 ein Werbevideo eines IS Anhängers namens E gepostet, sondern auch am 23. Januar 2014 einen Film mit einer Rede von F, der Menschen zum Dschihad aufrief. In Posts aus dem Jahr 2016, zum Beispiel vom 9. Juni 2016, kritisiert der Kläger schiitische Gelehrte, die andere vom Kampf auf der Seite des IS abhalten wollten. So veröffentlichte er zum Beispiel am 28. Juli 2016 ein Video aus der damaligen IS-Provinz Aleppo, in dem sich ehemalige Milizionäre der mit dem IS verfeindeten Nusra-Front feierlich dem IS anschließen und versah es mit einem Koranzitat, das die Aufgabe eines Irrwegs durch die ehemaligen Milizionäre der Nusra-Front kommentierte.

37

Der Kläger entspricht ausweislich der geposteten Lichtbilder äußerlich den Anforderungen des IS an das Erscheinungsbild ihrer Anhänger (vgl. dazu http://www.handelsblatt.com/ politik/international/regeln-des-is-vom-bart-bis-zur-sklavin-die-buerokratie-des-terrors-/14782224.html) und zeigte sich auf einem geposteten Lichtbild mit erhobener, geballter rechter Faust unter Abspreizung des Zeigefingers der szenetypischen Pose eines Salafisten (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 22.8.2017, 1 A 2/17, juris Rn. 34). Er hat auch nicht gegenüber der Beklagten glaubhaft im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln und von seiner Ideologie Abstand genommen. Dies würde voraussetzen, dass er sich zu seinen Aktivitäten bekennt und sich sodann in einer Art tätigen Reue glaubhaft hiervon distanziert. Konkrete Anhaltspunkte, die eine Zäsur zu seinen früheren Aktivitäten und eine Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus des IS belegen, liegen nicht vor. Die Sympathiewerbung für den IS liegt auch nicht längere Zeit zurück, sondern wurde vom Kläger während des Zusammenlebens mit seinen Kindern bis in das Jahr 2016 über das vom Landesamt für Verfassungsschutz aufgedeckte Facebook-Profil betrieben. Allein das Schließen eines Facebook-Accounts, der den Sicherheitsbehörden bekannt geworden ist, stellt keine solche glaubhafte innere Abkehr dar. Insbesondere hat der Kläger bei der vor seiner Abschiebung erfolgten Anhörung am 26. Juli 2017 bei der Beklagten keine glaubhafte Abkehr bekundet. Vielmehr hat er mitgeteilt, dass ein Missverständnis vorliege.

38

bb. Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse zudem besonders schwer, wenn der Ausländer zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft. Hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift (§ 54 Abs. 1 Nr. 5b AufenthG). Mit dem zum 1. Januar 2016 eingeführten Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG bezweckt der Gesetzgeber die Neubewertung eines bestimmten Verhaltens als schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Es soll zum Ausdruck gebracht werden, dass bei so genannten „Hasspredigern“ oder Personen, die gegen andere Bevölkerungsteile hetzen, ein erhebliches Interesse an der Ausreise der Person besteht. Der Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens in Deutschland durch „geistige Brandstifter“ soll durch die Einordnung dieser Verhaltensweisen als besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse möglichst frühzeitig und wirkungsvoll entgegen getreten werden. Das Hasspredigen wiegt danach genauso schwer wie zum Beispiel die möglicherweise durch eine solche Radikalisierung begründete Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele nach § 54 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 51). Dasselbe gilt für gleichzusetzende Aktivitäten.

39

Erkennbar wird in diesem Tatbestand eine Parallele zum Straftatbestand der Volksverhetzung gezogen. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer u.a. eine Schrift im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, die zum Hass gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnischer Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufgestachelt (§ 130 Abs. 2 Nr. 1a StGB) oder wer die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden (§ 130 Abs. 2 Nr. 1c StGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter Aufstachelung zum Hass ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den Betroffenen Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu verstärken (BGH, Urt. v. 27.7.2017, 3 StR 172/17, juris Rn. 30 m.w.N.). Ebenso wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 StGB bestraft, wer einen in § 130 Abs. 2 Nr. 1 a bis c StGB bezeichneten Inhalt mittels Rundfunk oder Telemedien unter anderem der Öffentlichkeit zugänglich macht. Auch Kommentare, die über ein öffentlich zugängliches Facebook-Profil veröffentlicht werden, können den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllen (OLG Hamm, Beschl. v. 26.9.2017, 4 RVs 103/17, juris; ThürOLG, Urt. v. 27.9.2016, 1 OLG 171 Ss 45/16, juris Rn. 15 ff.).Dabei darf nach der Rechtsprechung zur Strafbarkeit entsprechender Äußerungen diesen im Lichte der durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht haben, und im Fall der Mehrdeutigkeit darf nur dann von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, wenn andere, straflose Deutungsmöglichkeiten mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können (BVerfG, Kammerbeschl. v. 28.3.2017, 1 BvR 1384/16, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 28.7.2016, 3 StR 149/16, NStZ-RR 2016, 369, juris Rn. 20). Vergleichbare Maßstäbe sind bei der Prüfung eines Ausweisungstatbestandes aufgrund aufhetzender Äußerungen anzulegen.

40

Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass auf dem oben genannten, dem Kläger zuzurechnenden Facebook-Profil zahlreiche Posts und geteilte Nachrichten und Filme enthalten sind, die für jeden Facebook-Nutzer ersichtlich entsprechend der politischen Grundeinstellung der IS-Anhänger zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, nämlich gegen die Glaubensgemeinschaften der Juden und der Schiiten aufrufen. Unter anderem tut der Kläger dies in einem Post vom 7. Juli 2016, in dem es in der deutschen Übersetzung des Landesamtes für Verfassungsschutz heißt:

41

„Israel ist die Hure des mittleren Ostens. Alle pflegen mit ihren Beziehungen im Geheimen, aber verleugnen es in der Öffentlichkeit.“

42

Darüber hinaus hat der Kläger am 13. Juli 2016 einen Post veröffentlicht, der von dem saudischen Prediger G stammen soll und der in der deutschen Übersetzung durch das Landesamt für Verfassungsschutz lautet:

43

„Gott hat die Juden mit den Worten Feigheit und Angst und Gier nach dem Leben beschrieben und sie wagen es nicht, die Muslime zu bekämpfen, außer mit Unterstützung der Heuchler.“

44

In einem Post vom 9. Juni 2016 kommentiert der Kläger ein Video, das Schiiten in Mekka zeigt. In der Übersetzung des Landesamtes für Verfassungsschutz lautet der Text des Klägers:

45

„Wo sind die (islamischen) Gelehrten der Herrschenden während der Verbrechen und der Beigesellung durch die ablehnenden Schiiten im besonders geschützten Haus Gottes? Gottes Fluch über euch, o ihr Agenten der Herrscher. Ich hege Groll gegen euch und verfluche euch bis zum Tag des Jüngsten Gerichts, o Agenten.“

46

Mit diesen Äußerungen macht der Kläger Juden und Schiiten verächtlich und versucht eine über die bloße Ablehnung hinausgehende feindselige Haltung zu erzeugen oder zu verstärken. Über sein Facebook-Profil und die mit ihm in Kontakt stehenden 2000 Nutzer hat der Kläger seine entsprechenden Kommentare und Aufrufen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Von straffreien, „erlaubten“ Meinungsäußerungen in sozialen Medien kann also keine Rede sein.

47

Da, wie bereits erörtert, keine erkennbare, glaubhafte Abkehr von diesen Aufrufen erfolgt ist, ist auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG erfüllt.

48

cc. § 53 Abs. 1 AufenthG setzt für den Erlass einer Ausweisungsverfügung weiter voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Dies ist vorliegend der Fall. Angesichts der mangelnden Distanzierung und Abkehr von seinem bisherigen sicherheitsgefährdenden Handeln einerseits und seiner tief verwurzelten salafistisch-dschihadistischen Grundeinstellung, wie sie insbesondere in seinen Internet-Aktivitäten zum Ausdruck kommt, ist bei einem weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet auch künftig mit weiteren sicherheitsgefährdenden Handlungen ähnlicher Ausprägung zu rechnen und damit mit einer vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die freiheitlich demokratische Grundordnung. Bei Würdigung des Verhaltens des Klägers ist auch in Zukunft zu erwarten, dass er seine Anwesenheit im Bundesgebiet zur (Sympathie-)Werbung für den bewaffneten Dschihad und zu ähnlichen Aktivitäten ausnutzen wird, gegebenenfalls über andere Facebook-Accounts. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die mögliche Rechtsverletzung ist. Die Gefahr von Terrorakten, die von Unterstützern oder Sympathisanten des IS ausgeht und für die der Kläger durch seine Sympathiewerbung den Boden bereitet hat, ist dabei so schwerwiegend, dass an die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Beteiligung des Klägers hieran nur geringe Anforderungen zu stellen sind (ebenso VG München, Urt. v. 26.1.2017, a.a.O., juris Rn. 72). Da der Kläger trotz der drohenden Trennung von seinen Kindern nicht einmal ansatzweise den Versuch unternommen hat, sich von seinen bisherigen Aktivitäten und der IS-Ideologie zu distanzieren, besteht eine erhebliche Wiederholungsgefahr.

49

dd. Darüber hinaus ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Ausweisung auch generalpräventiv durch die Gefahr von weiteren sicherheitsgefährdenden Aktivitäten ähnlichen Gewichts durch andere Ausländer begründet hat. Der Gesetzgeber wollte diese Möglichkeit der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen auch für das reformierte Ausweisungsrecht mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (vom 27. Juli 2015, BGBl. I S. 1386) beibehalten (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 34; VGH München, Beschl. v. 19.9.2016, 19 CS 15.1600, juris; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, zu § 53 AufenthG, Rn. 53). Voraussetzung für eine generalpräventive Begründung ist, dass die Ausweisung insoweit ein geeignetes und erforderliches Mittel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Von ihr muss eine angemessene Wirkung der generalpräventiven Absicht zu erwarten sein. Das ist der Fall, wenn nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden kann, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhalten (BVerwG, Urt. v. 13.11.1979, 1 C 100.76, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können unter anderem Straftaten aus generalpräventiven Gründen eine Ausweisung von Ausländern rechtfertigen, wenn durch die Ausweisung andere Ausländer von der Begehung solcher Straftaten abgehalten werden sollen. Dasselbe gilt für die Ausweisung eines aktiven, vernetzten IS-Unterstützers. Angesichts der Internetpräsenz des Klägers mit 2000 Usern auf dem aufgedeckten Facebook-Profil und seiner daraus abzuleitenden Einbindung in die salafistische Szene in Deutschland ist seine Ausweisung geeignet, andere Ausländer von der Unterstützung der terroristischen Vereinigung IS abzuschrecken.

50

Unter welchen Voraussetzungen eine allein auf generalpräventive Gründe gestützte Ausweisung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zulässig ist, kann vorliegend dahinstehen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 14.2.2012, 1 C 7/11, juris Rn. 17).

51

b. Diesem Ausweisungsinteresse steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG gegenüber. Denn der Kläger hat vor seiner Abschiebung mit seinen beiden deutschen Kleinkindern in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt. In seiner Person liegende Bleibeinteressen etwa in Gestalt eines langjährigen legalen Aufenthalts oder einer gelungenen Integration sind nicht ersichtlich. Der Kläger hielt sich lediglich über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren legal in Deutschland auf, davon etwa ein Jahr mit einer Fiktionsbescheinigung. Seit dem 22. September 2016 war er lediglich geduldet. Eine Integration in die hiesigen wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse ist ihm in dieser Zeit nicht gelungen. Insbesondere hat er nicht durch eine eigene Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt seiner Familie beigetragen.

52

c. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß 53 Abs. 1 und 2 AufenthG überwiegt bei der Interessenabwägung das Ausweisungsinteresse.

53

Hinsichtlich des Schutzes der familiären Beziehungen ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes anerkannt, dass selbst schwerwiegende Beeinträchtigungen familiärer Beziehungen nicht stets das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung verdrängen. Vielmehr ist anhand der sog. "Boultif-Kriterien" ein gerechter Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 18.10.2006, Nr. 46410/99, Üner, juris Rn. 57 ff.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewährt und allein aufgrund formal-rechtlicher Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen nicht entfaltet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.12.2008, 2 BvR 1830/08, juris). Wie der Europäische Gerichtshof betont auch das Bundesverfassungsgericht, dass selbst gewichtige familiäre Belange sich nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzen (z.B. Beschl. v. 23.1.2006, 2 BvR 1935/05, juris Rn. 23). Es ist zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für eine gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.12.2008 a.a.O., Beschl. v. 5.6.2013, 2 BvR 586/13, NVwZ 2013, 1207). Über die familiären Belange hinaus ist das Interesse des Klägers an einem Verbleib im Bundesgebiet unter Berücksichtigung der Dauer seines Aufenthalts und des Maßes seiner Integration angemessen zu würdigen.

54

Im vorliegenden Fall hat der Kläger - wie dargestellt - über einen Zeitraum von etwa drei Jahren im Bundesgebiet gelebt und während dieser Zeit eine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem bzw. beiden deutschen Söhnen geführt, die Zeitpunkt seiner Abschiebung 3 1/2 Jahre bzw. 1 1/2 Jahre alt waren. Das Gericht verkennt nicht, dass die Ausweisung das Führen der familiären Lebensgemeinschaft erheblich beeinträchtigt, da Kinder in diesem Alter nur sehr eingeschränkt in der Lage sind, intensive familiäre Kontakte über elektronische Medien oder über eine telefonische Verbindung zu führen. Auch dürften sich Besuche der Kindsmutter mit den beiden Söhnen im Heimatland des Klägers in Grenzen halten. Zwar ist Marokko nach wie vor ein touristisches Ziel und ohne größeren finanziellen Aufwand von Deutschland aus erreichbar. Andererseits verfügt die Kindsmutter als SGB II-Berechtigte nicht über die erforderlichen Mittel, häufige und längere Auslandsreisen zu finanzieren. Ob der Kläger in der Lage ist, diese Kosten zu tragen, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts. Die Söhne des Klägers werden somit im ungünstigsten Fall durch die Trennung von ihrem Vater nur noch in geringem Umfang elterliche oder erzieherische Fürsorge von seiner Seite erfahren können. Zwar dürfte die islamistische Haltung des Klägers der Kindsmutter von Beginn der Beziehung an nicht verborgen geblieben sein, so dass sie selbst nicht damit rechnen konnte, dauerhaft mit dem Kläger und den gemeinsamen Kindern eine familiäre Lebensgemeinschaft in Deutschland führen zu können. Allerdings kann dieser Umstand den Kindern des Klägers, aus deren Perspektive die familiären Belange zu prüfen sind, nicht angelastet werden, da sie keine Entscheidung zur Begründung einer familiären Beziehung getroffen haben. Weder die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet noch eine mögliche Integration sprechen für den Kläger. Während seines lediglich dreijährigen Aufenthalts in Deutschland war der Kläger in keiner Weise wirtschaftlich integriert und hat auch den Integrationskurs nicht besucht.

55

Diesem somit allein familiär begründeten Bleibeinteresse stehen hohe, vom Gesetzgeber als außerordentlich bedeutsam eingestufte, oben ausführlich beschriebene, öffentliche Interessen gegenüber. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Beschl. v. 18.7.1973, 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73, BVerfGE 35, 382,402 f.; Urt. v. 20.4.2016, 1 BvR 966/09 u.a., BVerfGE 141, 220, juris Rn. 96, 132; BVerwG, Beschl. v. 19.9.2017, 1 VR 8/17, juris Rn. 41). Fährt der Kläger damit fort, den IS im Bundesgebiet mindestens zu unterstützen und damit die Begehung von Terrorakten durch den IS zu erleichtern, gefährdet dies überragend wichtige, unwiederbringliche Rechtsgüter von Verfassungsrang, nämlich Leib und Leben einer Vielzahl von Rechtsgutsträgern sowie die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen. Angesichts der öffentlich gezeigten Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und der wachsenden Gefahren insbesondere durch im Inland befindliche Unterstützer islamistischer und salafistischer Gruppen ist die Bundesrepublik Deutschland auch bei familiären Bindungen im Bundesgebiet nicht gehalten abzuwarten und mit großem personellen und finanziellen Aufwand - und den bestehenden Risiken einer nicht hinreichenden Überwachung – zu beobachten, ob ein Ausländer wie der Kläger nunmehr seine Aktivitäten einstellt, ob er weiterhin auf Sympathiewerbung für diese Vereinigung betreibt, ob er weitere, die terroristische Vereinigung unterstützende Aktivitäten entfaltet und sich gegebenenfalls selbst an möglichen Terroranschlägen beteiligt.

56

Dem Kläger ist vor diesem Hintergrund zuzumuten, den bestehenden, intensiven Kontakt zu seinen in Deutschland lebenden deutschen Kleinkindern mit Hilfe elektronischer Medien sowie gelegentlicher Besuche aufrecht zu erhalten. Im Falle einer Distanzierung von seiner Ideologie und seinen Aktivitäten für die terroristische Organisation des IS kann er jederzeit im Interesse seiner Kinder ein Wiederaufgreifen des Verfahrens beantragen.

57

2. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot, das sowohl aufgrund der Abschiebung (siehe hierzu unter a.) und auch aufgrund der Ausweisung des Klägers (unter b.) festgesetzt bzw. befristet wurde, ist auch hinsichtlich der zehnjährigen Dauer (c.) nicht zu beanstanden.

58

a. Unschädlich ist, dass die Beklagte davon ausgegangen ist, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Falle der vollzogenen Abschiebung auf der gesetzlichen Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG beruht und dass sie als Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG eine Befristungsentscheidung zu Gunsten des ausgewiesenen Ausländers zu treffen hatte. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend.

59

Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 13.7.2017, 1 VR 3/17 u.a., juris, Leitsatz 1 und Rn. 71 f. zur Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG) kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie vom 16.12.2008, ABl. EU L 348/98 v. 24.12.2008 - RFRL) jedenfalls, soweit es an eine Abschiebung anknüpft, schon nicht wirksam aufgrund einer gesetzlichen Bestimmungen eintreten; vielmehr bedarf es dafür einer behördlichen Entscheidung. Auch im Beschluss vom 22. August 2017 (1 A 10/17 u.a., juris Rn. 5) betont das Bundesverwaltungsgericht:

60

„Einer gesetzlichen Überarbeitung des § 11 AufenthG bedarf es schon deshalb, weil das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie nicht mit deren Art. 11 Abs. 2 zu vereinbaren ist. Denn danach bedarf das mit einer Rückkehrentscheidung (vgl. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie) einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot (vgl. Art. 3 Nr. 6 der Richtlinie) stets einer behördlichen oder richterlichen Einzelfallentscheidung, die auch seine Dauer festlegen muss.“

61

Auch aus Art. 11 RFRL geht hervor, dass die Rückführungsrichtlinie von der behördlichen oder gerichtlichen Festsetzung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ausgeht und nicht von einer gesetzlichen Anordnung, die lediglich durch die Behörde zu befristen ist (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 26.7.2017, C-225/16, juris Rn. 50).

62

Allerdings können behördliche Befristungsentscheidungen eines vermeintlich kraft Gesetzes eintretenden Einreiseverbots regelmäßig dahin verstanden werden, dass damit ein Einreiseverbot von bestimmter Dauer angeordnet wird. Zur Begründung hat sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere darauf gestützt, dass nach Art. 3 Nr. 6 RFRL als „Einreiseverbot“ diebehördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme gilt, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht (BVerwG, Beschl. v. 13.7.2017, a.a.O., juris Rn. 72). Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Gericht an.

63

b. Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang offen gelassen, ob es das in § 11 Abs. 1 AufenthG gesetzlich geregelte Einreise- und Aufenthaltsverbot für Ausweisungen als richtlinienkonform ansieht (vgl. Urt. v. 25.7.2017, 1 C 12/16, juris Rn. 34). Es hat bislang insbesondere keine Aussage dazu getroffen, ob in der Ausweisung eine Rückführungsentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie liegt (ebenso offen gelassen im Urt. v. 22.2.2017, 1 C 27/16, juris Rn. 21). Auch im vorliegenden Fall ist nicht entscheidungserheblich, ob das auf die Ausweisung folgende Einreise- und Aufenthaltsverbot von Gesetzes wegen angeordnet und behördlich befristet werden durfte. Auch bei unterstellter Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie kann die behördliche Befristungsentscheidung als behördliche Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots angesehen werden.

64

c. Die Dauer der Einreise- und Aufenthaltsverbote von jeweils 10 Jahren ist nicht zu beanstanden.

65

Die Ausländerbehörde hat über die Dauer des mit einer Ausweisung oder Abschiebung verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbots seit dem Inkrafttreten des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) nach Ermessen zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2017, 1 C 27/16, juris Rn. 18). Die Frist darf gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Frist soll gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 AufenthG zehn Jahre nicht überschreiten. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsinteresses und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf bei einer spezialpräventiv motivierten Ausweisung der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Frist muss sich an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in §§ 53 Abs. 2, 55 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen und in einem sich ggf. anschließenden gerichtlichen Verfahren unter Kontrolle zu halten (OVG Münster, Urt. v. 10.5.2016, 18 A 610/14, juris Rn. 100).

66

Ermessensfehler der Beklagten sind nicht ersichtlich; insbesondere hat sie zu Recht eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung angenommen, so dass die Sperrfristen gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre überschreiten durften. Wie oben dargestellt, begründen die festgestellte Sympathiewerbung des Klägers für die Terrororganisation Islamischer Staat sowie die bislang ausgebliebene Distanzierung hiervon eine fortbestehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

67

Der Umstand, dass die Beklagte trotz der familiären Beziehungen des Klägers zu seinen beiden deutschen Kleinkindern jeweils die nach § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vorgesehene regelhafte Höchstfrist von 10 Jahren festgesetzt hat, ist angesichts der geschilderten, fortbestehenden Gefährdungslage nicht unverhältnismäßig. Sie ist geeignet, erforderlich und angemessen, um der vom Kläger nach wie vor ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu begegnen. Zwar schreitet die Entwicklung von Kleinkindern schnell fort und sind diese - wie dargestellt - nur sehr eingeschränkt in der Lage, auf anderem Wege als im persönlichen Umgang Kontakt zu halten, so dass eine Entfremdung vom Vater eher zu befürchten ist als bei größeren Kindern. Eine kürzere Sperrfrist wäre jedoch nicht geeignet, dem Kläger vor Augen zu führen, dass Aktivitäten aufgrund seiner ideologischen Grundeinstellung, die deutsche Sicherheitsinteressen massiv gefährden, auch bei familiären Beziehungen nicht hingenommen werden müssen. Das Gericht hat wie die Beklagte bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es sich bei der Befristungsentscheidung um eine allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse gestützte Prognose handelt und sie jederzeit bei einer Änderung der Verhältnisse nach unten korrigiert werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn sich Anhaltspunkte für eine glaubwürdige Abkehr von der Ideologie des IS ergäben. In letzterem Fall hat die Beklagte zugesagt, auf einen entsprechenden Antrag hin nicht nur das Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Ausweisung zu prüfen, sondern eine kürzere Sperrfrist zu bestimmen. Insofern liegt es in der Hand des Klägers, den deutschen Sicherheitsbedürfnissen entgegenzukommen, und zugleich die Interessen seiner Kinder an der Führung einer familiären Gemeinschaft in Deutschland zu wahren. Er selbst setzt seine Prioritäten.

68

Der vom Kläger geltend gemachte Umstand, dass auch nach dem Ablauf einer Sperrfrist die Erteilung eines Visums problematisch sein könnte, ist abhängig von späteren, gegenwärtig nicht absehbaren Entwicklungen und berührt den hier zu entscheidenden Streitgegenstand nicht.

69

3. Soweit die Beklagte im angegriffenen Bescheid vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 dem Grunde nach „für die Befristung gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 der Aufenthaltsverordnung“ eine Gebühr in Höhe von 30,- Euro verlangt hat, ist der Bescheid jedoch rechtswidrig.

70

Maßgeblich für die Beurteilung dieser Regelung ist die zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides gültige Fassung des § 47 der Aufenthaltsverordnung, d.h. die Fassung vom 18. Dezember 2015, die bis zum 31. August 2017 gültig war (AufenthV 2015). Die gebührenpflichtigen Tatbestände sind nach § 69 Abs. 2 AufenthG in Kapitel drei der Aufenthaltsverordnung benannt. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV 2015 sind an Gebühren für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) 30 € zu erheben; im Übrigen benennt dieses Kapitel der Aufenthaltsverordnung 2015 weitere, die Ausländer begünstigende Amtshandlungen der Ausländerbehörde und die hierfür anfallenden Gebühren.

71

Wie oben erörtert, handelt es sich jedenfalls bei der Festsetzung der die Abschiebung betreffenden Sperrfrist nicht um eine den Ausländer begünstigende Befristungsentscheidung nach „§ 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG“. Ob bereits der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides die Vorschrift des § 11 AufenthG neugefasst war, so dass sie im ersten Absatz keinen Satz 3 mehr besaß, der Gebührenforderung entgegensteht, kann dahinstehen. Jedenfalls handelt es sich bei der die Abschiebung betreffenden Entscheidung über die Sperrfrist nicht um eine reine Befristungsentscheidung im Sinne des § 11 Abs. 1 AufenthG, da, wie unter 2 a. erörtert, diese Entscheidung auch als behördliche Festsetzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu bewerten ist. Für eine solche (den Ausländer auch belastende) behördliche Entscheidung sahen zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt weder das Aufenthaltsgesetz noch die Aufenthaltsverordnung 2015 die Ermächtigung für eine Gebührenforderung vor. Dahinstehen kann, ob die Befristungsentscheidung hinsichtlich der Ausweisungsverfügung zu Recht mit einer Gebührenforderung in Höhe von 30 € versehen wurde. Da die Beklagte in den angegriffenen Verwaltungsakten die Gebührenforderung nicht differenziert für beide Sperrfristen festgesetzt hat, und jede für sich eine Gebühr von 30 € auslösen könnte, ist die Gebührenforderung im Ganzen aufzuheben.

72

4. Der Hilfsantrag des Klägers auf Verkürzung der Sperrfrist(en) für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf ein Jahr ab nachgewiesener Ausreise hat aus den oben unter Ziffer 2 c. dargelegten Gründen keinen Erfolg. Denn die Festlegung der beiden Sperrfristen von zehn Jahren ist nicht zu beanstanden.

73

III. Die Kostenentscheidung ergeht hinsichtlich der für erledigt erklärten Klageanträge gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Gericht die Ausweisung des Klägers für rechtmäßig hält und dass dementsprechend die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Erfolgsaussichten gehabt hätte. Auch die Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden (vgl. zu beiden Aspekten den Beschl. der Kammer v. 19.1.2017, 2 E 8114/16 und OVG Hamburg, Beschl. v. 13.3.2017, 4 Bs 25/17).

74

Soweit über die Klage in der Hauptsache zu entscheiden war, folgt die Kostenentscheidung aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zunächst eine Untätigkeitsklage erhoben und diese nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides umgestellt hat. Die Untätigkeitsklage hatte jedoch keine Aussicht auf Erfolg, da die Beklagte nicht ohne zureichenden Grund gemäß § 75 Satz 1 und 2 VwGO nicht vor Ablauf von drei Monaten über den Verlängerungsantrag entschieden hat. Sie hat – wie sich aus dem ermittelten Sachverhalt ergibt – zu Recht auf die Auskünfte des Landesamtes für Verfassungsschutz gewartet, bevor sie über die beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entschieden hat. Das Gericht misst im Übrigen dem geringfügigen Obsiegen des Klägers hinsichtlich der Gebühr in Höhe von 30 € keine Bedeutung für die Kostenfolge zu.

75

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 2 K 2745/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 2 K 2745/16

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 2 K 2745/16 zitiert 25 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafgesetzbuch - StGB | § 11 Personen- und Sachbegriffe


(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. Angehöriger: wer zu den folgenden Personen gehört: a) Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister

Strafgesetzbuch - StGB | § 130 Volksverhetzung


(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,1.gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehör

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 58a Abschiebungsanordnung


(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Auswe

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 69 Gebühren


(1) Für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen werden Gebühren und Auslagen erhoben. Die Gebührenfestsetzung kann auch mündlich erfolgen. Satz 1 gilt n

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 47 Gebühren für sonstige aufenthaltsrechtliche Amtshandlungen


(1) An Gebühren sind zu erheben1a.für die nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes169 Euro,1b.für die nachträgliche Verlängerung der Frist für ein

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 2 K 2745/16 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 2 K 2745/16 zitiert 13 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 21. Apr. 2015 - Au 1 K 14.1546

bei uns veröffentlicht am 21.04.2015

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der am ... 1992 geb

Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Jan. 2017 - M 12 K 16.5397

bei uns veröffentlicht am 26.01.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten der Verfahren zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinter

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 19. Sept. 2017 - 1 VR 8/17

bei uns veröffentlicht am 19.09.2017

Gründe I 1 Der Antragsteller, ein 1980 geborener tunesischer Staatsangehöriger, begehrt vorläuf

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Aug. 2017 - 1 A 2/17

bei uns veröffentlicht am 22.08.2017

Tatbestand 1 Der Kläger, ein algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen eine auf § 58a AufenthG gestützte Abschiebungsanordnung. Zusätzlich begehrt er die Feststel

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juli 2017 - 3 StR 172/17

bei uns veröffentlicht am 27.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 172/17 vom 27. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:270717U3STR172.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 29.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. Juli 2017 - 1 C 12/16

bei uns veröffentlicht am 25.07.2017

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich vorrangig gegen seine Ausweisung aus Deutschland. 2

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 28. März 2017 - 1 BvR 1384/16

bei uns veröffentlicht am 28.03.2017

Tenor 1. Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 2. Dezember 2015 - 7 Ns 701 Js 20952/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. April 2016 - 3 OLG 6 Ss 20/16 - verletzen den Bes

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Feb. 2017 - 1 C 27/16

bei uns veröffentlicht am 22.02.2017

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Aufhebung, hilfsweise die Befristung des mit seiner Ausweisung eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf unter vier Jahre.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juli 2016 - 3 StR 149/16

bei uns veröffentlicht am 28.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 149/16 vom 28. Juli 2016 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja StPO § 243 Abs. 5, § 274 Dass dem Angeklagten nach dem Hinweis auf sein Schweigerecht gemäß § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO Gelegenhe

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 22. Feb. 2016 - 19 E 6426/15

bei uns veröffentlicht am 22.02.2016

Tenor Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. November 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. November 2015 wird wiederhergestellt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Der Streitwert wird auf 5.000

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 05. Juni 2013 - 2 BvR 586/13

bei uns veröffentlicht am 05.06.2013

Tenor Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 14. Feb. 2012 - 1 C 7/11

bei uns veröffentlicht am 14.02.2012

Tatbestand 1 Der Kläger, ein kosovarischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. Okt. 2011 - 1 C 13/10

bei uns veröffentlicht am 25.10.2011

Tatbestand 1 Der 1973 geborene Kläger, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, wendet sich gegen seine Ausweisung aus Deutschland.

Referenzen

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tatbestand

1

Der 1973 geborene Kläger, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, wendet sich gegen seine Ausweisung aus Deutschland.

2

Er reiste im Dezember 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Nach Rücknahme dieses Antrags im März 1993 erhielt er befristete Duldungen und später eine Aufenthaltsbefugnis. Aufgrund der Eheschließung mit einer niederländischen Staatsangehörigen wurde ihm im Februar 1996 eine befristete Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt, die in der Folge verlängert wurde. Aus dieser Ehe sind drei 1996, 1998 und 2000 geborene Kinder hervorgegangen, die nach Angaben des Klägers die deutsche und die niederländische Staatsangehörigkeit besitzen. Von der Mutter der Kinder hat sich der Kläger im November 2000 getrennt. Die Ehe wurde geschieden. Für die drei Kinder hat die Mutter seit März 2001 das alleinige Sorgerecht. Im Juli 2003 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im März 2006 heiratete er eine kosovarische Staatsangehörige. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Der Sohn ist vier, die Tochter drei Jahre alt.

3

Im Juli 2005 führte die Regierung M. ein Sicherheitsgespräch mit dem Kläger, nachdem bekannt geworden war, dass er Verbindungen zur islamischen Sammlungsbewegung Tablighi Jamaat hatte. Er bestätigte in diesem Gespräch, an Veranstaltungen von Tablighi Jamaat im In- und Ausland teilzunehmen und nach ihren Glaubensvorstellungen zu leben. Mit Bescheid der Regierung M. vom 15. August 2005 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1). Ihm wurde die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina für den Fall der Nichtbeachtung einer auf den 10. September 2005 gesetzten Ausreisefrist angedroht (Nr. 2). Er wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei der zuständigen Polizeiinspektion T. zu melden (Nr. 3). Sein Aufenthalt wurde auf das Gebiet des Landkreises W.-G. beschränkt (Nr. 4). Der Sofortvollzug der Bestimmungen aus Nr. 1, 3 und 4 wurde angeordnet (Nr. 5).

4

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG erfülle, da er einer Vereinigung angehöre, die den Terrorismus unterstütze, und die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Der Kläger sei Aktivist der Tablighi Jamaat. Diese Missionierungsbewegung vertrete eine radikalisierte Form des strenggläubigen Islam indischer Prägung. Obwohl die Bewegung nach außen Gewalt ablehne, bestehe durch die gemeinsame ideologische Basis mit militanten Gruppierungen die Gefahr, dass die weltweiten Strukturen der Bewegung von terroristischen Netzwerken genutzt würden. Es sei eine Vielzahl von Einzelpersonen bekannt, die sich durch Tablighi Jamaat radikalisiert und sich in der Folge terroristischen Gruppierungen angeschlossen hätten. Indem die Bewegung es terroristischen Organisationen ermögliche, aus ihren Reihen Kämpfer zu rekrutieren, unterstütze sie den Terrorismus. Der Kläger gehöre der Tablighi Jamaat an, habe zweimal an religiösen Ausbildungsaufenthalten der Bewegung in Pakistan teilgenommen und für sie missioniert. Zudem gefährde er durch seine aktive Tätigkeit für Tablighi Jamaat die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Ziele der Organisation stünden mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht in Einklang.

5

Nach Erhebung der Klage und nach erfolgloser Durchführung eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ausweisungsverfügung ist der Kläger im Sommer 2006 freiwillig nach Bosnien-Herzegowina ausgereist. Das Verfahren ist daraufhin hinsichtlich der Abschiebungsandrohung (Nr. 2 des Bescheids) übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die übrigen Regelungen des Bescheids im Januar 2008 abgewiesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 22. Februar 2010 das erstinstanzliche Urteil und den Bescheid der Regierung M., soweit er noch im Streit war, aufgehoben. Er hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG lägen nicht vor. Damit entfielen auch die auf der Grundlage von § 54a AufenthG getroffenen Anordnungen. Eine Unterstützung des Terrorismus im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG setze ein Handeln der Vereinigung voraus, das über bloße Sympathiewerbung hinausgehe. Dies ergebe sich aus einer Auslegung der Vorschrift, die sich an die strafrechtliche Rechtsprechung zu § 129a StGB anlehne. Bei der Vereinigung Tablighi Jamaat sei aber nicht einmal ein befürwortendes Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele und der aus ihr heraus begangenen Straftaten oder die Verherrlichung ihrer Ideologie feststellbar. Tablighi Jamaat sei um das Jahr 1926 als islamische Erweckungs- und Missionierungsbewegung im damaligen Britisch-Indien gegründet worden und habe weltweit 10 - 12 Millionen Anhänger. Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen stehe weder fest, dass die Bewegung terroristische Taten begangen noch dass sie Beihilfe zu derartigen Taten geleistet habe. Aus dem vorgelegten Gutachten des Bundesnachrichtendienstes (BND) gehe lediglich hervor, dass Dritte bei ihren terroristischen Aktivitäten Tablighi Jamaat zur Erleichterung ihrer Reisetätigkeiten, für Kontakte oder als Anlaufstelle benutzt hätten. Es sei jedoch nicht durch tragfähige Indizien belegt, dass die Bewegung von der Nutzung ihrer Infrastruktur für terroristische Aktivitäten Kenntnis hatte. Soweit sich in einzelnen Fällen Personen aus ihren Reihen anschließend im extremistischen Milieu militanter Gruppierungen betätigt hätten, handele es sich um Aktivitäten von Einzelpersonen, die die offenen Strukturen der Bewegung für ihre Aktivitäten nutzten. Die vom Beklagten vorgelegten Erkenntnisse rechtfertigten deshalb lediglich den Schluss, dass sich radikale islamistische Kräfte in Einzelfällen der Infrastruktur der Tablighi Jamaat bedient hätten. Es stehe jedoch nicht fest, dass eine derartige Inanspruchnahme durch Dritte seitens Tablighi Jamaat gezielt auf eine Unterstützung des Terrorismus gerichtet sei, wie § 54 Nr. 5 AufenthG dies voraussetze. Angesichts ihrer auf Gewaltlosigkeit ausgerichteten Lehre und der Verlautbarungen ihrer Führer, aus denen sich nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Aufrufe zur Gewaltanwendung nicht entnehmen ließen, treffe Tablighi Jamaat auch keine Garantenpflicht, alles dafür zu tun, dass ein Missbrauch ihrer Infrastruktur nicht stattfinde.

7

Auch der Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG sei nicht erfüllt, da eine konkrete Gefährlichkeit des Klägers nicht nachgewiesen sei. Maßstab für das Handeln von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sei die freiheitliche demokratische Grundordnung in Gestalt der verfassungsmäßigen Ordnung erst dann, wenn diese danach trachteten, ihre davon abweichenden Ziele in aggressiv-kämpferischer Weise zu verwirklichen. Dies sei hier nicht nachgewiesen.

8

Der Beklagte begründet die gegen das Urteil eingelegte Revision im Wesentlichen damit, der Verwaltungsgerichtshof habe den Unterstützungsbegriff in § 54 Nr. 5 AufenthG verkannt. Dieser sei nicht deckungsgleich mit dem strafrechtlichen Begriff des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung in § 129a StGB. Als Unterstützen sei vielmehr jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf den Terrorismus auswirkt. Hierfür gelte im Rahmen von § 54 Nr. 5 AufenthG ein reduzierter Beweismaßstab, der es ausreichen lasse, dass Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigten. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sei die Bewegung Tablighi Jamaat als Vereinigung anzusehen, die den Terrorismus unterstütze.

9

In der Revisionsverhandlung haben die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der Regelungen in Nummer 3 und 4 des Bescheids übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

10

Das Verfahren ist, soweit es die Ziffer 3 und 4 des Bescheids der Regierung M. - Zentrale Rückführungsstelle Nordbayern - vom 15. August 2005 betrifft, nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 i.V.m. § 125 Abs. 1, § 141 VwGO einzustellen. Die vorinstanzlichen Entscheidungen sind, soweit sie diese beiden Streitgegenstände betreffen, wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

11

Die Revision, die sich nur noch gegen die Aufhebung der in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Ausweisung durch das Berufungsurteil wendet, ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die angefochtene Ausweisung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG nicht vorliegen.

12

1. Zunächst ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht davon ausgegangen, dass das Klagebegehren nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen ist. Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, da die Rechtsstellung des Klägers nicht von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) erfasst wird. Denn nach § 1 FreizügG/EU regelt dieses Gesetz nur die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ihren Familienangehörigen, letztere unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 FreizügG/EU (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU). Der Kläger ist zwar Vater von drei Kindern aus einer früheren Ehe, die nach seinen Angaben neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die niederländische besitzen. Er erfüllt aber nicht die Voraussetzungen für einen freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen nach dem FreizügG/EU. Hierfür wäre gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU vielmehr Voraussetzung, dass ihm die Kinder (als die stammberechtigten Unionsbürger) Unterhalt gewähren. Aber auch wenn man den Begriff des Familienangehörigen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union für das Verhältnis eines drittstaatsangehörigen Elternteils zu seinem mit Unionsbürgerstatus ausgestatteten Kind weiter fasst, erfüllt der Kläger die Voraussetzungen hierfür nicht, da er für seine Kinder aus der früheren Ehe nicht die Personensorge wahrnimmt, wie dies die Rechtsprechung fordert (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02, Zhu und Chen - InfAuslR 2004, 413 Rn. 45 f. und vom 17. September 2002 - Rs. C-413/99, Baumbast - InfAuslR 2002, 463 Rn. 71 ff.). Durch die Entscheidung, dass der Kläger nicht in Deutschland verbleiben darf, wird den Kindern auch nicht der Kernbestand der Rechte verwehrt, den ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 8. März 2011 - Rs. C-34/09, Zambrano - NJW 2011, 2033, Rn. 41 ff.). Vielmehr konnten die Kinder ihren Aufenthalt in Deutschland auch in den Jahren seit der Ausreise des Klägers nach Bosnien-Herzegowina fortsetzen, weil sich ihre allein sorgeberechtigte Mutter in Deutschland aufhalten durfte und die Personensorge ausüben konnte.

13

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Ausweisung sind daher die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten. Auch in tatsächlicher Hinsicht ist die Ausweisung nach der Rechtsprechung des Senats nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs im Februar 2010 zu beurteilen (vgl. Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.). Der Umstand, dass der Kläger unter dem Druck der angedrohten Abschiebung bereits im Jahr 2006 aus Deutschland ausgereist ist, ändert hieran nichts.

14

2.1 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG im Ergebnis mit Recht verneint. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Voraussetzung für die Anwendung dieses Regelausweisungstatbestandes ist demnach, dass dem Ausländer das Verhalten einer Vereinigung zugerechnet werden kann, die den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat (vgl. Urteil vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <124 ff.>). Das Berufungsurteil kommt aufgrund der von ihm getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass es sich bei der islamischen Organisation Tablighi Jamaat nicht um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wie § 54 Nr. 5 AufenthG das voraussetzt.

15

Die Vorläufervorschriften zu dem heute in § 54 Nr. 5 AufenthG normierten Ausweisungstatbestand (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative, § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) wurden mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz (Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002, BGBl I S. 361) zum 1. Januar 2002 in das deutsche Ausländergesetz eingefügt. Sie sind in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in dem Bestreben geschaffen worden, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 127). Durch das Zuwanderungsgesetz wurde der Ausweisungstatbestand mit Wirkung zum 1. Januar 2005 in § 54 Nr. 5 AufenthG nunmehr inhaltlich vollständig und ohne Verweisung auf Versagungsgründe für einen Aufenthaltstitel geregelt. Er wurde zudem verschärft, indem der Tatbestand auf Mitgliedschaften und Unterstützungshandlungen in der Vergangenheit erstreckt wurde, die Beweisanforderungen für die Mitgliedschaft und das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer reduziert wurden und jetzt auch die Mitgliedschaft und Unterstützung einer Vereinigung erfasst wird, die einen ausschließlich nationalen Terrorismus unterstützt (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 32; Hailbronner, § 54 AufenthG, Stand: Februar 2009, Rn. 26).

16

2.1.1 Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" der normale Beweismaßstab gilt, d.h. dass das Vorliegen dieser Umstände zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen muss (so schon Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 126 zu der Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG). Der durch das Zuwanderungsgesetz eingeführte reduzierte Beweismaßstab, wonach lediglich Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen müssen, bezieht sich entgegen der Ansicht des Beklagten nur auf die nach § 54 Nr. 5 AufenthG außerdem erforderliche individuelle Unterstützung der Vereinigung durch den betroffenen Ausländer oder seine Zugehörigkeit zu der Vereinigung. Für eine solche Auslegung spricht neben dem Wortlaut und der Systematik der Norm vor allem das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitserfordernis, das insbesondere bei Eingriffsakten wie der Ausweisung zu beachten ist. Dieses verlangt, dass das Handeln der Verwaltung für den Einzelnen berechenbar und vorhersehbar sein muss. Das wäre bei einem zweifach reduzierten Beweismaßstab, der sich auf mehrere Tatbestandsmerkmale innerhalb einer Zurechnungskette bezieht, nicht der Fall. Wenn nicht einmal feststehen müsste, dass die Vereinigung, der der Einzelne mutmaßlich angehört oder die er mutmaßlich unterstützt, ihrerseits den Terrorismus unterstützt, könnte er sich in seinem Handeln, etwa durch Distanzierung oder Abbruch des Kontakts, darauf nicht einstellen. Zudem wäre die Widerlegung der Annahme, dass eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, für den Einzelnen ungleich schwerer als die Widerlegung eines mutmaßlichen Unterstützungshandelns durch ihn selbst. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre eine Erstreckung des reduzierten Beweismaßes auf das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung rechtsstaatlich bedenklich.

17

2.1.2 Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Tablighi Jamaat eine "Vereinigung" im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG ist. Der Begriff der Vereinigung setzt einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen voraus, nicht aber notwendigerweise eine förmliche Mitgliedschaft (vgl. zum Begriff der Vereinigung in diesem Zusammenhang Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus <2001/931/GASP, ABl EG 2001 L 344, S. 93>). Auch eine auf gemeinsame religiöse Überzeugungen gegründete Gemeinschaft wie die Tablighi Jamaat kann eine Vereinigung in diesem Sinne darstellen. Dass die Tablighi Jamaat diese Anforderungen erfüllt, ergibt sich ohne Weiteres aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es sich um eine international tätige Organisation mit eigenen Strukturen und 10 - 12 Millionen Anhängern oder Mitgliedern handelt (UA Rn. 59).

18

2.1.3 Bei der weiteren Prüfung, ob die Tablighi Jamaat den Terrorismus unterstützt, ist der Verwaltungsgerichtshof mit seiner einschränkenden Auslegung des Unterstützungsbegriffs, die sich an die strafgerichtliche Rechtsprechung zu § 129a StGB anlehnt, allerdings von unzutreffenden aufenthaltsrechtlichen Maßstäben ausgegangen.

19

Hinsichtlich des Begriffs des Terrorismus enthält das Terrorismusbekämpfungsgesetz, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. März 2005 (a.a.O. S. 129 f.) ausgeführt hat, zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Der Senat hat in diesem Zusammenhang unter anderem auf die innerhalb der Vertragsstaaten der Europäischen Union erzielte Übereinstimmung zum Terrorismusbegriff im Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP, ABl EG 2001 L 344, S. 93) hingewiesen (vgl. Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 130). Nach Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts sind terroristische Handlungen bestimmte katalogmäßig aufgeführte vorsätzliche Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind, wenn sie mit dem Ziel begangen werden, (a) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder (b) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder (c) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören. Diese Definition steht im Einklang mit dem allerdings für das Strafrecht entwickelten und allgemeiner gefassten völkerrechtlichen Begriff eines Verbrechens des internationalen Terrorismus, wie er sich in der Entscheidung des UN-Sondertribunals für den Libanon vom 16. Februar 2011 findet und dort unter Auswertung der Rechtslage in 20 Ländern ermittelt worden ist (Special Tribunal for Lebanon, Interlocutary Decision on the Applicable Law - STL-11-01/I - Rn. 85 - abrufbar unter http://www.stl-tsl.org/en/the-cases/stl-11-01/rule-176bis - kritisch hierzu Kirsch/Oehmichen, Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 2011, 800). Eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln liegt nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (vgl. Urteil vom 30. April 2009 a.a.O. Rn. 33).

20

Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG ist dann auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Terrorismusbekämpfungsgesetz, BTDrucks 14/7386 S. 54). Die Unterstützungsbegriffe im Ausweisungsrecht - und zwar sowohl der hier in Rede stehende Begriff der Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung als auch der hiervon zu unterscheidende Begriff der individuellen Unterstützung dieser Vereinigung durch den betroffenen Ausländer - sind nicht deckungsgleich mit dem strafrechtlichen Begriff des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung in § 129a Abs. 5 StGB. Sie umfassen auch das Werben für die Ideologie und die Ziele des Terrorismus. Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts (UA Rn. 47 ff.) verletzt Bundesrecht. Zwar begründet eine derartige Sympathiewerbung seit Inkrafttreten des 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I S. 3390) und des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Europäischen Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I S. 2836) - anders als zuvor - keine Strafbarkeit nach § 129 a StGB mehr (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07 - BGHSt 51, 345 Rn. 6 ff.). Abweichend von § 129a StGB kennt der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG jedoch keine Unterscheidung zwischen Unterstützen und Werben und keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen dem Ausschluss der Sympathiewerbung aus dem Straftatbestand des § 129a StGB auch keine übergreifenden verfassungsrechtlichen Erwägungen zum Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG zugrunde. Vielmehr stützte der Gesetzgeber das Absehen von einer strafrechtlichen Ahndung der Sympathiewerbung auf spezifisch strafrechtliche Gründe. So verwies er darauf, dass die Sympathiewerbung, der die Rechtsprechung einen "vergleichsweise geringen Unrechtsgehalt" zuweise, ohne Einbuße für bedeutsame Rechtsgüter aus dem Straftatbestand ausgeschieden werden könne. Das Ausscheiden der Sympathiewerbung sollte der Tathandlung einen klar umgrenzten und in der strafrechtlichen Praxis handhabbaren Gehalt geben und eine kritische Berichterstattung vom strafrechtlichen Risiko freistellen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 24. April 2002, BTDrucks 14/8893 S. 8; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 a.a.O. Rn. 8).

21

Eine entsprechende Beschränkung auf das Werben um Mitglieder und Unterstützer hat der Gesetzgeber in den erst nach der strafrechtlichen Gesetzesänderung neu gefassten Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG nicht aufgenommen. Er hat den Tatbestand vielmehr erweitert, indem er nunmehr auch in der Vergangenheit liegende Unterstützungshandlungen und den rein nationalen Terrorismus einbezieht, und er hat den Beweismaßstab für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer abgesenkt. Der Gesetzgeber hat damit in zulässiger Weise zwischen Regelungen zur präventiven Gefahrenabwehr einerseits und zur Strafverfolgung andererseits differenziert (vgl. zu den unterschiedlichen Zielen bereits Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 125). Die Ausweisungsnorm des § 54 Nr. 5 AufenthG soll weiterhin alle Verhaltensweisen - und damit auch die Sympathiewerbung - erfassen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken. Dies gilt für beide Unterstützungsbegriffe in § 54 Nr. 5 AufenthG, also sowohl für die Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung als auch für das individuelle Unterstützen einer solchen Vereinigung durch den Ausländer. Für die zuletzt genannte individuelle Unterstützung durch den Ausländer bedeutet dies, dass weiterhin die vom Senat hierzu im Urteil vom 15. März 2005 (a.a.O. S. 125 f.) entwickelten Kriterien maßgeblich sind. Das gilt auch für die Abgrenzung zwischen ausweisungsrechtlich relevanter Werbung für die Vereinigung selbst und ausweisungsrechtlich unbeachtlicher Werbung für einzelne humanitäre Anliegen der Vereinigung. Für die im vorliegenden Fall maßgebliche Unterstützung des Terrorismus durch die Vereinigung bedeutet dies, dass auch die von der Vereinigung betriebene Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter eine Unterstützung des Terrorismus darstellen kann.

22

2.1.4 Die fehlerhafte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs wirkt sich allerdings auf das von ihm gefundene Ergebnis, dass die Tablighi Jamaat keine Vereinigung ist, die den Terrorismus unterstützt, nicht aus. Denn der Verwaltungsgerichtshof ist aufgrund der von ihm getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass auch bei einer Einbeziehung der Sympathiewerbung in den Unterstützungsbegriff weder die Ziele noch das Handeln von Tablighi Jamaat auf eine Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind, wie es der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfordert (UA Rn. 81, 90 und 93). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

Der Tatbestand des Unterstützens des Terrorismus durch eine Vereinigung im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG setzt nämlich voraus, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung (auch) auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind (so auch Discher, in: GK-AufenthG, Stand: August 2009, § 54 Rn. 463). Ein bloßes Ausnutzen der Strukturen einer Vereinigung durch Dritte in Einzelfällen reicht hierfür nicht aus. Zwar genügt es nach der Rechtsprechung des Senats, an der festgehalten wird, für das individuelle Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer, dass für ihn das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung erkennbar ist, damit es ihm zugerechnet werden kann (vgl. Urteil vom 15. März 2005 a.a.O. S. 125). Um den Ausweisungstatbestand rechtsstaatlich zu begrenzen, hält es der Senat aber für geboten, für das Unterstützen des Terrorismus durch die Vereinigung selbst eine engere Verbindung zu den terroristischen Aktivitäten zu verlangen, als sie bei der individuellen Unterstützung der Vereinigung durch den einzelnen Ausländer gefordert wird. Andernfalls würde dem Einzelnen ein Verhalten zugerechnet, das weder von seinem Willen noch von dem der von ihm unterstützten Vereinigung getragen wird. Daher muss die Unterstützung des Terrorismus jedenfalls auch ein Ziel der Vereinigung oder ihrer Tätigkeit sein. Dies ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bei der Tablighi Jamaat nicht der Fall.

24

2.1.5 Die Feststellungen und die Würdigung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse und erhobenen Beweise durch den Verwaltungsgerichtshof sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

25

Allerdings erweckt das Berufungsurteil durch die Formulierung, es sei "in erster Linie Aufgabe der Sicherheitsbehörden ..., die erforderlichen Tatsachengrundlagen für eine Ausweisungsverfügung (ergänzt: nach § 54 Nr. 5 AufenthG) zu schaffen" (UA Rn. 67 und 93), den Eindruck, dass insofern die Verpflichtung des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) eingeschränkt sei. Eine solche Auffassung wäre rechtsfehlerhaft, weil die Pflicht zur gerichtlichen Sachaufklärung auch im Rahmen von Ausweisungsverfahren nach § 54 Nr. 5 AufenthG gilt, selbst wenn in tatsächlicher Hinsicht die gerichtlichen Möglichkeiten zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts in Fällen, in denen die Ausweisung im Wesentlichen auf Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden gestützt ist, begrenzt sein mögen. Da der Verwaltungsgerichtshof in der Sache aber durch seinen Auflagen- und Beweisbeschluss vom 29. Juli 2009 und die Einführung von Auszügen aus aktuellen Verfassungsschutzberichten im Januar 2010 eigene Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts getroffen hat und damit erkennbar auch von einer eigenen Aufklärungspflicht ausgegangen ist, entspricht seine darauf beruhende Beweiswürdigung - trotz der erwähnten missverständlichen Formulierung - im Ergebnis den Vorgaben des § 108 Abs. 1 VwGO.

26

Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund seiner Feststellungen nicht die Überzeugung gewonnen, dass die Tablighi Jamaat den Terrorismus unterstützt, indem sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Vielmehr ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs die Lehre dieser islamischen Missionierungsbewegung mit weltweit 10 - 12 Millionen Anhängern auf Gewaltlosigkeit gerichtet (UA Rn. 59, 81). Zwar würden die Verhaltensweisen der "Islamischen Urgemeinde" in ahistorischer Weise als mustergültig und richtungsweisend dargestellt, spezifische Handlungsanleitungen zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele würden daraus aber nicht abgeleitet. Auch den Verlautbarungen ihrer Führer lassen sich nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen keine Aufrufe zur Gewaltanwendung entnehmen. Ein militanter Islamismus gehöre nicht zum Leitbild der Vereinigung (UA Rn. 77, 81 f.). Die in Art. 1 Abs. 3 Buchstabe a bis k des Gemeinsamen Standpunkts des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus aufgeführten Handlungen setzen aber gewaltsames oder jedenfalls das Leben von Menschen gefährdendes Handeln voraus. Nach dem Berufungsurteil steht nicht fest, dass Tablighi Jamaat, deren Lehre auf Gewaltlosigkeit gerichtet ist, Handlungen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchstabe a bis k des Gemeinsamen Standpunkts des Rates unterstützt.

27

Ebenso wenig bestehen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Anhaltspunkte dafür, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung (auch) auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind. Es konnten keine belastbaren Erkenntnisse dafür gewonnen werden, dass die Vereinigung Muslime mit einer entsprechenden Einstellung für den militanten Dschihad gewinnen will (UA Rn. 82). Vielmehr befürworte die Tablighi-Lehre nach den Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Entwicklung einer eigenen islamischen Identität durch gewaltfreie Mittel. Nach den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes sind die weltweiten Strukturen der Tablighi Jamaat lediglich wiederholt dazu missbraucht worden, Reisen von und zu Ausbildungslagern in Pakistan und Afghanistan zu tarnen (UA Rn. 78 f.). Es sei jedoch nicht durch tragfähige Indizien belegt, dass die Bewegung von der Nutzung ihrer Infrastruktur für terroristische Aktivitäten Kenntnis hatte. Soweit sich in einzelnen Fällen Personen aus ihren Reihen anschließend im extremistischen Milieu militanter Gruppierungen betätigt hätten, handele es sich um Aktivitäten von Einzelpersonen, die die offenen Strukturen der Bewegung für ihre Aktivitäten nutzten. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Tablighi Jamaat auf die Begehung terroristischer Taten abzielt, diese wissentlich unterstützt oder auch nur - um ihre unterstützende Funktion wissend - billigend in Kauf nimmt (UA Rn. 93). Diese Feststellungen tragen bei Zugrundelegung der oben dargestellten rechtlichen Maßstäbe den vom Verwaltungsgerichtshof gezogenen Schluss, dass die Tablighi Jamaat nicht als Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, anzusehen ist und deshalb auch die Zugehörigkeit des Klägers zu dieser Vereinigung nicht den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.

28

2.2 Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Ausweisung auch nicht auf den Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG gestützt werden kann. Nach der ersten Alternative der Vorschrift - die weiteren Alternativen kommen hier nicht in Betracht - wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Berufungsurteil kommt in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass sich aus der Zugehörigkeit des Klägers zu Tablighi Jamaat und aus seinem persönlichen Verhalten eine derartige Gefährdung nicht ableiten lässt. Denn es konnte weder festgestellt werden, dass der Kläger Aktivitäten zur Umsetzung der Lehre von Tablighi Jamaat in Deutschland - etwa im Sinne der Errichtung eines islamischen Gottesstaates - entfaltet hat oder in Zukunft entfalten würde, noch dass von ihm die Gefahr von Gewaltakten ausgeht.

29

3. Die Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung hinsichtlich der Ausweisungsverfügung (Nr. 1 des Bescheids), über die streitig entschieden wurde, ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Über die Kosten des Verfahrens hinsichtlich der in der Revisionsverhandlung übereinstimmend für erledigt erklärten Streitgegenstände (Nr. 3 und 4 des Bescheids) ist unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Da die Ausweisungsverfügung rechtswidrig ist, fehlte es auch für die von ihrem Bestand abhängige Wohnsitzbeschränkung und Meldeauflage von vornherein an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Dies geht zu Lasten des Beklagten. Die gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ergangene Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen hinsichtlich der Abschiebungsandrohung (Nr. 2 des Bescheids) bleibt unberührt.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am ... 1992 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen seine Ausweisung.

Am 21. Mai 1994 reiste er zusammen mit seiner Mutter zu seinem Vater in das Bundesgebiet ein. Auf entsprechenden Antrag erhielt er zunächst befristete Aufenthaltserlaubnisse, am 23. September 2008 wurde ihm eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Der Kläger besuchte hier die Schule und erwarb die Fachhochschulreife. Ein Studium der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule in ... brach er ab. Zuletzt war er beschäftigungslos. Seine Eltern sowie seine beiden Geschwister leben in Deutschland.

Im Mai 2013 wurden die Sicherheitsbehörden auf salafistisch geprägte Facebook- Accounts in ... aufmerksam. In der Folgezeit wurden auf den Facebook-Accounts des Klägers, die er sowohl unter seinem eigenen Namen als auch unter Pseudonymen führte, in zunehmendem Maße Bilder und Äußerungen festgestellt, die auf ein radikales Islamverständnis hindeuteten und in denen Gewalttaten verherrlicht wurden.

Ermittlungen ergaben, dass der Kläger einer Gruppe junger Salafisten in ... angehörte. Ein Mitglied dieser Gruppe, zu dem er engen Kontakt pflegte, reiste im September 2013 in den Krieg nach Syrien und wurde dort im Januar 2014 getötet. Am 15. November 2013 reiste der Kläger aus der Bundesrepublik aus mit dem Ziel, nach Syrien zu gelangen. Nachdem ihn seine Eltern mit Hilfe von Verwandten in der Türkei von diesem Vorhaben abgehalten hatten, kehrte er am 19. Februar 2014 in das Bundesgebiet zurück. Mit Bescheid der Stadt ... vom 20. Februar 2014 wurde gegen ihn ein bis zum 31. August 2014 befristetes Ausreiseverbot verhängt.

Am 26. Juli 2014 nahm der Kläger in schwarzer Kleidung, auf der die vom sog. „Islamischen Staat“ (IS) verwendete Symbolik zu erkennen war, an einer israelkritischen Demonstration in ... teil, setzte sich in deren Verlauf an die Spitze des Demonstrationszugs und agitierte die Teilnehmer. Die Polizei erteilte ihm einen Platzverweis. Am 7. August 2014 erhielt die Polizei einen Hinweis auf eine an mehrere Personen verschickte elektronische Nachricht, in welcher der Kläger ankündigte, den „Wahren Islam“ nach ... zu bringen. Der Kläger erhielt daraufhin ein Betretensverbot für die zu diesem Zeitpunkt stattfindende „Allgäuer Festwoche“. Am 13. August 2014 veröffentlichte er auf den Internetplattformen YouTube und Facebook ein Video, in dem er sich an die Yeziden wandte und die Gewalttaten des IS rechtfertigte. Er trug dabei schwarze Kleidung mit der Symbolik des Glaubensbekenntnisses des Islam. Am 20. August 2014 folgte ein weiteres Video, in dem er aufgrund der Reaktionen auf das erste Video dieses erläuterte. Dabei trug er ein Sweatshirt mit der vom IS verwendeten Symbolik des Glaubensbekenntnisses des Islam sowie dem sog. „Prophetensiegel“.

Im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Aktivitäten des Klägers wurden gegen ihn folgende strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet:

1. Wegen antijüdischer und antiisraelischer Äußerungen des Klägers auf seinem Facebook-Account im Mai 2013 wurde gegen ihn wegen eines Vergehens der Volksverhetzung ermittelt. Mit Verfügung vom 17. Oktober 2014 sah die Staatsanwaltschaft ... wegen der Ausweisung des Klägers von der Erhebung der öffentlichen Klage ab (§ 154b Abs. 3 StPO).

2. Ab Juli 2013 wurde gegen den Kläger wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt. Mit Verfügung vom 28. Juli 2014 stellte die Staatsanwaltschaft ... I das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Hinsichtlich einer etwaigen Anschlagsplanung in Deutschland lasse sich kein Tatnachweis führen, da sich aus den durchgeführten operativen Maßnahmen keine belastbaren Anhaltspunkte ergeben hätten. Hinsichtlich der vom Kläger beabsichtigten Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg liege ein Verfolgungshindernis vor, da das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die erforderliche Verfolgungsermächtigung mit Schreiben vom 15. April 2014 abgelehnt habe.

Der Beklagte nahm das Verhalten des Klägers zum Anlass, ausländerrechtliche Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen. Am 2. Oktober 2014 wurde der Kläger festgenommen und zur Vorbereitung der Abschiebung inhaftiert. Bei seiner Anhörung vor dem Ermittlungsrichter äußerte er sich dahingehend, nicht mehr in den Krieg nach Syrien reisen zu wollen. Er befürworte die Scharia, sei aber gegen die Tötung von Unschuldigen. Er habe nicht zu Gewalt, sondern lediglich zur Notwehr aufgerufen. In den Videos habe er die Yeziden eingeladen, zum Islam zu konvertieren. Er habe die Videos gesperrt, als der IS verboten worden sei. Seit dessen Verbot benutze er auch die Symbolik des IS nicht mehr. Als Moslem müsse er die Demokratie ablehnen, da nur das Gesetz von Allah richtig sei. Da er in Deutschland lebe, passe er sich aber an und achte alle Gesetze. Mit dem IS sympathisiere er, habe sich ihm jedoch nicht angeschlossen. Er sympathisiere auch mit den Muslimen, die für die Scharia seien, alle anderen seien Ungläubige.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 wies der Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1 des Bescheids) und befristete in Ziffer 2 die Sperrwirkungen der Ausweisungsverfügung auf die Dauer von sieben Jahren ab der Ausreise. In Ziffer 3 kündigte er die Abschiebung aus der Abschiebehaft in die Türkei nach Bekanntgabe des Bescheids ohne Einräumung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an. Der Kläger sei den Sicherheitsbehörden ab Frühjahr 2013 als Mitglied einer salafistischen Gruppierung in ... aufgefallen. Er habe sich in etwa zeitgleich mit dem im Januar 2014 getöteten ... zunehmend radikalisiert. Die Facebook-Accounts des Klägers belegten dessen Entwicklung hin zu einem radikalislamischen Religionsverständnis und seine intensive Auseinandersetzung mit dem Dschihad. Nach der gescheiterten Ausreise nach Syrien habe sich der Kläger während der Laufzeit der Ausreiseuntersagung weiter radikalisiert. Er sei mittlerweile Anführer der Salafistenszene im ... Raum geworden und vielfach in der Öffentlichkeit aufgefallen. Im August 2014 habe er zwei Videos auf den Internetplattformen YouTube und Facebook veröffentlicht, in denen er selbst vor die Kamera trete und sich offen als Anhänger des IS präsentiere. Darin rechtfertige er in schwarzer, mit der Symbolik des islamischen Glaubensbekenntnisses und zuletzt mit dem sog. „Prophetensiegel“ versehener Kleidung die massenhafte Tötung der Yeziden durch den IS. In einem am 2. Oktober 2014 erschienenen Interview mit dem SZ-Magazin rechtfertige er ebenfalls seine radikalislamischen Überzeugungen, die auf den Aufbau eines entsprechenden Staates gerichtet seien. Die Aktivitäten des Klägers erfüllten die Ausweisungstatbestände sowohl der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§ 54 Nr. 5 AufenthG) als auch der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (§ 54 Nr. 5a AufenthG). Vom Kläger gehe eine gegenwärtige Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Er habe sich zunehmend radikalisiert und seine Bemühungen, seine salafistischen Ideen auf deutschem Staatsgebiet zu verwirklichen, intensiviert. Da der Kläger besonderen Ausweisungsschutz genieße und sich auf die Rechtsstellung nach Art. 7 ARB Nr. 1/80 berufen könne, müsse nach Ermessen über seine Ausweisung entschieden werden. Angesichts der vom Kläger ausgehenden massiven Gefährdung seien die öffentlichen Interessen höher zu gewichten als das private Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Auch Art. 8 EMRK stehe der Ausweisung nicht entgegen, da davon auszugehen sei, dass sich der Kläger den kulturellen Gepflogenheiten in der Türkei anpassen und sich dort eine Existenz aufbauen könne. Unter Berücksichtigung der Schwere des Ausweisungsgrunds sei eine Sperrfrist von sieben Jahren angemessen.

Der Sofortvollzug der Ausweisung wurde angeordnet. Die Abschiebung des Klägers erfolgte am 17. Oktober 2014.

Am 21. Oktober 2014 ließ der Kläger dagegen Klage erheben. Weder habe er in der Vergangenheit einer Vereinigung angehört, die den Terrorismus unterstütze, noch sei dies gegenwärtig der Fall. Die Voraussetzungen einer strafrechtlich relevanten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129a StGB oder Unterstützungspläne gemäß § 129a Abs. 5 in Verbindung mit § 129b StGB seien nicht dargelegt.

Der Beklagte differenziere nicht hinreichend zwischen den in Syrien kämpfenden Gruppen. Islamwissenschaftlich sei anerkannt, dass mindestens 1.200 verschiedene Gruppen in Syrien kämpften. Viele davon hätten mit dem IS nichts zu tun, sich von diesem getrennt oder würden als Abtrünnige bekämpft. Da der Kläger davon ausgegangen sei, dass der IS keine terroristische Vereinigung sei, sondern die jeweiligen Gruppen sich in Syrien nur verteidigten, hätte der Beklagte das Vorliegen eines Irrtums bzw. Missverständnisses prüfen müssen. Es gäbe in Syrien viele Gruppen, die sich gegen die Angriffe des Assad-Regimes zur Wehr setzten und einen möglicherweise auch durch Völkerrecht gerechtfertigten Kampf führten. Dies könne an sich legitim sein. Dem Kläger gelinge es offenkundig nicht, die notwendige Differenzierung zwischen den einzelnen in Syrien kämpfenden Gruppierungen vorzunehmen, wenn er die Handlungen des IS im Irak und Syrien als legitimes Recht der Verteidigung des islamischen Glaubens bezeichne. So komme er zum falschen Ergebnis, das Vorgehen des IS sei vor dem Hintergrund des Kampfes gegen die Gräueltaten der Regierung Assad gerechtfertigt und legitim. In dem am 2. Oktober 2014 erschienenen Interview mit dem SZ-Magazin sei er nicht richtig wiedergegeben worden, was er öffentlich und kurz nach Erscheinen des Magazins auf seiner Facebook-Seite klargestellt habe.

Er sei trotz der nunmehr bestehenden Möglichkeit einer Weiterreise nach Syrien in der Türkei geblieben. Er sei dort nicht von der Polizei belangt worden, lebe bei seinen Verwandten, trage nunmehr westliche Kleidung und habe seinen Bart der Länge nach gestutzt. Das im Ausweisungsbescheid beschriebene Erscheinungsbild des Klägers sei nicht mehr aktuell.

Der Kläger habe auch im Rahmen der Anhörung vor dem Erlass des Ausweisungsbescheids erklärt, dass er nicht in den Krieg ziehen wolle und gegen die Tötung Unschuldiger sei. Er habe nicht zu Gewalt, sondern zur Notwehr aufgerufen. Nach dem Verbot des IS habe er entsprechende Videos gesperrt. Er gehe nicht gegen die Demokratie vor und achte alle Gesetze. Er sympathisiere zwar mit dem IS, habe sich diesem jedoch nicht angeschlossen. Angesichts dieser Erklärungen des Klägers lägen die Voraussetzungen einer Ausweisung nicht vor. Seine Äußerungen bewegten sich in den Grenzen der Meinungs- und Religionsfreiheit. Er habe zwar geäußert, die Scharia zu befürworten, sei jedoch gegen die Tötung Unschuldiger. Von einer gewaltsamen Abschaffung oder Bekämpfung der Demokratie sei nirgendwo die Rede gewesen. Die im Ausweisungsbescheid geäußerten Befürchtungen des Beklagten basierten nicht auf Tatsachen. Eine gegenwärtige hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder öffentliche Ordnung gehe vom Kläger nicht aus. Der Kläger habe weder Spenden gesammelt noch an salafistisch geprägten und IS-nahen Veranstaltungen teilgenommen. Er habe auch keine Hetzreden im Namen des IS verbreitet. Er habe erklärt, die Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland zu befolgen, was auch dadurch belegt werde, dass er strafrechtlich nicht verurteilt sei. Unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Beklagten könnte es zu Massenausweisungen religiöser Muslime kommen.

Unterstützungshandlungen des Klägers für den IS lägen nicht vor, insbesondere wirkten sich seine Handlungen nicht positiv auf diesen aus. Es handle sich nunmehr um eine ausländische terroristische Organisation, was jedoch nicht immer so gewesen sei. Im Bescheid fehle insoweit die zeitliche Einordnung. Eine Teilnahme am Dschihad liege dem Kläger fern, er habe dies auch nie beabsichtigt. Es sei angesichts der Vielzahl der in Syrien kämpfenden Gruppierungen und der wechselnden Koalitionen der Gruppen eine Unterstellung, dass dies der Zweck der Ausreise im November 2013 gewesen sei. Eine Ausreise nach Syrien zur Bekämpfung des dortigen Regimes sei nicht gleichbedeutend mit der Unterstützung des militanten Dschihads. Gerichtlich überprüfbare Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose lägen nicht vor, der Bescheid stütze sich nur auf Vermutungen und Spekulationen. Erhebliche Belange der Bundesrepublik seien nicht gefährdet, zumal das syrische Regime umstritten sei.

Das auf Vereinsrecht gestützte Betätigungsverbot für den IS sei erst am 12. September 2014 erlassen worden. Die in Videos geäußerten Ansichten seien durch die Meinungs- und Religionsfreiheit gedeckt und lägen noch vor diesem Verbot. In dem Interview mit dem SZ-Magazin seien die Äußerungen und Ansichten des Klägers unzutreffend dargestellt worden, er habe sich davon unverzüglich distanziert. Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele lehne er ab. Kampfbezogene Äußerungen bezögen sich auf Verteidigungsszenarien in Syrien. Es sei die Art des Klägers, überwiegend durch „Posing“ Eindruck zu machen. Die in den Videos verwendete Symbolik sei allgemein gültig bzw. damals nicht verboten gewesen.

Da der Beklagte den Kläger als Unterstützer des IS sehe, hätte die Ausweisung nach der UN-Resolution 2170 nicht erfolgen dürfen. Nach dieser müsse die Ausreise „ausländischer Kämpfer“ unterbunden werden, so dass der Beklagte den Kläger an einer Ausreise hätte hindern müssen anstatt ihn abzuschieben.

Angesichts der vom Beklagten in das Verfahren eingeführten Äußerungen des Klägers gegenüber einem FDP-Politiker und eines Fotos mit einer Schreckschusspistole werde ein Sachverständigengutachten zu der Frage beantragt, ob vom Kläger eine Gefahr ausgehe.

Der Kläger besitze nur rudimentäre Kenntnisse der türkischen Sprache. Die Fortsetzung seines Studiums in der Türkei sei ihm deshalb nicht möglich, er könne nur einen Gelegenheitsjob ausüben. Deshalb sei die Ausweisung ebenso wie die Sperrfrist von 7 Jahren überzogen.

Der Kläger lässt beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 16.10.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es könne unstreitig gestellt werden, dass in Syrien derzeit die unterschiedlichsten Gruppierungen gegen das Assad-Regime kämpften, ohne mit den Bestrebungen des IS in Verbindung zu stehen. Ebenso sei richtig, dass sich der Kläger nach Erscheinen des SZ-Magazins vom 2. Oktober 2014 auf seinem Facebook-Profil teilweise von den wiedergegebenen Äußerungen distanziert habe. Der Kläger habe sich jedoch entgegen der Äußerungen in der Klageschrift nicht gewandelt. Es lägen vielmehr neue Erkenntnisse vor, dass sich die Überzeugungen des Klägers seit der Ausweisung nicht geändert hätten. Auf seinem Facebook-Profil würde er weiterhin radikalislamische Anschauungen verbreiten.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ausweisung seien nicht deckungsgleich mit den Strafgesetzen. Die Ausländerbehörde müsse nicht die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder eine Unterstützungshandlung unmittelbar selbst darlegen und nachweisen, sondern lediglich Tatsachen anführen, die den Schluss hierauf zuließen. Die Verbindung mit dem IS werde vom Kläger selbst verbal sowie durch seine Kleidung in den beiden Videos vom August 2014 hergestellt. Für die Annahme eines Missverständnisses hinsichtlich der verschiedenen in Syrien kämpfenden Gruppen gebe es keine Anhaltspunkte.

Das vor der Ausweisung verfügte Ausreiseverbot habe verhindern sollen, dass der Kläger sich weiter radikalisiere. Dies habe er letzten Endes ohne Aufenthalt in den Krisengebieten vollzogen, so dass aufgrund der von ihm ausgehenden konkreten Gefahr die Ausweisung verfügt worden sei. Er betreibe aggressive Werbung für den IS. Zudem fordere er den Aufbau eines auf der Scharia basierenden Gottesstaates und stelle denjenigen den Tod in Aussicht, die sich dagegen stellten. Insofern müsse die Aussage des Klägers, er sei gegen die Tötung Unschuldiger, relativiert werden. Denn es sei offen, wen der Kläger als schuldig betrachte. Die Bekundungen in der Klageschrift, der Kläger achte die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, stünden in Widerspruch zu seinen Veröffentlichungen auf Facebook.

Am 21. April 2015 fand in der Sache mündliche Verhandlung statt. Auf die dabei gefertigte Niederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vom Beklagten sowie von der Stadt ... vorgelegten Behördenakten sowie die Strafakten in den Verfahren ... der Staatsanwaltschaft ... sowie ... der Staatsanwaltschaft ...

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2014, mit dem der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die Abschiebung in die Türkei angekündigt wurde. In diesem Zusammenhang hat die Kammer nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 34) gleichzeitig über die Befristung der Ausweisungswirkungen zu entscheiden, auch wenn im Klageantrag nicht ausdrücklich die Festsetzung einer kürzeren Frist beantragt wurde.

Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (BVerwG, U. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 - BVerwGE 130, 20 LS 1).

II.

Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids erfolgte Ankündigung der Abschiebung des Klägers in die Türkei unmittelbar aus der Abschiebehaft heraus richtet. Denn diese Ankündigung wurde bereits vor Klageerhebung am 17. Oktober 2014 vollzogen und hat sich dadurch erledigt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit ihre Aufhebung zu einer Verbesserung der Rechtsposition des Klägers führen könnte. Der Klage fehlt damit insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, das eine allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung darstellt.

III.

Soweit sich die Klage gegen die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland richtet, ist sie zulässig, jedoch unbegründet. Diese Entscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Ausweisung genügt den Bestimmungen des Unionsrechts sowie des nationalen Rechts und ist nach dem Ergebnis einer Abwägung der öffentlichen Interessen mit den betroffenen Privatinteressen unerlässlich im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Da der Kläger ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ist, sind Rechtsgrundlage der Ausweisung die §§ 54 Nr. 5, 55 Abs.1 und 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei vom 19. September 1980 (ARB 1/80). Der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80. Er ist im Alter von zwei Jahren als Sohn eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt angehörte, in das Bundesgebiet eingereist und hier aufgewachsen, so dass er die Mindestaufenthaltszeiten des Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 erfüllt.

1. Die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Ausweisung findet in § 54 Nr. 5 AufenthG eine ausreichende Rechtsgrundlage im nationalen Recht. Hiernach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Voraussetzung für die Anwendung dieses Regelausweisungstatbestandes ist damit zunächst, dass die Vereinigung ihrerseits den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat. Dies muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, U. v. 25.10.2011 - 1 C 13/10 - BVerwGE 141, 100 ff. LS 1). Für die erforderliche individuelle Unterstützung einer solchen Vereinigung durch den einzelnen Ausländer genügt es dagegen, dass Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen (BVerwG, U. v. 25.10.2011, a. a. O., LS 1 und Rn. 16). Auch wenn die Vorschrift das Vorliegen von entsprechenden Indiztatsachen genügen lässt, müssen jedenfalls hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen vorliegen, welche die Schlussfolgerung im Sinne des Ausweisungstatbestandes rechtfertigen. Maßgeblich ist insoweit eine wertende Gesamtbetrachtung, ob im Falle des betroffenen Ausländers die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestands erfüllt sind (vgl. BVerwG, U. v. 15.3.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123,114 ff LS 5).

a) Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“, die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftritt, handelt es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. Diese Einschätzung entspricht der die allgemeine Auffassung der internationalen Staatengemeinschaft wiedergebenden Resolution 2170 (2014) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. August 2014, in welcher erneut unter Hinweis auf entsprechende Vorgängerresolutionen die terroristischen Handlungen der ISIL verurteilt und die Staatengemeinschaft zu Gegenmaßnahmen aufgerufen wurden. Es besteht keinerlei Anlass dazu, an dieser allgemeingültigen Beurteilung der Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ zu zweifeln. Auch der Bevollmächtigte des Klägers bestreitet deren Richtigkeit nicht. Er verweist lediglich darauf, dass das in Deutschland verfügte Vereinsverbot gegen die Vereinigung Islamischer Staat vom 12. September 2014 datiert und damit erst nach den im streitgegenständlichen Bescheid aufgeführten Unterstützungshandlungen des Klägers erfolgte. Allerdings ist ein solches Vereinsverbot nicht konstitutiv für die Qualifizierung als terroristische Vereinigung. Die Frage, ob eine Organisation sich terroristisch betätigt, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung des Gerichts im Rahmen der rechtlichen Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG. Der Würdigung sind dabei die im Zeitpunkt der Unterstützungshandlungen bekannten Aktivitäten der Vereinigung zugrunde zu legen. Diese führten zu dem Vereinsverbot sowie zu der UN-Resolution 2170 (2014), die bei der gerichtlichen Prüfung als gewichtige Kriterien heranzuziehen sind.

b) Es liegen Tatsachen vor, welche die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt. Die Ausweisungsnorm des § 54 Nr. 5 AufenthG umfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken (BVerwG, U. v. 25.10.2011, a. a. O., Rn. 21). Dazu gehört jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung sowie ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Bestrebungen fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Der Unterstützungsbegriff ist dabei unabhängig von der strafrechtlichen Auslegung des § 129a StGB zu bestimmen und umfasst auch die Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter, so dass es entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers nicht auf eine strafrechtlich relevante Unterstützungshandlung ankommt. Der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG unterscheidet nicht zwischen dem Unterstützen und Werben und beinhaltet keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer (BVerwG vom 25.10.2011, a. a. O., LS 2 und Rn. 20).

Unter Zugrundelegung dieser Auslegung des Begriffs der Unterstützungshandlung sind in hinreichendem Maße Tatsachen vorhanden, welche die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt.

Er reiste am 15. November 2013 aus der Bundesrepublik Deutschland aus mit dem Ziel, nach Syrien zu gelangen. Dies räumte er selbst in seiner Vernehmung am 3. Juli 2014 (Bl. 38 der Behördenakte) sowie in seiner Anhörung vor dem Ermittlungsrichter am 2. Oktober 2014 (Bl. 182 der Behördenakte) ein. Soweit sein Bevollmächtigter angesichts der Vielzahl der in Syrien kämpfenden Gruppen darauf hinweist, dass diese Ausreise als solche nicht zwingend auf eine Unterstützung des IS hinweist, kann dem angesichts der in zahlreichen Äußerungen und geposteten Bildern des Klägers zum Ausdruck kommenden intensiven Beschäftigung mit dem bewaffneten Dschihad des IS nicht gefolgt werden. So weist sein Facebook-Profil eine Vielzahl gewaltverherrlichender Einträge und Bilder auf, welche die Kämpfer des IS glorifizieren und den bewaffneten Dschihad als Pflicht jedes gläubigen Muslims darstellen. Unter anderem befindet sich auf seinem Facebook-Account auch das Bild eines Dschihadisten, der einen abgeschlagenen Kopf in der Hand hält (Bl. 119 der Behördenakte). Bei seiner Vernehmung am 2. Oktober 2014 räumte er ein, mit dem IS wie mit allen Muslimgruppen zu sympathisieren, sich diesem aber nicht angeschlossen zu haben. Ein solcher formeller Anschluss ist jedoch nicht notwendig, da Unterstützungshandlungen auch schon in dessen Vorfeld erfolgen können. Ebenso unbeachtlich ist die Tatsache, dass der Kläger damals von einer Weiterreise aus der Türkei nach Syrien absah. Denn dies erfolgte nicht aufgrund einer glaubwürdigen und nachhaltigen Distanzierung von den terroristischen Taten des Islamischen Staates.

Nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet im Februar 2014 setzte er seine Aktivitäten fort, die auf eine Unterstützung dieser Organisation hinweisen. Die in den Akten befindlichen Auszüge aus seinem Facebook-Accout beinhalten weiterhin eine Vielzahl entsprechender Einträge, die sich mit einer strikten Auslegung des Korans, der Pflicht zur kämpferischen Verbreitung der dort nach Auffassung des Klägers vorgesehenen Rechts- und Gesellschaftsordnung und dem vom IS in Syrien geführten Kampf zum Aufbau eines dieser strikten Auslegung entsprechenden Gottesstaates auseinandersetzen. Neben diesen Aktivitäten im Internet betätigte sich der Kläger als treibende Kraft innerhalb einer Gruppe junger Salafisten in ... Diese Rolle nahm er nach seiner Rückkehr aus der Türkei und dem Tod seines Freundes im syrischen Bürgerkrieg ein. Nach der glaubhaften Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Polizeibeamten beeinflusste er andere junge Männer in ... mit seinen radikalen Anschauungen zur strikten Auslegung des Korans, die er derart kompromisslos vertrat, dass er in der Moschee des ... ein Hausverbot erhielt. Es gelang ihm dabei offenbar, die Gruppe anwachsen zu lassen und die Mitglieder in ihren radikalen Ansichten zu bestärken. Sein Einfluss wird nicht zuletzt daran deutlich, dass die Gruppe nach seiner Abschiebung auseinanderfiel und die jungen Männer ihr Verhalten wesentlich änderten. Sie fanden zu ihrer früheren Lebensweise zurück und gliederten sich wieder in ihr berufliches und privates Umfeld ein. Nach den Berichten der Eltern leben sie wieder normal und es gibt mit ihnen keine Probleme mehr. Als Beispiel schilderte der Zeuge die Aussage einer Familie, wonach Bilder nunmehr wieder aufgehängt werden können, die zuvor für ständige Konflikte sorgten.

Da ein Mitglied der Gruppe junger Salafisten aus ... bereits im September 2013 als Dschihadist nach Syrien reiste, der Kläger zusammen mit einem weiteren jungen Mann aus ... im November 2013 einen Ausreiseversuch unternahm und auf dem Facebook-Account des Klägers eine klare Verbindung zwischen seinen religiösen Anschauungen und der Befürwortung der Aktivitäten des IS festzustellen ist, sind die Aktivitäten des Klägers als treibende Kraft innerhalb dieser Kemptener Gruppe in der wertenden Gesamtschau Indiztatsachen für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Denn es muss davon ausgegangen werden, dass innerhalb der Gruppe intensiv um die Legitimität des bewaffneten Dschihads des IS und dessen Streben nach einer auf der Scharia basierenden Rechts- und Gesellschaftsordnung geworben wurde und der Kläger durch seine Bildung und Eloquenz maßgeblich deren Anwachsen und Zusammenhalt förderte.

Der Kläger warb auch durch sein öffentliches Auftreten für den IS und trat in den Wochen vor seiner Abschiebung verstärkt als IS-Sympathisant öffentlich in Erscheinung. Am 26. Juli 2014 nahm er in schwarzer Kleidung, auf der die vom IS verwendete Symbolik des islamischen Glaubensbekenntnisses in weißer Schrift auf schwarzem Grund zu erkennen war, an einer israelkritischen Demonstration in ... teil und setzte sich in deren Verlauf an die Spitze des Demonstrationszugs. Die von ihm auf diesem Weg erzwungene Einbindung der Symbolik des Islamischen Staates in eine die israelische Politik im Gazastreifen betreffende Demonstration legt nahe, dass der IS als umfassende Interessenvertretung der Muslime präsentiert werden sollte. Am 13. August 2014 veröffentlichte der Kläger auf den Internetplattformen Youtube und Facebook ein Video, welches das Gericht in der mündlichen Verhandlung in Augenschein nahm. In ihm wandte er sich an die Yeziden und rechtfertigte die Gewalttaten des IS. Er trug dabei schwarze Kleidung mit der vom IS verwendeten Symbolik des Glaubensbekenntnisses des Islam. Die Gräueltaten des IS, die dieser an den Yeziden begangen hatte, stellte er dort in Abrede bzw. rechtfertigte sie mit dem Verhalten der Yeziden. In der Videobotschaft bezeichnete er sich selbst als Mitglied der ISIS, indem er die Wir-Form benutzte. Dies unterstrich er auch durch seine Kleidung. Da das Video in deutscher Sprache veröffentlicht wurde, geht das Gericht davon aus, dass es nur vordergründig an die Yeziden im Herrschaftsbereich des IS gerichtet war und eigentlich dazu dienen sollte, Sympathisanten des Islamischen Staats im deutschen Sprachraum von der Richtigkeit und Legitimität dessen Handelns zu überzeugen.

c) Bei der vom Kläger betriebenen Sympathiewerbung ist davon auszugehen, dass diese sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirkt, indem der Kläger der allgemeinen Verurteilung dessen Gräueltaten das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegengesetzte und sich damit als Teil dessen Propagandamaschinerie betätigte. Dies genügt für das Vorliegen einer Unterstützungshandlung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Maßgeblich ist allein, dass die potentielle Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt wird. Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an (BVerwG, U. v. 15.3.2005, a. a. O., Rn. 25 m. w. N.).

Da der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG präventiven Charakter hat und nur der Gefahrenabwehr dient, kommt es auf die subjektive Vorwerfbarkeit grundsätzlich nicht an. Allerdings müssen die Unterstützungshandlungen dem Kläger auch zurechenbar sein, d. h. es muss für ihn erkennbar sein, dass er durch seine Handlungen eine terroristische Vereinigung unterstützt (BVerwG, U. v. 25.10.2011, a. a. O., Rn. 23). Soweit sein Bevollmächtigter in diesem Zusammenhang auf das erst am 12. September 2014 erfolgte Vereinsverbot gegen den IS verweist, steht dies einer Zurechenbarkeit nicht entgegen. Denn der Kläger kannte die Aktivitäten, Ziele und Methoden des IS, die zu dessen Einordnung als terroristische Vereinigung und zum Vereinsverbot führten. Auch die Vielzahl der in Syrien gegen das dortige Regime kämpfenden Gruppen spricht nicht gegen einen Zurechnungszusammenhang, da der Kläger stets klare Bezüge zum IS hergestellt hat. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers darauf verweist, der Kläger habe sich stets nur gegen die Tötung „Unschuldiger“ gewandt, kann dem nicht gefolgt werden. Denn im Kontext mit den Äußerungen des Klägers ist fraglich, was er mit dem Begriff „Unschuldige“ meint. Die Äußerungen in dem am 13. August 2014 veröffentlichten Video legen nahe, dass jemand, der sich dem Aufbau eines Gottesstaates unter der Geltung der Scharia durch den IS entgegensetzt, in den Augen des Klägers kein Unschuldiger ist. Auch seine Äußerungen auf seinem Facebook-Account nach dem Attentat auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris deuten darauf hin. Hier bekräftigt der Kläger, bei diesem Attentat seien keine Unschuldigen getötet worden, da die „Brüder“ es gezielt auf die Karikaturisten abgesehen hätten.

d) Es handelt sich bei den Aktivitäten des Klägers nicht um zurückliegende Unterstützungshandlungen, die keine gegenwärtige Gefährlichkeit mehr begründen. Der Bevollmächtigte des Klägers weist zwar darauf hin, dass der Kläger trotz der sich nunmehr bietenden Gelegenheit nicht nach Syrien gefahren ist, um dort am bewaffneten Dschihad teilzunehmen. Auch ist bisher nicht widerlegt, dass er seit der Bekanntmachung des Vereinsverbots gegen den IS dessen Symbolik nicht mehr öffentlich benutzte. Ein durchgreifender Gesinnungswandel oder eine glaubhafte Distanzierung von der Vereinigung Islamischer Staat ist jedoch nicht substantiiert vorgebracht oder erkennbar. Angesichts seiner aktuellen Äußerungen auf Facebook ist der Kläger vielmehr weiterhin in seinem radikalen Gedankengut verhaftet. Über die nicht erfolgte Reise nach Syrien hinaus ist nichts vorgebracht, was für eine eindeutige Distanzierung des Klägers von der Idee der Errichtung eines Gottesstaates unter Geltung der Scharia durch terroristische Aktivitäten spricht. Dies wird nur allgemein behauptet, jedoch nicht überzeugend durch Tatsachen belegt. Für derartige ihm günstige Umstände aus seiner Sphäre wäre der Kläger jedoch darlegungspflichtig (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Insbesondere müsste er konkrete Anhaltspunkte darlegen, die eine Zäsur zu seinen früheren Aktivitäten und eine Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus des IS belegen.

e) Da der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob daneben auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG vorliegen, der eine Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland fordert. Die freiheitlich demokratische Grundordnung wird durch Verhaltensweisen des Ausländers gefährdet, die auf eine grundlegende Umformung der verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet sind und die Grundprinzipien des Grundgesetzes missachten. Die freiheitlich demokratische Grundordnung muss dabei durch Handlungen des Ausländers gefährdet werden. Erforderlich ist hierfür eine nicht bloß entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2014, § 54 Rn. 38). Fraglich ist, ob Bestrebungen zur Errichtung eines die Grundwerte des Grundgesetzes missachtenden Rechtssystems auf ausländischem Boden den Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG erfüllen können, wenn dieses angestrebte Staatsgebilde auf die Expansion nach außen und die Vernichtung Andersgläubiger und Andersdenkender gerichtet ist. In diesem Zusammenhang wäre auch zu prüfen, inwieweit die Unterstützungshandlungen des Klägers ausschließlich auf die Aktivitäten des IS in Syrien und im Irak gerichtet sind oder er sich entgegen seiner Beteuerung auch aggressivkämpferisch gegen die Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wendet. Einer Klärung dieser Fragen musste das Gericht im vorliegenden Fall nicht nachgehen, da jedenfalls der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist auch mit unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Zur Bestimmung der Bedeutung und der Tragweite des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Vergangenheit auf die Richtlinie 64/221/EWG abgestellt. Nachdem diese Richtlinie inzwischen durch die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) aufgehoben wurde, gilt für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nunmehr ein anderer unionsrechtlicher Bezugsrahmen. Für einen Ausländer, der sich - wie der Kläger - seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, ist dies mangels günstigerer Vorschriften im Assoziationsrecht EWG/Türkei die Vorschrift des Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie (RL 2003/109/EG). Diese stellt eine Vorschrift zum Mindestschutz vor Ausweisungen von Drittstaatsangehörigen dar, die in einem Mitgliedstaat die Rechtstellung von langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzen (EuGH vom 8.12.2011, Rs C - 371/08, Siebell, NVwZ 2012, 422 ff.; BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 17; BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 juris Rn. 14 ff.).

Unter Beachtung des sich hieraus ergebenden besonderen Schutzes des Klägers vor einer Ausweisung kann er gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, U. v. 8.12.2011, a. a. O.). Dies ist hier der Fall. Damit sind auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG gegeben, die gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG bei Erfüllung des Regelausweisungstatbestandes des § 54 Nr. 5 in der Regel vorliegen.

a) Angesichts der Sympathiewerbung des Klägers für die Vereinigung „Islamischer Staat“ kommt dem Ausweisungsanlass im vorliegenden Fall ein besonderes Gewicht zu. Der Kläger hat im Internet die Legitimität dieser Vereinigung propagiert und ihre Gräueltaten geleugnet bzw. verharmlost. Er war zudem Kopf einer Gruppe in ..., in der junge Männer in einem radikalislamischen Religionsverständnis bestärkt wurden. Nach Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Vertreters der Polizei entwickelte sich der Kläger zu einer zentralen Figur innerhalb dieser Gruppierung. Angesichts der gewaltverherrlichenden Facebookeinträge des Klägers, seines Ausreiseversuchs und der im Jahr 2013 erfolgten Ausreise eines Gruppenmitglieds nach Syrien muss davon ausgegangen werden, dass sich die Gruppe intensiv mit dem bewaffneten Dschihad und dem Streben nach einer auf der Scharia basierenden Rechts- und Gesellschaftsordnung auseinandersetzte. Das Unterbinden der Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, da dadurch dem internationalen Terrorismus bereits im Vorfeld die logistische Basis entzogen werden kann. Die Anwesenheit von Sympathisanten und radikalisierten Anhängern einer terroristischen Vereinigung ruft eine nur schwer berechenbare Gefährdungslage und angesichts der Anschlagsgefahr die Notwendigkeit von erheblichen Überwachungsmaßnahmen hervor. Nicht zuletzt zeigt sich das erhebliche Potential des Klägers, andere in seinem Sinne zu beeinflussen, daran, dass die Kemptener Gruppe junger Salafisten nach Aussagen des Zeugen stetig anwuchs und nach der Abschiebung des Klägers auseinanderfiel.

b) Bei Würdigung der Persönlichkeit des Klägers ist auch in Zukunft zu erwarten, dass er seine Anwesenheit im Bundesgebiet zur Werbung für den bewaffneten Dschihad und zu Aktivitäten, die auf eine Unterstützung des IS hindeuten, ausnutzen wird. Bei der Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 12 m. w. N.). Ein solcher Sonderfall liegt nicht vor, so dass die Kammer von der vom Klägerbevollmächtigten beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen konnte. Es ist nach der Auffassung der Kammer durchaus denkbar, dass der Kläger - wie sein Bevollmächtigter vorträgt - durch sein „Posing“ provozieren wollte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und nach dem offiziellen Vereinsverbot des IS dessen Symbolik nach seiner eigenen, nicht widerlegten Aussage öffentlich nicht mehr verwendete. Er beteuerte zudem, sich an die Gesetze zu halten, wenngleich er die Demokratie aus religiösen Gründen ablehnen müsse. Obwohl er nunmehr nicht mehr rechtlich daran gehindert ist, nach Syrien auszureisen, und wohl auch mit wenig Aufwand dorthin gelangen könnte, nimmt er am bewaffneten Dschihad bisher nicht teil und hat auch keine militärische Ausbildung absolviert. Sein radikales Religionsverständnis und die entschiedene Ablehnung der Demokratie, seine fehlende Erreichbarkeit durch gemäßigtere Anschauungen, seine intensive Beschäftigung mit dem bewaffneten Dschihad sowie sein Werben für dessen Legitimität führen jedoch dazu, dass er für die Sicherheitskräfte ein unkalkulierbares Risiko darstellt. Dies gilt sowohl hinsichtlich einer weiteren Werbung für den Kampf des IS als auch für andere mögliche Formen der logistischen Unterstützung des internationalen Terrorismus. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die mögliche Rechtsverletzung ist. Die Gefahr von Terrorakten, die von Unterstützern oder Sympathisanten des IS ausgeht und für die der Kläger durch seine Sympathiewerbung den Boden bereitet, ist dabei so schwerwiegend, dass an die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Beteiligung des Klägers hieran nur geringe Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt umso mehr, als die Radikalisierung potentieller Täter, zu welcher der Kläger durch seine Sympathiewerbung beiträgt, oftmals über das Internet verläuft und von den Sicherheitsbehörden nicht oder nur unzureichend überwacht werden kann. Der Kläger ist nach wie vor fest in dem Gedankengut der Legitimität des bewaffneten Dschihad verhaftet. In einem Gespräch am 5. September 2014, das zwei Polizeibeamte mit ihm zu Hause führten, kamen diese zu dem Ergebnis, dass der Kläger in seiner radikalen Denkweise als Anhänger des IS nicht mehr erreichbar sei. Seine Argumente seien verfestigt und die Zuneigung zu den Propagandarednern wie z. B. Pierre Vogel unumstößlich. Auch in diesem Gespräch rechtfertigte er das Töten durch den Islamischen Staat, wenn sich jemand mit Gewalt gegen diesen stellt. Der Koran legitimiere dieses Vorgehen des IS. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger nunmehr von diesem Gedankengut distanziert hat. Die aktuellen Auszüge aus seinem Facebook-Account, insbesondere auch die bereits oben erwähnten Kommentare nach den Anschlägen in Paris im Januar diesen Jahres, belegen vielmehr, dass er sich weiterhin einer radikalen Ideologie verpflichtet fühlt.

c) Bei Würdigung der erheblichen Radikalisierung des Klägers muss von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden, die angesichts des hohen Rangs der betroffenen Schutzgüter schwer wiegt. Unter Beachtung des besonderen Schutzes des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 und des Art. 12 RL 2003/109/EG rechtfertigt dies jedoch nicht automatisch die Ausweisung des Klägers. Vielmehr ist eine Abwägung aller betroffenen Belange unter besonderer Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Grundrechte des Betroffenen, insbesondere seines Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorzunehmen. Dabei sind die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, die Folgen der Ausweisung für ihn und seine Familie sowie seine Bindungen zum Aufenthaltsstaat und fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (vgl. auch Art. 12 Abs. 3 RL 2003/109/EG).

Die unter Einstellung sämtlicher berührter Belange vorgenommene Abwägung durch die Kammer ergibt, dass die Ausweisung des Klägers für die Wahrung der Grundinteressen der Gesellschaft auch im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung unerlässlich im Sinne der Rechtsprechung des EUGH ist. Dabei waren die von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Ihnen muss ein erhebliches Gewicht beigemessen werden. Der Kläger ist als Kleinkind in das Bundesgebiet eingereist und hier aufgewachsen. Seine familiären Beziehungen pflegte er fast ausschließlich im Bundesgebiet, hier befinden sich seine Eltern und seine beiden Schwestern. In der Türkei hat er nur entfernte Verwandte. Darüber hinaus hat er im Bundesgebiet einen höheren Schulabschluss erworben, der ihm eine fundierte Berufsausbildung ermöglicht. Durch die Ausweisung wird er nicht nur von seiner Familie getrennt, sondern verliert auch die Chance, hier beruflich Fuß zu fassen. Er selbst sowie seine engere Familie sind faktische Inländer, die in den hiesigen Verhältnissen fest verwurzelt sind. Dennoch ist dem Kläger bei Abwägung der Gesamtumstände und insbesondere im Hinblick auf die von ihm ausgehende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter eine Rückkehr in die Türkei zumutbar. Er ist volljährig, unverheiratet und kinderlos, so dass der Aufbau einer neuen Existenz in der Türkei zumutbar erscheint. Nach Angaben seines Bevollmächtigten sind seine Kenntnisse der türkischen Sprache zwar so begrenzt, dass sie einer Berufsausbildung entgegenstehen. Der Kläger kann jedoch zumindest am Anfang auf die Unterstützung in der Türkei lebender entfernterer Verwandtschaft zurückgreifen, so dass die persönliche und wirtschaftliche Integration möglich erscheint.

d) Da der Kläger sowohl ein assoziationsrechtlich begründetes als auch ein gefestigtes nationales Aufenthaltsrecht besitzt, darf er nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden (Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über die Ausweisung erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet. Insbesondere bei im Bundesgebiet aufgewachsenen Ausländern, die über keine oder nur geringe Bindungen an ihr Herkunftsland verfügen, ist in besonderem Maße deren Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) zu berücksichtigen.

Gemessen an diesen Vorgaben ist die Ermessensausübung des Beklagten in Anwendung des durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Prüfungsrahmens nicht zu beanstanden. Er hat sämtliche Belange ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in seine Ermessensentscheidung eingestellt. Insbesondere kann entgegen dem Klagevorbringen nicht beanstandet werden, dass die Vorgaben der UN-Resolution 2170 (2014), die auf die Unterbindung der Ausreise von Dschihadisten nach Syrien gerichtet ist, kein Gewicht eingeräumt wurde. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde lediglich die Rückführung des Klägers in sein Heimatland Türkei angeordnet. Die Türkei unterliegt als Teil der Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen ebenso den Verpflichtungen der Resolution wie die Bundesrepublik Deutschland. Daneben sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahren nicht überschritten. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte das öffentliche Interesse daran, den Aufenthalt des Klägers zu beenden, höher gewichtet hat, als dessen Interesse an einem Verbleib in Deutschland.

IV.

Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids begegnet keinen rechtlichen Bedenken, so dass keine Verpflichtung auszusprechen war, eine kürzere Frist festzusetzen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ist rechtsfehlerfrei erfolgt. Seit dem Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 Rn. 30 ff.; BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris Rn. 38 ff.). Die Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Überprüfung. Die Frist darf gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Kammer hält im vorliegenden Fall eine Frist von sieben Jahren für angemessen.

1. Bei der Bemessung der unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der Einschätzung im Einzelfall, wie lange es aus Gründen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt erscheint, den Betroffenen vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fern zu halten. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden (BVerwG, U. v. 13.12.2012, a. a. O., Rn. 40). Da die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Kläger den Terrorismus der Vereinigung Islamischer Staat unterstützt und er auch weiterhin ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Auszüge aus seinem Facebook-Account in einem radikal islamischem Gedankengut verhaftet ist, ist davon auszugehen, dass von ihm eine erhebliche potentielle und nur schwer kalkulierbare Gefahr ausgeht, die im Falle seiner Anwesenheit im Bundesgebiet beträchtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr notwendig machen würden. Deshalb ist zunächst von der regelmäßigen Höchstdauer für die Befristung von zehn Jahren auszugehen.

Die an Hand einer Gefahrenprognose ermittelte Frist muss sich an höherrangigem Recht, d. h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen lassen und ist daher in einem zweiten Schritt zu relativieren (BVerwG, U. v. 13.12.2010, a. a. O., Rn. 41). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einen wesentlichen Einschnitt in die Lebensführung des Klägers bedeutet. Er ist durch sie von seinen Eltern und seinen beiden Schwestern getrennt, verliert die Perspektive, in der Bundesrepublik Deutschland beruflich Fuß zu fassen und wird auf ein Land verwiesen, das ihm als faktischen Inländer fremd ist. Angesichts der persönlichen Bindungen des Klägers an Deutschland war ein Abschlag von der Höchstdauer vorzunehmen, der mit drei Jahren angemessen gewichtet ist.

2. Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren konnte im vorliegenden Fall überschritten werden, da vom Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Dies ergibt sich aus dem Ausweisungsanlass, da die durch Tatsachen gerechtfertigte Annahme der Unterstützung des Terrorismus ein grundlegendes Sicherheitsinteresse des Staates berührt.

3. Das Gericht hat bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es sich bei der Befristungsentscheidung um eine allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse gestützte Prognose handelt und sie jederzeit bei Änderung der Verhältnisse nach oben oder nach unten korrigiert werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn sich Anhaltspunkte für eine weitere Radikalisierung des Klägers oder für eine glaubwürdige Abkehr von der Ideologie des IS ergäben. In letzterem Fall wäre davon auszugehen, dass die Beklagte auf einen entsprechenden Antrag hin eine kürzere Frist zu bestimmen hätte.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. November 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. November 2015 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

2

Die Antragsgegnerin hat zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in ihrer Verfügung vom 6. November 2015 entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend schriftlich begründet. Die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmende vorläufige Interessenabwägung – zwischen dem persönlichen Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit und dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der baldigen Wirkung der Rücknahme der Einbürgerung – fällt aber zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn nach einer – dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechenden – summarischen Prüfung (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 125, 152, 158) dürfte die genannte Verfügung, mit der nach § 35 Abs. 1 StAG die Einbürgerung des Antragstellers in den deutschen Staatsverband rückwirkend auf den 12. September 2014 zurückgenommen wurde, jedenfalls derzeit rechtswidrig sein. Zwar dürften die formellen (1.) und die materiellen (2.) Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Entscheidung ist aber ermessensfehlerhaft ergangen (3.). Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt daher das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (4.).

3

1. Die formellen Voraussetzungen für die Rücknahme der Einbürgerung vom 12. September 2014 waren erfüllt. Insbesondere erfolgte die Rücknahme, die am 9. November 2015 im Wege der Zustellung des Bescheides bekanntgegeben wurde, innerhalb der Fünf-Jahresfrist nach § 35 Abs. 3 StAG. Der Antragsteller war auch – mit Schreiben vom 6. Juli 2015 – zur beabsichtigten Rücknahme angehört worden.

4

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 StAG dürften ebenfalls vorliegen: Die Einbürgerung dürfte rechtswidrig gewesen sein (a.) und der Antragsteller dürfte sie durch arglistige Täuschung erwirkt haben (b.).

5

a. Die nach § 10 StAG vorgenommene (Anspruchs-)Einbürgerung des Antragstellers dürfte nach summarischer Prüfung rechtswidrig i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG gewesen sein. Zwar dürfte es nicht an einer der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG fehlen (aa.). Der Einbürgerung dürfte aber das Einbürgerungsverbot des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben (bb.).

6

aa. Zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe am 12. September 2014 dürften sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG vorgelegen haben. Insbesondere dürfte es nicht an dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG erforderlichen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Erklärung zu etwaigen verfassungsfeindlichen oder extremistischen Aktivitäten (sog. Loyalitätserklärung) fehlen. Hierbei dürfte es sich bloß um eine formelle Einbürgerungsvoraussetzung handeln (vgl. zum Folgenden Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht – GK-StAR, Stand: Oktober 2014, § 10 StAG Rn. 134 ff., insbesondere Rn. 135 m.w.N. auch zur Gegenansicht und Rn. 136, 141 ff. mit entstehungsgeschichtlichen Argumenten; siehe ferner VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 41 ff.). Wenn bereits im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden wäre, ob das abgegebene Bekenntnis bzw. die Loyalitätserklärung inhaltlich zutreffend ist, würde § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG keine eigenständige Bedeutung haben. Dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG – über die Anforderungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hinaus – eine verfassungsfreundliche Gesinnung als materielle Voraussetzung der Einbürgerung konstituiert, dürfte nicht nahe liegen. Jenseits innerer, nicht überprüfbarer mentaler Vorbehalte kann die Frage, ob ein Bekenntnis oder eine Loyalitätserklärung „wahrheitsgemäß“ ist, sinnvoll nur anhand tatsächlicher Anhaltspunkte geprüft und entschieden werden und zwar im Rahmen der Prüfung von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.

7

bb. Nach Aktenlage dürfte der Einbürgerung zum Zeitpunkt ihres Vollzuges am 12. September 2014 ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben. Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung u.a. dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Die in dieser Vorschrift zum Einbürgerungsverbot zusammengefassten Voraussetzungen bezwecken, dass mit Blick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG ein bloßes „Lippenbekenntnis“ nicht für die Einbürgerung ausreicht. Die Vorschrift bewirkt eine Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter weit in das Vorfeld konkreter Sicherheitsgefährdungen. Zweck der Bestimmung ist es, die Einbürgerung etwa von radikalen Islamisten auch dann verhindern zu können, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können, aber zumindest der begründete Verdacht besteht, dass Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützt werden, die für den deutschen Staat wesentlich sind (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 18 f. zur gleich lautenden Vorgängerregelung des bis zum 31.12.2004 geltenden § 86 Nr. 2 AuslG; BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 15).

8

Bei summarischer Prüfung dürften zumindest im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vorgebrachten Anknüpfungstatsachen und vor dem Hintergrund der herabgesetzten Anforderungen an ihren Nachweis tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen (1) unterstützt (2) hat.

9

(1) Bei den Bestrebungen, mit denen sich der Antragsteller beschäftigt haben soll, handelt es sich um verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) BVerfSchG solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Der Nachweis, dass eine Organisation derartige Ziele verfolgt, hat als geführt zu gelten, wenn und sobald sie vereinsrechtlich verboten worden ist (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 71). Dies ist mit Blick auf die jihadistisch-salafistische Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) der Fall. Mit Verfügung vom 12. September 2014 hat der Bundesminister des Innern die Betätigung des IS verboten (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015 – 1 K 14.1546, juris Rn. 36 zur terroristischen Betätigung des IS gemäß § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.). Der IS verfolgt zudem Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Derartige Bestrebungen liegen bereits dann vor, wenn eine Organisation zwar nicht im Bundesgebiet Gewalt anwendet, wohl aber im Herkunftsland – wie hier in Syrien und im Irak – gewaltförmig agiert. Zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland gehört das Bestreben, Gewaltanwendung jedenfalls außerhalb von staatlich getragenen bewaffneten Interventionen nach Maßgabe der UN-Charta als Mittel der Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Interessen und Ziele umfassend zu bannen (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 30.9.2004 – 10 K 6189/03, juris Rn. 30). Aufgrund der Aufrufe des IS an seine Unterstützer, im westlichen Ausland Anschläge zu begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 26 f., 32; siehe auch die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris, zu denen sich der IS bekannte), verfolgt der IS gleichzeitig Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.

10

Der jihadistische Salafismus stellt auch im Übrigen eine Bestrebung dar, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist (vgl. VG Aachen, Urt. v. 19.11.2015 – 5 K 480/14, juris Rn. 72; VG Minden, Urt. v. 27.10.2015 – 8 K 1220/15, juris Rn. 27 ff.). Der Salafismus verfolgt das Ziel, Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte" Ordnung angesehen und propagiert wird, umzugestalten und befürwortet dabei die Anwendung von Gewalt (entgegen § 4 Abs. 2 lit. f] BVerfSchG: Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft). Für Salafisten ist Allah der einzige Souverän und die Scharia das von ihm offenbarte – und damit einzig legitime – Gesetz (entgegen § 4 Abs. 2 lit. b] BVerfSchG: Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht). Demokratie ist in ihren Augen eine falsche „Religion". Gesetze können der salafistischen Ideologie zufolge nur von Gott kommen (Prinzip der göttlichen Souveränität) und niemals vom Volk. Die Volkssouveränität als wesentliches Element der Demokratie westlicher Prägung (vgl. § 4 Abs. 2 lit. a] und lit. d] BVerfSchG) ist demnach unvereinbar mit dem religiös argumentierenden Salafismus. Die salafistische Ideologie widerspricht in wesentlichen Punkten (Gesellschaftsbild, politisches Ordnungssystem, Gleichberechtigung, individuelle Freiheit) den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. zum Vorstehenden Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 40 f.; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 137 f.). Auch weitere von dem Antragsteller vermeintlich bei Facebook mit einem „Like“ versehene Organisationen verfolgen derartige Bestrebungen: Bei der „al-Nusra-Front“ handelt es sich um einen Ableger der Terrororganisation al-Qaida (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 33 f.). Die in Nigeria äußerst brutal agierende Organisation „Boko Haram“ legte im März 2015 ihren Treueeid auf den selbsternannten IS-Kalifen Baghdadi ab (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 36). Die Hamburger „Dawa“(= Missionierung)-Gruppen werden ebenso wie die Gruppen „Lies! Hamburg“ und „Jesus im Islam“ aufgrund ihrer Nähe zur salafistischen Szene vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 43 ff.).

11

(2) Aufgrund der summarischen Prüfung und Würdigung der in den vorliegenden Akten enthaltenen Feststellungen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ungeachtet verschiedener Zweifel in tatsächlicher Hinsicht vieles dafür spricht, dass der Antragsteller bereits im Zeitraum vor der Einbürgerung derartige Bestrebungen unterstützt hat.

12

Ausgehend vom obengenannten Zweck der Bestimmung, einer Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter, ist eine Unterstützung jede eigene Handlung, die für Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64; vgl. auch VGH München, Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01 1805, juris Rn. 32 zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dazu zählt jedes Tätigwerden auch eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64). Als Unterstützungshandlungen gelten etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805, juris Rn. 32; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 96.2). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, weil schon die Erhöhung des Gefährdungspotentials dieser Bestrebungen verhindert werden soll (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 5.12.2007 – 1 K 1851/06, juris Rn. 20). Die Handlung muss dem Betroffenen nicht subjektiv vorwerfbar sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2008 – 5 N 19.06, juris Rn. 9; VGH Mannheim, Urt. v. 10.11.2005 – 12 S 1696/05, juris Rn. 26). Daher ist auch unerheblich, ob die maßgeblichen Handlungen strafrechtlich relevant sind (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 65). Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24.08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18).

13

Das Vorliegen einer Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 66 f.). Allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht. Die Annahme darf nicht „aus der Luft" gegriffen bzw. willkürlich sein. Tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, sind konkrete auf den Einbürgerungsbewerber bezogene Umstände, die von der Einbürgerungsbehörde dargelegt und einer Beweisführung zugänglich gemacht werden müssen.

14

Für die Rücknahme unbeachtlich sind dabei Aktivitäten, die der Eingebürgerte erst nach Vollzug der Einbürgerung aufnimmt. Sie indizieren ohne Hinzutreten weiterer, dann aber selbständig zu beurteilender Umstände wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Sinneswandels auch nicht, dass der Eingebürgerte weitere (nicht bekannte) Aktivitäten bereits vor der Einbürgerung entfaltet hat (vgl. GK-StAR, § 10 StAG Rn. 155). Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Eingebürgerte erst (und nur) nach Vollzug der Einbürgerung verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat, ist die Einbürgerung rechtmäßig. Die Rücknahme gemäß § 35 StAG scheidet dann aus. Der Widerruf einer rechtmäßigen Einbürgerung ist vor dem Hintergrund von Art. 16 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Insoweit ist vorliegend zu unterscheiden zwischen Aktivitäten, die vor dem Zeitpunkt des Einbürgerungsvollzugs – hier dem 12. September 2014 – und solchen, die erst danach entfaltet wurden. Der weitestgehend pauschale Verweis der Antragsgegnerin auf die Klageerwiderung in dem parallel anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren 19 K 3103/15, in dem sich der Antragsteller u.a. gegen die Entziehung seines Passes wendet, ist deshalb nicht zielführend. Im Rahmen der §§ 7, 8 PassG kommt es anders als im Rahmen von § 35 StAG darauf an, ob im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (bzw. im Klageverfahren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Bei der Passentziehung handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. § 35 StAG ermöglicht hingegen die Rücknahme erschlichener oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkter Einbürgerungen und die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände (vgl. eingehend BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04, juris).

15

Gemessen an diesen Maßstäben liegen Anknüpfungstatsachen für Unterstützungshandlungen im obigen Sinn vor. Hierzu im Einzelnen:

16

(a) Der Umstand, dass der Antragsteller dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) seit Ende 2014 in Zusammenhang mit einer im Internet aktiven Dawah-Gruppe mit Bezug zum IS bekannt gewesen ist, wie es im Bescheid zur Passentziehung heißt, ist zwar kein relevanter Anknüpfungspunkt, denn nähere Angaben dazu, inwiefern der Antragsteller diese Gruppe unterstützt hat, liegen nicht vor.

17

(b) Auch eine von der Antragsgegnerin behauptete Ausreisebereitschaft des Antragstellers nach Syrien – um sich dort dem IS anzuschließen – dürfte als Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Unterstützungshandlung nicht ausreichen. Die Ausreisebereitschaft wird von der Antragsgegnerin ausschließlich auf die Aussage einer Frau H gestützt, mit der der Antragsteller über verschiedene Kommunikationsplattformen im Internet Kontakt gehabt haben soll. Nach Angaben des LKA Baden-Württemberg sei Frau H selbst Sympathisantin des IS. Im Telefonbuch ihres Mobiltelefons wurde eine Nummer gefunden, die dem Antragsteller zuzuordnen ist. Frau H konnte in ihrer Zeugenbefragung teilweise zutreffende Angaben über den Antragsteller machen (Alter, Wohnort, Aussehen, Herkunft). Es erscheint danach durchaus plausibel, dass sie Kontakt zu dem Antragsteller hatte und er ihr gegenüber geäußert hat, nach Syrien reisen zu wollen, obwohl der IS „schlecht“ sei. Während sich in der Akte des LKA Baden-Württemberg von anderen Chats, die Frau H mit Sympathisanten des IS geführt haben soll, Screenshots finden, ist dies für den vermeintlichen Chat mit dem Antragsteller jedoch nicht der Fall. Es ist auch nicht klar, ob Frau H die Äußerung in einem WhatsApp-Chat, über ask.fm oder über ein anderes Portal oder einen anderen Kommunikationsweg getätigt hat. Aus der Akte des LKA Baden-Württemberg zur Befragung von Frau H am 19. Dezember 2014 ergibt sich zudem nicht, wann (vor oder nach Vollzug der Einbürgerung) das entsprechende Gespräch stattgefunden haben soll. In einem Gesprächsvermerk des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) heißt es, dass die Äußerung im Dezember 2014 und damit nach Vollzug der Einbürgerung erfolgte. Die in der Akte des LKA Baden-Württemberg dokumentierte Aussage dürfte für sich genommen – insbesondere auch wegen ihrer inhaltlichen Widersprüchlichkeit – daher nicht als Anhaltspunkt reichen. Der Sachverhalt wäre ggf. in einem Hauptsacheverfahren durch Vernehmung der Frau H als Zeugin aufzuklären.

18

(c) Bei der Gewahrsamnahme des Antragstellers am 10. Oktober 2014 handelt es sich um einen Vorgang, der nach dem Vollzug der Einbürgerung stattfand und damit isoliert betrachtet nicht herangezogen werden kann. Im Übrigen bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller im Oktober 2014 an den gewaltsamen Ausschreitungen zwischen kurdischen Volkszugehörigen und Angehörigen der islamistischen Szene in St. Georg beteiligt hat. Die Ausschreitungen fanden am 7. und 8. Oktober 2014 statt. Der Antragsteller wurde laut Polizeibericht am 10. Oktober 2014 vor der Moschee „M“ nach Beendigung des dortigen Freitagsgebetes „als Teil einer relevanten Personengruppe festgestellt“ und aufgrund einer bei ihm aufgefundenen Sturmhaube in Gewahrsam genommen, weil befürchtet wurde, dass er „bei weiteren Zusammenrottungen seine Identität durch das Tragen der Sturmhaube verschleiern will“. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Antragsteller ein konkretes Verhalten beabsichtigt haben könnte, das den o.g. Bestrebungen förderlich gewesen wäre. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es am 10. Oktober 2014 überhaupt zu Ausschreitungen – wie am 7. und 8. Oktober 2014 – gekommen ist oder kommen sollte (vgl. auch Lageinformation aktuelle Entwicklung Kurden vs. IS, Gerichtsakte 19 K 3103/15, Bl. 108 ff.). Die Personenkontrollen am 10. Oktober 2014 hat die Polizei offenbar unter dem Eindruck der Geschehnisse vom 7. und 8. Oktober 2014 durchgeführt. Die bloße Anwesenheit des Antragstellers vor einer Moschee in einem Gebiet, in dem es Tage zuvor zu Ausschreitungen gekommen ist, dürfte für sich genommen keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für eine Unterstützungshandlung darstellen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass bei dem Antragsteller eine Sturmhaube gefunden wurde. Im Eilverfahren 19 E 3104/15 hatte der Antragsteller vorgetragen, dass es sich bei der angeblichen Sturmhaube um einen Gesichtsschutz handele, den er beim Kart fahren kurz vor der Gewahrsamnahme getragen habe. Auch der weitere Vortrag des Antragstellers, er habe den Imbiss seines Vaters besuchen wollen, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dieser ist nur wenige hundert Meter von der Moschee entfernt. Eine Berücksichtigung der Gewahrsamnahme wäre nur im Rahmen einer Gesamtschau mit Blick auf die vom Antragsteller gegenüber den Polizisten getätigten Äußerungen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) möglich, soweit es um die Konversion des Antragstellers zum Islam geht (siehe dazu unten).

19

(d) Tatsächliche Anhaltspunkte für Unterstützungshandlungen des Antragstellers für verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen dürften sich aber aus dessen Aktivitäten im Internet ergeben.

20

Es spricht aufgrund der Stellungnahme des LfV vom 4. September 2015 vieles dafür, dass das Profil „A R“ dem Antragsteller zuzuordnen ist. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass jemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis des Antragstellers die Profile bei Facebook und ask.fm eingerichtet hatte. Das LfV hat aber herausgearbeitet, dass der Name „A R“ auch von einem Profil auf der Plattform ask.fm benutzt worden ist, bei dem ein Foto des Antragstellers als Profilbild sichtbar war. Laut eines Gesprächsvermerks des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) haben zudem der Vater und der Onkel des Antragstellers geäußert, dass die problematischen Inhalte auf der Facebook-Seite „nur aus Spaß im Rahmen seiner letzten Geburtstagsfeier hochgeladen worden“ seien, was als weiteres Indiz dafür herangezogen werden kann, dass das Profil tatsächlich dem Antragsteller zuzuordnen ist. Zudem wurden sämtliche Facebook-Profile gelöscht, nachdem der LfV den Vater und den Onkel des Antragstellers Ende Januar 2015 mit den problematischen Inhalten konfrontiert hatte. Gleichwohl besteht über die Zuordnung des Profils „A R“ nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine Gewissheit.

21

Das Facebook-Profil „A R“ weist eine Vielzahl an Einträgen und Bildern sowie „Likes“ für solche Einträge und Bilder auf, die gewaltverherrlichend die Kämpfer des IS glorifizieren und den bewaffneten Jihad als Pflicht jedes gläubigen Muslims darstellen. Unter anderem wurde am 25. Oktober 2014 als Profilbild das Bild eines bewaffneten Jihadisten veröffentlicht, der vor einer schwarzen Flagge mit arabischen Schriftzeichen (womöglich der Flagge des IS) und Flammen steht. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich der Antragsteller selbst als eine Art „Glaubenskrieger“ ansieht. Am 23. Oktober 2014 wurde ein Bild eingestellt, das eine neue Form der Evolution suggeriert, die beim Kleinkind beginnt und in der Zuwendung zum Glauben mündet, zum „Glaubenskrieger“ führt und ihr Finale im Märtyrertum (symbolisiert durch einen grünen Vogel) findet. Es finden sich „Likes“ für Einträge von Personen, die nach Syrien gereist sind, um sich dort dem IS anzuschließen, z.B. für einen Eintrag von M B vom 20. Januar 2015, in dem dieser in Syrien gefallene „Märtyrer“ würdigt und „Likes“ für Bilder, mit denen Siege von „Glaubenskriegern“ in Syrien gefeiert werden. Es findet sich weiter ein „Like“ für den IS-Propaganda-Film „The Flames of War“, der massive Gewaltdarstellungen enthält. Weiter finden sich „Likes“ für die Organisationen „Lies! Hamburg“, „Hamburg Dawah Movement“, „Boko Haram“, „al-Nusra-Front“, „Jesus im Islam Hamburg“ sowie sonstige Inhalte mit Bezug zum Islam.

22

Der Unterstützungsbegriff des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG dürfte derartige Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter als öffentliche Befürwortung von verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen umfassen. Diese Art von Sympathiewerbung, bei der der allgemeinen Verurteilung der Gräueltaten des IS das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegensetzt wird, dürfte sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirken. Durch das Veröffentlichen von entsprechenden Inhalten in sozialen Netzwerken nimmt das radikale Gedankengut an Verbreitung zu. Der Veröffentlichende betätigt sich damit als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Dies dürfte nicht nur für eigene Einträge, sondern auch für „Likes“ gelten. Einträge, die mit einem „Like“ versehen werden, sind danach auf der Facebook-Seite desjenigen sichtbar, der den Eintrag „geliked“ hat. Die Möglichkeit der jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. „Kämpfer“ anzuwerben, erhöht sich. Die potentielle Gefährlichkeit des jihadistischen Salafismus wird dadurch gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt, denn die Radikalisierung potentieller „Glaubenskrieger“ verläuft oftmals über das Internet. Hierzu heißt es im Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 34 f.:

23

„2014 stand die salafistische Szene im Mittelpunkt der Beobachtung des Hamburger Verfassungsschutzes. Die Zahl der Salafisten, die den bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) befürworten stieg um mehr als das Dreifache von 70 auf 240 an. Zusammen mit den in Hamburg aktiven politischen Salafisten beträgt das salafistische Gesamtpotenzial mittlerweile rund 400 Personen (2013: 240). Der Anstieg insbesondere der jihadistisch orientierten Salafisten ist sowohl auf eine verbesserte Einblickstiefe des Verfassungsschutzes nach einer weiteren Schwerpunktsetzung seit Sommer 2014 als auch auf eine schnell zunehmende Radikalisierung speziell jüngerer Erwachsener zurückzuführen.

24

Eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung kommt den Ereignissen in den Krisenregionen Syrien und Irak zu, medial transportiert über soziale Netzwerke. Insbesondere junge Menschen, die auf der Suche nach Vorbildern sind und die zum Beispiel in Familien ohne Vater aufwachsen, ohne Integration in ihr soziales Umfeld sind und Brüche in ihrer Biografie haben, möglicherweise auch Probleme in der Schule, bei der Ausbildung oder der Arbeitsstelle, lassen sich für die militärischen Erfolge des „Islamischen Staates“ (IS) begeistern und haben der jihadistischen Szene einen Zulauf verschafft.
(….)

25

Diese rasante Steigerung ist auch auf die erfolgreichen Propagandastrategien der Salafisten zurückzuführen, mit denen sie in professioneller Weise für ihre Ziele werben. Vor allem über das Internet werden die salafistischen Ideologieinhalte in Form von Webseiten und Videosequenzen transportiert. Als weitere Aktionsformen werden im Rahmen der „Straßenmission“ unter anderem Infotische auf öffentlichen Plätzen und Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Gerade für junge Menschen stellen diese Propagandastrategien die ersten Berührungspunkte zum Salafismus dar.“

26

Nach Angaben des LfV soll der Antragsteller über das Profil „A R“ zudem schwerpunktmäßig mit Personen befreundet sein, die der jihadistisch-salafistischen Szene in Hamburg zugeordnet werden können. Persönliche Kontakte oder Freundschaften des Betroffenen mit Personen, die sicherheitsgefährdende Aktivitäten entfalten, können tatsächliche Anhaltspunkte i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bilden. Erforderlich ist aber, dass die Freundschaft gerade auf einer Übereinstimmung der politisch-gesellschaftlichen Anschauungen beruht und der Betroffene mit der Einstellung des Freundes/der Kontaktperson sympathisiert und diese gutheißt (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 17.6.2010 – 5 K 1466/09, juris Rn. 21). Ob dies hier der Fall ist, kann vom Gericht derzeit nicht abschließend bewertet werden, da sich weitergehende Erkenntnisse über die einzelnen Personen nicht in den Stellungnahmen des LfV befinden. Auffällig ist aber, dass es sich bei den Kontakten offenbar – zumindest teilweise – nicht nur um bloße Internetbekanntschaften handelt. Einige der Facebook-Freunde, die vom LfV der jihadistisch-salafistischen Szene zugerechnet werden, gehören auch nach Angaben der Familie des Antragstellers zu seinen besten Freunden (und wohnen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft).

27

Diese Handlungen dürften auch gegen den Antragsteller verwendet werden können. Zwar sind nach Angaben des LfV die Facebook-Aktivitäten vor allem bei der Auswertung des Facebook-Profils (erst) am 26. Januar 2015 festgestellt worden. Viele der veröffentlichten Beiträge stammen aus der Zeit nach Vollzug der Einbürgerung am 12. September 2014. Auch soweit vor dem 12. September 2014 veröffentlichte Beiträge mit einem „Like“ versehen worden sind, ist nicht auszuschließen, dass dies erst zu einem späteren Zeitpunkt geschehen ist. In den meisten Fällen ist den vom LfV gefertigten Ausdrucken das Datum des „Like“ nicht zu entnehmen. Dasselbe gilt überwiegend für den Zeitpunkt der Aufnahme der Freundschaften zu vermeintlichen Mitgliedern der jihadistisch-salafistischen Szene. Unklarheiten in Bezug auf den Zeitpunkt einer Unterstützungshandlung dürften zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.

28

Folgende Inhalte stammen aber ohne Zweifel aus einem Zeitraum vor dem Vollzug der Einbürgerung:

29

Zunächst finden sich diverse Inhalte, die Sympathien für den muslimischen Glauben zum Ausdruck bringen, wie z.B. die Veröffentlichung eines Profilfotos am 3. April 2014 mit der Inschrift „Ich bezeuge, dass niemand mit Recht angebetet wird außer Allah und dass Muhammad Sallallamu Alleihi wa Sallam der Gesandte Allahs ist“, eines Profilfotos am 11. Juni und 21. August 2013 mit der Inschrift „Ich bin ein Muslim, der Islam ist perfekt, ich bin es nicht. Wenn ich einen Fehler mache, so gib mir die Schuld, nicht dem Islam…“ und eines Profilfotos am 27. Juni 2013 mit der Inschrift „La ilaha illa Allah“. Diese Beiträge deuten als solche nicht auf Unterstützungshandlungen hin. Der Umstand, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert sein könnte, dürfte aber im Rahmen einer Gesamtschau als Indiz einzubeziehen sein (siehe dazu unten).

30

Mit einigen Facebook-Freunden ist „A R“ bereits seit 2013 befreundet. Inwieweit einzelne dieser Personen der jihadistisch-salafistischen Szene zugeordnet werden können, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher zu untersuchen. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass im Freundesbereich des Profils Überschneidungen mit dem Klarnamenprofil des Antragstellers bestehen (teilweise ebenfalls seit 2013) und auch diese Personen laut LfV der jihadistisch-salafistischen Szene angehören sollen.

31

Im Juni 2013 wurden die Facebook-Seiten „PierreVogel.de“ und „Al-Haqq News“ mit einem „Like“ versehen. Pierre Vogel ist ein deutscher salafistischer Prediger, der vom evangelischen Christentum zum sunnitischen Islam konvertiert ist (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2013, S. 225; Verfassungsschutzbericht Hamburg 2013, S. 31; s.a. Wikipedia-Eintrag „Pierre Vogel“, Abruf v. 19.2.2016). Er war Mitglied des inzwischen aufgelösten salafistischen Vereins „Einladung zum Paradies“ (kurz EZP), der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde (vgl. Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 139). Bei „Al Haqq“ dürfte es sich um „Asa’ib Ahl al-Haqq“ handeln, eine paramilitärisch geführte, schiitische Extremistengruppe im Irak und Syrien (vgl. http://www.theguar-dian.com/world/2014/mar/12/iraq-battle-dead-valley-peace-syria; s.a. Wikipedia-Eintrag „Asa’ib Ahl al-Haqq“, Abruf jeweils v. 19.2.2016).

32

Auf einem am 24. August 2014 eingestellten Profilbild, das mit „A R al Indi“ (der Zusatz „al Indi“ könnte auf die indischen Wurzeln der Familie des Antragstellers hindeuten) überschrieben ist, wird ein muskulöser Mann in schwarzer Kleidung, mit schwarzem Bart und dunkler Sonnenbrille dargestellt. Es soll sich wohl um eine Art „Glaubenskrieger“ handeln. Gewissermaßen hinter oder auf der linken Schulter des Mannes ist ein schwarzes Banner zu erkennen. Das schwarze Banner ist eine Flagge, die von vielen islamistischen Terrororganisationen wie al-Qaida sowie dem IS benutzt wird (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/kobane-islamischer-staat-macht-angst-mit-schwarzer -flagge-a-995797.html.; s.a. Wikipedia-Eintrag „Schwarzes Banner“, Abruf jeweils v. 19.2.2016). Auf dem Gürtel des Mannes befinden sich zwei gekreuzte Säbel. Die Säbel gelten als ein Symbol des Islam und als Erkennungszeichen islamischer Kämpfer (vgl. Wikipedia-Eintrag „Scimitar“ – Synonym für Säbel –, Abruf v. 19.2.2016). Mit der Darstellung des portraitierten Mannes als nahezu übernatürlich stark wird suggeriert, dass man als „Glaubenskrieger“ so sei – womöglich gar zu neuer Stärke finde, wenn man für den IS kämpfe. Ein derartiges Bild kann andere junge Männer, die auf der Suche nach Orientierung im Leben sind, beeinflussen und sie dazu bringen, sich einer radikalen islamistischen Gruppierung wie dem IS anzuschließen (s.o. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014 zur von islamistischer Propaganda in sozialen Netzwerken im Internet ausgehenden Gefahr).

33

Die ohne Zweifel vor dem Vollzug der Einbürgerung veröffentlichten Inhalte und „Likes“ dürften bereits für die Bejahung von relevanten Unterstützungshandlungen genügen. Die Anhaltspunkte gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG müssen nach Art und Gewicht geeignet sein, eine dauernde Identifikation des Betroffenen mit den verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen zu indizieren (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 98). Dieses Mindestmaß an Nachhaltigkeit dürfte mit Blick auf die vor dem 12. September 2014 veröffentlichten Inhalte und „Likes“ erfüllt sein. Zwischen den „Likes“ für „PierreVogel.de“ und „Al Haqq“ im Juni 2013 und der Veröffentlichung des Profilbildes im August 2014 ist mehr als ein Jahr vergangen. Letzteres Bild ist – wie dargelegt – eindeutig dahingehend zu interpretieren, dass sich der Veröffentlichende mit radikalen islamistischen Gruppierungen wie dem IS identifiziert.

34

Selbst wenn man diese einzelnen Anhaltspunkte für sich genommen nicht ausreichen ließe, genügt es aber jedenfalls, dass die Gesamtschau aller vorhandenen Anhaltspunkte die Annahme der Unterstützung verfassungsfeindlicher und extremistischer Bestrebungen rechtfertigt (vgl. VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 32). Insoweit darf im Rahmen einer Gesamtschau auf die sonstigen Einträge, „Likes“ und Kontakte des Antragstellers bei Facebook wohl ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung zurückgegriffen werden. Mit dem Verbot der Heranziehung verfassungsfeindlicher und extremistischer Unterstützungshandlungen, die erst nach Vollzug der Einbürgerung vorgenommen werden, soll der Gefahr begegnet werden, dass eine Einbürgerung zurückgenommen wird, obwohl sich der Betroffene erst nach seiner Einbürgerung aufgrund eines Sinneswandels radikalisiert. Zeigt sich bei Betrachtung von Aktivitäten vor der Einbürgerung und danach hingegen – wie vorliegend – eine gewisse Konstanz, besteht diese Gefahr nicht. Die späteren Aktivitäten zeigen nur, dass der Antragsteller auch nach dem Vollzug seiner Einbürgerung in seinem radikalen Gedankengut verhaftet gewesen sein dürfte.

35

Ähnlich zu beurteilen sind insoweit die Auszüge aus dem ask.fm-Profil von „A R“. Dass das Profil dem Antragsteller zuzuordnen ist, hat der LfV plausibel dargelegt, ohne dass der Nachweis zum gegenwärtigen Zeitpunkt als geführt gilt. Folgende Indizien sprechen aber dafür: Der Profilinhaber gibt an, dass er aus Indien komme (die Familie des Antragstellers hat nach eigenen Angaben indische Wurzeln) und „sehr nah dran“ an zwei benannten Personen wohne, die tatsächlich in der Nachbarschaft des Antragstellers wohnten. Zudem besuche er eine Moschee am Hauptbahnhof (tatsächlich wurde er am 10. Oktober 2014 vor einer Moschee in der Nähe des Hauptbahnhofes angetroffen, siehe oben). Auf dem Gruppenbild der ask.fm-Gruppe „I f D“, in der sich nach Angaben des LfV Profile jihadistischer Salafisten zusammengeschlossen hatten, findet sich ein Bild des Antragstellers mit dem Namenszug „A R“. Die Einträge auf dem Profil dürften teilweise von ca. Anfang September 2014 (vgl. Ausdruck vom 1.10.2014) stammen. Inhaltlich befassen sich die Einträge im Wesentlichen mit allgemeinen Fragen zum Islam und der Auslegung des Korans.

36

(e) Weiter liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert ist. Damit wird das Argument des Antragstellers, er sei Hindu und unterstütze schon deswegen keine jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, entkräftet. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich unabhängig von den vermeintlichen Internetaktivitäten des Antragstellers. Im Verfahren 19 E 3104/15 hatte der Schulleiter des von dem Antragsteller besuchten Gymnasiums eine E-Mail vorgelegt, in der der Antragsteller und ein Schulkollege darum bitten, an Freitagen den Unterricht früher verlassen zu dürfen, um am Gebet in einer Moschee teilnehmen zu dürfen. An der Aussagekraft der E-Mail bestehen aber Zweifel, da der Schulkollege später eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wonach es bei der Freistellung nur um ihn und nicht um den Antragsteller gegangen sei. Der Antragsteller sei gläubiger Hindu und nicht zum Islam konvertiert. Die Eltern des Antragstellers sind nach eigenen Angaben Hindus. Der Vater und der Onkel haben geäußert, von einer Konversion des Antragstellers nichts bemerkt zu haben. Auf der anderen Seite haben sie im Rahmen einer Befragung anlässlich der Konfrontation mit möglichen Plänen des Antragstellers, nach Syrien auszureisen, angegeben, der Reisepass des Antragstellers sei vorsorglich aufgrund „eines unguten Gefühls“ in einem Bankschließfach deponiert worden und bei dem Antragsteller könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich „den falschen Freunden“ angeschlossen habe. Der Sachverhalt bedürfte insoweit weiterer Aufklärung in einem Hauptsacheverfahren. Könnte dem Antragsteller nachgewiesen werden, dass er zum Islam konvertiert ist, würde dieser Umstand – auch in Verbindung mit den wohl anlässlich seiner Gewahrsamnahme vor der Moschee am 10. Oktober 2014 getätigten Aussagen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) – den Verdacht erhärten, dass die Einträge auf dem Facebook- und dem ask.fm-Profil tatsächlich von ihm stammen und der Unterstützung jihadistisch-salafistischer Bestrebungen dienen sollten.

37

b. Soweit die Einbürgerung danach rechtswidrig ist, ist sie auch durch arglistige Täuschung i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG erwirkt worden. Als arglistige Täuschung wird bereits die wahrheitswidrige Beantwortung einer an den Einbürgerungsbewerber gestellten Frage angesehen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 41). In seiner Befragung zum Einbürgerungsantrag vom 14. April 2014 hat der Antragsteller sämtliche Fragen, die darauf abzielten festzustellen, ob er verfassungsfeindliche oder extremistische Bestrebungen unterstützt hat, mit „nein“ angekreuzt. Zugleich hat er eine entsprechende Loyalitätserklärung abgegeben. Wenn er die Unterstützungshandlungen erst nach Abgabe der Erklärung, aber noch vor Vollzug der Einbürgerung aufgenommen haben sollte, hätte er die Antragsgegnerin darüber aufklären müssen. Für die Begehungsform der arglistigen Täuschung in der Alternative des Verschweigens von Tatsachen reicht es, dass der Betreffende Tatsachen verschweigt und dabei weiß oder in Kauf nimmt, dass diese verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 3.12.2012 – 11 K 1038/12, Rn. 42 f.). Zudem hat der Antragsteller bei Entgegennahme der Einbürgerungsurkunde am 12. September 2014 die Erklärung unterschrieben, dass sich keine Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse ergeben hätten, die der Einbürgerung entgegenstehen könnten. In der Niederschrift über die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 12. September 2014 hat der Antragsteller u.a. die Erklärung unterschrieben, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekenne.

38

Der Antragsteller dürfte seine Einbürgerung durch die Falschbeantwortung der Fragen bzw. das Verschweigen dieser Umstände auch arglistig erwirkt haben. Es dürfte für den Antragsteller aus Laiensicht völlig klar gewesen sein, dass seine Einbürgerung ausgeschlossen gewesen wäre, wenn der Antragsgegnerin die Umstände, aus denen sich der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergeben hätte, offenbar geworden wären.

39

3. Obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme gemäß § 35 Abs. 1 StAG vorliegen dürften, dürfte der Bescheid aber jedenfalls derzeit ermessensfehlerhaft i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO sein und wäre zumindest von daher aufzuheben. § 35 Abs. 1 StAG stellt die Entscheidung der Behörde in ihr Ermessen, ohne dass eine bestimmte Entscheidung intendiert ist (a.). Ob die Antragsgegnerin dementgegen von einem intendierten Ermessen ausgegangen ist und bereits deswegen ein Ermessensfehler vorliegt, kann dahinstehen (b.). Denn jedenfalls hat sie ihr Ermessen auch im Übrigen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (c.). Das Gericht war weder gehalten, der Antragsgegnerin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Möglichkeit einzuräumen, ihre Ermessenserwägungen zu ergänzen, noch dazu in der Lage, zu antizipieren, ob die Antragsgegnerin den Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren heilen wird (d.).

40

a. Die Rücknahmeentscheidung ergeht gemäß § 35 Abs. 1 StAG nach freiem Ermessen. Die Ermessensausübung ist durch das Gesetz nicht dahin intendiert, dass von einem Erlass nur ausnahmsweise dann abgesehen werden darf, wenn besondere, berücksichtigungsfähige und gewichtige Gründe dies rechtfertigen. Für die Auffassung, dass etwa nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das StAG keine Grundlage (vgl. ausführlich OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 657 f.; VG Wiesbaden, Urt. v. 15.6.2015 – 6 K 168/15, NVwZ-RR 2015, 915, 916). Auch wenn dem Begünstigten „Vertrauensschutz“ aufgrund arglistiger Täuschung zu versagen sein sollte, würde dies nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf „Null“ führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1978 – 3 C 18.77, BVerwGE 57, 1, 4 Rn. 133). Die Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensausübung die nach Lage der Dinge maßgeblichen privaten Belange und die öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 108 f.; s.a. Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 35 StAG Rn. 42 f.). Bei der Identifizierung der schutzwürdigen privaten Belange ist insbesondere die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in das Ermessen einzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.2008 – 5 C 4/07, NVwZ 2008, 685, 686; vgl. auch OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.; VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2007 – 13 S 2885/06, juris Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006 – 5 B 15.03, juris Rn. 27). Ein weiterer zu berücksichtigender Umstand ist die Integration des Betroffenen in die deutschen Lebensverhältnisse (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 9. 9. 2003 – 1 C 6/03, NVwZ 2004, 487, 489). Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig – und dies gilt in besonderem Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird – ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belang trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen (vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.). Genauso können die sich für den Betroffenen ergebenden Unsicherheiten bei der Fortsetzung des Aufenthalts im Bundesgebiet und die Folgen der möglichen Rückkehr in das Herkunftsland zu berücksichtigen sein.

41

b. Offen bleiben kann, ob Prämisse der Ermessensausübung der Antragsgegnerin die Annahme war, dass § 35 Abs. 1 StAG ein intendiertes Ermessen vorgibt und schon deswegen ein Ermessensfehler vorliegt. Darauf deuten einige Formulierungen in der Begründung des Bescheides hin. Die Antragsgegnerin formuliert auf S. 6 des Bescheides, die Maßnahme sei „Notwendigkeit dessen, dass eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, nicht Prämissen auf Missachtung ihrer selbst setzen darf (…)“. „Zu berücksichtigende schutzwürdige Interessen des Begünstigten, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten“, lägen nicht vor. Die Rücknahme bedeute „auch aus anderen Gründen keine außergewöhnliche Härte, die die Entscheidung zu Gunsten des Begünstigten beeinflussen könnte.“ Es entsteht der Eindruck, dass die Antragsgegnerin meint, die von ihr zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

42

c. Jedenfalls hat es die Antragsgegnerin versäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden – den konkreten Einzelfall prägenden – persönlichen schutzwürdigen Belange des Antragstellers in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Den besonderen Lebensumständen des Antragstellers wird die Begründung der Antragsgegnerin nicht gerecht. So dürfte ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen sein, dass die Antragsgegnerin die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers (über zehn Jahre, davor Aufenthaltsgestattung/Duldungen) in der Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigt hat. Diesen Umstand erwähnt die Antragsgegnerin auf S. 7 der Begründung des Bescheides lediglich in dem Kontext, dass auch zwischenzeitlich die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG nicht vorlägen. Ebenso wenig verhält sie sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass der Antragsteller, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland lebt (auch seine Eltern und sein Bruder leben hier), das Gymnasium besucht, voraussichtlich in diesem Jahr sein Abitur absolvieren wird und somit bedeutende Integrationsleistungen erbracht hat. Zudem lässt die Antragsgegnerin die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Antragsteller außer Betracht. Die Antragsgegnerin weist zwar daraufhin, dass mit der Rücknahme der Einbürgerung zugleich die früher erteilte Aufenthaltserlaubnis erlischt und nicht rückwirkend auflebt, stellt diesen Umstand aber nicht als einen Belang, der gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechen könnte, in die Abwägung ein. Vielmehr deutet sie mit der Äußerung an, dass – wie auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers befürchtet –, dem Antragsteller nach Vollzug der Rücknahme der Einbürgerung nicht ohne Weiteres erneut eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden würde. Dass dem Antragsteller deshalb unter Umständen eine Abschiebung in sein Herkunftsland Afghanistan, dessen Staatsangehörigkeit er weiter besitzt, drohen könnte, und welche Folgen damit für den Antragsteller, der mit den dortigen Lebensverhältnissen nicht vertraut ist, verbunden wären, lässt die Antragsgegnerin außen vor.

43

d. Das Gericht war nicht gehalten, der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren die Möglichkeit zu geben, gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen insoweit zu ergänzen und den Ermessensfehler zu heilen. Für eine Anwendung dieser Vorschrift dürfte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kein Bedarf bestehen (vgl. VGH Wiesbaden, Beschl. v. 26.3.04 – 8 TG 721/04, juris Rn. 42; zweifelnd VG Chemnitz, Beschl. v. 29.1.1999 – 1 K 1996/96, NVwZ-RR 1998, 414). Für die Frage, ob ein der Behörde eingeräumtes Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist, ist nämlich nicht entscheidend auf den Erstbescheid, sondern maßgeblich auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung, also auf den hier noch nicht ergangenen Widerspruchsbescheid (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abzustellen. Soweit es im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache ankommt, sind indes die Chancen für die Heilung des Ermessensmangels zu berücksichtigen (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 114 Rn. 12e). Wie hier die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Widerspruchsverfahren – auch vor dem Hintergrund womöglich zu leistender weiterer Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren – ausüben wird, kann das Gericht allerdings nicht antizipieren. Es ist jedenfalls nicht so, dass aufgrund besonderer Umstände des Falles ausgeschlossen ist, dass die Antragsgegnerin bei sachgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu einem anderen Ergebnis als im Ausgangsbescheid kommen könnte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse und vor dem Hintergrund, dass die Unterstützungshandlungen des Antragstellers – mögen sie auch tatbestandsgemäß sein – im Vergleich zu anderen denkbaren Unterstützungshandlungen (z.B. aktive Mitarbeit in einer Organisation) weniger schwer wiegen.

44

4. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verfügung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse, vielmehr steht das öffentliche Interesse einer Vollziehung entgegen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külp-mann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 967 m.w.N.; s.a. BVerwG, Beschl. v. 18.10.2005 – 6 VR 5/05, NVwZ 2006, 214, 215). Dass die Möglichkeit besteht, dass die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren ihr Ermessen ordnungsgemäß ausübt und damit den mit Blick auf die Verfügung vom 6. November 2015 bestehenden Ermessensfehler heilt, ändert hieran nichts (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 11). Es besteht auch keine Veranlassung für eine zeitliche Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 5 VwGO im Vorgriff auf einen möglichen rechtmäßigen Widerspruchsbescheid bis zu dessen Erlass (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 14). Die Antragsgegnerin kann nämlich, wenn durch den Erlass eines rechtmäßigen Widerspruchsbescheids erstmals ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts begründet wird, einen Antrag auf Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wegen veränderter Umstände nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen.

II.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 42.1 Streitwertkatalog (abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, Anh § 164). In einem Hauptsachestreitverfahren wäre wegen der Bedeutung einer Einbürgerung der Streitwert in Höhe des doppelten Auffangstreitwertes festzusetzen. Dieser Betrag ist in Anbetracht der Vorläufigkeit dieses Verfahrens wiederum zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten der Verfahren zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am … geborene Kläger ist libyscher Staatsangehöriger und reiste am ... Juli 2011 mit einem Visum in das Bundesgebiet ein. Am 8. September 2011 wurde ihm erstmals eine Aufenthaltserlaubnis zum Besuch eines studienvorbereitenden Deutsch-Intensiv-Kurses gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG, gültig bis 23. September 2012, erteilt. Da der Kläger die Aufnahmeprüfung für das Studienkolleg zweimal nicht bestanden hatte, wurde seine Aufenthaltserlaubnis zum Besuch eines Deutsch-Intensivkurses zunächst bis 5. März 2013 verlängert und in der Folge eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt. Am 7. November 2013 wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis zum Besuch des Studienkollegs gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG, gültig bis 30. September 2014, erteilt. Seit 1. Oktober 2014 ist der Kläger an der Technischen Universität München zum Studium im Fachbereich … eingeschrieben, wofür ihm am 5. Januar 2015 gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis, gültig bis 30. Juli 2016, erteilt wurde.

Am … Juni 2016 beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Er legte u.a. eine Immatrikulationsbescheinigung vor, nach der er sich im ... Semester befinde, das am 30. September 2016 ende. Dem Kläger wurde eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, gültig bis 27. September 2016 erteilt. Seit … Juni 2016 lebt der Kläger mit seiner Lebensgefährtin in einer gemeinsamen Wohnung. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Zwei Mitstudentinnen gaben am … März 2016 gegenüber der Bundespolizeidirektion München an, dass sie den Eindruck hätten, dass der Kläger mit der Organisation ISIS sympathisiere. So solle er geäußert haben, dass jeder, der im Krieg des IS sterbe, es verdient habe. Der Kläger spreche selbstbewusst über die Organisation ISIS sowie deren Politik und Ansichten. Er stehe dazu, den Westen zu hassen und sei mit der westlichen Lebenskultur nicht einverstanden. Auch über das soziale Netzwerk Facebook sei der Kläger über seinen Account „…“ in Bezug auf die Organisation ISIS aktiv. Die von den Hinweisgeberinnen gelesenen und übersetzten Texte hätten extrem religiöse Ansichten zum Inhalt. Der Kläger habe auch ein Whatsapp-Profil mit der ISIS-Flagge im Hintergrund. Insgesamt bestehe im Studienjahrgang der Verdacht, dass der Kläger der Organisation ISIS angehöre, worüber auch gesprochen werde.

Das Bayerische Landeskriminalamt teilte mit Schreiben vom 13. Juni 2016 an das Polizeipräsidium ... im Folgenden: PP ...) mit, dass der mehrheitlich arabischsprachige Facebook-Account des Klägers von Sympathie und Zuneigungsbekundungen für die Organisation Islamischer Staat (IS), ihr nahestehende Gruppierungen und ihr Vorgehen (u.a. Selbstmordattentate) sowie Beiträgen über aktuelle politische und militärische Entwicklungen in arabischen Ländern und Krisengebieten geprägt sei. Es fänden sich dort Zitate und Aussprüche von salafistisch-dschihadistischen Ideologen und Bezugsgrößen wie I. T., A. al W., A. M. Al Z. und A. Al-A., sowie Beiträge, die sich gegen die Regierungen und Herrscher in muslimischen Ländern richteten und solchen, die muslimische Opfer von westlicher Gewalt darstellten. Daneben thematisiere der Kläger auch die Kolonialgeschichte westlicher Länder und das damit verbundene Unrecht, das Muslimen angetan worden sei. Beiträge ohne politische oder extremistische Inhalte seien kaum festzustellen. Die Beiträge des Klägers würden auf einen hohen Grad der Emotionalisierung hinweisen. In der Gesamtschau seien die Auszüge des Facebook-Profils durch salafistische Inhalte und Sympathiebekundungen zur Organisation IS geprägt. Die mitunter emotionalen Äußerungen seien aus Sicht des Bayerischen Landeskriminalamts u.a. ein Anhaltspunkt für einen nicht unerheblichen Grad der Radikalisierung.

Bei einer sicherheitsrechtlichen Befragung am … Juni 2016 hat der Kläger angegeben, mit Herrn S. A. seit einem Jahr befreundet zu sein. Dieser sei beim IS und in Syrien gewesen. Darüber hinaus hat er angegeben, bis zu seinem 18. Lebensjahr dreimal pro Woche die Koranschule besucht zu haben.

Das PP ...führte mit Schreiben vom 4. Juli 2016 ergänzend aus, dass die polizeilichen Ermittlungen belegten, dass der Kläger Anhänger einer dschihadistischen islamistischen Ideologie sei und enge Kontakte zu Personen pflege, die in Krisen- oder Kriegsgebiete ausgereist seien oder dies versucht hätten, um am bewaffneten Kampf für terroristische Organisationen im syrischen Bürgerkrieg teilzunehmen oder sich dort ausbilden zu lassen. Zwei dieser Personen seien S. A. und M. A. B. Weiterhin pflege der Kläger auch enge Kontakte zur salafistischen Szene in … Mit einigen dieser Bekannten und weiteren Personen aus der salafistischen Szene in … habe der Kläger auch ein Islam-Seminar des salafistischen Predigers A. W. besucht. In den Jahren 2014 und 2015 sei der Kläger mehrmals als Teilnehmer des Koranverteilungsprojektes „…

Im Namen deines Herrn, der dich erschaffen hat“ festgestellt worden. Bei Internetrecherchen habe festgestellt werden können, dass der Kläger im November 2014 im Anschluss an eine …-Veranstaltung mit den Verantwortlichen des Projekts aus Nordrhein-Westfalen, S. B. A. und I. A. N., noch in ein Restaurant in … zum Essen gegangen sei. Im März 2015 habe er u.a. gemeinsam mit dem Salafisten F. W. in … Korane verteilt. Aus dem Umfeld des …-Projektes seien insgesamt 11 Personen bekannt, die seit Herbst 2013 in Richtung Türkei ausgereist oder Ausreiseversuche unternommen hätten, um sich von dort aus in Syrien und/oder im Irak dschihadistischen Gruppierungen anzuschließen. Aus der Mitteilung der Mitstudentinnen des Klägers ergebe sich, dass dieser öffentlich seine Sympathie für die Organisation IS kundtue und gegenüber Dritten seine Ablehnung des Westens und der westlichen Lebenskultur zum Ausdruck bringe. Der Kläger hänge der salafistischen Glaubensauslegung des Islam an und trage seine Überzeugungen offen nach außen. Aufgrund seines Glaubens lehne er sowohl die freiheitlich-demokratische Grundordnung als auch die hier herrschenden Rechtsnormen ab. Der Kläger habe in der Vergangenheit mehrmalig öffentlich sein Sympathisieren für die Terrororganisation IS kundgetan. Aufgrund der Gesamtwürdigung, seiner ehemaligen Zugehörigkeit zum Koranverteilungsprojekt …, seinen engen überregionalen Kontakten in die salafistische Szene und zu Syrien-Rückkehrern sowie seinen Aussagen in Bezug auf den IS könne davon ausgegangen werden, dass er zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit polizeilich durch schwere Straftaten, wie z.B. der Ausreise in ein Kriegsgebiet zur Teilnahme am Dschihad, in Erscheinung treten werde.

Am 10. August 2016 übermittelte das PP ...ein Lichtbild, auf dem der Kläger mit weiteren Personen in freundschaftlicher Umarmung zu sehen ist. Die polizeilichen Erkenntnisse ließen erkennen, dass die Personen eine extremistisch-salafistische Weltanschauung verinnerlicht hätten und einer dschihadistisch-salafistischen Ideologie anhingen.

Mit Schreiben vom 10. August 2016 teilte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mit, dass der Kläger im Rahmen des Koranverteilungsprojektes … von Anfang 2014 bis Ende Mai 2015 regelmäßig an Verteilungsaktionen in … in Form von Betreuung der Infostände und der Street-Dawa teilgenommen habe. Für die Anmeldung beim KVR sei der Kläger für die Infostände von Ende März bis Ende Mai 2015 als einer der verantwortlichen Leiter gemeldet gewesen. Im Rahmen seiner Beteiligung am …-Projekt habe der Kläger regelmäßig Kontakt zu Personen der salafistischen Szene … gehabt. Auf den vorliegenden Bildern hebe der Kläger wie auch weitere Teilnehmer des Projekts demonstrativ den Zeigefinger nach oben. Grundsätzlich sei dies eine Geste, die u.a. das Tauhid-Prinzip (Glaube an die Einheit Allahs) ausdrücken solle. In salafistischen Kreisen habe diese Geste jedoch auch eine starke politische Komponente. Man erkenne Allah als den Obersten Souverän an, der über allen menschlichen Gesetzen stehe, mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Diese Auslegung laufe jedoch der freiheitlich demokratischen Grundordnung zuwider. Am 11. Juli 2016 sei der öffentlich einsehbare Teil des Facebook-Profils des Klägers ausgewertet worden. In der Gesamtschau sei das Profil dem salafistischen Spektrum zuzuordnen mit Bezügen zum Dschihadismus. Ab dem Jahr 2012 fänden sich mit zunehmender Frequenz und Radikalität Beiträge, die spätestens ab 2015 Sympathiebekundungen für die Terrorgruppierung Islamischer Staat und dessen selbsternannten Kalifen A. B. Al-B. darstellten. In weiteren relevanten Beiträgen verbreite der Kläger ebenfalls überwiegend ab 2015 die Ansichten militanter Dschihad-Theoretiker wie A. M. al-Z., A. al A. und S. Q. Neben einigen antisemitischen und antiwestlichen Äußerungen seien vor 2015 überwiegend Beiträge feststellbar, die hauptsächlich dem sog. politischen Salafismus zuzuordnen seien, wie beispielsweise ein Video des prominenten salafistischen Gelehrten N. Al-A. mit dem sinngemäßen Titel „…“. Daneben verbreite der Kläger aber auch Beiträge bekannter deutscher Salafisten, insbesondere des Predigernetzwerkes „…“ und dessen bekanntesten Vertreter … A. N. Weiterhin ließen sich Beiträge feststellen, die wie in salafistischen Kreisen üblich, das Hören von Musik als unislamisch brandmarkten oder die Vollverschleierung der Frau als vermeintliches Gebot des Islam postulierten. Aufgrund seiner zahlreichen Teilnahmen am Koranverteilungsprojekt …, seinen Veröffentlichungen auf Facebook, seiner Kontakte in die salafistische Szene und den Mitteilungen von Mitstudenten über Sympathiebekundungen mit dem IS sei zu schlussfolgern, dass der Kläger die Ideologie des Salafismus verinnerlicht habe und auch Aktivitäten an den Tag lege, seine Ansichten öffentlich kund zu tun und zu verbreiten. Salafismus sei jedoch nicht mit der hier herrschenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den geltenden gesellschaftlichen Werten kompatibel. Die dem Schreiben beigefügten Bilder zeigten den Kläger bei der Teilnahme an Infoständen des …-Projektes sowie bei der Teilnahme an der sog. Street-Dawa. Auf einigen Bildern sei der Kläger mit ausgestrecktem rechten Zeigefinger zu sehen.

Mit Schreiben vom 9. August 2016 teilte das Bayerische Landeskriminalamt mit, dass der Kläger am ... April 2016 eine Botschaft der IS-Nachrichtenstelle „A.“ gepostet habe, in der diese ein Selbstmordattentat im libyischen Benghazi als Märtyreroperation verherrliche. Am … Juni 2016 habe der Kläger ein Bild des bekannten dschihadistischen Gelehrten A. al A. mit einem arabischsprachigen Text gepostet, der die Errichtung und Ausbreitung des IS preise. Ebenfalls am … Juni 2015 habe der Kläger ein Bild des Gründers einer der Vorgängerorganisationen des IS, A. M. al-Z. gepostet. Neben dem Bild sei ein vermeintliches Zitat zu lesen, das den Dschihad verherrliche. Am ... Juni 2015 habe der Kläger eine Meldung der „IS Provinz …“ über die Verhängung eines Todesurteils durch Erhängen gepostet und im Kommentar die Anwendung der Scharia in dieser Form befürwortet. Am … Mai 2015 habe er eine Meldung über ein vermeintlich gefälschtes Dokument des IS gepostet und damit seine Sympathie für den IS bekundet. Ebenfalls am … Mai 2015 habe er mehrere Punkte den Manhaj des IS betreffend eingestellt. Die Schilderungen seien alle positiv und stellten den IS als den Manhaj des Propheten bzw. dem Vorbild des Propheten folgend dar. Das Profil des Klägers weise darüber hinaus zahlreiche salafistische Bezüge auf. So würden regelmäßig Zitate von bekannten salafistischen Gelehrten gepostet. Die Darstellung einzelner Einträge stelle eine kursorische Auswertung des Facebook-Profils dar.

In der Akte befinden sich Übersetzungen von Youtube-Kommentaren und aus dem Facebook-Account des Klägers u.a.:

– …2.2015: Der IS hat die Hand gereicht zu jedem, der seiner Religion nicht mehr folgt von Sahawat und er hat gesagt, ihr seid unsere Leute und Ehre. Wer von euch in sich kehrt, dem wird verziehen. Und das ist der Unterschied zwischen Bergen und Löchern.

– …5.2015: Wer fragt, was ist das Programm des Staates: Sein Programm: Kein Unterschied zwischen Araber und Nichtaraber außer im Glauben. Sein Programm: Nicht glauben an Taghut (Staatsangehörigkeit, die Grenze von Syks-pico…) Sein Programm: die Loyalität und die Befreiung: Die Loyalität zu Gott und seinen Gläubigen und die Befreiung von Kfer und Meschrekin und ihren Sünden. Sein Programm bist du Bruder! Das gleiche Programm von dem Propheten, wenn Gott es will.

– …11.2015: Nach dem Attentat in Paris postet der Kläger folgende Sure: Die Ungläubigen zu treffen um dessentwillen was sie gewirkt, oder sich nahe bei ihren Wohnstätten niederzulassen, bis Allahs Verheißung sich erfüllt. Wahrlich, Allah versäumt die Verheißung nicht.

– …11.2015: An jeden der Mitleid mit Frankreich hat. Habt ihr vergessen was der Franzose in Haret Daba veranstaltet hat. Wehe euch!

– …4.2016: Folgenden Beitrag von Dr. E. E. geteilt: Es geht um den Kampf in Syrien. Der Muslim ist kein Freund von dem Heiden, der IS ist das Richtige.

– ...6.2016: Wer für Allah kämpft, wird von Allah belohnt. Ob er siegt, oder ob er umgebracht wird, solange sein Kampf für Allah war. Lasst also solche für Allahs Sache kämpfen, die das irdische Leben hinzugeben gewillt sind für das Zukünftige. Wer für Allahs Sache ficht, ob er fällt oder siegt, wir werden ihm bald großen Lohn gewähren. Nisa-Sure 4 Abs. 74.

– …6.2016: Dieses Selbstmordattentat wird heute als Verrat bezeichnet und der Täter kommt in die Hölle….wo gestern mehr gesungen wurde, was für ein Held der Täter war und als Märtyrer ins Paradies kommt.

– Auf den Kommentar von K. A. (Du Held, du bist doch in Deutschland. Geh doch schnell und spreng dich in die Luft, dann kommst du ins Paradies. Du lebst gerade auf dem Boden der Ungläubigen und neben dir sind die Christen und Juden. Was willst du?) antwortete der Kläger: Ich bin Feigling der Angst wurde wegen mir genannt. Auch Waffen habe ich noch nie in der Hand gehabt. Ich bin kein Held. Die Heldentaten sind eure Aufgabe. Ich versuche auf meiner Seite meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Und ich liebe die Menschen, die Scharia praktizieren und Dschihad machen. Wenn es dir gefällt, was ich scheibe, dann ist es ok und wenn es dir nicht gefällt, auch ok. Ich wünsche mir, dass du mich in Ruhe lässt, weil so ein Feigling wie ich ist kein Grund zum Stolz.

Am 11. August 2016 übermittelte das PP ...eine Übersetzung des Facebook-Accounts des Klägers. Der genauere Betracht des Profils habe ergeben, dass es beim Profilinhaber ab Februar 2012 einen Sinneswandel gegeben habe. Vorher sei über Autos, Motorräder und Spaß gepostet worden. Danach seien Islamkonvertierte als tolle Menschen angesehen worden, Beispiel: D. D., P. V. Der Kläger schreibe viel über IS und verteidige den IS mit allen seinen Argumenten. Die Mitdiskutierenden stellten öfter die Frage, ob das Profil gehackt sei, und sie fragten sich, was beim Profilinhaber passiert sei und wie er sich so verändern konnte. U.a. wurden folgende weitere Posts in Übersetzung übermittelt:

– …5.2015: Eine Wahrheit wollen die Gegner des IS nicht erkennen. Im IS sind 95% der Soldaten Iraker und 80% Syrer und in Libyen sind Libyer und in Ägypten sind Ägypter.

– …5.2015: Eine gefälschte verleugnete Erklärung. Ein schlimmer Versuch, um den Islamischen Staat als Verbrecher zu präsentieren #Libyen #Tripolis.

– …5.2015 (Kommentar auf einen Selbstmordanschlag mit vielen toten Kindern): Gott empfange den tunesischen Bruder und lasse ihn ins Paradies.

– .6.2015: Die muslimischen Gelehrten sehen das Selbstmordattentat als erlaubt an […].

– …11.2015: Der Kläger hat folgenden Post von Dr. E. E. geteilt: Nach dem Attentat in Frankreich haben die Niedrigen und Verräter über die Gewalt geschrieben und sie haben Mitleid mit dem Blut der Heiden. Dies zündete das Feuer in meinen Adern [….] Ihr Heiden! Ihr werdet „wenn Gott es will“ für das Blut der Muslime sehr teuer büßen. Ihr werdet für jeden Blutstropfen von einem Kind und für jeden von euch kaputt gemachten Stein büßen. Mit Hilfe Gottes und durch die Löwen des IS, vor deren Rückkehr ihr Angst habt. […].

– …12.2015: Dem Gelehrten A. wurde angeboten: Er sollte in den Medien erscheinen und Schlechtes über den Gelehrten Osama bin Laden „ruhe er in Frieden“ reden, dann wird er aus der Gefangenschaft befreit. Er antwortete: Wenn ich mein ganzes Leben hier bleiben muss, werde ich nicht mal für eine Wahrheit im Fernsehen auftreten. Dann werde ich sicher nicht für eine Lüge auftreten.

– …2.2016: Einer von denen hat gefragt, sind Mord und Schlachten und Gefangenschaft und Folter von Gottes Scharia? Die Antwort lautet, hat der Prophet Mohammed nicht nach der Ahzab-Schlacht 700 Juden umgebracht? Hat der Prophet nicht die Safia als Geisel genommen? Hat der Prophet nicht die Hände und Füße von Armeen und danach hat er ihre Augen mit heißem Metall gelöchert und sie danach in der Hitze ohne Wasser geworfen hat bis sie gestorben sind? Allah sagt: Ihr sollt die Hälse der Ungläubigen schlagen, wenn ihr sie trefft. Haben die Begleiter vom Propheten Mohammed nicht den Abu Jahel geschlachtet? Hat der Prophet nicht einem Begleiter von ihm befohlen, dass er nach Mekka geht und den Kopf von einem Ungläubigen bringt, der einen Mord an dem Propheten geplant hat? Dann hat der Begleiter ihn ermordet und hat seinen Kopf von Mekka nach Medina gebracht. Über welche Scharia redet ihr?

– …2.2016: Boorh! Ich habe niemandem gesagt, er soll mitgehen und mitkämpfen. Ich bin Feigling. Aber es sind T. und seine Männer und ihre Ziele, dass Gottes Scharia überall im Land herrscht.

– ...3.2016: Es sind nicht arbeitslose Tunesier, die beim IS sind. Die Sache ist Sache des Glaubens aus der ganzen Welt und wir glauben nicht an die Grenze von Sykes-Picot. Ein Libyer macht ein Selbstmordattentat im Irak. Das ist genau, was man versucht, falsch zu vermitteln, beim IS sind nur verzweifelte junge Männer. Und das ist nicht wahr.

– ...3.2016: Der Kläger postete ein Foto von zwei älteren Männern mit langen weißen Bärten und fügte folgenden Text hinzu: Einige wollen, um weltliche Ziele zu verfolgen, die Soldaten des IS als sehr junge Soldaten darstellen, die ahnungslos sind in der Religion und der Welt. Sie versuchen die Worte Gottes über den Dschihad, seine Größe, Gewicht und Belohnung zu vergessen und die Beschreibungen der Siegergruppe im Koran als Gruppe, die nur Gottes Scharia voll praktiziert und nur Angst vor Gott hat. Sie versuchen auch, den Ursprung dieser Religion zu vergessen. Sie versuchen zu vergessen, alles wegen dem irdischen Leben.

Derzeit sind gegen den Kläger Ermittlungsverfahren wegen Terrorfinanzierung und wegen Zuwiderhandlung gegen das Vereinsgesetz anhängig.

Mit Schreiben der Beklagten vom 17. August 2016 wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, sich zu der beabsichtigten Ausweisung und der Anordnung von Überwachungsmaßnahmen zu äußern.

Am … April 2016 sprach der Kläger bei der Beklagten vor, um sich zu erkundigen, ob er sofort ausreisen müsse oder ihm eine Frist zur Planung der Ausreise gewährt werde. Er wolle nicht in so ein Heim, sondern lieber in der Wüste ohne Handy und Internet leben. Er sei gerade in eine neue Wohnung umgezogen und habe sich mit seiner Lebenspartnerin eine neue Küche für 3.000,-- Euro einbauen lassen, weshalb er nicht weg wolle. Außerdem gebe es keine Direktflüge nach Libyen. Er könne nur mit einem Zwischenaufenthalt in Tunesien nach Libyen reisen. Da er schon von den tunesischen Behörden geschlagen worden sei, wolle er wissen, ob die tunesischen Behörden über die Hintergründe der Ausweisung informiert würden. Bezüglich seines Studiums gab er an, dieses Jahr im September keine Prüfungen schreiben zu wollen, da er wegen dieser Sache so unter Stress stehe. Er wolle die Prüfungen nächstes Jahr im September schreiben.

Mit Schreiben vom ... September 2016 erklärte der Kläger, dass er seit fünf Jahren in Deutschland lebe. Als Kind sei es schon immer sein Traum gewesen, in einem entwickelten Land wie Deutschland sein Studium zu absolvieren. Nachdem er seinen Abschluss in Tripolis gemacht habe, habe er unbedingt nach Deutschland gewollt, um dort … zu studieren. Seine Familie habe ihn bei dieser Entscheidung immer unterstützt und ihm geholfen, ein Visum und alle Dokumente zu bekommen. Sie hätten ein Grundstück verkauft, um ihm auch finanziell diesen Weg möglich zu machen. Als er schließlich das Visum erhalten habe, hätten sich alle sehr gefreut und seien überglücklich gewesen. Seit er in Deutschland sei, habe er keine einzige Straftat begangen. Er habe immer ein ganz normales zivilisiertes Leben geführt und versucht, sich immer an die Regeln und Gesetze zu halten. Zu den Mitmenschen sei er immer freundlich und hilfsbereit gewesen und selbst, wenn er mal grundlos angegangen worden sei, habe er einfach darüber hinweggesehen. Während des ersten Jahres in Deutschland habe es die Revolution in Libyen gegeben. Aufgrund dieser unstabilen Lage habe er sich sehr viel Sorgen um seine ganze Familie gemacht und deswegen immer die Nachrichten verfolgt. Als die Revolution Ende Oktober 2011 zu Ende gewesen sei, habe er sich sehr darüber gefreut, weil er gedacht habe, dass es endlich Ruhe und Frieden in Libyen geben werde und dass die Gerechtigkeit herrschen werde. Leider hätten die Milizen die Kontrolle erlangt und Libyen gehe es noch schlechter als zuvor. 2014 hätten sich Kampfgruppen in Libyen dem IS angeschlossen und in dem Moment sei er froh darüber gewesen, weil er gedacht habe, dass sie die Misratah-Milizen stoppen und somit das Land verbessern würden. Seine Denkweise sei wirklich naiv gewesen und er habe angefangen, auf Facebook auf Arabisch seine Meinung zu verkünden und habe mit Leuten diskutiert. Im Nachhinein bereue er es, im Internet so viel geschrieben zu haben. Er sei geschockt darüber, dass ihm vorgeworfen werde, eine Gefahr für die deutsche Sicherheit darzustellen. Seine Posts seien ausschließlich auf den Konflikt mit den Milizen bezogen gewesen. Er habe zwar den Milizen wegen dem, was sie den Menschen in Libyen angetan hätten, das Schlimmste gewünscht, doch ansonsten sei er persönlich gegen Gewalt und habe zum Glück noch nie damit zu tun gehabt. Er komme aus einer multikulturellen Familie, die viel Wert auf Frieden und Bildung lege. Sein Vater sei …ingenieur und habe in den USA sein Studium gemacht. Seine Mutter sei … gewesen, zwei seiner Geschwister seien …, ein Bruder sei … und habe in Frankreich studiert. Sein kleinerer Bruder studiere zurzeit … in den USA. Eine seiner Schwestern sei Christin. Aus diesen Gründen habe er auch noch nie mit dem IS zu tun gehabt und werde das auch niemals haben. Zu den Vorwürfen, er habe für den IS geworben, könne er versichern, dass ein Irrtum vorliegen müsse, was einige seiner Freunde an der Universität auch bestätigen könnten. Hierbei gehe es vielmehr um ein Gerücht, das sich sehr schnell verbreitet habe und daher Leute ihm gegenüber voreingenommen seien. Mit S. A. habe er vor drei Jahren Freundschaft geschlossen, was vor seinem Aufenthalt in Syrien gewesen sei und er habe seitdem mit ihm den Kontakt gehalten. Sie hätten eine ganz normale Freundschaft und träfen sich meistens, um Shisha zu rauchen. A. B. habe er nur ein einziges Mal im Leben getroffen, als er mit S. unterwegs gewesen sei und sie mit ihm etwas unternommen hätten. Er sei ausschließlich mit friedlicher Absicht nach Deutschland gekommen, um hier zu studieren. Er habe in den letzten fünf Jahren Deutsch gelernt, sein Studienkolleg absolviert und komme jetzt in das … Semester an der TU München. Seine Familie habe bereits viel Geld investiert und er wolle alles dafür tun, in München zu bleiben und sein Studium hier zu beenden. Er verspreche, sich in Zukunft von politischen Diskussionen komplett zu distanzieren, weil er gesehen habe, wozu es führen könne. Momentan lebe er mit seiner Lebenspartnerin, mit der er bereits seit zwei Jahren glücklich zusammen sei, zusammen. Er verspreche, weder mit politischen Diskussionen noch mit irgendeiner Straftat auffällig zu werden.

Beigefügt war ein von acht Personen unterschriebenes Schreiben, wonach bezeugt werde, dass der Kläger zur gegenwärtigen Kriegssituation im Osten eine neutrale Meinung geäußert habe. Er sehe den Krieg zwischen Nato und IS als Aktion und Reaktion. Er habe für keine der beiden Seiten Partei ergriffen, sondern lediglich gesagt, dass im Osten viele unschuldige Menschen stürben. Offensichtlich sei diese Denkweise von ein paar Kommilitonen falsch verstanden worden, die daraufhin gedacht hätten, dass er mit dem IS sympathisiere. Daraufhin sei dieses Gerücht schnell verbreitet worden und vor allem von Kommilitonen, die er gar nicht kenne. Die Unterzeichner, die den Kläger jeden Tag in der Universität gesehen hätten und auch außerhalb mit ihm befreundet seien, bestätigten, dass der Kläger in keiner Weise für den IS geworben habe. Er habe nie gesagt, dass der IS gut sei. Der Kläger habe die meiste Zeit für sein Studium investiert. Obwohl es ein sehr anspruchsvolles Studium sei, sei er sehr erfolgreich und habe letztes Semester sogar als Tutor im Fach … unterrichtet. Er sei ein friedlicher und sehr hilfsbereiter Mensch, der versuche, jedem zu helfen soweit es gehe. Der Kläger sei eine Bereicherung für das Studium und die Unterzeichner seien sicher, dass er ein friedlicher Mensch sei, der froh sei, in Deutschland zu wohnen und einfach darauf hoffe, hier in München sein Studium absolvieren zu können.

Mit Bescheid vom 15. November 2016 hat die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1 des Bescheids), seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 27. Juni 2016 abgelehnt (Nr. 2 des Bescheids) und die Wirkungsdauer der Sperrwirkungen der Ausweisungsverfügung auf neun Jahre befristet (Nr. 3 des Bescheids). Dem Kläger wurde eine Ausreisefrist bis 5. Dezember 2016 gesetzt. Für den Fall der nichtfristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Libyen oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Bis zum Vorliegen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft wurde die Abschiebung ausgesetzt (Nr. 4 des Bescheids). Der Kläger wurde verpflichtet, sich ab dem 6. Dezember 2016 einmal täglich zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr bei der zuständigen Polizeiinspektion in … … … unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapieres zu melden (Nr. 5 des Bescheids). Sein Aufenthalt wurde ab dem 6. Dezember 2016 bis zu seiner Ausreise auf das Stadtgebiet …  beschränkt (Nr. 6 des Bescheids) und der Kläger verpflichtet, in der Gemeinschaftsunterkunft in …, … Str., …, … und … Wohnsitz zu nehmen (Nr. 7 des Bescheids). Die Nutzung EDV-gestützter Kommunikationsmittel, von Mobiltelefonen aller Art, von öffentlichen und privaten Fernsprechern aller Art und Faxgeräten aller Art wurden mit Ausnahme der Nutzung eines nicht internetfähigen Mobiltelefons, nach Anzeige der Telefon-, Karten- und Gerätenummer gegenüber der Beklagten, untersagt (Nr. 8 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 5 und 6 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 9 des Bescheids). Für den Fall, dass der Kläger den Verpflichtungen unter Nrn. 5, 6 und 8 nicht nachkommt, wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von Euro 250,-- angedroht (Nr. 10, 11 und 13 des Bescheids). Für den Fall, dass der Kläger seiner Verpflichtung nach Nr. 7 des Bescheids nicht nachkommt, wurde unmittelbarer Zwang angedroht (Nr. 12 des Bescheids).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach § 53 Abs. 1 AufenthG werde ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Dieser Tatbestand sei erfüllt. Über seinen Facebook Account unterstütze der Kläger die terroristische Organisation IS sowie deren Ziele und deren Aktivitäten. Daneben verbreite er Ansichten militanter Dschihad-Theoretiker und deutscher Salafisten. Des Weiteren zeige der Kläger eine deutliche Befürwortung von Selbstmordattentaten bzw. Gewalt, Bestrafung und Tötung von sog. Ungläubigen und Heiden. Gegenüber westlichen Ländern zeige er eine ablehnende, bisweilen sogar aggressive Haltung bezüglich deren Geschichte, Kultur und Handlungen. Die Beiträge seien größtenteils dem salafistisch-dschihadistischen Spektrum zuzuordnen. Die Auswertung des Bayerischen Landeskriminalamts zeige, dass der Kläger in seinen Beiträgen auch Gewalt verherrliche und als legitimes Mittel zur Durchsetzung von Zielen erachte. Er sei daher auch dem dschihadistischen Salafismus zuzuordnen. Im Zusammenhang mit den anderen Erkenntnissen könne bei ihm eine salafistisch-dschihadistische Ideologie festgestellt werden. Aufgrund der Unterstützung der terroristischen Vereinigungen IS und Al-Qaida über Facebook und der Gewaltpropaganda des Klägers durch die Verherrlichung von Gewalt, Mord und Selbstmordanschlägen und seine Ablehnung der deutschen Rechtsordnung durch Verherrlichung der Scharia als einzig gültige Rechtsordnung gefährde der Kläger die Unverletzlichkeit der subjektiven und objektiven Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie die Rechtsgüter Leben und Gesundheit. Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage bestehe auch für Deutschland weiterhin eine große Anschlagsgefahr. Die Anschläge in Würzburg und Ansbach belegten die Einschätzung der Sicherheitsbehörden, dass Deutschland erklärtes Ziel dschihadistisch motivierter Gewalt sei. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sei damit gegeben. Durch die Verbreitung seiner salafistisch-dschihadistischen Ideologie im Zusammenhang mit seiner Unterstützung der terroristischen Organisation IS und Al-Qaida, die eine Gefahr für die hiesige Sicherheit darstellten, sei daher vorliegend, insbesondere im Hinblick darauf, dass der IS zu Anschlägen in Europa auffordere, festzustellen, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährde. Im Fall des Klägers liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, da er die freiheitlich demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Von einer solchen Gefährdung sei gesetzlich auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass der Ausländer eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, unterstütze oder unterstützt habe, es sei denn, der Ausländer nehme erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdendem Handeln Abstand. Die vorliegenden Tatsachen rechtfertigten in der Gesamtschau die Schlussfolgerung, dass der Kläger die terroristische Vereinigung IS aktiv und bewusst unterstütze. Bei der Organisation IS handle es sich um eine terroristische Vereinigung gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Unter einer Vereinigung in diesem Sinne sei ein auf eine gewisse Dauer organisatorisch angelegter Zusammenschluss einer Anzahl von Personen zu verstehen, der bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolge und unter sich derart in Beziehung stehe, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühle. Auf formale Einzelheiten komme es nicht entscheidend an. Im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterstütze eine solche Vereinigung den Terrorismus, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätige, indem sie ihre politischen Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolge oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasse, fördere oder befürworte. Demnach handele es sich beim IS um eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Der IS sei ein Zusammenschluss von mehreren tausend Personen, die hierarchisch und straff militärisch organisiert sei und zuletzt unter der Führung des selbst ernannten Kalifen A. B. Al-B. gestanden habe. Im Gegensatz zu losen, lediglich kurzfristig gemeinsam agierenden Zweckbündnissen, habe er Kampfeinheiten ausgehoben, die einer staatlichen Armee gleichkämen. Das Bundesministerium des Innern habe am 12. September 2014 ein auf Vereinsrecht gestütztes Betätigungsverbot gegen die Organisation IS erlassen. Der UN-Sicherheitsrat habe bereits am 15. August 2014 eine UN-Resolution gegen die Organisation verabschiedet. Durch die Aktivitäten des Klägers im Zusammenhang mit der Terrororganisation IS lägen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er die terroristische Vereinigung IS unterstütze. Die Zugehörigkeit zu einer Organisation, die den Terrorismus unterstütze, oder das Unterstützen einer solchen Organisation müsse nicht mehr ausdrücklich bewiesen werden. Vielmehr genüge die Beleg- und Nachweisbarkeit von Anknüpfungstatsachen, die den hinreichenden Verdacht einer Zugehörigkeit oder Unterstützung begründeten. Eine Abgrenzung zwischen Mitgliedschaft und Unterstützung sei nicht zwingend vorzunehmen, da der Ausweisungstatbestand beide Formen gleichwertig nebeneinander stelle und dieser auch allein durch die Alternative des Unterstützens erfüllt werde. Mit der Ausweisungsnorm sollten alle Verhaltensweisen erfasst werden, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirkten. Dazu zähle jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördere, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördere und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festige und ihr Gefährdungspotential stärke. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele komme es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings müsse auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen und ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm zurechenbar sein. Die potentielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, das von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstütze, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe, sei erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den Unterstützungstatbestand zu subsumieren. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit sei dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig sei ein aktives Tätigwerden erforderlich. Maßgeblich sei, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beitrage und deshalb selbst potentiell gefährlich erscheine. Wegen der Weite des Unterstützungsbegriffs sei allerdings darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen werde. In seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2011 habe das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der Unterstützung dahingehend konkretisiert, dass auch die sog. Sympathiewerbung als Unterstützen im Sinne der Ausweisungsnorm verstanden werde. Eine solche Sympathiewerbung wirke sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus aus, da hierdurch der Bekanntheitsgrad einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung gesteigert werde.

Unter Beachtung dieser Grundsätze stehe zur Überzeugung der Beklagten fest, dass der Kläger über seinen Facebook-Account die Terrororganisation IS unterstütze. Die Facebook-Aktivitäten des Klägers seien alle öffentlich einsehbar und damit sämtlichen Facebook-Nutzern weltweit zugänglich gewesen. Facebook habe 2016 ca. 1,59 Mrd. aktive Nutzer pro Monat. Die bayerischen Sicherheitsbehörden hätten in ihren Stellungnahmen übereinstimmend festgestellt, dass die öffentlich zugänglichen Teile des Facebook-Accounts des Klägers von Sympathie- und Zuneigungsbekundungen für die Organisation IS und dessen selbsternannten Kalifen geprägt seien. Durch diese Sympathiebekundungen werde zumindest der Bekanntheitsgrad der Organisation gesteigert, wodurch u.a. die Anzahl der Sympathisanten ansteigen könne, was sich wiederum positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der terroristischen Organisation auswirken könne. In seinem Post vom … Mai 2015 erkläre der Kläger, dass die Gegner des IS die Wahrheit nicht erkennen wollten, nämlich dass ein Großteil der Soldaten des IS aus dem Irak und Syrien kämen und in Libyen und Ägypten gebe es jeweils Libyer und Ägypter. Der Kläger habe damit aufzeigen wollen, dass sich der IS nicht überwiegend aus ausländischen Kämpfern rekrutiere, sondern ein Großteil auch aus dem jeweiligen Land stamme und dass damit auch ein Teil der jeweiligen Bevölkerung hinter dem IS stehe. Die sog. Gegner des IS habe er dagegen als verblendet dargestellt, weil diese die Wahrheit nicht erkennen wollten. Der Kläger habe den IS damit in ein positives Licht gerückt. Am … Mai 2015 habe der Kläger eine als Fälschung deklarierte Erklärung des Büros für Presse des IS in Tripolis mit dem Kommentar veröffentlicht: „Ein schlimmer Versuch, um den Islamischen Staat als Verbrecher zu präsentieren“. Der Kommentar zeige, dass der Kläger den Inhalt der Erklärung und die darin getätigte Drohung als Verbrechen erachte. Dies widerspreche jedoch anderen Posts, in denen er die Tötung von Menschen, die entgegen der Scharia lebten, befürworte, sei aber andererseits auch nachvollziehbar, wenn man bedenke, dass der Kläger selbst einmal Student der Universität von Tripolis gewesen sei und sich in diesem Fall möglicherweise mit den bedrohten Personen verbunden fühlen könne. Dazu passe auch die Deklarierung der Erklärung als Fälschung. Aus dem Kommentar werde deutlich, dass der Kläger dem IS keine - aus seiner Sicht - Verbrechen zutraue und er diese zu Unrecht als Verbrecher dargestellt sehe, wodurch die Organisation wiederum in ein positives Licht gerückt werde. Dazu passe auch die spätere überspitzte Aussage zu dem Thema: „Alle anderen offiziellen Seiten von IS auf Twitter haben geschrieben, diese Erklärung sei gelogen.“ An diesem Beispiel werde auch der starke emotionale Aspekt der Sympathiebekundungen deutlich, was ein Anzeichen für eine fortgeschrittene Radikalisierung darstelle. Mit seinem Kommentar vom ... März 2016 zu dem Foto eines Mannes, der Shahada zeige, habe der Kläger zeigen wollen, dass sich nicht nur arbeitslose und verzweifelte Menschen der terroristischen Organisation IS anschlössen, sondern dass die Anhänger der Organisation hinter den Zielen und der Ideologie stünden und dies über die derzeit bestehenden Grenzen hinaus. Eine ähnliche Aussage beinhalte auch der Kommentar zu einem Bild mit zwei älteren Männern mit weißen Bärten, zu dem der Kläger schreibe, dass einige zur Verfolgung weltlicher Ziele die Soldaten des IS als jung und ahnungslos in religiösen und weltlichen Dingen darstellen wollten. Außerdem beschuldige der Kläger diese, die Worte Gottes über den Dschihad, seine Größe, sein Gewicht und seine Belohnung, die Beschreibung der Siegestruppen im Koran als Gruppe, die nur Gottes Scharia praktiziere und nur Angst vor Gott habe, und den Ursprung der Religion zu vergessen, um ein schönes irdisches Leben zu haben. Der Kläger habe damit erklärt, dass für ihn der Dschihad und die daraus hervorgehende Belohnung sowie ein Leben nach der Scharia mehr Bedeutung habe, als das Streben nach einem schönen irdischen Leben. Diese Einstellung nach Streben auf ein erfülltes Leben im Jenseits sei Teil der islamistischen Ideologie des IS und, da die Aussage im Zusammenhang mit dem IS genannt werde, müsse dies auch als Werbung für die Ideologie des IS verstanden werden. Mit der Aussage „wir glauben nicht an die Grenzen von Sykes-Picot“ zeige der Kläger zudem, dass er sich dem IS auch zugehörig fühle. In dem vom Kläger am ... Juni 2016 geteilten Post („…“) mache er deutlich, dass Personen, die für den IS kämpfen, von ihm als gut angesehen werden. In seiner Veröffentlichung eines Bildes und Textes des dschihadistischen Gelehrten A. al-A. vom … Juni 2015 werde die Errichtung und die Ausbreitung des IS gepriesen. Durch die Veröffentlichung zeige der Kläger, dass auch er diese Entwicklung gutheiße. Insgesamt verteidige der Kläger den IS und versuche, das von der Organisation besetzte Gebiet als tollen Staat darzustellen. Alle Sympathiebekundungen stellten den IS in einem positiven Licht dar, was dazu führen könne, dass weitere Personen mit dem IS sympathisierten oder sich diesem sogar als Mitglieder anschlössen und für ihn kämpften, was sich wiederum positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken und den Fortbestand der terroristischen Vereinigung fördern könne. Ob der Kläger selbst tatsächlich ein Mitglied der terroristischen Organisation sei, sei für die Erfüllung des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung nicht zwingend zu prüfen. In anderen Posts gehe der Kläger sogar noch weiter und bewerbe und befürworte direkt die Ziele und die Ideologie des IS. So habe er am … Mai 2015 mehrere Thesen aus dem sogenannten „Manhaj“ des IS veröffentlicht, welches er selbst als Programm des Staates bezeichne und die religiöse Methodik des IS darstelle. Diese Thesen stünden alle im Widerspruch zu der in der freiheitlich demokratischen Rechtsordnung verankerten Religionsfreiheit. Am Ende seiner Aussage spreche der Kläger den Leser direkt an und wolle damit erreichen, dass dieser sich mit den Verhaltensweisen identifiziere. Zum anderen stelle der Kläger die religiöse Methodik des IS mit der religiösen Methodik des Propheten Mohammed gleich, um zu verdeutlichen, dass diese richtig sei. Durch die Veröffentlichung dieser Thesen fördere der Kläger sowohl den Fortbestand als auch die Verwirklichung der auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele. Am ... Juni 2015 habe der Kläger die Anwendung der Scharia in Form eines Todesurteils begrüßt, wodurch er zeige, dass er die in der Scharia vorgeschriebene körperliche Gewalt zur Strafverbüßung, sogar in Form der Tötung eines Menschen, gutheiße und dass die Verwendung solcher Strafen durch den IS gerecht sei. Er unterstütze damit direkt die Methoden und Ziele des IS und erhöhe dadurch seine Gefährlichkeit. Auch der Post von Dr. E. E., den der Kläger am … November 2015 über Facebook geteilt und damit weiterverbreitet habe, beinhalte das konkrete, von ihm bereits genannte Ziel des IS, die Heiden zu bestrafen mit Hilfe Gottes und den Löwen des IS. Auch hier werde der IS durch den Vergleich mit einem Löwen als stark und mächtig darzustellen versucht. In seinem Beitrag vom … Februar 2016 habe der Kläger erklärt, dass der IS jeden aufnehmen und vergeben werde, der seinen bisherigen Religionspraktiken nicht mehr folge, beginne, den Islam richtig zu praktizieren und sich zur Organisation IS bekenne. Auch mit diesem Post habe er andere ansprechen wollen, sich dem IS anzuschließen, was den Fortbestand der terroristischen Vereinigung fördere. Ein Selbstmordattentat im libyschen Benghazi habe er in seinem Post vom ... April 2016 sogar als Märtyreroperation verherrlicht und befürworte und bewerbe damit die gewalttätigen, mörderischen Methoden des IS, wodurch er wiederum die Verwirklichung der Ziele des IS fördere. Ein anderer von E. …s Posts, der vom Kläger am … April 2016 geteilt worden sei, sage aus, dass es dem IS um den Kampf in Syrien gehe, dass Muslime und Andersgläubige nicht befreundet sein könnten und dass der IS das Richtige sei. In dieser Aussage sei nochmals ein Grundsatz der Ideologie der terroristischen Organisation IS verinnerlicht: Der Dschihad als gerechtes Mittel zur Bekämpfung der sogenannten Ungläubigen. Auch hier sei das Ziel, die Verwirklichung der Ziele des IS zu fördern. Zu den Terroranschlägen in Paris am 13. November 2015 habe der Kläger einen Tag später sogar eine Koransure veröffentlicht, mit der er die Anschläge als eine Strafe Allahs darstelle, die die Betroffenen verdient hätten. Unterstrichen werde dies noch durch seine Ergänzung am darauffolgenden Tag, als er geschrieben habe, dass man kein Mitleid mit den Franzosen haben dürfe. Durch seine Handlungen habe der Kläger zudem auch die potenzielle Gefährlichkeit des IS gefestigt und sein Gefährdungspotential erhöht.

Des Weiteren habe er auch die terroristische Vereinigung Al-Qaida unterstützt durch die Veröffentlichung von Zitaten, Ansichten und Aussprüchen salafistisch-dschihadistischer Ideologen, wie Abu M. al-Z, A. al-A. und S. Q. Durch die Verbreitung der Verherrlichung des Dschihad fördere der Kläger die Verwirklichung der auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele der Al-Qaida und festige damit ihre potentielle Gefährlichkeit und stärke ihr Gefährdungspotential. Durch seinen Kommentar vom … Dezember 2015 unterstütze er die Aussage des A., dass Osama bin Laden, das ehemalige Oberhaupt der Al-Qaida, ein guter Mensch sei. Mit dem Ausspruch „ruhe er in Frieden“ drücke er zudem sein Mitgefühl für den Tod Osama bin Ladens aus. Der Kommentar fördere somit den Zusammenhalt der Vereinigung.

Dass seine Aussagen als Sympathiewerbung und Unterstützung zu werten seien, sei sowohl aus der zum Teil deutlichen positiven Formulierung der Aussagen über die terroristischen Organisationen erkennbar, als auch anhand der Reaktionen, die er auf seine Veröffentlichungen erhalten habe. Die Unterstützungshandlungen seien für den Kläger damit erkennbar und ihm zurechenbar. Seine Stellungnahme vom ... September 2016 rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Veröffentlichungen über Facebook widerlegten die Aussagen im Rahmen der Anhörung, da hieraus ganz deutlich die Unterstützung und Sympathiebekundung für den IS sowie dessen Ideologie und Handlungen hervorgehe. Von einer objektiven Diskussion ohne Parteiergreifung für den IS könne keinesfalls die Rede sein. Die Aussage des Klägers könne daher allenfalls als Relativierungsversuch der gemachten Vorwürfe gesehen werden, vor allem durch seine Aussage, er bereue es, so viel geschrieben zu haben. Auch die Aussage, er werde bei einem weiteren Aufenthalt in Deutschland sich künftig rechtstreu verhalten und keine politischen Diskussionen mehr führen, sei in der Gesamtbetrachtung nicht glaubhaft, da er sein Fehlverhalten durch das Veröffentlichen und Verbreiten radikaler Ideologien und Gewaltpropaganda nicht erkannt habe. In seinen Aussagen sei lediglich Reue für sein Handeln aufgrund der nun bevorstehenden Konsequenzen erkennbar, jedoch nicht für sein Handeln oder seine Ansichten. Eine glaubhafte Distanzierung von seinen Handlungen könne darin nicht gesehen werden. In der Gesamtschau rechtfertigten die von den Sicherheitsbehörden mitgeteilten Tatsachen die Schlussfolgerung, dass er die terroristischen Vereinigungen IS und Al-Qaida unterstützt habe. Die Sicherheit der Bundesrepublik werde darüber hinaus durch die Verbreitung salafistisch-extremistischen Gedankenguts und die Befürwortung von Gewalt, insbesondere durch die Verherrlichung von Selbstmordattentaten, gefährdet. Aus den Mitteilungen der Sicherheitsbehörden gehe übereinstimmend hervor, dass er Anhänger einer salafistisch-dschihadistischen Ideologie sei, diese extremistische Weltanschauung verinnerlicht und sich mit ihr identifiziert habe. Der hohe Grad der Emotionalität in seinen Veröffentlichungen lasse zudem auf einen nicht unerheblichen Grad der Radikalisierung schließen. Die Facebook-Beiträge des Klägers seien dem salafistischen Spektrum zuzuordnen, er poste regelmäßig Zitate von salafistischen Gelehrten und Ansichten militanter Dschihad-Theoretiker. Er brandmarke das Hören von Musik als unislamisch und postuliere die Vollverschleierung der Frau mit dem Niqab als vermeintliches Gebot des Islam. P.. V. und der D. D. würden als gute Menschen angesehen. Nach einem Facebook-Kommentar vom ... März 2016 liebe er Menschen, die die Scharia praktizieren würden. Er stehe auch in Kontakt zu extremistischen Salafisten in Deutschland und pflege auch überregionale Kontakte zur Szene in … Der Kläger habe ein Islam-Seminar des salafistischen Predigers A. W. besucht. Er habe 2014 und 2015 mehrfach am …-Projekt teilgenommen, wobei er von Ende März bis Ende Mai 2015 sogar als verantwortlicher Leiter fungiert habe. Das Projekt diene oft zur Kontaktaufnahme zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen, um diese zu radikalisieren und sei auch im Zusammenhang mit zahlreichen Ausreise-sachverhalten in Krisen- und Kriegsgebiete bekannt. Im Rahmen der Verbreitung der salafistisch-dschihadistischen Ideologie und Weltanschauung sei auch das Thema Gewalt für den Kläger von besonderer Bedeutung. Der Kläger befürworte die Anwendung der Scharia, wodurch er wiederum zeige, dass die Scharia für ihn eine größere Bedeutung habe als die deutsche Verfassung. Er verherrliche die in der Scharia vorgeschriebene körperliche Gewalt zur Strafverbüßung sogar in Form der Tötung als von Gott und dem Propheten gewollt. Dazu passe auch der Satz: „Allah hat gesagt, ihr sollt die Hälse der Ungläubigen schlagen, wenn ihr sie trefft.“ Gesteigert werde die Gewaltpropaganda durch die Verherrlichung von Selbstmordattentaten für den Dschihad. Die Aussage im Schreiben vom ... September 2016, dass der Kläger zwar den Milizen in Libyen das Schlimmste gewünscht habe, ansonsten jedoch gegen Gewalt sei, werde durch seine Veröffentlichungen klar widerlegt. Die Anwendung von Gewalt sowie die Tötung von Menschen auch durch Selbstmordattentate stelle für den Kläger ein legitimes Mittel zur Durchsetzung von Zielen im Rahmen des Dschihad dar.

Da er seine Ansichten offen über Facebook an eine nicht begrenzte Anzahl anderer Facebook-User weitergegeben habe, könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger diese auch im persönlichen Kontakt mit seinen Freunden und auch bei Kontakten im Rahmen des Koranverteilungsprojektes verbreitet habe. Durch die Verbreitung seiner radikalen Ansichten bestehe die Gefahr, dass sich auch andere Personen radikalisierten und durch seine Verherrlichung von Selbstmordattentaten und Gewalttätigkeiten selbst Anschläge auf dem Gebiet der Bundesrepublik begehen. Es bestehe daher die Gefahr, dass bei ungehindertem Geschehensablauf ein Schaden für Leib und Leben oder die körperliche Unversehrtheit argloser Personen auf dem Gebiet der Bundesrepublik und damit eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eintrete. In Anbetracht der schwerwiegenden Gefahren und damit verbundenen Schäden höchster Rechtsgüter sei bereits eine geringe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ausreichend, um eine Gefährdung zu begründen. Eine Distanzierung des Klägers sei nicht glaubhaft dargelegt worden.

Demgegenüber stehe ein schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, da der Kläger derzeit noch eine Aufenthaltserlaubnis besitze und sich seit über fünf Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Nach der Studienverlaufsbescheinigung der TU München vom 23. September 2013 habe der Kläger das Studienkolleg erfolgreich abgeschlossen. Dies setze voraus, dass er im Rahmen der Feststellungsprüfung nachgewiesen habe, die sprachlichen Voraussetzungen für das angestrebte Studium zu erfüllen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger das Sprachniveau C2 besitze. Er habe bereits … Semester absolviert und bislang noch keine Fehlsemester. Seine Zwischennote betrage … Er habe sein Studium daher zumindest zuletzt mit guten Leistungen absolviert. Seit Juni 2016 lebe er mit seiner Lebensgefährtin in einer gemeinsamen Wohnung.

Im Rahmen der Abwägung der öffentlichen Interessen an der Fernhaltung mit den privaten Interessen an einem weiteren Verbleib seien folgende Überlegungen angestellt worden: Die Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland begründe ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Aus general- und spezialpräventiven Erwägungen habe der Gesetzgeber insbesondere zur Bekämpfung von terroristischen Bestrebungen und Unterstützungshandlungen zum Ausdruck gebracht, dass er der Ausweisung von Sicherheitsgefährdern ein besonders hohes Gewicht beimesse und daher die ausländerrechtliche Möglichkeit der Ausweisung vorgesehen. Angesichts der aus dem Verlauf der Facebook-Aktivitäten hervorgehenden zunehmenden Radikalisierung des Klägers, aufgrund seiner einschlägigen Kontakte in salafistisch-dschihadistische Szene und aufgrund der Unterstützung von terroristischen Vereinigungen bestünden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger höchste Rechtsgüter bei einer weiteren Anwesenheit im Bundesgebiet auch künftig gefährden werde. Es bestehe ein besonderes Interesse, künftige sicherheitsgefährdende Aktivitäten auszuschließen. Es werde nicht verkannt, dass der Kläger seine sicherheitsgefährdenden Facebook-Aktivitäten in Form von Sympathiebekundungen und sonstigen Unterstützungshandlungen auch aus dem Ausland fortsetzen könne. Diese Aktivitäten entfalteten jedoch vor allem durch seine persönlichen Kontakte innerhalb des salafistischen Milieus im Bundesgebiet und durch seine Freundschaften zu bekannten Szenemitgliedern mit salafistisch-dschihadistischer Ideologie ihre besondere Sicherheitsgefahr, weil durch diese im Bundesgebiet lebenden Personen in ihrer radikalen Weltanschauung bestätigt würden bzw. ihre bestehende Radikalität weiter verstärkt werden könne. Gleiches gelte in Bezug auf seinen persönlichen Kontakt zu A., der innerhalb der Szene als Syrienrückkehrer bekannt sei und somit auch Ansehen genieße. Aufgrund seines Engagements als Standbetreuer für das …-Projekt sei der Kläger zugleich Multiplikator für die salafistisch-dschihadistische Ideologie, die er selbst verinnerlicht habe. Dementsprechend gründe sich die besondere Sicherheitsgefahr der sicherheitsgefährdenden Facebook-Aktivitäten durch die weitere Anwesenheit im Bundesgebiet, weil die Wahrscheinlichkeit, dass sich andere Personen aufgrund der Facebook-Aktivitäten des Klägers ebenfalls in Richtung des dschihadistischen Salafismus radikalisierten und sich ebenfalls zu Unterstützungshandlungen zugunsten des IS und von Al-Qaida beeinflussen ließen, aufgrund von persönlichen Kontakten ungleich höher sei, als wenn der Kläger seine Aktivitäten lediglich aus dem Ausland heraus entfalte. Insbesondere sei davon auszugehen, dass der Kläger bei einer weiteren Anwesenheit im Bundesgebiet seinen persönlichen Bekanntenkreis stetig weiter vergrößern werde, was die Möglichkeit zur direkten Einflussnahme auf Personen in Deutschland qualitativ und quantitativ massiv erhöhe. Unter spezialpräventiven Aspekten sei die Ausweisung daher geeignet, die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu verhindern. Die Ausweisung sei darüber hinaus aber auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten geboten. Durch die Ausweisung könne erreicht werden, dass andere Ausländer von Sympathiebekundungen und Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Organisationen, Verherrlichung des Dschihad und von Selbstmordanschlägen auch in Europa abgehalten werden, weil sie von den ausländerrechtlichen Folgen hiervon abgeschreckt werden. Aufgrund der Verwurzelung des Klägers im salafistischen Milieu und demgemäß seiner Bekanntheit auch bei Personen, die dem politischen Salafismus zuzurechnen seien, sei seine Ausweisung geeignet, eine generalpräventive Wirkung zu erzielen. Es bestehe ein überragendes öffentliches Präventivinteresse, unter Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel gegen die Unterstützung von terroristischen Vereinigungen vorzugehen. Die Ausweisung sei daher geeignet, aber auch erforderlich, um der vom Kläger ausgehenden Gefährdung entgegenzuwirken. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Kläger seit über fünf Jahren erlaubt im Bundesgebiet aufgehalten habe und in dieser Zeit ein sehr hohes Sprachniveau erworben habe. Es sei jedoch ebenfalls zu sehen, dass sein Aufenthalt in der Bundesrepublik nach seinen eigenen Angaben in den jeweiligen Anträgen auf Erteilung eines Visums bzw. einer Aufenthaltserlaubnis nur zweckgebunden zum Erwerb eines Studienabschlusses des … und von vornherein zeitlich begrenzt vorgesehen gewesen sei. Zugunsten sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Studium zielstrebig und ohne Fehlsemester betrieben habe und nach derzeitiger Einschätzung davon auszugehen sei, dass er innerhalb der Regelstudienzeit von sechs Semestern im Jahr 2017 einen Bachelor-Abschluss erwerben würde. Es werde nicht verkannt, dass ein Abbruch des derzeitigen Studiums mit der Notwendigkeit, das Studium im Ausland fortzusetzen, einen Bruch in seinem Lebenslauf hinterlasse und auch für sein weiteres berufliches Fortkommen eine einschneidende Maßnahme bedeute. Der Schutz der Allgemeinheit vor der von ihm ausgehenden Gefahr wiege jedoch schwerer, so dass ein derartiger Einschnitt zum Wohl der Allgemeinheit hingenommen werden müsse. Wirtschaftliche Bindungen seien nicht erkennbar, da der Lebensunterhalt des Klägers durch Unterhaltszahlungen seiner Eltern bestritten werde. Umgekehrt habe der Kläger in seinem Heimatland noch umfangreiche familiäre Bindungen. Seine Eltern und seine Geschwister lebten dort. Der Lebensunterhalt werde durch seine Eltern finanziert. Der Kläger sei während seines Aufenthalts in Deutschland mehrfach für mehrere Wochen in sein Heimatland gereist. Er beherrsche die libysche Landessprache Arabisch und habe noch sehr gute persönliche und wirtschaftliche Bindungen an sein Herkunftsland. Der Schutz von Ehe und Familie sei nicht betroffen, da die Lebensgefährtin des Klägers nicht von dem Schutzbereich erfasst werde. Die Beziehung zu seiner Lebenspartnerin stelle jedoch eine schützenswerte private Beziehung im Bundesgebiet im Sinne von Art. 8 EMRK dar. Aufgrund seiner Unterstützungshandlungen zugunsten einer terroristischen Vereinigung und der damit einhergehenden Gefahr stehe Art. 8 EMRK der Ausweisung aber nicht entgegen. Es sei dem Kläger zumutbar, seine Beziehung über soziale Medien und Besuche in Libyen aufrecht zu erhalten. Da er nicht verheiratet sei, könne die Bindung auch nicht in einem Maße wie eine rechtsgültige Ehe gewürdigt werden. Weiterhin seien die Religionsfreiheit und die Meinungsfreiheit bei der Ausweisung beachtet worden, führten jedoch ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Da der Kläger durch sein sicherheitsgefährdendes Handeln und seine eigene extremistische Einstellung und Überzeugung eine Gefährdung darstelle, sei in der darauf gründenden Ausweisung keine verfassungswidrige Einschränkung der Religions- und Meinungsfreiheit erkennbar. Die vom Kläger ausgehende Gefährdung überwiege im Gesamtergebnis unter Abwägung aller Umstände das persönliche Bleibeinteresse. Die Ausweisung sei erforderlich und im Gesamtergebnis auch verhältnismäßig.

Der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 27. Juni 2016 werde abgelehnt, da die Voraussetzungen nicht mehr vorlägen. Einem Ausländer, der ausgewiesen worden sei, dürfe gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden. Diese Titelsperre trete mit Erlass der Ausweisungsverfügung ein. Darüber hinaus liege auch ein Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, so dass die Verlängerung des Aufenthaltstitels gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu versagen sei.

Die Sperrwirkungen der Ausweisung würden auf neun Jahre befristet. Das Alter und die Zielstrebigkeit des Klägers, mit der er sein Studium betrieben habe, zeugten davon, dass jugendtypische Reifeverzögerungen bei ihm nicht vorlägen und seine Persönlichkeitsentwicklung zum Erwachsenen abgeschlossen sei. Aufgrund des Umstandes, dass er die salafistisch-dschihadistische Glaubensauslegung bereits tief verinnerlicht habe, und unter Würdigung der zunehmenden Radikalität in seinen extremistischen Einstellungen bestünden hinreichende Gründe für die Annahme, dass seine Radikalisierung noch nicht abgeschlossen sei. Mit Blick auf seine Ausführungen im Schreiben vom ... September 2016 sei festzustellen, dass er den Unrechtsgehalt seiner Facebook-Aktivitäten trotz Vorhalts im Rahmen des rechtlichen Gehörs nicht einzusehen bereit sei. Aufgrund der von ihm ausgehenden persönlichen Gefährdung höchster Rechtsgüter sei die Frist sowohl geeignet als auch erforderlich, um den mit der Ausweisung verfolgten Zweck zu erreichen. Da er sich bereits seit langer Zeit mit dem Islam beschäftige und sich seit 2012 bewusst für eine extreme Auslegung des Islam und die Befürwortung des IS entschieden habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Ausweisung alleine zu einer Änderung seines Verhalten führen könne. Vielmehr führe es zu der Prognose, dass eine Änderung zu gewaltfreiem, verfassungskonformen Denken und Handeln einen langjährigen Prozess voraussetze, der einen Zeitraum von neun Jahren auf jeden Fall beanspruchen werde. Die Frist sei auch nach Einbeziehung verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen und schutzwürdiger Belange nicht zu verkürzen.

Da sich die Ausweisungsverfügung auf § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG stütze, unterliege der Kläger gemäß § 56 Abs. 1 AufenthG der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen Polizeidienststelle zu melden. Anhaltspunkte, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgehe, als von anderen Ausländern, die auf Grundlage von § 54 Abs. 1 Nr. 2 ausgewiesen wurden, lägen nicht vor. Es werde von der Möglichkeit einer abweichenden Meldepflicht Gebrauch gemacht und eine tägliche Meldepflicht angeordnet. Dies sei notwendig und geeignet, um dem Kläger keine Möglichkeit zu einem längeren unbemerkten Aufenthalt außerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs zu geben. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Das öffentliche Interesse überwiege das private Interesse, insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit.

Gemäß § 56 Abs. 2 AufenthG resultiere aus der Ausweisungsverfügung eine Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde. Die Beklagte mache von der Ermächtigung, eine abweichende Festlegung treffen zu können, Gebrauch und beschränke den Aufenthalts des Klägers ab dem 6. Dezember 2016 auf das Gemeindegebiet … Gleichzeitig ergehe die Anordnung gemäß § 56 Abs. 3 AufenthG, Wohnsitz in der dortigen Unterkunft für Asylbewerber zu nehmen. Die Maßnahmen seien aus Gründen der inneren Sicherheit geeignet, um eine Kontaktaufnahme des Klägers zu seinen Freunden aus dem salafistischextremistischen Spektrum weitestgehend zu unterbinden. Sie seien erforderlich, da ansonsten eine Kontaktaufnahme nicht effektiv unterbunden werden könne. Die Verlegung in die Gemeinschaftsunterkunft … sei auch erforderlich, um die geforderte Überwachung zu gewährleisten. Das öffentliche Interesse an einer Gefahrenabwehr überwiege deutlich die persönlichen Interessen, insbesondere der allgemeinen Handlungsfreiheit. Seine Partnerschaft könne auch durch Besuche der Lebensgefährtin im … aufrechterhalten werden. Auch der Abbruch des Studiums könne in der Gesamtschau die Gefährdung, die vom Kläger ausgehe, nicht relativieren.

Gemäß § 56 Abs. 4 AufenthG könne der Ausländer zu Erschwerung oder Unterbindung der Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, auch verpflichtet werden, bestimmte Kommunikationsmittel oder -dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkung notwendig sei, um erhebliche Gefahren für die innere Sicherheit oder Leib und Leben Dritter abzuwehren. Die Verpflichtung des Klägers erfolge zur Unterbindung der Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben. Der Kläger verbreite über das Internet Inhalte und Beiträge, durch die er die Sicherheit, insbesondere die innere Sicherheit der Bundesrepublik, gefährde. Bei der bloßen Untersagung der Facebook-Nutzung bestehe die Gefahr, dass der Kläger sich in anderen sozialen Netzwerken anmelde und seine beschriebenen Aktivitäten dort fortführe oder dass er über E-Mail-Programme sicherheitsgefährdende Inhalte weiter verbreite. Zum anderen bestünde die Gefahr, dass sich der Kläger im Internet noch weiter zu dschihadistisch-salafistischen Themen informieren und sich so in seinem Denken und Handeln weiter radikalisieren werde. Ferner schränke das Verbot auch die Kontaktaufnahme und Aufrechterhaltung der Verbindung zu seinem bisherigen Umfeld und gleichzeitig die Möglichkeit der Radikalisierung anderer Internetbesucher durch Veröffentlichung und Statements in erheblichem Maße ein. Das Verbot sämtlicher Kommunikationsmittel bis auf ein nicht internetfähiges Mobiltelefon solle ihm zudem auch die Kontaktaufnahme zu seinen bisherigen Bezugspersonen aus der salafistisch-extremistischen Szene soweit wie möglich erschweren.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1, 5 und 6 des Bescheides liege im überwiegenden öffentlichen Interesse. Die Ausweisung sei aufgrund der vom Kläger ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik erfolgt. Im Rahmen der Gefahrenabwehr erfordere es daher das öffentliche Interesse und die Sicherheit der Allgemeinheit, alle rechtlich zulässigen Maßnahmen zu treffen, um das Sicherheitsrisiko durch eine zeitnah anzustrebende Aufenthaltsbeendigung konkret zu unterbinden bzw. auf eine kontrollierbares Maß zu beschränken. In der Abwägung müssten die privaten Interessen an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegenüber den öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung zurücktreten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im Hinblick auf die durch den Kläger verursachte Gefährdungslage gerechtfertigt und begründet, um die sicherheitsrechtliche Zielsetzung effektiv zu erreichen. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung müssten während eines andauernden Hauptsacheverfahrens Gefahren wie die weitere Verbreitung der verfassungsfeindlichen dschihadistischen Ideologie für die Allgemeinheit in Kauf genommen werden, die mit der Intention der maßgebenden Ausweisungsinteressen nicht in Einklang zu bringen wäre. Selbst im Falle einer späteren gerichtlichen Aufhebung schaffe die sofortige Vollziehung keine irreparablen Zustände, da der Kläger aufgrund der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ohnehin zur Ausreise verpflichtet wäre und damit sein Studium nicht weiter fortführen könne. Auch die Anordnung des Sofortvollzugs im Hinblick auf die Überwachungsmaßnahmen sei erforderlich, da andernfalls weitere Aktivitäten und Unterstützungshandlungen bis zur Bestandskraft des Bescheides in Kauf genommen werden müssten, wenn es dem Kläger möglich wäre, sich weiterhin räumlich und zeitlich uneingeschränkt zu bewegen. Dies wäre im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage nicht vertretbar.

Die Anordnung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Die Androhung der zwangsweisen Verlegung in die genannte Unterkunft stütze sich auf Art. 29, 34 und 36 VwZVG. Die Androhung eines Zwangsgeldes sei hier von vornherein als nicht zielführend anzusehen und stelle somit kein geeignetes Zwangsmittel dar, da der angestrebte Zweck umgehend den Vollzug der vom Kläger zu erfüllenden Handlung fordere. Der unmittelbare Zwang sei auch angemessen, da die öffentlichen Interessen an der unverzüglichen Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft … … … die privaten Interessen überwögen.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom … November 2016, bei Gericht am 29. November 2016 eingegangen, hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2016 aufzuheben.

Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom … Dezember 2016 im Wesentlichen ausgeführt, der Aufenthalt des Klägers gefährde weder die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch die freiheitliche demokratische Grundordnung noch sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass bei der Abwägung das Bleibeinteresse das Ausweisungsinteresse weit überwiege. Die Ausweisung sei daher rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Die Äußerungen auf Facebook in arabischer Sprache habe der Kläger nur veröffentlicht, um die Milizen in Libyen und ihre Anhänger zu provozieren. Zu dieser Zeit habe er sich große Sorgen um seine Familie gemacht. Mit Ende der Revolution habe er sich gefreut, weil er gedacht habe, dass Ruhe und Frieden in Libyen einkehren. Dann hätten die Milizen die Kontrolle erlangt und Libyen sei es schlechter als zuvor gegangen. Sie hätten auf Zivilisten geschossen, wobei einer der besten Freunde des Klägers getötet worden sei. Deshalb sei der Kläger froh darüber gewesen, als sich Kampfgruppen in Libyen dem IS angeschlossen hätten, weil er gedacht habe, dass diese die Milizen stoppen. Allein das sei der Grund für die Äußerungen auf Facebook. Dabei sei auch das junge, jugendliche Alter des Klägers zu berücksichtigen. Unter Jugendlichen würden allerhand Fotos, Videos oder Sprüche über soziale Netzwerke und Medien verbreitet. Durch das Posten von Bildern wollten sich Jugendliche Aufmerksamkeit und Anerkennung bei ihren Freunden und Bekannten einholen. Darunter sei auch das Veröffentlichen der Bilder des Klägers zu sehen. Insbesondere durch grenzüberschreitende Bilder oder Sprüche solle eine Aufmerksamkeit bei Freunden erreicht werden. Weiter sei anzumerken, dass die Äußerungen auf Facebook in arabischer Sprache veröffentlicht worden seien und keine Angaben darüber vorlägen, ob und wie oft diese geliked oder geteilt worden seien. Das Veröffentlichen allein oder der Kommentar einzelner Freunde gebe noch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Äußerungen verbreitet oder von vielen Menschen wahrgenommen worden seien. Ein Unterstützen der Ziele und Aktivitäten könne allein aufgrund der Veröffentlichung nicht angenommen werden. Den Angaben der Mitstudenten könne kein großer Stellenwert beigemessen werden. Es lägen genauso gegenteilige Äußerungen anderer Mitstudenten vor, die den Kläger kennen. Am …-Projekt habe der Kläger allein deshalb teilgenommen, damit die Menschen eine Übersetzung des Korans selbst lesen könnten. Seit über einem Jahr sei der Kläger nicht mehr beteiligt, da seiner Zeit nutze, Kommilitonen Nachhilfe zu geben. Nachdem es mittlerweile verboten sei, werde er sich auch in Zukunft distanzieren. Es liege kein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. ein positives Auswirken auf die Aktionsmöglichkeiten einer Terrororganisation sei nicht erkennbar. Demgegenüber liege ein schwerewiegendes Bleibeinteresse vor, da der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis besitze und sich mehr als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Daneben sei zu berücksichtigen, dass der Kläger studiere und sehr gute Studienleistungen erbringe. Fehlsemester lägen keine vor. die Unterstützung von Kommilitonen zeige, dass er seine Fähigkeiten einsetze, um anderen weiterzuhelfen. Der Kläger habe in Deutschland ein straffreies Leben geführt und sich aus provokativen Situationen stets herausgehalten. Auch sei er sozial gut integriert. Seit zwei Jahren lebe er mit seiner Freundin zusammen, mit der er sich verlobt habe. Sie wollten heiraten und eine gemeinsame Zukunft planen. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass die von der Beklagten angenommene Entwicklung des Klägers allein in Deutschland stattgefunden habe. Daher sei es wichtig, dem Kläger hier auch zu einer Rückentwicklung zu verhelfen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2016 beantragt,

die Klage abzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung wurde seitens der Vertreter des Landesamtes für Verfassungsschutz und der Polizei erklärt, dass keine neuen Erkenntnisse vorlägen. Der Klägerbevollmächtigte erklärte, die Aktivitäten des Klägers im Internet für den IS hätten sich im Jahr 2016 abgeschwächt. Der Vertreter der Polizei erklärte hierzu, dass es 2015 und 2016 verstärkt zu persönlichen Kontakten mit anderen IS-Sympathisanten gekommen sei. Der Kläger gab an, dass die IS-Sympathisanten von ihm verlangt hätten, dass er Gruppen, die gegen den IS kämpfen, in der Öffentlichkeit als Ungläubige darstelle. Anderenfalls würde man selbst als Ungläubiger dastehen. Er habe das dann auch gedacht und gemacht, um in der Gruppe zu bleiben. Die Posts habe er vor allem gegen die libyschen Milizen gerichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird die auf Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage der Ausweisung in Nr. 1 des Bescheids ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Hierbei sind insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Für die Abwägung hat der Gesetzgeber vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen das öffentliche Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und unter welchen Voraussetzungen das Bleibeinteresse des Ausländers (§ 55 AufenthG) schwer bzw. besonders schwer zu gewichten ist. Abweichend von diesen Grundsätzen bestehen für bestimmte Personengruppen wie Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber ein besonderer Ausweisungsschutz, vgl. § 53 Abs. 3 und 4 AufenthG.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

Dem Kläger kommt ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG nicht zu (a). Es besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach §§ 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (b) und eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland nach § 53 Abs. 1 AufenthG (c), dem kein besonderes Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG gegenübersteht (d). Bei der Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß 53 Abs. 1 und 2 AufenthG sowie den Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte überwiegt das Ausweisungsinteresse (e).

a) Der Kläger gehört keiner der in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten Personengruppen an, deren Ausweisung nur unter einem modifizierten Ausweisungsmaßstab zulässig ist. Der Kläger hat weder einen Asylantrag gestellt noch ist er als Asylberechtigter anerkannt oder genießt die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings. Ihm steht auch nicht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zu und er ist im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung auch nicht im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU.

b) Es besteht im Fall des Klägers ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.

Voraussetzung ist damit zunächst, dass die Vereinigung ihrerseits den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat. Dies muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, U.v. 25.10.2011 - 1 C 13/10 - juris). Für die erforderliche individuelle Unterstützung einer solchen Vereinigung durch den einzelnen Ausländer genügt es dagegen, dass Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen (BVerwG, U.v. 25.10.2011 - a.a.O.). Auch wenn die Vorschrift das Vorliegen von entsprechenden Indiztatsachen genügen lässt, müssen jedenfalls hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen vorliegen, welche die Schlussfolgerung im Sinne des Ausweisungstatbestandes rechtfertigen. Maßgeblich ist insoweit eine wertende Gesamtbetrachtung, ob im Falle des betroffenen Ausländers die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestands erfüllt sind (vgl. BVerwG, U.v. 15.3.2005 - 1 C 26/03 - juris).

Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“, die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftritt, handelt es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. Diese Einschätzung entspricht der die allgemeine Auffassung der internationalen Staatengemeinschaft wiedergebenden Resolution 2170 (2014) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. August 2014, in welcher erneut unter Hinweis auf entsprechende Vorgängerresolutionen die terroristischen Handlungen der ISIL verurteilt und die Staatengemeinschaft zu Gegenmaßnahmen aufgerufen wurden. Es besteht keinerlei Anlass dazu, an dieser allgemeingültigen Beurteilung der Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ zu zweifeln.

Es liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG umfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken (BVerwG, U.v. 25.10.2011 - a.a.O.). Dazu gehört jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung sowie ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Bestrebungen fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Der Unterstützungsbegriff ist dabei unabhängig von der strafrechtlichen Auslegung des § 129a StGB zu bestimmen und umfasst auch die Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterscheidet nicht zwischen dem Unterstützen und Werben und beinhaltet keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer (BVerwG, U.v. 25.10.2011, a.a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser Auslegung des Begriffs der Unterstützungshandlung sind in hinreichendem Maße Tatsachen vorhanden, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt.

Die Posts, in denen Kritik am Westen und dessen Geschichte zum Ausdruck kommt, bzw. (vermeintlich) religiöse Ansichten über das Hören von Musik oder die Verschleierung der Frau, stellen - entgegen der Auffassung der Beklagten - zwar keine derartigen Tatsachen dar, da diese von der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG gedeckt sind. Die in den Akten befindlichen, für jedermann zugänglichen Auszüge aus dem Facebook-Account des Klägers weisen jedoch eine Vielzahl gewaltverherrlichender Einträge auf, die den IS, dessen Ideologie, den bewaffneten Dschihad, Selbstmordanschläge und den „Märtyrertod“ verteidigen bzw. glorifizieren und damit eine Identifizierung des Klägers mit den Zielen des IS und deren Durchsetzung mit terroristischen Mitteln belegen. Zudem hat der Kläger entsprechende Einträge anderer Nutzer geliked und geteilt und damit die extremistische Einstellung anderer bestätigt und zu deren Verbreitung beigetragen. Neben diesen Aktivitäten im Internet betätigte sich der Kläger innerhalb einer Gruppe junger Salafisten in … und nahm im Rahmen des …-Projektes von Anfang 2014 bis Ende Mai 2015 regelmäßig an Verteilungsaktionen in … in Form der Betreuung der Infostände und des Street-Dawa teil. Von Ende März bis Ende Mai 2015 war der Kläger für die Infostände sogar als einer der verantwortlichen Leiter gemeldet gewesen. Seine Stellung innerhalb der Gruppe belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass er im November 2014 im Anschluss an eine …-Veranstaltung mit den Verantwortlichen des Projekts aus Nordrhein-Westfalen, S. B. A. und I. A. N., Essen gegangen ist. Daneben pflegt der Kläger enge Kontakte zu Personen, die in Krisen- oder Kriegsgebiete ausgereist sind, wie dem Syrien-Rückkehrer S. A., sowie zur salafistischen Szene in … Es muss davon ausgegangen werden, dass innerhalb dieser Gruppen auch intensiv um die Legitimität des bewaffneten Dschihads des IS und dessen Streben nach einer auf der Scharia basierenden Rechts- und Gesellschaftsordnung geworben wurde und der Kläger vor dem Hintergrund seiner Bildung hierzu maßgeblich beigetragen hat. In der Gesamtschau teilt das Gericht die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger nicht nur dem politischen Salafismus zuzurechnen ist, sondern eine salafistisch-dschihadistische Einstellung verinnerlicht hat und über die ihm zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel und persönlichen Kontakte zumindest Sympathiewerbung in erheblichem Umfang für den IS betrieben hat.

Bei der vom Kläger betriebenen Sympathiewerbung ist davon auszugehen, dass sich diese positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirkt, indem der Kläger der allgemeinen Verurteilung von dessen Gräueltaten das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegengesetzte und sich damit als Teil von dessen Propagandamaschinerie betätigte. Dies genügt für das Vorliegen einer Unterstützungshandlung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Maßgeblich ist allein, dass die potentielle Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt wird. Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es - entgegen der Auffassung der Klagepartei - dabei nicht an (BVerwG, U.v. 15.3.2005, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.). Es ist daher nicht entscheidend, wie oft ein Beitrag des Klägers geliked oder geteilt wurde, zumal die tatsächliche Außenwirkung, etwa durch bloßes Betrachten der für jedermann einsehbaren Einträge auf dem Facebook-Account, nicht abschätzbar ist und daher in keinem Fall als völlig untergeordnet bezeichnet werden kann.

Auf die subjektive Vorwerfbarkeit kommt es grundsätzlich nicht an. Allerdings müssen die Unterstützungshandlungen dem Kläger auch zurechenbar sein, d.h. es muss für ihn erkennbar sein, dass er durch seine Handlungen eine terroristische Vereinigung unterstützt (BVerwG, U.v. 25.10.2011, a.a.O., Rn. 23). Dies ist vorliegend der Fall. Denn der Kläger kannte die Aktivitäten, Ziele und Methoden des IS, die letztlich zu dessen Einordnung als terroristische Vereinigung und zum Vereinsverbot geführt haben.

Ein durchgreifender Gesinnungswandel oder eine glaubhafte Distanzierung von der Vereinigung Islamischer Staat ist nicht ersichtlich. Konkrete Anhaltspunkte, die eine Zäsur zu seinen früheren Aktivitäten und eine Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus des IS belegen, liegen nicht vor. In seinem Schreiben vom ... September 2016 hat der Kläger zwar erklärt, er bereue es, im Internet so viel geschrieben zu haben. Darin ist jedoch keine Abkehr von den getroffenen Aussagen zu erkennen, sondern lediglich ein Relativierungsversuch angesichts der drohenden ausländerrechtlichen Maßnahmen. Dass sich seine Aussagen nur auf die Misratah-Milizen in Libyen bezogen hätten und er Gewalt im Übrigen ablehne, wird durch die Auszüge aus seinem Facebook-Account eindeutig widerlegt. Die genannten Milizen werden jedenfalls in den übersetzten Auszügen nicht erwähnt, wohingegen etwa der Anschlag in Paris befürwortet und verteidigt wird und Gewalt gegen „Ungläubige“ als vom Propheten gewollt und selbst praktiziert dargestellt wird. Auch der Verweis auf seine anscheinend weltoffene Familie ist nicht zielführend, da ihn diese Herkunft nicht von seiner Radikalisierung seit 2012 abgehalten hat und ihn offenbar sogar Familienmitglieder angesichts seiner Entwicklung nicht mehr wiedererkennen (vgl. Kommentare von R. K. und N. vom 2.6.2015; Bl. 272 der Behördenakte). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinen Unterstützungshandlungen und eine glaubhafte Abkehr hiervon sind dem Schreiben vom ... September 2016 jedenfalls nicht zu entnehmen. Eine solche ist auch den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nicht zu entnehmen. Dass sich die Aktivitäten des Klägers im Internet im Jahr 2016 abgeschwächt hätten, ist entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten nicht ersichtlich. Allein die im Tatbestand genannten zahlreichen Posts aus dem Jahr 2016 belegen, dass der Kläger auch 2016 unvermindert seine Unterstützungshandlungen im Internet fortgesetzt hat. Hinzu kommen die persönlichen Kontakte zu IS-Sympathisanten, wie sie in der mündlichen Verhandlung nochmals dargestellt wurden. Im Übrigen würde aber selbst eine geringere Zahl unterstützender Posts nicht dazu führen, dass eine glaubhafte Distanzierung von der Vereinigung Islamischer Staat vorläge, nachdem auch in diesem Fall weiterhin Unterstützungshandlungen vorliegen. Auch den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinen Unterstützungshandlungen und eine glaubhafte Abkehr nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Kläger zugegeben, Gruppierungen, die den IS bekämpfen, als Ungläubige dargestellt zu haben, um in der Gruppe der IS-Sympathisanten bleiben zu können. Eine Nennung der Namen dieser IS-Sympathisanten hat der Kläger allerdings verweigert. Dass der Kläger nach Einleitung des ausländerrechtlichen Verfahrens und damit in Ansehung möglicher ausländerrechtlicher Konsequenzen keine weiteren erkennbaren Unterstützungshandlungen unternommen hat, kann allein nicht als erkennbare und glaubhafte Distanzierung gewertet werden. Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse ist daher zu bejahen.

c) § 53 Abs. 1 AufenthG setzt weiter voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Dies ist vorliegend der Fall. Angesichts der mangelnden Distanzierung und Abkehr von seinem bisherigen sicherheitsgefährdenden Handeln einerseits und seiner tief verwurzelten salafistisch-dschihadistischen Grundeinstellung, wie sie in seinen Internet-Aktivitäten wie auch durch seinen Bekanntenkreis zum Ausdruck kommt, ist bei einem weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet auch künftig mit weiteren sicherheitsgefährdenden Handlungen ähnlicher Ausprägung zu rechnen und damit mit einer vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die freiheitlich demokratische Grundordnung. Bei Würdigung des Verhaltens des Klägers ist auch in Zukunft zu erwarten, dass er seine Anwesenheit im Bundesgebiet zur (Sympathie-)Werbung für den bewaffneten Dschihad und zu Aktivitäten, die auf eine Unterstützung des IS hindeuten, ausnutzen wird. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die mögliche Rechtsverletzung ist. Die Gefahr von Terrorakten, die von Unterstützern oder Sympathisanten des IS ausgeht und für die der Kläger durch seine Sympathiewerbung den Boden bereitet, ist dabei so schwerwiegend, dass an die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Beteiligung des Klägers hieran nur geringe Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt umso mehr, als die Radikalisierung potentieller Täter, zu der der Kläger durch seine Sympathiewerbung beiträgt, oftmals über das Internet verläuft und von den Sicherheitsbehörden nicht oder nur unzureichend überwacht werden kann. Es besteht daher eine erhebliche Wiederholungsgefahr.

Darüber hinaus ist vorliegend die Gefahr auch generalpräventiv durch die Gefahr von weiteren sicherheitsgefährdenden Aktivitäten ähnlichen Gewichts durch andere Ausländer begründet. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Ausweisung auch generalpräventiv begründet werden. Voraussetzung ist, dass die Ausweisung insoweit ein geeignetes und erforderliches Mittel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Von ihr muss eine angemessene Wirkung der generalpräventiven Absicht zu erwarten sein. Das ist der Fall, wenn nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden kann, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhalten (BVerwG, U.v. 13.11.1979 - 1 C 100.76 - juris). Der Gesetzgeber wollte diese Möglichkeit der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen auch für das reformierte Ausweisungsrecht mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (vom 27. Juli 2015, BGBl. I S. 1386) beibehalten (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 34; BayVGH, B.v. 19.9.2016 - 19 CS 15.1600 - juris; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, zu § 53 AufenthG, Rz. 53). Vor diesem Hintergrund begegnet auch die aus generalpräventiven Gründen verfügte Ausweisung des Klägers der Gefahr von Unterstützungshandlungen für terroristische Organisationen durch andere Ausländer. Sie ist Teil der von der Beklagten verfolgten konsequenten Ausweisungspraxis. Vor diesem Hintergrund steht die Geeignetheit und Erforderlichkeit dieser Maßnahmen nicht im Zweifel. Angesichts der Bekanntheit des Klägers in der salafistischen Szene in … und seine Internetpräsenz ist die Ausweisung des Klägers geeignet, andere Ausländer von der Unterstützung der terroristischen Vereinigung IS abzuschrecken.

d) Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht entgegen der Auffassung der Beteiligten kein besonderes Bleibeinteresse gem. § 55 AufenthG gegenüber, insbesondere sind die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht gegeben. Danach wiegt das Bleibeinteresse schwer, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Zwar hält sich der Kläger mehr als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Jedoch war er zum Zeitpunkt der Ausweisung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Die ihm am 5. Januar 2015 gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis 30. Juli 2016 befristet. Zwar ist durch die Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 27. Juni 2016 die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG eingetreten, doch ersetzt dies den tatsächlichen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht. Dagegen sprechen der Sinn und Zweck der Regelung sowie die Gesamtsystematik des Aufenthaltsgesetzes. Sinn und Zweck der neugestalteten Fiktionswirkung in § 81 Abs. 4 AufenthG war es, der Neuordnung des Arbeitsgenehmigungsrechts durch das Zuwanderungsgesetz gerecht zu werden. Da nunmehr nach § 4 Abs. 3 S. 1 AufenthG Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben dürfen, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt, war es zwingend erforderlich, die bisher über das gesonderte Arbeitsgenehmigungsrecht mögliche Fortsetzung der Erwerbstätigkeit während eines noch ungeklärten Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch eine fiktive Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels sicherzustellen. Dass darüber hinaus durch § 81 Abs. 4 AufenthG auch die aufenthaltsrechtlichen Verfestigungsmöglichkeiten im Vergleich zum bisher geltenden Recht - unabhängig von der materiellen Rechtslage - grundlegend umgestaltet und verbessert werden sollten, ist dagegen nicht ersichtlich. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Fortbestandsfiktion nur vorläufigen Charakter bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde hat und sich auf die Beurteilung des materiellen Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung eines anderen Aufenthaltstitels nicht auswirken sollte. Denn ein Antragsteller soll durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte. Daher hat auch die Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG besitzstandswahrende, nicht aber rechtsbegründende Wirkung. Die Neuregelung der Fiktionswirkung vermittelt nur eine verfahrensrechtliche, nicht aber eine materiell-rechtliche Position (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2011 - 19 B 10.1631 - juris; BVerwG, U.v. 30.3.2010 - 1 C 6/09 - juris).

Für das Bestehen eines besonderen Bleibeinteresses nach § 55 AufenthG kommt es demnach allein auf den tatsächlichen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis an. Dem steht die Fiktionswirkung des Verlängerungsantrages nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht gleich (vgl. zur Vorgängerregelung des § 56 AufenthG: BayVGH, U.v. 4.7.2011 - 19 B 10.1631 - juris; Bauer in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 56 AufenthG Rn. 15).

e) Das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt das Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet.

§ 53 Abs. 1 AufenthG verlangt ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Dies sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner. Dabei sind die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen, noch müssen sie nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere ist an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren. Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, B.v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - juris) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (VGH B-W, U.v. 13.1.2016, - 11 S 889/15 - juris; OVG NRW, U.v. 10.5.2016 - 18 A 610/14 - juris).

Insbesondere sollen in die Abwägung die Kriterien mit einbezogen werden, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insoweit zu Art. 8 EMRK entwickelt worden sind: Art und Schwere der Straftat, Dauer des Aufenthalts im Gastland, seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und Verhalten des Ausländers in dieser Zeit, Staatsangehörigkeit der Betroffenen, familiäre Situation und Dauer einer etwaigen Ehe, etwaige Kenntnis des Ehegatten von der Straftat bei Aufnahme der Beziehung, etwaige aus der Ehe hervorgegangene Kinder, ihr Alter und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte und/oder die Kinder im Abschiebezielland begegnen können, sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Abschiebezielland (BT-Drs 18/4097, S. 49; EGMR, U.v. 12.1.2010 - 47486/06, , in Fortschreibung der Boultif/Üner Kriterien; OVG NRW, U.v. 22.3.2012, - 18 A 951/09 - juris).

Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da das Ausweisungsinteresse sein Bleibeinteresse unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.

Zunächst ist festzustellen, dass ausgehend von den im Fall des Klägers festgestellten und in den §§ 54, 55 AufenthG vom Gesetzgeber vertypten Bleibe- und Ausweisungsinteressen ein erhebliches Überwiegen des Ausweisungsinteresses anzunehmen ist, da zwar ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse besteht, aber kein vertyptes Bleibeinteresse gem. § 55 AufenthG. Gründe, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles von der vertypten gesetzlichen Wertung des Ausweisungsinteresses abzuweichen, bestehen nicht. Insbesondere handelt es sich bei den Unterstützungshandlungen des Klägers nicht um Verfehlungen eines Jugendlichen, wie es der Bevollmächtigte des Klägers darzustellen versucht. Der Kläger ist mittlerweile 24 Jahre alt und damit erwachsen.

Bei der alle Umstände des Einzelfalles in eine Gesamtabwägung einstellende Betrachtung überwiegt ebenfalls das Ausweisungsinteresse. Zwar hält sich der Kläger seit gut fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt war jedoch von vornherein auf einen vorübergehenden Aufenthalt zum Zweck des Studiums angelegt. Er hat bis zur Einreise nach Deutschland im Jahr 2011 sein gesamtes bisheriges Leben in Libyen verbracht, wo auch seine nächsten Verwandten, insbesondere seine Eltern, leben. Die Kultur und Sprache seines Heimatlandes Libyen sind dem Kläger daher bekannt. Zwar hat der Kläger eine Partnerin im Bundesgebiet, mit der er zusammenlebt. Er ist jedoch nicht verheiratet und hat keine eigene Kernfamilie begründet. Angesichts der erheblichen Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter wie der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und mittelbar von Leib und Leben Dritter ist es dem Kläger und seiner Partnerin, die … Staatsangehörige ist, zuzumuten, ihre Beziehung in einem anderen Land fortzuführen oder über Fernkommunikationsmittel und Besuche aufrechtzuerhalten. Auch das Interesse des Klägers an der Fortführung und Beendigung seines Studiums in Deutschland muss vor diesem Hintergrund zurücktreten. Eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet ist bislang nicht erfolgt, da der Kläger von den Zuwendungen seiner Eltern lebt.

2. Die in der Klage gegen die Ausweisungsverfügung regelmäßig als „Minus“ enthal-tene Verpflichtungsklage auf Verkürzung der Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung nach § 11 AufenthG bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf neun Jahre ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine kürzere Befristung (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die Ausweisung hat nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Die Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen; es bedarf einer prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In einem zweiten Schritt ist die so ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, zu überprüfen und gegebenenfalls zu verkürzen; dieses normative Korrektiv bietet den Ausländerbehörden und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 - 10 B 13.715 - juris Rn. 56). Diese vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerwG, U.v. 14.5.2013 - 1 C 13.12- juris Rn. 32; U.v. 13.12.2012 - 1 C 14/12 - InfAuslR 2013, 141 Rn. 13 ff.; U.v. 14.5.2013 - 1 C 13/12 - NVwZ-RR 2013, 778 Rn. 32 f.) gelten auch im Rahmen der geänderten Fassung des § 11 AufenthG fort (BayVGH, B.v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 28.6.2016 - 10 B 15.1854 - Rn. 50).

Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Frist von neun Jahren nicht zu beanstanden. Ermessensfehler im Sinne von § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Die behördliche Entscheidung hält sich in dem von § 11 Abs. 3 AufenthG festgelegten Rahmen. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Höchstfrist ist vorliegend bedeutungslos, weil vom Kläger, der ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht hat, eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (s.o). Die Beklagte hat zutreffend das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigt. Angesichts des immens hohen Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter einerseits und der beim Kläger tief verwurzelten salafistisch-dschihadistischen Ideologie, wie sie in den zahlreichen Posts und sonstigen Unterstützungshandlungen für den IS zum Ausdruck kommt, ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte prognostisch einen Zeitraum von neun Jahren für erforderlich hält, bis das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr nicht mehr zu tragen vermag. Ebenfalls ist es angesichts der geringen persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet nicht zu beanstanden, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben des Art. 8 EMRK keine Verkürzung der Frist vorgenommen hat. Die festgesetzte Frist von neun Jahren ist daher rechtmäßig.

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO). Nr. 2 des Bescheids vom 15. November 2016 ist daher rechtmäßig.

Dies ergibt sich bereits aus § 11 Abs. 1 AufenthG. Danach darf einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Der Kläger ist vorliegend rechtmäßig ausgewiesen worden (s.o. Nr. 1). Darüber hinaus ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu versagen, da ein Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht (s.o. Nr. 1).

4. Die Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist eine Frist zur freiwilligen Ausreise von zweieinhalb Wochen nach Zustellung des Bescheids angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr angemessen, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

5. Auch die in Nr. 5 des Bescheids angeordnete Meldeverpflichtung ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage der Meldeverpflichtung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach unterliegt ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Gründe für ein Absehen von der Meldepflicht sind nicht ersichtlich. Eine erheblich geringere Gefahr als bei anderen Ausländern, die aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen wurden, ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Vorliegend hat die Beklagte eine tägliche Meldepflicht angeordnet. Die Anordnung ist rechtmäßig. Grundlage ist das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig. Sie ist geeignet, um dem Kläger weitere Unterstützungsaktivitäten zumindest zu erschweren, indem ihm durch eine engmaschige Überwachung keine Möglichkeit zu einem längeren unbemerkten Aufenthalt außerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs und damit insbesondere zu einer Kontaktaufnahme mit der salafistischen Szene in … gegeben wird. Die Maßnahme ist erforderlich, da ein milderes Mittel, mit dem das verfolgte legitime Ziel in gleicher Weise zu erreichen wäre, nicht ersichtlich ist. Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Die Handlungsfreiheit wird durch die Verpflichtung, sich in …, auf dessen Gemeindegebiet der Aufenthalt des Klägers ohnehin beschränkt ist, bei der dortigen Polizeiinspektion einmal täglich zu melden nur unwesentlich eingeschränkt. Auf der anderen Seite wird die - angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik notwendige - Überwachung dadurch deutlich verbessert.

6. Die Aufenthaltsbeschränkung in Nr. 6 sowie die Wohnsitznahmeverpflichtung in Nr. 7 des Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig. Rechtsgrundlage der Aufenthaltsbeschränkung ist § 56 Abs. 2 AufenthG. Danach ist der Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichende Festlegung trifft. Gründe für ein Absehen von der Aufenthaltsbeschränkung sind nicht ersichtlich. Vorliegend hat die Beklagte eine anderweitige Festlegung getroffen und eine Aufenthaltsbeschränkung auf das Gemeindegebiet von … … … angeordnet. Gleichzeitig hat sie in Nr. 7 des Bescheids eine Wohnsitznahmeverpflichtung in einer Gemeinschaftsunterkunft in … … … ausgesprochen. Gem. § 56 Abs. 3 AufenthG kann ein Ausländer verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können.

Die Befürchtung, der Kläger werde die Bestrebungen, die zu seiner Ausweisung geführt haben, fortführen, ist nicht zu beanstanden, nachdem keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, die eine Zäsur zu seinen früheren Aktivitäten und eine Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus des IS belegen (s.o.). Die Maßnahme ist geeignet, um eine Kontaktaufnahme des Klägers zu seinen Freunden und Bekannten aus der salafistisch-dschihadistischen Szene, insbesondere in …, weitestgehend zu unterbinden. Dies trifft sowohl auf die Aufenthaltsbeschränkung auf eine Gemeinde außerhalb und in einiger Entfernung von München zu als auch auf die Wohnsitznahmeverpflichtung in einer Gemeinschaftsunterkunft. Gerade letztere lässt die Überwachungsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden deutlich effektiver werden als vergleichsweise in einer Privatwohnung, insbesondere auch unter Gesichtspunkten des Hausrechts und des Zugangs für die Sicherheitsbehörden. Die Maßnahme ist auch erforderlich, da andere, gleich wirksame Mittel nicht zur Verfügung stehen. Schließlich ist die Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Das öffentliche Interesse an einer Unterbindung sicherheitsrelevanter Unterstützungshandlungen überwiegt das persönliche Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib in München. Die Beziehung des Klägers kann auch durch Nutzung des erlaubten nicht internetfähigen Telefons sowie durch Besuche seiner Partnerin aufrechterhalten werden. Das Interesse an der (vorübergehenden) Fortführung des Studiums in München ist angesichts der nach summarischer Prüfung rechtmäßigen Ausweisung und der Tatsache, dass der Kläger über keinen Aufenthaltstitel mehr verfügt, als gering zu bewerten.

7. Die Anordnung in Nr. 8 des Bescheids, bestimmte Kommunikationsmittel nicht zu nutzen, ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 56 Abs. 4 AufenthG. Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann danach ein Ausländer u.a. auch verpflichtet werden, bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Die Maßnahme dient dem Zweck, dem Kläger die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, also die Unterstützung der terroristischen Vereinigung IS, zu erschweren bzw. zu unterbinden. Der Kläger hat insbesondere über das Internet Sympathiewerbung für den IS betrieben. Diese Möglichkeit wird durch die Anordnung unterbunden. Das Verbot sämtlicher weiterer elektronischer Fernkommunikationsmittel erschwert zudem die Kontaktaufnahme zu Freunden und Bekannten aus der salafistisch-dschihadistischen Szene, insbesondere in …, und damit die Einflussnahme des Klägers auf weitere Personen zum Zwecke der Radikalisierung. Die Maßnahme ist auch notwendig, um die von Unterstützungshandlungen für den IS ausgehenden erheblichen Gefahren für die innere Sicherheit und für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Andere, gleich wirksame Mittel stehen nicht zur Verfügung, insbesondere genügt die bloße Untersagung der Internetnutzung nicht, da der Kläger - wie sich in der mündlichen Verhandlung nochmals erwiesen hat - darüber hinaus intensive persönliche Kontakte zu IS-Sympathisanten pflegt. Auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid wird verwiesen. Schließlich ist die Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Das öffentliche Interesse an einer Unterbindung sicherheitsrelevanter Unterstützungshandlungen überwiegt das persönliche Interesse des Klägers an der Nutzung der untersagten Kommunikationsmittel. Der Anforderung, dass dem Kläger Kommunikationsmittel verbleiben müssen, wurde dadurch Rechnung getragen, dass er ein nicht internetfähiges Mobiltelefon benutzen darf, dessen Registrierungsnummer er der Beklagten vorab bekannt zu geben hat. Die Beziehung des Klägers kann daher auch durch Nutzung des erlaubten, nicht internetfähigen Telefons sowie durch Besuche seiner Partnerin aufrechterhalten werden.

8. Die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 10, 11 und 13 des Bescheids, die auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG beruhen, sowie die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 12 des Bescheids, die auf Art. 29, 34 und 36 VwZVG beruht, sind rechtmäßig. Das Gericht folgt insoweit der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass insbesondere die Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes von 250,- Euro angemessen und die Annahme der Beklagten, dass andere Zwangsmittel als der unmittelbare Zwang keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten lassen, angesichts des Zwecks der sofort vollziehbaren Wohnsitzverpflichtung, den Kläger möglichst schnell aus dem salafistisch-dschihadistischen Umfeld in … zu entfernen, nicht zu beanstanden ist.

9. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am ... 1992 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen seine Ausweisung.

Am 21. Mai 1994 reiste er zusammen mit seiner Mutter zu seinem Vater in das Bundesgebiet ein. Auf entsprechenden Antrag erhielt er zunächst befristete Aufenthaltserlaubnisse, am 23. September 2008 wurde ihm eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Der Kläger besuchte hier die Schule und erwarb die Fachhochschulreife. Ein Studium der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule in ... brach er ab. Zuletzt war er beschäftigungslos. Seine Eltern sowie seine beiden Geschwister leben in Deutschland.

Im Mai 2013 wurden die Sicherheitsbehörden auf salafistisch geprägte Facebook- Accounts in ... aufmerksam. In der Folgezeit wurden auf den Facebook-Accounts des Klägers, die er sowohl unter seinem eigenen Namen als auch unter Pseudonymen führte, in zunehmendem Maße Bilder und Äußerungen festgestellt, die auf ein radikales Islamverständnis hindeuteten und in denen Gewalttaten verherrlicht wurden.

Ermittlungen ergaben, dass der Kläger einer Gruppe junger Salafisten in ... angehörte. Ein Mitglied dieser Gruppe, zu dem er engen Kontakt pflegte, reiste im September 2013 in den Krieg nach Syrien und wurde dort im Januar 2014 getötet. Am 15. November 2013 reiste der Kläger aus der Bundesrepublik aus mit dem Ziel, nach Syrien zu gelangen. Nachdem ihn seine Eltern mit Hilfe von Verwandten in der Türkei von diesem Vorhaben abgehalten hatten, kehrte er am 19. Februar 2014 in das Bundesgebiet zurück. Mit Bescheid der Stadt ... vom 20. Februar 2014 wurde gegen ihn ein bis zum 31. August 2014 befristetes Ausreiseverbot verhängt.

Am 26. Juli 2014 nahm der Kläger in schwarzer Kleidung, auf der die vom sog. „Islamischen Staat“ (IS) verwendete Symbolik zu erkennen war, an einer israelkritischen Demonstration in ... teil, setzte sich in deren Verlauf an die Spitze des Demonstrationszugs und agitierte die Teilnehmer. Die Polizei erteilte ihm einen Platzverweis. Am 7. August 2014 erhielt die Polizei einen Hinweis auf eine an mehrere Personen verschickte elektronische Nachricht, in welcher der Kläger ankündigte, den „Wahren Islam“ nach ... zu bringen. Der Kläger erhielt daraufhin ein Betretensverbot für die zu diesem Zeitpunkt stattfindende „Allgäuer Festwoche“. Am 13. August 2014 veröffentlichte er auf den Internetplattformen YouTube und Facebook ein Video, in dem er sich an die Yeziden wandte und die Gewalttaten des IS rechtfertigte. Er trug dabei schwarze Kleidung mit der Symbolik des Glaubensbekenntnisses des Islam. Am 20. August 2014 folgte ein weiteres Video, in dem er aufgrund der Reaktionen auf das erste Video dieses erläuterte. Dabei trug er ein Sweatshirt mit der vom IS verwendeten Symbolik des Glaubensbekenntnisses des Islam sowie dem sog. „Prophetensiegel“.

Im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Aktivitäten des Klägers wurden gegen ihn folgende strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet:

1. Wegen antijüdischer und antiisraelischer Äußerungen des Klägers auf seinem Facebook-Account im Mai 2013 wurde gegen ihn wegen eines Vergehens der Volksverhetzung ermittelt. Mit Verfügung vom 17. Oktober 2014 sah die Staatsanwaltschaft ... wegen der Ausweisung des Klägers von der Erhebung der öffentlichen Klage ab (§ 154b Abs. 3 StPO).

2. Ab Juli 2013 wurde gegen den Kläger wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt. Mit Verfügung vom 28. Juli 2014 stellte die Staatsanwaltschaft ... I das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Hinsichtlich einer etwaigen Anschlagsplanung in Deutschland lasse sich kein Tatnachweis führen, da sich aus den durchgeführten operativen Maßnahmen keine belastbaren Anhaltspunkte ergeben hätten. Hinsichtlich der vom Kläger beabsichtigten Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg liege ein Verfolgungshindernis vor, da das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die erforderliche Verfolgungsermächtigung mit Schreiben vom 15. April 2014 abgelehnt habe.

Der Beklagte nahm das Verhalten des Klägers zum Anlass, ausländerrechtliche Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen. Am 2. Oktober 2014 wurde der Kläger festgenommen und zur Vorbereitung der Abschiebung inhaftiert. Bei seiner Anhörung vor dem Ermittlungsrichter äußerte er sich dahingehend, nicht mehr in den Krieg nach Syrien reisen zu wollen. Er befürworte die Scharia, sei aber gegen die Tötung von Unschuldigen. Er habe nicht zu Gewalt, sondern lediglich zur Notwehr aufgerufen. In den Videos habe er die Yeziden eingeladen, zum Islam zu konvertieren. Er habe die Videos gesperrt, als der IS verboten worden sei. Seit dessen Verbot benutze er auch die Symbolik des IS nicht mehr. Als Moslem müsse er die Demokratie ablehnen, da nur das Gesetz von Allah richtig sei. Da er in Deutschland lebe, passe er sich aber an und achte alle Gesetze. Mit dem IS sympathisiere er, habe sich ihm jedoch nicht angeschlossen. Er sympathisiere auch mit den Muslimen, die für die Scharia seien, alle anderen seien Ungläubige.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 wies der Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1 des Bescheids) und befristete in Ziffer 2 die Sperrwirkungen der Ausweisungsverfügung auf die Dauer von sieben Jahren ab der Ausreise. In Ziffer 3 kündigte er die Abschiebung aus der Abschiebehaft in die Türkei nach Bekanntgabe des Bescheids ohne Einräumung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an. Der Kläger sei den Sicherheitsbehörden ab Frühjahr 2013 als Mitglied einer salafistischen Gruppierung in ... aufgefallen. Er habe sich in etwa zeitgleich mit dem im Januar 2014 getöteten ... zunehmend radikalisiert. Die Facebook-Accounts des Klägers belegten dessen Entwicklung hin zu einem radikalislamischen Religionsverständnis und seine intensive Auseinandersetzung mit dem Dschihad. Nach der gescheiterten Ausreise nach Syrien habe sich der Kläger während der Laufzeit der Ausreiseuntersagung weiter radikalisiert. Er sei mittlerweile Anführer der Salafistenszene im ... Raum geworden und vielfach in der Öffentlichkeit aufgefallen. Im August 2014 habe er zwei Videos auf den Internetplattformen YouTube und Facebook veröffentlicht, in denen er selbst vor die Kamera trete und sich offen als Anhänger des IS präsentiere. Darin rechtfertige er in schwarzer, mit der Symbolik des islamischen Glaubensbekenntnisses und zuletzt mit dem sog. „Prophetensiegel“ versehener Kleidung die massenhafte Tötung der Yeziden durch den IS. In einem am 2. Oktober 2014 erschienenen Interview mit dem SZ-Magazin rechtfertige er ebenfalls seine radikalislamischen Überzeugungen, die auf den Aufbau eines entsprechenden Staates gerichtet seien. Die Aktivitäten des Klägers erfüllten die Ausweisungstatbestände sowohl der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§ 54 Nr. 5 AufenthG) als auch der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (§ 54 Nr. 5a AufenthG). Vom Kläger gehe eine gegenwärtige Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Er habe sich zunehmend radikalisiert und seine Bemühungen, seine salafistischen Ideen auf deutschem Staatsgebiet zu verwirklichen, intensiviert. Da der Kläger besonderen Ausweisungsschutz genieße und sich auf die Rechtsstellung nach Art. 7 ARB Nr. 1/80 berufen könne, müsse nach Ermessen über seine Ausweisung entschieden werden. Angesichts der vom Kläger ausgehenden massiven Gefährdung seien die öffentlichen Interessen höher zu gewichten als das private Interesse des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Auch Art. 8 EMRK stehe der Ausweisung nicht entgegen, da davon auszugehen sei, dass sich der Kläger den kulturellen Gepflogenheiten in der Türkei anpassen und sich dort eine Existenz aufbauen könne. Unter Berücksichtigung der Schwere des Ausweisungsgrunds sei eine Sperrfrist von sieben Jahren angemessen.

Der Sofortvollzug der Ausweisung wurde angeordnet. Die Abschiebung des Klägers erfolgte am 17. Oktober 2014.

Am 21. Oktober 2014 ließ der Kläger dagegen Klage erheben. Weder habe er in der Vergangenheit einer Vereinigung angehört, die den Terrorismus unterstütze, noch sei dies gegenwärtig der Fall. Die Voraussetzungen einer strafrechtlich relevanten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129a StGB oder Unterstützungspläne gemäß § 129a Abs. 5 in Verbindung mit § 129b StGB seien nicht dargelegt.

Der Beklagte differenziere nicht hinreichend zwischen den in Syrien kämpfenden Gruppen. Islamwissenschaftlich sei anerkannt, dass mindestens 1.200 verschiedene Gruppen in Syrien kämpften. Viele davon hätten mit dem IS nichts zu tun, sich von diesem getrennt oder würden als Abtrünnige bekämpft. Da der Kläger davon ausgegangen sei, dass der IS keine terroristische Vereinigung sei, sondern die jeweiligen Gruppen sich in Syrien nur verteidigten, hätte der Beklagte das Vorliegen eines Irrtums bzw. Missverständnisses prüfen müssen. Es gäbe in Syrien viele Gruppen, die sich gegen die Angriffe des Assad-Regimes zur Wehr setzten und einen möglicherweise auch durch Völkerrecht gerechtfertigten Kampf führten. Dies könne an sich legitim sein. Dem Kläger gelinge es offenkundig nicht, die notwendige Differenzierung zwischen den einzelnen in Syrien kämpfenden Gruppierungen vorzunehmen, wenn er die Handlungen des IS im Irak und Syrien als legitimes Recht der Verteidigung des islamischen Glaubens bezeichne. So komme er zum falschen Ergebnis, das Vorgehen des IS sei vor dem Hintergrund des Kampfes gegen die Gräueltaten der Regierung Assad gerechtfertigt und legitim. In dem am 2. Oktober 2014 erschienenen Interview mit dem SZ-Magazin sei er nicht richtig wiedergegeben worden, was er öffentlich und kurz nach Erscheinen des Magazins auf seiner Facebook-Seite klargestellt habe.

Er sei trotz der nunmehr bestehenden Möglichkeit einer Weiterreise nach Syrien in der Türkei geblieben. Er sei dort nicht von der Polizei belangt worden, lebe bei seinen Verwandten, trage nunmehr westliche Kleidung und habe seinen Bart der Länge nach gestutzt. Das im Ausweisungsbescheid beschriebene Erscheinungsbild des Klägers sei nicht mehr aktuell.

Der Kläger habe auch im Rahmen der Anhörung vor dem Erlass des Ausweisungsbescheids erklärt, dass er nicht in den Krieg ziehen wolle und gegen die Tötung Unschuldiger sei. Er habe nicht zu Gewalt, sondern zur Notwehr aufgerufen. Nach dem Verbot des IS habe er entsprechende Videos gesperrt. Er gehe nicht gegen die Demokratie vor und achte alle Gesetze. Er sympathisiere zwar mit dem IS, habe sich diesem jedoch nicht angeschlossen. Angesichts dieser Erklärungen des Klägers lägen die Voraussetzungen einer Ausweisung nicht vor. Seine Äußerungen bewegten sich in den Grenzen der Meinungs- und Religionsfreiheit. Er habe zwar geäußert, die Scharia zu befürworten, sei jedoch gegen die Tötung Unschuldiger. Von einer gewaltsamen Abschaffung oder Bekämpfung der Demokratie sei nirgendwo die Rede gewesen. Die im Ausweisungsbescheid geäußerten Befürchtungen des Beklagten basierten nicht auf Tatsachen. Eine gegenwärtige hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder öffentliche Ordnung gehe vom Kläger nicht aus. Der Kläger habe weder Spenden gesammelt noch an salafistisch geprägten und IS-nahen Veranstaltungen teilgenommen. Er habe auch keine Hetzreden im Namen des IS verbreitet. Er habe erklärt, die Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland zu befolgen, was auch dadurch belegt werde, dass er strafrechtlich nicht verurteilt sei. Unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Beklagten könnte es zu Massenausweisungen religiöser Muslime kommen.

Unterstützungshandlungen des Klägers für den IS lägen nicht vor, insbesondere wirkten sich seine Handlungen nicht positiv auf diesen aus. Es handle sich nunmehr um eine ausländische terroristische Organisation, was jedoch nicht immer so gewesen sei. Im Bescheid fehle insoweit die zeitliche Einordnung. Eine Teilnahme am Dschihad liege dem Kläger fern, er habe dies auch nie beabsichtigt. Es sei angesichts der Vielzahl der in Syrien kämpfenden Gruppierungen und der wechselnden Koalitionen der Gruppen eine Unterstellung, dass dies der Zweck der Ausreise im November 2013 gewesen sei. Eine Ausreise nach Syrien zur Bekämpfung des dortigen Regimes sei nicht gleichbedeutend mit der Unterstützung des militanten Dschihads. Gerichtlich überprüfbare Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose lägen nicht vor, der Bescheid stütze sich nur auf Vermutungen und Spekulationen. Erhebliche Belange der Bundesrepublik seien nicht gefährdet, zumal das syrische Regime umstritten sei.

Das auf Vereinsrecht gestützte Betätigungsverbot für den IS sei erst am 12. September 2014 erlassen worden. Die in Videos geäußerten Ansichten seien durch die Meinungs- und Religionsfreiheit gedeckt und lägen noch vor diesem Verbot. In dem Interview mit dem SZ-Magazin seien die Äußerungen und Ansichten des Klägers unzutreffend dargestellt worden, er habe sich davon unverzüglich distanziert. Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele lehne er ab. Kampfbezogene Äußerungen bezögen sich auf Verteidigungsszenarien in Syrien. Es sei die Art des Klägers, überwiegend durch „Posing“ Eindruck zu machen. Die in den Videos verwendete Symbolik sei allgemein gültig bzw. damals nicht verboten gewesen.

Da der Beklagte den Kläger als Unterstützer des IS sehe, hätte die Ausweisung nach der UN-Resolution 2170 nicht erfolgen dürfen. Nach dieser müsse die Ausreise „ausländischer Kämpfer“ unterbunden werden, so dass der Beklagte den Kläger an einer Ausreise hätte hindern müssen anstatt ihn abzuschieben.

Angesichts der vom Beklagten in das Verfahren eingeführten Äußerungen des Klägers gegenüber einem FDP-Politiker und eines Fotos mit einer Schreckschusspistole werde ein Sachverständigengutachten zu der Frage beantragt, ob vom Kläger eine Gefahr ausgehe.

Der Kläger besitze nur rudimentäre Kenntnisse der türkischen Sprache. Die Fortsetzung seines Studiums in der Türkei sei ihm deshalb nicht möglich, er könne nur einen Gelegenheitsjob ausüben. Deshalb sei die Ausweisung ebenso wie die Sperrfrist von 7 Jahren überzogen.

Der Kläger lässt beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 16.10.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es könne unstreitig gestellt werden, dass in Syrien derzeit die unterschiedlichsten Gruppierungen gegen das Assad-Regime kämpften, ohne mit den Bestrebungen des IS in Verbindung zu stehen. Ebenso sei richtig, dass sich der Kläger nach Erscheinen des SZ-Magazins vom 2. Oktober 2014 auf seinem Facebook-Profil teilweise von den wiedergegebenen Äußerungen distanziert habe. Der Kläger habe sich jedoch entgegen der Äußerungen in der Klageschrift nicht gewandelt. Es lägen vielmehr neue Erkenntnisse vor, dass sich die Überzeugungen des Klägers seit der Ausweisung nicht geändert hätten. Auf seinem Facebook-Profil würde er weiterhin radikalislamische Anschauungen verbreiten.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ausweisung seien nicht deckungsgleich mit den Strafgesetzen. Die Ausländerbehörde müsse nicht die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder eine Unterstützungshandlung unmittelbar selbst darlegen und nachweisen, sondern lediglich Tatsachen anführen, die den Schluss hierauf zuließen. Die Verbindung mit dem IS werde vom Kläger selbst verbal sowie durch seine Kleidung in den beiden Videos vom August 2014 hergestellt. Für die Annahme eines Missverständnisses hinsichtlich der verschiedenen in Syrien kämpfenden Gruppen gebe es keine Anhaltspunkte.

Das vor der Ausweisung verfügte Ausreiseverbot habe verhindern sollen, dass der Kläger sich weiter radikalisiere. Dies habe er letzten Endes ohne Aufenthalt in den Krisengebieten vollzogen, so dass aufgrund der von ihm ausgehenden konkreten Gefahr die Ausweisung verfügt worden sei. Er betreibe aggressive Werbung für den IS. Zudem fordere er den Aufbau eines auf der Scharia basierenden Gottesstaates und stelle denjenigen den Tod in Aussicht, die sich dagegen stellten. Insofern müsse die Aussage des Klägers, er sei gegen die Tötung Unschuldiger, relativiert werden. Denn es sei offen, wen der Kläger als schuldig betrachte. Die Bekundungen in der Klageschrift, der Kläger achte die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, stünden in Widerspruch zu seinen Veröffentlichungen auf Facebook.

Am 21. April 2015 fand in der Sache mündliche Verhandlung statt. Auf die dabei gefertigte Niederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vom Beklagten sowie von der Stadt ... vorgelegten Behördenakten sowie die Strafakten in den Verfahren ... der Staatsanwaltschaft ... sowie ... der Staatsanwaltschaft ...

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 2014, mit dem der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die Abschiebung in die Türkei angekündigt wurde. In diesem Zusammenhang hat die Kammer nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 34) gleichzeitig über die Befristung der Ausweisungswirkungen zu entscheiden, auch wenn im Klageantrag nicht ausdrücklich die Festsetzung einer kürzeren Frist beantragt wurde.

Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (BVerwG, U. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 - BVerwGE 130, 20 LS 1).

II.

Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids erfolgte Ankündigung der Abschiebung des Klägers in die Türkei unmittelbar aus der Abschiebehaft heraus richtet. Denn diese Ankündigung wurde bereits vor Klageerhebung am 17. Oktober 2014 vollzogen und hat sich dadurch erledigt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit ihre Aufhebung zu einer Verbesserung der Rechtsposition des Klägers führen könnte. Der Klage fehlt damit insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, das eine allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung darstellt.

III.

Soweit sich die Klage gegen die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland richtet, ist sie zulässig, jedoch unbegründet. Diese Entscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Ausweisung genügt den Bestimmungen des Unionsrechts sowie des nationalen Rechts und ist nach dem Ergebnis einer Abwägung der öffentlichen Interessen mit den betroffenen Privatinteressen unerlässlich im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Da der Kläger ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ist, sind Rechtsgrundlage der Ausweisung die §§ 54 Nr. 5, 55 Abs.1 und 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei vom 19. September 1980 (ARB 1/80). Der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80. Er ist im Alter von zwei Jahren als Sohn eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt angehörte, in das Bundesgebiet eingereist und hier aufgewachsen, so dass er die Mindestaufenthaltszeiten des Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 erfüllt.

1. Die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Ausweisung findet in § 54 Nr. 5 AufenthG eine ausreichende Rechtsgrundlage im nationalen Recht. Hiernach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Voraussetzung für die Anwendung dieses Regelausweisungstatbestandes ist damit zunächst, dass die Vereinigung ihrerseits den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat. Dies muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, U. v. 25.10.2011 - 1 C 13/10 - BVerwGE 141, 100 ff. LS 1). Für die erforderliche individuelle Unterstützung einer solchen Vereinigung durch den einzelnen Ausländer genügt es dagegen, dass Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen (BVerwG, U. v. 25.10.2011, a. a. O., LS 1 und Rn. 16). Auch wenn die Vorschrift das Vorliegen von entsprechenden Indiztatsachen genügen lässt, müssen jedenfalls hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen vorliegen, welche die Schlussfolgerung im Sinne des Ausweisungstatbestandes rechtfertigen. Maßgeblich ist insoweit eine wertende Gesamtbetrachtung, ob im Falle des betroffenen Ausländers die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestands erfüllt sind (vgl. BVerwG, U. v. 15.3.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123,114 ff LS 5).

a) Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“, die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftritt, handelt es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. Diese Einschätzung entspricht der die allgemeine Auffassung der internationalen Staatengemeinschaft wiedergebenden Resolution 2170 (2014) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. August 2014, in welcher erneut unter Hinweis auf entsprechende Vorgängerresolutionen die terroristischen Handlungen der ISIL verurteilt und die Staatengemeinschaft zu Gegenmaßnahmen aufgerufen wurden. Es besteht keinerlei Anlass dazu, an dieser allgemeingültigen Beurteilung der Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ zu zweifeln. Auch der Bevollmächtigte des Klägers bestreitet deren Richtigkeit nicht. Er verweist lediglich darauf, dass das in Deutschland verfügte Vereinsverbot gegen die Vereinigung Islamischer Staat vom 12. September 2014 datiert und damit erst nach den im streitgegenständlichen Bescheid aufgeführten Unterstützungshandlungen des Klägers erfolgte. Allerdings ist ein solches Vereinsverbot nicht konstitutiv für die Qualifizierung als terroristische Vereinigung. Die Frage, ob eine Organisation sich terroristisch betätigt, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung des Gerichts im Rahmen der rechtlichen Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG. Der Würdigung sind dabei die im Zeitpunkt der Unterstützungshandlungen bekannten Aktivitäten der Vereinigung zugrunde zu legen. Diese führten zu dem Vereinsverbot sowie zu der UN-Resolution 2170 (2014), die bei der gerichtlichen Prüfung als gewichtige Kriterien heranzuziehen sind.

b) Es liegen Tatsachen vor, welche die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt. Die Ausweisungsnorm des § 54 Nr. 5 AufenthG umfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken (BVerwG, U. v. 25.10.2011, a. a. O., Rn. 21). Dazu gehört jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung sowie ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Bestrebungen fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Der Unterstützungsbegriff ist dabei unabhängig von der strafrechtlichen Auslegung des § 129a StGB zu bestimmen und umfasst auch die Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter, so dass es entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers nicht auf eine strafrechtlich relevante Unterstützungshandlung ankommt. Der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG unterscheidet nicht zwischen dem Unterstützen und Werben und beinhaltet keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer (BVerwG vom 25.10.2011, a. a. O., LS 2 und Rn. 20).

Unter Zugrundelegung dieser Auslegung des Begriffs der Unterstützungshandlung sind in hinreichendem Maße Tatsachen vorhanden, welche die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ unterstützt.

Er reiste am 15. November 2013 aus der Bundesrepublik Deutschland aus mit dem Ziel, nach Syrien zu gelangen. Dies räumte er selbst in seiner Vernehmung am 3. Juli 2014 (Bl. 38 der Behördenakte) sowie in seiner Anhörung vor dem Ermittlungsrichter am 2. Oktober 2014 (Bl. 182 der Behördenakte) ein. Soweit sein Bevollmächtigter angesichts der Vielzahl der in Syrien kämpfenden Gruppen darauf hinweist, dass diese Ausreise als solche nicht zwingend auf eine Unterstützung des IS hinweist, kann dem angesichts der in zahlreichen Äußerungen und geposteten Bildern des Klägers zum Ausdruck kommenden intensiven Beschäftigung mit dem bewaffneten Dschihad des IS nicht gefolgt werden. So weist sein Facebook-Profil eine Vielzahl gewaltverherrlichender Einträge und Bilder auf, welche die Kämpfer des IS glorifizieren und den bewaffneten Dschihad als Pflicht jedes gläubigen Muslims darstellen. Unter anderem befindet sich auf seinem Facebook-Account auch das Bild eines Dschihadisten, der einen abgeschlagenen Kopf in der Hand hält (Bl. 119 der Behördenakte). Bei seiner Vernehmung am 2. Oktober 2014 räumte er ein, mit dem IS wie mit allen Muslimgruppen zu sympathisieren, sich diesem aber nicht angeschlossen zu haben. Ein solcher formeller Anschluss ist jedoch nicht notwendig, da Unterstützungshandlungen auch schon in dessen Vorfeld erfolgen können. Ebenso unbeachtlich ist die Tatsache, dass der Kläger damals von einer Weiterreise aus der Türkei nach Syrien absah. Denn dies erfolgte nicht aufgrund einer glaubwürdigen und nachhaltigen Distanzierung von den terroristischen Taten des Islamischen Staates.

Nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet im Februar 2014 setzte er seine Aktivitäten fort, die auf eine Unterstützung dieser Organisation hinweisen. Die in den Akten befindlichen Auszüge aus seinem Facebook-Accout beinhalten weiterhin eine Vielzahl entsprechender Einträge, die sich mit einer strikten Auslegung des Korans, der Pflicht zur kämpferischen Verbreitung der dort nach Auffassung des Klägers vorgesehenen Rechts- und Gesellschaftsordnung und dem vom IS in Syrien geführten Kampf zum Aufbau eines dieser strikten Auslegung entsprechenden Gottesstaates auseinandersetzen. Neben diesen Aktivitäten im Internet betätigte sich der Kläger als treibende Kraft innerhalb einer Gruppe junger Salafisten in ... Diese Rolle nahm er nach seiner Rückkehr aus der Türkei und dem Tod seines Freundes im syrischen Bürgerkrieg ein. Nach der glaubhaften Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Polizeibeamten beeinflusste er andere junge Männer in ... mit seinen radikalen Anschauungen zur strikten Auslegung des Korans, die er derart kompromisslos vertrat, dass er in der Moschee des ... ein Hausverbot erhielt. Es gelang ihm dabei offenbar, die Gruppe anwachsen zu lassen und die Mitglieder in ihren radikalen Ansichten zu bestärken. Sein Einfluss wird nicht zuletzt daran deutlich, dass die Gruppe nach seiner Abschiebung auseinanderfiel und die jungen Männer ihr Verhalten wesentlich änderten. Sie fanden zu ihrer früheren Lebensweise zurück und gliederten sich wieder in ihr berufliches und privates Umfeld ein. Nach den Berichten der Eltern leben sie wieder normal und es gibt mit ihnen keine Probleme mehr. Als Beispiel schilderte der Zeuge die Aussage einer Familie, wonach Bilder nunmehr wieder aufgehängt werden können, die zuvor für ständige Konflikte sorgten.

Da ein Mitglied der Gruppe junger Salafisten aus ... bereits im September 2013 als Dschihadist nach Syrien reiste, der Kläger zusammen mit einem weiteren jungen Mann aus ... im November 2013 einen Ausreiseversuch unternahm und auf dem Facebook-Account des Klägers eine klare Verbindung zwischen seinen religiösen Anschauungen und der Befürwortung der Aktivitäten des IS festzustellen ist, sind die Aktivitäten des Klägers als treibende Kraft innerhalb dieser Kemptener Gruppe in der wertenden Gesamtschau Indiztatsachen für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Denn es muss davon ausgegangen werden, dass innerhalb der Gruppe intensiv um die Legitimität des bewaffneten Dschihads des IS und dessen Streben nach einer auf der Scharia basierenden Rechts- und Gesellschaftsordnung geworben wurde und der Kläger durch seine Bildung und Eloquenz maßgeblich deren Anwachsen und Zusammenhalt förderte.

Der Kläger warb auch durch sein öffentliches Auftreten für den IS und trat in den Wochen vor seiner Abschiebung verstärkt als IS-Sympathisant öffentlich in Erscheinung. Am 26. Juli 2014 nahm er in schwarzer Kleidung, auf der die vom IS verwendete Symbolik des islamischen Glaubensbekenntnisses in weißer Schrift auf schwarzem Grund zu erkennen war, an einer israelkritischen Demonstration in ... teil und setzte sich in deren Verlauf an die Spitze des Demonstrationszugs. Die von ihm auf diesem Weg erzwungene Einbindung der Symbolik des Islamischen Staates in eine die israelische Politik im Gazastreifen betreffende Demonstration legt nahe, dass der IS als umfassende Interessenvertretung der Muslime präsentiert werden sollte. Am 13. August 2014 veröffentlichte der Kläger auf den Internetplattformen Youtube und Facebook ein Video, welches das Gericht in der mündlichen Verhandlung in Augenschein nahm. In ihm wandte er sich an die Yeziden und rechtfertigte die Gewalttaten des IS. Er trug dabei schwarze Kleidung mit der vom IS verwendeten Symbolik des Glaubensbekenntnisses des Islam. Die Gräueltaten des IS, die dieser an den Yeziden begangen hatte, stellte er dort in Abrede bzw. rechtfertigte sie mit dem Verhalten der Yeziden. In der Videobotschaft bezeichnete er sich selbst als Mitglied der ISIS, indem er die Wir-Form benutzte. Dies unterstrich er auch durch seine Kleidung. Da das Video in deutscher Sprache veröffentlicht wurde, geht das Gericht davon aus, dass es nur vordergründig an die Yeziden im Herrschaftsbereich des IS gerichtet war und eigentlich dazu dienen sollte, Sympathisanten des Islamischen Staats im deutschen Sprachraum von der Richtigkeit und Legitimität dessen Handelns zu überzeugen.

c) Bei der vom Kläger betriebenen Sympathiewerbung ist davon auszugehen, dass diese sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirkt, indem der Kläger der allgemeinen Verurteilung dessen Gräueltaten das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegengesetzte und sich damit als Teil dessen Propagandamaschinerie betätigte. Dies genügt für das Vorliegen einer Unterstützungshandlung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Maßgeblich ist allein, dass die potentielle Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt wird. Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an (BVerwG, U. v. 15.3.2005, a. a. O., Rn. 25 m. w. N.).

Da der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG präventiven Charakter hat und nur der Gefahrenabwehr dient, kommt es auf die subjektive Vorwerfbarkeit grundsätzlich nicht an. Allerdings müssen die Unterstützungshandlungen dem Kläger auch zurechenbar sein, d. h. es muss für ihn erkennbar sein, dass er durch seine Handlungen eine terroristische Vereinigung unterstützt (BVerwG, U. v. 25.10.2011, a. a. O., Rn. 23). Soweit sein Bevollmächtigter in diesem Zusammenhang auf das erst am 12. September 2014 erfolgte Vereinsverbot gegen den IS verweist, steht dies einer Zurechenbarkeit nicht entgegen. Denn der Kläger kannte die Aktivitäten, Ziele und Methoden des IS, die zu dessen Einordnung als terroristische Vereinigung und zum Vereinsverbot führten. Auch die Vielzahl der in Syrien gegen das dortige Regime kämpfenden Gruppen spricht nicht gegen einen Zurechnungszusammenhang, da der Kläger stets klare Bezüge zum IS hergestellt hat. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers darauf verweist, der Kläger habe sich stets nur gegen die Tötung „Unschuldiger“ gewandt, kann dem nicht gefolgt werden. Denn im Kontext mit den Äußerungen des Klägers ist fraglich, was er mit dem Begriff „Unschuldige“ meint. Die Äußerungen in dem am 13. August 2014 veröffentlichten Video legen nahe, dass jemand, der sich dem Aufbau eines Gottesstaates unter der Geltung der Scharia durch den IS entgegensetzt, in den Augen des Klägers kein Unschuldiger ist. Auch seine Äußerungen auf seinem Facebook-Account nach dem Attentat auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris deuten darauf hin. Hier bekräftigt der Kläger, bei diesem Attentat seien keine Unschuldigen getötet worden, da die „Brüder“ es gezielt auf die Karikaturisten abgesehen hätten.

d) Es handelt sich bei den Aktivitäten des Klägers nicht um zurückliegende Unterstützungshandlungen, die keine gegenwärtige Gefährlichkeit mehr begründen. Der Bevollmächtigte des Klägers weist zwar darauf hin, dass der Kläger trotz der sich nunmehr bietenden Gelegenheit nicht nach Syrien gefahren ist, um dort am bewaffneten Dschihad teilzunehmen. Auch ist bisher nicht widerlegt, dass er seit der Bekanntmachung des Vereinsverbots gegen den IS dessen Symbolik nicht mehr öffentlich benutzte. Ein durchgreifender Gesinnungswandel oder eine glaubhafte Distanzierung von der Vereinigung Islamischer Staat ist jedoch nicht substantiiert vorgebracht oder erkennbar. Angesichts seiner aktuellen Äußerungen auf Facebook ist der Kläger vielmehr weiterhin in seinem radikalen Gedankengut verhaftet. Über die nicht erfolgte Reise nach Syrien hinaus ist nichts vorgebracht, was für eine eindeutige Distanzierung des Klägers von der Idee der Errichtung eines Gottesstaates unter Geltung der Scharia durch terroristische Aktivitäten spricht. Dies wird nur allgemein behauptet, jedoch nicht überzeugend durch Tatsachen belegt. Für derartige ihm günstige Umstände aus seiner Sphäre wäre der Kläger jedoch darlegungspflichtig (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Insbesondere müsste er konkrete Anhaltspunkte darlegen, die eine Zäsur zu seinen früheren Aktivitäten und eine Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus des IS belegen.

e) Da der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob daneben auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG vorliegen, der eine Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland fordert. Die freiheitlich demokratische Grundordnung wird durch Verhaltensweisen des Ausländers gefährdet, die auf eine grundlegende Umformung der verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet sind und die Grundprinzipien des Grundgesetzes missachten. Die freiheitlich demokratische Grundordnung muss dabei durch Handlungen des Ausländers gefährdet werden. Erforderlich ist hierfür eine nicht bloß entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2014, § 54 Rn. 38). Fraglich ist, ob Bestrebungen zur Errichtung eines die Grundwerte des Grundgesetzes missachtenden Rechtssystems auf ausländischem Boden den Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG erfüllen können, wenn dieses angestrebte Staatsgebilde auf die Expansion nach außen und die Vernichtung Andersgläubiger und Andersdenkender gerichtet ist. In diesem Zusammenhang wäre auch zu prüfen, inwieweit die Unterstützungshandlungen des Klägers ausschließlich auf die Aktivitäten des IS in Syrien und im Irak gerichtet sind oder er sich entgegen seiner Beteuerung auch aggressivkämpferisch gegen die Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wendet. Einer Klärung dieser Fragen musste das Gericht im vorliegenden Fall nicht nachgehen, da jedenfalls der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist auch mit unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Zur Bestimmung der Bedeutung und der Tragweite des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Vergangenheit auf die Richtlinie 64/221/EWG abgestellt. Nachdem diese Richtlinie inzwischen durch die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) aufgehoben wurde, gilt für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nunmehr ein anderer unionsrechtlicher Bezugsrahmen. Für einen Ausländer, der sich - wie der Kläger - seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält, ist dies mangels günstigerer Vorschriften im Assoziationsrecht EWG/Türkei die Vorschrift des Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie (RL 2003/109/EG). Diese stellt eine Vorschrift zum Mindestschutz vor Ausweisungen von Drittstaatsangehörigen dar, die in einem Mitgliedstaat die Rechtstellung von langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzen (EuGH vom 8.12.2011, Rs C - 371/08, Siebell, NVwZ 2012, 422 ff.; BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 17; BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 juris Rn. 14 ff.).

Unter Beachtung des sich hieraus ergebenden besonderen Schutzes des Klägers vor einer Ausweisung kann er gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, U. v. 8.12.2011, a. a. O.). Dies ist hier der Fall. Damit sind auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG gegeben, die gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG bei Erfüllung des Regelausweisungstatbestandes des § 54 Nr. 5 in der Regel vorliegen.

a) Angesichts der Sympathiewerbung des Klägers für die Vereinigung „Islamischer Staat“ kommt dem Ausweisungsanlass im vorliegenden Fall ein besonderes Gewicht zu. Der Kläger hat im Internet die Legitimität dieser Vereinigung propagiert und ihre Gräueltaten geleugnet bzw. verharmlost. Er war zudem Kopf einer Gruppe in ..., in der junge Männer in einem radikalislamischen Religionsverständnis bestärkt wurden. Nach Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Vertreters der Polizei entwickelte sich der Kläger zu einer zentralen Figur innerhalb dieser Gruppierung. Angesichts der gewaltverherrlichenden Facebookeinträge des Klägers, seines Ausreiseversuchs und der im Jahr 2013 erfolgten Ausreise eines Gruppenmitglieds nach Syrien muss davon ausgegangen werden, dass sich die Gruppe intensiv mit dem bewaffneten Dschihad und dem Streben nach einer auf der Scharia basierenden Rechts- und Gesellschaftsordnung auseinandersetzte. Das Unterbinden der Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, da dadurch dem internationalen Terrorismus bereits im Vorfeld die logistische Basis entzogen werden kann. Die Anwesenheit von Sympathisanten und radikalisierten Anhängern einer terroristischen Vereinigung ruft eine nur schwer berechenbare Gefährdungslage und angesichts der Anschlagsgefahr die Notwendigkeit von erheblichen Überwachungsmaßnahmen hervor. Nicht zuletzt zeigt sich das erhebliche Potential des Klägers, andere in seinem Sinne zu beeinflussen, daran, dass die Kemptener Gruppe junger Salafisten nach Aussagen des Zeugen stetig anwuchs und nach der Abschiebung des Klägers auseinanderfiel.

b) Bei Würdigung der Persönlichkeit des Klägers ist auch in Zukunft zu erwarten, dass er seine Anwesenheit im Bundesgebiet zur Werbung für den bewaffneten Dschihad und zu Aktivitäten, die auf eine Unterstützung des IS hindeuten, ausnutzen wird. Bei der Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 12 m. w. N.). Ein solcher Sonderfall liegt nicht vor, so dass die Kammer von der vom Klägerbevollmächtigten beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen konnte. Es ist nach der Auffassung der Kammer durchaus denkbar, dass der Kläger - wie sein Bevollmächtigter vorträgt - durch sein „Posing“ provozieren wollte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und nach dem offiziellen Vereinsverbot des IS dessen Symbolik nach seiner eigenen, nicht widerlegten Aussage öffentlich nicht mehr verwendete. Er beteuerte zudem, sich an die Gesetze zu halten, wenngleich er die Demokratie aus religiösen Gründen ablehnen müsse. Obwohl er nunmehr nicht mehr rechtlich daran gehindert ist, nach Syrien auszureisen, und wohl auch mit wenig Aufwand dorthin gelangen könnte, nimmt er am bewaffneten Dschihad bisher nicht teil und hat auch keine militärische Ausbildung absolviert. Sein radikales Religionsverständnis und die entschiedene Ablehnung der Demokratie, seine fehlende Erreichbarkeit durch gemäßigtere Anschauungen, seine intensive Beschäftigung mit dem bewaffneten Dschihad sowie sein Werben für dessen Legitimität führen jedoch dazu, dass er für die Sicherheitskräfte ein unkalkulierbares Risiko darstellt. Dies gilt sowohl hinsichtlich einer weiteren Werbung für den Kampf des IS als auch für andere mögliche Formen der logistischen Unterstützung des internationalen Terrorismus. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die mögliche Rechtsverletzung ist. Die Gefahr von Terrorakten, die von Unterstützern oder Sympathisanten des IS ausgeht und für die der Kläger durch seine Sympathiewerbung den Boden bereitet, ist dabei so schwerwiegend, dass an die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Beteiligung des Klägers hieran nur geringe Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt umso mehr, als die Radikalisierung potentieller Täter, zu welcher der Kläger durch seine Sympathiewerbung beiträgt, oftmals über das Internet verläuft und von den Sicherheitsbehörden nicht oder nur unzureichend überwacht werden kann. Der Kläger ist nach wie vor fest in dem Gedankengut der Legitimität des bewaffneten Dschihad verhaftet. In einem Gespräch am 5. September 2014, das zwei Polizeibeamte mit ihm zu Hause führten, kamen diese zu dem Ergebnis, dass der Kläger in seiner radikalen Denkweise als Anhänger des IS nicht mehr erreichbar sei. Seine Argumente seien verfestigt und die Zuneigung zu den Propagandarednern wie z. B. Pierre Vogel unumstößlich. Auch in diesem Gespräch rechtfertigte er das Töten durch den Islamischen Staat, wenn sich jemand mit Gewalt gegen diesen stellt. Der Koran legitimiere dieses Vorgehen des IS. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger nunmehr von diesem Gedankengut distanziert hat. Die aktuellen Auszüge aus seinem Facebook-Account, insbesondere auch die bereits oben erwähnten Kommentare nach den Anschlägen in Paris im Januar diesen Jahres, belegen vielmehr, dass er sich weiterhin einer radikalen Ideologie verpflichtet fühlt.

c) Bei Würdigung der erheblichen Radikalisierung des Klägers muss von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden, die angesichts des hohen Rangs der betroffenen Schutzgüter schwer wiegt. Unter Beachtung des besonderen Schutzes des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 und des Art. 12 RL 2003/109/EG rechtfertigt dies jedoch nicht automatisch die Ausweisung des Klägers. Vielmehr ist eine Abwägung aller betroffenen Belange unter besonderer Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Grundrechte des Betroffenen, insbesondere seines Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorzunehmen. Dabei sind die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, die Folgen der Ausweisung für ihn und seine Familie sowie seine Bindungen zum Aufenthaltsstaat und fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (vgl. auch Art. 12 Abs. 3 RL 2003/109/EG).

Die unter Einstellung sämtlicher berührter Belange vorgenommene Abwägung durch die Kammer ergibt, dass die Ausweisung des Klägers für die Wahrung der Grundinteressen der Gesellschaft auch im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung unerlässlich im Sinne der Rechtsprechung des EUGH ist. Dabei waren die von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Ihnen muss ein erhebliches Gewicht beigemessen werden. Der Kläger ist als Kleinkind in das Bundesgebiet eingereist und hier aufgewachsen. Seine familiären Beziehungen pflegte er fast ausschließlich im Bundesgebiet, hier befinden sich seine Eltern und seine beiden Schwestern. In der Türkei hat er nur entfernte Verwandte. Darüber hinaus hat er im Bundesgebiet einen höheren Schulabschluss erworben, der ihm eine fundierte Berufsausbildung ermöglicht. Durch die Ausweisung wird er nicht nur von seiner Familie getrennt, sondern verliert auch die Chance, hier beruflich Fuß zu fassen. Er selbst sowie seine engere Familie sind faktische Inländer, die in den hiesigen Verhältnissen fest verwurzelt sind. Dennoch ist dem Kläger bei Abwägung der Gesamtumstände und insbesondere im Hinblick auf die von ihm ausgehende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter eine Rückkehr in die Türkei zumutbar. Er ist volljährig, unverheiratet und kinderlos, so dass der Aufbau einer neuen Existenz in der Türkei zumutbar erscheint. Nach Angaben seines Bevollmächtigten sind seine Kenntnisse der türkischen Sprache zwar so begrenzt, dass sie einer Berufsausbildung entgegenstehen. Der Kläger kann jedoch zumindest am Anfang auf die Unterstützung in der Türkei lebender entfernterer Verwandtschaft zurückgreifen, so dass die persönliche und wirtschaftliche Integration möglich erscheint.

d) Da der Kläger sowohl ein assoziationsrechtlich begründetes als auch ein gefestigtes nationales Aufenthaltsrecht besitzt, darf er nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden (Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über die Ausweisung erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet. Insbesondere bei im Bundesgebiet aufgewachsenen Ausländern, die über keine oder nur geringe Bindungen an ihr Herkunftsland verfügen, ist in besonderem Maße deren Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) zu berücksichtigen.

Gemessen an diesen Vorgaben ist die Ermessensausübung des Beklagten in Anwendung des durch § 114 Satz 1 VwGO vorgegebenen Prüfungsrahmens nicht zu beanstanden. Er hat sämtliche Belange ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in seine Ermessensentscheidung eingestellt. Insbesondere kann entgegen dem Klagevorbringen nicht beanstandet werden, dass die Vorgaben der UN-Resolution 2170 (2014), die auf die Unterbindung der Ausreise von Dschihadisten nach Syrien gerichtet ist, kein Gewicht eingeräumt wurde. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde lediglich die Rückführung des Klägers in sein Heimatland Türkei angeordnet. Die Türkei unterliegt als Teil der Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen ebenso den Verpflichtungen der Resolution wie die Bundesrepublik Deutschland. Daneben sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahren nicht überschritten. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte das öffentliche Interesse daran, den Aufenthalt des Klägers zu beenden, höher gewichtet hat, als dessen Interesse an einem Verbleib in Deutschland.

IV.

Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids begegnet keinen rechtlichen Bedenken, so dass keine Verpflichtung auszusprechen war, eine kürzere Frist festzusetzen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ist rechtsfehlerfrei erfolgt. Seit dem Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (BVerwG, U. v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 Rn. 30 ff.; BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris Rn. 38 ff.). Die Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Überprüfung. Die Frist darf gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Kammer hält im vorliegenden Fall eine Frist von sieben Jahren für angemessen.

1. Bei der Bemessung der unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der Einschätzung im Einzelfall, wie lange es aus Gründen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt erscheint, den Betroffenen vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fern zu halten. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden (BVerwG, U. v. 13.12.2012, a. a. O., Rn. 40). Da die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Kläger den Terrorismus der Vereinigung Islamischer Staat unterstützt und er auch weiterhin ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Auszüge aus seinem Facebook-Account in einem radikal islamischem Gedankengut verhaftet ist, ist davon auszugehen, dass von ihm eine erhebliche potentielle und nur schwer kalkulierbare Gefahr ausgeht, die im Falle seiner Anwesenheit im Bundesgebiet beträchtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr notwendig machen würden. Deshalb ist zunächst von der regelmäßigen Höchstdauer für die Befristung von zehn Jahren auszugehen.

Die an Hand einer Gefahrenprognose ermittelte Frist muss sich an höherrangigem Recht, d. h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen lassen und ist daher in einem zweiten Schritt zu relativieren (BVerwG, U. v. 13.12.2010, a. a. O., Rn. 41). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einen wesentlichen Einschnitt in die Lebensführung des Klägers bedeutet. Er ist durch sie von seinen Eltern und seinen beiden Schwestern getrennt, verliert die Perspektive, in der Bundesrepublik Deutschland beruflich Fuß zu fassen und wird auf ein Land verwiesen, das ihm als faktischen Inländer fremd ist. Angesichts der persönlichen Bindungen des Klägers an Deutschland war ein Abschlag von der Höchstdauer vorzunehmen, der mit drei Jahren angemessen gewichtet ist.

2. Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren konnte im vorliegenden Fall überschritten werden, da vom Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Dies ergibt sich aus dem Ausweisungsanlass, da die durch Tatsachen gerechtfertigte Annahme der Unterstützung des Terrorismus ein grundlegendes Sicherheitsinteresse des Staates berührt.

3. Das Gericht hat bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es sich bei der Befristungsentscheidung um eine allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse gestützte Prognose handelt und sie jederzeit bei Änderung der Verhältnisse nach oben oder nach unten korrigiert werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn sich Anhaltspunkte für eine weitere Radikalisierung des Klägers oder für eine glaubwürdige Abkehr von der Ideologie des IS ergäben. In letzterem Fall wäre davon auszugehen, dass die Beklagte auf einen entsprechenden Antrag hin eine kürzere Frist zu bestimmen hätte.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. November 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. November 2015 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

2

Die Antragsgegnerin hat zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in ihrer Verfügung vom 6. November 2015 entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend schriftlich begründet. Die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmende vorläufige Interessenabwägung – zwischen dem persönlichen Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit und dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der baldigen Wirkung der Rücknahme der Einbürgerung – fällt aber zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn nach einer – dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechenden – summarischen Prüfung (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 125, 152, 158) dürfte die genannte Verfügung, mit der nach § 35 Abs. 1 StAG die Einbürgerung des Antragstellers in den deutschen Staatsverband rückwirkend auf den 12. September 2014 zurückgenommen wurde, jedenfalls derzeit rechtswidrig sein. Zwar dürften die formellen (1.) und die materiellen (2.) Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Entscheidung ist aber ermessensfehlerhaft ergangen (3.). Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt daher das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (4.).

3

1. Die formellen Voraussetzungen für die Rücknahme der Einbürgerung vom 12. September 2014 waren erfüllt. Insbesondere erfolgte die Rücknahme, die am 9. November 2015 im Wege der Zustellung des Bescheides bekanntgegeben wurde, innerhalb der Fünf-Jahresfrist nach § 35 Abs. 3 StAG. Der Antragsteller war auch – mit Schreiben vom 6. Juli 2015 – zur beabsichtigten Rücknahme angehört worden.

4

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 StAG dürften ebenfalls vorliegen: Die Einbürgerung dürfte rechtswidrig gewesen sein (a.) und der Antragsteller dürfte sie durch arglistige Täuschung erwirkt haben (b.).

5

a. Die nach § 10 StAG vorgenommene (Anspruchs-)Einbürgerung des Antragstellers dürfte nach summarischer Prüfung rechtswidrig i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG gewesen sein. Zwar dürfte es nicht an einer der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG fehlen (aa.). Der Einbürgerung dürfte aber das Einbürgerungsverbot des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben (bb.).

6

aa. Zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe am 12. September 2014 dürften sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG vorgelegen haben. Insbesondere dürfte es nicht an dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG erforderlichen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Erklärung zu etwaigen verfassungsfeindlichen oder extremistischen Aktivitäten (sog. Loyalitätserklärung) fehlen. Hierbei dürfte es sich bloß um eine formelle Einbürgerungsvoraussetzung handeln (vgl. zum Folgenden Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht – GK-StAR, Stand: Oktober 2014, § 10 StAG Rn. 134 ff., insbesondere Rn. 135 m.w.N. auch zur Gegenansicht und Rn. 136, 141 ff. mit entstehungsgeschichtlichen Argumenten; siehe ferner VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 41 ff.). Wenn bereits im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden wäre, ob das abgegebene Bekenntnis bzw. die Loyalitätserklärung inhaltlich zutreffend ist, würde § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG keine eigenständige Bedeutung haben. Dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG – über die Anforderungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hinaus – eine verfassungsfreundliche Gesinnung als materielle Voraussetzung der Einbürgerung konstituiert, dürfte nicht nahe liegen. Jenseits innerer, nicht überprüfbarer mentaler Vorbehalte kann die Frage, ob ein Bekenntnis oder eine Loyalitätserklärung „wahrheitsgemäß“ ist, sinnvoll nur anhand tatsächlicher Anhaltspunkte geprüft und entschieden werden und zwar im Rahmen der Prüfung von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.

7

bb. Nach Aktenlage dürfte der Einbürgerung zum Zeitpunkt ihres Vollzuges am 12. September 2014 ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben. Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung u.a. dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Die in dieser Vorschrift zum Einbürgerungsverbot zusammengefassten Voraussetzungen bezwecken, dass mit Blick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG ein bloßes „Lippenbekenntnis“ nicht für die Einbürgerung ausreicht. Die Vorschrift bewirkt eine Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter weit in das Vorfeld konkreter Sicherheitsgefährdungen. Zweck der Bestimmung ist es, die Einbürgerung etwa von radikalen Islamisten auch dann verhindern zu können, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können, aber zumindest der begründete Verdacht besteht, dass Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützt werden, die für den deutschen Staat wesentlich sind (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 18 f. zur gleich lautenden Vorgängerregelung des bis zum 31.12.2004 geltenden § 86 Nr. 2 AuslG; BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 15).

8

Bei summarischer Prüfung dürften zumindest im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vorgebrachten Anknüpfungstatsachen und vor dem Hintergrund der herabgesetzten Anforderungen an ihren Nachweis tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen (1) unterstützt (2) hat.

9

(1) Bei den Bestrebungen, mit denen sich der Antragsteller beschäftigt haben soll, handelt es sich um verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) BVerfSchG solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Der Nachweis, dass eine Organisation derartige Ziele verfolgt, hat als geführt zu gelten, wenn und sobald sie vereinsrechtlich verboten worden ist (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 71). Dies ist mit Blick auf die jihadistisch-salafistische Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) der Fall. Mit Verfügung vom 12. September 2014 hat der Bundesminister des Innern die Betätigung des IS verboten (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015 – 1 K 14.1546, juris Rn. 36 zur terroristischen Betätigung des IS gemäß § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.). Der IS verfolgt zudem Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Derartige Bestrebungen liegen bereits dann vor, wenn eine Organisation zwar nicht im Bundesgebiet Gewalt anwendet, wohl aber im Herkunftsland – wie hier in Syrien und im Irak – gewaltförmig agiert. Zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland gehört das Bestreben, Gewaltanwendung jedenfalls außerhalb von staatlich getragenen bewaffneten Interventionen nach Maßgabe der UN-Charta als Mittel der Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Interessen und Ziele umfassend zu bannen (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 30.9.2004 – 10 K 6189/03, juris Rn. 30). Aufgrund der Aufrufe des IS an seine Unterstützer, im westlichen Ausland Anschläge zu begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 26 f., 32; siehe auch die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris, zu denen sich der IS bekannte), verfolgt der IS gleichzeitig Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.

10

Der jihadistische Salafismus stellt auch im Übrigen eine Bestrebung dar, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist (vgl. VG Aachen, Urt. v. 19.11.2015 – 5 K 480/14, juris Rn. 72; VG Minden, Urt. v. 27.10.2015 – 8 K 1220/15, juris Rn. 27 ff.). Der Salafismus verfolgt das Ziel, Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte" Ordnung angesehen und propagiert wird, umzugestalten und befürwortet dabei die Anwendung von Gewalt (entgegen § 4 Abs. 2 lit. f] BVerfSchG: Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft). Für Salafisten ist Allah der einzige Souverän und die Scharia das von ihm offenbarte – und damit einzig legitime – Gesetz (entgegen § 4 Abs. 2 lit. b] BVerfSchG: Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht). Demokratie ist in ihren Augen eine falsche „Religion". Gesetze können der salafistischen Ideologie zufolge nur von Gott kommen (Prinzip der göttlichen Souveränität) und niemals vom Volk. Die Volkssouveränität als wesentliches Element der Demokratie westlicher Prägung (vgl. § 4 Abs. 2 lit. a] und lit. d] BVerfSchG) ist demnach unvereinbar mit dem religiös argumentierenden Salafismus. Die salafistische Ideologie widerspricht in wesentlichen Punkten (Gesellschaftsbild, politisches Ordnungssystem, Gleichberechtigung, individuelle Freiheit) den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. zum Vorstehenden Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 40 f.; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 137 f.). Auch weitere von dem Antragsteller vermeintlich bei Facebook mit einem „Like“ versehene Organisationen verfolgen derartige Bestrebungen: Bei der „al-Nusra-Front“ handelt es sich um einen Ableger der Terrororganisation al-Qaida (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 33 f.). Die in Nigeria äußerst brutal agierende Organisation „Boko Haram“ legte im März 2015 ihren Treueeid auf den selbsternannten IS-Kalifen Baghdadi ab (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 36). Die Hamburger „Dawa“(= Missionierung)-Gruppen werden ebenso wie die Gruppen „Lies! Hamburg“ und „Jesus im Islam“ aufgrund ihrer Nähe zur salafistischen Szene vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 43 ff.).

11

(2) Aufgrund der summarischen Prüfung und Würdigung der in den vorliegenden Akten enthaltenen Feststellungen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ungeachtet verschiedener Zweifel in tatsächlicher Hinsicht vieles dafür spricht, dass der Antragsteller bereits im Zeitraum vor der Einbürgerung derartige Bestrebungen unterstützt hat.

12

Ausgehend vom obengenannten Zweck der Bestimmung, einer Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter, ist eine Unterstützung jede eigene Handlung, die für Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64; vgl. auch VGH München, Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01 1805, juris Rn. 32 zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dazu zählt jedes Tätigwerden auch eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64). Als Unterstützungshandlungen gelten etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805, juris Rn. 32; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 96.2). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, weil schon die Erhöhung des Gefährdungspotentials dieser Bestrebungen verhindert werden soll (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 5.12.2007 – 1 K 1851/06, juris Rn. 20). Die Handlung muss dem Betroffenen nicht subjektiv vorwerfbar sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2008 – 5 N 19.06, juris Rn. 9; VGH Mannheim, Urt. v. 10.11.2005 – 12 S 1696/05, juris Rn. 26). Daher ist auch unerheblich, ob die maßgeblichen Handlungen strafrechtlich relevant sind (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 65). Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24.08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18).

13

Das Vorliegen einer Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 66 f.). Allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht. Die Annahme darf nicht „aus der Luft" gegriffen bzw. willkürlich sein. Tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, sind konkrete auf den Einbürgerungsbewerber bezogene Umstände, die von der Einbürgerungsbehörde dargelegt und einer Beweisführung zugänglich gemacht werden müssen.

14

Für die Rücknahme unbeachtlich sind dabei Aktivitäten, die der Eingebürgerte erst nach Vollzug der Einbürgerung aufnimmt. Sie indizieren ohne Hinzutreten weiterer, dann aber selbständig zu beurteilender Umstände wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Sinneswandels auch nicht, dass der Eingebürgerte weitere (nicht bekannte) Aktivitäten bereits vor der Einbürgerung entfaltet hat (vgl. GK-StAR, § 10 StAG Rn. 155). Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Eingebürgerte erst (und nur) nach Vollzug der Einbürgerung verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat, ist die Einbürgerung rechtmäßig. Die Rücknahme gemäß § 35 StAG scheidet dann aus. Der Widerruf einer rechtmäßigen Einbürgerung ist vor dem Hintergrund von Art. 16 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Insoweit ist vorliegend zu unterscheiden zwischen Aktivitäten, die vor dem Zeitpunkt des Einbürgerungsvollzugs – hier dem 12. September 2014 – und solchen, die erst danach entfaltet wurden. Der weitestgehend pauschale Verweis der Antragsgegnerin auf die Klageerwiderung in dem parallel anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren 19 K 3103/15, in dem sich der Antragsteller u.a. gegen die Entziehung seines Passes wendet, ist deshalb nicht zielführend. Im Rahmen der §§ 7, 8 PassG kommt es anders als im Rahmen von § 35 StAG darauf an, ob im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (bzw. im Klageverfahren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Bei der Passentziehung handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. § 35 StAG ermöglicht hingegen die Rücknahme erschlichener oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkter Einbürgerungen und die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände (vgl. eingehend BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04, juris).

15

Gemessen an diesen Maßstäben liegen Anknüpfungstatsachen für Unterstützungshandlungen im obigen Sinn vor. Hierzu im Einzelnen:

16

(a) Der Umstand, dass der Antragsteller dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) seit Ende 2014 in Zusammenhang mit einer im Internet aktiven Dawah-Gruppe mit Bezug zum IS bekannt gewesen ist, wie es im Bescheid zur Passentziehung heißt, ist zwar kein relevanter Anknüpfungspunkt, denn nähere Angaben dazu, inwiefern der Antragsteller diese Gruppe unterstützt hat, liegen nicht vor.

17

(b) Auch eine von der Antragsgegnerin behauptete Ausreisebereitschaft des Antragstellers nach Syrien – um sich dort dem IS anzuschließen – dürfte als Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Unterstützungshandlung nicht ausreichen. Die Ausreisebereitschaft wird von der Antragsgegnerin ausschließlich auf die Aussage einer Frau H gestützt, mit der der Antragsteller über verschiedene Kommunikationsplattformen im Internet Kontakt gehabt haben soll. Nach Angaben des LKA Baden-Württemberg sei Frau H selbst Sympathisantin des IS. Im Telefonbuch ihres Mobiltelefons wurde eine Nummer gefunden, die dem Antragsteller zuzuordnen ist. Frau H konnte in ihrer Zeugenbefragung teilweise zutreffende Angaben über den Antragsteller machen (Alter, Wohnort, Aussehen, Herkunft). Es erscheint danach durchaus plausibel, dass sie Kontakt zu dem Antragsteller hatte und er ihr gegenüber geäußert hat, nach Syrien reisen zu wollen, obwohl der IS „schlecht“ sei. Während sich in der Akte des LKA Baden-Württemberg von anderen Chats, die Frau H mit Sympathisanten des IS geführt haben soll, Screenshots finden, ist dies für den vermeintlichen Chat mit dem Antragsteller jedoch nicht der Fall. Es ist auch nicht klar, ob Frau H die Äußerung in einem WhatsApp-Chat, über ask.fm oder über ein anderes Portal oder einen anderen Kommunikationsweg getätigt hat. Aus der Akte des LKA Baden-Württemberg zur Befragung von Frau H am 19. Dezember 2014 ergibt sich zudem nicht, wann (vor oder nach Vollzug der Einbürgerung) das entsprechende Gespräch stattgefunden haben soll. In einem Gesprächsvermerk des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) heißt es, dass die Äußerung im Dezember 2014 und damit nach Vollzug der Einbürgerung erfolgte. Die in der Akte des LKA Baden-Württemberg dokumentierte Aussage dürfte für sich genommen – insbesondere auch wegen ihrer inhaltlichen Widersprüchlichkeit – daher nicht als Anhaltspunkt reichen. Der Sachverhalt wäre ggf. in einem Hauptsacheverfahren durch Vernehmung der Frau H als Zeugin aufzuklären.

18

(c) Bei der Gewahrsamnahme des Antragstellers am 10. Oktober 2014 handelt es sich um einen Vorgang, der nach dem Vollzug der Einbürgerung stattfand und damit isoliert betrachtet nicht herangezogen werden kann. Im Übrigen bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller im Oktober 2014 an den gewaltsamen Ausschreitungen zwischen kurdischen Volkszugehörigen und Angehörigen der islamistischen Szene in St. Georg beteiligt hat. Die Ausschreitungen fanden am 7. und 8. Oktober 2014 statt. Der Antragsteller wurde laut Polizeibericht am 10. Oktober 2014 vor der Moschee „M“ nach Beendigung des dortigen Freitagsgebetes „als Teil einer relevanten Personengruppe festgestellt“ und aufgrund einer bei ihm aufgefundenen Sturmhaube in Gewahrsam genommen, weil befürchtet wurde, dass er „bei weiteren Zusammenrottungen seine Identität durch das Tragen der Sturmhaube verschleiern will“. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Antragsteller ein konkretes Verhalten beabsichtigt haben könnte, das den o.g. Bestrebungen förderlich gewesen wäre. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es am 10. Oktober 2014 überhaupt zu Ausschreitungen – wie am 7. und 8. Oktober 2014 – gekommen ist oder kommen sollte (vgl. auch Lageinformation aktuelle Entwicklung Kurden vs. IS, Gerichtsakte 19 K 3103/15, Bl. 108 ff.). Die Personenkontrollen am 10. Oktober 2014 hat die Polizei offenbar unter dem Eindruck der Geschehnisse vom 7. und 8. Oktober 2014 durchgeführt. Die bloße Anwesenheit des Antragstellers vor einer Moschee in einem Gebiet, in dem es Tage zuvor zu Ausschreitungen gekommen ist, dürfte für sich genommen keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für eine Unterstützungshandlung darstellen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass bei dem Antragsteller eine Sturmhaube gefunden wurde. Im Eilverfahren 19 E 3104/15 hatte der Antragsteller vorgetragen, dass es sich bei der angeblichen Sturmhaube um einen Gesichtsschutz handele, den er beim Kart fahren kurz vor der Gewahrsamnahme getragen habe. Auch der weitere Vortrag des Antragstellers, er habe den Imbiss seines Vaters besuchen wollen, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dieser ist nur wenige hundert Meter von der Moschee entfernt. Eine Berücksichtigung der Gewahrsamnahme wäre nur im Rahmen einer Gesamtschau mit Blick auf die vom Antragsteller gegenüber den Polizisten getätigten Äußerungen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) möglich, soweit es um die Konversion des Antragstellers zum Islam geht (siehe dazu unten).

19

(d) Tatsächliche Anhaltspunkte für Unterstützungshandlungen des Antragstellers für verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen dürften sich aber aus dessen Aktivitäten im Internet ergeben.

20

Es spricht aufgrund der Stellungnahme des LfV vom 4. September 2015 vieles dafür, dass das Profil „A R“ dem Antragsteller zuzuordnen ist. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass jemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis des Antragstellers die Profile bei Facebook und ask.fm eingerichtet hatte. Das LfV hat aber herausgearbeitet, dass der Name „A R“ auch von einem Profil auf der Plattform ask.fm benutzt worden ist, bei dem ein Foto des Antragstellers als Profilbild sichtbar war. Laut eines Gesprächsvermerks des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) haben zudem der Vater und der Onkel des Antragstellers geäußert, dass die problematischen Inhalte auf der Facebook-Seite „nur aus Spaß im Rahmen seiner letzten Geburtstagsfeier hochgeladen worden“ seien, was als weiteres Indiz dafür herangezogen werden kann, dass das Profil tatsächlich dem Antragsteller zuzuordnen ist. Zudem wurden sämtliche Facebook-Profile gelöscht, nachdem der LfV den Vater und den Onkel des Antragstellers Ende Januar 2015 mit den problematischen Inhalten konfrontiert hatte. Gleichwohl besteht über die Zuordnung des Profils „A R“ nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine Gewissheit.

21

Das Facebook-Profil „A R“ weist eine Vielzahl an Einträgen und Bildern sowie „Likes“ für solche Einträge und Bilder auf, die gewaltverherrlichend die Kämpfer des IS glorifizieren und den bewaffneten Jihad als Pflicht jedes gläubigen Muslims darstellen. Unter anderem wurde am 25. Oktober 2014 als Profilbild das Bild eines bewaffneten Jihadisten veröffentlicht, der vor einer schwarzen Flagge mit arabischen Schriftzeichen (womöglich der Flagge des IS) und Flammen steht. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich der Antragsteller selbst als eine Art „Glaubenskrieger“ ansieht. Am 23. Oktober 2014 wurde ein Bild eingestellt, das eine neue Form der Evolution suggeriert, die beim Kleinkind beginnt und in der Zuwendung zum Glauben mündet, zum „Glaubenskrieger“ führt und ihr Finale im Märtyrertum (symbolisiert durch einen grünen Vogel) findet. Es finden sich „Likes“ für Einträge von Personen, die nach Syrien gereist sind, um sich dort dem IS anzuschließen, z.B. für einen Eintrag von M B vom 20. Januar 2015, in dem dieser in Syrien gefallene „Märtyrer“ würdigt und „Likes“ für Bilder, mit denen Siege von „Glaubenskriegern“ in Syrien gefeiert werden. Es findet sich weiter ein „Like“ für den IS-Propaganda-Film „The Flames of War“, der massive Gewaltdarstellungen enthält. Weiter finden sich „Likes“ für die Organisationen „Lies! Hamburg“, „Hamburg Dawah Movement“, „Boko Haram“, „al-Nusra-Front“, „Jesus im Islam Hamburg“ sowie sonstige Inhalte mit Bezug zum Islam.

22

Der Unterstützungsbegriff des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG dürfte derartige Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter als öffentliche Befürwortung von verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen umfassen. Diese Art von Sympathiewerbung, bei der der allgemeinen Verurteilung der Gräueltaten des IS das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegensetzt wird, dürfte sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirken. Durch das Veröffentlichen von entsprechenden Inhalten in sozialen Netzwerken nimmt das radikale Gedankengut an Verbreitung zu. Der Veröffentlichende betätigt sich damit als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Dies dürfte nicht nur für eigene Einträge, sondern auch für „Likes“ gelten. Einträge, die mit einem „Like“ versehen werden, sind danach auf der Facebook-Seite desjenigen sichtbar, der den Eintrag „geliked“ hat. Die Möglichkeit der jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. „Kämpfer“ anzuwerben, erhöht sich. Die potentielle Gefährlichkeit des jihadistischen Salafismus wird dadurch gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt, denn die Radikalisierung potentieller „Glaubenskrieger“ verläuft oftmals über das Internet. Hierzu heißt es im Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 34 f.:

23

„2014 stand die salafistische Szene im Mittelpunkt der Beobachtung des Hamburger Verfassungsschutzes. Die Zahl der Salafisten, die den bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) befürworten stieg um mehr als das Dreifache von 70 auf 240 an. Zusammen mit den in Hamburg aktiven politischen Salafisten beträgt das salafistische Gesamtpotenzial mittlerweile rund 400 Personen (2013: 240). Der Anstieg insbesondere der jihadistisch orientierten Salafisten ist sowohl auf eine verbesserte Einblickstiefe des Verfassungsschutzes nach einer weiteren Schwerpunktsetzung seit Sommer 2014 als auch auf eine schnell zunehmende Radikalisierung speziell jüngerer Erwachsener zurückzuführen.

24

Eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung kommt den Ereignissen in den Krisenregionen Syrien und Irak zu, medial transportiert über soziale Netzwerke. Insbesondere junge Menschen, die auf der Suche nach Vorbildern sind und die zum Beispiel in Familien ohne Vater aufwachsen, ohne Integration in ihr soziales Umfeld sind und Brüche in ihrer Biografie haben, möglicherweise auch Probleme in der Schule, bei der Ausbildung oder der Arbeitsstelle, lassen sich für die militärischen Erfolge des „Islamischen Staates“ (IS) begeistern und haben der jihadistischen Szene einen Zulauf verschafft.
(….)

25

Diese rasante Steigerung ist auch auf die erfolgreichen Propagandastrategien der Salafisten zurückzuführen, mit denen sie in professioneller Weise für ihre Ziele werben. Vor allem über das Internet werden die salafistischen Ideologieinhalte in Form von Webseiten und Videosequenzen transportiert. Als weitere Aktionsformen werden im Rahmen der „Straßenmission“ unter anderem Infotische auf öffentlichen Plätzen und Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Gerade für junge Menschen stellen diese Propagandastrategien die ersten Berührungspunkte zum Salafismus dar.“

26

Nach Angaben des LfV soll der Antragsteller über das Profil „A R“ zudem schwerpunktmäßig mit Personen befreundet sein, die der jihadistisch-salafistischen Szene in Hamburg zugeordnet werden können. Persönliche Kontakte oder Freundschaften des Betroffenen mit Personen, die sicherheitsgefährdende Aktivitäten entfalten, können tatsächliche Anhaltspunkte i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bilden. Erforderlich ist aber, dass die Freundschaft gerade auf einer Übereinstimmung der politisch-gesellschaftlichen Anschauungen beruht und der Betroffene mit der Einstellung des Freundes/der Kontaktperson sympathisiert und diese gutheißt (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 17.6.2010 – 5 K 1466/09, juris Rn. 21). Ob dies hier der Fall ist, kann vom Gericht derzeit nicht abschließend bewertet werden, da sich weitergehende Erkenntnisse über die einzelnen Personen nicht in den Stellungnahmen des LfV befinden. Auffällig ist aber, dass es sich bei den Kontakten offenbar – zumindest teilweise – nicht nur um bloße Internetbekanntschaften handelt. Einige der Facebook-Freunde, die vom LfV der jihadistisch-salafistischen Szene zugerechnet werden, gehören auch nach Angaben der Familie des Antragstellers zu seinen besten Freunden (und wohnen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft).

27

Diese Handlungen dürften auch gegen den Antragsteller verwendet werden können. Zwar sind nach Angaben des LfV die Facebook-Aktivitäten vor allem bei der Auswertung des Facebook-Profils (erst) am 26. Januar 2015 festgestellt worden. Viele der veröffentlichten Beiträge stammen aus der Zeit nach Vollzug der Einbürgerung am 12. September 2014. Auch soweit vor dem 12. September 2014 veröffentlichte Beiträge mit einem „Like“ versehen worden sind, ist nicht auszuschließen, dass dies erst zu einem späteren Zeitpunkt geschehen ist. In den meisten Fällen ist den vom LfV gefertigten Ausdrucken das Datum des „Like“ nicht zu entnehmen. Dasselbe gilt überwiegend für den Zeitpunkt der Aufnahme der Freundschaften zu vermeintlichen Mitgliedern der jihadistisch-salafistischen Szene. Unklarheiten in Bezug auf den Zeitpunkt einer Unterstützungshandlung dürften zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.

28

Folgende Inhalte stammen aber ohne Zweifel aus einem Zeitraum vor dem Vollzug der Einbürgerung:

29

Zunächst finden sich diverse Inhalte, die Sympathien für den muslimischen Glauben zum Ausdruck bringen, wie z.B. die Veröffentlichung eines Profilfotos am 3. April 2014 mit der Inschrift „Ich bezeuge, dass niemand mit Recht angebetet wird außer Allah und dass Muhammad Sallallamu Alleihi wa Sallam der Gesandte Allahs ist“, eines Profilfotos am 11. Juni und 21. August 2013 mit der Inschrift „Ich bin ein Muslim, der Islam ist perfekt, ich bin es nicht. Wenn ich einen Fehler mache, so gib mir die Schuld, nicht dem Islam…“ und eines Profilfotos am 27. Juni 2013 mit der Inschrift „La ilaha illa Allah“. Diese Beiträge deuten als solche nicht auf Unterstützungshandlungen hin. Der Umstand, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert sein könnte, dürfte aber im Rahmen einer Gesamtschau als Indiz einzubeziehen sein (siehe dazu unten).

30

Mit einigen Facebook-Freunden ist „A R“ bereits seit 2013 befreundet. Inwieweit einzelne dieser Personen der jihadistisch-salafistischen Szene zugeordnet werden können, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher zu untersuchen. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass im Freundesbereich des Profils Überschneidungen mit dem Klarnamenprofil des Antragstellers bestehen (teilweise ebenfalls seit 2013) und auch diese Personen laut LfV der jihadistisch-salafistischen Szene angehören sollen.

31

Im Juni 2013 wurden die Facebook-Seiten „PierreVogel.de“ und „Al-Haqq News“ mit einem „Like“ versehen. Pierre Vogel ist ein deutscher salafistischer Prediger, der vom evangelischen Christentum zum sunnitischen Islam konvertiert ist (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2013, S. 225; Verfassungsschutzbericht Hamburg 2013, S. 31; s.a. Wikipedia-Eintrag „Pierre Vogel“, Abruf v. 19.2.2016). Er war Mitglied des inzwischen aufgelösten salafistischen Vereins „Einladung zum Paradies“ (kurz EZP), der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde (vgl. Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 139). Bei „Al Haqq“ dürfte es sich um „Asa’ib Ahl al-Haqq“ handeln, eine paramilitärisch geführte, schiitische Extremistengruppe im Irak und Syrien (vgl. http://www.theguar-dian.com/world/2014/mar/12/iraq-battle-dead-valley-peace-syria; s.a. Wikipedia-Eintrag „Asa’ib Ahl al-Haqq“, Abruf jeweils v. 19.2.2016).

32

Auf einem am 24. August 2014 eingestellten Profilbild, das mit „A R al Indi“ (der Zusatz „al Indi“ könnte auf die indischen Wurzeln der Familie des Antragstellers hindeuten) überschrieben ist, wird ein muskulöser Mann in schwarzer Kleidung, mit schwarzem Bart und dunkler Sonnenbrille dargestellt. Es soll sich wohl um eine Art „Glaubenskrieger“ handeln. Gewissermaßen hinter oder auf der linken Schulter des Mannes ist ein schwarzes Banner zu erkennen. Das schwarze Banner ist eine Flagge, die von vielen islamistischen Terrororganisationen wie al-Qaida sowie dem IS benutzt wird (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/kobane-islamischer-staat-macht-angst-mit-schwarzer -flagge-a-995797.html.; s.a. Wikipedia-Eintrag „Schwarzes Banner“, Abruf jeweils v. 19.2.2016). Auf dem Gürtel des Mannes befinden sich zwei gekreuzte Säbel. Die Säbel gelten als ein Symbol des Islam und als Erkennungszeichen islamischer Kämpfer (vgl. Wikipedia-Eintrag „Scimitar“ – Synonym für Säbel –, Abruf v. 19.2.2016). Mit der Darstellung des portraitierten Mannes als nahezu übernatürlich stark wird suggeriert, dass man als „Glaubenskrieger“ so sei – womöglich gar zu neuer Stärke finde, wenn man für den IS kämpfe. Ein derartiges Bild kann andere junge Männer, die auf der Suche nach Orientierung im Leben sind, beeinflussen und sie dazu bringen, sich einer radikalen islamistischen Gruppierung wie dem IS anzuschließen (s.o. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014 zur von islamistischer Propaganda in sozialen Netzwerken im Internet ausgehenden Gefahr).

33

Die ohne Zweifel vor dem Vollzug der Einbürgerung veröffentlichten Inhalte und „Likes“ dürften bereits für die Bejahung von relevanten Unterstützungshandlungen genügen. Die Anhaltspunkte gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG müssen nach Art und Gewicht geeignet sein, eine dauernde Identifikation des Betroffenen mit den verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen zu indizieren (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 98). Dieses Mindestmaß an Nachhaltigkeit dürfte mit Blick auf die vor dem 12. September 2014 veröffentlichten Inhalte und „Likes“ erfüllt sein. Zwischen den „Likes“ für „PierreVogel.de“ und „Al Haqq“ im Juni 2013 und der Veröffentlichung des Profilbildes im August 2014 ist mehr als ein Jahr vergangen. Letzteres Bild ist – wie dargelegt – eindeutig dahingehend zu interpretieren, dass sich der Veröffentlichende mit radikalen islamistischen Gruppierungen wie dem IS identifiziert.

34

Selbst wenn man diese einzelnen Anhaltspunkte für sich genommen nicht ausreichen ließe, genügt es aber jedenfalls, dass die Gesamtschau aller vorhandenen Anhaltspunkte die Annahme der Unterstützung verfassungsfeindlicher und extremistischer Bestrebungen rechtfertigt (vgl. VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 32). Insoweit darf im Rahmen einer Gesamtschau auf die sonstigen Einträge, „Likes“ und Kontakte des Antragstellers bei Facebook wohl ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung zurückgegriffen werden. Mit dem Verbot der Heranziehung verfassungsfeindlicher und extremistischer Unterstützungshandlungen, die erst nach Vollzug der Einbürgerung vorgenommen werden, soll der Gefahr begegnet werden, dass eine Einbürgerung zurückgenommen wird, obwohl sich der Betroffene erst nach seiner Einbürgerung aufgrund eines Sinneswandels radikalisiert. Zeigt sich bei Betrachtung von Aktivitäten vor der Einbürgerung und danach hingegen – wie vorliegend – eine gewisse Konstanz, besteht diese Gefahr nicht. Die späteren Aktivitäten zeigen nur, dass der Antragsteller auch nach dem Vollzug seiner Einbürgerung in seinem radikalen Gedankengut verhaftet gewesen sein dürfte.

35

Ähnlich zu beurteilen sind insoweit die Auszüge aus dem ask.fm-Profil von „A R“. Dass das Profil dem Antragsteller zuzuordnen ist, hat der LfV plausibel dargelegt, ohne dass der Nachweis zum gegenwärtigen Zeitpunkt als geführt gilt. Folgende Indizien sprechen aber dafür: Der Profilinhaber gibt an, dass er aus Indien komme (die Familie des Antragstellers hat nach eigenen Angaben indische Wurzeln) und „sehr nah dran“ an zwei benannten Personen wohne, die tatsächlich in der Nachbarschaft des Antragstellers wohnten. Zudem besuche er eine Moschee am Hauptbahnhof (tatsächlich wurde er am 10. Oktober 2014 vor einer Moschee in der Nähe des Hauptbahnhofes angetroffen, siehe oben). Auf dem Gruppenbild der ask.fm-Gruppe „I f D“, in der sich nach Angaben des LfV Profile jihadistischer Salafisten zusammengeschlossen hatten, findet sich ein Bild des Antragstellers mit dem Namenszug „A R“. Die Einträge auf dem Profil dürften teilweise von ca. Anfang September 2014 (vgl. Ausdruck vom 1.10.2014) stammen. Inhaltlich befassen sich die Einträge im Wesentlichen mit allgemeinen Fragen zum Islam und der Auslegung des Korans.

36

(e) Weiter liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert ist. Damit wird das Argument des Antragstellers, er sei Hindu und unterstütze schon deswegen keine jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, entkräftet. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich unabhängig von den vermeintlichen Internetaktivitäten des Antragstellers. Im Verfahren 19 E 3104/15 hatte der Schulleiter des von dem Antragsteller besuchten Gymnasiums eine E-Mail vorgelegt, in der der Antragsteller und ein Schulkollege darum bitten, an Freitagen den Unterricht früher verlassen zu dürfen, um am Gebet in einer Moschee teilnehmen zu dürfen. An der Aussagekraft der E-Mail bestehen aber Zweifel, da der Schulkollege später eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wonach es bei der Freistellung nur um ihn und nicht um den Antragsteller gegangen sei. Der Antragsteller sei gläubiger Hindu und nicht zum Islam konvertiert. Die Eltern des Antragstellers sind nach eigenen Angaben Hindus. Der Vater und der Onkel haben geäußert, von einer Konversion des Antragstellers nichts bemerkt zu haben. Auf der anderen Seite haben sie im Rahmen einer Befragung anlässlich der Konfrontation mit möglichen Plänen des Antragstellers, nach Syrien auszureisen, angegeben, der Reisepass des Antragstellers sei vorsorglich aufgrund „eines unguten Gefühls“ in einem Bankschließfach deponiert worden und bei dem Antragsteller könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich „den falschen Freunden“ angeschlossen habe. Der Sachverhalt bedürfte insoweit weiterer Aufklärung in einem Hauptsacheverfahren. Könnte dem Antragsteller nachgewiesen werden, dass er zum Islam konvertiert ist, würde dieser Umstand – auch in Verbindung mit den wohl anlässlich seiner Gewahrsamnahme vor der Moschee am 10. Oktober 2014 getätigten Aussagen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) – den Verdacht erhärten, dass die Einträge auf dem Facebook- und dem ask.fm-Profil tatsächlich von ihm stammen und der Unterstützung jihadistisch-salafistischer Bestrebungen dienen sollten.

37

b. Soweit die Einbürgerung danach rechtswidrig ist, ist sie auch durch arglistige Täuschung i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG erwirkt worden. Als arglistige Täuschung wird bereits die wahrheitswidrige Beantwortung einer an den Einbürgerungsbewerber gestellten Frage angesehen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 41). In seiner Befragung zum Einbürgerungsantrag vom 14. April 2014 hat der Antragsteller sämtliche Fragen, die darauf abzielten festzustellen, ob er verfassungsfeindliche oder extremistische Bestrebungen unterstützt hat, mit „nein“ angekreuzt. Zugleich hat er eine entsprechende Loyalitätserklärung abgegeben. Wenn er die Unterstützungshandlungen erst nach Abgabe der Erklärung, aber noch vor Vollzug der Einbürgerung aufgenommen haben sollte, hätte er die Antragsgegnerin darüber aufklären müssen. Für die Begehungsform der arglistigen Täuschung in der Alternative des Verschweigens von Tatsachen reicht es, dass der Betreffende Tatsachen verschweigt und dabei weiß oder in Kauf nimmt, dass diese verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 3.12.2012 – 11 K 1038/12, Rn. 42 f.). Zudem hat der Antragsteller bei Entgegennahme der Einbürgerungsurkunde am 12. September 2014 die Erklärung unterschrieben, dass sich keine Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse ergeben hätten, die der Einbürgerung entgegenstehen könnten. In der Niederschrift über die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 12. September 2014 hat der Antragsteller u.a. die Erklärung unterschrieben, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekenne.

38

Der Antragsteller dürfte seine Einbürgerung durch die Falschbeantwortung der Fragen bzw. das Verschweigen dieser Umstände auch arglistig erwirkt haben. Es dürfte für den Antragsteller aus Laiensicht völlig klar gewesen sein, dass seine Einbürgerung ausgeschlossen gewesen wäre, wenn der Antragsgegnerin die Umstände, aus denen sich der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergeben hätte, offenbar geworden wären.

39

3. Obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme gemäß § 35 Abs. 1 StAG vorliegen dürften, dürfte der Bescheid aber jedenfalls derzeit ermessensfehlerhaft i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO sein und wäre zumindest von daher aufzuheben. § 35 Abs. 1 StAG stellt die Entscheidung der Behörde in ihr Ermessen, ohne dass eine bestimmte Entscheidung intendiert ist (a.). Ob die Antragsgegnerin dementgegen von einem intendierten Ermessen ausgegangen ist und bereits deswegen ein Ermessensfehler vorliegt, kann dahinstehen (b.). Denn jedenfalls hat sie ihr Ermessen auch im Übrigen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (c.). Das Gericht war weder gehalten, der Antragsgegnerin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Möglichkeit einzuräumen, ihre Ermessenserwägungen zu ergänzen, noch dazu in der Lage, zu antizipieren, ob die Antragsgegnerin den Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren heilen wird (d.).

40

a. Die Rücknahmeentscheidung ergeht gemäß § 35 Abs. 1 StAG nach freiem Ermessen. Die Ermessensausübung ist durch das Gesetz nicht dahin intendiert, dass von einem Erlass nur ausnahmsweise dann abgesehen werden darf, wenn besondere, berücksichtigungsfähige und gewichtige Gründe dies rechtfertigen. Für die Auffassung, dass etwa nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das StAG keine Grundlage (vgl. ausführlich OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 657 f.; VG Wiesbaden, Urt. v. 15.6.2015 – 6 K 168/15, NVwZ-RR 2015, 915, 916). Auch wenn dem Begünstigten „Vertrauensschutz“ aufgrund arglistiger Täuschung zu versagen sein sollte, würde dies nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf „Null“ führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1978 – 3 C 18.77, BVerwGE 57, 1, 4 Rn. 133). Die Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensausübung die nach Lage der Dinge maßgeblichen privaten Belange und die öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 108 f.; s.a. Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 35 StAG Rn. 42 f.). Bei der Identifizierung der schutzwürdigen privaten Belange ist insbesondere die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in das Ermessen einzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.2008 – 5 C 4/07, NVwZ 2008, 685, 686; vgl. auch OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.; VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2007 – 13 S 2885/06, juris Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006 – 5 B 15.03, juris Rn. 27). Ein weiterer zu berücksichtigender Umstand ist die Integration des Betroffenen in die deutschen Lebensverhältnisse (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 9. 9. 2003 – 1 C 6/03, NVwZ 2004, 487, 489). Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig – und dies gilt in besonderem Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird – ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belang trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen (vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.). Genauso können die sich für den Betroffenen ergebenden Unsicherheiten bei der Fortsetzung des Aufenthalts im Bundesgebiet und die Folgen der möglichen Rückkehr in das Herkunftsland zu berücksichtigen sein.

41

b. Offen bleiben kann, ob Prämisse der Ermessensausübung der Antragsgegnerin die Annahme war, dass § 35 Abs. 1 StAG ein intendiertes Ermessen vorgibt und schon deswegen ein Ermessensfehler vorliegt. Darauf deuten einige Formulierungen in der Begründung des Bescheides hin. Die Antragsgegnerin formuliert auf S. 6 des Bescheides, die Maßnahme sei „Notwendigkeit dessen, dass eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, nicht Prämissen auf Missachtung ihrer selbst setzen darf (…)“. „Zu berücksichtigende schutzwürdige Interessen des Begünstigten, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten“, lägen nicht vor. Die Rücknahme bedeute „auch aus anderen Gründen keine außergewöhnliche Härte, die die Entscheidung zu Gunsten des Begünstigten beeinflussen könnte.“ Es entsteht der Eindruck, dass die Antragsgegnerin meint, die von ihr zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

42

c. Jedenfalls hat es die Antragsgegnerin versäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden – den konkreten Einzelfall prägenden – persönlichen schutzwürdigen Belange des Antragstellers in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Den besonderen Lebensumständen des Antragstellers wird die Begründung der Antragsgegnerin nicht gerecht. So dürfte ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen sein, dass die Antragsgegnerin die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers (über zehn Jahre, davor Aufenthaltsgestattung/Duldungen) in der Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigt hat. Diesen Umstand erwähnt die Antragsgegnerin auf S. 7 der Begründung des Bescheides lediglich in dem Kontext, dass auch zwischenzeitlich die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG nicht vorlägen. Ebenso wenig verhält sie sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass der Antragsteller, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland lebt (auch seine Eltern und sein Bruder leben hier), das Gymnasium besucht, voraussichtlich in diesem Jahr sein Abitur absolvieren wird und somit bedeutende Integrationsleistungen erbracht hat. Zudem lässt die Antragsgegnerin die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Antragsteller außer Betracht. Die Antragsgegnerin weist zwar daraufhin, dass mit der Rücknahme der Einbürgerung zugleich die früher erteilte Aufenthaltserlaubnis erlischt und nicht rückwirkend auflebt, stellt diesen Umstand aber nicht als einen Belang, der gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechen könnte, in die Abwägung ein. Vielmehr deutet sie mit der Äußerung an, dass – wie auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers befürchtet –, dem Antragsteller nach Vollzug der Rücknahme der Einbürgerung nicht ohne Weiteres erneut eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden würde. Dass dem Antragsteller deshalb unter Umständen eine Abschiebung in sein Herkunftsland Afghanistan, dessen Staatsangehörigkeit er weiter besitzt, drohen könnte, und welche Folgen damit für den Antragsteller, der mit den dortigen Lebensverhältnissen nicht vertraut ist, verbunden wären, lässt die Antragsgegnerin außen vor.

43

d. Das Gericht war nicht gehalten, der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren die Möglichkeit zu geben, gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen insoweit zu ergänzen und den Ermessensfehler zu heilen. Für eine Anwendung dieser Vorschrift dürfte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kein Bedarf bestehen (vgl. VGH Wiesbaden, Beschl. v. 26.3.04 – 8 TG 721/04, juris Rn. 42; zweifelnd VG Chemnitz, Beschl. v. 29.1.1999 – 1 K 1996/96, NVwZ-RR 1998, 414). Für die Frage, ob ein der Behörde eingeräumtes Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist, ist nämlich nicht entscheidend auf den Erstbescheid, sondern maßgeblich auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung, also auf den hier noch nicht ergangenen Widerspruchsbescheid (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abzustellen. Soweit es im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache ankommt, sind indes die Chancen für die Heilung des Ermessensmangels zu berücksichtigen (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 114 Rn. 12e). Wie hier die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Widerspruchsverfahren – auch vor dem Hintergrund womöglich zu leistender weiterer Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren – ausüben wird, kann das Gericht allerdings nicht antizipieren. Es ist jedenfalls nicht so, dass aufgrund besonderer Umstände des Falles ausgeschlossen ist, dass die Antragsgegnerin bei sachgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu einem anderen Ergebnis als im Ausgangsbescheid kommen könnte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse und vor dem Hintergrund, dass die Unterstützungshandlungen des Antragstellers – mögen sie auch tatbestandsgemäß sein – im Vergleich zu anderen denkbaren Unterstützungshandlungen (z.B. aktive Mitarbeit in einer Organisation) weniger schwer wiegen.

44

4. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verfügung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse, vielmehr steht das öffentliche Interesse einer Vollziehung entgegen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külp-mann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 967 m.w.N.; s.a. BVerwG, Beschl. v. 18.10.2005 – 6 VR 5/05, NVwZ 2006, 214, 215). Dass die Möglichkeit besteht, dass die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren ihr Ermessen ordnungsgemäß ausübt und damit den mit Blick auf die Verfügung vom 6. November 2015 bestehenden Ermessensfehler heilt, ändert hieran nichts (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 11). Es besteht auch keine Veranlassung für eine zeitliche Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 5 VwGO im Vorgriff auf einen möglichen rechtmäßigen Widerspruchsbescheid bis zu dessen Erlass (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 14). Die Antragsgegnerin kann nämlich, wenn durch den Erlass eines rechtmäßigen Widerspruchsbescheids erstmals ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts begründet wird, einen Antrag auf Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wegen veränderter Umstände nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen.

II.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 42.1 Streitwertkatalog (abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, Anh § 164). In einem Hauptsachestreitverfahren wäre wegen der Bedeutung einer Einbürgerung der Streitwert in Höhe des doppelten Auffangstreitwertes festzusetzen. Dieser Betrag ist in Anbetracht der Vorläufigkeit dieses Verfahrens wiederum zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges).

Tatbestand

1

Der Kläger, ein algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen eine auf § 58a AufenthG gestützte Abschiebungsanordnung. Zusätzlich begehrt er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der erfolgten Abschiebung.

2

Der Kläger wurde am 26. Januar 1990 in H. als Kind algerischer Eltern geboren. Er hat fünf Geschwister. Im Jahr 2002 zog die Familie nach G. Im Jahr 2004 verstarb sein Vater. Der Kläger, der eine Halbwaisenrente bezog, lebte bis November 2016 zusammen mit einem seiner Brüder bei seiner Mutter in G., danach bei seiner mit ihm nach islamischem Ritus verheirateten Frau. Er erhielt - bedingt durch die Begehung von Straftaten - jeweils nur befristete Aufenthaltserlaubnisse und Fiktionsbescheinigungen, die letzte Aufenthaltserlaubnis war gültig bis zum 30. Juni 2016. Der Kläger erlangte im Juni 2016 die Fachhochschulreife und war ab Wintersemester 2016/17 an der Hochschule ... in G. als Student eingeschrieben. Zuvor war er mehreren unterschiedlichen befristeten Teilzeitbeschäftigungen nachgegangen. Der Kläger ist seit seinem 14. Lebensjahr immer wieder durch Gewaltdelikte aufgefallen und wurde wegen mehrerer Körperverletzungsdelikte verurteilt. Im September 2014 wurde gegen ihn wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

3

Am 9. Februar 2017 wurde der Kläger im Rahmen einer Groß-Razzia verhaftet und in Gewahrsam genommen. Mit Bescheid vom 16. Februar 2017 ordnete das ... Ministerium ... gestützt auf § 58a AufenthG die Abschiebung des Klägers nach Algerien an (Ziffer 1). Gleichzeitig wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG vorliegen (Ziffer 3), und entschieden, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 5 AufenthG unbefristet angeordnet wird (Ziffer 4).

4

Die Abschiebungsanordnung wurde damit begründet, dass vom Kläger auf der Grundlage einer tatsachengestützten Gefahrenprognose eine besondere Gefahr im Sinne des § 58a AufenthG ausgehe. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden sei er als "Gefährder (Funktionstyp Akteur)" der radikal-islamistischen Szene in G. zuzurechnen, sympathisiere mit der verbotenen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" ("IS") und habe mehrfach Gewalttaten unter Einsatz von Waffen angekündigt. Er verkehre seit Anfang 2016 regelmäßig in einem Kreis von ... Salafisten, der dem "IS" nahestehe und diesen glorifiziere. In einem Telefonat vom Oktober 2016 habe er erklärt, er würde einer näher bezeichneten Person ein Messer in den Hals stecken und einem ihm bekannten Rollstuhlfahrer liebend gern den Kopf abschneiden. In einem weiteren Telefonat vom Januar 2017 habe er angegeben, dass er bei einem Streit mit einem unbekannten Mann (Lateinamerikaner) ein Messer gezogen habe und es habe einsetzen wollen, wobei der Unbekannte letztlich flüchtete. Er habe Seminare der Salafistengruppe besucht, an denen mehrere islamistische Gefährder teilgenommen hätten und in deren Räumen Waffen gefunden worden seien. Seine enge Einbindung in sicherheitsgefährdende Strukturen, seine politische Motivlage und die Ankündigung von Gewalttaten lasse die Begehung einer terroristischen Tat jederzeit befürchten. Bei der Ermessensausübung seien die persönlichen Belange des in Deutschland geborenen und verwurzelten Klägers und deren besonderes Gewicht berücksichtigt worden. Diese müssten aber aufgrund seines Verhaltens und der sich daraus ergebenden hohen Gefährdungslage hinter den öffentlichen Interessen an der Abwehr der von ihm ausgehenden terroristischen Gefahr zurückstehen. Andere Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung und sonstige Möglichkeiten der Gefahrenabwehr reichten nicht aus, um einer terroristischen Gefahr unverzüglich, wirksam und dauerhaft zu begegnen. Der Kläger wurde am 16. Februar 2017 in Abschiebungshaft genommen.

5

Am 17. Februar 2017 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - mit der Maßgabe abgelehnt, dass der Kläger erst nach Erlangung einer Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle abgeschoben werden darf, wonach ihm in Algerien keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 3 EMRK). Am 20. Juni 2017 übermittelte das Algerische Außenministerium der Deutschen Botschaft in Algier die schriftliche Erklärung, dass gegen den Kläger in Algerien kein Strafverfahren anhängig sei und weitere Garantien damit überflüssig seien. Zuvor hatte der Kläger bereits in einer Anhörung durch die Haftrichterin am 12. Mai 2017 erklärt, er wolle nach Algerien ausreisen. Seine Prozessbevollmächtigte und er erklärten, sie gingen davon aus, dass Algerien die erbetene Zusicherung nicht unterzeichnen werde. Mitarbeiter des algerischen Generalkonsulats hätten dem Kläger mitgeteilt, dass ihm dort nichts drohe. Am 18. Mai 2017 erschien der Kläger erneut vor der Haftrichterin zur Aufnahme einer Erklärung. Darin verzichtete er ausdrücklich auf die Einholung einer Zusicherung, wie sie dem Beklagten im Beschluss des Senats vom 21. März 2017 aufgegeben worden war, und bat um unverzügliche Durchführung der Abschiebung. Daraufhin wurde er am 12. Juli 2017 nach Algerien abgeschoben.

6

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, von ihm gehe keine Gefahr im Sinne von § 58a AufenthG aus. Er habe zwar die Äußerung über den Rollstuhlfahrer im Oktober 2016 getätigt, sich über diesen aber zuvor geärgert, weil er vermutet habe, dieser habe verraten, dass er und ein Freund ein Fahrzeug unbefugt benutzt hatten. Bei dem anderen Vorfall im Oktober 2016 habe er tatsächlich kein Messer gezogen, obwohl er das seinem Gesprächspartner anders geschildert habe. Gleiches gelte für den Vorfall vom Januar 2017. Er habe sich mit seinen Äußerungen wichtigmachen wollen, jedoch nicht über die Konsequenzen seiner Worte nachgedacht und sich von seinen Emotionen leiten lassen. Daraus ließen sich keine Rückschlüsse auf eine von ihm ausgehende terroristische Gefahr ziehen. Auch die algerischen Behörden hätten nach seiner Abschiebung den Eindruck gewonnen, dass von ihm keine terroristische Gefahr ausgehe. Sie seien vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass er ein "unschuldiges Kind, das zu viel redet," sei. Im Übrigen sei der Vollzug der Abschiebung rechtswidrig gewesen, weil sie ohne Vorlage der vom Senat geforderten Zusicherung erfolgt sei.

7

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des ... Ministeriums ... vom 16. Februar 2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Vollzug der Abschiebung des Klägers rechtswidrig gewesen ist.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage hinsichtlich beider Klageanträge abzuweisen.

9

Er verteidigt die angegriffene Verfügung. Die Ausführungen des Klägers seien nicht geeignet, die von ihm ausgehende Gefahr zu relativieren. Bei der Ermessensausübung sei die persönliche Situation umfassend gewürdigt worden. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot habe jedenfalls zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht mehr bestanden.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

11

Der Senat hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in Algerien erstellt und ergänzend eine Auskunft des Auswärtigen Amtes eingeholt (Auskunft vom 1. März 2017).

12

Mit Bescheid vom 4. April 2017 hat die Ausländerbehörde der Stadt G. entschieden, dass das an die Abschiebung des Klägers geknüpfte Einreise- und Aufenthaltsverbot unbefristet angeordnet wird. Hinsichtlich des im angegriffenen Bescheid angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 9.17 - an das Verwaltungsgericht G. verwiesen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Streitakte und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des N... Ministeriums ... vom 16. Februar 2017 ist zulässig, aber unbegründet (1.). Das Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der vollzogenen Abschiebung ist unzulässig (2.).

15

1. Der Zulässigkeit der Klage gegen die Abschiebungsanordnung steht die zwischenzeitliche Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Hierdurch hat sich die gegen ihn ergangene Abschiebungsanordnung nicht erledigt. Ein Verwaltungsakt erledigt sich erst dann, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen, oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1). Daran gemessen hat sich die Abschiebungsanordnung mit dem Vollzug der Abschiebung nicht erledigt, da von ihr weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 11.15 - InfAuslR 2017, 137 Rn. 29). Sie bildet unter anderem die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung und darauf aufbauende Rechtsfolgen, etwa die Haftung des Klägers für die durch seine Abschiebung entstandenen Kosten nach §§ 66, 67 AufenthG.

16

2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Abschiebungsanordnung im Bescheid des ... Ministeriums ... vom 16. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

17

Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsentscheidung ist in Fällen, in denen der Ausländer weder abgeschoben wurde noch freiwillig ausgereist ist, grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179 Rn. 13); dies ist bei einer auf § 58a AufenthG gestützten Abschiebungsanordnung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO in erster und letzter Instanz zuständigen Senats. Ist der Ausländer hingegen - wie hier - in Vollzug der gegen ihn ergangenen Abschiebungsanordnung zuvor abgeschoben worden, führt dies zwar regelmäßig nicht zur Erledigung der die Abschiebung anordnenden Verfügung. Mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ist aber der mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck eingetreten, und die Berücksichtigung nach der Abschiebung eintretender neuer Umstände - zu Gunsten wie zu Lasten des Betroffenen - widerspräche ihrem Charakter als Vollstreckungsmaßnahme (s.a. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Dezember 2017, § 59 AufenthG Rn. 252). Nachträgliche Änderungen sind daher in einem Verfahren nach § 11 AufenthG zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf die - inzidente - Prüfung von Abschiebungsverboten kommt es darauf an, ob diese im Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der hinsichtlich der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat auf den Zeitpunkt der Abschiebung abstellt und nachträglich bekannt werdende Tatsachen nur ergänzend heranzieht (EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N).

18

Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.

19

2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - juris Rn. 18; BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 6 ff. und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 9 ff.).

20

2.2 Die Abschiebungsanordnung ist - wie bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dargelegt - formell rechtmäßig.

21

a) Der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG obliegt nicht der Ausländerbehörde, sondern der obersten Landesbehörde, hier also dem handelnden... Ministerium .... Auch dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 9 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 12).

22

b) Dem Kläger ist vor Erlass der Verfügung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, so dass dahinstehen kann, ob bei einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG angesichts des Gewichts des mit dieser Maßnahme einhergehenden Grundrechtseingriffs und zur Wahrung der Verteidigungsrechte eine Anhörung zumindest im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Bekanntgabe durchgeführt werden muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 22).

23

2.3 Die Verfügung ist - wie der Senat bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat - auch materiell nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr. Eine solche ging vom Kläger bei Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus.

24

a) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 15 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 17).

25

Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 16 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 18).

26

Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr bei der ersten Alternative des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im "politischen/ideologischen Kampf" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 19). Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 17).

27

Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 18 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 20).

28

Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen von 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 19 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 21).

29

Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 20 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 112 f.).

30

Für diese "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik umschlagen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 20 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 22).

31

Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 21 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 23).

32

Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 22 und - 1 VR 2.17 - juris Rn. 24).

33

b) In Anwendung dieser Grundsätze ging vom Kläger im (maßgeblichen) Zeitpunkt der Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG aus. Wie der Senat bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat, gehörte der Kläger vor seiner Inhaftierung im Februar 2017 der radikal-islamistischen Szene in Deutschland an und pflegte unter anderem Kontakte mit Personen, die einer aus dem Umfeld der verbotenen Organisation "Kalifatstaat" hervorgegangenen islamistisch-salafistischen Gruppierung mit jihadistischer Tendenz angehörten. Er sympathisierte mit der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" ("IS") und deren Märtyrerideologie, war gewaltbereit und hat mehrfach angedroht, eine Gewalttat mit Hilfe einer Waffe zu begehen.

34

Der Kläger hat sich seit Anfang 2016 islamistisch radikalisiert. Auf seinem Facebookprofil hatte er sich in szenetypischer salafistischer Pose dargestellt und seine Hand unter Abspreizung des Zeigefingers zur Faust geballt. Außerdem hatte er in dem von ihm genutzten Zimmer in der gemeinsamen Wohnung der Familie eine weiße Flagge mit den typischen "IS"-Symbolen angebracht, wie bei einer Wohnungsdurchsuchung am 11. März 2016 festgestellt wurde. Er hörte islamistische Kampflieder (sog. Nadschids), auch wenn er möglicherweise deren Text nicht (vollständig) verstand (zu Nadschids als gewaltverherrlichende Kampfgesänge vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 60). Er nahm regelmäßig an Treffen und Seminaren der G. Salafisten um K.V. in dessen Räumlichkeiten in der Schneiderei K. in der G.-straße und in privaten Schulungsräumen in der H.-straße teil. Bei einer Durchsuchung der Räume der Schneiderei am 9. Februar 2017 wurde dort eine schussfähige Waffe (Revolver) und Munition gefunden. Im Schulungsobjekt in der H.-straße wurden drei "IS"-Flaggen, eine Machete und eine Softairwaffe gefunden.

35

Das Vorbringen des Klägers, mit der auf Facebook eingenommenen Pose habe er nur seinen muslimischen Glauben bekunden wollen, die Flagge sehe der "IS"-Flagge lediglich ähnlich, habe die Symbole und Aufschriften aber in schwarz auf weißem Grund und nicht in weiß auf schwarzem Grund ("Shahada-Flagge"), wertet der Senat als bloße Schutzbehauptungen. Auch wenn ein einzelnes für den "IS" typisches Ausdrucksmittel noch als Verbundenheit mit dem Ur-Islam gedeutet werden mag, ergibt doch die Zusammenschau der benutzten Symbole, gehörten Gesänge, getätigten Äußerungen und die Einbindung in die G. Salafistengruppe um die "Führungspersonen" K.V. und I.N., dass der Kläger damit nicht nur ein Glaubensbekenntnis, sondern eine Verbundenheit mit dem "IS" zum Ausdruck gebracht hat. Zu den aufgefundenen Waffen und "IS"-Flaggen in den Räumen von K.V. bemerkte er nur, er wisse von deren Auffinden nichts und habe die Waffen nicht besessen. Dabei lässt er offen, ob ihm die Existenz der Waffen bekannt war und die "IS"-Flaggen etwa im Rahmen der Gruppentreffen oder Seminare aufgehängt waren. Hinzu kommt Folgendes: In einem Telefonat vom 26. Januar 2017 sagte der Kläger über Attentäter des "IS", die zwei algerische Soldaten getötet hatten, diese würden zu "Shehids" (Märtyrer) werden, obwohl sein Gesprächspartner dem widersprach. Damit identifizierte er sich ausdrücklich mit den Gewalthandlungen des "IS". Er glorifizierte sie sogar, denn er sah Märtyrer in islamistisch motivierten Attentätern, die staatliche Repräsentanten töten. Dieses Beweisergebnis wird durch die Wiedergabe der Mitteilung seiner nach islamischem Ritus mit ihm verheirateten Frau nicht in Frage gestellt, der Kläger habe ihr gegenüber stets eine ablehnende Haltung gegenüber islamistisch geprägten Anschlägen eingenommen. Denn es spricht einiges dafür, dass sich der Kläger im Verlauf der Monate vor seiner Verhaftung zunehmend radikalisiert hat. Dafür spricht unter anderem seine Aussage vom 26. Januar 2017 über die "IS"-Attentäter als Märtyrer.

36

Für ein beachtliches Risiko, dass der Kläger einen terroristischen Anschlag begehen würde, spricht auch seine Einbindung in die örtliche Salafistenszene. Diese entwickelte sich nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden im Umfeld der ehemalige XY-Moschee in der L.straße .... Dabei handelte es sich um den Treffpunkt der 2001 verbotenen Kaplangemeinschaft, die einen grundgesetzwidrigen Kalifatstaat errichten wollte (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. November 2002 - 6 A 4.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 35). Zu dieser Gruppe, die nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden nunmehr eine salafistische Prägung mit jihadistischer Tendenz aufweist, zählten unter anderem der nigerianische Staatsangehörige X, der einen terroristischen Anschlag plante und gegen den eine gesonderte Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erging, sowie die Herren I.N. und K.V., die als "Führungspersonen" der salafistischen Szene eingestuft wurden. Herr V. soll nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden als Anwerber für den sog. "Islamischen Staat" ("IS") tätig gewesen sein. Aus den Reihen dieser Gruppierung sei es bereits zu mindestens zwei Ausreisen in das vom "IS" kontrollierte Gebiet in Syrien/Irak gekommen, aus denen ein Selbstmordanschlag im Irak resultierte, bei dem elf Menschen getötet und mehr als zwanzig zum Teil schwer verletzt worden seien. Herr N. soll Kontaktperson zu dem ausgereisten Selbstmordattentäter P. gewesen sein, der an dem vorgenannten Selbstmordanschlag im Irak am 13. Juni 2015 beteiligt gewesen sein soll. Der Kläger wurde durch den ständigen Austausch mit diesen Personen in der Bereitschaft bestärkt, auch selbst einen solchen Anschlag zu begehen, durch den er zum Märtyrer wird (vgl. sein Telefonat vom 26. Januar 2017 zur Tötung der zwei algerischen Soldaten durch den "IS"). Der Einfluss dieses Personenkreises auf den Kläger wird nicht dadurch relativiert, dass er auch Kontakte zu einzelnen Christen hatte und insbesondere zu den Eltern seiner mit ihm nach islamischem Ritus verheirateten Frau ein gutes Verhältnis pflegte. Dass die G. Gruppe gewaltbereit war, wird durch die aufgefundenen Waffen in den Räumen von K.V., die für Treffen und Seminare der Gruppe genutzt wurden, bestätigt. Zu einer islamistischen Radikalisierung des Klägers dürfte auch seine Teilnahme an einem Seminar in der ...-Moschee in K. im Mai 2016 beigetragen haben, an dem nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden auch der spätere Berliner Attentäter A. A. teilgenommen hatte. Den Besuch dieses Seminars hat der Kläger eingeräumt (Schriftsatz vom 7. März 2017 S. 25 f.), bestritten hat seine Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung nur das dortige Auftreten des radikalen salafistischen Predigers D.Z.

37

Die Gewaltbereitschaft des Klägers ergibt sich auch aus Telefonaten, deren Inhalt durch die gerichtlich angeordnete Telefonüberwachung bekannt geworden war. So hat er in einem Telefonat am 18. Oktober 2016 gegenüber Herrn I.N. erklärt, er sei einem "D." begegnet, der ihn wohl nicht möge, weil er Moslem sei. Er habe vor dem keine Angst und würde ihm "ein Messer in den Hals stecken". In einem anderen Telefonat vom gleichen Tag mit einem "P." hat er einen Rollstuhlfahrer, den er kennt, als einen "Köter" und als "dreckig" bezeichnet und angegeben, ihm liebend gern den "Kopf abschneiden" zu wollen. Allah hätte seine Gründe dafür, dass dieser im Rollstuhl sitze. In einem weiteren Telefonat mit Herrn I.N. vom 19. Januar 2017 hat er angegeben, dass er bei einem Streit mit einem unbekannten Mann (Lateinamerikaner), der ihn und seine Frau beleidigt habe, ein Messer gezogen habe und es habe einsetzen wollen, wobei der Unbekannte letztlich flüchtete. Er sei mit dem Messer auf den Mann zugelaufen und habe es in ihn "reinmachen" wollen. Auch hat er seinen Gesprächspartner I.N. aufgefordert, sich jetzt immer zu bewaffnen, wenn er mit seinen Schwestern rausgehe. Man müsse sich jetzt viel größere Messer besorgen. Der Kläger hat auf "Allah" geschworen, dass er das jetzt tun werde. Der Kläger hat die Aussagen über den "D." und den Rollstuhlfahrer zwar eingeräumt, die Bekannte von ihm seien. Ein Messer habe er gegen den "D." aber nicht gezogen, auch wenn er das so im Gespräch mit Herrn I.N. gesagt habe. Über den Rollstuhlfahrer habe er sich geärgert, weil er diesen verdächtigt habe, eine für den Kläger unangenehme Information über die heimliche Nutzung eines Firmenwagens weitergegeben zu haben. Die mitgeschnittenen Aussagen vom 19. Januar 2017, er habe in den Mann sein Messer "reinmachen" wollen und man müsse sich jetzt immer mit Messern bewaffnen, träfen zu, er habe sich damit aber brüsten und den Vorfall etwas ausschmücken wollen. Der Senat wertet diese Relativierung der getätigten Aussagen als bloße Schutzbehauptungen. Aber selbst wenn sich der Kläger über den "D." und den Rollstuhlfahrer geärgert haben sollte, belegen die Aussagen in den Telefonaten vom 18. Oktober 2016 die Bereitschaft des Klägers, Gewalttaten an Leib und Leben jedenfalls dann zu begehen, wenn er wütend oder verärgert war. Die Bezugnahmen auf "Allah" weisen indes darauf, dass bei den Gründen für Wut oder Verärgerung es keine klare Trennlinie zwischen privat-persönlichen und religiös-ideologischen Gründen für ihn gab. Unglaubhaft ist die Behauptung, er habe trotz der gegenteiligen Aussage im Telefonat mit Herrn I.N. kein Messer bei sich geführt, vielmehr hat der Antragsteller auf "Allah" geschworen, dass er sich zukünftig sogar mit noch größeren Messern bewaffnen werde. Die Wut des Klägers, die schnell zu Gewalthandlungen führen kann, richtete sich nicht nur gegen Privatpersonen, sondern auch gegen Repräsentanten des Staates, und zwar aus Gründen, die aus der radikal-islamischen Einstellung des Klägers resultierten. Denn er hat - wie er selbst einräumt - in einem Gespräch am 24. November 2016 über Polizeibeamte geäußert, sie seien "schmutzige Polizisten, Kuffar, elendige Hunde, ich hasse sie!". Er erklärte diese Aussagen über Polizeibeamte damit, dass er sich über ein konkretes Polizeihandeln gegenüber einer verschleierten Muslima geärgert habe. Aus seiner "Wut heraus" bzw. "aufgrund seines hitzigen Temperaments" habe er diese beleidigenden Äußerungen getätigt.

38

Die Biographie des Klägers belegt, dass er Gewalttaten nicht nur angekündigt, sondern sie auch umgesetzt hat. Er ist seit seinem 14. Lebensjahr immer wieder durch Gewaltdelikte aufgefallen. So wurde gegen ihn im Oktober 2004 Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben, weil er einer weiblichen Person mit seinen Stollen-Fußballschuhen gegen die Rippen getreten hatte, wodurch diese schmerzhafte Hämatome erlitt. Das Verfahren wurde nach Erbringung von Arbeitsleistungen eingestellt. Es folgten Strafanzeigen, jugendrichterliche Weisungen und Verurteilungen unter anderem wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung (Tatzeit 2006), Körperverletzung in zwei Fällen (Tatzeit 2008), mehrere körperliche Übergriffe gegen die damalige Freundin (Tatzeiten 2009 bis 2010), Körperverletzung (Tatzeit Oktober 2012), weitere Verurteilungen als nunmehr Erwachsener wegen Körperverletzung (Tatzeiten April 2012 und Januar 2013) und schließlich eine Verurteilung im September 2014 wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde wegen weiterer Straftaten bis zum 18. März 2019 verlängert.

39

Aufgrund der Gewaltbereitschaft des Klägers, der immer wieder durch Rohheitsdelikte aufgefallen ist und sich auch bis zu seiner Verhaftung entsprechend geäußert hat, seiner bekundeten Sympathie für den "IS" und für Attentäter des "IS" sowie seiner Einbindung in die G. Salafistengruppe mit Kontakten zu Selbstmordattentätern bestand zum hier maßgeblichen Zeitpunkt seiner Abschiebung ein beachtliches Risiko, dass der Kläger mit einer terroristischen Gewalttat ein Fanal setzten würde, mit dem seine Verachtung der säkularen Welt europäischer Prägung zum Ausdruck kommt. Dieses Risiko konnte sich jederzeit realisieren. Die Einschätzung des Senats zu dem vom Kläger ausgehenden Risiko entspricht weitgehend der polizeilichen Einschätzung vom 7. Februar 2017, wonach sich aus der Summe der gewonnenen Erkenntnisse "die konkrete Gefahr eines (auch niedrigschwelligen) islamistisch motivierten Anschlages" ergab. Ideologische Einwirkung auf eine gewaltbereite Person kann in die Ausführung einer nach § 58a AufenthG relevanten Gewalttat umschlagen; die damit verbundenen Prognoseprobleme unterstreichen unter anderem die Fälle des Berliner Attentäters A. A. und des Hamburger Messerattentäters vom Juli 2017.

40

Dem steht die Einschätzung der Bewährungshelferin des Klägers vom 13. Februar 2017 nicht entgegen, der Glaube habe ihm geholfen, "zur Ruhe zu kommen, auf Drogen zu verzichten und ein geregeltes Leben zu führen". Offenbar kannte die Bewährungshelferin den Kläger nur unzureichend, was schon daran deutlich wird, dass er ausweislich der polizeilichen Erkenntnisse, aber entgegen den Ausführungen der Bewährungshelferin, auch noch zum Zeitpunkt der Erstellung ihres Berichts regelmäßig Drogen konsumierte, was er selbst auch eingeräumt hat. Zudem hat er während dieser Zeit über einen längeren Zeitraum ein Kraftfahrzeug ohne Führerschein geführt und sich damit strafbar gemacht. Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Zusammenleben mit seiner mit ihm nach islamischem Ritus verheirateten Frau das Risiko einer terroristischen Gewalttat zu verringern vermochte. Vielmehr begleitete ihn seine Frau zu Veranstaltungen der salafistischen Szene, so etwa zum Seminar "Rolle der Frau im Islam", das am 8. Oktober 2016 stattgefunden hatte. Im Übrigen äußerte sie in einem Gespräch mit dem Kläger am 7. September 2016, dass sie doch auch "Islam" sei und nicht der Grund dafür sein wolle, dass der Kläger seine Pläne nicht umsetze. In dem Gespräch mit dem Kläger vom 7. September 2016 erklärte sie weiter, es gehe darum, dass "diese scheiß Kuffar einfach nur leiden". Sie warte auf die Strafe Allahs hier in Deutschland. Die Strafe werde kommen, dann werde es den Muslimen gut gehen.

41

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich an der vom Kläger ausgehenden Gefahr der Begehung einer terroristischen Gewalttat bis zu seiner Abschiebung im Juli 2017 etwas geändert hat. Die fünfmonatige Inhaftierung und die hierdurch unterbrochenen Kontakte zu Angehörigen der radikal-islamistischen Szene reichen hierfür nicht. Es spricht alles dafür, dass der Kläger bei einem Verbleib in Deutschland wieder in seinen salafistisch geprägten Bekanntenkreis mit jihadistischer Tendenz zurückgekehrt wäre. Zwar hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung durch die Haftrichterin am 12. Mai 2017 erklärt, er sei kein Terrorist und habe nichts geplant. Daraus ergeben sich jedoch keine veränderte Einstellung zum Salafismus und seiner Märtyrerideologie sowie keine Persönlichkeitsveränderung des seit seiner Jugend zu Gewalttaten neigenden Klägers. Die Ausführung oder Planung einer konkreten terroristischen Tat wurden dem Kläger gar nicht vorgeworfen, wohl aber teilt der Senat die Prognose des Beklagten, dass vom Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Abschiebung noch ein beachtliches Risiko ausging, dass er eine solche Tat begehen würde, und sich dieses Risiko jederzeit realisieren konnte. Nicht entscheidungserheblich ist, ob sich der Kläger in den sechs Wochen seit seiner Abschiebung infolge des Aufenthalts in Algerien verändert hat, wozu er nichts vorgetragen hat, denn maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung ist der Zeitpunkt der Abschiebung.

42

Der Senat hat bei seiner Risikoprognose die vom Kläger vorgetragene Tatsache berücksichtigt, dass er nach seiner Abschiebung am 13. Juli 2017 in Algerien/B. bei der "La brigade criminelle" von Psychologen und von auf Terrorismus geschultem Fachpersonal über einen Zeitraum von ca. vier Stunden zu den sich aus der Abschiebungsanordnung der Beklagten ergebenden Erkenntnissen angehört worden sei und man dort zu dem Ergebnis gekommen sei, dass von dem Kläger eine terroristische Gefahr sicher nicht ausgehe. Das den Kläger begutachtende Personal habe diesen als ein "unschuldiges Kind" beschrieben, "das zu viel redet". Dies ist auch bei Abstellen auf den Zeitpunkt der Abschiebung berücksichtigungsfähig, weil es sich um eine Einschätzung zur Person des Klägers und der von ihm ausgehenden Gefahr handelt, die auf die Zeit vor der Abschiebung zurückwirkt. Der Senat misst dieser Einschätzung aber nur ein begrenztes Gewicht bei, das im Ergebnis nicht geeignet ist, die in Deutschland gewonnenen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit des Klägers zu relativieren. Denn die Erkenntnisse des algerischen Personals stützen sich auf Gespräche und Beobachtungen während eines Zeitraums von ca. vier Stunden. Der Senat kann sich hingegen auf Erkenntnisse aus einem Zeitraum von der Einschulung des Klägers bis zu seiner Abschiebung stützen. Seine Ausländerakte umfasst unter anderem mehr als 15 Schulzeugnisse des Klägers, Unterlagen über strafrechtliche Ermittlungsverfahren, Strafurteile, die Einschätzung seiner Bewährungshelferin vom 13. Februar 2017 und Erkenntnisse aus einer mehrmonatigen polizeilichen Überwachung und Telekommunikationsüberwachung. Daraus ergibt sich das Gegenteil eines "unschuldigen Kindes", wie er in Algerien eingestuft worden sein soll. Vielmehr vermerkt schon das Zeugnis aus seiner ersten Schulklasse vom Juli 1998, er gerate "häufig in Konflikte mit anderen Kindern", in den Folgezeugnissen ist mehrfach vermerkt, er müsse noch "lernen, sich an Regeln zu halten", er sei "manchmal sehr aufbrausend". Er ist seit seinem 14. Lebensjahr immer wieder durch Gewaltdelikte aufgefallen, wiederholt strafrechtlich verurteilt worden und hat ausweislich der Telefonüberwachung mehrere Personen damit bedroht, sie mit einem Messer zu verletzen oder zu töten. Der Erkenntniswert dieser Unterlagen, in denen Lehrer, Sozialarbeiter, Strafverfolgungsbehörden und Richter den Kläger über einen Zeitraum von achtzehn Jahren einschätzen und der Kläger in den dokumentierten Telefongesprächen über mehrere Monate selbst zu Wort kommt, ergeben ein in sich stimmiges Bild der Gewaltbereitschaft und Einbindung in die salafistische Szene, die durch den Eindruck der algerischen Fachkräfte in ihrer vierstündigen Anhörung nicht entkräftet werden können, zumal den Algeriern die vorgenannten Unterlagen über den Kläger nicht vorlagen. Der Senat ist daher der Anregung der Klägerbevollmächtigten nicht gefolgt, die Unterlagen der algerischen "La brigade criminelle" beizuziehen.

43

Zur Einschätzung des vom Kläger ausgehenden Gefahrenpotentials bedurfte es weder einer persönlichen Anhörung des Klägers noch der Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens, wie das die Klägervertreterin angeregt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats bewegen sich die Tatsachengerichte bei der für eine Aufenthaltsbeendigung erforderlichen Gefahrenprognose regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 - 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 Rn. 12; Beschluss vom 11. September 2015 - 1 B 39.15 - InfAuslR 2016, 1 Rn. 12). Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Im Übrigen oblag es dem Senat, den Sinn der durch die Telefonüberwachung dokumentierten vom Kläger getätigten Äußerungen - wie geschehen - im Wege der richterlichen Beweiswürdigung zu erschließen (ähnlich BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 44). Es bedurfte auch keiner persönlichen Anhörung des Klägers, da die umfangreichen, dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisse ausreichten, um eine zuverlässige Einschätzung der Persönlichkeit des Klägers und der von ihm ausgehenden Gefahr zu treffen. Anderes gilt nur dann, wenn es - wie z.B. früher in Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer - ausschließlich um die Überprüfung einer inneren Einstellung geht, die sich nur durch persönliche Anhörung ermitteln lässt (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1990 - 6 C 4.88 - juris Rn. 8). Auch im Asylverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung bei, soweit es um dessen individuelle Verfolgungsgründe oder etwa um dessen religiöse Identität geht (BVerwG, Urteile vom 30. August 1982 - 9 C 1.81 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 41 = juris Rn. 15 und vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <182>). So liegt der Fall hier nicht, hier geht es vielmehr um die Beurteilung des vom Kläger in Deutschland ausgehenden Gefahrenpotentials, die der Senat auf der Grundlage der Feststellung äußerer Tatsachen (Handlungen, Äußerungen etc.) vornimmt.

44

c) Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, ist sie mit den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.

45

Insbesondere musste dem Kläger keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden, da von ihm wegen des von ihm geplanten Anschlags eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die nationale Sicherheit ausging (Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/115/EG). Dem steht nicht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) entgegen, wonach nicht automatisch auf normativem Weg oder durch die Praxis davon abgesehen werden darf, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt (EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-554/13 [ECLI:EU:C:2015:377] - Rn. 70). Denn in den Fällen des § 58a AufenthG liegt bereits in der einzelfallbezogenen Prüfung und Feststellung des Tatbestands die vom EuGH (Urteil vom 11. Juni 2015 - C-554/13 - Rn. 50, 57) verlangte einzelfallbezogene Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die so gravierend ist, dass von der Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise ganz abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 70).

46

Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG auch nicht entgegen, dass das Ministerium in Ziffer 4 des angegriffenen Bescheids ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet hat (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom heutigen Tag - 1 A 9.17 -). Die Regelung in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, stünde dann zwar nicht im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/EG. Denn danach bedarf ein mit einer Rückkehrentscheidung einhergehendes Einreiseverbot immer einer Einzelfallentscheidung zu seiner Dauer. Diese unionsrechtliche Vorgabe hätte im Falle ihrer Anwendbarkeit zur Folge, dass bei einer Abschiebungsanordnung allein durch eine Abschiebung ohne eine solche Einzelfallentscheidung kein Einreise- und Aufenthaltsverbot entstehen würde. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des Einreiseverbots würde nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da es sich hierbei um eine eigenständige und selbstständig anfechtbare Entscheidung zu den Rechtsfolgen einer vollzogenen Abschiebungsanordnung handelt.

47

d) Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht wegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots (teil-)rechtswidrig. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Abschiebung in den beabsichtigten Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder in Anknüpfung an den subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Wird im gerichtlichen Verfahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Übrigen hiervon unberührt (§ 58a Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung).

48

Vorliegend bestand im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers im Juli 2017 kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG. Soweit es um die von der Klägervertreterin in ihrer Klagebegründung vor Erstellung der Erkenntnismittelliste des Senats und vor Erteilung der Auskunft des Auswärtigen Amtes angesprochene Gefahr der Verhängung der Todesstrafe geht, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 21. März 2017 (1 VR 1.17 Rn. 39 f.) Folgendes ausgeführt:

"Die vom Antragsteller angesprochene Gefahr der Verhängung der Todesstrafe für Delikte, die im Zusammenhang mit dem Terrorismus stehen, besteht hier nicht mit entscheidungserheblicher Wahrscheinlichkeit. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Februar 2017 stellt das algerische Strafgesetzbuch zwar unter anderem die Komplizenschaft mit den Anführern einer aufständischen Bewegung unter Todesstrafe. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus bzw. 'subversiver' Bestrebungen werde bereits das Verteidigen derartiger Aktivitäten mit Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren sanktioniert (Bericht S. 15).

Es ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller hiernach die Todesstrafe drohen könnte. Sein Verhalten, das Grundlage für die ergangene Abschiebungsanordnung ist, erreicht nach deutschem Recht schon nicht die Schwelle der Strafbarkeit. Soweit das algerische Strafrecht betroffen ist, ist nicht ansatzweise erkennbar, dass der Antragsteller einer algerischen aufständischen Bewegung angehören oder auch nur der Komplizenschaft verdächtigt werden könnte. Im Übrigen wird die Todesstrafe in Algerien seit 1993 nicht mehr vollstreckt (Bericht S. 21). Rechtsgrundlage für die Verfolgung fundamentalistisch motivierter Straftaten ist seit 1992 zudem die Anti-Terrorismus-Verordnung. Danach wird die Gründung einer terroristischen oder subversiven Vereinigung mit lebenslanger Freiheitsstrafe und die Mitgliedschaft mit zehn bis zwanzig Jahren Freiheitsentzug bestraft (Bericht S. 15 f.). Unter diesen Tatbestand der Verordnung fällt nach der dem Senat erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 1. März 2017 auch die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Salafismus ist nach der erteilten Auskunft kein Straftatbestand, es sei denn die Mitgliedschaft ist mit terroristischen oder kriminellen Aktivitäten verbunden. Eine Ergänzung des Strafgesetzbuches von 2016 definiert das Strafmaß für die Rekrutierung für eine terroristische Vereinigung mit fünf bis zehn Jahren Haft oder Geldstrafe."

49

An dieser Einschätzung, die vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen worden ist, hält der Senat fest. Die Restzweifel, die der Senat zum Zeitpunkt seiner Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch im Hinblick auf eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung durch algerische Sicherheitsorgane hatte, wurden durch die Entwicklung bis zur Abschiebung des Klägers insoweit ausgeräumt, als hierfür jedenfalls kein reales Risiko mehr bestand. Dieser Maßstab ist entscheidungserheblich, wenn es um das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK geht.

50

Der Senat hat zur Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in seinem Beschluss vom 21. März 2017 (1 VR 1.17 Rn. 41 ff.) Folgendes ausgeführt:

"Die vom Antragsteller angesprochene Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung oder Bestrafung erscheint gering, kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden (Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG).

Im Fall der Abschiebung des Antragstellers ist nach der dem Senat erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 1. März 2017 mit seiner Befragung durch die algerische Polizei zu rechnen. Wird dieser bekannt, dass er wegen der Gefahr der Begehung einer terroristischen Tat abgeschoben wurde, ist es möglich, dass er für einige Zeit in Polizeigewahrsam genommen wird. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Februar 2017 gibt es ernstzunehmende Hinweise darauf, dass es im Polizeigewahrsam nach wie vor zu Übergriffen bis hin zu Folter kommt (S. 20). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Algerische Verfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet. Zudem ist Folter im algerischen Strafgesetz seit 2004 ein Verbrechen (Lagebericht S. 20). Weiterhin ist der algerische Sicherheitsdienst DRS, dem Folter gegenüber Terrorismusverdächtigen vorgeworfen wurde, nach dem aktuellen Jahresbericht von Amnesty International im Jahr 2016 aufgelöst worden. An seine Stelle ist danach nun ein "Security Services Directorate" getreten, das unmittelbar dem Präsidenten berichten soll (Amnesty International Report 2016/17 S. 63). Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass der Französische Conseil d'Etat in zwei Beschlüssen aus dem Jahr 2016 entschieden hat, dass der Abschiebung algerischer Staatsangehöriger nach Algerien Art. 3 EMRK nicht entgegensteht, auch wenn die Entscheidungen nicht auf eine eigene Sachaufklärung des Gerichts, sondern darauf gestützt sind, dass keine hinreichenden Tatsachen dafür vorgetragen wurden, dass die wegen Unterstützung des islamistisch motivierten Terrorismus ausgewiesenen Algerier die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung zu erwarten hätten (siehe die Gerichtsbeschlüsse vom 6. April 2016 - No 398217, vom 19. August 2016 - No 402457 - im Originaltext mit auszugsweiser deutscher Übersetzung in der Erkenntnismittelliste des Senats). Demgegenüber hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 15. Mai 2012 (Nr. 33809/08, Labsi/Slowakei Rn. 121 ff.) die dem damaligen Beschwerdeführer drohende Gefahr in Algerien in den Jahren 2008 bis 2012 dahin beurteilt, dass Art. 3 EMRK der vollzogenen Abschiebung entgegenstand und die Einhaltung der erteilten Zusicherungen aufgrund eines fehlenden Monitoring-Systems nicht überprüft werden konnte. Mittlerweile hat Algerien allerdings zahlreiche Reformen durchgeführt und den Grundrechtsschutz in der Algerischen Verfassung mit der Verfassungsreform von 2016 nochmals normativ gestärkt. Der mit Foltervorwürfen in Verbindung gebrachte Sicherheitsdienst DRS wurde aufgelöst. Algerien ist an zahlreiche internationale Menschenrechtskonventionen gebunden, auch an das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und den Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Februar 2017 S. 20).

Nach wie vor etwa bestehenden Gefahren kann mit geeigneten diplomatischen Zusicherungen begegnet werden."

51

Die Einschätzung des Senats, dass zum Zeitpunkt der Abschiebung - trotz Fehlens der im März geforderten Zusicherung - für den Kläger kein reales Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung mehr bestand, gründet sich auf folgende Tatsachen: Der Beklagte hatte sich über das Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland um die Erteilung der Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle bemüht. Der Fall des Klägers wurde von den algerischen Behörden geprüft. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers berichtete in der mündlichen Verhandlung, dass sich nach ihren Informationen "zwanzig Richter" in Algerien die Unterlagen zum Kläger angesehen hätten und zum Ergebnis gekommen seien, dass keine Bedenken gegen seine Aufnahme bestünden. Mitarbeiter des Algerischen Generalkonsulats haben mit dem Kläger ein Gespräch geführt und ihm versichert, dass ihm dort nichts passieren werde. Das Algerische Außenministerium hat der Deutschen Bundesregierung mit Verbalnote vom 12. Mai 2017 mitgeteilt, dass gegen den Kläger in Algerien kein Strafverfahren anhängig sei und damit weitere Garantieerklärungen überflüssig seien. Der Fall war Gegenstand der Presseberichterstattung in Deutschland. Aufgrund der Aufmerksamkeit, die der Fall des Klägers auf deutscher und algerischer Regierungsebene und in der deutschen Öffentlichkeit gewonnen hat, der abgegebenen Erklärungen des Algerischen Außenministeriums und des Generalkonsulats sowie des Interesses des algerischen Staates, in den Rechtsbeziehungen mit Deutschland als "verlässlicher Partner" angesehen zu werden (vgl. die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 1. März 2017 betreffend das Auslieferungsverfahren), gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass dem Kläger zum Zeitpunkt seiner Abschiebung kein reales Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung (mehr) in Algerien drohte. Das bestätigen im Übrigen die Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass der Kläger nach Ankunft in Algerien zwar über einen Zeitraum von etwa vier Stunden angehört, dabei aber würdevoll behandelt worden sei. Dort sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass von dem Kläger eine terroristische Gefahr "sicher nicht ausgehe", er vielmehr ein "unschuldiges Kind, das zu viel redet" sei. Die Behörde habe ihn gehen lassen und ihm mitgeteilt, dass er von nun an ein freies Leben führen könne (Schriftsatz vom 14. Juli 2017 S. 2).

52

Damit fehlte es im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers im Juli 2017 an den Voraussetzungen für ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG.

53

e) Der Erlass einer Abschiebungsanordnung durch die oberste Landesbehörde war im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 und 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 11 BvR 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG vor, hat die oberste Landesbehörde zu prüfen, ob sie eine Abschiebungsanordnung erlässt oder ggf. anderweitige Maßnahmen durch die Ausländerbehörde - etwa der Erlass einer sofort vollziehbaren Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung - oder Maßnahmen auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts ausreichen (Entschließungsermessen); ein Auswahlermessen kommt hingegen nur bei mehreren möglichen Zielstaaten in Betracht, was hier nicht der Fall ist.

54

Vorliegend hat das Ministerium sein Entschließungsermessen ermessensfehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass andere im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung oder sonstige gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten nicht ausreichen, um der besonderen vom Kläger ausgehenden Gefahr wirksam zu begegnen. Dies ist unter den hier gegebenen Umständen angesichts des an anderer Stelle festgestellten beachtlichen Risikos, dass der Kläger eine mit einfachsten Mitteln jederzeit realisierbare terroristische Tat in Deutschland begeht (siehe Hamburger Messerattacke vom Juli 2017) und der allenfalls begrenzten Wirksamkeit auch aufwändigerer Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen nicht zu beanstanden.

55

Die Abschiebungsanordnung erweist sich angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch im Übrigen als verhältnismäßig. Dabei kann dahinstehen, ob es für den Erlass einer Abschiebungsanordnung einer umfassenden Würdigung und Abwägung der möglicherweise betroffenen Interessen des Ausländers bedarf, oder ob sich dies aufgrund des sicherheitspolitischen Charakters der Vorschrift regelmäßig erübrigt, weil diese eine Gefahrenlage indiziert, für die der Gesetzgeber bereits auf abstrakt-genereller Ebene eine Abwägung zu Lasten des Ausländers vorgenommen hat, so dass grundsätzlich von einem überragenden öffentlichen Interesse an einer unmittelbaren Aufenthaltsbeendigung auszugehen ist und die Abschiebung in aller Regel nur bei Vorliegen eines von der zuständigen Behörde in eigener Zuständigkeit zu prüfenden Abschiebungsverbots unterbleiben darf (sog. intendiertes Ermessen). Denn der Beklagte hat bei seiner Entscheidung die privaten Interessen des in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Klägers berücksichtigt, der als faktischer Inländer keine oder allenfalls geringe Bindungen an das Land seiner Staatsangehörigkeit hat. Trotz seiner Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse ist dem volljährigen und arbeitsfähigen Kläger, der mit seinen arabischen Sprachkenntnissen algerischer Prägung im Staat seiner Staatsangehörigkeit kommunizieren kann, der Aufbau einer Existenz in Algerien auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Anfangsschwierigkeiten möglich und zumutbar, zumal seine Mutter dort über Immobilienbesitz verfügt. Der Kläger selbst hatte schon vor Ergehen der streitgegenständlichen Anordnung den Wunsch, in ein arabisches Land wie Algerien auszureisen. Er musste sein Vorhaben nun lediglich - wie er selbst angibt - um drei Jahre vorziehen. Damit ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte unter den hier gegebenen Umständen eines jederzeit möglichen Terroranschlags den privaten und familiären Belangen des Klägers nicht den Vorzug gegeben hat, und ist die Aufenthaltsbeendigung auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 35).

56

3. Der Feststellungsantrag, mit dem der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der erfolgten Abschiebung vom 12. Juli 2017 begehrt, ist unzulässig, weil dem Kläger hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

57

Zwar ist die Abschiebung des Klägers ohne Vorliegen einer Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle erfolgt, die den Anforderungen im - nicht nach § 80 Abs. 7 VwGO geänderten - Beschluss des Senats vom 21. März 2017 (1 VR 1.17) entspricht. Auf die Beachtung eines Abschiebungsverbots nach Art. 3 EMRK konnte der Kläger auch materiellrechtlich nicht verzichten. Zum Zeitpunkt der Abschiebung bestand jedoch, wie oben näher ausgeführt, kein reales Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung mehr und auch kein anderes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG. Dem Kläger war zudem von Mitarbeitern des Algerischen Generalkonsulats versichert worden, dass ihm dort nichts passieren werde, wie die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung erneut bestätigte. Wenn der Kläger vor diesem Hintergrund in einem eigens dafür anberaumten Termin am 18. Mai 2017 gegenüber der Haftrichterin erklärte, dass er auf die Einholung einer Zusicherung verzichte, und um unverzügliche Abschiebung bat, kann er sich später prozessual nicht darauf berufen, entgegen der vom Senat für erforderlich gehaltenen Zusicherung abgeschoben worden zu sein. Wegen der Treuwidrigkeit eines solchen prozessualen Verhaltens fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung. Anhaltspunkte für ein Fehlen der freien Willensbildung bei Abgabe der Erklärung liegen nicht vor. Zudem hätte der Kläger bis zur erfolgten Abschiebung fast zwei Monate Zeit gehabt, um eine übereilt abgegebene Erklärung zu widerrufen.

58

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Angehöriger:wer zu den folgenden Personen gehört:
a)
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,
b)
Pflegeeltern und Pflegekinder;
2.
Amtsträger:wer nach deutschem Recht
a)
Beamter oder Richter ist,
b)
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
c)
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;
2a.
Europäischer Amtsträger:wer
a)
Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist,
b)
Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist oder
c)
mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung beauftragt ist;
3.
Richter:wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist;
4.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter:wer, ohne Amtsträger zu sein,
a)
bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder
b)
bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen,
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist;
5.
rechtswidrige Tat:nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht;
6.
Unternehmen einer Tat:deren Versuch und deren Vollendung;
7.
Behörde:auch ein Gericht;
8.
Maßnahme:jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung;
9.
Entgelt:jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.

(2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt.

(3) Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

30
Im Einzelnen ist im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Aufstacheln zum Hass ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betroffenen Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu verstärken (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Aufstacheln 2). Das Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen setzt ein über bloßes Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches oder konkludentes Einwirken auf andere voraus mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die den elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (vgl. BGH, aaO, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Auffordern 1).

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 2. Dezember 2015 - 7 Ns 701 Js 20952/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 7. April 2016 - 3 OLG 6 Ss 20/16 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Würzburg zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen strafgerichtliche Urteile. Er wurde im Zusammenhang mit einem auf seiner Internetseite veröffentlichten Text wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 Variante 2, § 27 StGB verurteilt.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer, der als selbständiger Publizist tätig ist, veröffentlichte auf seiner Internetseite zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im April 2010 einen mit "Konspiration" überschriebenen Text. Darin heißt es unter anderem:

"Auch der Staat bedient sich des Mittels der Konspiration, um unerwünschte Meinungen zu bekämpfen. Da wird ganz offen zum ,Kampf gegen Rechts' aufgerufen, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. So seltsam es klingen mag, aber seit 1944 ist kein einziger Jude nach Auschwitz verschleppt worden. Und seit die Alliierten keine deutschen Städte mehr bombardieren, werden Synagogen nur noch gebaut und nicht gesprengt. Der schreckliche Antisemitismus, gegen den der ,Kampf gegen Rechts' so entschlossen vorgeht, bezieht sich heute auf WORTE, die den Juden nach Ansicht der Meinungskontrolleure womöglich nicht gefallen."

3

Diesen Text veröffentlichte ein gesondert abgeurteilter Dritter - was der Beschwerdeführer für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hatte - Anfang Juni 2010 in einer Zeitschrift, die im Jahr 2010 zweimonatsweise mit einer Auflage von etwa 700 Exemplaren erschien und über einen Abonnentenkreis von etwa 200 Personen verfügte.

4

2. Das Amtsgericht sprach den Beschwerdeführer mit Urteil vom 14. August 2013 wegen des vorstehenden Geschehens sowie der Veröffentlichung eines weiteren durch ihn verfassten Textes in der betreffenden Zeitschrift der Volksverhetzung schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen, wobei mit zwei weiteren Geldstrafen, denen im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zukommt, eine Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen gebildet wurde. Nachfolgend wurden zwei daraufhin ergangene Berufungsurteile des Landgerichts jeweils durch das Oberlandesgericht aufgehoben.

5

3. Schließlich verwarf das Landgericht die Berufung des Beschwerdeführers mit Urteil vom 2. Dezember 2015 mit der Maßgabe, dass er wegen Beihilfe zur Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt wurde. Zur Begründung führte das Landgericht insbesondere Folgendes aus.

6

Die Veröffentlichung des Artikels "Konspiration" erfülle den Tatbestand des Leugnens einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art (§ 130 Abs. 3 Variante 2 StGB). Der Satz "So seltsam es klingen mag, aber seit 1944 ist kein einziger Jude nach Auschwitz verschleppt worden" sei nach seinem klaren sprachlichen Inhalt so zu verstehen, dass schon im gesamten Jahr 1944, also noch während der Dauer der Herrschaft des Nationalsozialismus, keine Verschleppung von Menschen jüdischen Glaubens nach Auschwitz mehr stattgefunden habe. Eine andere Interpretation des Satzes scheide als denkbare Verständnismöglichkeit aus. Insbesondere könne der Satz nicht dahingehend verstanden werden, dass im Jahr 1944 noch Deportationen von Menschen nach Auschwitz stattgefunden hätten und dass insoweit nicht in Abrede gestellt werde, dass - was zutreffend sei - noch bis November 1944 derartige Deportationen stattgefunden hätten.

7

Dies ergebe sich aus dem Beginn des Satzes ("So seltsam es klingen mag"). Dieser sei unsinnig, wenn der Beschwerdeführer lediglich hätte zum Ausdruck bringen wollen, dass erst ab November 1944 keine Deportationen mehr stattfanden. Diese zutreffende Aussage wäre für niemanden seltsam gewesen. Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er lediglich darauf habe hinweisen wollen, wie lange die betreffenden Ereignisse zurückliegen, ändere hieran nichts. Auch erkläre dieser Umstand nicht den Beginn des Satzes. Schließlich ergebe sich eine günstigere Auslegung auch nicht aus dem Kontext der literarischen Schriften des Beschwerdeführers oder aus dem Umstand, dass er - seiner Einlassung nach - Monarchist sei. Die literarischen Schriften des Beschwerdeführers wiesen keinen Sachbezug zu der Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens während der Zeit des Nationalsozialismus auf. Einem Künstler sei hinsichtlich politisch-satirischen Schaffens erheblicher Freiraum zu lassen. Die "Auschwitzlüge", die vorliegend zumindest in temporärer Hinsicht gegeben sei, werde von dieser Freiheit nicht umfasst. Auch die behauptete monarchistische Gesinnung des Beschwerdeführers legitimiere die "Auschwitzlüge" nicht.

8

4. Mit Beschluss vom 7. April 2016 verwarf das Oberlandesgericht die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet. Das Landgericht habe nachvollziehbar dargelegt, wieso es der Interpretation, die der Beschwerdeführer dem verfahrensgegenständlichen Satz geben wollte, nicht gefolgt ist.

9

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts, des Landgerichts und des Oberlandesgerichts und rügt - unter anderem - die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

10

6. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

11

1. Soweit der Beschwerdeführer rügt, durch das angegriffene Urteil des Landgerichts und den angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts in seinen Rechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt zu sein, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

12

Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Insbesondere ist die für die Entscheidung maßgebliche verfassungsrechtliche Frage der Reichweite von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG bei der strafrechtlichen Beurteilung von Meinungsäußerungen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 7, 198 <207 ff.>; 61, 1 <7 ff.>; 90, 1 <14 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <289 ff.>; 124, 300 <320 ff.>).

13

a) Das Urteil des Landgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Meinungsfreiheit.

14

aa) Gegenstand des Schutzbereiches des Art. 5 Abs.1 Satz 1 GG sind Meinungen, das heißt durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerungen (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>). Sie fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>).

15

Neben Meinungen sind vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG aber auch Tatsachenmitteilungen umfasst, da und soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind beziehungsweise sein können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 90, 241 <247>). Nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen hingegen bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen, da sie zu der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsbildung nichts beitragen können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 90, 241 <247>). Im Einzelfall ist eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile aber nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte (vgl. BVerfGE 61, 1 <9>; 90, 241 <248>).

16

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt es insbesondere den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben. Darunter sind alle Gesetze zu verstehen, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfGE 7, 198 <209>; 93, 266 <291>; 124, 300 <321 f.>). Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht eine Ausnahme vom Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze für Vorschriften anerkannt, die auf die Verhinderung einer propagandistischen Affirmation der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zwischen den Jahren 1933 und 1945 zielen (vgl. BVerfGE 124, 300 <328 ff.>). Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze dem eingeschränkten Grundrecht Rechnung zu tragen, damit dessen wertsetzende Bedeutung, die in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen führen muss, auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt. Zwischen Grundrechtsschutz und Grundrechtsschranken findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Schranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (BVerfGE 124, 300 <332, 342>).

17

Die Feststellung, ob eine Äußerung den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießt und ob sie die Tatbestandsmerkmale eines der in Art. 5 Abs. 2 GG bezeichneten Gesetze erfüllt, sowie die dann erforderliche fallbezogene Abwägung setzen allerdings voraus, dass die Äußerung in ihrem Sinngehalt zutreffend erfasst worden ist. Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 GG liegt infolgedessen nicht nur dann vor, wenn eine Äußerung fälschlich dem Schutz des Grundrechts entzogen oder wenn dieses bei Auslegung und Anwendung der Gesetze nicht ausreichend beachtet worden ist. Vielmehr verstößt die Verurteilung wegen einer Äußerung schon dann gegen Art. 5 Abs. 1 GG, wenn diese den Sinn, den das Gericht ihr entnommen und der Verurteilung zugrunde gelegt hat, nicht besitzt oder wenn bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Deutung zugrunde gelegt worden ist, ohne dass andere, ebenfalls mögliche Deutungen mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden sind (vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 61, 1 <7 ff.>; 82, 43 <52>). Dabei haben die Gerichte insbesondere ausgehend vom Wortlaut auch den Kontext und die sonstigen Begleitumstände der Äußerung zu beachten. Insoweit stehen einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung der tatsächlichen Feststellung nicht diejenigen Umstände entgegen, die bei sonstigen Tatsachenfeststellungen regelmäßig zu einer Bindung an die Feststellungen der Fachgerichte führen (BVerfGE 43, 130 <137>).

18

bb) Einer Nachprüfung anhand dieser Maßstäbe halten die angegriffenen Entscheidungen nicht stand. Die Strafgerichte haben bei der Würdigung der der Verurteilung zugrundeliegenden Textpassage andere mögliche Deutungen nicht mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen und das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht beachtet.

19

(1) Das Landgericht und das Oberlandesgericht gehen übereinstimmend davon aus, dass der Satz "So seltsam es klingen mag, aber seit 1944 ist kein einziger Jude nach Auschwitz verschleppt worden" allein dahingehend verstanden werden kann, dass im gesamten Verlauf des Jahres 1944 kein Mensch jüdischen Glaubens in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt worden sei. Die Fachgerichte haben, ohne hierbei die Meinungsfreiheit und die sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Auslegung von mehrdeutigen Äußerungen zu berücksichtigen, dies letztlich allein damit begründet, dass der Beschwerdeführer den Satz mit den Worten "So seltsam es klingen mag" einleitet. Hierdurch haben die Fachgerichte die ebenfalls mögliche Deutung, dass letztmalig im Jahr 1944, nämlich im November diesen Jahres, Menschen jüdischen Glaubens durch das nationalsozialistische Unrechtsregime in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt wurden, schon auf Ebene des Wortlauts nicht mit überzeugenden Gründe ausgeschlossen.

20

Der schriftlichen Äußerung des Beschwerdeführers können bei isolierter Betrachtung des Wortlauts beide Bedeutungen zugemessen werden. Da "1944" keinen bestimmten Zeitpunkt, sondern einen Zeitraum bezeichnet, ist es mit der schriftlichen Äußerung des Beschwerdeführers ohne Weiteres vereinbar, dass sich das Wort "seit" auf jeden möglichen Zeitpunkt innerhalb des bezeichneten Zeitraums bezieht. Allein die Satzeinleitung "So seltsam es klingen mag," bietet keine tragfähige Grundlage, der Äußerung des Beschwerdeführers den durch die Fachgerichte zugrunde gelegten Bedeutungsgehalt beizumessen. Die Wendung würde insbesondere nicht sinnlos, wenn man ein dem Beschwerdeführer günstiges Verständnis seiner Äußerung zugrunde legt. Wenn der Beschwerdeführer seinen Aussagen insoweit einen möglicherweise seltsamen Klang attestiert, heißt das nicht ohne Weiteres, dass sich die Seltsamkeit der Äußerung für den Zuhörer auf den Inhalt oder Wahrheitsgehalt der Aussage bezieht. Vielmehr kann hiermit auch auf die Seltsamkeit der eingenommenen Perspektive oder des Kontextes, in den die Äußerung gestellt wird, in Bezug genommen werden.

21

(2) Eine überzeugende und den durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG aufgestellten Anforderungen genügende Erfassung der Aussage des Beschwerdeführers hätte den Kontext berücksichtigen müssen. Der Beschwerdeführer bezieht sich in den folgenden, den Gedanken fortführenden Passagen allein auf die Situation in der Bundesrepublik und gibt seinem Missfallen darüber Ausdruck, dass, obwohl es unter der neuen Ordnung keine nationalsozialistischen Verbrechen mehr gäbe, trotzdem zu einem Kampf gegen Rechts aufgerufen würde. Vor diesem Hintergrund hätten sich die Strafgerichte jedenfalls damit auseinandersetzen müssen, aus welchem Grund der Äußerung des Beschwerdeführers bei verständiger Würdigung dennoch gerade der zu seiner Verurteilung führende Bedeutungsgehalt zukommt. Es ist nicht ohne weitere Begründung nachvollziehbar, warum in diesem Kontext der streitbefangene, diesen Ausführungen vorangehende Satz eine davon losgelöste und andersartige Stoßrichtung haben soll, die die geschichtliche Behauptung beinhaltet, dass bereits im gesamten Jahr 1944 keine Menschen jüdischen Glaubens in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt wurden. Allein die Anknüpfung an die aus dem Gesamttext ersichtliche politische Haltung des Beschwerdeführers rechtfertigt eine solche Interpretation jedenfalls nicht. Die von den Strafgerichten vorgenommene Interpretation hätte somit weiterer Begründung bedurft, um gegebenenfalls zu überzeugen.

22

(3) Obwohl die den Gegenstand der Verurteilung bildende schriftliche Äußerung des Beschwerdeführers ersichtlich mit Meinungsäußerungen verbunden ist, fehlt im Urteil des Landgerichts jede Auseinandersetzung mit der Frage, welche Bedeutung dem Grundrecht für die zu treffende Entscheidung zukommt. Das Landgericht hat die Reichweite des Art. 5 GG im konkreten Fall nicht etwa nur unrichtig bestimmt, es hat das Grundrecht der Meinungsfreiheit bei seiner Entscheidung nicht beachtet. Diese Abwägung ist im Rahmen einer Neuentscheidung nachzuholen.

23

b) Das Urteil des Landgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts beruhen auch auf der Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Es ist zwar nicht zwingend zu erwarten, aber auch nicht auszuschließen, dass Landgericht und Oberlandesgericht bei Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wären.

24

2. Das Urteil des Landgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts sind demnach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

25

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

26

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>)

20
Zur Beurteilung der Frage, ob eine Erklärung als Aufforderung zu Gewalt - oder Willkürmaßnahmen zu verstehen ist, ist ihr objektiver Sinngehalt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2010 - 1 BvR 369/04 u.a., NJW 2010, 2193, 2194). Dabei darf ihr im Lichte der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat, und im Fall der Mehrdeutigkeit darf nur dann von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, wenn andere, straflose Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen werden können (BVerfG, Beschlüsse vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u.a., BVerfGE 93, 266, 295 f.; vom 25. März 2008 - 1 BvR 1753/03, NJW 2008, 2907, 2908; vom 4. Februar 2010 - 1 BvR 369/04 u.a. aaO; BGH, Urteile vom 15. Dezember 2005 - 4 StR 283/05, NStZ-RR 2006, 305; vom 20. September 2011 - 4 StR 129/11, juris Rn. 24; MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 130 Rn. 110; S/SSternberg -Lieben, StGB, 29. Aufl., § 130 Rn. 5).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein kosovarischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland.

2

Der 1978 geborene Kläger reiste 1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach einem erfolglos gebliebenen Asylverfahren heiratete er im Juni 1999 eine deutsche Staatsangehörige. Er erhielt daraufhin Mitte 2000 zunächst eine befristete und im Oktober 2004 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die ab Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Nach Scheidung seiner Ehe im Jahre 2006 und einer nur kurze Zeit dauernden zweiten Ehe mit einer Kosovarin heiratete der Kläger im Januar 2008 im Kosovo in dritter Ehe eine kosovarische Staatsangehörige. Zu einem Nachzug der Ehefrau nach Deutschland kam es nicht.

3

Der Kläger, der seit mehreren Jahren eine feste Arbeitsstelle als Staplerfahrer besaß, wurde im Juni 2008 in Untersuchungshaft genommen und im Februar 2009 vom Landgericht Heidelberg wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in zwölf Fällen und zum versuchten schweren Bandendiebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Daraufhin wies ihn das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 23. Juni 2009 aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1) und drohte ihm die Abschiebung in den Kosovo an (Nr. 2). In der Begründung hieß es, der Kläger genieße zwar besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und könne deshalb nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe lägen aber hier wegen der schweren, in hoher Zahl und über einen längeren Zeitraum hinweg begangenen Eigentumsdelikte vor. Die Ausweisung sei sowohl aus spezialpräventiven Gründen wegen der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr als auch aus generalpräventiven Gründen wegen der besonderen Schwere der Straftaten gerechtfertigt. Bei der im Rahmen der Ermessensausübung vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung die persönlichen Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet, zumal seine Ehefrau im Kosovo lebe.

4

Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zwar gehe von dem Kläger, der inzwischen nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe unter Aussetzung des Strafrests zur Bewährung aus der Haft entlassen worden sei, keine Wiederholungsgefahr mehr aus. Die Ausweisung sei aber wegen der besonderen Schwere der von ihm begangenen Straftaten, die der organisierten Kriminalität zuzurechnen seien, aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Sie sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Klägers, der erst als Erwachsener nach Deutschland eingereist sei, nicht unverhältnismäßig, zumal der Kläger auch noch starke Kontakte zum Kosovo habe.

5

Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 18. März 2011 die Ausweisung und die Abschiebungsandrohung für den Fall der Haftentlassung (Nr. 2 Abs. 2 des Bescheides) aufgehoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung lägen keine schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor, wie sie für eine Ausweisung des Klägers erforderlich seien. Die Ausweisung könne nicht auf spezialpräventive Gründe gestützt werden, weil von dem Kläger derzeit keine Wiederholungsgefahr mehr ausgehe. Die Ausweisung werde vom Beklagten allein tragend zur - generalpräventiven - Abschreckung anderer Ausländer aufrechterhalten. Ein allein auf diesen Gesichtspunkt gestütztes öffentliches Interesse an der Ausweisung stelle bei der Personengruppe der "verwurzelten" Ausländer, zu der der Kläger gehöre, im Lichte von Art. 8 EMRK regelmäßig keinen schwerwiegenden Grund im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG dar. Dies ergebe sich in einer Gesamtschau aus den neueren Rechtsprechungslinien sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - und im Übrigen auch aus der Rechtsauffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - in Bezug auf Unionsbürger sowie des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Dies gelte jedenfalls seit Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009. Der vom Bundesverfassungsgericht besonders betonte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehe bei nachhaltig verwurzelten Ausländern, die sich auf den qualifizierten Schutz von Art. 8 EMRK berufen könnten, einer Ausweisung aus generalpräventiven Gründen in der Regel entgegen. Auch die Rechtsprechung des EGMR laufe in rechtstatsächlicher Hinsicht sehr stark auf eine Ausweisung - nur oder nur auch - aus spezialpräventiven Gründen zu. Bei freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen könne der Aufenthalt nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr allein aus generalpräventiven Gesichtspunkten beendet werden. Daraus ergebe sich unter Berücksichtigung der ebenfalls aufenthaltsrechtlich besonders geschützten drittstaatsangehörigen Familienmitglieder dieser Personengruppen für rund zwei Drittel aller in Deutschland lebenden Ausländer ein Verbot der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen. Die richterrechtliche Schöpfung der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen habe deshalb auch bezüglich der in Deutschland nachhaltig "verwurzelten" Ausländer ihre Berechtigung grundsätzlich verloren. Bei ihnen könne eine generalpräventiv begründete Ausweisung nur ausnahmsweise im Fall besonders schwerwiegender staats- oder gesellschaftsgefährdender Delikte zulässig sein, wie sie etwa in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG - Qualifikationsrichtlinie - ("Terrorismusdelikte") oder in Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - genannt seien. Entsprechend dem Vorbild der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Ausweisungen müsse das grundsätzliche Verbot der generalpräventiven Ausweisung mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages und der dadurch bedingten Aufwertung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Rechtsprechung des EGMR auf nachhaltig "verwurzelte" Ausländer erstreckt werden. Der Kläger gehöre zu dieser Personengruppe: Er lebe seit 14 Jahren im Bundesgebiet, wo seine gesamte berufliche Entwicklung erfolgt sei. Hier lebten enge Familienangehörige und sein Freundeskreis, er verfüge über einen Arbeitsplatz, der ihn ohne ergänzende Sozialleistungen unterhalte, und verbringe sein Privatleben mit seiner deutschen Partnerin. Auf eine gleichzeitige tiefgreifende "Entwurzelung" aus dem Heimatland komme es dabei nicht an.

6

Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision des Beklagten. Er macht geltend, dass sich weder aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch der des EGMR das vom Verwaltungsgerichtshof angenommene grundsätzliche Verbot einer generalpräventiven Ausweisung für "verwurzelte" Ausländer aus Drittstaaten ergebe.

7

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und stellt darüber hinaus die Berechtigung einer allein generalpräventiv motivierten Ausweisung grundsätzlich in Frage. Die behauptete abschreckende Wirkung von Ausweisungen sei nicht durch empirische Studien belegt und könne schon deshalb einen derartigen Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen. Zudem setze die richterrechtliche Figur der generalpräventiven Ausweisung eine zur Verhaltenssteuerung geeignete kontinuierliche Ausweisungspraxis voraus. Diese liege angesichts der großen Anzahl unionsrechtlich privilegierter Ausländer, die nur noch aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden dürften, in der Realität nicht mehr vor.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich an dem Verfahren beteiligt und unterstützt die Auffassung des Beklagten.

9

Der Kläger hat inzwischen während einer Besuchsreise in den Kosovo im November 2011 in vierter Ehe eine in Deutschland lebende kosovarische Staatsangehörige geheiratet. Anschließend ist ihm von der Deutschen Botschaft in Pristina für die Wiedereinreise ein Visum zum Familiennachzug erteilt worden. Die Beteiligten haben daraufhin in der Revisionsverhandlung den Rechtsstreit hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in Nr. 2 Abs. 2 des Bescheides vom 23. Juni 2009 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

10

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO einzustellen. Zugleich ist die Unwirksamkeit der vorinstanzlichen Entscheidungen hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in Nr. 2 Abs. 2 des angefochtenen Bescheides festzustellen (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).

11

Hinsichtlich der allein noch in Streit befindlichen Ausweisung (Nr. 1 des angefochtenen Bescheides) ist die Revision der Beklagten begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht insoweit auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Ausweisung als rechtswidrig angesehen, weil er das Vorliegen schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bei dem Kläger verneint hat. Die hierfür angeführte Begründung ist mit Bundesrecht nicht vereinbar (1.). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend entscheiden kann, ob bei dem Kläger schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen (2.), und sich die Ausweisung auch nicht bereits aus anderen Gründen als rechtswidrig erweist (3.), ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (4.).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 12). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, etwa Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854). Damit sind insbesondere auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - zu beachten.

13

Der Verwaltungsgerichtshof ist - in Übereinstimmung mit dem Beklagten - zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger mit seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten den (Regel-)Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG verwirklicht hat, dass er aber aufgrund des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis und seines mehr als fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz genießt. Der Kläger kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und nur aufgrund einer sämtliche Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ausgewiesen werden.

14

1. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG hier nicht vorlägen, beruht indes auf einer fehlerhaften Auslegung dieser Vorschrift.

15

a) Soweit sich diese Annahme auf die vom Beklagten ursprünglich auch angeführten spezialpräventiven Gründe für die Ausweisung des Klägers, nämlich die von ihm ausgehende Gefahr der erneuten Begehung vergleichbarer Straftaten, bezieht, ist sie revisionsrechtlich allerdings nicht zu beanstanden. Nachdem bereits das Verwaltungsgericht das Vorliegen spezialpräventiver Gründe verneint hatte, ist auch der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der ihm vorliegenden Erkenntnismittel zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Kläger inzwischen keine gesteigerte Wiederholungsgefahr mehr ausgeht. Mit dem Begriff der gesteigerten Wiederholungsgefahr ist dabei erkennbar die auch von der Rechtsprechung des Senats verlangte ernsthaft drohende Gefahr erneuter schwerer Verfehlungen des Ausländers - im Gegensatz zur lediglich entfernten Möglichkeit solcher Verfehlungen - gemeint (vgl. Urteile vom 13. Januar 2009 - BVerwG 1 C 2.08 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 7 Rn. 16 und vom 11. Juni 1996 - BVerwG 1 C 24.94 - BVerwGE 101, 247 <253>). Dies wird durch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts deutlich, die auf diese Rechtsprechung zurückgreifen. Auch vom Beklagten werden die Feststellungen zum Fehlen einer Wiederholungsgefahr nicht angegriffen. Vielmehr wird die Ausweisung nunmehr tragend allein auf generalpräventive Gründe gestützt.

16

b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung an schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schon deshalb fehle, weil bei "verwurzelten" Ausländern eine so begründete Ausweisung regelmäßig unzulässig sei, hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung dagegen nicht stand.

17

aa) Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können nicht nur bei Verwirklichung der Ausweisungstatbestände der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 AufenthG, bei denen die Vermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eingreift, sondern auch bei Vorliegen sonstiger (Regel- und Ermessens-)Ausweisungsgründe gegeben sein. Erforderlich ist jedoch stets, dass dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommt. Dieses kann sich bei Straftaten insbesondere aus deren Art, Schwere und Häufigkeit ergeben (stRspr, zuletzt Urteil vom 13. Januar 2009 a.a.O.). Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass strafrechtliche Verurteilungen nicht nur dann einen solchen schwerwiegenden Ausweisungsanlass bilden können, wenn von dem betreffenden Ausländer die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten ausgeht (Spezialprävention), sondern auch dann, wenn durch die Ausweisung andere Ausländer von der Begehung solcher Straftaten abgehalten werden sollen (Generalprävention). Allerdings liegt bei einer allein auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein schwerwiegender Ausweisungsanlass nur ausnahmsweise vor, wenn die Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein dringendes Bedürfnis daran besteht, über eine strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (Urteile vom 11. Juni 1996 a.a.O. <254 ff.> m.w.N. und vom 31. August 2004 - BVerwG 1 C 25.03 - BVerwGE 121, 356 <362>).

18

An dieser Rechtsprechung, die ihrerseits schon sehr hohe Anforderungen an die Annahme schwerwiegender Gründe im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bei einer allein generalpräventiv motivierten Ausweisung stellt, ist auch weiterhin festzuhalten.

19

bb) Soweit der Klägervertreter die abschreckende Wirkung von Ausweisungen auf andere Ausländer generell in Frage stellt, weil sie nicht durch empirische Studien belegt sei, und meint, aufgrund der großen Anzahl privilegierter Ausländer, die nur noch aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden dürften, habe die richterrechtliche Figur der generalpräventiven Ausweisung mangels kontinuierlicher Ausweisungspraxis inzwischen ihre Berechtigung verloren, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die grundsätzliche Möglichkeit einer generalpräventiv begründeten Ausweisung von Ausländern, die nicht zu einem unionsrechtlich privilegierten Personenkreis gehören, beruht nicht auf einer rein richterrechtlichen Schöpfung, sondern liegt erkennbar auch der gesetzlichen Regelung sowohl des Ausländergesetzes 1990 als auch des Aufenthaltsgesetzes zugrunde. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber bei bestimmten schwerwiegenden Verurteilungen in § 53 AufenthG (im Anschluss an die Vorgängerregelung in § 47 Abs. 1 AuslG 1990) eine zwingende Ausweisung vorgeschrieben hat. Das zeigt, dass er die Ausweisung jedenfalls in diesen Fällen unabhängig vom Vorliegen einer Wiederholungsgefahr und damit auch bei Fehlen spezialpräventiver Gründe - also allein aus generalpräventiven Erwägungen - als zulässig und geboten angesehen hat. Auch dem Umstand, dass der Gesetzgeber des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes sich in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht von der Vorstellung einer generalpräventiv motivierten Ausweisung abgewandt hat, ist zu entnehmen, dass er diese in seinen Willen aufgenommen hat. Das wird durch die Ausführungen zu den Ausweisungsvorschriften (§§ 45 ff. AuslG 1990) im Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 27. Januar 1990 bestätigt (BTDrucks 11/6321 S. 49 ff.). Dort wird eingangs allgemein auf die verhaltenssteuernde - also generalpräventive - Wirkung des Ausweisungsrechts für die Ausländer verwiesen und u.a. von der "Notwendigkeit der Generalprävention" sowohl im Rahmen der Strafzumessung als auch im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Beurteilung der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gesprochen (a.a.O. S. 50). Durch das Aufenthaltsgesetz, das die Ausweisungsvorschriften zwar neu strukturiert, aber die hier entscheidenden Regelungen inhaltlich übernommen hat, hat sich an diesem Befund nichts geändert (BTDrucks 15/420 S. 90 f.). Da der Gesetzgeber selbst grundsätzlich generalpräventive Motive im Ausweisungsrecht anerkennt und gerade bei strafrechtlichen Verurteilungen auch als alleinigen Grund für eine Ausweisung billigt, können die Gerichte und Behörden bei der Anwendung der einschlägigen Vorschriften dies nicht wegen eines fehlenden empirischen Nachweises der Abschreckungswirkung für andere Ausländer oder wegen des zunehmenden Anteils nur spezialpräventiv auszuweisender Ausländer in Frage stellen. Denn insoweit ist die Einschätzung des Gesetzgebers, die im Rahmen des ihm zustehenden weiten gesetzgeberischen Ermessens liegt und nicht erkennbar willkürlich ist, zu respektieren. Im Übrigen sind bei der von dem Klägervertreter aufgeworfenen Frage, ob Ausweisungen angesichts der erhöhten Anforderungen an ihre Zulässigkeit und der dadurch bedingten rückläufigen Ausweisungspraxis überhaupt noch geeignet sind, verhaltenssteuernd auf andere Ausländer zu wirken, nicht nur die rein generalpräventiv begründeten Ausweisungen, sondern auch die spezialpräventiven Ausweisungen oder Aufenthaltsbeendigungen infolge der Begehung von Straftaten in den Blick zu nehmen. Auch diese spezialpräventiven Maßnahmen können nämlich verhaltenssteuernd auf andere Ausländer wirken.

20

cc) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Erfordernis schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch nicht einschränkend dahin auszulegen, dass es jedenfalls bei nachhaltig "verwurzelten" Ausländern im Falle einer allein auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung regelmäßig nicht vorliegt. Eine derartige regelhafte Einschränkung, die ihrerseits die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles - etwa der Schwere der konkreten Straftat oder auch der "Entwurzelung" des Ausländers in seinem Herkunftsstaat - von vornherein ausblendet, stimmt weder mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG überein, noch ist sie, wie der Verwaltungsgerichtshof meint, im Lichte von Art. 8 EMRK aufgrund einer Gesamtschau der neueren Rechtsprechungslinien des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - in Verbindung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - und des Bundesverwaltungsgerichts zu Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen geboten.

21

Das Bundesverfassungsgericht hat auch in seiner neueren Kammerrechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit des durch eine Ausweisung bewirkten Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG die Bedeutung generalpräventiver Erwägungen im Ausweisungsrecht (unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386 <397>) anerkannt und betont, dass eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Entscheidung allerdings voraussetzt, dass die Ausländerbehörde die Umstände der Straftat und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen von Amts wegen sorgfältig ermittelt und eingehend würdigt. Insbesondere kann das Gewicht der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Interessen nicht allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes bestimmt werden. Vielmehr sind auch bei strafrechtlichen Verurteilungen nach § 53 AufenthG im Einzelfall die Umstände der begangenen Straftat, wie sie sich aus dem Strafurteil und dem vorangegangenen Strafverfahren ergeben, individuell zu würdigen. Dies gilt naturgemäß erst recht bei unterhalb der Schwelle des § 53 AufenthG liegenden strafrechtlichen Verurteilungen nach § 54 Nr. 1 AufenthG. Darüber hinaus sind in gleicher Weise die gegen die Ausweisung sprechenden privaten Belange des Betroffenen im Einzelnen zu ermitteln und individuell zu würdigen, um sie dann unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen abwägen zu können (BVerfG, Beschlüsse vom 10. Mai 2007 - 2 BvR 304/07 - BVerfGK 11, 153 und vom 10. August 2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300). Diese vom Bundesverfassungsgericht nunmehr präzisierten Prüfungsanforderungen lassen keinen Schluss auf die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellte Auslegungsregel zu, die sowohl im Hinblick auf die den Ausweisungsanlass bildende Straftat als auch im Hinblick auf die schutzwürdigen Belange des Betroffenen die Berücksichtigung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles ausblendet und durch eine typisierende Betrachtung - wenn auch zugunsten des Ausländers - ersetzt.

22

Die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellte Auslegungsregel kann auch nicht aus der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK hergeleitet werden. Die Entscheidungen des EGMR zum Schutz des Privat- und Familienlebens in Fällen der Ausweisung straffällig gewordener Ausländer enthalten kein ausdrückliches Verbot generalpräventiv begründeter Ausweisungen. Im Gegenteil hat der Gerichtshof in einzelnen Fällen, in denen generalpräventive Gründe für die Ausweisung maßgeblich waren, eine Konventionsverletzung verneint (EGMR, Urteile vom 28. Juni 2007 - Nr. 31753/02 - Kaya/Deutschland - InfAuslR 2007, 325 und vom 6. Dezember 2007 - Nr. 69735/01 - Chair/Deutschland - InfAuslR 2008, 111). Auch die vom EGMR aufgestellten sog. "Boultif/Üner-Kriterien" (vgl. EGMR, Urteil vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99 - Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 57 f.) laufen der Sache nach nicht auf ein de-facto-Verbot solcher Ausweisungen hinaus (a.A. OVG Bremen, zuletzt Urteil vom 10. Mai 2011 - 1 A 306.10 u.a. - InfAuslR 2011, 341 <343>). Sowohl die Art und Schwere der begangenen Straftat als auch die seit der Straftat vergangene Zeit und das Nachtatverhalten des Betroffenen können sinnvoll auch bei einer generalpräventiv begründeten Ausweisung als Gesichtspunkte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden. Auch das Bundesverfassungsgericht, das die Rechtsprechung des EGMR und die von ihm entwickelten Kriterien ausdrücklich in Bezug genommen hat, hat daraus ersichtlich kein Regelverbot einer generalpräventiven Ausweisung hergeleitet.

23

Soweit der Verwaltungsgerichtshof sich bei seiner Gesamtschau auf die Rechtsprechung des EuGH zur Aufenthaltsbeendigung von Unionsbürgern und deren Familienangehörigen sowie die Rechtsprechung zu assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen berufen hat, derzufolge bei diesem Personenkreis eine generalpräventiv motivierte Aufenthaltsbeendigung ausgeschlossen ist, können daraus keine Schlüsse für die übrigen Drittstaatsangehörigen gezogen werden. Denn bei den genannten Personen handelt es sich um unionsrechtlich privilegierte Gruppen, die sich durch erhöhten Ausweisungsschutz von den übrigen Drittstaatsangehörigen unterscheiden. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die aufenthaltsrechtlich stärker geschützten Inhaber einer Daueraufenthaltserlaubnis-EG (vgl. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG).

24

2. a) Ist eine einschränkende Auslegung des Begriffs der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Gestalt der vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Regel damit nicht durch höherrangiges Recht geboten, verbleibt es bei der nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats maßgeblichen Auslegung der Bestimmung. Danach sind, wie oben bereits ausgeführt, bei allein generalpräventiv begründeten Ausweisungen an die Annahme schwerwiegender Gründe der öffentliche Sicherheit und Ordnung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. In diesen Fällen ist erforderlich, dass die den Ausweisungsanlass bildende Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein dringendes Bedürfnis daran besteht, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch die Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Dabei kommt es stets auf die besondere Schwere der Straftat im Einzelfall an. Dies setzt voraus, dass die konkreten Umstände der begangenen Straftat oder Straftaten, wie sie sich aus dem Strafurteil und dem vorangegangenen Strafverfahren ergeben, ermittelt und individuell gewürdigt werden. Die besondere Schwere der Straftat im Hinblick auf die verhaltenssteuernde Wirkung der Ausweisung auf andere Ausländer erfordert, dass von einer derartigen Straftat eine besonders hohe Gefahr für den Staat oder die Gesellschaft ausgeht, wie dies insbesondere bei Drogendelikten oder Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität der Fall sein kann.

25

Sind diese Anforderungen an das Vorliegen eines schwerwiegenden Ausweisungsanlasses im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG für eine generalpräventiv begründete Ausweisung erfüllt, ist darüber hinaus zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit - in der Regel im Rahmen der erforderlichen Ermessensausübung nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG - das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Ausweisung mit dem Gewicht des schutzwürdigen privaten Interesses des Ausländers an dem Verbleib in Deutschland abzuwägen. Dadurch wird sichergestellt, dass gerade die Belange "verwurzelter" Ausländer je nach ihrem Gewicht im Einzelfall zum Tragen kommen.

26

b) Für den Fall des Klägers bedeutet dies, dass der Senat nicht selbst abschließend darüber entscheiden kann, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die angefochtene Ausweisung, nämlich schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, vorliegen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen zu den konkreten Umständen der Begehung der Straftaten, insbesondere zur Bedeutung des Tatbeitrages des Klägers, sowie zu weiteren Umständen des Einzelfalles wie etwa zu seinem Verhalten nach der Tat im Ermittlungs- und Strafverfahren getroffen. Ohne eine solche tatrichterliche Feststellung und Würdigung ist eine Entscheidung über das Vorliegen schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aber nicht möglich. Denn die Straftaten des Klägers sind nicht schon von vornherein gänzlich ungeeignet, ein schwerwiegendes öffentliches Interesse an einer Ausweisung in dem oben dargestellten Sinn zu begründen. Schwere Bandendiebstähle nach § 244a StGB sind Delikte, die der Gesetzgeber der organisierten Kriminalität zurechnet. Der qualifizierte Straftatbestand des § 244a StGB ist mit dem Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl I S. 1302) in das Strafgesetzbuch eingefügt und - anders als der einfache Bandendiebstahl - als Verbrechen eingestuft worden. Dabei ging es dem Gesetzgeber u.a. darum, eine höhere individuelle wie allgemeine Abschreckungswirkung zu erzielen (BTDrucks 12/989 S. 25). Die vom Kläger begangenen Straftaten kommen deshalb als Anlass einer allein generalpräventiven Ausweisung grundsätzlich in Betracht. Auch der Umstand, dass der Kläger nur wegen Beihilfe verurteilt worden ist, führt angesichts des nach den Ausführungen im Strafurteil nahe an der Mittäterschaft liegenden Tatbeitrags nicht dazu, dass ohne nähere tatrichterliche Feststellung und Würdigung im Einzelfall bereits von vornherein ein schwerwiegender Ausweisungsanlass verneint werden kann.

27

4. Die Aufhebung der Ausweisung durch den Verwaltungsgerichtshof erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

28

a) Allerdings müssen bei einer allein auf generalpräventive Erwägungen gestützten Ausweisung eines Ausländers mit besonderem Ausweisungsschutz (§ 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) die Wirkungen der Ausweisung regelmäßig von Amts wegen zugleich mit der Ausweisung befristet werden. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm darf nach Satz 2 der Vorschrift kein Aufenthaltstitel nach diesem Gesetz erteilt werden. Diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen werden nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auf Antrag befristet. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, schließt diese Regelung es nicht aus, dass die Ausländerbehörde zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung im Einzelfall von Amts wegen verpflichtet ist, die Wirkungen der Ausweisung schon bei Erlass der Ausweisung zu befristen. Ob dies erforderlich ist, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles, insbesondere dem Ausmaß der von dem Ausländer ausgehenden Gefahr, der Vorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung dieser Gefahr und den schutzwürdigen Belangen des Ausländers und seiner Angehörigen ab (Urteile vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 2.04 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 42, vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 Rn. 18 und vom 2. September 2009 - BVerwG 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 25 sowie Beschluss vom 20. August 2009 - BVerwG 1 B 13.09 - Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 4 Rn. 8). Dies führt bei einer allein generalpräventiv motivierten Ausweisung eines Ausländers mit besonderem Ausweisungsschutz - außer in den Fällen des Ausschlusses der Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG - regelmäßig dazu, dass eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung von Amts wegen zugleich mit der Ausweisung auszusprechen ist. Ist die Ausweisung zunächst sowohl auf spezialpräventive als auch auf generalpräventive Gründe gestützt und ergibt sich - wie hier - erst im gerichtlichen Verfahren, dass die spezialpräventiven Gründe nicht (mehr) vorliegen und die Ausweisung allein auf generalpräventive Gründe gestützt wird, kann und muss die Ausländerbehörde die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nachholen.

29

Wird ein Ausländer infolge einer besonders schweren Straftat nach Maßgabe von § 56 Abs. 1 AufenthG allein zu generalpräventiven Zwecken ausgewiesen und geht somit von ihm selbst in dem für die Ausweisungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt keine relevante Gefahr der erneuten Straffälligkeit mehr aus, erfordert das bei einem derartigen Eingriff besonders zu beachtende Gebot der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung. In diesem Fall lässt sich bereits in dem für die Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt beurteilen, wie lange der Betroffene unter Berücksichtigung seiner schützwürdigen privaten Belange vom Bundesgebiet ferngehalten werden muss, damit die notwendige generalpräventive Wirkung erzielt werden kann. Es wäre deshalb unverhältnismäßig, ihn über diesen für seine Lebensplanung wichtigen Umstand im Unklaren zu lassen, ohne dass hierfür ein rechtfertigender sachlicher Grund besteht. Gerade weil der Betroffene bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung - anders als bei einer spezialpräventiv begründeten Ausweisung - keinen Einfluss auf das Entfallen des Ausweisungszwecks nehmen kann, wiegt es bei schützenswerten Bindungen an das Bundesgebiet besonders schwer, wenn ihm mit der Ausweisung keine konkrete zeitliche Perspektive für die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie der Sperre für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aufgezeigt wird. Sollten sich seine persönlichen Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland zu einem späteren Zeitpunkt - etwa durch Änderung der familiären Situation - noch verstärken, kann dem durch eine Verkürzung der Befristung Rechnung getragen werden. Sollte der Betroffene nachträglich trotz der positiven Prognose erneut straffällig werden, kann dies bei der erneuten Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Ablauf der Sperrwirkung berücksichtigt werden.

30

b) Das Fehlen einer Befristung der Wirkungen der Ausweisung hat aber nicht zur Folge, dass die - ansonsten rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist, sondern führt dazu, dass der Ausländer schon mit der Anfechtung der Ausweisung zugleich seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG durchsetzen kann. Das materiellrechtliche Erfordernis, dass eine allein generalpräventiv motivierte Ausweisung in den Fällen des § 56 Abs. 1 AufenthG in ihren Wirkungen grundsätzlich zugleich zu befristen ist, ist verfahrensrechtlich dadurch zu verwirklichen, dass der bestehende Anspruch auf Befristung schon im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung realisiert werden kann. Damit wird dem Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung entspricht der gesetzlichen Systematik, die zwei getrennte Verwaltungsakte - nämlich die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits - vorsieht (vgl. hierzu Beschluss vom 10. Dezember 1993 - BVerwG 1 B 160.93 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 2 zur Vorgängerregelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990). Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird. Der Ausländer darf insoweit nicht auf ein eigenständiges neues Verfahren verwiesen werden. Im Fall der rechtskräftigen Bestätigung der Ausweisung wird vielmehr auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung getroffen.

31

c) Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin zunächst darüber zu befinden, ob ihm bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ein Anspruch auf die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zusteht. Sollte ein Befristungsanspruch bestehen, hat das Gericht sodann über die konkrete Dauer der Befristung zu befinden. Die Bemessung der Dauer steht nämlich seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde. Es handelt sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

32

Weder der Wortlaut des nunmehr geltenden § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. noch derjenige seiner Vorgängerreglungen in § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a.F. oder § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990 verhalten sich ausdrücklich zur Frage, ob die Bemessung der Frist in das Ermessen der Ausländerbehörden gestellt ist. Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 ist der Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nicht mehr allein im Regelfall gegeben, wie dies zuvor in § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a.F. bestimmt gewesen ist. Vielmehr besteht ein solcher Anspruch - vorbehaltlich der Ausnahme nach § 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG - in jedem Fall. Hinsichtlich der Dauer der Frist ist nunmehr geregelt, dass sie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F.). Die Änderungen des § 11 AufenthG dienen der Umsetzung des Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie. Mit dieser Richtlinie, die auf Art. 63 Abs. 3 Buchst. b EG (jetzt: Art. 79 Abs. 2 Buchst. c AEUV) gestützt ist und also der Bekämpfung der illegalen Einwanderung zu dienen bestimmt ist, soll eine wirksame Rückkehrpolitik als notwendiger Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften unterlegt werden (4. Erwägungsgrund). Im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts sollen Entscheidungen gemäß dieser Richtlinie auf Grundlage des Einzelfalls und anhand objektiver Kriterien getroffen werden (6. Erwägungsgrund). Um die Interessen der Betroffenen wirksam zu schützen, sollen für Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr eine Reihe gemeinsamer rechtlicher Mindestgarantien gelten (11. Erwägungsgrund). Die Wirkung der einzelstaatlichen Rückführungsmaßnahmen soll einen europäischen Zuschnitt erhalten (14. Erwägungsgrund). Daher garantiert Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie, dass gegen Entscheidungen nach ihrem Art. 12 Abs. 1 - also Rückkehrentscheidungen sowie gegebenenfalls Entscheidungen über ein Einreiseverbot oder eine Abschiebung - ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann.

33

Neben dieser nunmehr unionsrechtlichen Prägung von § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die das Interesse des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung des Einreiseverbots und an einem darauf bezogenen wirksamen Rechtsschutz rechtlich erheblich aufwertet, ist auch die Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK zu berücksichtigen. So zieht der EGMR die Frage der Befristung bei der Prüfung von Ausweisungen am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK als ein wesentliches Kriterium heran (EGMR, Urteile vom 17. April 2003 - Nr. 52853/99 - Yilmaz/Deutschland - NJW 2004, 2147; vom 27. Oktober 2005 - Nr. 32231/02 - Keles/Deutschland - InfAuslR 2006, 3 <4>; vom 22. März 2007 - Nr. 1638/03 - Maslov/Österreich - InfAuslR 2007, 221 <223> und vom 25. März 2010 - Nr. 40601/05 - Mutlag/Deutschland - InfAuslR 2010, 325 <327>). In der Gesamtschau der sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie aus dem Unionsrecht ergebenden Argumente und der erstmals mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 im Grundsatz eingeführten Höchstfrist von fünf Jahren sind die schützenswerten privaten Interessen des Betroffenen an der Befristung nunmehr in einer Weise aufgewertet, dass vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr angenommen werden kann, der Verwaltung sei ein Spielraum zur Rechtskonkretisierung im Einzelfall eingeräumt, der nur auf die Einhaltung äußerer Grenzen gerichtlich überprüfbar wäre. Die Regelung ist in ihrem europäischen Gesamtzusammenhang betrachtet nunmehr so zu verstehen, dass dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt ist, um sein Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung zu sichern. An dem bisherigen Verständnis des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a.F., der nach allgemeiner Meinung die Dauer der Befristung in das Ermessen der Ausländerbehörde stellte (h.M. vgl. etwa Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011 § 11 AufenthG Rn. 44), ist angesichts der neuen Rechtslage seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 am 26. November 2011 nicht mehr festzuhalten.

34

Sofern die Ausländerbehörde rechtsfehlerhaft keine Befristung ausgesprochen hat oder die von ihr verfügte Frist zu lang ist, hat das Gericht die Behörde deshalb zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung auf einen konkreten, von ihm für geboten gehaltenen Zeitraum zu befristen. Damit ist gewährleistet, dass mit der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung auch die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann.

35

c) Ob die Notwendigkeit einer zugleich mit der Ausweisung zu verfügenden Befristung des Einreiseverbots künftig auch unmittelbar aus Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG hergeleitet werden könnte, bedarf hier keiner Klärung. Insbesondere kann offenbleiben, ob die Ausweisung als solche, gegebenenfalls in Verbindung mit der Abschiebungsandrohung, als Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie anzusehen ist (verneinend VGH Mannheim, Urteil vom 10. Februar 2012 - 11 S 1361/11 - juris). Denn selbst wenn dies der Fall wäre, würde die hier streitige, im Juli 2009 verfügte und mit der Klage angegriffene Ausweisung von der Richtlinie, die von den Mitgliedstaaten bis zum 24. Dezember 2010 umzusetzen war, noch nicht erfasst (vgl. zur intertemporalen Anwendung von Richtlinien: EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2007 - Rs. C-349/06, Polat - Slg. 2007, I-8167 Rn. 25 ff.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass Art. 15 Abs. 5 und 6 der Richtlinie für bereits vor deren Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen gelten (vgl. EuGH, Urteil vom 30. November 2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Slg. 2009, I-11189 Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft betreffen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie getroffen worden ist. Im Übrigen dürften sich aus der Richtlinie, sofern sie Ausweisungsentscheidungen erfassen sollte, auch keine weitergehenden Rechtsfolgen hinsichtlich der Befristung des Einreiseverbots ergeben, als sie für die bereits aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gelten.

36

5. Erweist sich die Berufungsentscheidung damit nicht bereits aus anderen Gründen als richtig, ist die Sache zur weiteren Aufklärung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. In dem erneuten Berufungsverfahren wird der Beklagte, sofern er auch angesichts der aktuellen persönlichen Verhältnisse des Klägers an der Ausweisung festhalten will, Gelegenheit haben, seine maßgeblichen Ermessenserwägungen unter Beachtung der hierfür vom Senat aufgestellten formalen Anforderungen (Urteil vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - Leitsatz 2, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) zu ergänzen und die erforderliche Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nachzuholen. Der Verwaltungsgerichtshof wird seinerseits die erforderlichen Feststellungen zur Schwere der konkreten Straftat des Klägers treffen und die festgestellten Umstände würdigen müssen. Sollte er schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bejahen und auch die - nachzuholende - Ermessensentscheidung des Beklagten einschließlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung als rechtsfehlerfrei ansehen, müsste er auch noch über den im Begehren des Klägers als minus enthaltenen Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Wirkungen des Ausweisung oder gegebenenfalls über die Rechtmäßigkeit einer inzwischen von dem Beklagten ausgesprochen Befristung befinden.

37

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Einer gesonderten Kostenentscheidung in Bezug auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits (Abschiebungsandrohung in Nr. 2 Abs. 2 des Bescheides) bedarf es nicht. Der Abschiebungsandrohung, die allein auf der Ausweisung beruht, kommt im vorliegenden Fall kostenmäßig keine eigenständige Bedeutung zu. Es entspricht daher billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO, hier in Anwendung des Rechtsgedankens des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO von einer gesonderten Kostenregelung hinsichtlich der Abschiebungsandrohung abzusehen.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. November 2012 - VG 5 K 23/11.A - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Cottbus zurückverwiesen.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2013 - OVG 3 N 5.13 - wird damit gegenstandslos.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,- € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG zugunsten einer afghanischen Familie.

2

1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Der 1981 geborene Beschwerdeführer zu 1. und die 1987 geborene Beschwerdeführerin zu 2. reisten im Jahr 2009 in das Bundesgebiet ein, die im März 2011 geborene Beschwerdeführerin zu 3. ist ihr gemeinsames Kind. Die Asylanträge der miteinander verheirateten Beschwerdeführer zu 1. und 2. wurden als unbegründet abgelehnt.

3

2. Mit ihren hiergegen gerichteten Klagen machten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. geltend, in Kandahar von den Taliban mit dem Tode bedroht worden zu sein. Weder in ihrer Heimatregion Kandahar noch in einer sonstigen Provinz Afghanistans könne derzeit eine Familie mit Kleinkind ihre Existenz sichern, wenn sie nicht durch einen Familienverband abgesichert und aufgefangen werde. Auch litten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. an Erkrankungen, die in Deutschland behandelt werden müssten.

4

3. Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klagen durch Urteil vom 6. November 2012 zurück. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. hätten keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Beschwerdeführer zu 1. könne hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung durch die Taliban auf Kabul als inländische Fluchtalternative verwiesen werden. Von ihm könne vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul aufhalte, da davon auszugehen sei, dass er dort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde und insbesondere das Existenzminimum gesichert sei. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige bestehe auch ohne familiären Rückhalt die Möglichkeit, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Der Beschwerdeführer zu 1. gehöre zu dieser Personengruppe, da er sich um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. nicht kümmern müsse. Diese könnten in die Heimatregion Kandahar zurückkehren, da ihnen dort keine Verfolgung oder sonst zu berücksichtigende Gefahr drohe. Denn die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. verfügten in Kandahar über familiären Rückhalt, der insoweit an die Stelle des Beschwerdeführers zu 1. treten könne. Es sei auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die vorgetragenen Erkrankungen der Beschwerdeführer zu 1. und 2. im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund zielstaatsbezogener Umstände wesentlich verschlimmern würden.

5

4. Im Berufungszulassungsverfahren rügten die Beschwerdeführer zu 1. und 2., das Verwaltungsgericht habe gegen den in Art. 23 der so genannten Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG) niedergelegten Grundsatz der Wahrung des Familienverbandes verstoßen, indem es den Beschwerdeführern zumute, dauerhaft voneinander getrennt in Kabul und Kandahar leben zu müssen. Auch habe das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es unterstellt habe, die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. könnten ohne Probleme nach Kandahar zurückkehren und würden dort von den Eltern der Beschwerdeführerin zu 2. aufgenommen. Weder habe das Verwaltungsgericht entsprechende Fragen an die Beschwerdeführer gerichtet, noch hätten diese von sich aus darauf eingehen müssen, da die vom Verwaltungsgericht im Urteil zugrundegelegte Trennung der Beschwerdeführer überraschend gewesen sei. Auch die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankungen verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.

6

5. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Dass das Verwaltungsgericht Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie nicht berücksichtigt habe, weise höchstens auf eine materiell unrichtige Entscheidung hin, lasse jedoch nicht erkennen, warum die Vorschrift bei der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot für eine Familie mit Kleinkind über den Einzelfall hinaus bedeutsam sei und ihre Reichweite im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfe. Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht werde vom Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG nicht erfasst. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführer könnten sich trennen, sei keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass die Ablehnung der erstinstanzlich gestellten Beweisanträge nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.

7

6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG geltend, weil das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung überspannt habe. Es stelle sowohl im Hinblick auf Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie als auch hinsichtlich Art. 6 GG und Art. 8 EMRK eine abstrakte Frage dar, ob eine aufenthaltsbeendende Entscheidung in Kauf nehmen dürfe, dass eine Familie dauerhaft getrennt leben müsse. Das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, indem es in seinem Urteil von der Zumutbarkeit einer Trennung der Beschwerdeführer ausgegangen sei, ohne vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen. Dadurch hätten die Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt, eingehender zu ihrer familiären Situation vorzutragen und gegebenenfalls Beweisanträge zu einzelnen Fragen des Überlebens alleinstehender Frauen in Kandahar zu stellen. Mit ihren Entscheidungen verstießen die Gerichte schließlich gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Bei einer Abschiebung, die eine dauerhafte Trennung der Beschwerdeführer zur Folge habe, hätte eine Abwägung mit ihren familiären Belangen stattfinden müssen. Daran fehle es.

8

7. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

10

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, obwohl sie nicht innerhalb der in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelten Monatsfrist eingelegt und begründet worden ist. Den Beschwerdeführern war insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu gewähren. Sie haben innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG glaubhaft gemacht, dass sie das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben haben, dass es bei normalem Verlauf der Dinge das Bundesverfassungsgericht fristgerecht hätte erreichen können. Die Verzögerung der Briefbeförderung durch die Deutsche Post AG darf den Beschwerdeführern nicht als Verschulden zugerechnet werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 -, NJW 2003, S. 1516).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.

12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81 <93>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Be-schluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 <173>; BVerfGK 2, 190 <194>), auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67 <68>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

13

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

14

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfGK 14, 458 <465>).

15

b) Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Bei der nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu erstellenden Gefahrenprognose ist das Verwaltungsgericht von getrennten Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer in Afghanistan ausgegangen. Es hat den Beschwerdeführer zu 1. der Personengruppe der alleinstehenden, arbeitsfähigen Männer zugeordnet, denen Kabul als inländische Fluchtalternative offensteht, während es für die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. eine Rückkehr in die Heimatprovinz Kandahar als zumutbar erachtet hat. Obwohl das Verwaltungsgericht damit seiner Entscheidung zugrunde legt, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan ihr künftiges Leben getrennt voneinander führen müssen, fehlt in dem Urteil jede Auseinandersetzung mit den aus Art. 6 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Dies zeigt, dass sich das Verwaltungsgericht des Einflusses des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie auf die Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerwGE 90, 364 <369 f.>, zur vergleichbaren früheren Rechtslage) nicht bewusst gewesen ist.

16

c) Das angegriffene Urteil beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gegenstandslos. Seiner Aufhebung bedarf es nicht, weil von ihm insoweit keine selbstständige Beschwer ausgeht (vgl. BVerfGE 14, 320 <324>; 76, 143 <170>). Auf das Vorliegen der weiteren gerügten Verfassungsverstöße kommt es nicht an.

III.

17

Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

IV.

18

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Gründe

I

1

Der Antragsteller, ein 1980 geborener tunesischer Staatsangehöriger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Anordnung seiner Abschiebung nach Tunesien.

2

Er reiste erstmals 2003 zu Studienzwecken in das Bundesgebiet ein. Bevor er 2008 ohne Abschluss exmatrikuliert wurde, heiratete er 2005 eine deutsche Staatsangehörige. Die Ehe wurde 2009 geschieden, nachdem die Ehefrau des Antragstellers ihn mehrfach wegen häuslicher Gewalt angezeigt hatte. Im Mai 2008 schlug er seine Ehefrau, zog sie an den Haaren und würgte sie. In seiner Beschuldigtenvernehmung gab der Antragsteller an, dass seine Frau fremdgegangen sei. Da sie dafür in Deutschland nicht bestraft würde, hätte er sie bestrafen müssen. Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte ihn wegen dieser Tat im Jahr 2009 zu einer Geldstrafe. 2010 erhielt der Antragsteller eine Niederlassungserlaubnis. Im April 2013 wurde er von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet. Im Februar 2015 wurde der Antragsteller beim illegalen Grenzübertritt in Griechenland angetroffen und im Juli 2015 unter dem Namen K. Nk. als angeblicher syrischer Flüchtling in Ungarn registriert. Kurz darauf, am 13. August 2015, reiste der Antragsteller unter dem Namen K. Vd. als Flüchtling von Frankreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im August 2015 äußerte er bei der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in G. ein Asylbegehren, kam jedoch der Aufforderung nicht nach, sich zur formellen Antragstellung in die Erstaufnahmeeinrichtung nach C. zu begeben. Am 15. August 2016 wurde er mit auf den Namen K. Fk. ausgestellten Dokumenten in F. aufgrund eines Auslieferungsersuchens der tunesischen Strafverfolgungsbehörde festgenommen. Die Auslieferungshaft wurde am 24. August 2016 angeordnet. Dem Antragsteller wurde vorgeworfen, in Tunesien an der Planung und Umsetzung von terroristischen Anschlägen beteiligt gewesen zu sein (Beteiligung an dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis am 18. März 2015 sowie einem Angriff auf die tunesische Stadt Ben Guerdane). Am 4. November 2016 wurde der Antragsteller aus der Auslieferungshaft entlassen, da die tunesischen Behörden nicht fristgerecht die vollständigen und dem deutsch-tunesischen Auslieferungsvertrag entsprechenden Unterlagen übersandt hatten. Erst im April 2017 erfolgte eine weitere Konkretisierung des Auslieferungsersuchens der Tunesischen Republik. Es wurde u.a. dargelegt, dass sich der Antragsteller dem IS-Terrornetzwerk in Syrien angeschlossen habe. Nach zwischenzeitlichen Ermittlungen der deutschen Sicherheitsbehörden wurde der Antragsteller am 1. Februar 2017 im Rahmen einer Antiterrorrazzia u.a. wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Untersuchungshaft genommen (Haftbefehl des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017). Mit Bescheid vom 9. März 2017 wies die Stadt F. den Antragsteller - gestützt auf § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Ziff. 2 AufenthG - aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung nach Tunesien an. Einen hiergegen gerichteten Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 5. April 2017 ab; die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde als unzulässig verworfen. Zeitgleich mit dem Eilrechtsschutzantrag gegen die Ausweisungsverfügung stellte der Antragsteller, als er sich bereits zur Abschiebung am Flughafen befand, über seine Prozessbevollmächtigte einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 24. März 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Den hiergegen gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 5. April 2017 mit der Maßgabe ab, dass die tunesische Regierung näher benannte Zusicherungen abgibt. In einer Verbalnote vom 11. Juli 2017 versicherte das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Tunesischen Republik u.a., dass sich die tunesischen Behörden im Rahmen ihrer Verbundenheit mit den demokratischen Werten zur Wahrung der in der neuen tunesischen Verfassung festgeschriebenen Menschenrechte und Grundfreiheiten verpflichten, und betonte, dass Tunesien - auch wenn im tunesischen Strafgesetzbuch die Todesstrafe vorgesehen sei - ein Moratorium einhalte. Auf einen weiteren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hin hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die für die Abschiebung zuständige Ausländerbehörde auf der Basis der Verbalnote der tunesischen Regierung vom 11. Juli 2017 über das Vorliegen einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung zu unterrichten und dadurch die Abschiebung des Antragstellers einzuleiten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. April 2017 festgelegte Bedingung Nr. 1 (Zusicherung, dass die Todesstrafe nicht verhängt wird) durch die Verbalnote nicht erfüllt werde; Zweifel bestünden darüber hinaus, ob die Bedingung Nr. 3 (Besuchsrecht der konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland) als erfüllt angesehen werden könne.

3

Mit Verfügung vom 1. August 2017 ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport - gestützt auf § 58a AufenthG - nach vorheriger Anhörung die Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien an. Es begründete seine Entscheidung damit, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse vorlägen, wonach der Antragsteller in terroristische Aktivitäten des "Islamischen Staates" (IS) involviert sei. Im Jahre 2014 habe er die Reihen des "IS" in Syrien verlassen und sich anschließend in Deutschland aufgehalten. Während seines Aufenthalts in Deutschland sei er für den "IS" als Schleuser und Anwerber tätig gewesen. Vertrauenspersonen des Hessischen Landeskriminalamtes (HLKA) hätten ausgesagt, dass der Antragsteller und Personen seines Umfeldes terroristische Anschläge in Tunesien und in Deutschland planten. Der Antragsteller sei ein Rekrutierer und/oder Organisator für den "IS", der Personen zu einem Terroranschlag bewegen könne, und habe für die Anschlagsdurchführung nur noch auf die Rückkehr von sogenannten Jihadisten aus Syrien gewartet. Ferner sei der Antragsteller aktives Mitglied des "IS" im Bereich einer Medien- und Cybereinheit und unterstütze diese durch die Aufbereitung, Herstellung und Verbreitung unterschiedlichsten Propagandamaterials. Aufgrund des Verhaltens des Antragstellers und der sich daraus ergebenden besonderen Gefährdungslage für die Bundesrepublik Deutschland überwiege bei der Ermessensentscheidung das Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Antragstellers. Aufgrund der umfassenden Zusicherungen in der Verbalnote des Außenministeriums der Republik Tunesien vom 11. Juli 2017 bestehe nicht die Gefahr einer EMRK-widrigen Behandlung des Antragstellers im Falle seiner Abschiebung, so dass das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu verneinen sei. Die Abschiebung sei auch nicht schon deshalb unzulässig, weil dem Antragsteller in Tunesien die Todesstrafe drohe. Tunesien habe zugesichert, ein Todesstrafenmoratorium zu beachten. Nach § 8 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) dürfe eine Auslieferung wie auch eine Abschiebung erfolgen, wenn der Aufnahmestaat zusichert, dass die Todesstrafe im konkreten Fall nicht verhängt oder vollstreckt werde.

4

Der Bundesgerichtshof hob mit Beschluss vom 17. August 2017 den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Januar 2017 auf. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ordnete mit Beschluss vom 18. August 2017 Sicherungshaft bis einschließlich 23. Oktober 2017 an.

5

Am 5. August 2017 hat der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Er macht geltend, dass er zu keinem Zeitpunkt Anschläge im In- und Ausland geplant habe und auch nicht als Schleuser und Anwerber für den "IS" tätig gewesen sei. Die angefochtene Verfügung beruhe auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage. Soweit sich der Antragsgegner auf die Aussage eines Zeugen namens Gc. berufe, sei darauf hinzuweisen, dass er - der Antragsteller - diese Person nicht kenne und auch nie versucht habe, sich über diese Zugang zur ...bank zu verschaffen. Auch der Zeuge habe angegeben, ihn nicht zu kennen. Er habe auch nicht in einem Propagandavideo des "IS" mitgewirkt, wie in der angefochtenen Verfügung angenommen werde. Der Antragsgegner lasse außer Acht, dass der in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht zur Gesichtsmorphologie vom 16. Juni 2017 zu dem Ergebnis komme, dass es sich bei den männlichen Personen auf den betreffenden Aufnahmen nur "wahrscheinlich" um ein- und dieselbe Person handele, und daher auch eine andere Person, die dem Antragsteller ähnlich sehe, in Betracht komme. Auch das Stimmenvergleichsgutachten vom 6. Juli 2017 nehme eine nur "überwiegend bis hohe Wahrscheinlichkeit" an, dass es sich bei der Stimme auf dem Video um die Stimme des Antragstellers handele. Soweit der Antragsgegner auf das auf seinem Smartphone festgestellte Bildmaterial Bezug nehme, sei unzutreffend, dass es sich überhaupt um Propagandamaterial handele. Allein das Vorhandensein von sogenannten Apps (u.a. Telegram, WhatsApp, Facebook, Twitter, VPN-Clients, Security App) belege nicht, dass er es darauf abgesehen habe, sich im Internet anonym zu bewegen. Es sei auch unzutreffend, dass er Kontakte zur sogenannten "Sauerlandgruppe" und zu Personen, die nach Syrien oder in den Irak ausreisen wollten, gehabt habe. Zudem sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben. Aus Art. 1 und 5 des Zusatzprotokolls Nr. 13 zur EMRK ergebe sich, dass seine Abschiebung nach Tunesien nur zulässig sei, wenn sichergestellt sei, dass ihm in Tunesien nicht die Todesstrafe drohe. Gegenwärtig würden gegen ihn in Tunesien strafrechtliche Vorwürfe erhoben, die nach dem tunesischen Terrorismus- und Geldwäschebekämpfungsgesetz die Todesstrafe rechtfertigten. Es stelle keinen ausreichenden Schutz dar, dass seit 1991 in Tunesien die Todesstrafe nicht mehr vollstreckt werde. Denn Art. 1 Satz 2 des Protokolls Nr. 13 zur EMRK sehe vor, dass die Todesstrafe nicht nur nicht vollstreckt, sondern auch nicht verhängt werden dürfe. Ferner drohe ihm die konkrete Gefahr, der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Schließlich sei auch das Recht auf Durchführung eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens (Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 6 EMRK) verletzt. Denn der Generalstaatsanwalt von F. habe bei einer Pressekonferenz im Juli 2017 erklärt, dass - unabhängig von dem Begehren Tunesiens - die Staatsanwaltschaft alles tun werde, dass er - der Antragsteller - in Haft bleibe und ihm die zur Last gelegten Taten nachgewiesen werden können. Zudem habe die Haftrichterin in ihrem Beschluss vom 18. August 2017 trotz diesbezüglich fehlender Prüfungskompetenz entschieden, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen.

6

Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Entscheidung. Der Senat hat eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in Tunesien erstellt und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.

II

7

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Antragsgegners vom 1. August 2017 anzuordnen, ist zulässig (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), auch ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Der Antrag ist aber unbegründet. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Klageverfahrens in Deutschland zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung, überwiegt das öffentliche Interesse. An der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsanordnung bestehen keine ernstlichen Zweifel (1.). Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, die einer Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien entgegenstehen könnten, liegen bei Beachtung der sich aus dem Tenor ergebenden Maßgabe nicht vor (2.).

8

1. Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - juris).

9

Die Abschiebungsanordnung ist bei der hier gebotenen umfassenden Prüfung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 13) nicht zu beanstanden.

10

a) Die Verfügung ist formell rechtmäßig, insbesondere ist der Antragsteller vor Erlass der Verfügung hinreichend angehört worden. Ausweislich der Behördenakten (Bl. 913 ff.) ist der Antragsteller vor Erlass der Abschiebungsanordnung mit Schreiben des Antragsgegners vom 27. Juli 2017, der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 28. Juli 2017 zugegangen, angehört worden. Der Antragsteller rügt insoweit, dass die in dem Schreiben gesetzte Äußerungsfrist bis zum 31. Juli 2017 unangemessen kurz gewesen sei, zumal die Frist ein Wochenende umfasst habe und seiner Prozessbevollmächtigten keine vollumfängliche Akteneinsicht gewährt worden sei. Auf einen von seiner Prozessbevollmächtigten gestellten Fristverlängerungsantrag um zehn Tage sei die Stellungnahmefrist lediglich bis zum 1. August 2017 (6.00 Uhr morgens) verlängert worden. Dies habe der Anhörungspflicht nicht genügt, da seine Prozessbevollmächtigte aufgrund eines anderweitigen Gerichtstermins keine Gelegenheit gehabt habe, mit ihm die Angelegenheit zu erörtern.

11

§ 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor noch verbietet er eine solche, so dass § 28 HessVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 HessVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen (Nr. 5) oder wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1). Aufgrund der Inhaftierung des Antragstellers war eine Anhörung vorliegend ohne Gefährdung der mit der Abschiebungsanordnung verfolgten Zwecke möglich und ist mit dem Schreiben des Antragsgegners vom 27. Juli 2017 auch in hinreichender Weise erfolgt. Die Äußerungsfrist von nur wenigen Tagen ist vor dem Hintergrund der in Fällen des § 58a AufenthG vom Gesetzgeber gewollten Beschleunigung nicht als unangemessen kurz anzusehen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers war auch die Gewährung einer vollumfänglichen Akteneinsicht vor Erlass der Abschiebungsanordnung nicht geboten. Die Anhörungspflicht bezieht sich auf die "für die Entscheidung erheblichen Tatsachen" (§ 28 Abs. 1 HessVwVfG), zu denen auch die Ermittlungsergebnisse zählen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 28 Rn. 29). Die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen und Ermittlungsergebnisse sind dem Antragsteller indes mit Schreiben vom 27. Juli 2017 mitgeteilt worden. Eine Überprüfungsmöglichkeit der von der Behörde der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen anhand der vollständigen Originalakten ist nicht notwendiger Bestandteil des Anhörungsrechts vor Erlass einer Abschiebungsanordnung, sondern kann dem weiteren Rechtsschutzverfahren vorbehalten bleiben.

12

b) Die Verfügung ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsanordnung ist gegenüber der Ausweisung nach den §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr.

13

aa) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120> = juris Rn. 17). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 17).

14

Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind.

15

Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit (Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 11; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 27; Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 7; a.A. Erbslöh, NVwZ 2007, 155 <160>, wonach eine Abschiebungsanordnung nur in Fällen außergewöhnlich hoher Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, mit dem in naher Zukunft zu rechnen ist, in Betracht kommt). In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen (Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 7). Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt (s.a. Eckertz-Höfer, in: Barwig u.a. , Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 1. Aufl. 2007, S. 105 <117>). Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im "politischen/ideologischen Kampf" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat.

16

Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 18).

17

Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten (Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 14 f.; a.A. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, AuslR, § 58a AufenthG Rn. 28; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 18), bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 19).

18

Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 20, unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 112 f.). Allerdings ist in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen, dass diese Person terroristische Straftaten begeht.

19

Für diese "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen (Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 15; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 8; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 31). Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik umschlagen kann.

20

Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht.

21

Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative oder ein Beurteilungsspielraum zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG); ihr Handeln unterliegt nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle (Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 17; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 12; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 37 ff.). Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 22; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 42).

22

bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass von dem Antragsteller derzeit aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG ausgeht.

23

Angesichts der von den Sicherheitsbehörden gesammelten, umfangreichen Erkenntnisse hält es der Senat für hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Terroranschlag in Deutschland begeht. Im Rahmen einer Auswertung von Propaganda-Material des "IS" wurde durch das Bundeskriminalamt (BKA) ein Video mit dem Titel "Öffentliche Videovorführung der Verbrennung eines jordanischen Piloten durch den Islamischen Staat in der Provinz Q." aufgefunden. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Person, die sich in dem Video propagandistisch zugunsten des "IS" äußert, um den Antragsteller handelt. Das Video wurde am 8. Februar 2015 auf einem Twitter-Kanal verlinkt. Nach den Erkenntnissen des BKA (Bl. 568 BA) wurde es bereits am 7. Februar 2015 unter "archive.org" erstmalig hochgeladen. Auf dem Video ist eine Personengruppe zu sehen, die sich auf einem Fernseher die Verbrennung eines jordanischen Piloten ansieht. Hierzu werden einzelne Personen interviewt, u.a. eine Person, bei der es sich nach der Überzeugung des Senats um den Antragsteller handelt. Die Person äußert sich auf Hocharabisch wie folgt (Bl. 580 BA): "Von einem x-beliebigen Ort die Häuser der Muslime und den islamischen Staat anzugreifen ... Er hätte primär Juden und Christen bombardieren müssen, die die Ehre der Muslime verletzt haben. Sie haben Muslime getötet und vertrieben und haben dies und jenes getan ... aber subhanallah (Gott ist überall erhaben)". Im Hintergrund ist ein Schild zu sehen, auf dem die Logos diverser "IS"-Propagandastellen abgebildet sind. Der islamwissenschaftlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2017 zufolge ist davon auszugehen, dass das Video in einem vom "IS" kontrollierten Gebiet entstanden ist. Da im Video ab Minute 4:54 der Text "Medienstelle der Provinz Q." eingeblendet wird und darüber hinaus die befragten Personen im Video (mit Ausnahme des Sprechers, der hocharabisch spricht) laut Angaben des Dolmetschers (Bl. 585 ff. BA) mit einem irakischen Dialekt sprechen, geht der Senat davon aus, dass die Video-Datei in der Provinz Q. (Nordirak) aufgenommen wurde, die seit Sommer 2014 fast vollständig unter der Herrschaft des "IS" stand. Nach der islamwissenschaftlichen Stellungnahme handelt es sich eindeutig um ein Propagandavideo des "IS". Im Zuge eines gesichtsmorphologischen Lichtbildvergleichs wurde vom Kriminalwissenschaftlichen und -technischen Institut des HLKA ein Untersuchungsbericht vom 16. Juni 2017 erstellt, wonach es als "wahrscheinlich" anzusehen ist, dass es sich bei der auf dem Video zu sehenden Person um den Antragsteller handelt (Bl. 609, 616 BA). Ein Stimmenvergleichsgutachten vom 6. Juli 2017 (Bl. 641, 653 f. BA) gelangte zu dem Ergebnis, es bestehe "eine überwiegende bis hohe Wahrscheinlichkeit", dass der Sprecher auf dem Video mit dem Vergleichssprecher (= Antragsteller) identisch ist. Die Reisebewegungen des Antragstellers, soweit diese bekannt sind, sprechen ebenfalls für die Annahme, dass der Antragsteller an dem "IS"-Propagandavideo mitgewirkt hat. Denn als Aufnahmedatum ist spätestens der 7. Februar 2015 festzustellen. Da der Antragsteller am 10. Februar 2015 durch griechische Behörden in R. festgestellt wurde (Bl. 569 BA), ist eine Reise aus der irakischen Provinz Q. in das türkisch-griechische Grenzgebiet nahe R. gut möglich gewesen. Der Antragsteller bestreitet zwar pauschal, dass er an dem Video mitgewirkt habe. Er widerlegt die Darlegung des Antragsgegners indes nicht mit näheren Angaben zu seinem Aufenthaltsort während des Zeitpunkts der Aufnahme des Videos.

24

Auch die Auswertung des Mobiltelefons des Antragstellers rechtfertigt den Schluss, dass sich der Antragsteller in erheblichem Maße mit dem "IS" identifiziert und dessen Gewaltbereitschaft auch selbst verinnerlicht hat. Es wurde eine Vielzahl von Bilddateien und Nachrichtentexten des "IS" festgestellt (Bl. 504 ff., 520 ff., 754 BA), die auf offiziellen Medienportalen des "IS" ("Aamaq", "Islamicstate Wilayat Tigries", "Islamicstate Wilayat Khurasan") veröffentlicht werden. (Der "IS" bekannte sich in der Vergangenheit über derartige Medienportale zu Terroranschlägen auf der ganzen Welt.) Weiterhin wurden zahlreiche Bilddateien sichergestellt, die im Zusammenhang mit der Ermordung von Gefangenen des "IS" stehen bzw. die unmittelbare Ermordung in aller Grausamkeit darstellen. Es werden extreme Gewaltdarstellungen präsentiert, die Detailaufnahmen gerade explodierender Schädel durch Projektileinschlag sowie die Nahaufnahme eines offenen Schädels mit hervorgequollenen Augen zeigen (Bl. 510 ff., 520 f. BA). Weiterhin wurden auf dem Mobiltelefon des Antragstellers Bildcollagen sichergestellt, auf denen Attentäter des "IS" als Märtyrer verherrlicht werden. Hierunter fallen Einzel- und Gruppenbilder von zum Teil bewaffneten Personen, die sich durch das Posieren mit bzw. vor der "IS"-Flagge offen zum "IS" bekennen. In einem Fall wird ein Kleinkind mit "IS"-Stirnband gezeigt. Bei der Auswertung wurde festgestellt, dass Einzelbilder aus diesen Collagen ebenfalls auf dem Telefon gespeichert waren und dass die Collagen mittels dieser Einzelbilder hergestellt worden waren. Die Collagen waren zum Teil mit dem kreisförmigen Logo des "IS" mit arabischer Schrift ("Wir sind die Unterstützer des Islamischen Staats" oder "Begleiter der Kalifat Märtyrer") versehen. Auch sind zahlreiche Bilddateien aufgefunden worden, die mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen zusammengeschnitten wurden, mit Bildeffekten versehen waren und die im Zusammenhang mit der Gestaltung von Internetseiten stehen. Diese Bilder waren beschriftet und enthielten Informationen zu Downloadlinks und/oder Logos und Namen von Medienportalen des "IS". Ein festgestelltes Bild illustriert die Sektionen des "IS" ("Ghost Caliphate Section", "Sons Caliphate Army", "Caliphate Cyber Army", "Kalachnikv E-security team"), bei denen es sich um Einheiten des "IS" handelt, die sich auf dessen Aktivitäten im Bereich der Informationstechnologie spezialisiert haben (Bl. 508 BA). Es wurden ferner diverse Logos von Medienstellen des "IS" gefunden, u.a. "Dabiq", "Die heimliche Unterstützung der Ansar", "Baqia", die üblicherweise zur Gestaltung von Internetseiten verwendet werden und oftmals der Kennzeichnung von Texten und Veröffentlichungen in jihadistischen Kommunikationskanälen dienen. Es wurde somit eine Vielzahl (über 900) Bilddateien mit einem direkten "IS"-Bezug festgestellt.

25

Die große Anzahl an "IS"-Veröffentlichungen im Speicher des Mobiltelefons des Antragstellers und die festgestellten Logos und Internetbanner, die zum Gestalten von jihadistischen Internetseiten verwendet werden, lässt darauf schließen, dass der Antragsteller nicht nur Konsument dieser Nachrichten ist, sondern diese aus Gründen der Verbreitung und Weiterleitung auf diverse jihadistische Medienportale und -kanäle bereithielt. Zudem wurden bei der Auswertung des Mobiltelefons des Antragstellers Telegram-Chatprotokolle gesichert (Bl. 527 ff. BA), die überwiegend nicht die Kommunikation zwischen zwei Personen abbilden, sondern sich zumeist an mehrere Personen oder einen bestimmten Empfängerkreis richten (Bl. 542 BA). Hierbei wurde ermittelt, dass der Antragsteller mittels Telegram-Chat "Grundsätze des Islamischen Staats" an vier Personen übersandte und mit den Worten "Das ist unser Weg, das ist unser Glaube" kommentierte (vgl. Vermerk des HLKA vom 24. August 2017, Gerichtsakte 1 A 8.17, Bl. 423 ff.). Der Text lautet auszugsweise: "Die Kampagne zum Kampf gegen die Abtrünnigen, Recht und Tatsachen: Wiederveröffentlichung von Tatsachen Historie zur Entstehung der 'Khilafa' heute. Die Grundordnung und Prinzipien des Islamischen Staates: [...] 19 Der Islamische Staat spricht von 'Kufr' (Unglaube) in der Aktion eines Zauberers sowie die Notwendigkeit ihn zu töten und ihm keine Reue abzunehmen sobald man ihm habhaft wird ...". In einer diesbezüglichen islamwissenschaftlichen Stellungnahme vom 26. Juni 2017 wird ausgeführt, dass der Telegram-Eintrag die ideologischen Grundlagen des "IS" wiedergibt. So werde bekräftigt, dass Demokratie abgelehnt werde und alle (muslimischen) Staaten, welche für unislamische Systeme kämpfen als Ungläubige bzw. vom Islam abgefallen betrachtet werden. Die Worte des Antragstellers "Das ist unser Weg" (im Sinne von Credo/Dogma) sei als dessen Bekräftigung zu verstehen, dass er sich den geposteten "IS"-Doktrinen verpflichtet fühlt (Bl. 559 BA).

26

Auch der Umstand, dass der Antragsteller den "IS" in Form der Weiterverbreitung von "IS"-Propagandamaterial aktiv unterstützt, belegt seine hohe Identifizierung mit dem "IS" und dessen militanter, gewaltbereiter Auslegung des Islam. Zudem wurden in dem Mobiltelefon des Antragstellers verschiedene Telegram-Chatverläufe aufgefunden, die Aufrufe zu gewalttätigen Aktionen gegen sogenannte Ungläubige enthalten: "... wir kommen in Kürze zurück um die Affen und Schweine Enkel zu zertreten ... und die sündigen Al Suloulyeen und Aufständigen, die unsere Ehre verschmutzen" (Chatverlauf 4, Bl. 530 BA) und "Ausgabe der Al Walaa und Al Baraa Agentur: der gestrige Selbstmordanschlag in einem Restaurant im deutschen Anspach wurde durch einen Kämpfer des Islamischen Staates, auf Anordnung des Sheiks Al Adnani ausgeführt, der auf die Verbündeten der Kreuzzügler, die den Islamischen Staat bekämpfen zielte." (Chatverlauf 5, Bl. 530 BA; Al Adnani war ranghohes Gründungsmitglied des "IS". Er galt als Chef des "IS"-Geheimdienstes, Sprecher und Leiter der Propaganda. Bis zu seinem Tod im August 2016 galt er als Anwärter auf die Nachfolge des Anführers des "IS" al-Baghdadi.), ferner: "Im Namen des barmherzigen Gottes: Wir veröffentlichen ein paar Pläne über das gesegnete Attentat in Belgien. Vergesst eure Beteiligung bzw. Unterstützung gegen die Ungläubigen nicht" (Chatverlauf 21, Bl. 538 BA), "Mit Erlaubnis Gottes wird die nächste Aktion stärker sein als sonst" (Chatverlauf 22, Bl. 538 BA).

27

Auf dem Mobiltelefon des Antragstellers wurden u.a. eine Vielzahl von Anonymisierungs-Applikationen (Apps) festgestellt, die weit über das normale Maß hinausgehen und die es ermöglichen, sich anonym im Internet zu bewegen und Datenströme zu codieren bzw. zu anonymisieren. Es handelt sich um Programme wie VPN-Clients, IMEI-Changer, Security-Apps zum Fernlöschen des Gerätespeichers und Programme, um öffentliche WLAN-Netzwerke zu finden und von diesen aus anonymisierte Dateien zu versenden (Bl. 319, 525 ff. BA). Außerdem wurde ein IMEI-Changer festgestellt, der es ermöglicht, die IMEI eines Mobiltelefons zu ändern. Die Vielzahl dieser Art Apps lässt darauf schließen, dass es dem Antragsteller darum ging, sich mit maximaler Anonymität im Internet zu bewegen und seine Aktivitäten für den "IS" zu verschleiern.

28

Das von den Sicherheitsbehörden festgestellte und mit großem Aufwand betriebene, ausgeprägt konspirative Verhalten des Antragstellers ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Antragsteller zielgerichtet seine radikal-islamische Betätigung für den "IS" verschleiern wollte. Nach den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden verhielten sich der Antragsteller und seine Kontaktpersonen deutlich professioneller und konspirativer als der Großteil der der islamistischen Szene angehörenden Personen. Innerhalb der radikal-islamischen Gruppe, der der Antragsteller angehört, wurden die Identitäten und Personalpapiere getauscht. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass der sich bei seiner Festnahme am 15. August 2016 nicht mit den Papieren des K. Fk. ausgewiesen habe, sondern dessen Führerschein lediglich mit sich geführt habe, weil er in dessen Auftrag den Briefkasten geleert und den Führerschein dort gefunden habe, ist dies nicht glaubwürdig. Abgesehen davon, dass bereits nicht dargelegt wurde, wie und warum der Führerschein in den Briefkasten gelangt sein soll, haben die Ermittlungsbehörden festgestellt, dass der Antragsteller auch bei seiner Festnahme im Februar 2017 die Dokumente des K. Fk. mit sich führte. Darüber hinaus ergaben Kontrollen, dass der Pass des Antragstellers von anderen Personen genutzt wurde, um sich auszuweisen (vgl. Vermerk des HLKA vom 24. August 2017, Gerichtsakte 1 A 8.17, Bl. 423, 426). Auch verfügte der Antragsteller nicht über einen festen Wohnsitz und wechselte die Übernachtungsmöglichkeiten sowie die von ihm genutzten Kraftfahrzeuge und Mobiltelefone (vgl. Bl. 197, 812, 821 BA). Während der Observierung versuchte er die eingesetzten Polizeikräfte abzuschütteln. Der Antragsteller war sich offenbar der polizeilichen Observation bewusst und äußerte in einem Telefonat im November 2016, dass man bei ihm keine Beweise finden konnte und er "sauber" sei (Bl. 358 BA). Auch wurde in dem Gespräch darauf verwiesen, dass man sich besser über den Messengerdienst WhatsApp unterhalten solle (Bl. 359 BA). Der Antragsteller war nach eigenen Angaben nie erwerbstätig, sicherte seinen Lebensunterhalt aber auch nicht mit Hilfe von Sozialleistungen. Telekommunikation betrieb er über mehrere Mobiltelefone, zum Teil mit unterschiedlichen SIM-Karten, die auf andere Personen registriert waren (Bl. 41 f. BA). Dabei benutzte er eine Vielzahl von Verschlüsselungs- und Anonymisierungsprogrammen, um sowohl den Inhalt der Gespräche als auch seinen Standort zu verschleiern.

29

Insbesondere nach seiner Entlassung aus der Auslieferungshaft am 4. November 2016 unterhielt der Antragsteller umfangreiche Kontakte zu einer Vielzahl von Personen, die der islamistischen Szene zuzurechnen sind (vgl. Bl. 188 ff. BA). Hierbei wurde festgestellt, dass Mitglieder der islamistischen Gruppe von dem Antragsteller Weisungen entgegennahmen (Bl. 662 BA). So hat zum Beispiel D. Db. auf die telefonische Weisung des Antragstellers einen Internetanschluss in seiner Wohnung einrichten lassen (Bl. 367 f. BA). Nach den Feststellungen des Hessischen Landeskriminalamts (HLKA) unterstützt sich dieser Personenkreis gegenseitig in Form wechselnder Nutzung von Identitäten, Fahrzeugen und Übernachtungsmöglichkeiten (Bl. 189 BA). Auch bereits vor seiner Ausreise aus Deutschland unterhielt der Antragsteller Kontakte zu Personen aus der islamistischen Szene, u.a. auch zu Personen, gegen die wegen staatsschutzgefährdender Aktivitäten strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchgeführt wurden. So gehörte er einer Fußballgruppe an, die durch D. Wr. geleitet wurde (Bl. 331 ff. BA), der im Verdacht stand, die Teilnehmer mit islamistischem Gedankengut zu indoktrinieren. Ein anderer Teilnehmer dieser Gruppe, W. Wh., reiste im Mai 2013 nach Syrien bzw. in den Irak aus und schloss sich dem "IS" an. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden kam er dort bei einem Selbstmordattentat im Auftrag des "IS" ums Leben (Bl. 333 BA). Auch wurde im Rahmen der Auswertung des Mobiltelefons des Antragstellers nach seiner Festnahme am 15. August 2016 eine türkische Rufnummer festgestellt, die nach den Feststellungen des HLKA (Bl. 304 f. BA) Schleusern zuzurechnen ist, die Personen, welche sich dem "IS" anschließen wollen, über die Türkei nach Syrien ins Kampfgebiet bringen. Eine weitere enge Kontaktperson des Antragstellers ist W. Gm. Anlässlich einer Verkehrskontrolle im August 2011 gab W. Gm. an, nach der Scharia zu leben und zuvor eine Veranstaltung von S. Yr. in F. besucht zu haben (Bl. 336 BA). Von einer weiteren engen Kontaktperson des Antragstellers, N. Cj., ist bekannt, dass dieser wiederum zu D. Ur. Kontakt hatte (Bl. 339 BA) (, der im Zusammenhang mit der zwischenzeitlich verbotenen Vereinigung DawaFFM steht). Nach seiner Haftentlassung am 4. November 2016 übernachtete der Antragsteller bei P. Nr. Nach polizeilichen Erkenntnissen (Bl. 364 f. BA) erwarb dieser am 14. Dezember 2016 eine Slush-Eis-Maschine sowie verschiedene Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs (u.a. Haarblondierungsmittel, Poolreiniger, Schimmel- und Nagellackentferner), die für die Herstellung von Sprengstoff z.B. TATP Verwendung finden können (TATP fand man auch bei dem getöteten Imam H. Vd., der der geistige Anstifter der Attentäter von Barcelona war. Der Sprengstoff wurde in der Vergangenheit vom "IS" häufig verwendet; die sogenannten Jihadisten nennen ihn "Mutter des Satans", vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. August 2017 S. 3). Nach den polizeilichen Erkenntnissen besuchte der Antragsteller nach seiner Haftentlassung häufig die ...-Moschee in F. Am 10. Dezember 2016 verließ er die Moschee gemeinsam mit L. Pd., der über umfangreiche Kontakte in die salafistische Szene des Rhein-Main-Gebiets verfügt und gegen den wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB ermittelt worden war (Bl. 361 f. BA).

30

Dass der Antragsteller in terroristische Aktivitäten des "IS" involviert ist, wird ferner durch die Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz bestätigt, wonach der Antragsteller im Jahr 2014 die Reihen des "IS" in Syrien in Richtung Deutschland verließ und hier für den "IS" als Schleuser und Rekrutierer tätig war (Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 22. August 2016, Bl. 392 BA). In dem Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz werden ferner acht Personen (überwiegend tunesischer Herkunft) als Kontaktpersonen des Antragstellers benannt. Nach der Festnahme des Antragstellers am 15. August 2016 und sich anschließenden Ermittlungen der Sicherheitsbehörden wurde festgestellt, dass die Kontaktpersonen des Antragstellers überwiegend mit den in dem Behördenzeugnis genannten Kontaktpersonen übereinstimmen. Die Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz werden wiederum durch Aussagen von Vertrauenspersonen der Polizei bestätigt, wonach der Antragsteller und seine Kontaktpersonen Anschläge in Tunesien planen. Der Antragsteller hätte Kontakt zu Personen in Tunesien, die dem "IS" angehörten. Auch in Deutschland plane der Antragsteller einen Anschlag. Hierfür solle der Antragsteller auf die Rückkehr von sogenannten Jihadisten aus Syrien, die sich an dem Anschlag beteiligen sollen, gewartet haben. Ein genaues Anschlagsziel sei ihr - der Vertrauensperson - nicht bekannt; es sei aber auffällig oft über Themen im Zusammenhang mit einem Weihnachtsmarkt gesprochen worden (Vernehmung der Vertrauensperson vom 10. Oktober 2016, Bl. 394 f. BA). Die Vertrauensperson der Polizei hat ferner angegeben, ihr sei bekannt, dass der Antragsteller schon lange Islamist sei und er dem "IS" schon Personen in Tunesien verraten habe, als diese Urlaub in ihrer Heimat machten. Er halte den Antragsteller für gefährlich, weshalb er seine Identität nicht preisgeben könne. Der Antragsteller kenne auch Herrn Nl. gut (P. Nl. wurde im Mai 2017 durch das Landgericht Frankfurt am Main zu drei Jahren Haft wegen Beteiligung am sogenannten Dschihad verurteilt).

31

Die Aussagen der Vertrauenspersonen wiederum werden bestätigt durch die Bekundungen des K. Fk. Dieser hat am 1. Februar 2017 (Bl. 486 f. BA) in einer Beschuldigtenvernehmung angegeben, dass er in der ...-Moschee in F. von anderen Personen erfahren habe, dass der Antragsteller "in Machenschaften des 'IS' in Tunesien verwickelt sei". Er wisse auch von dem Antragsteller persönlich, dass er Beziehungen zum "IS" habe. Er habe gehört, dass auch der Imam der ...-Moschee die angebliche Mitgliedschaft des Antragstellers im "IS" nicht gutgeheißen habe. Der Zeuge Nd. gab in seiner Vernehmung vom 31. Januar 2017 (Bl. 497 f. BA) an, dass der Antragsteller mehrfach bei ihm übernachtet habe und ihm aufgefallen sei, dass er sich sehr "komisch" verhalten und auf der Straße immer wieder nach hinten geschaut habe. Am letzten Tag, als der Antragsteller bei ihm übernachtet habe, habe dieser ihn aufgefordert, noch eine Runde mit dem Auto um den Block zu fahren, bevor er seine Wohnung betrete. Auch im Übrigen hätten sich der Antragsteller und seine Kontaktleute sehr konspirativ verhalten. Eine Person namens N. habe ihm geraten, sich von der Gruppe des Antragstellers fernzuhalten, da sie "ihm nur Probleme und Kopfschmerzen" bereiten würde. Wenn es wahr sei, was man über den Antragsteller erzähle, dann sei er für ihn ein Tier; er schäme sich, ihn kennengelernt zu haben. Auch wenn dieser Zeuge nicht direkt die Beziehung des Antragstellers zum "IS" bestätigt hat, so ergeben sich nach seiner Aussage doch Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller unmittelbar in Aktivitäten des "IS" verwickelt ist.

32

Die Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz, wonach der Antragsteller in Deutschland für den "IS" als Schleuser und Rekrutierer tätig war (Bl. 392 BA), werden durch weitere Ermittlungen der Sicherheitsbehörden untermauert. Im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmen wurde bei einer Kontaktperson des Antragstellers, W. Gm., ein Laptop aufgefunden, der von mehreren Personen genutzt wurde. Bei den registrierten Skype-Accounts auf diesem Laptop namens "X" und "Y" wurde festgestellt, dass diese dem Antragsteller zuzuordnen sind (Bl. 684 ff., 720 BA). Die Auswertung der gespeicherten Chatprotokolle (Bl. 684 ff., 704, 709, 712, 714 ff. BA) belegt, dass der Antragsteller maßgeblich an der Planung und Organisation illegaler Einschleusungen von Personen aus dem nichteuropäischen Ausland in die Europäische Union und einer damit verbundenen Beschaffung und Erstellung gefälschter Dokumente beteiligt war. Mit einem namentlich nicht bekannten Gesprächspartner ("Z") erörterte er 2016 u.a., wie Iraker oder Syrer auf dem Landweg (über die Ukraine, Ungarn und Serbien) in die Europäische Union eingeschleust werden können. Der Gesprächspartner des Antragstellers gab zu erkennen, dass er gefälschte Personaldokumente (z.B. französische, italienische, auch biometrische Ausweise) besorgen könne (Bl. 709 BA). Auch die auf dem Laptop festgestellten eingescannten Reisepässe und Ausweisdokumente belegen diese Schleusertätigkeit.

33

Bei der Observierung des Antragstellers und der Telekommunikationsüberwachung wurde festgestellt, dass der Antragsteller über umfangreiche Kontakte in die islamistische Szene verfügt. Nach den Ermittlungen des BKA (Bl. 858, 865 BA) wurden unter den bei dem Antragsteller gefundenen Rufnummern auch diejenige des Q. Kd. festgestellt, zu dem die belgischen Behörden im August 2016 mitgeteilt hatten, dass er wegen Verdachts der Beteiligung an den Anschlägen in Paris festgenommen worden sei. Auch der als Drahtzieher der Paris-Attentate bekannte Z. Vx. konnte als Kontaktperson des Antragstellers festgestellt werden. Ferner hatte der Antragsteller Kontakt zu Personen, die nach Syrien bzw. in den Irak ausgereist sind und sich dem "IS" angeschlossen haben (Bl. 866 BA). Dies belegt auch die Aussage der polizeilichen Vertrauensperson vom 13. Oktober 2016 (Bl. 397 BA), wonach der Antragsteller P. Nl. gut kannte, der 2017 wegen Beteiligung am sogenannten Jihad verurteilt wurde. Soweit der Antragsteller behauptet, P. Nl. nicht zu kennen, ist dies vor dem Hintergrund der vom Antragsteller nicht substantiiert bestrittenen Szeneeinbindung und der nachgewiesenen Verbindung zu Personen, die nach Syrien und in den Irak reisten, um an sogenannten jihadistischen Kampfhandlungen teilzunehmen oder dort Selbstmordanschläge zu begehen, als Schutzbehauptung anzusehen. Soweit der Antragsteller hinsichtlich W. Wh., der bei einem Selbstmordattentat im Auftrag des "IS" ums Leben kam, rügt, dass der Antragsgegner nicht dargelegt habe, in welcher Beziehung dieser zum Antragsteller stehe, ergibt sich aus den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden, dass W. Wh. und der Antragsteller einer Fußballgruppe angehörten, die von Angehörigen der islamistischen Szene besucht wurde.

34

Aufgrund der Erkenntnisse der Verfassungsschutz- und Sicherheitsbehörden und der von den tunesischen Behörden mitgeteilten Erkenntnisse hält es der Senat für hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Terroranschlag in Deutschland begeht. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation kann sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen.

35

Nach den vorliegenden Erkenntnissen hat der Antragsteller in den Reihen des "IS" gekämpft. Personen, die in den Gebieten des "IS" Kampferfahrung erworben haben, weisen einerseits ein hohes Gefährdungspotenzial auf, da sie Erfahrung im Umgang mit Waffen sowie Spreng- und Brandvorrichtungen, eine (para)militärische Ausbildung erlangt haben und sich weiter radikalisiert haben können. Andererseits erhöht die Kampferfahrung im sogenannten Jihadgebiet das Ansehen in der islamistischen Szene, wodurch nach Rückkehr in die Europäische Union eine zielgerichtete Indoktrinierung und Rekrutierung weiterer Personen stattfinden kann (vgl. HLKA, Bericht vom 20. Januar 2017, Bl. 858, 866 f. BA). Auch die durch das BKA mittels des wissenschaftlichen Risikobewertungsinstruments RADAR ITE vorgenommene Analyse ergab für den Antragsteller "ein hohes Risiko für die Durchführung eines Anschlags" (Bl. 867 BA). Es besteht die konkrete Gefahr, dass der Antragsteller über die Unterstützung der Ziele des "IS" und die Tätigkeit als Rekrutierer und Schleuser hinaus selbst terroristische Handlungen begehen könnte.

36

Zudem bestreitet der Antragsteller nicht, Angehöriger des "IS" zu sein, mit dessen Märtyrer-Ideologie zu sympathisieren und den "IS" zu unterstützen. Vielmehr trägt er lediglich vor, dass der Nachweis hierfür nicht erbracht sei. Hiervon ist indes aufgrund der vorliegenden, umfangreichen Erkenntnisse auszugehen. Nach den Angaben der tunesischen Behörden und den von diesen vorgelegten Erkenntnissen hat sich der Antragsteller in Syrien dem "IS"-Terrornetzwerk angeschlossen und plant die Ausübung von Anschlägen in Tunesien. Dies wird durch die Erkenntnisse der Verfassungsschutz- und Sicherheitsbehörden bestätigt, wonach der Antragsteller in terroristische Aktivitäten des "IS" involviert ist und Anschläge sowohl in Tunesien als auch in Deutschland plant sowie als Rekrutierer und Organisator für den "IS" tätig ist. Ferner ergibt sich auch aus Zeugenaussagen, dass der Antragsteller eine bedeutsame Funktion bei der Terrormiliz "IS" innehat. Dass sich der Antragsteller mit den Zielen des "IS" in hohem Maße identifiziert, für dessen Ziele einsetzt und diese für sich verpflichtend ansieht sowie eine militante, gewaltbereite Auslegung des Islam und den sogenannten Jihad befürwortet, ergibt sich insbesondere daraus, dass der Antragsteller im Besitz eines Textes mit dem Titel "Die Grundordnung und Prinzipien des Islamischen Staates" war, der einer islamwissenschaftlichen Stellungnahme zufolge die ideologischen Grundlagen des "IS" dokumentiert. Dadurch, dass der Antragsteller diese mit den Worten "Das ist unser Weg, das ist unser Glaube" bestätigte, brachte er zum Ausdruck, dass er sich den "IS"-Doktrinen verpflichtet fühlt und sie für sich als Dogma anerkennt. Die hohe Identifikation mit der menschenverachtenden Ideologie des "IS" kommt ferner auch darin zum Ausdruck, dass er diese "Grundsätze des Islamischen Staates" an weitere Personen postete und hierdurch versuchte, weitere Personen zu radikalisieren bzw. diese in ihrer radikal-islamischen Einstellung zu verfestigen. Anzeichen für die Gewaltbereitschaft des Antragstellers sind auch die bei ihm sichergestellten Bilddateien mit grausamen und menschenverachtenden Tötungsszenen. Zudem wurde eine Vielzahl von Bilddateien mit direktem "IS"-Bezug festgestellt.

37

Aus dem sichergestellten Bildmaterial ergeben sich darüber hinaus Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller Bildcollagen zur Anfertigung von "IS"-Propagandamaterial verwendete, dieses weiterverbreitete und somit in die medialen Aktivitäten des "IS" einbezogen war. Darauf deutet auch die Sicherstellung eines Bildes hin, das die Einheiten des "IS" illustriert, die sich auf die Aktivitäten des "IS" im Bereich der Informationstechnologie spezialisiert haben. Auch wurden Logos von Medienstellen des "IS" aufgefunden, die zur Gestaltung von jihadistischen Internetseiten verwendet werden. Die Annahme, dass der Antragsteller in "IS"-Aktivitäten verstrickt ist, wird ferner durch das ausgeprägt konspirative, mit quasi-professionellem Aufwand betriebene Verhalten des Antragstellers bestätigt. Die Vielzahl der festgestellten Verschlüsselungs- und Anonymisierungsprogramme belegt, dass der Antragsteller bei seinen Internetaktivitäten eine größtmögliche Verschleierung und Anonymisierung angestrebt hat. Das ferner bei den Observierungsmaßnahmen festgestellte konspirative Verhalten des Antragstellers und der Umstand, dass er mehrfach seine Identitäten, Wohnungen, Kraftfahrzeuge und Rufnummern wechselte, ist ebenfalls ein starkes Indiz für die Verstrickung des Antragstellers in "IS"-Aktivitäten. Außerdem unterhielt der Antragsteller ausschließlich Kontakte zu Personen, die der islamistischen Szene zuzurechnen sind, wobei seine Kontakte bis zu Drahtziehern der Terroranschläge von Paris sowie Personen reichen, die nach Syrien und Irak ausreisten, um an sogenannten jihadistischen Kampfhandlungen teilzunehmen oder Selbstmordanschläge zu begehen. Die Gefährlichkeit des Antragstellers und seiner Kontaktpersonen ergibt sich ferner auch daraus, dass die Kontaktpersonen bereits Gegenstände erworben hatten, die beim Bombenbau Verwendung finden können (Slush-Eis-Maschine). Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Verfassungsschutz war der Antragsteller in Deutschland darüber hinaus als Schleuser und Rekrutierer für den "IS" tätig. Dies wird untermauert durch eine auf dem Mobiltelefon des Antragstellers sichergestellte türkische Rufnummer, die Schleusern zuzurechnen ist, die Personen über die Türkei nach Syrien ins Kampfgebiet bringen. Zudem ergab die Auswertung von Chatprotokollen, die bei einer Kontaktperson des Antragstellers namens W. Gm. aufgefunden wurden und dem Antragsteller zugeordnet werden konnten, dass der Antragsteller maßgeblich an der Planung und Organisation illegaler Einschleusung von Personen aus dem nichteuropäischen Ausland (auch aus Syrien und Irak) in die Europäische Union beteiligt war.

38

Die Gesamtschau der den Antragsteller betreffenden Erkenntnisse, seiner Persönlichkeit, seines Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren Einstellung und der Verbindung zu anderen radikal-islamischen Personen ergibt, dass der Antragsteller zur Durchsetzung seiner radikal-islamischen, der "IS"-Ideologie verhafteten Einstellung bereit ist, seiner islamistischen Überzeugung durch gewaltsame oder terroristische Methoden Ausdruck zu verleihen. Dass er grundsätzlich eine persönlichkeitsbedingte Gewaltbereitschaft zur Durchsetzung seiner Wertvorstellungen hat, wird auch dadurch belegt, dass er seine Ehefrau misshandelte und aufgrund seiner radikal-islamischen Einstellung annahm, hierzu auch berechtigt zu sein.

39

cc) Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, ist sie mit den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.

40

Insbesondere musste dem Antragsteller keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden, da von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die nationale Sicherheit ausgeht (Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG). Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner unter Ziffer II. des angegriffenen Bescheids ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet hat (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 -). Die Regelungen in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, stünde dann zwar nicht im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/EG. Denn danach bedarf ein mit einer Rückkehrentscheidung einhergehendes Einreiseverbot immer einer Einzelfallentscheidung zu seiner Dauer. Diese unionsrechtliche Vorgabe hätte im Falle ihrer Anwendbarkeit zur Folge, dass bei einer Abschiebungsanordnung allein durch eine Abschiebung ohne eine solche Einzelfallentscheidung kein Einreise- und Aufenthaltsverbot entstehen würde. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des Einreiseverbots würde indes nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da es sich hierbei um eine eigenständige und selbstständig anfechtbare Entscheidung zu den Rechtsfolgen einer vollzogenen Abschiebungsanordnung handelt. Die hiermit verbundenen Fragen des nationalen Rechts und des Unionsrechts können hier mithin offenbleiben.

41

dd) Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht ermessensfehlerhaft und genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der vom Antragsteller ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>; Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132).

42

Der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung gewürdigt, dass der Antragsteller, da seine Niederlassungserlaubnis gemäß § 51 Abs. 1 Ziff. 7 AufenthG durch seine Ausreise erloschen war, nicht über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügt und auch keiner ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgeht. Der Antragsteller verfügt ferner nicht über familiäre Bindungen zu hier lebenden Personen; die Ehe mit einer deutschen Staatangehörigen wurde bereits im Jahr 2009 geschieden. Außerdem hat der Antragsteller zwischenzeitlich eine tunesische Staatsangehörige geheiratet. Er hat keinen festen Wohnsitz und keinerlei Bindungen zur deutschen Gesellschaft. Seine sozialen Kontakte in Deutschland beschränken sich auf Personen, die ebenfalls Teil der radikal-islamischen Szene sind. Ferner ist dem Antragsteller eine Integration in die Lebensverhältnisse seines Heimatlandes zumutbar, in dem er bis zu seinem 22. Lebensjahr gelebt hat, zumal er arabisch spricht und seine Ehefrau in Tunesien lebt.

43

2. Dem Vollzug der Abschiebungsanordnung stehen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegen, sofern die sich aus dem Tenor ergebende Zusicherung erteilt wird. Das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG steht dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht entgegen. Es führt aber dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf (§ 58a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). Aus diesem Grund hat die zuständige Behörde beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG.

44

a) § 60 Abs. 1 AufenthG steht dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ebenso wenig entgegen wie der vom Antragsteller nach Bekanntgabe der Ausweisungsverfügung vom 9. März 2017 gestellte Asylantrag. Die Aufenthaltsgestattung eines Ausländers, der um Asyl nachsucht, erlischt gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5a AsylG mit der Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG. Ferner kann nach § 60 Abs. 9 AufenthG ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 AufenthG abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes abgeschoben werden. Nach § 60 Abs. 8 AufenthG findet - in Umsetzung der Ausnahme vom Refoulement-Verbot des Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention und im Einklang mit Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU - § 60 Abs. 1 AufenthG u.a. keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Hiervon ist auszugehen, wenn es - wie hier - hinreichend wahrscheinlich ist, dass von dem Ausländer eine terroristische Gefahr ausgeht.

45

b) Eine vom Antragsteller angesprochene Gefahr der Todesstrafe steht der Abschiebung hier nicht entgegen. Zwar kann die Gefahr einer Verhängung der Todesstrafe nicht ausgeschlossen werden. Die Gefahr einer Todesstrafe ist dann zu beachten, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung konkrete und ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene individuell von der Todesstrafe bedroht wird (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 - BVerwGE 78, 285 <295>). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 (S. 12, 17) ist mit dem am 7. August 2015 in Kraft getretenen Antiterrorgesetz die Todesstrafe für terroristische Straftaten in Tunesien eingeführt worden. Seit Jahresbeginn 2015 wurden gegen mehrere Dutzend Terroristen rechtskräftige Urteile, darunter auch Todesurteile verhängt. Das tunesische Antiterrorgesetz sieht indes nicht für alle Straftaten, die einen Bezug zum Terrorismus aufweisen, die Todesstrafe vor, sondern nur in besonders schweren Fällen. Dies ist vor allem bei vorsätzlichen Tötungsdelikten der Fall sowie bei anderen terroristischen Straftaten, wenn dadurch der Tod eines Menschen verursacht worden ist (vgl. u.a. Art. 14 Abs. 2 tunesisches Antiterrorgesetz, vgl. Bl. 248 BA).

46

Die tunesischen Strafverfolgungsbehörden haben das Auslieferungs- bzw. Festnahmeersuchen darauf gestützt, nach dem Antragsteller werde wegen einer Vielzahl von im Einzelnen aufgelisteten Delikten gefahndet, darunter auch Tötungsdelikte, gemeingefährliche Delikte, Gewaltdelikte, illegaler Bombenbau, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Planung von Terrorakten. Die internationale Fahndung zur Festnahme enthielt eine "Sachverhaltsfeststellung", der sich sinngemäß der Vorwurf entnehmen lässt, dass der Antragsteller in mehrere in Tunesien begangene Terrorakte verwickelt gewesen sein soll, darunter dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis, bei dem 24 Menschen getötet wurden (Bl. 204 BA). Die am 26. Mai 2016 erhobene Anklage (Bl. 225 BA) richtet sich gegen den Antragsteller und 82 weitere Personen und zählt die gegen diese erhobenen Vorwürfe lediglich wie oben dargestellt ohne personenspezifische Zuordnung auf. Zu dem Auslieferungsersuchen wurde ergänzend angegeben, der Antragsteller solle die Tunesische Republik in Richtung Syrien verlassen und sich 2013 dem "ISIS"-Terrornetz angeschlossen haben (Bl. 221 BA). Über eine Chat-App habe er Sympathisanten des Terrornetzwerks "IS" angeworben bzw. potentielle terroristische "ISIS"-Anhänger aus der Tunesischen Republik nach Syrien geschleust. In einem Schreiben vom 23. August 2016 wird lediglich mitgeteilt, gegen den Antragsteller lägen vier Haftbefehle vor, darunter zwei wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Bl. 272 BA). Der Vorwurf der Beteiligung an dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis wurde möglicherweise zwischenzeitlich fallengelassen; davon geht jedenfalls auch der Antragsteller aus (Schriftsatz vom 5. August 2017 S. 11). Auch die zuletzt ergänzten Auslieferungsunterlagen von März/April 2017 bleiben wenig konkret; dort ist von einer "Beteiligung an terroristischen Straftaten" die Rede. Einem verdeckten Ermittler sei (wohl im Jahr 2016) offenbart worden, dass sich der Antragsteller seit zwei Jahren an den syrisch-türkischen Grenzen befinde und mit Hilfe seines Neffen zehn potentielle "IS"-Anhänger über die Grenzen schleusen wolle. Neue Erkenntnisse ergeben sich insoweit möglicherweise aus Gesprächen, die Vertreter der Hessischen Generalstaatsanwaltschaft Anfang September 2017 in Tunis geführt haben und von denen im Schriftsatz des Antragsgegners vom 19. September 2017 berichtet wird. Den Inhalt des Schriftsatzes hat der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allerdings nicht verwertet, da der Antragsteller noch keine Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu beziehen. Zudem steht die Bestätigung der Gesprächsergebnisse durch die tunesischen Gesprächspartner noch aus.

47

Vor diesem Hintergrund geht der Senat - auch im Hinblick auf die nicht eindeutigen Verlautbarungen der tunesischen Behörden, die zweifelhafte Qualität der beigefügten Übersetzungen tunesischer Dokumente und den Umstand, dass bislang nur wenige Erfahrungen mit der Anwendung des tunesischen Antiterrorgesetzes vorliegen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 12) - derzeit zugunsten des Antragstellers davon aus, dass die Verhängung der Höchststrafe durch tunesische Gerichte vorliegend zumindest in Betracht kommt.

48

Allerdings wird die Todesstrafe in Tunesien de facto nicht vollstreckt. Die letzte Vollstreckung fand im Jahr 1991 statt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 17; Amnesty International Report 2016/2017 S. 4). In dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren betreffend die mit der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers verbundene Abschiebungsandrohung (VG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 5. April 2017 - 6 L 2695/17.F.A. und vom 26. Juli 2017 - 6 L 6363/17.F.A.) hat das tunesische Außenministerium in einer Verbalnote vom 11. Juli 2017 ebenfalls betont, dass Tunesien ein Moratorium einhält, auch wenn im tunesischen Strafgesetzbuch die Todesstrafe vorgesehen ist.

49

Entgegen der Auffassung des Antragstellers begründet jedoch allein der Umstand, dass gegen den Antragsteller im Zuge eines möglichen Strafverfahrens die Todesstrafe verhängt werden kann, hier kein Abschiebungsverbot. Ein solches ergibt sich nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG. Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG liegt ein Abschiebungsverbot vor, wenn die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht. Dem Antragsteller droht aufgrund des in Tunesien seit Jahren bestehenden Moratoriums nicht die Vollstreckung der Todesstrafe. Der Antragsteller erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes, auf den § 60 Abs. 2 AufenthG durch Inbezugnahme von § 4 Abs. 1 AsylG verweist. Er ist hiervon vielmehr wegen der von ihm ausgehenden terroristischen Gefahr nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG ausgeschlossen. Das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG kann daher durch § 60 Abs. 3 AufenthG ohne Verletzung des Unionsrechts begrenzt und präzisiert werden. § 60 Abs. 3 AufenthG bestimmt aber einschränkend und insoweit als lex specialis, dass bei der Entscheidung über den Abschiebungsschutz im Falle der Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung finden. Die Vorschriften über die Auslieferung finden sich im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Juli 1994 (BGBl. I S. 1537), zuletzt geändert durch Art. 11 Abs. 21 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745). Nach § 8 IRG ist die Auslieferung dann, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit der Todesstrafe bedroht ist, nur zulässig, wenn der ersuchende Staat zusichert, dass die Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt wird. Auch nach gefestigter Rechtsprechung genügt die Zusicherung, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird (vgl. OLG München, Beschluss vom 7. Dezember 2012 - OLG Ausl 14 Ausl A 1156/12 (274/12) u.a. - StV 2013, 313 = juris Rn. 18; OLG Dresden, Beschluss vom 14. Januar 2011 - OLG Ausl 179/10 - juris Rn. 21 ff.; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Band 1, Stand: Juni 2017, § 60 AufenthG Rn. 11; vgl. auch Art. 11 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 ).

50

Der etwaigen Gefahr einer möglichen Vollstreckung der Todesstrafe gegen den Antragsteller kann daher mit einer geeigneten diplomatischen Zusicherung begegnet werden, da die Gefahr einer gegen Art. 2 EMRK verstoßenden Behandlung durch eine derartige Zusicherung beseitigt werden kann (vgl. EGMR, Urteile vom 2. März 2010 - Nr. 61498/08, Al-Saadoon and Mufdhi/U.K. - Rn. 143 und vom 24. Juli 2014 - Nr. 28761/11, Al-Nashiri/Polen - NVwZ 2015, 955 Rn. 587 f.). Eine solche Zusicherung hat das Tunesische Außenministerium mit Verbalnote vom 11. Juli 2017 abgegeben. Nimmt man hinzu, dass in Tunesien nach 1991 kein Todesurteil mehr vollstreckt worden ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 17), hält der Senat die Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe gegen den Antragsteller für ausgeschlossen.

51

Vor diesem Hintergrund begründet die Gefahr einer Verhängung der Todesstrafe vorliegend auch kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach dem Wortlaut der EMRK (Art. 2 Abs. 1 Satz 2) ist die Vollstreckung eines Todesurteils nicht verboten, sofern sie "ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist". In der Vergangenheit hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) daher wiederholt entschieden, dass Art. 2 und 3 EMRK die Todesstrafe nicht allgemein verbieten. Es könne aber sein, dass Umstände im Zusammenhang mit der Todesstrafe (z.B. die Art und Weise der Verhängung oder Vollstreckung, die persönlichen Umstände der verurteilten Personen, die Haftbedingungen oder die Disproportionalität zur Schwere der Tat) den Schutzbereich des Art. 3 EMRK berühren (EGMR, Urteil vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/U.K. - EuGRZ 1989, 314 Rn. 103 f.). Im Urteil Öcalan gegen Türkei (Urteil vom 12. Mai 2005 - Nr. 46221/99 - EuGRZ 2005, 463 Rn. 165, 169, 175) hat der Gerichtshof angenommen, dass jedenfalls die Verhängung der Todesstrafe nach einem unfairen Verfahren konventionswidrig ist. Nach Inkrafttreten der Artikel 1 der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur EMRK, die die Abschaffung der Todesstrafe regeln (Satz 1) und bestimmen, dass niemand zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden darf (Satz 2), hat der Gerichtshof in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung entschieden, dass Art. 2 EMRK die Auslieferung oder Ausweisung einer Person in einen anderen Staat verbietet, wenn er dort der ernsthaften Gefahr ("real risk") ausgesetzt ist, durch die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe sein Leben zu verlieren (EGMR, Urteile vom 19. November 2009 - Nr. 41015/04, Kaboulov/Ukraine - Rn. 99 ff.; vom 2. März 2010 - Nr. 61498/08, Al-Saadoon and Mufdhi/U.K. - Rn. 115 ff., 123, 144 und vom 24. Juli 2014 - Nr. 28761/11, Al-Nashiri/Polen - NVwZ 2015, 955 Rn. 576 ff.). Mit der Unterzeichnung des Protokolls Nr. 13 zur EMRK hätten die Mitgliedstaaten des Europarats anerkannt, dass die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe grundlegende Menschenrechte negiert. In der Präambel zu Protokoll Nr. 13 zur EMRK brächten sie die Überzeugung zum Ausdruck, dass in einer demokratischen Gesellschaft das Recht jedes Menschen auf Leben einen Grundwert darstellt und die Abschaffung der Todesstrafe für den Schutz dieses Rechts und für die volle Anerkennung der allen Menschen innewohnenden Würde von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juli 2014 - Nr. 28761/11, Al-Nashiri/Polen - NVwZ 2015, 955 Rn. 577). Der Gerichtshof sieht jedoch nicht bereits in der (isolierten) Verhängung der Todesstrafe einen Verstoß gegen Art. 2 EMRK, sondern stellt darauf ab, ob die ernsthafte Gefahr einer Tötung aufgrund einer Todesstrafe ("real risk of execution") besteht (vgl. EGMR, Urteile vom 19. November 2009 - Nr. 41015/04, Kaboulov/Ukraine Rn. 103 und vom 2. März 2010 - Nr. 61498/08, Al-Saadoon and Mufdhi/U.K. - Rn. 137, 144; vgl. auch: Grabenwarter/Pabel, EMRK, 6. Aufl. 2016, § 20 Rn. 12). In diesem Sinne ist nach Auffassung des Senats auch Art. 19 Abs. 2 Grundrechte-Charta (ernsthaftes Risiko der Todesstrafe) zu verstehen, so dass sich aus dieser Vorschrift - ihre Anwendbarkeit unterstellt - kein weitergehender Abschiebungsschutz ergibt.

52

Im Hinblick auf die eingetretene Fortentwicklung des Völker- und Unionsrechts ist von einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung dann auszugehen, wenn die ernsthafte Gefahr eines Vollzugs der Todesstrafe droht. Es besteht jedenfalls kein Bedürfnis, Abschiebungsschutz zu gewähren, wenn durch geeignete zwischenstaatliche Vereinbarungen oder Zusicherungen die Vollstreckung der Todesstrafe ausgeschlossen worden ist.

53

c) Nachdem die Gefahr einer Verhängung der Todesstrafe bisher nicht ausgeschlossen werden konnte und diese vor dem Hintergrund des Moratoriums faktisch oder aufgrund der Umwandlung anlässlich von Amnestien (vgl. dazu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 17) eine lebenslange Freiheitsstrafe bedeuten kann, ferner nach bisherigem Erkenntnisstand auch die Verurteilung des Antragstellers zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe in Betracht kommt, ist indes auch von der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer lebenslangen Freiheitsstrafe auszugehen. Eine solche ist nur dann mit Art. 3 EMRK zu vereinbaren, wenn eine Möglichkeit der Überprüfung der Strafe mit der Aussicht auf Umwandlung oder Herabsetzung der Haftdauer gegeben ist (vgl. EGMR, Urteil vom 4. September 2014 - Nr. 140/10, Trabelsi/Belgien - Rn. 112 f. und vom 17. Januar 2017 - Nr. 57592/08, Hutchinson/U.K. - Rn. 42). Der Senat hat die Abschiebung daher von der Bedingung abhängig gemacht, dass eine entsprechende Zusicherung erteilt wird. Bevor auf der Grundlage einer solchen Zusicherung die Abschiebung erfolgt, ist dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen und gegebenenfalls um Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 50).

54

d) Die vom Antragsteller geltend gemachte Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Bestrafung im Falle der Abschiebung des Antragstellers (Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG) droht ihm nach den im vorliegenden Verfahren verfügbaren Erkenntnissen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.

55

Tunesien befindet sich in einem allgemeinen demokratischen Transitionsprozess, der in vielen Bereichen, unter anderem auch im Justizbereich, noch nicht abgeschlossen ist. Mit der Verabschiedung einer neuen Verfassung durch die verfassungsgebende Versammlung am 26. Januar 2014 gelang Tunesien ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer demokratischen Staatsordnung. Sie beinhaltet u.a. die Garantie universeller Menschenrechte und die Garantie der Unabhängigkeit der Justiz. Art. 23 der tunesischen Verfassung garantiert den Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit, verbietet seelische und körperliche Folter und schließt eine Verjährung des Verbrechens der Folter aus. Art. 128 der tunesischen Verfassung sieht die Gründung einer unabhängigen Instanz für Menschenrechte ("Menschenrechtskommission") mit beratender Funktion vor (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 5, 16). Mit der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe am 29. Juli 2011 hat sich Tunesien zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus (NPM) verpflichtet. Mit Gesetz vom 23. Oktober 2013 wurde eine innerstaatliche Rechtsgrundlage zur Bildung einer unabhängigen Instanz für Folterprävention (INPT) geschaffen, zu deren Aufgabe die Durchführung unangemeldeter Besuche in allen Orten des Freiheitsentzugs gehört sowie die Beratung von Exekutive und Legislative bei der Verbesserung des rechtlichen Rahmens und der Rechtswirklichkeit. Im Sommer 2016 ist eine überarbeitete Version der Strafprozessordnung in Kraft getreten, wonach der Polizeigewahrsam maximal vier Tage betragen darf. Darüber hinaus wurde das Recht des Verdächtigen auf einen Rechtsbeistand (auch schon während des Polizeigewahrsams) kodifiziert. Generell wird die neue Strafprozessordnung von Nichtregierungsorganisationen als großer Fortschritt beurteilt, wobei aber auch hier Umsetzungsdefizite bestehen, die den Verantwortlichen in Tunesien bewusst sind. Ausnahmen gelten jedoch für Beschuldigte, die unter das Antiterrorgesetz vom 7. August 2015 fallen. Sie dürfen bis zu 15 Tage in polizeiliche Untersuchungshaft genommen werden; der Zugang eines Anwalts kann dabei für 48 Stunden nach Ingewahrsamnahme auf Anordnung des Untersuchungsrichters oder eines Staatsanwalts verweigert werden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 12 f.). Bislang liegen nur wenige konkrete Erfahrungen zu der Anwendung des Antiterrorgesetzes vor. Die neu eingeführte Untersuchungsinstanz in Terrorangelegenheiten hat ihre Arbeit jedoch inzwischen aufgenommen und bemüht sich um eine umfassende Aufarbeitung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 12). Den Reformwillen stellt die tunesische Regierung auch dadurch unter Beweis, dass das tunesische Justizministerium mit zahlreichen nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen Vereinbarungen getroffen hat, die ihnen Besuche in Haftanstalten etc. ermöglichen. Seit 2005 besteht überdies eine Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die es dem IKRK ermöglicht, die Haftanstalten zu besuchen und der Regierung periodisch zu berichten. Ausweislich der Verbalnote des Tunesischen Außenministeriums vom 11. Juli 2017 hat Tunesien im Falle des Antragstellers zum Ausdruck gebracht, dass auch dem Internationalen Roten Kreuz, dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der tunesischen Menschenrechtsliga sowie der Nationalen Instanz für die Verhütung von Folter uneingeschränkter Zugang zum Antragsteller gewährt wird.

56

Amtliche Informationen oder Statistiken, die belastbare Aussagen über Menschenrechtsverletzungen (insbesondere gegenüber Terrorverdächtigen) zulassen, liegen nicht vor. Die tunesische Regierung räumt aber mit wiederholten Bekenntnissen zur Folterprävention und zum Kampf gegen die Straflosigkeit von Amtspersonen, die sich entsprechender Vergehen schuldig gemacht haben, indirekt Verfehlungen ein und verspricht eine juristische Aufarbeitung solcher Vorwürfe (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 16). Tunesische und internationale Medien sowie spezialisierte Nichtregierungsorganisationen, wie beispielsweise die "Organisation contre la Torture en Tunisie" (OCTT), berichten über Einzelfälle von rechtswidrigen Verletzungen der körperlichen oder seelischen Unversehrtheit von Personen bis ins Jahr 2016 hinein (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 16 f.). Amnesty International berichtet davon, dass einige der nach dem Anschlag auf das Bardo-Museum und dem Angriff auf die Stadt Ben Guerdane festgenommenen Verdächtigen nach eigenen Angaben gefoltert worden seien (Amnesty International Report 2016/2017 S. 2).

57

Etwaigen Gefahren kann indes auch insoweit mit einer diplomatischen Zusicherung begegnet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 43; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 48 f.). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht in solchen Zusicherungen unter bestimmten Voraussetzungen ein geeignetes Instrument zur Ausräumung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung selbst bei Staaten, in denen - anders als in Tunesien - systematisch gefoltert und misshandelt wird (EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 - Nr. 8139/09, Othman/U.K. - NVwZ 2013, 487 Rn. 188 f.).

58

Zwar trägt der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 20. August 2017 unter Berufung auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteile vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 und vom 24. Februar 2009 - Nr. 246/07, Ben Khemais/Italien -) vor, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich, dass im Falle der Abschiebung nach Tunesien Zusicherungen keinen wirksamen Schutz vor der ernsthaften Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bieten. Dies steht indes der Annahme, dass Zusicherungen durch tunesische Behörden hier eine ausreichende Garantie für den Schutz des Antragstellers vor EMRK-widrigen Behandlungen geben, nicht entgegen. Denn die vom Antragsteller genannten Urteile des Gerichtshofs sind noch auf der Grundlage der politischen Verhältnisse in Tunesien unter dem Regime des autokratisch regierenden Präsidenten Ben Ali ergangen. Gleiches gilt, soweit der Antragsteller geltend macht, der UN-Antifolter-Ausschuss habe in einer am 27. Juni 2013 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, dass diplomatische Zusicherungen kein geeignetes Mittel seien, um im Falle einer Auslieferung wirksam vor Folter in Tunesien zu schützen. Seit der Revolution im Jahr 2011 hat - wie oben dargelegt - in Tunesien indes ein umfangreicher Demokratisierungsprozess begonnen, der in vielen Bereichen bereits weit vorangeschritten ist. In der Verbalnote des tunesischen Außenministeriums vom 11. Juli 2017 wird außerdem bekräftigt, dass sich die tunesischen Behörden den demokratischen Werten und den in der neuen tunesischen Verfassung festgeschriebenen Menschenrechten und Grundfreiheiten verpflichtet fühlen. Der Gerichtshof hat in den Urteilen betreffend die Abschiebung nach Tunesien (vgl. Urteile vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330; vom 24. Februar 2009 - Nr. 246/07, Ben Khemais/Italien - Rn. 60 und vom 5. April 2011 - Nr. 25716/09, Toumi/Italien - NVwZ 2012, 1159 Rn. 54) eine Zurückhaltung der tunesischen Behörden bei der Zusammenarbeit mit unabhängigen internationalen Menschenrechtsorganisationen bemängelt und infolgedessen eine ausreichende Überprüfbarkeit der gegebenen Zusicherungen verneint. Zudem sei auch in den genannten Fällen der Zugang zum Beschwerdeführer durch Rechtsanwälte eingeschränkt gewesen. Demgegenüber wurde dem Antragsteller bereits mit Verbalnote des Tunesischen Außenministeriums vom 11. Juli 2017 zugesichert, dass er sich während der Zeit der Inhaftierung sowie während der Anhörung durch Rechtsanwälte unterstützen lassen kann und dass Anwälte freien Zugang haben. Zudem wird in der Verbalnote das Besuchsrecht durch das Internationale Rote Kreuz, den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, die tunesische Menschenrechtsliga und die Nationale Instanz für die Verhütung von Folter zugesichert.

59

e) Soweit der Antragsteller schließlich geltend macht, dass sein (aus dem Rechtsstaatsgebot in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK herzuleitendes) Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden sei, greift dieser Einwand nicht durch. Der Antragsteller rügt zum einen, dass die Amtsrichterin in ihrem Beschluss vom 18. August 2017 trotz diesbezüglich fehlender Prüfungskompetenz entschieden habe, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen. Diese beanstandete Verfahrensweise kann bereits deswegen nicht zur Fehlerhaftigkeit des vorliegenden Verfahrens führen, weil sie - die Verfahrensfehlerhaftigkeit unterstellt - nicht das vorliegende Verfahren betrifft. Zum anderen beanstandet der Antragsteller, dass der Generalstaatsanwalt von F. anlässlich einer Pressekonferenz im Juli 2017 erklärt habe, dass die Staatsanwaltschaft alles tun werde, dass der Antragsteller in Haft bleibe und ihm die zur Last gelegten Taten nachgewiesen werden können. Auch insoweit bezieht sich der gerügte Verfahrensfehler nicht auf das streitgegenständliche Verfahren. Im Übrigen sind Verfahren aus dem Kernbereich des öffentlichen Rechts, zu dem das Ausländerrecht gehört (z.B. Entscheidungen über Ausweisung und Abschiebung, wie sie hier im Streit stehen), keine "Streitigkeit in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK (vgl. EGMR, Urteile vom 5. Oktober 2000 - Nr. 39652/98, Maaouia/Frankreich - Rn. 36 bis 38; vom 12. Juli 2001 - Nr. 44759/98, Ferrazzini/Italien - Rn. 28 und vom 10. Januar 2012 - Nr. 22251/07, G.R./Niederlande - Rn. 48; vgl. auch Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 13, 22).

60

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, 3 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Da die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnimmt, war der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich vorrangig gegen seine Ausweisung aus Deutschland.

2

Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen sieben die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und zwei - beide deutsche Staatsangehörige - noch minderjährig sind, in der Bundesrepublik Deutschland. Auf seinen Asylantrag wurde er durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) in Umsetzung eines Urteils des Verwaltungsgerichts Minden mit Bescheid vom 24. Juni 1993 als Asylberechtigter anerkannt; ferner wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach dem seinerzeitigen § 51 Abs. 1 AuslG 1990 zuerkannt. Ein im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründeter Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vom 21. August 2006 wurde am 30. November 2007 durch das Verwaltungsgericht aufgehoben. Seit dem 7. Oktober 1993 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, seit dem 17. August 2007 einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG. Weder der Kläger noch dessen Ehefrau waren zu irgendeinem Zeitpunkt abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig.

3

Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium K. mit Bescheid vom 27. März 2012 den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1) und stützte sich dabei auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (a.F.). Zudem wurde der Kläger verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, sowie sein Aufenthalt auf den Bereich der Stadt M. begrenzt (Ziffer 2). Die Ausweisung sei gerechtfertigt, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger Vereinigungen unterstütze, die ihrerseits den Terrorismus unterstützten. Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung "Serxwebûn" und die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen Rechnung getragen werden. Während des Berufungsverfahrens wurde die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung mit Bescheid des Regierungspräsidiums K. vom 28. März 2013 auf fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise befristet.

4

Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Verfügung gerichtete Klage mit Urteil vom 7. August 2012 abgewiesen. In dem Berufungsverfahren hatte der Kläger zusätzlich zu seinem Anfechtungsantrag hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten begehrt, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG bezeichneten Wirkungen der Ausweisung unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums K. vom 28. März 2013 auf sofort zu befristen bzw. später geändert in "aufzuheben". Mit Beschluss vom 27. Mai 2013 hatte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung der Art. 21 und 24 der Richtlinie 2004/83/EG eingeholt, der die Vorlagefragen in seinem Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -) beantwortet hat.

5

Mit Urteil vom 2. März 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Er hat die angefochtene Ausweisungsverfügung an der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung des AufenthG gemessen und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Im Fall des Klägers liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil er in qualifizierter Weise die PKK und damit eine terroristische oder den Terrorismus unterstützende Vereinigung unterstützt habe. Eine dem Kläger vorwerfbare, herausgehobene Unterstützung der PKK ergebe sich insbesondere aus den tatrichterlichen Feststellungen des Landgerichts M., nach denen der Kläger in den Jahren 2005 und 2006 in Kenntnis des Verbots der PKK Spenden für diese gesammelt habe, um die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Dabei sei der Kläger für die Eintreibung der Spenden im Bezirk M. zuständig und unmittelbar dem Gebietsverantwortlichen der PKK unterstellt gewesen. Soweit sich der Kläger im hiesigen Verfahren darauf beschränkt habe, diese Aktivitäten sowie jegliche konkrete Verbindung zur PKK pauschal zu bestreiten, sei diese Einlassung unglaubhaft. Soweit der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung erklärt habe, dass er Gewaltanwendung nicht gutheiße, habe sich dies in seinem konkreten Tun nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil sprächen bei ihm aufgefundene Fotos, auf denen er mutmaßlich im türkisch-irakischen Grenzgebiet mit einem Schnellfeuergewehr posiere, eine andere Sprache. Auch liege es fern anzunehmen, dass dem Kläger bis in das Jahr 2011 hinein nicht bewusst gewesen sein soll, durch das Sammeln von Geldern für die PKK und durch die Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen auch deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen. Der Senat sei zu der positiven Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach wie vor ideologisch vorbehaltlos hinter der PKK stehe und seine gegenwärtige Zurückhaltung hinsichtlich seiner Aktivitäten einzig dem Ausweisungsverfahren geschuldet sei. Der hilfsweise erst im Berufungsverfahren gestellte Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG bezeichneten Wirkungen der Ausweisung aufzuheben, sei als Klageerweiterung wegen des Sachzusammenhangs zulässig, habe aber ebenfalls keinen Erfolg.

6

Die Ausweisungsverfügung werde auch dem erhöhten Ausweisungsschutz gerecht, der dem Kläger als anerkanntem Flüchtling nach § 53 Abs. 3 AufenthG zustehe. Denn es lägen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU vor, wonach ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel widerrufen werden könne. Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehe ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber. Denn er habe eine Niederlassungserlaubnis besessen, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen sei. Er lebe mit deutschen Familienangehörigen (sechs seiner Kinder) in familiärer Lebensgemeinschaft und übe sein Personensorgerecht für seine minderjährigen Kinder aus. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung überwiege jedoch das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers.

7

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt in mehrfacher Hinsicht eine Verletzung von Bundesrecht. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Ausweisung des Klägers nicht allein am Maßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG, sondern auch am Maßstab von §§ 54, 55 AufenthG gemessen. Diese Regelungen seien jedoch - der Prüfungsstruktur des neuen Rechts nach - im Anwendungsbereich von § 53 Abs. 3 AufenthG nicht einschlägig. Der Verwaltungsgerichtshof habe zudem die sich aus der Entscheidung des im Vorabentscheidungsverfahren angerufenen Gerichtshofs der Europäischen Union ergebenden Voraussetzungen für die Annahme eines zwingenden Grundes im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Anerkennungsrichtlinie verkannt. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG werde verletzt, weil der Verwaltungsgerichtshof den Unterstützungsbegriff im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union zu weit gefasst habe. Der Kläger verweist weiterhin darauf, dass Vereinigungen wie die YPG (Kurdische Volksverteidigungseinheiten), denen eine Zusammenarbeit, also eine Unterstützung, mit der als "terroristisch" "gelisteten" PKK zugeschrieben werde, logistisch, finanziell und mit Waffenlieferungen von zahlreichen westlichen Staaten, auch der Bundesrepublik Deutschland, im Kampf gegen islamistische Organisationen, deren Bekämpfung Anlass für die Resolution der Vereinten Nationen war, u.a. in Syrien unterstützt und gefördert und damit in einem Maß unterstützt würden, das weit über das ihm vorgeworfene Maß hinausgehe. Entgegen der Auffassung des Beteiligten sei er - der Kläger - auch nie in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM tätig gewesen.

8

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und tritt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Ausweisung des Klägers und die ihm auferlegte Meldepflicht und Aufenthaltsbeschränkung im Ergebnis ebenso zu Recht als rechtmäßig eingestuft wie die zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ergangene Entscheidung.

11

A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung der Ausweisung (Ziffer 1 des Bescheids) sowie der Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkung (Ziffer 2 des Bescheids); der Streit über die mit Bescheid vom 28. März 2013 nachträglich ausgesprochene Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist ebenfalls durch den hilfsweise gestellten Antrag im Wege der Klageerweiterung im Berufungsverfahren und anschließend im Revisionsverfahren angefallen.

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) zugrunde zu legen, zuletzt geändert durch das am 22. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2429).

13

B. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Weil der Kläger anerkannter Flüchtling ist, findet sie ihre - mit Assoziationsrecht vereinbare (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 60 ff.) - Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG. Es liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vor (1.), das auch den erhöhten Anforderungen des § 53 Abs. 3 AufenthG genügt (2.) und bei der gebotenen Abwägung mit den entgegenstehenden, ebenfalls besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen überwiegt (3.).

14

1. Der Kläger erfüllt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse.

15

1.1 Die Maßstäbe, die der rechtlichen Beurteilung der hier streitgegenständlichen Ausweisung zugrunde zu legen sind, hat der Senat in seinem - den Beteiligten bekannten - Urteil vom 22. Februar 2017 (- 1 C 3.16 - juris Rn. 20 ff.) geklärt. Nach dem Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch die weiteren Ausweisungsvorschriften mehrfache Konkretisierungen. So wird einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen durch den Gesetzgeber in den §§ 54, 55 AufenthG von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als entweder "besonders schwerwiegend" (Absatz 1) oder als "schwerwiegend" (Absatz 2). Bei der Abwägung sind schließlich gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

16

1.2 Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat nach neuerlicher Prüfung festhält, hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG festgestellt. Ein solches liegt dann vor, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wobei hiervon u.a. dann auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er (jedenfalls) eine solche Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, er nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand. Dabei richtet sich die Auslegung des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung nach den vom Bundesverwaltungsgericht zu § 54 Nr. 5 AufenthG entwickelten Maßstäben. Insbesondere gilt weiterhin jedenfalls für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch Vorfeldmaßnahmen erfasst und keine von der Person des Unterstützers ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert (s. dazu BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 28 ff., 34). Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die PKK als terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung qualifiziert (UA S. 12 ff.; s.a. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 37), die Handlungen des Klägers als relevante Unterstützungshandlungen gewertet (1.2.1) und ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat (1.2.2).

17

1.2.1 Das Berufungsgericht hat für die Beurteilung der rechtserheblichen individuellen Unterstützungshandlungen zutreffend auf die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäbe zu § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung abgestellt (UA S. 18), die unverändert fortgelten (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 40). Keine abweichende Beurteilung ergibt sich aus dem Einwand des Klägers, die PKK nicht unmittelbar unterstützt zu haben, sondern sich in legalen Vereinigungen betätigt zu haben, die ihrerseits die PKK im Wissen um deren Charakter gewollt und gezielt unterstützen. Denn es stellt keine verminderte Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus dar, wenn die Unterstützung terroristischer Vereinigungen nicht durch isolierte Einzelhandlungen, sondern in Vereinigung mit anderen erfolgt. Hierin liegt auch kein Fehlen der Unmittelbarkeit der Unterstützungshandlungen.

18

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht sodann nach Auswertung der ihm vorliegenden umfangreichen Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden festgestellt, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt hat (UA S. 19 ff.). So habe der Kläger in den Jahren 2005 und 2006 in Kenntnis des Verbots der PKK Spenden für diese gesammelt, um die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Zu den Aktivitäten des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem folgende tatsächliche Feststellungen getroffen, deren berufungsgerichtlicher Bewertung dieser zwar im Revisionsverfahren entgegen getreten ist, die er aber nicht mit (beachtlichen) Revisionsrügen angegriffen hat.

19

Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 mit einem Betätigungsverbot belegte PKK und ERNK bzw. für deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen aktiv. 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "A." gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren hatte der Kläger selbst angegeben, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der sogenannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum B. nach M. im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdullah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, sogenannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen". Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem Sohn eine weitere Reise in den Irak. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10. Januar 2007 wegen des Verdachts eines durch Betätigung für die PKK begangenen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1 000 € sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in vier Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 € pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, vier Hefte der der PKK zugehörigen Zeitschrift "Serxwebûn", Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers - mit einem Schnellfeuergewehr posierend, neben weiteren bewaffneten Personen - welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalen Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch Öcalans. Bei der Durchsuchung wurde in der Wohnung des Klägers ein PKK-Funktionär angetroffen. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts K. vom 3. Dezember 2008 - 5 Kls 500 Js 58139/06 - wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 8. April 2009 rechtskräftig.

20

Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die Bewertung und Gewichtung der individuell dem Kläger zuzurechnenden Handlungen und Aktivitäten zur Unterstützung der PKK nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat dabei nicht verkannt, dass der Kläger verschiedene Handlungen und Aktivitäten bestritten hat. Es hat dies indes, unter anderem im Anschluss an die Ausführungen in einem rechtskräftigen, gegen den Kläger ergangenem Strafurteil, als nicht glaubhaft gewertet. Dem lediglich pauschalen Bestreiten dieser Aktivitäten sowie jeglicher konkreten Verbindungen zur PKK sei mit den weiteren Erkenntnissen nicht in Einklang zu bringen, nach denen die Annahme fernliege, der Kläger sei sich beim organisierten Sammeln von Geldern für die PKK und bei seinen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 nicht bewusst gewesen, damit auch deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen.

21

1.2.2 Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auch verneint, dass nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausscheide, weil der Kläger ernsthaft und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen habe. Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass bei einmal gegebenem Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dieses nur dann zu verneinen ist, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen, die der gesetzlichen Festlegung einer Gefahr widersprechen oder die Gefahr beseitigen; hierfür hat es ein rein passives Verhalten nicht ausreichen lassen und stets eindeutige Erklärungen oder Verhaltensweisen verlangt, die eine erkennbare Distanzierung aus innerer Überzeugung glaubhaft zum Ausdruck bringen. Ein solches Verhalten hat das Berufungsgericht gerade nicht feststellen können; es ist vielmehr in nachvollziehbarer Bewertung des Verhaltens und der Äußerungen des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach wie vor ideologisch vorbehaltlos hinter der PKK steht und seine Zurückhaltung hinsichtlich weiterer Aktivitäten einzig dem Ausweisungsverfahren geschuldet ist. Dieser nicht mit der Verfahrensrüge angegriffenen Bewertung ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.

22

2. Die angefochtene Verfügung des Beklagten erfüllt auch die besonderen Voraussetzungen, die nach § 53 Abs. 3 AufenthG an die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings zu stellen sind.

23

2.1 § 53 Abs. 3 AufenthG ergänzt den Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG und legt erhöhte Ausweisungsvoraussetzungen für mehrere rechtlich privilegierte Personengruppen fest, unter anderem für anerkannte Flüchtlinge. Eine solche Person darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (zur Auslegung des § 53 Abs. 3 AufenthG s.a. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 46 ff.). Im vorliegenden Fall ist § 53 Abs. 3 AufenthG unionsrechtskonform nach den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) - EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU - auszulegen. Führt eine Ausweisung - wie hier - nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung, sondern nur zum Verlust des Aufenthaltstitels ("inlandsbezogene" Ausweisung), ist Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU zu beachten. Danach haben die Mitgliedsstaaten einem Flüchtling so bald wie möglich nach der Anerkennung einen Aufenthaltstitel auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Liegen solche zwingenden Gründe vor, kann ein erteilter Aufenthaltstitel auch nachträglich entzogen werden. Diese Wirkung kommt der hier verfügten Ausweisung zu, die nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führen soll.

24

Danach umfasst die "öffentliche Sicherheit" sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedsstaats. "Zwingende Gründe" deuten auf einen besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung hin. Die "öffentliche Ordnung" verlangt, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliegen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Was die öffentliche Sicherheit und Ordnung erfordern, ist von den Mitgliedsstaaten nach ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen. Für den Fall der Unterstützung des Terrorismus ergibt sich aus dem 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83/EG bzw. dem 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95/EU, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit und Ordnung" auch für Fälle gilt, in denen der Betroffene einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Dabei ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Handlungen der unterstützten Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedrohen. Hierfür ist die Aufnahme der Vereinigung in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) ein deutlicher Anhaltspunkt. Sodann ist in einem zweiten Schritt einzelfallbezogen die Rolle zu prüfen, die der Flüchtling im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt hat, und der Schweregrad der Gefahr zu beurteilen, die von seinen Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu Einzelheiten s. auch BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 49 ff., 52).

25

2.2 Das Berufungsgericht hat die vom Kläger geleisteten und ihm zuzurechnenden Unterstützungshandlungen an dem vom Gerichtshof der Europäischen Union präzisierten Maßstab für die Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie gemessen und ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass sich hieraus zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ergeben, die einen Entzug des Aufenthaltstitels gegenüber dem Kläger rechtfertigen. Seine tatsächlichen Feststellungen tragen die rechtliche Bewertung, bei dem Kläger lägen zwingende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie vor.

26

2.2.1 Das Gericht hat bereits im Rahmen seiner Prüfung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausführlich begründet, warum die PKK eine terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung darstellt (UA S.12 ff.). Dabei hat es gewürdigt, dass die PKK auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt ist und auch weiterhin terroristische Aktivitäten entfaltet. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union allein der Umstand, dass eine Person eine terroristische Organisation unterstützt hat, nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels zur Folge habe; vielmehr sei im Rahmen einer individuellen Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Rolle zu prüfen, die der Kläger im Rahmen dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, und zu untersuchen, ob er selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zwecke der Begehung solcher Handlungen beteiligt war und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft hat; dabei sei zu berücksichtigen, dass der Besuch von legalen Versammlungen oder das Sammeln von Spenden für eine Organisation nicht notwendig bedeute, dass ihr Urheber die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten und insbesondere zu prüfen sei, ob dem Kläger eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne (EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 [ECLI:EU:C:2015:413], H.T./Land Baden-Württemberg - Rn. 87, 89 ff.).

27

2.2.2 Auf der Grundlage dieses rechtlich zutreffenden Ansatzes hat das Berufungsgericht in einem zweiten Schritt eingehend dargelegt, warum der Kläger vor allem durch seine Spendensammlungsaktivitäten im organisatorischen Umfeld der PKK im Wissen um die Bedeutung seiner Aktivitäten für deren ideologischen Zusammenhalt und im Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, in auch gewichtiger Weise unterstützt hat (UA S. 34). Die Bewertung des Berufungsgerichts, dass der Kläger damit die Voraussetzungen für den Entzug seines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie erfüllt, steht mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Einklang. Zwar hat er selbst keine terroristischen Handlungen begangen, auch nicht andere Personen hierzu angeleitet oder sich an der Planung oder Finanzierung terroristischer Aktionen beteiligt, wie das der Gerichtshof der Europäischen Union als mögliches Unterstützerhandeln erwähnt (EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 - Rn. 90). Unions- oder bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist insbesondere die Würdigung des Berufungsgerichts, der finanziellen Unterstützung terroristischer Vereinigungen in organisierter Form und unter Einbindung in deren Struktur sei besonderes Gewicht beizumessen. Die Aufzählung des Gerichtshofs ist nämlich nur beispielhaft, macht zugleich aber deutlich, dass der Betreffende eine gewichtige Rolle im Rahmen seiner Unterstützung der terroristischen Organisation gespielt haben muss.

28

Der Hinweis des Klägers im Revisionsverfahren auf eine Unterstützung der YPG durch Waffenlieferungen unter anderem der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigt schon deswegen keine andere Beurteilung, weil zu der vom Kläger behaupteten Nähe der YPG zur PKK tatrichterliche Feststellungen ebenso wenig getroffen worden sind wie zu den Konditionen der Waffenlieferungen.

29

2.3 Der Senat weist darauf hin, dass ein Flüchtling auch nach Wegfall seines Aufenthaltstitels - solange er den Flüchtlingsstatus besitzt - weiterhin Anspruch auf die Vergünstigungen, die die EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU in Kapitel VII jedem Flüchtling gewährt, hat, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift (EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 - Rn. 95 ff.; BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 55 f.).

30

3. Dem öffentlichen Ausweisungsinteresse stehen gewichtige Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1, § 55 AufenthG gegenüber. Diese hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt (UA S. 38). Es hat berücksichtigt, dass der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG).

31

Das Berufungsgericht hat das öffentliche Ausweisungsinteresse gegen die Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG unter Berücksichtigung der den Einzelfall prägenden Umstände abgewogen und ist unter Beachtung des hierfür zentralen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt (UA S. 38 ff.). Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Gericht hat berücksichtigt, dass der Kläger besonderen Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie genießt, hier allerdings auf absehbare Zeit keine Aufenthaltsbeendigung beabsichtigt ist. Es hat seinen langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und seine familiären Bindungen im Sinne von Art. 6 GG, Art. 8 EMRK gewürdigt, diese durch die Verfügung allerdings insoweit nicht als beeinträchtigt angesehen, als keine Aufenthaltsbeendigung erfolgt. Es hat bei seiner Abwägung berücksichtigt, dass der Kläger in seinen geschützten Bindungen dadurch betroffen ist, dass sein Aufenthalt auf das Gebiet der Stadt M. beschränkt und er Meldeauflagen unterworfen ist. Weitere schützenswerte Bindungen hat das Gericht nicht anerkannt und dies nachvollziehbar damit begründet, dass der Kläger ungeachtet seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland kaum deutsch spricht, er in Deutschland niemals erwerbstätig und von Beginn seines Aufenthalts in Deutschland an von Sozialleistungen abhängig war. Schließlich hat das Berufungsgericht in die Abwägung eingestellt, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen.

32

C. Die Revision ist auch im Übrigen unbegründet.

33

1. Rechtsgrundlage der in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung angeordneten Aufenthaltsbeschränkung und der verfügten Meldeauflagen ist § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG. Bei einer Ausweisung, die - wie hier - aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG verfügt ist, besteht hiernach die Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Die Anordnung, dass sich der Kläger zweimal wöchentlich zu melden hat, ist hier möglich, ermessensfehlerfrei verfügt und auch nicht unverhältnismäßig. Dies gilt auch für die auf § 56 Abs. 2 AufenthG gestützte Beschränkung des Aufenthalts auf den Bereich der Stadt M., die in Fällen wie dem vorliegenden - auch unionsrechtlich - gegenüber Flüchtlingen möglich ist (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - juris Rn. 59).

34

2. Der Entscheidung des Regierungspräsidiums K. vom 28. März 2013, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung auf fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise zu befristen, ist im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden. Die - mit höher- und vorrangigem Recht zu vereinbarende (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 27.16 - juris Rn. 20 ff.) - Ermessensentscheidung (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) über die Länge der Frist für das an die Ausweisung angeknüpfte Einreise- und Aufenthaltsverbot lässt hier keine Rechts- oder Ermessensfehler erkennen. Für diese Bewertung ist nicht zu vertiefen, dass zumindest bei einer Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - (ABl. L 348 S. 98) die Befristungsentscheidung als konstitutiv wirkende behördliche Entscheidung zu qualifizieren ist, weil Unionsrecht ein allein auf einer Anordnung des Gesetzgebers beruhendes Einreise- und Aufenthaltsverbot ausschließt (s.a. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 72; s.a. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2017 - 1 C 10.17 - Rn. 23). Auch soweit diese - für den dogmatischen Ausgangspunkt und die Klageart erhebliche - Einordnung jedenfalls dann, wenn die Ausweisungsentscheidung nicht als Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 Richtlinie 2008/115/EG zu qualifizieren wäre (s. m.w.N. - VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. März 2017 - 11 S 2029/16 - juris Rn. 95), keine Anwendung fände, änderte dies nicht die für die behördliche Fristbestimmung zu berücksichtigenden Umstände.

35

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung, hilfsweise die Befristung des mit seiner Ausweisung eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf unter vier Jahre.

2

Der Kläger, ein 1977 geborener marokkanischer Staatsangehöriger, reiste 1997 zu Studienzwecken nach Deutschland ein. Nach Heirat einer deutschen Staatsangehörigen erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug, die nach Trennung von seiner Ehefrau als Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG verlängert worden ist.

3

Mit Verfügung vom 24. August 2012 wies der Beklagte den Kläger für die Dauer von sieben Jahren aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1), drohte ihm die Abschiebung an (Ziffer 3 und 4), verpflichtete ihn, sich regelmäßig bei der örtlichen Polizeiinspektion zu melden (Ziffer 5), beschränkte seinen Aufenthalt auf das Gebiet des Landkreises (Ziffer 6), drohte ihm Zwangsmittel an, wenn er den Verpflichtungen aus Ziffer 5 und 6 nicht nachkommt (Ziffer 7), und lehnte einen Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 9). Die Ausweisung wurde damit begründet, dass der Kläger durch Bezahlung von Telefonrechnungen für einen Terrorverdächtigen die Terrororganisation Al-Qaida unterstützt und in Sicherheitsgesprächen falsche oder unrichtige Angaben über seine Kontakte zu terrorverdächtigen Personen und Organisationen gemacht habe.

4

Die gegen diese Verfügung erhobene Klage hatte beim Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren wandte sich der Kläger nur noch gegen die Regelungen in Ziffer 1 (Ausweisung und Befristung), 5, 6 und 7. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht stellte der Beklagte die Ausweisung wegen eines zwischenzeitlich vom Kläger gestellten Asylantrags unter die Bedingung, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird oder dass eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. Nach Aufhebung der Regelungen Ziffer 5, 6 und 7 haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

5

Mit Urteil vom 10. Mai 2016 hat das Oberverwaltungsgericht auf den Hilfsantrag des Klägers die Befristung aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung hat es damit begründet, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und an seiner Ausweisung nach § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG ein schwerwiegendes Interesse bestehe, weil er den der Unterstützung des Terrorismus verdächtigen "Ali" mehr als nur flüchtig kenne und diesen Umstand im Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 bewusst verschwiegen habe. Für die Annahme eines gegenwärtigen Sicherheitsrisikos spreche, dass er nach wie vor nicht bereit sei, dies einzuräumen und zu erklären. Das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers überwiege dessen Bleibeinteresse, auch wenn er sich seit über 18 Jahren überwiegend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, die deutsche Sprache spreche, hier unterschiedliche Erwerbstätigkeiten ausgeübt habe, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und unterstellt werde, dass er über Kontakte zu in Deutschland lebenden Personen verfüge. Er habe aber auch noch erhebliche Bindungen an seinen Heimatstaat Marokko, in dem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe, dessen Sprache er beherrsche, in dem seine Eltern, fünf Geschwister und sein 2013 geborenes Kind lebten und in dem er sich angesichts seines bisherigen Werdegangs eine Existenzgrundlage aufbauen könne. Auch dem Umstand, dass er eine deutsche Staatsangehörige heiraten wolle, komme angesichts des überwiegenden Ausweisungsinteresses keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Bezüglich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehe ein Anspruch auf Neubescheidung, da die festgesetzte Frist von sieben Jahren zu lang sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des Verbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Über die Länge der Frist sei nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Dies sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die bei der Fristbestimmung einzuhaltenden unions-, verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben stellten ebenso wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine gesetzliche Ermessensgrenze dar, deren Einhaltung nach § 114 VwGO gerichtlich überprüfbar sei. Unerheblich sei, dass der Behörde bei der Ausweisung kein Ermessen zustehe. Auch der Richtlinie 2008/115/EG sei nicht zu entnehmen, dass ein Ermessensspielraum bei der Fristbemessung unionsrechtswidrig wäre. Für eine über fünf Jahre andauernde Frist fehle es aber an einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Kläger sei strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, ihm sei nur eine vereinzelte Falschangabe anzulasten, die mehrere Jahre zurückliege und der kein gesteigertes Gewicht zukomme. Bei der Neubestimmung habe sich der Beklagte deshalb im Fristrahmen von bis zu fünf Jahren zu bewegen, wobei eine Frist von mehr als vier Jahren nach den Umständen des Falles kaum vertretbar sein dürfte. Im Übrigen seien das Gewicht des Ausweisungsinteresses und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Bei einer spezialpräventiv motivierten Ausweisung bedürfe es der prognostischen Einschätzung, wie lange das der Ausweisung zugrunde liegende Verhalten das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Frist müsse sich an höherrangigem Recht messen und ggf. relativieren lassen. Dabei seien insbesondere die in § 53 Abs. 2, § 55 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange in den Blick zu nehmen. Die Abwägung sei nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen und in einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren unter Kontrolle zu halten.

6

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit sich die Klage auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bezieht. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich der Ausweisung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 10. August 2016 - 1 B 92.16 - verworfen.

7

Der Kläger begehrt mit seiner Revision die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hilfsweise zur Befristung auf unter vier Jahre. Das Berufungsgericht hätte nicht zur Neubescheidung verpflichten dürfen, sondern selbst eine kürzere Frist bestimmen müssen. Soweit § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Behörde einen Entscheidungsspielraum einräume, sei dies mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem Unionsrecht, nicht zu vereinbaren.

8

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

9

Der Kläger ist im Juli 2016 nach Marokko zurückgekehrt. Mit Bescheid vom 24. November 2016 hat der Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf den 25. Juli 2020 befristet.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Frage, ob der Kläger hinsichtlich des mit seiner Ausweisung kraft Gesetzes eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots - über den Bescheidungsausspruch des Berufungsgerichts hinaus - einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung, hilfsweise zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren hat. Dieses Begehren hat sich nicht dadurch erledigt, dass der Beklagte - in Umsetzung der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung zur Neubescheidung - das Einreise- und Aufenthaltsverbot inzwischen auf vier Jahre seit der Ausreise festgesetzt hat.

11

Soweit der Kläger primär die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots erstrebt, ist die Revision mangels Zulassung nicht statthaft (1.). Hinsichtlich des auf Befristung gerichteten Hilfsantrags ist sie zwar zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsurteil verstößt insoweit nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer bestimmten Frist von weniger als vier Jahren, da die Befristung im Ermessen der Ausländerbehörde liegt und die Voraussetzungen für eine Ermessensverdichtung zu seinen Gunsten nicht vorliegen (2.).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der klägerischen Begehren ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 6). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das am 29. Dezember 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155). Durch die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Gesetzesänderungen hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen in § 11 AufenthG aber nicht geändert.

13

1. Die Revision ist hinsichtlich der vom Kläger mit seinem Hauptantrag begehrten Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mangels Zulassung nicht statthaft.

14

Das Berufungsgericht hat die Revision (nur) zugelassen, soweit sich die Klage auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bezieht. Begründet hat es dies mit den in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Auffassungen zum Rechtscharakter der Befristungsentscheidung (UA S. 33). Damit bezieht sich die Zulassung nur auf die vom Kläger hilfsweise begehrte Befristung und nicht (auch) auf die vorrangig angestrebte Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Zwar bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 4 AufenthG ("kann") auch bei der Aufhebung einer Ermessensentscheidung. Die Frage des Rechtscharakters war für das Berufungsgericht insoweit aber nicht entscheidungserheblich, da es schon das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG verneint hat.

15

Die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist wirksam, weil es sich bei der Aufhebung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots prozessual um unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der - wie der Kläger - ausgewiesen worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Dieses (gesetzliche) Verbot ist nach § 11 Abs. 2 AufenthG gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung von Amts wegen zu befristen und kann unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 AufenthG aufgehoben oder nachträglich verkürzt oder verlängert werden. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (AufenthBeendBlReNG) vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) eingeführten Differenzierung hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Senats aufgegriffen, wonach unter engen Voraussetzungen eine vollständige Beseitigung der Wirkungen einer Ausweisung ohne vorherige Ausreise geboten sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 13 m.w.N.), und hierfür in § 11 Abs. 4 AufenthG eine spezielle Rechtsgrundlage geschaffen (BT-Drs. 18/4097 S. 36 f.). Seit dieser gesetzlichen Neuordnung der Regelungen zur Beseitigung der Wirkungen einer Ausweisung bedarf die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots einer eigenständigen, von der Befristung zu trennenden Entscheidung, die von der Ausländerbehörde nicht nur nachträglich, sondern zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers auch schon zusammen mit der Ausweisung getroffen werden kann.

16

2. Hinsichtlich des auf Befristung gerichteten Hilfsantrags ist die Revision zulässig, aber unbegründet.

17

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger insoweit - anstelle des im Berufungsverfahren gestellten Bescheidungsantrags - im Revisionsverfahren auf einen Verpflichtungsantrag übergegangen ist. Diese Neuformulierung des Klagebegehrens stellt keine nach § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageänderung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 - 1 C 23.03 - BVerwGE 122, 193 = juris Rn. 10). Der Kläger hat - über die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verpflichtung der Behörde zur Neubescheidung hinaus - aber keinen Anspruch auf Verpflichtung zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren.

18

Nach § 11 Abs. 2 AufenthG ist das mit einer Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise und ist gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung festzusetzen. Über die Länge der Frist wird nach § 11 Abs. 3 AufenthG nach Ermessen entschieden (Satz 1). Die Frist darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (Satz 2), und soll zehn Jahre nicht überschreiten (Satz 3).

19

Damit hat der Ausländer einen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung zusammen mit der Ausweisungsverfügung ("ob"). Hinsichtlich der Länge der festzusetzenden Frist ("wie") bestimmt § 11 Abs. 3 AufenthG in seiner aktuellen Fassung ausdrücklich, dass hierüber im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe nach Ermessen zu entscheiden ist, dass die Frist nur unter bestimmten Voraussetzungen fünf Jahre überschreiten darf und zehn Jahre nicht überschreiten soll. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung im Jahr 2015 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des Senats reagiert, wonach die Bemessung der Frist nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde stand, es sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung handelte. Dies hat der Senat vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift mit dessen unionsrechtlicher Prägung durch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - (ABl. L 348 S. 98) und der Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK begründet (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 31 ff.). Mit der Änderung in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wollte der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand wieder herstellen, indem er den bisher offenen Wortlaut der Vorschrift konkretisiert und damit klargestellt hat, dass über die Dauer der Sperrfrist im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörden zu entscheiden ist (BT-Drs. 18/4097 S. 36).

20

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diese gesetzgeberische Entscheidung mit höher- und vorrangigem Recht zu vereinbaren ist. Die - jedenfalls in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Ausweisung - gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Urteil vom 9. Dezember 2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 = juris Rn. 25 ff.) überzeugt im Ergebnis nicht (so im Ergebnis auch VGH München, Urteil vom 28. Juni 2016 - 10 B 15.1854 - juris Rn. 49; OVG Koblenz, Urteil vom 8. November 2016 - 7 A 11058/15 - juris Rn. 26; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2017, § 11 AufenthG Rn. 72 ff.). Die Entscheidung des Senats vom 14. Februar 2012 (BVerwG 1 C 7.11) zu § 11 AufenthG a.F. erging ausdrücklich vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass die bei der Auslegung der damaligen Gesetzesfassung herangezogenen verfassungs-, unions- und menschenrechtlichen Vorgaben der gesetzlichen Einräumung eines behördlichen Ermessensspielraums zwingend entgegenstehen.

21

Eine gebundene Entscheidung folgt zunächst nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie), und zwar ungeachtet der vom Senat bislang offengelassenen Frage, ob die Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung an den Bestimmungen dieser Richtlinie zu messen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 45). Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG enthält mit Ausnahme der grundsätzlich geltenden Fünfjahresfrist keine weiteren inhaltlichen Vorgaben bezüglich der Dauer der Frist, sondern schreibt nur die Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor. Hierzu bedarf es nicht zwingend einer gebundenen Entscheidung. Auch dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG ist nicht zu entnehmen, dass der Ausländerbehörde vom nationalen Gesetzgeber kein Ermessensspielraum eingeräumt werden darf. Denn die Wirksamkeit eines Rechtsbehelfs bezieht sich auf die umfassende gerichtliche Überprüfung der normativ vorgegebenen Grenzen behördlichen Handelns.

22

Die vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim herangezogenen strukturellen Erwägungen stehen einer Ermessensregelung ebenfalls nicht zwingend entgegen. Der Umstand, dass es sich bei der Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG inzwischen um eine gebundene Entscheidung mit einer tatbestandsbezogenen Abwägung handelt, zwingt den Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht zu einer Regelung, nach der dies auch in Bezug auf die Dauer der mit der Ausweisung verbundenen gesetzlichen Rechtsfolgen der Fall sein muss. Die Ausgestaltung der Ausweisung als gerichtlich voll überprüfbare Abwägungsentscheidung ist auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zurückzuführen, eine "Beschleunigung des Verfahrens und schnellere Rechtssicherheit" zu erreichen (BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.). Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber, dass über die Dauer der Sperrfrist von der zuständigen Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist (BT-Drs. 18/4097 S. 36). Dieser gesetzgeberischen Entscheidung stehen auch die vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim herangezogenen verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben nicht entgegen. Die Befristung der gesetzlichen Wirkungen einer Ausweisung wirkt sich zwar mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK auf die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 33 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EGMR). Die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung kann aber nicht nur durch eine gebundene Befristungsentscheidung sichergestellt werden. Denn auch bei einer Ermessensentscheidung ist die Frage der Verhältnismäßigkeit (auf der Rechtsfolgenseite) zu beachten.

23

Das Erfordernis einer Ermessensentscheidung ändert auch nichts am behördlichen Prüfprogramm. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG), sowie unions- und konventionsrechtlich den Vorgaben aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (BGBl. 2008 II S. 1165) und Art. 8 EMRK gemessen und ggf. relativiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 42). Über dieses normative Korrektiv lassen sich auch bei einer Ermessensentscheidung die einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen begrenzen. Dabei sind von der Ausländerbehörde nicht nur die nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG schutzwürdigen Bleibeinteressen des Ausländers in den Blick zu nehmen, sondern bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange. Da für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung - wie oben dargelegt - auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist, trifft die Ausländerbehörde auch während des gerichtlichen Verfahrens - wie nach altem Recht bei der Ermessensausweisung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 20 m.w.N.) - eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen.

24

Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass bei der Ermessensausübung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Behörde eine gesetzliche Ermessensgrenze darstellt, ein Verstoß dagegen zu einer Ermessensüberschreitung führt und der gerichtlichen Überprüfung nach § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt. Nichts anderes gilt in Bezug auf unionsrechtlich zu beachtende Vorgaben. Die Entscheidung des Gesetzgebers, der Ausländerbehörde bei der Bestimmung der Frist einen gewissen Spielraum einzuräumen, führt daher im Ergebnis nicht zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung des Betroffenen, da die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens von dem im Einzelfall zulässigen Höchstmaß der Frist nicht zu Lasten des Ausländers abweichen darf. Die Einhaltung dieser Obergrenze unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.

25

Bei einer Ermessensentscheidung obliegt die konkrete Festsetzung der Dauer der Frist grundsätzlich der Ausländerbehörde. Setzt sie ermessensfehlerhaft eine zu lange Frist fest, ist diese Entscheidung im gerichtlichen Verfahren aufzuheben und die Behörde zur Neubescheidung zu verpflichten. Dabei kann das Gericht in den Entscheidungsgründen eine sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebende absolute Obergrenze für die Dauer der Frist festlegen. Verpflichtet sind die Gerichte hierzu aber nicht. Allerdings dürfte bei einem hinreichend geklärten Sachverhalt eine grobe Eingrenzung des zulässigen Rahmens der Ausländerbehörde eine sachgerechte Ermessensausübung regelmäßig erheblich erleichtern.

26

Die von der Behörde bei einer Neubescheidung zu beachtenden gerichtlichen Vorgaben können auch den Kläger (materiell) beschweren, denn die in einem rechtskräftigen Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Gerichts wirkt sich auf die Rechtskraft im Sinne des § 121 VwGO aus. Folglich beschwert ein stattgebendes Bescheidungsurteil nicht allein die Behörde, sondern auch den Kläger, wenn sich die vom Gericht als verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit der des Klägers deckt und für ihn ungünstiger ist, so dass bei der erneuten Bescheidung auf ihrer Grundlage mit einem ungünstigeren Ergebnis zu rechnen ist als bei Anwendung der vom Kläger für richtig gehaltenen Rechtsansicht. Auf Grund der in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO angeordneten Bindung an die einem Bescheidungsurteil zugrunde liegende Rechtsauffassung führt ein Rechtsmittel gegen ein solches Urteil auch dann zu einer anderen Entscheidung, wenn sich die Rechtsauffassung, die bei der Neubescheidung maßgebend sein soll, als unzutreffend erweist. In diesem Fall hat das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil aufzuheben und ggf. selbst ein Bescheidungsurteil zu erlassen, in dem es seine eigene bei der Neubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung zum Ausdruck bringt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1995 - 8 C 8.93 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 = juris Rn. 13 und vom 18. Juli 2013 - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 15 f., jeweils m.w.N.).

27

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden. Da die Entscheidung über die Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Ermessen der Ausländerbehörde liegt, hat der Kläger einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf die von ihm begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren nur im Falle einer entsprechenden Ermessensverdichtung zu seinen Gunsten. Hierfür ist auf der Grundlage der vom Kläger nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bestimmt lediglich, unter welchen Voraussetzungen die Frist fünf Jahre überschreiten darf. Dies steht hier nicht (mehr) im Streit, nachdem das Berufungsgericht festgestellt hat, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet unter den gegebenen Umständen nicht die Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren. Auch ansonsten weisen die vom Berufungsgericht seinem Bescheidungsausspruch zugrunde gelegten Erwägungen keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers auf. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet, weil es der Auffassung war, dass die zusammen mit der Ausweisung festgesetzte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots von sieben Jahren zu lang und damit ermessensfehlerhaft ist. In diesem Zusammenhang hat es der Behörde keine über die gesetzliche Grenze des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG hinausgehende, der revisionsgerichtlichen Rechtskontrolle unterliegende Obergrenze verbindlich vorgegeben, sondern lediglich angemerkt, dass eine Frist von mehr als vier Jahren nach den Umständen des Falls kaum vertretbar sein dürfte. Ob die vom Beklagten inzwischen - in Umsetzung der gerichtlichen Verpflichtung zur Neubescheidung - mit Bescheid vom 24. November 2016 verfügte Befristung auf vier Jahre ermessensfehlerfrei ergangen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) An Gebühren sind zu erheben

1a.für die nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes169 Euro,
1b.für die nachträgliche Verlängerung der Frist für ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Absatz 4 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes169 Euro,
2.für die Erteilung einer Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8 des Aufenthaltsgesetzes)100 Euro,
3.für die Aufhebung oder Änderung einer Auflage zum Aufenthaltstitel auf Antrag50 Euro,
4.für einen Hinweis nach § 44a Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes in Form einer Beratung, die nach einem erfolglosen schriftlichen Hinweis zur Vermeidung der in § 44a Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes genannten Maßnahmen erfolgt21 Euro,
5.für die Ausstellung einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (§ 60a Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes)
a)
nur als Klebeetikett
58 Euro,
b)
mit Trägervordruck
62 Euro,
6.für die Erneuerung einer Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes
a)
nur als Klebeetikett
33 Euro,
b)
mit Trägervordruck
37 Euro,
7.für die Aufhebung oder Änderung einer Auflage zur Aussetzung der Abschiebung auf Antrag50 Euro,
8.für die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes13 Euro,
9.für die Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht oder sonstiger Bescheinigungen auf Antrag18 Euro,
10.für die Ausstellung eines Aufenthaltstitels auf besonderem Blatt18 Euro,
11.für die Übertragung von Aufenthaltstiteln in ein anderes Dokument in den Fällen des § 78a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes12 Euro,
12.für die Anerkennung einer Verpflichtungserklärung (§ 68 des Aufenthaltsgesetzes)29 Euro,
13.für die Ausstellung eines Passierscheins (§ 23 Abs. 2, § 24 Abs. 2)10 Euro,
14.für die Anerkennung einer Forschungseinrichtung (§ 38a Abs. 1), deren Tätigkeit nicht überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird219 Euro,
15.für die Durchführung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens nach § 81a des Aufenthaltsgesetzes411 Euro.

(2) Keine Gebühren sind zu erheben für Änderungen des Aufenthaltstitels, sofern diese eine Nebenbestimmung zur Ausübung einer Beschäftigung betreffen.

(3) Für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte (§ 5 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 7 des Freizügigkeitsgesetzes/EU), einer Daueraufenthaltskarte (§ 5 Absatz 5 Satz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU), eines Aufenthaltsdokuments-GB (§ 16 Absatz 2 Satz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU) und eines Aufenthaltsdokuments für Grenzgänger-GB (§ 16 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU) ist jeweils eine Gebühr in Höhe der für die Ausstellung von Personalausweisen an Deutsche erhobenen Gebühr zu erheben. Hiervon abweichend wird ein Aufenthaltsdokument-GB an bisherige Inhaber einer Daueraufenthaltskarte gebührenfrei ausgestellt. Wird die Aufenthaltskarte oder die Daueraufenthaltskarte für eine Person ausgestellt, die

1.
zum Zeitpunkt der Mitteilung der erforderlichen Angaben nach § 5 Absatz 1 Satz 1 oder § 16 Absatz 2 Satz 2 und 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU oder
2.
zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 5 Absatz 5 Satz 2, § 16 Absatz 3 oder 4 oder § 11 Absatz 4 Satz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU in Verbindung mit § 81 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes
noch nicht 24 Jahre alt ist, beträgt die Gebühr jeweils die Höhe, die für die Ausstellung von Personalausweisen an Deutsche dieses Alters erhoben wird. Die Gebühren nach Satz 1 oder Satz 2 sind auch zu erheben, wenn eine Neuausstellung der Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte oder des Aufenthaltsdokuments-GB oder des Aufenthaltsdokuments für Grenzgänger-GB aus den in § 45c Absatz 1 genannten Gründen notwendig wird; § 45c Absatz 2 gilt entsprechend. Für die Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthalts (§ 5 Absatz 5 Satz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU) ist eine Gebühr in Höhe von 10 Euro zu erheben.

(1) Für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen werden Gebühren und Auslagen erhoben. Die Gebührenfestsetzung kann auch mündlich erfolgen. Satz 1 gilt nicht für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach den §§ 39 bis 42. § 287 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt. Satz 1 gilt zudem nicht für das Mitteilungsverfahren im Zusammenhang mit der kurzfristigen Mobilität von Studenten nach § 16c, von unternehmensintern transferierten Arbeitnehmern nach § 19a und von Forschern nach § 18e.

(2) Die Gebühr soll die mit der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung verbundenen Kosten aller an der Leistung Beteiligten decken. In die Gebühr sind die mit der Leistung regelmäßig verbundenen Auslagen einzubeziehen. Zur Ermittlung der Gebühr sind die Kosten, die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen als Einzel- und Gemeinkosten zurechenbar und ansatzfähig sind, insbesondere Personal- und Sachkosten sowie kalkulatorische Kosten, zu Grunde zu legen. Zu den Gemeinkosten zählen auch die Kosten der Rechts- und Fachaufsicht. Grundlage der Gebührenermittlung nach den Sätzen 1 bis 4 sind die in der Gesamtheit der Länder und des Bundes mit der jeweiligen Leistung verbundenen Kosten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze sowie Gebührenbefreiungen und -ermäßigungen, insbesondere für Fälle der Bedürftigkeit. Soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält, finden § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 4, Absatz 2 und 4 bis 6, die §§ 4 bis 7 Nummer 1 bis 10, die §§ 8, 9 Absatz 3, die §§ 10 bis 12 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 sowie die §§ 13 bis 21 des Bundesgebührengesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung.

(4) Abweichend von § 4 Absatz 1 des Bundesgebührengesetzes können die von den Auslandsvertretungen zu erhebenden Gebühren bereits bei Beantragung der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung erhoben werden. Für die von den Auslandsvertretungen zu erhebenden Gebühren legt das Auswärtige Amt fest, ob die Erhebung bei den jeweiligen Auslandsvertretungen in Euro, zum Gegenwert in Landeswährung oder in einer Drittwährung erfolgt. Je nach allgemeiner Verfügbarkeit von Einheiten der festgelegten Währung kann eine Rundung auf die nächste verfügbare Einheit erfolgen.

(5) Die in der Rechtsverordnung bestimmten Gebühren dürfen folgende Höchstsätze nicht übersteigen:

1.
für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis: 140 Euro,
1a.
für die Erteilung einer Blauen Karte EU: 140 Euro,
1b.
für die Erteilung einer ICT-Karte: 140 Euro,
1c.
für die Erteilung einer Mobiler-ICT-Karte: 100 Euro,
2.
für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis: 200 Euro,
2a.
für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU: 200 Euro,
3.
für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU oder einer ICT-Karte: 100 Euro,
3a.
für die Verlängerung einer Mobiler-ICT-Karte: 80 Euro,
4.
für die Erteilung eines nationalen Visums und die Ausstellung eines Passersatzes und eines Ausweisersatzes: 100 Euro,
5.
für die Anerkennung einer Forschungseinrichtung zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen oder einem entsprechenden Vertrag nach § 18d: 220 Euro,
6.
für sonstige individuell zurechenbare öffentliche Leistungen: 80 Euro,
7.
für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen zu Gunsten Minderjähriger: die Hälfte der für die öffentliche Leistung bestimmten Gebühr,
8.
für die Neuausstellung eines Dokuments nach § 78 Absatz 1, die auf Grund einer Änderung der Angaben nach § 78 Absatz 1 Satz 3, auf Grund des Ablaufs der technischen Kartennutzungsdauer, auf Grund des Verlustes des Dokuments oder auf Grund des Verlustes der technischen Funktionsfähigkeit des Dokuments notwendig wird: 70 Euro,
9.
für die Aufhebung, Verkürzung oder Verlängerung der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes: 200 Euro.

(6) Für die Erteilung eines nationalen Visums und eines Passersatzes an der Grenze darf ein Zuschlag von höchstens 25 Euro erhoben werden. Für eine auf Wunsch des Antragstellers außerhalb der Dienstzeit vorgenommene individuell zurechenbare öffentliche Leistung darf ein Zuschlag von höchstens 30 Euro erhoben werden. Gebührenzuschläge können auch für die individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen gegenüber einem Staatsangehörigen festgesetzt werden, dessen Heimatstaat von Deutschen für entsprechende öffentliche Leistungen höhere Gebühren als die nach Absatz 3 festgesetzten Gebühren erhebt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht für die Erteilung oder Verlängerung eines Schengen-Visums. Bei der Festsetzung von Gebührenzuschlägen können die in Absatz 5 bestimmten Höchstsätze überschritten werden.

(7) Die Rechtsverordnung nach Absatz 3 kann vorsehen, dass für die Beantragung gebührenpflichtiger individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen eine Bearbeitungsgebühr erhoben wird. Die Bearbeitungsgebühr für die Beantragung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU darf höchstens die Hälfte der für ihre Erteilung zu erhebenden Gebühr betragen. Die Gebühr ist auf die Gebühr für die individuell zurechenbare öffentliche Leistung anzurechnen. Sie wird auch im Falle der Rücknahme des Antrages und der Versagung der beantragten individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung nicht zurückgezahlt.

(8) Die Rechtsverordnung nach Absatz 3 kann für die Einlegung eines Widerspruchs Gebühren vorsehen, die höchstens betragen dürfen:

1.
für den Widerspruch gegen die Ablehnung eines Antrages auf Vornahme einer gebührenpflichtigen individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung: die Hälfte der für diese vorgesehenen Gebühr,
2.
für den Widerspruch gegen eine sonstige individuell zurechenbare öffentliche Leistung: 55 Euro.
Soweit der Widerspruch Erfolg hat, ist die Gebühr auf die Gebühr für die vorzunehmende individuell zurechenbare öffentliche Leistung anzurechnen und im Übrigen zurückzuzahlen.

(1) An Gebühren sind zu erheben

1a.für die nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes169 Euro,
1b.für die nachträgliche Verlängerung der Frist für ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Absatz 4 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes169 Euro,
2.für die Erteilung einer Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8 des Aufenthaltsgesetzes)100 Euro,
3.für die Aufhebung oder Änderung einer Auflage zum Aufenthaltstitel auf Antrag50 Euro,
4.für einen Hinweis nach § 44a Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes in Form einer Beratung, die nach einem erfolglosen schriftlichen Hinweis zur Vermeidung der in § 44a Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes genannten Maßnahmen erfolgt21 Euro,
5.für die Ausstellung einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (§ 60a Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes)
a)
nur als Klebeetikett
58 Euro,
b)
mit Trägervordruck
62 Euro,
6.für die Erneuerung einer Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes
a)
nur als Klebeetikett
33 Euro,
b)
mit Trägervordruck
37 Euro,
7.für die Aufhebung oder Änderung einer Auflage zur Aussetzung der Abschiebung auf Antrag50 Euro,
8.für die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes13 Euro,
9.für die Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht oder sonstiger Bescheinigungen auf Antrag18 Euro,
10.für die Ausstellung eines Aufenthaltstitels auf besonderem Blatt18 Euro,
11.für die Übertragung von Aufenthaltstiteln in ein anderes Dokument in den Fällen des § 78a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes12 Euro,
12.für die Anerkennung einer Verpflichtungserklärung (§ 68 des Aufenthaltsgesetzes)29 Euro,
13.für die Ausstellung eines Passierscheins (§ 23 Abs. 2, § 24 Abs. 2)10 Euro,
14.für die Anerkennung einer Forschungseinrichtung (§ 38a Abs. 1), deren Tätigkeit nicht überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird219 Euro,
15.für die Durchführung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens nach § 81a des Aufenthaltsgesetzes411 Euro.

(2) Keine Gebühren sind zu erheben für Änderungen des Aufenthaltstitels, sofern diese eine Nebenbestimmung zur Ausübung einer Beschäftigung betreffen.

(3) Für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte (§ 5 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 7 des Freizügigkeitsgesetzes/EU), einer Daueraufenthaltskarte (§ 5 Absatz 5 Satz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU), eines Aufenthaltsdokuments-GB (§ 16 Absatz 2 Satz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU) und eines Aufenthaltsdokuments für Grenzgänger-GB (§ 16 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU) ist jeweils eine Gebühr in Höhe der für die Ausstellung von Personalausweisen an Deutsche erhobenen Gebühr zu erheben. Hiervon abweichend wird ein Aufenthaltsdokument-GB an bisherige Inhaber einer Daueraufenthaltskarte gebührenfrei ausgestellt. Wird die Aufenthaltskarte oder die Daueraufenthaltskarte für eine Person ausgestellt, die

1.
zum Zeitpunkt der Mitteilung der erforderlichen Angaben nach § 5 Absatz 1 Satz 1 oder § 16 Absatz 2 Satz 2 und 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU oder
2.
zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 5 Absatz 5 Satz 2, § 16 Absatz 3 oder 4 oder § 11 Absatz 4 Satz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU in Verbindung mit § 81 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes
noch nicht 24 Jahre alt ist, beträgt die Gebühr jeweils die Höhe, die für die Ausstellung von Personalausweisen an Deutsche dieses Alters erhoben wird. Die Gebühren nach Satz 1 oder Satz 2 sind auch zu erheben, wenn eine Neuausstellung der Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte oder des Aufenthaltsdokuments-GB oder des Aufenthaltsdokuments für Grenzgänger-GB aus den in § 45c Absatz 1 genannten Gründen notwendig wird; § 45c Absatz 2 gilt entsprechend. Für die Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthalts (§ 5 Absatz 5 Satz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU) ist eine Gebühr in Höhe von 10 Euro zu erheben.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.