Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens, gegen die Entziehung seines Doktortitels und gegen die Verpflichtung zur Herausgabe der Promotionsurkunde und des Zeugnisses über die Promotionsprüfung.

2

Der im Jahr ... geborene Kläger absolvierte ein Studium ... und bestand im Jahr 1980 die Prüfung als Diplompädagoge mit der Note „gut“ (2,0). Er war in der Folgezeit an der Hochschule ... als Dozent tätig ....

3

Der in Vollzeit erwerbstätige Kläger entschied sich mehrere Jahre später, ein Promotionsverfahren zu durchlaufen. Am 27. Januar 1997 schloss der Kläger einen Vertrag mit dem „Institut für Wissenschaftsberatung Dr. Frank V“ aus Bergisch-Gladbach (im Folgenden „Institut“). Der Vertragsinhalt lautete:

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„Auf der Grundlage einer intensiven wissenschaftlichen Beratung wird das Institut mit aktiver Unterstützung von Herrn A für dessen Promotion eine praktikable Themenstellung und für die Durchführung eine Fakultät und einen Betreuer („Doktorvater“) finden.

5

1. Aufgrund der Erfahrungen des Instituts und des Betreuers wird in Zusammenarbeit mit Herrn A ein Thema aus Bereichen gefunden, die zu den Qualifikationen, Kenntnissen und Erfahrungen von Herrn A gut passen. Dadurch wird es Herrn A ermöglicht, seine bislang erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen für die Anfertigung einer Dissertation möglichst effizient zu nutzen und auf diese Weise seinen Arbeitsaufwand zu senken. Folgende Themenbereiche wurden ausführlich besprochen:

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a) Erwachsenenpädagogik/Führungskräfteentwicklung: Lerntransfer von Verhaltenstrainings für Führungskräfte in die Führungspraxis (effektivere Gestaltung des Trainingssystems, Alternativen zu herkömmlichen Methoden)

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b) Berufspädagogik, Erwachsenenbildung: Selbstlernmodelle, interaktive Methoden.

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2. Das Institut analysiert die für das Promotionsgebiet von Herrn A gültigen Promotionsordnungen deutscher Fakultäten, um aufgrund der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen für die Annahme als Doktorand bzw. Zulassung zum Promotionsverfahren (Erwerb von Scheinen, Examensnote, Sprachkenntnisse usw.) für Herrn A eine optimale Variante seiner externen Promotion auszuwählen.

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3. Der Betreuer muss aufgrund einer Professur oder Habilitation das Recht zur Betreuung von Doktoranden an einer deutschen Hochschule haben. Die Fakultät, an der Herr A promoviert, muß zu einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule (Universität) mit vollem (staatlich vergebenen) Promotionsrecht gehören. Doktortitel, die an dieser Fakultät verliehen werden, müssen ohne Einschränkung führbar sein.

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4. Herr A wird unverzüglich mit dem vom Institut vorgeschlagenen Betreuer Kontakt aufnehmen und die vom Betreuer geforderten Vorleistungen (zum Beispiel Anfertigung eines Exposés, einer Arbeitsgliederung, eines Arbeitsplans) erbringen. Diese Aktivitäten von Herrn A werden vom Institut in geeigneter Weise unterstützt (zum Beispiel Konsultationsmöglichkeiten, Informationen zu den Promotionsanforderungen).

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5. Das Institut wird für die genannten Leistungen ein Honorar von 26.000 DM (Mehrwertsteuer bereits eingeschlossen) erhalten, wenn Herr A sowohl mit dem Thema als auch mit dem vom Institut vorgeschlagenen Betreuer und der Fakultät einverstanden ist. Das Einverständnis von Herrn A gilt als erteilt, sofern er nicht innerhalb von zehn Tagen nachdem der Betreuer ihn als Doktoranden angenommen hat, ausdrücklich gegenüber dem Institut schriftlich erklärt, dass er den Betreuer und/oder das Thema ablehnt.

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Für die Zahlung des Honorars wird folgende Zahlungsweise vereinbart“

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Hier kreuzte der Kläger die Variante B an, die lautete:

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„Die Zahlung des Honorars erfolgt in drei Teilbeträgen. In diesem Fall erhöht sich das Gesamthonorar auf 27.000 DM (einschl. Mehrwertsteuer).

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1. = 9.000 DM nach Vertragsunterzeichnung,
2. = 9.000 DM nach Einverständniserklärung des Betreuers,
3. = 9.000 DM nach Abschluß der Promotion (= Aushändigung der Promotionsurkunde)

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Wenn das Institut trotz intensiver Bemühungen für Herrn A keinen geeigneten Betreuer interessieren kann, ist das Institut verpflichtet, den ersten Teilbetrag ohne jeglichen Abzug zurückzuzahlen. Auch die dem Institut entstandenen Kosten werden in diesem Fall Herrn A nicht weiter berechnet. Etwaige Gebühren an den Hochschulen sowie Kosten, die durch Reisen zum Doktorvater u.ä. entstehen, gehen zu Lasten des Doktoranden.

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6. Soweit Herr A es wünscht, hilft das Institut im Rahmen der rechtlichen Vorschriften bei der Beschaffung der Literatur. Hierfür werden zusätzlich 50 DM/Stunde für den Bibliothekar und 0,30 DM je Kopie abgerechnet. Diese Honorare sind nach Erbringen der Leistung zahlbar.

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7. Herr A arbeitet kontinuierlich an seiner Dissertation. Wenn er seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt oder es sechs Monate oder länger unterlässt, seinen Betreuer bzw. das Institut über den Fortgang des Promotionsprojektes zu informieren, entfallen die Verpflichtungen des Instituts. Dies gilt auch in den Fällen, in denen von Herrn A Unterstützungen in Anspruch genommen werden, die nach den Festlegungen der entsprechenden Promotionsordnung als unzulässige Hilfe Dritter gewertet werden, und/oder andere Gründe vorliegen, die den Abbruch des Promotionsverfahrens durch die Fakultät legitimieren (z.B. Einschaltung eines Ghostwriters, Plagiieren, Bekanntwerden einer unberechtigten Titelführung, Verurteilung zu langfristiger Freiheitsstrafe usw.).

19

8. Herr A erklärt zusätzlich:

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a) Ich habe im Jahr 1980 meine Prüfung als Diplom-Pädagoge an der Hochschule ... mit der Note „gut“ bestanden. Die Diplomarbeit wurde ebenfalls mit der Note „gut“ bewertet.

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b) Ich werde mich nicht selbst um einen Betreuer bemühen und auch keinen anderen als das Institut damit beauftragen, solange dieses für mich einen Betreuer sucht.“

22

Nach Vertragsunterzeichnung zahlte der Kläger am 12. März 1997 die erste Rate in Höhe von 9.000 DM an das Institut. Dieses vermittelte den Kläger über einen wissenschaftlichen Mitarbeiter der beklagten Hochschule an den Doktorvater Prof. Dr. B. Hierfür zahlte der Kläger am 7. Mai 1997 die zweite Rate in Höhe von 9.000 DM an das Institut. Der Arbeitstitel der geplanten Dissertation lautete „...“.

23

Mit Schreiben vom 29. Mai 1998 bat der Kläger das Institut um Unterstützung bei der Aufgabe, die von ihm recherchierte Literatur nach sechs bestimmten Leitfragen zu analysieren. Er wollte u.a. folgende Fragen beantwortet haben: „...“, „...“ usw. Der Kläger forderte eine Analyse ..., nämlich u.a. des individuumsorientierten Ansatzes von Argyris, des eklektischen Ansatzes von Hedberg, des wissensbasierten Ansatzes Duncan/Weiss und der Theorien anderer Wissenschaftler.

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Das Institut schlug dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juni 1998 für die von ihm gewünschte wissenschaftliche Unterstützung eine Kooperationspartnerin, nämlich Frau Dr. C aus München, vor. Insoweit solle der Kläger eine Zusatzvereinbarung abschließen.

25

Am 1. Juli 1998 unterzeichnete der Kläger einen zuvor vom Institut unterschriebenen Zusatz-Vertrag mit folgendem Inhalt:

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„Das Institut wird Herrn A, der mit Unterstützung des Instituts an der Universität der Bundeswehr in Hamburg auf dem Gebiet des ... promoviert, in folgender Weise helfen:

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1. Analyse von Literatur

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- nach ausgewählten Ansätzen des ... und
- vorgegebenen Leitfragen zu dem Problem: „...“

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Das Honorar beträgt 120 DM/Stunde incl. MwSt. Eventuelle Spesen sind gesondert abzurechnen.

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2. Den zeitlichen und inhaltlichen Umfang der Unterstützung bestimmt Herr A. Er kann die Inanspruchnahme der Hilfeleistungen jederzeit kündigen.

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3. Vom Institut werden Herrn A auf der Grundlage der in Anspruch genommenen Leistungen die Honorare (nach Erbringung der Leistungen bzw. Teilleistungen) in Rechnung gestellt.“

32

In der Folgezeit traf sich der Kläger ausweislich der Aktenlage mit Frau Dr. C in mehreren Arbeitstreffen. Ausweislich mehrerer Schreiben von Frau Dr. C an das Institut überarbeitete der Kläger gemeinsam mit ihr seine Gliederung und erstellte mit ihr einen Zeitplan. Ob Frau Dr. C eine Literaturrecherche durchgeführt hat, ergibt sich aus den Akten nicht. Der Kläger zahlte dem Institut für die geleistete Zusatzbetreuung im Oktober 1998 2.880 DM für 24 Stunden, von denen das Institut 1.460 DM an Frau Dr. C weiterleitete. Weitere Rechnungen befinden sich in den Akten nicht. Frau Dr. C erklärte Ende des Jahres 1998 u.a. gegenüber dem Institut, dass der Kläger seine gesamten Unterlagen verloren habe, dass sie diese jedoch in Kopie bei sich gehabt habe, sodass sie sie ihm habe zukommen lassen können. Im Mai 1999 gab Frau Dr. C gegenüber dem Institut an, dass sie etwa Mitte Juli seine bisherigen Texte mit den Bemerkungen des Professors bekommen werde und dann mit ihm die Überarbeitung vornehmen könne.

33

Am 26. Oktober 1999 erklärte Prof. Dr. B gegenüber dem Fachbereichssprecher, dass er die Promotion des Klägers zur Betreuung angenommen habe. Der damalige Fachbereichssprecher Prof. Dr. D prüfte sodann die Voraussetzungen der Anmeldung nach der Promotionsordnung des Fachbereichs Pädagogik vom 19. Februar 1998 (PromO 1998), woraufhin der Fachbereichsrat auf seiner 255. Sitzung mit Beschluss vom 23. März 2000 seine Zuständigkeit bejahte und den Kläger als Doktorand annahm.

34

Der Kläger beantragte am 12. Januar 2001 beim Sprecher des Fachbereichs Pädagogik die nach der Promotionsordnung als nächsten Schritt vorgesehene Zulassung zum Promotionsverfahren. Mit der Einreichung der Dissertation zum Thema „...“ gab der Kläger eine eidesstattliche Versicherung mit folgendem Inhalt ab, die er auch - ohne Unterschrift - dem Text der Dissertation beifügte (Bl. 332 der gebundenen Fassung):

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„Ich, A, versichere hiermit an Eides statt, dass ich die Dissertation selbstständig und ohne unzulässige Hilfe verfasst, insbesondere hierfür nicht die entgeltliche Hilfe von Vermittlungs- oder Beratungsdiensten (Promotionsberater u.ä.) in Anspruch genommen, andere als die von mir angegebenen Quellen nicht benutzt und wörtliche oder sinngemäße Zitate als solche gekennzeichnet habe.“

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Der Fachbereichssprecher - nunmehr Prof. Dr. E - prüfte das Promotionsgesuch und legte es dem Fachbereichsrat vor.

37

Mit Beschluss vom 18. Januar 2001 eröffnete der Fachbereichsrat in seiner 262. Sitzung einstimmig das Promotionsverfahren. Stimmberechtigte Teilnehmer waren die Professoren Dr. F, Dr. G, Dr. E, Dr. H, Dr. I, Dr. J, Dr. K und Dr. L, die wissenschaftlichen Mitarbeiter M, N und O sowie die Studierenden P, Q und R. Der Fachbereichsrat setzte einen Promotionsausschuss bestehend aus dem Fachbereichssprecher Prof. Dr. E und den Gutachtern Prof. Dr. B und Prof. Dr. S ein.

38

Die im April 2001 vom Erstgutachter Prof. Dr. B und vom Zweitgutachter Prof. Dr. S erstellten Gutachten empfahlen eine Bewertung der Dissertation mit „sehr gut“ („magna cum laude“). Der Kläger wurde am 5. Juli 2001 zusätzlich mündlich geprüft und erhielt hierfür ebenfalls die Note „magna cum laude“. Der Promotionsausschuss beschloss an diesem Tag einstimmig, dass die Dissertation anerkannt werde. Teile der Dissertation überarbeitete der Kläger auf Wunsch des Promotionsausschusses für die Veröffentlichung. Der Sprecher des Fachbereichs, Prof. Dr. E, erteilte am 9. April 2002 die Genehmigung zur Veröffentlichung der Dissertation. Am 29. Juni 2002 händigte der Fachbereich dem Kläger die Promotionsurkunde als Doktor der Philosophie aus, unterzeichnet durch den Präsidenten der beklagten Hochschule und den Fachbereichssprecher. Der Kläger zahlte dem Institut am 7. August 2002 die letzte Rate in Höhe von 4.601,63 €.

39

Im Jahr 2008 leitete die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren gegen das Institut ein, das zwischenzeitlich in „Institut für Wissenschaftsberatung Dr. Frank V und Dr. Martin D GmbH“ umbenannt worden war. Am 6. März 2008 kam es zu einer Durchsuchung in den Räumen des Instituts und in den Privaträumen von vier Verantwortlichen; daraufhin gerieten ca. 100 Professoren rechtswissenschaftlicher Fakultäten unter Verdacht, Doktoranden gegen Bezahlung zum Erwerb eines Doktortitels verholfen zu haben. Ein ehemaliger Geschäftsführer des später insolventen Instituts wurde wegen Bestechung zu dreieinhalb Jahren Haft und einer Geldstrafe von 75.000,- Euro verurteilt (https://www.express.de/koeln/-institut-fuer-wissenschaftsberatung---doktormacher--ist-seinen-doktortitel-los-14759040). Auch gegen Prof. Dr. B, den Doktorvater des Klägers, und gegen einen seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter leitete die Staatsanwaltschaft Köln am 25. November 2009 ein Strafverfahren wegen Bestechlichkeit bzw. gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Bestechlichkeit eines Amtsträgers ein (114 Js 57/10). In einem zusammenfassenden polizeilichen Vermerk vom 11. Dezember 2009 wurde festgehalten, dass das Institut die Betreuung des Klägers durch Prof. Dr. B vermittelt habe und dass eine Zusatzbetreuung durch Frau Dr. C stattgefunden habe, allerdings sei der Fall des Klägers als verjährt anzusehen. Auf telefonische Nachfrage gab der Kläger im Juni 2010 gegenüber dem Polizeipräsidium Köln an, sein Doktorvater Prof. Dr. B habe seines Wissens nichts von den Zahlungen gewusst. Am 6. Juli 2010 stellte die Staatsanwaltschaft Köln das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Prof. Dr. B und gegen seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

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Am 10. Dezember 2010 begehrte das Bundesministerium der Verteidigung bei der Staatsanwaltschaft Köln Akteneinsicht zur abschließenden disziplinaren Prüfung des Sachverhalts. Die Rechtsabteilung der beklagten Hochschule fragte mit Schreiben vom 30. August 2011 bei der Dekanin des Fachbereichs für Geistes- und Sozialwissenschaften an, ob u.a. bezüglich des Klägers eine Rücknahme der Promotion beabsichtigt sei. Auf den Sitzungen des Fakultätsrates der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Beklagten vom 15. Dezember 2011 und vom 16. Februar 2012 wurde darüber diskutiert, ob bzw. inwieweit die Inanspruchnahme eines Promotionsvermittlers zur Aberkennung der Promotion führen könne. Am 7. März 2012 beschloss der Fakultätsrat die Überprüfung des Promotionsverfahrens. Der Kläger wurde von der Dekanin in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Promotionsausschusses um eine Stellungnahme gebeten, da der Promotionsausschuss vermute, dass eine unrichtige eidesstattliche Versicherung abgegeben worden sei. Er antwortete mit E-Mail vom 16. März 2012, dass das Institut ihm ausschließlich Kontakte zu Wissenschaftlern vermittelt habe. Er habe seine Dissertation nach intensiven Gesprächen und inhaltlicher Abstimmung mit seinem Doktorvater selbstständig und ohne Hilfe verfasst. Für das Erstellen seiner Dissertation habe er keine entgeltliche Hilfe von irgendwelchen Vermittlungs- und Beratungsdiensten in Anspruch genommen. Dies wäre im Rahmen des gewählten Themas der Dissertation und der intensiven Betreuung durch Prof. Dr. B auch nicht möglich gewesen. Die Beklagte nahm anschließend Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten. Mit Schreiben der Dekanin vom 26. April 2012 wurde der Kläger im Hinblick auf eine angedachte Entziehung des Doktorgrades aufgefordert, zu dem von ihm abgeschlossenen Zusatzvertrag zur Literaturanalyse und zur Bezahlung von Frau Dr. C Stellung zu nehmen. Der Kläger führte in einer E-Mail vom 11. Mai 2012 u.a. aus, während der Bearbeitung seiner Dissertation zwischenzeitlich „den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen“ und überlegt zu haben, das Projekt abzubrechen. Von Frau Dr. C, die damals Lehrbeauftragte an der TU München gewesen sei, habe er Hilfe erhalten, um sich auf sein Thema zu fokussieren. Diese Fokussierungsarbeit werde bei Promovierenden, die in die universitäre Lehrstuhlarbeit eingebunden seien, als normale, zulässige Hilfestellung von Kollegen geleistet.

41

Auf seiner Sitzung vom 24. Mai 2012 beschloss der Fakultätsrat auf Antrag der Dekanin, dem Kläger den Doktorgrad zu entziehen. Auf der nächsten Sitzung am 21. Juni 2012 beschloss der Fakultätsrat, noch weitere Unklarheiten zu klären. Insbesondere wurden in der Folgezeit der Doktorvater Prof. Dr. B und der Zweitgutachter Prof. Dr. S angehört. Prof. Dr. B erklärte am 28. Juni 2012, dass ihm zum Zeitpunkt der Annahme des Promovenden nicht bekannt gewesen sei, dass der Kläger über die Vermittlung des Wissenschaftsberatungsunternehmens V an ihn herangetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm ebenfalls nicht bekannt gewesen, dass der Kläger darüber hinaus Dienstleistungen von Frau Dr. C in Anspruch genommen habe, die ebenfalls über diese Firma vermittelt worden seien. Der Zweitgutachter Prof. Dr. S führte in einem Schreiben vom 1. Juli 2012 aus, er habe den Kläger in einem Vorgespräch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Einbezug fremder Hilfestellungen bei der Themenerarbeitung und Durchführung des wissenschaftlichen Vorhabens gänzlich auszuschließen sei. Er habe ihn auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen, die sich aus der Missachtung dieser selbstverständlichen Vorgaben ergeben. Diesen Hinweis gebe er standardmäßig. Weder zu Beginn noch im Verlauf des Promotionsverfahrens habe er Kenntnisse über die Beteiligung des Beratungsunternehmens V gehabt. Nach den nun aufgetauchten Unterlagen zur Inanspruchnahme unzulässiger Dienstleistungen sehe er sich empfindlich getäuscht und die zwingend notwendige Vertrauensbasis zwischen Gutachter und Promovend als dauerhaft zerstört an. Die Inanspruchnahme von Drittleistungen sei nicht erkennbar gewesen. Am 8. Juli 2012 erhielt die Dekanin der Hochschule unaufgefordert eine E-Mail von Frau Dr. C, in welcher diese versicherte, keine illegale Beratung des Klägers vorgenommen zu haben. Der Fakultätsrat beschloss in seiner Sitzung vom 18. Juli 2012, den damaligen Promotionsausschuss um eine Entscheidung nach § 13 Abs. 1 PromO zu bitten. Darüber hinaus wurde Frau Dr. C per E-Mail aufgefordert, verschiedene Fragen über die konkrete Ausgestaltung des Betreuungsverhältnisses zu beantworten. Eine Stellungnahme hierauf erfolgte zunächst nicht. Am 18. August 2012 tagte der im Jahr 2001 für die Promotion des Klägers zuständige Promotionsausschuss in Gestalt von Prof. Dr. B, Prof. Dr. S und der Dekanin Prof. Dr. T. Der Promotionsausschuss sah es ausweislich des Protokolls nach Überprüfung der vorliegenden Unterlagen sowie der schriftlichen Stellungnahmen des Klägers als erwiesen an, dass sich der Kläger sowohl beim Nachweis der Prüfungsvoraussetzungen als auch bei der Erstellung der Prüfungsleistungen einer arglistigen Täuschung schuldig gemacht habe. Die Mitglieder des Promotionsausschusses sprachen sich dafür aus, dass Promotionsverfahren nach § 13 Abs. 1 PromO für nichtig zu erklären. Die Entscheidung wurde dem Kläger nicht gesondert bekannt gegeben.

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Am 12. November 2012 erließ die Beklagte einen Bescheid mit der Betreffzeile „Aberkennung der Promotion“ und führte darin aus, die Verleihung stelle sich als rechtswidrig dar, da es an dem nach § 1 Abs. 1 PromO erforderlichen ordentlichen Promotionsverfahren fehle. Das von dem Kläger am 5. Juli 2001 zum Abschluss gebrachte Promotionsverfahren sei mit Beschluss des Promotionsausschusses vom 17. August 2012 gemäß § 13 Abs. 1 PromO nach Würdigung der Unterlagen aus der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Köln sowie der schriftlichen Stellungnahmen des Klägers für nichtig erklärt worden. Zum einen habe der Kläger bei der Abgabe seiner eidesstattlichen Versicherung darüber getäuscht, dass er entgeltliche Hilfe durch einen Promotionsvermittler bzw. Promotionsberater in Anspruch genommen habe. Zum anderen sehe es der Promotionsausschuss als erwiesen an, dass sich der Kläger vertraglich Hilfe für einen Kernbereich der Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit zusichern ließ, nämlich für die Analyse wissenschaftlicher Forschungsliteratur. Dieser Auftrag sei von Frau Dr. C bearbeitet worden. Bei einem Vergleich der Aufgabenstellung, die der Anfrage des Klägers zu Grunde liege, und der Dissertationsschrift seien dieselben inhaltlichen Punkte mit leicht veränderten Bezeichnungen in der Gliederung zu erkennen. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich zudem die Unselbstständigkeit des Klägers bei der Arbeit an der Dissertation, deren Gliederung und Überarbeitung offenbar wesentlich von der Hilfe von Frau Dr. C geprägt und vorangebracht worden sei. Für diese Hilfe bei der Abfassung der Dissertation habe der Kläger entgeltliche Hilfe eines Beratungsinstituts in Anspruch genommen. Der Promotionsausschuss komme unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Ahndung der Täuschungshandlung und damit der Herstellung eines der Promotionsordnung entsprechenden Rechtszustandes das Interesse des Klägers an dem Fortbestand des erfolgreichen Abschlusses des Promotionsverfahrens überwiege. Weder der wissenschaftliche Ruf des Klägers noch seine berufliche Situation erforderten einen Doktorgrad, so dass er durch die Maßnahme nicht unverhältnismäßig belastet werde.

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Da das ordentliche Promotionsverfahren entfallen sei, fehle es an der Voraussetzung für die Verleihung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie. Damit stelle sich die dem Kläger gegenüber erfolgte Verleihung dieses Doktorgrades als rechtswidrig dar. Die Fakultät nehme die Verleihung des Doktorgrades daher gemäß § 14 PromO in Verbindung mit § 48 VwVfG zurück. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens habe die Fakultät das Vertrauen in den Erhalt eines durch Täuschung erlangten akademischen Grades als nicht schutzwürdig bewertet. Auch sei für die aktuelle berufliche Tätigkeit als Unternehmensberater die Führung eines Doktortitels keine zwingende Voraussetzung. Das Vertrauen der Öffentlichkeit darin, dass nur derjenige einen Doktorgrad führe, der eine besondere Befähigung in dem dafür vorgesehenen Verfahren nachgewiesen habe, sei zu schützen.

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Die zur Vollziehung der Promotion ausgehändigte Urkunde sei an die Fakultät zurückzugeben, sobald der Bescheid bestandskräftig geworden sei.

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Mit seinem Widerspruch vom 28. November 2012 machte der Kläger geltend, der Aberkennungsbescheid sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Es fehle ein Beschluss des zuständigen Organs über die Aberkennung. Materiell sei die Verleihung des Doktorgrades nicht rechtswidrig gewesen. Der Kläger habe sich keiner Täuschung schuldig gemacht, weil er bei seiner Promotion keine unzulässige Hilfe in Anspruch genommen habe. Die von ihm genutzte Coaching-Leistung stelle keinen Beratungsdienst dar, wie er von der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO erfasst werde. Frau Dr. C habe ihm dabei geholfen, die Struktur für seine Arbeit zu finden, den Zeitplan neu aufzustellen und seine Arbeitsweise zu verbessern. Eine inhaltliche Leistung für die Dissertation habe sie nicht erbracht, was sich auch aus dem geringen Umfang von lediglich 24 Stunden ergebe. Es sei nicht möglich innerhalb von 24 Stunden wesentliche Ergebnisse einer mit „magna cum laude“ bewerteten Dissertation hervorzubringen oder gar so daran mitzuwirken, dass man von einer Gemeinschaftsarbeit sprechen könne. Die Unterstützung habe sich auf Zeitmanagement, Arbeitsweisen und Methodik beschränkt. Externe Doktoranden, die keine enge universitäre Betreuung genössen, dürften Coaching-Leistungen, die andere kostenlos von ihrem Doktorvater bekämen, anderweitig entgegen nehmen. Für die Zulässigkeit der Wissenschaftsberatung von Frau Dr. C spreche auch, dass zu ihren Kooperationspartnern neben Instituten und Unternehmen aus der freien Wirtschaft zahlreiche Universitäten gehörten, wo sie Seminare, Kurse und Einzelcoaching für Studenten und Doktoranden durchführe. Würde sie eine unzulässige Beratung anbieten, würde sie von universitärer Seite nicht empfohlen werden. Er, der Kläger, habe seine Dissertation vollständig selbst verfasst. Das in Anspruch genommene Coaching beziehe sich auch nicht auf das Verfassen der Dissertation, wie es der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO vorsehe. Überdies sei das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Die beruflichen und sozialen Folgen der Aberkennung des Doktorgrades für ihn seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Als Unternehmensberater und Partner eines Beratungsunternehmens sei er auf eine positive Außenwirkung angewiesen. Etliche seiner Kollegen sein ebenfalls promoviert. Die Aberkennung würde seinen Ruf innerhalb des Unternehmens und bei seinen Kunden schädigen und möglicherweise seine berufliche Existenz gefährden. Diese schweren Folgen seien vor dem Hintergrund eines nur leichten, im rechtlichen Graubereich befindlichen, unterstellten Verstoßes im Rahmen der Ermessensausübung nicht ausreichend gewürdigt worden. Auch wenn ein Verstoß gegen die Promotionsordnung vorliege, könnte man diesen nicht als schweren Verstoß qualifizieren. Der hier gerügte Verstoß habe nicht die gleiche Qualität wie zum Beispiel ein Plagiat, bei dem fremde Gedanken ungekennzeichnet übernommen worden seien. In die Verhältnismäßigkeitserwägungen müsse auch im Falle einer inhaltlichen Beratung einbezogen werden, dass er den absolut überwiegenden Teil der gedanklichen Leistung selbst erbracht habe. Eine Rechtsunsicherheit dürfe nicht zu seinen Lasten gehen.

46

Am 29. Mai 2013 befasste sich der Promotionsausschuss, bestehend aus dem Vorsitzenden und Dekan Herrn Prof. Dr. U, Herrn Prof. Dr. B und Herrn Prof. Dr. S mit dem Widerspruch des Klägers gegen die Entscheidung des Promotionsausschusses. Der Promotionsausschuss kam nach Befragung der Zeugin Frau Prof. Dr. T zu dem Ergebnis, dass in der Sitzung am 18. August 2012 eine ordnungsgemäße Beschlussfassung stattgefunden habe. Der Beschluss über die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens wurde durch Beschlussfassung durch Handzeichen noch einmal bestätigt. Der Promotionsausschuss stellte keine neuen materiellen Gesichtspunkte fest, die den Widerspruch als gerechtfertigt erschienen ließen und beschloss, dem Widerspruch nicht abzuhelfen.

47

In seiner Sitzung vom 17. Oktober 2013 befasste sich der Fakultätsrat mit dem Widerspruch des Klägers, stellte einstimmig fest, dass keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien und dass auch das Ermessen korrekt ausgeübt worden sei. Dem Widerspruch wurde nicht abgeholfen.

48

Der Kläger legte eine Erklärung von Frau Dr. C vom 14. März 2014 vor, die sich dahingehend äußerte, dass das Coaching des Klägers keine unzulässige Hilfeleistung darstelle. Das Coaching habe schwerpunktmäßig ein Projektmanagement im Hinblick auf die Dissertation zum Gegenstand gehabt. Einen Bezug zum Inhalt der Dissertation habe es nicht gegeben. Vielmehr habe sie den Kläger beim Finden einer Struktur für die Arbeit und beim Aufstellen eines Projektplans unterstützt. Sie habe keinen inhaltlichen Beitrag geleistet und auch keine Literatur recherchiert oder ausgewertet. Dies wäre bei der Anzahl der wenigen Stunden, die sie geleistet habe, auch nicht möglich gewesen.

49

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2014 wies die Fakultät für Geisteswissenschaften der beklagten Hochschule, vertreten durch den nunmehrigen Dekan Herrn Prof. Dr. U, den Widerspruch des Klägers zurück. Der Fakultätsrat sei zur Entscheidung über den Widerspruch sowohl hinsichtlich der Nichtigkeitsfeststellung des Promotionsverfahrens als auch bezogen auf die Rücknahmeentscheidung berufen. Die Nichtigkeitsfeststellung sei formell rechtmäßig ergangen. Auch habe der Promotionsausschuss den Kläger zuvor über die Anschreiben der damaligen Dekanin angehört. Eine formgebundene Beschlussfassung sei nicht erforderlich nach § 13 Abs. 1 PromO, jedenfalls sei diese spätestens mit der Abstimmung des Promotionsausschusses am 29. Mai 2013 nachgeholt worden. Auch materiell sei die Entscheidung des Promotionsausschusses nicht zu beanstanden. Der Kläger habe eine Täuschung über die wesentlichen Voraussetzungen für die Eröffnung des Promotionsverfahrens gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO begangen. Er habe entgegen seiner eidesstattlichen Versicherung vom 12. Januar 2001 entgeltliche Hilfe von Vermittlungs- und Beratungsdiensten in Anspruch genommen. Bereits der zu Beginn des Jahres 1997 geschlossene Vertrag stelle eine solche unzulässige Hilfe beim Verfassen der Dissertation dar, da auch die Themenwahl Gegenstand des Beratungsvertrages gewesen sei. Insbesondere aber zeige sich die unzulässige Hilfe bei den in Anspruch genommenen Leistungen des im Sommer 1998 geschlossenen Zusatzvertrages. In diesem habe der Kläger ausdrücklich um eine Literaturanalyse gebeten. Hierbei handele sich um einen Kernbereich der Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit. Es liege auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die Unterstützung von Frau Dr. C nicht inhaltlich, sondern allein auf Zeitmanagement und Arbeitsstrategie gerichtet gewesen sei. Die regelmäßigen Sachstandsberichte von Frau Dr. C an das Institut ergäben ein anderes Bild. Dort sei von der gemeinsamen Überarbeitung der Gliederung der Arbeit die Rede gewesen; auch hätten sich sämtliche Unterlagen in Kopie bei Frau Dr. C befunden. Ob die Unterstützungsleistungen durch Frau Dr. C eine unzulässige Hilfe im Sinne der Promotionsordnung sei, lasse sich nicht mit ihren sonstigen Aktivitäten beantworten. Darüber hinaus habe der Kläger auch vorsätzlich über seine Prüfungsleistung getäuscht. Die Mitglieder des Promotionssausschusses hätten ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und eine Abwägung der festgestellten Verstöße sowie dem öffentlichen Interesse an der Ahndung der Täuschungshandlung einerseits und dem Interesse des Klägers am Fortbestand eines ordnungsgemäßen Verfahrens sowie der aus der Nichtigkeit folgenden Konsequenzen für seine berufliche Situation andererseits abgewogen. Auch das in § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG eröffnete Rücknahmeermessen für den Entzug des Doktorgrades sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Es handele sich nicht um einen geringfügigen Verstoß. Die Promotionsordnung führe die Inanspruchnahme entgeltlicher Vermittlung und Beratungsdiensten gleichrangig mit den klassischen Plagiatsfällen auf. Beide Aspekte beruhten auf dem Selbstständigkeitserfordernis gemäß § 13 Abs. 1 PromO, das auch im maßgeblichen Landesrecht in § 70 Abs. 1 und 2 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) ausdrücklich normiert sei. Auch die möglichen Auswirkungen seien nicht zu gering bewertet worden. Die Verpflichtung zur Rückgabe von Promotionsurkunde und Zeugnis nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides ergebe sich aus § 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 HmbVwVfG. Der Widerspruchsbescheid wurde am 21. März 2014 zugestellt.

50

Mit der am 17. April 2014 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, keine unzulässige Hilfe in Anspruch genommen und keine Täuschung begangen zu haben. Der im Januar 1997 unterzeichnete Vertrag mit dem Wissenschaftsinstitut könne nicht als Grundlage für die Nichtigkeitsfeststellung und die Rücknahmeentscheidung gelten, weil sich aus diesem Vertrag nur eine Vermittlungsleistung, keine inhaltliche Unterstützungsleistung ergebe, sich die Rücknahmeentscheidung in beiden Bescheiden aber nur auf eine vermeintliche Unterstützungsleistung beziehe. Selbst wenn der Zusatzvertrag eine Unterstützung inhaltlicher Art nahe lege, bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass er tatsächlich erfüllt oder in der vereinbarten Art und Weise erfüllt worden sei. Nur die Inanspruchnahme, nicht allein die Bitte nach oder die Vereinbarung von - möglicherweise - unzulässiger Hilfe könne zur Aberkennung des Doktorgrades führen. Die tatsächlich geleistete Beratung durch Frau Dr. C sei nicht inhaltlicher Art gewesen und damit nicht unzulässig im Sinne der vom Kläger abgegebenen eidesstattlichen Versicherung. Die Beratungsleistung habe sich ausschließlich im Rahmen eines Coachings bewegt. Sie habe in den abgerechneten 24 Stunden lediglich methodische Hinweise gegeben. Dieser Zeitraum reiche nur für Coaching-Leistungen aus, nicht für die Mitwirkung an wesentlichen inhaltlichen Ergebnissen. Im Übrigen habe Frau Dr. C keine inhaltlichen Kenntnisse im Fach Pädagogik und hätte schon deshalb eine Dissertation, deren „konzeptionelle Eigenständigkeit“ im Erstgutachten gelobt werde, nicht maßgeblich beeinflussen können. Die Dissertation sei seine eigenständige wissenschaftliche Leistung gewesen. Er habe eine von ihm im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit bei dem Unternehmen ... durchgeführte Feldstudie im Einverständnis mit seinem Arbeitgeber in die Dissertation eingebracht und analysiert. Auch sei seine mündliche Leistung mit „sehr gut (magna cum laude)“ bewertet worden. Eine von einer dritten Person stammende, inhaltliche Beeinflussung der Arbeit hätte in der mündlichen Prüfung auffallen müssen. Es fehle auch an einer vorsätzlichen Irreführung. Er sei sich, als er die Erklärung über das Verfassen seiner Dissertation ohne unzulässige Hilfe abgegeben habe, nicht darüber bewusst gewesen, dass die Coaching-Leistungen, die er von Frau Dr. C in Anspruch genommen habe, als unzulässig angesehen werden könnten. Es sei nicht klar definiert, wo die Grenze zur Unzulässigkeit liege. Diese Unsicherheit dürfe nicht zu seinen Lasten gehen. Die Rücknahmeentscheidung sei unverhältnismäßig. Auch wenn eine unzulässige Beratung zu bejahen wäre, handele sich nur um einen leichten Verstoß, der nicht die gleiche Qualität wie ein Plagiat besitze. Er habe in jedem Fall seine Befähigung zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten unter Beweis gestellt. Den ganz überwiegenden Teil einer wissenschaftlichen Arbeit habe er unstreitig vollkommen eigenständig geleistet. Im Übrigen habe er selbst entschieden, ob er Anregungen von Frau Dr. C aufnehmen wolle oder nicht. Dieser unterstellte, geringfügige Verstoß sei abzuwägen gegen seine massive Rufschädigung, zu der ein Verlust seines Doktorgrades führen würde. Da er als Unternehmensberater, Gesellschafter und Partner eines Beratungsunternehmens auf eine positive Außenwirkung angewiesen sei, würde die Aberkennung seinen Ruf innerhalb des Unternehmens und bei den Kunden so schädigen, dass seine berufliche Position und möglicherweise sogar seine berufliche Existenz gefährdet würden. Auch wenn die Doktorwürde keine Qualifikationsvoraussetzung für seinen Beruf sei, hätte ihr plötzliches Wegfallen einen massiven Ansehensverlust zur Folge. Es sei auch zu berücksichtigen, dass nur ihm, nicht den anderen Promovenden von Prof. Dr. B, die durch das Institut für Wissenschaftsberatung vermittelt worden seien, die Promotion entzogen worden sei. Das Gleichbehandlungsgebot sei zu berücksichtigen. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades sei ferner nicht innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG vorgenommen worden. Bereits Anfang April 2012 habe die Beklagte Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Köln nehmen können, die das aus Sicht der Beklagten belastende Material enthalte. Zu diesem Zeitpunkt beginne die Jahresfrist zu laufen. Jedenfalls sei die nach § 6 Abs. 6 Satz 6 PromO zu fordernde förmliche Beschlussfassung nach § 13 Abs. 1 PromO erst im Mai 2013 nachgeholt worden, also nach dem Ablauf der Jahresfrist.

51

Der Kläger beantragt,

52

den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2014 aufzuheben

53

sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

54

Die Beklagte beantragt,

55

die Klage abzuweisen.

56

Sie bezieht sich zunächst auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19. März 2014 und führt darüber hinaus an, Frau Dr. C habe ausweislich einzelner Mitteilungen an das Institut für Wissenschaftsberatung auch nach der Rechnungsstellung weitere Gespräche zu der Dissertationsbearbeitung mit dem Kläger geführt, zum Beispiel habe es am 12. Mai 1999 ein Treffen gegeben. Der Vortrag des Klägers, dass es nicht zu einer Literaturanalyse durch Frau Dr. C gekommen sei, überzeuge nicht. Frau Dr. C sei ihm ausdrücklich diesbezüglich als geeignete Kooperationspartnerin durch das Institut benannt worden. Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass eine Zusammenarbeit eben jene vertraglich vereinbarte Unterstützung zum Gegenstand habe. Anhaltspunkte dafür, dass hier ein atypischer Geschehensablauf vorliege, lägen nicht vor. Anderenfalls hätte Frau Dr. C auch nicht die gesamten Unterlagen des Klägers einschließlich der von ihm recherchierten Literaturquellen in Kopie in ihrem Besitz haben müssen. Ausweislich des Schriftwechsels habe sich Frau Dr. C sehr wohl in der Lage gesehen, die vom Kläger in seinem Schreiben vom 29. Mai 1998 erbetene Literaturanalyse anhand bestimmter Leitfragen vorzunehmen, also diese vertraglich vereinbarte Leistung für ihn zu erbringen. Der Hinweis darauf, dass Frau Dr. C an zahlreichen Universitäten Seminare gebe und sich ihre Tätigkeit nicht auf die Inhalte der Arbeiten ihrer Seminarteilnehmer erstrecke, sei für die Betrachtung des konkreten Falls nicht relevant. Weder die durch den Kläger eingebrachte Feldstudie seines damaligen Arbeitgebers noch die sehr gute Bewertung seiner mündlichen Leistungen sprächen gegen eine inhaltliche Einflussnahme durch Frau Dr. C. Denn es sei durchaus möglich, die von einem Dritten beigesteuerte wissenschaftliche Leistung zu verinnerlichen und in der mündlichen Prüfung zu vertreten. Dadurch werde aber die schriftliche Leistung nicht zu seiner eigenen. Soweit er vortrage, es fehle am Merkmal des Vorsatzes bzw. der Arglist, sei auf den Wortlaut der von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung hinzuweisen. Es sei dem Kläger - auch durch den mündlichen Hinweis des Zweitgutachters Prof. Dr. S - deutlich vor Augen geführt worden, dass die entgeltliche Hilfe von Vermittlungs- und Beratungsdiensten bei der Themenerarbeitung und der Durchführung des wissenschaftlichen Vorhabens eine unzulässige Hilfe sei. Eine weitergehende Definition dessen, wo die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Hilfe genau zu ziehen sei, sei nicht erforderlich. Insbesondere die Literaturanalyse sei eine inhaltliche Unterstützung gewesen. In den vom Kläger benannten Parallelfällen habe es keine Hinweise auf eine Inanspruchnahme der Hilfe eines Vermittlungs- und Beratungsdienstes in inhaltlicher Weise gegeben. Der Umstand, dass der Kläger als externer Doktorand nicht in den Universitätsalltag integriert gewesen sei, hätte ihn nicht daran gehindert, etwaige Unsicherheiten im Gespräch mit dem Doktorvater oder dem Zweitgutachter zu beseitigen. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden. Der Aspekt, dass der Kläger das Institut für Wissenschaftsberatung Dr. V in Anspruch genommen habe, um einen Doktorvater zu finden, also die reine „Vermittlungsleistung“, sei entgegen den Ausführungen des Klägers nicht zulasten des Klägers berücksichtigt worden. Bei der in Anspruch genommenen unzulässigen Hilfe durch Frau Dr. C handele sich nicht um einen lediglich leichten Verstoß gegen die Promotionsordnung in einem rechtlichen Graubereich. Vielmehr verletze die Inanspruchnahme Dritter beim inhaltlichen Verfassen der Arbeit in hohem Maße das Selbstständigkeitserfordernis, dem ein besonderer Stellenwert zukomme. Zwar habe die Hochschule im Jahr 2013 die einschlägige Promotionsordnung und auch andere hinsichtlich des Textes der eidesstattlichen Versicherung überprüft und erforderlichenfalls angepasst und nun ausdrücklich die Hilfe bei wissenschaftlichen Vorarbeiten als Ausschlusskriterium bezeichnet. Dies sei jedoch nur aus Klarstellungsgründen erfolgt; auch zuvor sei dies als unzulässige Hilfe bewertet worden.

57

Die Beklagte hat die Stellungnahmen folgender, an der Eröffnung des Promotionsverfahrens am 18. Januar 2001 beteiligter Fachbereichsratsmitglieder vorgelegt: Prof. Dr. F (Bl. 228 d.A.), Prof. Dr. K (Bl. 231 d.A.), Prof. Dr. G (Bl. 236), Herr M (Bl. 239), Herr R (Bl. 240), Prof. Dr. E (Bl. 241 d.A.) und Prof. Dr. J (Bl. 245 d.A.) haben erklärt, sie hätten nicht - bzw. nicht ohne weitere Prüfung - für die Eröffnung des Promotionsverfahrens gestimmt, wenn sie gewusst hätten, dass der Kläger entgegen seiner eidesstattlichen Versicherung entgeltliche Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen hat (die genauen Formulierungen der einzelnen Stellungnahmen variieren). Prof. Dr. H hat erklärt, keine Auskunft geben zu können (Bl. 232 d.A.).

58

Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Köln zum Aktenzeichen 114 Js 57/10 zum Beschuldigten Prof. Dr. B mit der den Kläger betreffenden Beiakte 01/06/249 hat das Gericht beigezogen und sie wie die Sachakten der Beklagten zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung persönlich geäußert; außerdem hat das Gericht die Zeugen Frau Dr. C, Herrn Prof. Dr. J und Herrn Prof. Dr. B gehört. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

59

Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

I.

60

Die gegen die beklagte Hochschule gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig.

61

Die Klage richtet sich zu Recht gegen die Hochschule, obwohl diese keine juristische Person ist. Denn unter Durchbrechung des Rechtsträgerprinzips ist § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO aufgrund einer erweiterten Auslegung auch auf Hochschulen anzuwenden, die zwar nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert sind, denen aber im Sinne des § 61 Nr. 2 VwGO ein eigenes Recht zustehen kann. Diese erweiternde Auslegung hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 19. November 2013 (3 Bs 274/13, juris Rn. 3) vertreten:

62

„Auch wenn die Helmut-Schmidt-Universität keine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, ist sie nach dem Rechtsträgerprinzip der im Eilverfahren entsprechend anzuwendenden Bestimmung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO hier gleichwohl die richtige Antragsgegnerin. Diese Bestimmung ist über ihren unmittelbaren Wortlaut hinaus weit auszulegen. Sie erfasst auch Vereinigungen, denen im Sinne des § 61 Nr. 2 VwGO ein eigenes Recht zustehen kann, soweit es in dem betreffenden Rechtsstreit gerade um ein solches Recht geht, zu dessen Erfüllung die Vereinigung verpflichtet wäre, sofern es bestünde (vgl. Meissner in: Schoch, VwGO, 2005, § 78 Rn. 30 f.; Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 78 Rn. 21). Vereinigungen in diesem Sinne können auch Hochschulen sein, die nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert sind (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 27.2.1995, NVwZ 1995, 1135 f., zur Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Hamburg; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 61 Rn. 9). So liegt es hier. Die Helmut-Schmidt-Universität ist insofern eine Vereinigung im Sinne des § 61 Nr. 2 VwGO, als ihr von der Freien und Hansestadt Hamburg gemäß § 112 HmbHG u. a. für den hier betroffenen Studiengang Politikwissenschaft das Recht übertragen worden ist, Prüfungen abzunehmen und akademische Grade zu verleihen. Dieses Recht umfasst auch die Befugnis, Studierende in besonders schwerwiegenden Täuschungsfällen von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen auszuschließen. Umgekehrt hätte die Helmut-Schmidt-Universität (und nicht das Bundesministerium der Verteidigung) das von dem Antragsteller geltend gemachte Recht, das Studium der Politikwissenschaft fortzusetzen, zu erfüllen, sofern dieses Recht denn bestünde.“

63

Die Kammer schließt sich unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtauffassung (vgl. Urt. v. 9.10.2014, 2 K 2013/12, juris Rn. 64, 65; Beschl. v. 29.8.2013, 2 E 3236/13, juris Rn. 2 ff.) dieser Rechtsauffassung an und legt den Anwendungsbereich des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO bezogen auf die beklagte Hochschule erweiternd aus, da sie aufgrund ihres Prüfungsrechts gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig ist (ebenso BVerwG, Urt. v. 26.1.2017, 1 C 10/16, juris Rn. 14 zur Passivlegitimation von nicht rechtsfähigen Jobcentern m.w.N.). Der Gesetzgeber dürfte bei der Anknüpfung der Passivlegitimation an das Rechtsträgerprinzip nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht bedacht haben, dass ein Rechtsträger als Passivlegitimierter nicht zu einer Leistung verpflichtet werden soll, die er nicht selbst erbringen kann.

64

Auch im Übrigen bestehen bezüglich der Zulässigkeit der Anfechtungsklage keine rechtlichen Bedenken.

II.

65

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 12. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger dadurch nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

66

Zu differenzieren ist nach den Regelungsgegenständen der angegriffenen Bescheide: Zum einen beinhaltet der angegriffene Bescheid vom 12. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2014 die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens (hierzu unter 1.). Denn diese rechtsgestaltende, nach § 13 Abs. 2 PromO 2013 selbständig rechtsmittelfähige Maßnahme wurde dem Kläger in den Bescheiden bekannt gegeben. Darüber hinaus beinhalten die Bescheide die Aberkennung der Promotion (hierzu unter 2.) sowie die Rückgabeverpflichtung bezüglich der Promotionsurkunde und des Zeugnisses (hierzu unter 3.). Der Umstand, dass im Ausgangsbescheid allein die Verpflichtung zur Herausgabe der Promotionsurkunde nach § 12 Abs. 1 PromO 1998 ausgesprochen wurde und im Widerspruchsbescheid zusätzlich zur Herausgabe des Zeugnisses nach § 10 Abs. 2 PromO 1998, ist unschädlich. Denn Streitgegenstand ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

67

1. Die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens ist weder formell noch materiell zu beanstanden.

68

Die Rechtsgrundlage für die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens findet sich in der Promotionsordnung von 2003, nicht in der Promotionsordnung von 1998. Denn Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Widerspruchsbescheid vom 19. März 2014 (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, 2 K 2209/13, juris Rn. 85 zur Aberkennung eines Doktortitels). Dasselbe gilt auch für die hier zu prüfende Entscheidung des Promotionsausschusses über die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens. Denn das auf die Verleihung des Titels gerichtete Promotionsverfahren war bereits abgeschlossen. Das Entziehungsverfahren einschließlich der Nichtigkeitserklärung stellt ein hiervon abgeschlossenes neues Verfahren dar, für das das aktuelle Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruchsbescheid maßgeblich ist (ebenso: VG Würzburg, Urt. v. 29.6.2016, W 2 K 15.692, juris Rn. 27 m.w.N.; OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 2820/11, juris Rn. 36; a.A.: VG Köln, Urteil vom 12. Januar 2017, 6 K 7332/15, juris Rn. 35: danach ist die Fassung der Promotionsordnung anwendbar, nach der der Promovend seinen Doktorgrad erhalten hat). Dementsprechend ist für die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens nicht die Fassung der Promotionsordnung von 1998 (Beschluss des Fachbereichsrats vom 19.2.1998, veröffentlicht im Hochschulanzeiger Nr. 19/1998 am 15.10.1998) maßgeblich, nach der der Kläger promoviert wurde, sondern vielmehr die zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides gültige Fassung von 2003 (vom 28.7.2003, veröffentlicht im Hochschulanzeiger Nr. 16/03 am 29.8.2003). Zwar gilt gemäß § 16 Satz 2 PromO 2003 diese Promotionsordnung für die Bewerberinnen bzw. Bewerber, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens ihre Dissertation einreichen, was auf den Kläger nicht zutrifft. Die Promotionsordnung regelt damit allerdings nur ihre Anwendbarkeit bei Verleihungsverfahren, nicht aber bei Entziehungsverfahren, so dass insoweit auf allgemeine Regeln zurückzugreifen ist.

69

Im vorliegenden Fall ergibt sich hinsichtlich der Fassung der maßgeblichen Norm des § 13 Abs. 1 PromO ohnehin kein Unterschied zur Vorgängerfassung.

70

a. Die Nichtigerklärung ist formell nicht zu beanstanden.

71

aa. Die Zuständigkeit für die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens liegt beim Promotionsausschuss als Organ, der für jedes Promotionsverfahren nach dessen Eröffnung gesondert eingesetzt wird, vgl. § 6 Abs. 1 PromO 2003. Ihm gehören die Sprecherin/der Sprecher des Fachbereichs (oder Vertreter) und die bestellten Gutachter an. Da für das Verfahren der Nichtigerklärung nach der Promotionsordnung kein neuer Promotionsausschuss einzusetzen ist, ist auf den im Jahr 2001 durch den Fachbereichsrat nach der Eröffnung des Promotionsverfahrens eingesetzten Promotionsausschuss abzustellen. Dieser bestand damals aus Prof. Dr. B als Erstgutachter, Prof. Dr. S als Zweitgutachter und qua Amtes aus dem damaligen Fachbereichssprecher Prof. Dr. E. Jedenfalls bei dem qua Amtes zu besetzenden Sitz muss zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt des Ausschusses die richtige Person mitentscheiden - die Gutachter verändern sich nicht. Dies war vorliegend der Fall. Bei der Beschlussfassung vom 18. August 2012 war anstelle von Herrn Prof. Dr. E Frau Prof. Dr. T Fachbereichssprecherin/Dekanin. Am 29. Mai 2013, als sich der Promotionsausschuss im Widerspruchsverfahren erneut mit der Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens befasst hat, war Prof. Dr. U als neuer Dekan beteiligt.

72

bb. Auch Verfahrensfehler sind bei der Nichtigerklärung nicht festzustellen.

73

Die nach § 13 Abs. 1 PromO 2003 erforderliche Anhörung des Klägers ist durch die Dekanin, Frau Prof. Dr. T, am 26. April 2012 erfolgt. Jedenfalls wäre ein Anhörungsmangel im Rahmen des durchgeführten Widerspruchsverfahrens bzw. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 HmbVwVfG nachgeholt und geheilt worden. Denn im Aberkennungsbescheid wurde auch die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens durch den Promotionsausschuss bekannt gegeben; auch dagegen hat sich der Kläger im Widerspruchsverfahren gewehrt.

74

cc. Schließlich sind keine entscheidungserheblichen Formfehler ersichtlich.

75

Gemäß § 13 Absatz 2 PromO hat die Entscheidung des Promotionsausschusses im Beschlussform zu ergehen; er wird mangels spezieller Regelung in der Promotionsordnung gemäß § 91 HmbVwVfG mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden, wenn er stimmberechtigt ist; sonst gilt Stimmengleichheit als Ablehnung. Jede geeignete Form dürfte als zulässig anzusehen sein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., 2017, § 91 Rn. 7). Dahinstehen kann, ob es bereits in der Sitzung vom 18. August 2012 zur erforderlichen Beschlussfassung gekommen ist. Denn jedenfalls wurde der nicht formell zu beanstandende Beschluss vom 29. Mai 2013 noch vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Erlass des Widerspruchsbescheides am 19. März 2014) förmlich mit Handzeichen gefasst.

76

b. Die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlage sind erfüllt (siehe unter aa.) und die Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden (unter bb.).

77

aa. Der Tatbestand des § 13 Abs. 1 PromO 2003 erfordert, dass sich der Kläger beim Nachweis der Prüfungsvoraussetzungen einer Täuschung schuldig gemacht hat. Eine Täuschung im Promotionsverfahren setzt eine objektive Täuschungshandlung (unter (1)), deren Erheblichkeit (unter (2)), einen zur Verleihung des Doktorgrades führenden Irrtum der Adressaten (unter (3)) und den Vorsatz des Prüflings (unter (4)) voraus (VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, 2 K 2209/13, juris Rn. 120). Diese Voraussetzungen sind sämtlich gegeben.

78

(1) Dem Kläger wird zu Recht vorgehalten, objektiv über die Voraussetzungen für die Zulassung zum Promotionsverfahren getäuscht zu haben.

79

Hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen zum Promotionsverfahren ist auf die zum Zeitpunkt der Stellung des Zulassungsantrags maßgebliche Fassung der Promotionsordnung abzustellen (PromO 1998). Die Prüfungsvoraussetzungen sind in § 2 („Voraussetzungen“) und § 4 („Zulassung zum Promotionsverfahren“) PromO 1998 geregelt. Dass nicht nur die in § 2 PromO 1998 genannten Voraussetzungen, sondern auch die einzureichenden Formalien, die in § 4 Abs. 2 PromO 1998 genannt sind, für die Eröffnung des Promotionsverfahrens als Zulassungsvoraussetzungen anzusehen sind, ergibt sich aus § 5 Abs. 1 PromO 1998. Danach ist ein Gesuch, das die Bedingungen des § 4 erfüllt, dem Fachbereichsrat vorzulegen, der nach der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 2 PromO 1998 das Promotionsverfahren für eröffnet erklärt und gemäß § 6 Abs. 1 PromO 1998 den Promotionsausschuss einsetzt. Im vorliegenden Fall ist das Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO 1998 entscheidungserheblich. Danach ist dem Antrag auf Eröffnung des Promotionsverfahrens eine eidesstattliche Versicherung mit dem Inhalt beizufügen, dass der Kläger die Dissertation selbstständig und ohne unzulässige Hilfe verfasst, insbesondere hierfür nicht die entgeltliche Hilfe von Vermittlungs- oder Beratungsdiensten (Promotionsberaterinnen bzw. Promotionsberater u.ä.) in Anspruch genommen hat. Die Täuschungshandlung besteht in der Abgabe dieser Versicherung, wenn sich der Erklärende unzulässiger Hilfe beim Verfassen der Promotion durch einen entgeltlich tätigen Promotionsberater bedient hat.

80

Allein der Abschluss eines Vertrages mit einem Promotionsvermittler, der Promotionsmöglichkeiten sondiert, den Kunden insoweit berät und einen Kontakt zum zukünftigen Betreuer herstellt, widerspricht dem Inhalt der abgegebenen eidesstattlichen Versicherung noch nicht. Denn § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO 1998 stellt nach Auffassung der Kammer - und der Beteiligten - nur auf unzulässige Hilfe „beim Verfassen“ der Dissertation ab und schließt anders als andere Promotionsordnungen die Hinzuziehung eines Promotionsvermittlers nicht generell aus. Insoweit schließt sich die Kammer der Rechtsauffassung der Kammer 7 im Beschluss vom 25. März 2011 zur gleichlautenden Vorschrift in § 4 Abs. 2 Nr. 7 der Promotionsordnung des Fachbereichs für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften aus dem Jahr 2005 der Beklagten an (7 E 3289/10, S. 10-12 BA). Insofern stellt allein der verschwiegene Abschluss eines Vermittlungsvertrages vom 27. Januar 1997 keine objektive Täuschungshandlung dar, worauf sich die Beklagte auch nicht gestützt hat.

81

Der Kläger hat jedoch durch die Hinzuziehung der Promotionsberaterin und Zeugin Frau Dr. C unzulässige Hilfe beim „Verfassen“ seiner Dissertation in Anspruch genommen.

82

Nach dem Wortlaut des Begriffs „Verfassen“ fällt darunter die gedankliche Ausarbeitung und das Niederschreiben eines Textes (https://www.duden.de/rechtschreibung/verfassen, Abruf v. 18.7.2018). Die gedankliche Ausarbeitung betrifft den Inhalt des Geschriebenen, beim Niederschreiben des Textes entscheidet der Autor zudem über den Schreibstil. Damit beschränkt sich das „Verfassen“ der Dissertation schon dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO 1998 nach nicht auf das reine Schreiben, d.h. das Formulieren des Textes, sondern erfasst auch auf die hierfür erforderliche gedankliche Vorarbeit, die sich inhaltlich im geschriebenen Text niederschlägt.

83

Diese Auslegung, die jegliche Vorarbeiten zum Formulieren des Textes erfassen könnte, ist wiederum nach Sinn und Zweck aufgrund einer teleologischen und systematischen Betrachtung einzuschränken. Die Dissertation dient nach § 70 Abs. 1 HmbHG dem Nachweis der Befähigung zu vertiefter selbständiger wissenschaftlicher Arbeit. Dementsprechend formuliert § 7 Abs. 1 Satz 1 PromO 1998, dass die Dissertation eine in deutscher Sprache abgefasste wissenschaftliche Abhandlung ist, dass sie die Befähigung der Bewerberin bzw. des Bewerbers zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit erweisen und neue wissenschaftliche Kenntnisse enthalten muss (§ 7 Abs. 1 Satz 3 PromO 1998; ebenso allg. BVerwG, Urt. v. 21.6.2017, 6 C 3/16, juris Rn. 34). Die Definitionen der Wissenschaft sind vielschichtig: Nach der Definition des Dudens ist Wissenschaft eine begründete, geordnete forschende Tätigkeit, die für gesichert erachtetes Wissen in einem bestimmten Bereich hervorbringt (https://www.duden.de/rechtschreibung/Wissenschaft, Abruf v. 18.7.2018). Wissenschaftliches Arbeiten beruht auf Grundprinzipien des methodischen, systematischen und überprüfbaren Vorgehens, die in allen Disziplinen und international und interkulturell gleich sind (https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/gute-wissenschaftli-che-praxis-an-deutschen-hochschulen/, Abruf v. 18.7.2018). Das Bundesverfassungsgericht definiert Forschung, die neben der Lehre unter den Oberbegriff „Wissenschaft“ fällt, in vergleichbarer Weise als "die geistige Tätigkeit mit dem Ziele, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen" (BVerfG, Urt. v. 29.5.1973, 1 BvR 424/71, BVerfGE 35, 79; juris Rn. 93 unter Verweis auf: Bundesbericht Forschung III BTDrucks. V/4335 S. 4). Gegenstand der Wissenschaftsfreiheit sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (BVerfG, Beschl. v. 11.1.1994, 1 BvR 434/87, juris Rn. 46). Im vorliegenden Fall bewegt sich der Kläger im Bereich der Pädagogik, einer Sozialwissenschaft, die als Reflexionswissenschaft Bildungs- und Erziehungszusammenhänge zu erforschen, aber auch als Handlungswissenschaft Vorschläge zu machen hat, wie die Bildungs- und Erziehungspraxis gestaltet und verbessert werden kann (https://de.wikipedia.org/wi-ki/P%C3%A4dagogik, Abruf v. 18.7.2018). Aus alledem folgt, dass der Normgeber mit der geforderten eidesstattlichen Versicherung diejenige inhaltlich-strukturelle Hilfe Dritter beim Verfassen des Textes ausschließen wollte, die dem Sinn und Zweck der Promotion als Nachweis selbständiger wissenschaftlicher Tätigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 PromO 1998 zuwiderläuft.

84

Ob Vorbereitungshandlungen wie das Formulieren der Forschungsfrage oder die Literaturrecherche im Sinne dieser Vorgaben „wissenschaftliche Arbeiten“ darstellen, bei denen Hilfe bereits unzulässig ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Dasselbe gilt für die Analyse der recherchierten Literatur, wobei insoweit eine wissenschaftliche Leistung nahe liegt.

85

Jedenfalls gehört zur gedanklichen, wissenschaftlichen Ausarbeitung einer Promotion die Erstellung einer Gliederung, anhand derer die zu bearbeitende Forschungsfrage in der gebotenen Breite und Tiefe in einzelnen, stringent aufeinander aufbauenden Abschnitten behandelt wird. Das Erstellen einer Gliederung sieht die Kammer als eine der zentralen wissenschaftlichen Tätigkeiten an; teilweise wird die Gliederung als „Skelett“ jedes wissenschaftlichen Textes bezeichnet, das ihm Halt und Struktur gibt (vgl. Hinweise zur Anfertigung wissenschaftlicher Hausarbeiten am Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft, https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/comparpol/service/Saalfeld_Hinweise_ Hausarbeiten_20120301.pdf., Abruf v. 24.8.2018). Denn eine Anforderung an einen Doktoranden ist der Nachweis, dass er befähigt ist, „den Stoff logisch zu gliedern“ und „zwischen Wichtigem und Unwichtigem sowohl in der eigenen Arbeit als auch in den Arbeiten anderer zu unterscheiden“ (so ausdrücklich: TU Dresden, Promotionsausschuss der Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik, https://www.ifte.de/infos/dissertation/ diss_hinweise.pdf, Abruf v. 18.7.2018; vgl. auch TU Berlin, Fachgebiet Strategische Führung und globales Management, Leitfaden für die Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten, Stand: Juni 2009, https://www.strategie.tu-berlin.de/fileadmin/fg94/Download/ Leitfaden_wissenschaftliches_Arbeiten.pdf, Abruf v. 18.7.2018).

86

Die inhaltliche Bedeutung der Gliederung für das Dissertationsvorhaben und für die spätere Bewertung wird auch auf der Homepage der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München betont (vgl. http://www.jura.uni-muenchen.de/personen/k/knoche_joachim/promotion.html, Abruf v. 18.7.2018), wobei deutliche Parallelen zu anderen geisteswissenschaftlichen Arbeiten gezogen werden können:

87

„Mit der Gliederung steht und fällt letzten Endes das ganze zu schreibende Buch. ...

88

Bei der Anfertigung der Gliederung muss sich die Doktorandin bzw. der Doktorand in ganz besonderer Weise darüber klar werden, an welchen Stellen er lediglich berichtend-darstellerisch tätig wird („Bisherige Rechtsprechung und Literatur zur Frage der ...“ o.ä.) und an welchen Stellen die eigenen Ansätze eingebracht werden. Die Vermischung dieser beiden Ebenen führt dazu, dass eine Dissertation, die auf solch unfruchtbarem Fundament fertiggeschrieben wurde, meist nicht mehr wirklich befriedigend verbessert werden kann. Hier liegt die Haupt-Quelle der vielen unerfreulichen Promotionserfahrungen, welche sowohl die Doktorandin bzw. den Doktoranden als auch die Betreuerin bzw. den Betreuer über einen längeren Zeitraum auf das Äußerste quälen können. Typisch für solchen Verdruss sind Kapitel, in denen die Doktorandin bzw. der Doktorand den Meinungsstand zu einer bestimmten Frage darstellen möchte und dann in diesem Kapitel bereits Wertungen zu dem Meinungsstand abgibt, welche zwingend der eigenen Erarbeitung von Lösungsansätzen an anderer Stelle hätten vorbehalten werden müssen.“

89

Die Gliederung bildet jedoch nicht nur das zentrale inhaltliche „Programm“ für den Hauptteil, d.h. für die im Fließtext ausformulierte wissenschaftliche Bearbeitung, sondern wird - wie bei der Dissertation des Klägers - dem Hauptteil als „Inhaltsverzeichnis“ vorangestellt, so dass sie selbst Bestandteil des zu bewertenden Textes wird (vgl. Institut für Pädagogik, Abteilung Berufs- und Wirtschaftspädagogik, der Christian-Albrechts Universität zu Kiel, https://www.berufsundwirtschaftspaedagogik.uni-kiel.de/de/studium-lehre/abschlussarbei-ten/formale-und-arbeitsorganisatorische-hinweise-zum-verfassen-einer-wissenschaftli-chen-arbeit-1, Abruf v. 18.7.2018).

90

Der Umstand, dass die beklagte Hochschule im Jahr 2013 den Text des § 4 Abs. 2 Nr. 7 zum Inhalt der eidesstattlichen Versicherung erweitert hat um die Formulierung „im Zusammenhang mit dem Promotionsverfahren und seiner Vorbereitung keine Entgelte gezahlt... hat“, besagt nicht, dass eine strukturell-inhaltliche Hilfe beim Verfassen der Gliederung nicht bereits in der Fassung von 1998 ausgeschlossen war. Zum einen handelt es sich beim Erstellen der Gliederung nicht lediglich um eine Vorbereitungshandlung, sondern um einen wesentlichen Bestandteil der Dissertation, welche die Endfassung des Hauptteils maßgeblich beeinflusst und die als Inhaltsverzeichnis mitabgegeben wird. Selbst wenn es sich lediglich um eine Vorbereitungshandlung handeln würde, wäre die neue Formulierung nicht zwingend als Verschärfung der Anforderungen zu bewerten. Denn ausweislich der glaubhaften Aussage des Zeugen Prof. Dr. J in der mündlichen Verhandlung diente diese Änderung der Promotionsordnung insoweit der Klarstellung, dass auch Hilfe bei den Vorbereitungshandlungen ausgeschlossen werden sollte.

91

Unzulässig ist nach diesen Maßstäben - erst recht - Hilfe bei der inhaltlichen Ausarbeitung des Textes. Nur soweit sich die externe Hilfe im Sinne eines Coachings darauf beschränkt, abstrakt als „Hilfe zur Selbsthilfe“ die Methodenkompetenz für wissenschaftliches Arbeiten, Zeitmanagement, Tipps zur Fokussierung auf das Thema etc. zu vermitteln, ist keine unzulässige Hilfe beim „Verfassen“ der Dissertation anzunehmen. Denn die gedankliche inhaltliche und strukturelle Ausarbeitung des Dissertationsthemas und das Formulieren des wissenschaftlichen Textes entfallen allein auf den Doktoranden bzw. die Doktorandin. Dagegen stellen qualifizierte Beratungsleistungen, die sich auf den konkreten Inhalt der Gliederung und/oder des Textes beziehen, abhängig von ihrem Umfang die wissenschaftliche Eigenständigkeit der Bearbeitung in Frage. Hinsichtlich der hierfür erforderlichen Qualifikation des Beraters folgt die Kammer jedoch nicht der Auffassung des Klägers, wonach allein ein im Forschungsgebiet ausgewiesener Spezialist befähigt sein kann, eine qualifizierte strukturelle oder inhaltliche Beratung hinsichtlich eines konkreten Promotionsvorhabens vorzunehmen. Vielmehr kann insbesondere strukturelle Hilfe, auch zur Beibehaltung des „roten Fadens“ von jedem im Wissenschaftsbereich erfahrenen, mit den Anforderungen vertrauten Berater geleistet werden. Dies gilt erst Recht, wenn eine fachliche Nähe zum Forschungsbereich und zur Methodik der wissenschaftlichen Bearbeitung vorliegt.

92

Die abzugebende und vom Kläger abgegebene eidesstattliche Versicherung beschränkt sich auch nicht auf Hilfen, die tatsächlich in die fertige Dissertation eingeflossen sind, sondern schließt jegliche Hilfe auch im Prozess der Erstellung aus. Ob der Doktorand die Freiheit besitzt, den inhaltlich/strukturellen Empfehlungen seines Beraters zu folgen, und ob die Anregungen des Dritten tatsächlich in die Arbeit eingeflossen sind, ist für die Inanspruchnahme einer solchen Hilfe irrelevant. Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der Formulierung „ohne unzulässige Hilfe verfasst“ verlangen eine Steuerung durch Dritte oder ein Ergebnis, das sich in eigene und fremde gedankliche bzw. geschriebene Anteile unterteilen lässt. Denn allein der zusätzliche wissenschaftliche „Input“ eines Dritten stellt die eigenständige wissenschaftliche Bearbeitung durch den Doktoranden in Frage; die Prüfer können den eigenständig erbrachten Anteil des Doktoranden nicht mehr ermitteln. Insofern unterscheidet sich der Ausschlusstatbestand von dem ebenfalls unzulässigen Plagiieren, das sich unmittelbar im Text der Dissertation niederschlagen muss. Inwieweit diese externe Hilfe erheblich sein muss, wird im Folgenden unter (2) erörtert.

93

Die Kammer ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Akteninhalts davon überzeugt, dass der Kläger im vorliegenden Fall nach diesen Maßstäben sowohl durch die inhaltlich-strukturelle Einflussnahme der entgeltlich tätigen Promotionsberaterin Frau Dr. C auf die Gliederung seiner abgegebenen Dissertation eine unzulässige Hilfe bei seiner wissenschaftlichen Arbeit angenommen hat als auch durch inhaltliche Hilfestellungen und Anregungen zum Hauptteil der Arbeit, dem Fließtext, obwohl er die Nichtinanspruchnahme unzulässiger Hilfe durch entgeltlich tätige Dritte eidesstattlich versichert hat.

94

Dass der Kläger inhaltliche und strukturelle Hilfe beim Verfassen der Gliederung und darüber hinaus beim Verfassen des Hauptteils von Frau Dr. C erhalten hat, ergibt sich insbesondere aus der insoweit glaubhaften Aussage der Zeugin Dr. C und dem Akteninhalt.

95

Die Zeugin Dr. C hat lebhaft und anschaulich in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass sie den Kläger auch anhand seiner konkreten Dissertation dabei unterstützt hat, in der Gliederung die zu bearbeitende Forschungsfrage inhaltlich abzubilden, unerhebliche Nebenaspekte auszublenden und darauf zu achten, dass der zum Thema vertretene Meinungsstand vollständig abgebildet ist. Sie hat ausdrücklich erklärt, mit dem Kläger die vorhandene Gliederung durchgegangen zu sein und ihn jeweils konkret gefragt zu haben, ob bestimmte Aspekte für die Bearbeitung der Forschungsfrage notwendig seien. Dabei hat sie sich jedoch nach eigenen Angaben nicht darauf beschränkt, ihm zum Beispiel den abstrakten Hinweis zu geben, sich die zu bearbeitende Frage über seinen Schreibtisch zu hängen, sondern hat sich konkret daran erinnert, dass sie sich mit ihm intensiv über seine Gliederung auseinandergesetzt habe. Sie beschrieb ihre Arbeitsweise dahingehend, dass sie sich von dem Doktoranden erzählen lasse, was er erarbeiten wolle, und prüfe, ob das zum Thema passe. Sie überlege mit dem Doktoranden zusammen, was wichtig sei und ob es behandelt werden müsse. Dies sei auch konkret beim Kläger geschehen. Sie erinnerte sich im Fall des Klägers ausdrücklich an die inhaltliche Überarbeitung der Gliederung und berichtete in der mündlichen Verhandlung, er habe als gestandener Manager Tränen vergossen, als sie gemeinsam die für die Ausarbeitung vorgesehenen Inhalte deutlich eingeschränkt hätten. Die Hilfe der Zeugin Frau Dr. C bei der Gliederung deckt sich mit den in der Sachakte der Beklagten und der bei Akte 01/06/249 zu Akte der Staatsanwaltschaft Köln mit dem Aktenzeichen 114 Js 57/10 befindlichen Hinweisen. So erklärte die Zeugin Dr. C zum Beispiel in einem Schreiben an das Institut vom 24. September 1998:

96

„Mit Herrn A hatte ich am 18. September ein weiteres intensives Arbeitstreffen, bei dem wir seine Gliederung überarbeitet haben und einen Zeitplan erstellt haben.“

97

Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die Zeugin Frau Dr. C nicht nur die Gliederung, sondern auch den Hauptteil der Dissertation (den Fließtext) nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich überprüft und Verbesserungsvorschläge gemacht hat. Sie konnte sich zwar nicht mehr konkret daran erinnern, Texte des Klägers geprüft, korrigiert und gegebenenfalls Hinweise gegeben zu haben, erklärte jedoch, dass sie dies regelmäßig insbesondere bei Praktikern tue, um ihnen beim Verfassen eines Textes in wissenschaftlicher Sprache zu helfen. Ob eine derartige Unterstützung hinsichtlich wissenschaftlicher Formulierungen erfolgt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die Kammer aufgrund der Berichte der Zeugin davon überzeugt, dass eine Unterstützung bei der inhaltlichen Überarbeitung des Textes stattgefunden hat. In einer undatierten Nachricht an das Institut erklärte die Zeugin Frau Dr. C nicht nur, dass der Kläger seine gesamten Unterlagen verloren habe und dass sie ihm diese glücklicherweise in Kopie wieder habe zur Verfügung stellen können. Auch führte sie in dieser Nachricht aus, dass er ihr im Januar wieder Arbeit schicken werde, sowie, dass sie beide, sobald sie seine Arbeit vorliegen habe, möglichst zügig an der Fertigstellung arbeiten könnten. Da auch der Kläger bestätigte, dass er den Dissertationstext digital mehrfach gesichert hatte, muss sich die Notiz der Zeugin Dr. C zum verlorenen Material auf kopierte Literatur und ähnliche Quellen bezogen haben, die üblicherweise nicht in digitaler Form vorliegen. Daraus kann nur geschlossen werden, dass sie die Quellen für die Dissertation des Klägers nur benötigt haben kann, um den Text auch inhaltlich zu überprüfen. Diese Einschätzung bestätigt sich anhand weiterer Kurzberichte der Zeugin an das Institut. Denn sie führte in einer Nachricht vom 23. Februar 1999 an das Institut aus, dass der Kläger ihr um Weihnachten herum angekündigt habe, dass er ihr im Januar weitere Texte schicken würde. Nachdem er einen Kommentar seines Betreuers aus Hamburg vorliegen habe, würde er ihr schätzungsweise im April beides – die Arbeit und den Kommentar – vorlegen und sich mit ihr besprechen. In einer weiteren Nachricht vom 12. Mai 1999 führte die Zeugin Frau Dr. C gegenüber dem Institut aus, dass der Kläger versprochen habe, dass sie etwa Mitte Juli seine bisherigen Texte mit den Bemerkungen seines Professors bekomme und dann mit ihm die Überarbeitung vornehmen werde. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung stritt die Zeugin nicht ab, sich mit dem Kläger über die Kommentare des Doktorvaters beraten zu haben. Er habe sie wohl dazu gebraucht um zu verstehen, was er mit den Kommentaren machen solle und wie es gemeint sei. Auch diese – im Vergleich zu den schriftlichen Notizen – vorsichtigere Äußerung der Zeugin zeigt auf, dass ein inhaltlicher Austausch über die Verbesserungsvorschläge des Doktorvaters stattgefunden hat.

98

Die eigene Einflussnahme der Promotionsberaterin auf den Dissertationstext erkennt man auch daran, dass die Zeugin Frau Dr. C ihre Arbeit mit der eines Redakteurs an einem Filmtext verglichen hat. Hätte sie sich auf abstrakte methodische Hinweise beschränkt, hätte sie die Inhalte der Dissertation des Klägers nicht kennen müssen. Sie gab jedoch an, damals genau gewusst zu haben, womit sich der Kläger inhaltlich befasst. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte sie sich noch daran erinnern, dass der Kläger eine Studie seines Arbeitgebers in seine Dissertation integrieren wollte.

99

Die Zeugin machte auch ausdrücklich deutlich, dass sie sich für befähigt halte, strukturelle und inhaltliche Hilfestellungen zu geben. Sie besitze einen Magistertitel in Soziologie, Politikwissenschaften und Kommunikationswissenschaften und habe in Soziologie und Sozialpsychologie promoviert. Auch sei sie schon sehr lange in der Wissenschaftsberatung tätig gewesen, bevor sie den Kläger kennengelernt habe. Als erfahrene Wissenschaftsberaterin müsse sie einschätzen können, wie viele Theorien es gebe. Sie müsse „schon den Überblick“ haben. Insbesondere erklärte sie zum Begriff der Systemtheorie, dass er in unterschiedlichen Disziplinen zum Beispiel in der Politik oder in der Pädagogik, dem Dissertationsbereich des Klägers, unterschiedlich ausgelegt werde. Da der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hatte, er habe in seiner Dissertation den Weg aus der Empirie in die Systemtheorie finden wollen, und die Zeugin Dr. C, die im Bereich der Soziologie und Sozialpsychologie promoviert hatte, ausdrücklich angab, nicht nur methodische, sondern auch inhaltliche Kenntnisse in diesem Bereich zu haben und den Begriff der Systemtheorie in unterschiedlichen Fachgebieten einordnen zu können, hat die Kammer keine Zweifel daran, dass sie dazu befähigt war, nicht nur eine strukturelle, sondern auch eine qualifizierte inhaltliche Unterstützung zu leisten.

100

Da bereits die inhaltliche und strukturelle Hilfe bei der Erstellung der Gliederung sowie beim inhaltlichen Überarbeiten des Textes ausreichen, um von einer unzulässigen Hilfe beim Verfassen der Dissertation auszugehen, bedarf es nicht mehr der Prüfung, ob die Zeugin Dr. C zusätzlich eine Literaturanalyse vorgenommen hat oder nicht. Sowohl die Zeugin als auch der Kläger haben dies in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verneint, konnten allerdings beide nicht nachvollziehbar schildern, weshalb diese Hilfe zunächst angefordert, zwischen dem Kläger und dem Institut vertraglich vereinbart und von der Zeugin zugesagt worden sei, sich jedoch die Zusammenarbeit später auf andere Bereiche beschränkt haben soll.

101

Der Vortrag des Klägers, wonach er von Frau Dr. C keine inhaltliche Hilfe bekommen habe, sondern insbesondere Tipps zum Zeitmanagement, und dass Frau Dr. C seine Gliederung nur angesehen habe, um zu überprüfen, ob er die vorgegebenen Zeitfenster einhalte, vermag die Überzeugung des Gerichts nicht zu entkräften. Die Angaben im gesamten Verfahren waren insoweit in sich nicht stringent und widersprechen dem oben dargestellten Akteninhalt sowie der glaubhaften Angaben der Zeugin Dr. C, ohne dass es dem Kläger gelang, die ihm in der mündlichen Verhandlung vom Gericht aufgezeigten Widersprüche insbesondere zu den Vermerken der Zeugin Dr. C nachvollziehbar zu entkräften.

102

So spricht bereits deutlich gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers, dass er sich in dem am 23. Juni/1. Juli 1998 mit dem Institut geschlossenen Zusatzvertrag verpflichtet hat, gegen Entgelt die Analyse von Literatur nach von ihm vorgegebenen Fragestellungen in Anspruch zu nehmen, wohingegen er in der mündlichen Verhandlung betonte, er habe lediglich eine Literaturrecherche erwartet - unabhängig davon, ob es später zu einer Literaturanalyse durch Frau Dr. C gekommen ist. Dass einem Doktoranden, der im Anschreiben vom 29. Mai 1998 angibt, eine Literaturanalyse zu wünschen und dass die dazu erforderliche Literaturrecherche weitgehend abgeschlossen sei, diese Begriffe nicht voneinander unterscheiden könne, entbehrt jeglicher Lebensrealität. Der Kläger wollte in der mündlichen Verhandlung sichtlich den Eindruck erwecken, keine Hilfeleistung angefordert zu haben, die als unzulässig bewertet werden könnte, ohne dabei seine eigene Anfrage und den geschlossenen Zusatzvertrag mit dem Institut erläutern zu können. Diese offenkundig verharmlosende nachträgliche Darstellung zieht die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben zu Art und Umfang der Hilfeleistungen erheblich in Zweifel.

103

Auch entsprachen die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung zum Zeitrahmen und zur Häufigkeit der Treffen mit der Zeugin Dr. C nicht den von der Zeugin gegenüber dem Institut geschilderten Abläufen und stellen - selbst wenn die Kammer aufgrund des Zeitablaufs Erinnerungslücken der Beteiligten nicht ausschließt - ebenfalls die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben in Frage. So gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, sich mit der Zeugin Dr. C über einen Zeitraum von 4-5 Monaten getroffen zu haben. Aus den Notizen der Zeugin Dr. C gegenüber dem Institut ergibt sich jedoch, dass sie im Sommer 1998 die Betreuung aufgenommen haben muss und dass sie diese bis zum Sommer 1999 durchgeführt hat. Nach dem Abschluss des Zusatzvertrages Anfang Juli 1998 gab sie in dem Schreiben an das Institut vom 24. September 1998 an, ein weiteres intensives Arbeitstreffen mit dem Kläger gehabt zu haben. Am 12. Mai 1999 kündigte sie an, die Überarbeitung der Doktorarbeit vornehmen zu wollen. Aus den Angaben der Zeugin Dr. C wird deutlich, dass die von der Staatsanwaltschaft Köln beschlagnahmten Unterlagen des Instituts, nicht den vollständigen Verlauf der Betreuung wiedergeben. Insbesondere fehlen für den Zeitraum ab dem 5. Oktober 1998, als der Kläger die erste Rechnung für die geleistete Zusatzbetreuung durch die Zeugin Dr. C erhielt, weitere Rechnungen. Die Zeugin Dr. C, die ausweislich ihrer Notizen auch nach dem 5. Oktober 1998 eine intensive Betreuung des Klägers geleistet hat, hat in der mündlichen Verhandlung eindrücklich erklärt, sie werde „den Teufel tun“ und unbezahlt arbeiten. Es müsse weitere Rechnungen gegeben haben. Vor diesem Hintergrund schließt das Gericht aus der Ankündigung der Zeugin Dr. C vom 12. Mai 1999, dass sie die Überarbeitung wie vorgesehen auch vorgenommen hat. Weder der Kläger noch die Zeugin Dr. C haben ausgeführt, dass es zu einem plötzlichen, unerwarteten Abbruch des Betreuungsverhältnisses gekommen ist. Somit war die Zeugin Dr. C nicht nur für 4-5 Monate, sondern für etwa ein Jahr mit der Betreuung der Dissertation des Klägers befasst.

104

Angesichts der glaubwürdigen und überzeugend vorgetragenen Angaben der Zeugin Frau Dr. C zur Bezahlung ihrer Tätigkeit, sind die eigenen Angaben des Klägers zu ihrer Entlohnung unglaubwürdig, lebensfremd und nicht nachvollziehbar. Aufgrund der vorliegenden Dokumente räumte er zwar ein, die Rechnung vom 5. Oktober 1998 über 2.880 DM für ca. 24 Stunden Unterstützungsleistungen der Zeugin Dr. C geleistet zu haben, konnte jedoch nicht nachvollziehbar erklären, weshalb die Zeugin gegenüber dem Institut in verschiedenen Notizen in der Folgezeit über weitere Betreuungsleistungen berichtet hatte. Seine Erklärung, die Hilfeleistungen seien unbezahlt abgelaufen bzw. Frau Dr. C habe von mehr Hilfeleistungen berichtet als tatsächlich stattgefunden haben sollen, erscheinen lebensfremd und wurden von der Zeugin vehement bestritten. Auch dem Gericht erschließt sich nicht, weshalb sie ohne dies in Rechnung zu stellen dem Institut über weitere Unterstützungsleistungen berichtet haben soll; hierfür hätte sie keinen Anlass gehabt.

105

Der Umstand, dass der Kläger intellektuell auch selbst in der Lage gewesen sein mag, die abgegebene Dissertation ohne fremde Hilfe zu verfassen, schließt nicht aus, dass er die beschriebene Hilfe in Anspruch genommen hat. Denn er hat in der mündlichen Verhandlung insoweit glaubhaft bekräftigt, während der Erstellung seiner Dissertation voll im Beruf gestanden und die Promotion für seine Dozententätigkeit benötigt zu haben. Außerdem sei er aufgrund privater Verpflichtungen durch seine Familie zeitlich stark eingebunden gewesen. Dass er vor diesem Hintergrund hinreichenden Anlass hatte, externe Hilfeleistungen bei der Erstellung seiner Dissertation in Anspruch zu nehmen, erscheint mehr als plausibel.

106

Auch nach dem persönlichen Eindruck der Kammer schilderte der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Hilfeleistungen durch Frau Dr. C ausweichend und verunsichert, während er andere Fragen selbstbewusst beantworten konnte. Der Kläger vermittelte insgesamt den Eindruck, die begehrten und in Anspruch genommenen Hilfeleistungen für seine Dissertation in jeder Hinsicht marginalisieren zu wollen und lediglich die Kontakte einzuräumen, die durch Urkunden nachgewiesen wurden. Bereits dies - und die Widersprüche der angeblich angeforderten zu den schriftlich gewünschten und vereinbarten Leistungen - spricht erheblich gegen seine Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus liegt auch deshalb kein in sich schlüssiger, stringenter Vortrag vor, weil er erst im Laufe des Verfahrens die Inanspruchnahme inhaltlicher Hilfe abgestritten und seinen Vortrag somit geändert hat. In seiner E-Mail vom 16. März 2012 stritt er noch jegliche Inanspruchnahme von Hilfeleistungen durch einen Promotionsberater ab und betonte, die Betreuung durch seinen Doktorvater sei sehr intensiv gewesen. In der Begründung seines Widerspruchs vom 14. März 2013 (Bl. 149 d.A.) gab er wiederum an, als externer Doktorand keine enge Betreuung durch den Doktorvater erlebt zu haben. Er habe deshalb gegen Entgelt qualitativ dieselben Coaching-Leistungen in Anspruch genommen und nehmen dürfen wie die am Lehrstuhl tätigen, vom Doktorvater intensiver betreuten Doktoranden. Demgegenüber hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erneut die Strategie gewechselt und ausführlich beschrieben, dass er von seinem Doktorvater Prof. Dr. B und in der Anfangsphase von dessen wissenschaftlichem Mitarbeiter intensiv inhaltlich betreut worden sei, so dass für inhaltliche Unterstützung durch Dritte kein Bedarf bestanden habe. Er beschrieb die Betreuung auch als intensiver und häufiger als der Doktorvater selbst. Die Zahl der vom Doktorvater veranstalteten Kolloquien mit anschließender Vier-Augen-Erörterung gab er mit monatlich an, während der Zeuge Prof. Dr. B von einem solchen Kolloquium im Quartal sprach.

107

Schließlich vermag die Aussage des Zeugen Prof. Dr. B, des Doktorvaters des Klägers, nicht die Überzeugung des Gerichts zu widerlegen, der Kläger habe die beschriebene Hilfe von Frau Dr. C erhalten. Da sowohl der Kläger als auch Prof. Dr. B übereinstimmend angegeben haben, dass der Kläger ihm nicht von der Hilfestellung durch die Zeugin Dr. C berichtet hat, konnte der betreuende Doktorvater nicht feststellen, ob der Doktorand aus eigenem Impuls heraus oder aufgrund der Hinweise Dritter die zu bearbeitenden Aspekte seiner Ausarbeitung im Vergleich zu seiner ursprünglichen Vorstellung reduziert und seine Gliederung entsprechend angepasst hat. Der Umstand, dass auch aufgrund der Hinweise des Zeugen Prof. Dr. B seiner Aussage zufolge im fortgeschrittenen Stadium der Anfertigung der Dissertation eine Eingrenzung des Themas und eine Umstellung der Gliederung erfolgt sein soll, schließt nicht aus, dass dies zuvor - während der ergänzenden Betreuung durch Frau Dr. C - ebenfalls bereits geschehen ist. Auch die Bewertung durch den Zeugen Prof. Dr. B, der Kläger habe eine eigenständige Leistung mit neuen Gedanken erbracht, zieht die Feststellung unzulässiger Hilfe nicht in Zweifel. Denn ein Plagiat wurde dem Kläger zu keiner Zeit vorgehalten.

108

Die externe Beratung und Hilfestellung durch Frau Dr. C war auch nicht deshalb zulässig, weil sie möglicherweise nicht über die üblicherweise im Rahmen eines Doktorandenverhältnisses vom betreuenden Hochschullehrer erbrachten Hilfeleistungen hinausgegangen sind.

109

Denn das Betreuungsverhältnis zwischen dem hochschulangehörigen Betreuer und dem Doktoranden bzw. der Doktorandin ist der exklusive Raum für inhaltliche Hilfestellungen zum konkreten Promotionsvorhaben. Dies ergibt sich aus Folgendem:

110

Der Inhalt der Betreuungsleistungen ist zwar im Hamburgischen Hochschulgesetz nicht geregelt; § 70 Abs. 5 Satz 1 HmbHG beinhaltet lediglich eine Verpflichtung der Hochschulen, auf die wissenschaftliche Betreuung ihrer Doktorandinnen und Doktoranden hinzuwirken. Weitere Regelungen der Promotion fallen in den Kernbereich der akademischen Selbstverwaltung und werden von den Hochschulen selbst getroffen (Jürgensen in: Neukirchen/Reußow/Schomburg, HmbHG, 2. Aufl. 2016, § 70 Rn. 62). Dass die Promotionsordnung der Beklagten die Betreuung als wesentliche Voraussetzung für die Eröffnung des Promotionsverfahrens ansieht, lässt sich auch der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 4 PromO 1998 entnehmen, wonach die Betreuerin bzw. der Betreuer schriftlich bestätigen muss, dass sie bzw. er den Doktoranden mindestens zwei Jahre vor der Eröffnung des Promotionsverfahrens betreut hat. Welchen Inhalt und Umfang die wissenschaftliche Betreuung durch einen betreuenden Hochschullehrer hat, regelt die hier einschlägige Promotionsordnung nicht. Zur hochschulinternen Betreuung von Doktoranden äußert sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Beschluss vom 15. Oktober 2014 (9 S 1485/14, juris Rn. 14) wie folgt:

111

„Mit der Betreuung tritt der Doktorand in ein enges Verhältnis zu einem Hochschullehrer. Der Hochschullehrer regt häufig Dissertationsthemen an; er lenkt die Aufmerksamkeit des Doktoranden auf Fragen, die besonderer wissenschaftlicher Durchforschung im Rahmen einer Dissertation zugänglich und bearbeitungswert sind. Er überwacht die wissenschaftliche Tätigkeit, insbesondere die Versuche des Doktoranden in Laboratorien und Instituten. Der Hochschullehrer soll aus der Fülle seines Wissens und Könnens die eigenständige wissenschaftliche Arbeit des Doktoranden fördern. Aus dem Betreuungsverhältnis erwachsen gegenseitige Verpflichtungen, sowohl solche des Hochschullehrers gegenüber dem Doktoranden, wie auch des Doktoranden gegenüber dem Hochschullehrer. Dieses Betreuungsverhältnis besonderer Art deutet der weitgehend übliche Ausdruck „Doktor-Vater“ für den Hochschullehrer, der einen Doktoranden angenommen hat, an (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1959 - III ZR 117/58 -, NJW 1960, 911, 912; siehe auch BVerwG, Urteil vom 26.08.1966 - VII C 113.65 -, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 08.07.1980 - IX 1393/89 -, a.a.O; Fertig, DVBl 1960, 881, 884 f.; Gerber, DÖV 1960, 709, 710; Hartmer, a.a.O., Kap. V Rn. 16 ff.; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 426 f.).“

112

Das Betreuungsverhältnis zwischen betreuendem Hochschullehrer und Doktorand beinhaltet einen regelmäßigen Austausch über das Fortkommen der Arbeit (VG Würzburg, Urt. v. 29.6.2016, W 2 K 15.692, juris Rn. 42). Zulässige methodische Hilfestellung im Rahmen des Doktorandenverhältnisses sind nicht nur Hinweise z.B. zum Zeitmanagement oder zur Arbeitstechnik, sondern auch inhaltliche Hinweise, welche die Gliederung oder die Gewichtung der einzelnen Themenkreise betreffen, ebenso zur inhaltlichen Ausführungen und zu den Ergebnissen der Doktorarbeit, soweit die Eigenständigkeit der Bearbeitung hiervon nicht berührt wird. Denn auch der Einfluss des betreuenden Hochschullehrers darf nicht in einer Weise ausgeweitet werden, dass die Dissertation sich als eine Kooperation (Mitautorenschaft) darstellt. Entsteht eine Dissertation „in Klausur“ mit dem Doktorvater, ist es dagegen nicht möglich, den geistigen Urheber der einzelnen Passagen zu ergründen (VG Würzburg, Urt. v. 29.6.2016, a.a.O.).

113

Nur, wenn der - nicht entgeltlich tätige - hochschulinterne Betreuer exklusiv für methodische oder inhaltliche Hilfestellungen zuständig ist, kann er beurteilen, in welchem Umfang der Doktorand diese Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen hat, ob es sich (noch) um eine eigenständige Arbeit handelt und inwieweit die Hilfe gegebenenfalls in die Beurteilung der Dissertation einfließen muss. Dies bringt die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO zum Ausdruck, nach der jegliche entgeltliche (also zwangsläufig externe) Hilfe von Vermittlung oder Beratungsdiensten beim Verfassen der Arbeit als unzulässig angesehen wird. Denn jedem Anschein von unlauteren Methoden bei der Abfassung der Arbeit soll begegnet werden (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 2.12.2009, 2 KN 906/06, juris Rn. 52 zu einer vergleichbaren Vorschrift in einer niedersächsischen Promotionsordnung).

114

Ebenso wenig ist die inhaltliche und strukturelle Beratung des Promotionsvorhabens des Klägers durch die Zeugin Dr. C deshalb als zulässige Hilfe anzusehen, weil die Zeugin in namhaften Universitäten und Firmen Coachings anbietet und - strafrechtlich unbehelligt - weiterhin die Einzelbetreuung von Doktoranden vornimmt. Die abstrakten methodischen Hinweise zur Durchführung einer wissenschaftlichen Arbeit sind ohnehin nicht als unzulässige Hilfe anzusehen. Inwieweit der externe Betreuer sich durch das Anbieten von konkreter inhaltlich-struktureller Hilfe strafbar macht bzw. gemacht hat, ist für die Unzulässigkeit der Hilfe im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO 1998 unerheblich. Denn relevant ist allein, ob der Doktorand entgegen seiner eidesstattlichen Versicherung inhaltlich-strukturelle Hilfe angenommen hat, die geeignet ist, eine eigenständige wissenschaftliche Leistung in Frage zu stellen.

115

(2) Die festgestellten unzulässigen Hilfeleistungen durch die Zeugin Dr. C sind auch nicht als so unerheblich, d.h. als marginal zu bewerten, so dass der Kläger die eidesstattliche Versicherung dennoch hätte abgeben dürfen.

116

Hinsichtlich des relevanten Umfangs unzulässiger Hilfestellungen ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht maßgeblich, ob die Eigenständigkeit der Bearbeitung seiner Dissertation insgesamt in Frage zu stellen ist. Durch das Nebeneinander der Tatbestandsmerkmale „selbständig“ und „ohne unzulässige Hilfen verfasst“ in § 4 Abs. 2 Nr. 7 PO 1998 hat der Satzungsgeber vielmehr klargestellt, dass er auch solche Hilfeleistungen ausschließen möchte, die noch nicht die Eigenständigkeit der Bearbeitung in Frage stellen. Deutlich wird auch, dass der Satzungsgeber insbesondere „entgeltliche Hilfe von Vermittlungs- und Beratungsdiensten“ beim Verfassen des Textes - offenbar vollständig - ausschließen wollte.

117

Dennoch ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in Anlehnung an die Grundsätze zur Täuschung durch Plagiieren (vgl. OVG Münster, Urt. v. 4.1.2018, 14 A 610/17, juris Rn. 36) bereits auf Tatbestandsebene im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eine Marginalitätsgrenze zu beachten. Denn eine in Art und Umfang im Verhältnis zum Gesamtwerk praktisch unbeachtliche Hilfestellung könnte anderenfalls eine erhebliche, den Betroffenen stark belastende Rechtsfolge nach sich ziehen.

118

Im vorliegenden Fall sprechen sowohl die Qualität der Hilfestellung durch die Zeugin Dr. C wie auch die Quantität, d.h. der zeitliche Rahmen und die Häufigkeit der Betreuungsleistungen, während dieses Zeitraums gegen eine Bewertung als unerheblich bzw. marginal. Wie bereits dargestellt, ist das Gericht der Überzeugung, dass sich der Betreuungszeitraum über mindestens ein Jahr, nämlich von Juli 1998 bis zum Juli 1999 erstreckt hat. Im Verhältnis zu der Gesamtdauer der Bearbeitung der Dissertation von knapp vier Jahren zwischen der Annahme des Dissertationsvorhabens durch den Zeugen Prof. Dr. B im Mai 1997 und des Antrags des Klägers auf Zulassung zum Promotionsverfahren unter Einreichung der Dissertation im Januar 2001 handelt es sich hierbei keineswegs um einen nur unerheblichen Anteil. Auch fand in diesem Zeitraum eine Vielzahl von Besprechungsterminen mit Frau Dr. C statt wie sich aus dem Akteninhalt, der glaubhaften Aussage der Zeugin Dr. C und auch aus den Angaben des Klägers ergibt. Obwohl der Kläger den Zeitraum der Betreuung mit 4-5 Monaten zwar deutlich kürzer angab als die Notizen der Zeugin es anzeigen, räumte er in der mündlichen Verhandlung etwa 10-15 Treffen mit Frau Dr. C ein. Insbesondere war die Zeugin Frau Dr. C in der maßgeblichen Phase der Weichenstellung für den Kläger tätig, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Zusatzvertrages mit dem Institut ausweislich seiner Anfrage vom 29. Mai 1998 offensichtlich nicht viel mehr als eine Literaturrecherche vorgenommen hatte. Nach den Kurzberichten von Frau Dr. C gegenüber dem Institut und ihren bereits oben beschriebenen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat sie auch qualitativ wesentliche inhaltliche und strukturelle Beiträge geleistet, insbesondere zur Beibehaltung des „roten Fadens“ und zur Eingrenzung der zu bearbeitenden Themenfelder. Sie hat den Kläger inhaltlich und stilistisch bis zur Fertigstellung einer ersten Textfassung der Dissertation begleitet, die dem hochschulinternen Betreuer zur kritischen Durchsicht vorgelegt werden konnte. Darüber hinaus war nach den Kurzberichten eine gemeinsame Überarbeitung des Textes unter Berücksichtigung der Anregungen des Doktorvaters geplant. Das Gericht hat keine Hinweise darauf, dass diese entgegen der schriftlichen Ankündigung nicht stattgefunden haben sollte. Dass der Kläger zeitgleich und im Anschluss an die Betreuungszeit in erheblichem Umfang eigenständige Leistungen erbracht hat, marginalisiert die unzulässigen Unterstützungsleistungen für Frau Dr. C nicht.

119

(3) Ob die Täuschungshandlung des Klägers im Rahmen des § 13 PromO 2003 auch zu einem Irrtum der über das Promotionsbegehren entscheidungsbefugten Personen geführt haben muss, kann dahinstehen (ablehnend zu einer ähnlichen Vorschrift: OVG Münster, Urt. v. 4.1.2018, 14 A 610/17, juris Rn. 50).

120

Denn jedenfalls ist vorliegend der Erfolg der Täuschung, d.h. die Erregung eines Irrtums über das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen, zu bejahen. Ein durch die Täuschungshandlung hervorgerufener Irrtum liegt bereits dann vor, wenn nur einzelne Amtswalter, die an der Entscheidung maßgeblich beteiligt waren, irregeführt worden sind (VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, a.a.O., juris Rn. 195; VG Regensburg, Urt. v. 31.7.2014, RO 9 K 13.1442, juris Rn. 47).

121

Über die Zulassungsvoraussetzungen zum Promotionsverfahren hat vorliegend der Fachbereichsrat in seiner Sitzung vom 18. Januar 2001 entschieden, dem der Antrag vom Fachbereichssprecher nach der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen vorgelegt worden ist. Neben dem Fachbereichssprecher Prof. Dr. E waren die Professoren Dr. F, Dr. G, Dr. H, Dr. I, Dr. J, Dr. K und Dr. L, die wissenschaftlichen Mitarbeiter M, N und O sowie die Studierenden P, Q und R stimmberechtigte Mitglieder des Fachbereichsrates.

122

Das Gericht ist aufgrund der glaubwürdigen Aussage des Zeugen Prof. Dr. J in der mündlichen Verhandlung ebenso wie durch die schriftlichen Aussagen weiterer Mitglieder des damaligen Fachbereichsrats (vgl. Stgn. Prof. Dr. F, Bl. 228 d.A., Prof. Dr. K, Bl. 231 d.A., Prof. Dr. G, Bl. 236, M, Bl. 239, R, Bl. 240 und Prof. Dr. E, Bl. 241 d.A.) davon überzeugt, dass diese nicht für die Eröffnung des Promotionsverfahrens gestimmt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass der Kläger entgegen seiner eidesstattlichen Versicherung (unzulässige) entgeltliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Alle gingen davon aus, dass die eidesstattliche Versicherung wahrheitsgemäß abgegeben wurde und hätten sich jedenfalls für eine Aufklärung der Promotionsberatung ausgesprochen, wenn sie davon Kenntnis erlangt hätten, anstatt das Promotionsverfahren zu eröffnen.

123

Ob der Kläger darüber hinaus dadurch auch den Promotionsausschuss getäuscht hat, indem er entgegen den Vorgaben der Promotionsordnung seiner Dissertation ein Exemplar der eidesstattlichen Versicherung (ohne Unterschrift) beigefügt hat, kann vor diesem Hintergrund dahin stehen.

124

(4) Der Kläger hat bei der Abgabe der unwahren eidesstattlichen Versicherung im Januar 2001 vorsätzlich getäuscht.

125

Vorsatz ist das Wissen und Wollen des Prüflings hinsichtlich der objektiven Umstände, d.h. der Täuschungshandlung im Promotionsverfahren. Ausreichend für eine vorsätzliche Täuschung ist ein bedingter Vorsatz, bei dem die Verwirklichung der objektiven Umstände einschließlich der Rechtswidrigkeit des Handelns für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, a.a.O., juris Rn. 198 m.w.N.).

126

Der Vorsatz bei der Abgabe der eidesstattlichen Erklärung muss sich auch auf sogenannte normative Tatbestandsmerkmale beziehen, die eine eigene rechtliche Wertung beinhalten. Insbesondere muss sich der Vorsatz des Klägers darauf beziehen, dass die in Anspruch genommene Hilfe beim Verfassen der Arbeit „unzulässig“ war. Das Gericht folgt hinsichtlich der Anforderungen an Kenntnisse normativer Tatbestandsmerkmale der strafgerichtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 9.11.2016, 5 StR 313/15, juris Rn. 64). Danach genügt bei normativen Tatbestandsmerkmalen die Kenntnis der die objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden Umstände für die Begründung des Vorsatzes nicht. Der Täter muss zusätzlich die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben; anderenfalls kann ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum vorliegen.

127

Im vorliegenden Fall hält die Kammer den Täuschungsvorsatz bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 12. Januar 2001 jedenfalls in Gestalt der billigenden Inkaufnahme aller Tatbestandsmerkmale für gegeben. Der Kläger muss die Unzulässigkeit der Hilfeleistung für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, ohne z.B. zumutbare Verhinderungsmaßnahmen, etwa in Gestalt der Einholung von Rechtsrat getroffen zu haben (Kudlich in: BeckOK StGB v. Heintschel-Heinegg, 38. Edition, Stand: 1.5.2018, § 16 Rn. 15). Stellt sich der Täter dagegen z.B. im Fall einer Erpressung oder sonstigen Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage vor, handelt er im vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (BGH, Urt. v. 21.2.2017, 1 StR 223/16, Rn. 17). Es genügt jedoch insoweit nicht, dass er billigend in Kauf nimmt, dass er rechtmäßig, d.h. berechtigt handeln könnte. Vielmehr muss er eine klare Vorstellung über Grund und Höhe des Anspruchs haben und davon ausgehen, dass die Rechtsordnung seine Vorstellung deckt (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2012, 2 StR 547/11, juris Rn. 10). Diese Grundsätze lassen sich auf den vorliegenden Fall dahingehend übertragen, dass ein Tatbestandsirrtum nur dann ausscheidet, wenn der Kläger glaubhaft darlegt, dass und weshalb er von der Legalität seines Tuns überzeugt war.

128

Der Kläger hat jedoch nach Auffassung der Kammer nicht glaubhaft vorgetragen, dass er zum Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 12. Januar 2001 fest davon überzeugt war, dass die erfolgte Hilfe bei der Erstellung der Promotion legal, d.h. zulässig gewesen sei. Seine eigenen Erklärungen lassen den gegenteiligen Rückschluss zu.

129

Schon nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung führte er bei Vertragsabschluss ein Gespräch mit den Mitarbeitern des Instituts über die Legalität von Hilfen. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn er insoweit keine Zweifel bzw. kein Unrechtsbewusstsein gehabt hätte. Er gab selbst in der mündlichen Verhandlung an, es habe ein „Geschmäckle“, einen Promotionsberater hinzuzuziehen. Auch war er bereits im Promotionsvermittlungsvertrag mit dem Institut von 1997 darauf hingewiesen worden, dass es in Betracht komme, dass Unterstützungen nach den Festlegungen der entsprechenden Promotionsordnung als unzulässige Hilfe Dritter gewertet werden (vgl. Ziffer 7). In einem solchen Fall sollten Verpflichtungen des Instituts entfallen. Eine angebliche Zusage des Instituts, es würde nur zulässige Hilfe geleistet, findet sich im Vertragsinhalt gerade nicht.

130

Auch hat er in der mündlichen Verhandlung angegeben, sich keine Vorstellung darüber gemacht zu haben, ob er die Anfrage vom 29. Mail 1998, mit der er eine Literaturanalyse erbeten hat, stellen bzw. ob er entsprechende Hilfe in Anspruch nehmen durfte.

131

Der Kläger hatte jedoch keinen Anlass, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung ohne Rücksprache mit seinem hochschulinternen Betreuer oder Mitgliedern des Fachbereichsrates darauf zu vertrauen, dass die geleistete inhaltliche und strukturelle Hilfeleistung bei dem Verfassen der Gliederung und des Textes zulässig gewesen sei. Die Bedeutung der Inanspruchnahme einer Promotionsberatung für die Zulassung zum Promotionsverfahren war deutlich in § 4 Abs. 2 Nr. 7 PromO 1998 geregelt (ebenso in einer vergleichbaren Konstellation VG Gera, Urt. v. 18.9.2013, 2 K 807/12 Ge, juris Rn. 49). Insbesondere durfte sie nicht durch einen sog. Promotionsberater geleistet worden sein. Vielmehr führte der ausdrückliche Hinweis in der eidesstattlichen Versicherung auf die Einschaltung von Promotionsberatern dazu, eine etwaige Gutgläubigkeit zu zerstören. Der Kläger wusste, dass er vor der Abgabe seiner eidesstattlichen Versicherung einen Promotionsvermittler und mit Frau Dr. C eine Promotionsberaterin eingeschaltet hatte. Auch kannte er den Umfang der Hilfen. Er musste damit rechnen, dass die inhaltlich-strukturellen Hilfen nicht zulässig waren.

132

Hätte der Kläger die Hilfeleistungen durch Frau Dr. C für legal gehalten, hätte kein Anlass bestanden, sie gegenüber seinem hochschulinternen Betreuer Prof. Dr. B zu verschweigen, wie beide es bestätigt haben.

133

Auch sein Doktorvater, der Zeuge Prof. Dr. B, gab glaubwürdig in der mündlichen Verhandlung an, es sei schon damals ein Tabu gewesen, Beratungsdienste für die Erstellung einer Promotion in Anspruch zu nehmen.

134

Selbst wenn der Kläger zuvor keine Zweifel an der Zulässigkeit der Hilfe gehabt haben sollte, wovon die Kammer schon nicht überzeugt ist, verlor er diese Gutgläubigkeit jedenfalls kurz vor der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Denn der Zweitgutachter Prof. Dr. S hat schriftlich erklärt, dass er den Kläger in einem Vorgespräch - d.h. vor der Übernahme der Zweitbegutachtung und der Stellung des Zulassungsantrags am 12. Januar 2001 - ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass fremde Hilfeleistungen unzulässig seien. Diesen wiedergegebenen Gesprächsinhalt hat der Kläger nicht bestritten.

135

Der Kläger, der aus Sicht der Kammer nicht ohne Grund variierende und teilweise widersprüchliche Angaben zur in Anspruch genommenen Hilfe durch die Zeugin Dr. C machte, konnte das Gericht vor diesem Hintergrund nicht von seiner Gutgläubigkeit überzeugen. Vielmehr ist die Kammer davon überzeugt, dass er angesichts seiner erheblichen beruflichen und privaten Belastung die angebotene Hilfe für notwendig hielt, um den Titel zu erwerben, dass er rechtliche Bedenken angesichts des betriebenen Aufwands bewusst ausblendete und dass er davon ausging, die Inanspruchnahme der Hilfe würde nicht bekannt werden.

136

bb. Der Promotionsausschuss hat das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

137

Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 PromO 2003 sieht vor, dass im Falle einer Täuschung das Promotionsverfahren für nichtig erklärt werden kann, d.h. dass Ermessen auszuüben ist. Dieses kann durch die Kammer nur innerhalb der Vorgaben des § 114 VwGO überprüft werden. Jedenfalls in der Sitzung des Promotionsausschusses vom 31. Mai 2013 hat sich der Ausschuss ausgiebig mit dem ihm zustehenden Ermessen befasst.

138

Es besteht kein Anlass, die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu beanstanden. Der Promotionsausschuss hat zu Recht die für den Kläger aus einer Rücknahme entstehenden beruflichen und persönlichen Nachteile in seine Erwägungen einbezogen und mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherstellung wissenschaftlicher Redlichkeit und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wissenschaftsbetrieb abgewogen (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, a.a.O., juris Rn. 244 ff.). Eine Fehlgewichtung dieser Abwägung liegt nicht vor:

139

Vertrauensschutzaspekte waren nicht zu berücksichtigen, da weder ein längerer Zeitablauf noch andere vertrauensbildende Umstände zugunsten des Klägers anzunehmen sind. Eine Ausschlussfrist für die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens sieht die Promotionsordnung von 2003 nicht vor. Bei der hier vorliegenden vorsätzlichen Täuschung über die Inanspruchnahme unzulässiger Hilfe beim Verfassen der Dissertation und der strafbaren Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 156 StGB ist die Nichtigerklärung nicht unverhältnismäßig. Denn der Doktorand besitzt in diesem Fall kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand seiner Promotion.

140

Die Nichtigerklärung eines Promotionsverfahrens als Grundlage für die Entziehung des Doktorgrads lässt die mehrjährige Arbeit an der Dissertation hinfällig werden und führt zu beruflichen Erschwernissen. Im vorliegenden Fall war in die Abwägung einzubeziehen, dass die berufliche Position des Klägers als Unternehmensberater ohne Doktortitel beeinträchtigt werden würde, insbesondere, wenn dies nachträglich geschehen ist, weil damit ein Ehrverlust einhergeht. Allerdings war der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bereits 58jährige Kläger - wie viele seiner Kollegen - nicht gehindert, den Beruf eines Unternehmensberaters auch ohne Doktorgrad auszuüben.

141

Der Promotionsausschuss durfte demgegenüber das öffentliche Interesse an der Nichtigerklärung eines Promotionsverfahrens, innerhalb dessen eine Täuschung über den Nachweis der Prüfungsvoraussetzungen oder der Prüfungsleistung erfolgt ist, nicht zurückstehen lassen. Denn die Nichtigerklärung dient dazu, das Ansehen der Hochschule und der Wissenschaft zu sichern. Die wissenschaftliche Redlichkeit ist ein zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 167 f. in Anlehnung an BVerwG, Urt. v. 31.7.2013, 6 C 9/12, BVerwGE 147, 292, Rn. 31; VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, a.a.O., juris Rn. 248). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass eine Universität vorsätzliche Täuschungen im Promotionsverfahren konsequent unterbindet und dem wissenschaftlichen Ruf sowie dem Ansehen der Wissenschaft insgesamt den Vorrang vor negativen Folgen für den Promovenden einräumt (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285 Rn. 10). Die Beklagte hat zurecht darauf hingewiesen, dass Arbeitgeber, Kunden und andere Dritte vor unberechtigten Erwartungen an die besondere wissenschaftliche Befähigung des Klägers geschützt werden müssen. Sie müssen darauf vertrauen können, dass nur derjenige einen Doktorgrad führe, der diese besondere Befähigung in dem dafür vorgesehenen Verfahren nachgewiesen habe.

142

Ein milderes Mittel als die Nichtigerklärung musste die Beklagte vor diesem Hintergrund nicht auswählen. Es kann dahinstehen, ob eine Rüge, Notenherabsetzung oder die Aufgabe der Nachbesserung überhaupt in Betracht gekommen wären. Eine Nachbesserung sieht die Promotionsordnung nur bei Änderungswünschen der Gutachter im Rahmen der Begutachtung der Dissertation in der eingereichten Fassung vor (§ 8 Abs. 6 PromO 2003), nicht aber bei angenommenen Dissertationen. Die Rüge oder eine Notenherabsetzung nach Promotionsvollzug sind gar nicht vorgesehen.

143

Der vom Kläger geltend gemachte Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Zum einen sind keine Vergleichsfälle angegeben worden oder anderweitig bekannt, in denen entgegen einer abgegebenen eidesstattlichen Versicherung in ähnlichem Umfang entgeltlich inhaltliche und strukturelle Hilfeleistungen durch einen Promotionsberater erbracht worden sind. Zum anderen könnte sich der Kläger wegen des Grundsatzes, dass kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht, ohne Anzeichen für willkürliches Vorgehen der beklagten Hochschule nicht auf entsprechende Vergleichsfälle berufen.

144

2. Auch die Aberkennung des Titels ist rechtmäßig erfolgt.

145

Gemäß § 14 PromO 2003 richtet sich die Entziehung des Doktorgrades, welche die Promotionsordnung ausdrücklich von der Nichtigerklärung nach § 13 PromO 2003 unterscheidet, nach den gesetzlichen Bestimmungen, also nach § 48 HmbVwVfG.Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

146

Diese Maßnahme ist weder formell (unter a.) noch materiell (unter b.) zu beanstanden.

147

a. Formelle Bedenken hinsichtlich der Aberkennung bestehen nicht; insbesondere war die Fakultät in Gestalt der Dekanin für den Erlass des Bescheides zuständig.

148

Die Fakultät ist als Untergliederung der beklagten Hochschule nach § 89 Abs. 1 HmbHG für die Entscheidung im Außenverhältnis zuständig. Entschieden hat die Fakultät - nach außen durch die Dekanin - aufgrund zweier Beschlüsse des Fakultätsrates (vom 24.5. und vom 18.7.2012).

149

Eine Regelung über die interne Zuständigkeit für die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrades trifft die für die Aberkennungsentscheidung maßgebliche Fassung der Promotionsordnung von 2003 nicht. Es spricht viel dafür, dass es sich bei der Entziehung des Doktorgrades um den „actus contrarius“ zur Verleihung handelt und dass dasjenige Organ für die Entziehung zuständig ist, das auch die Verleihung vornimmt (ebenso VG Karlsruhe, Urt. v. 21.1.2015, 7 K 761/11, juris Rn. 33; VG Köln, Urt. v. 15.12.2011, 6 K 7665/10, juris Rn. 26). Aus § 1 PromO 1998 ergibt sich, dass der Fachbereich (heute Fakultät) den akademischen Grad des Doktors der Philosophie verliehen hat. Sie wird nach der Abgabe der vorgeschriebenen Zahl von Ausfertigungen bzw. der Veröffentlichung der Dissertation gemäß § 12 Abs. 1 PromO 1998 durch die Aushändigung der Urkunde in einer Fachbereichsratssitzung vollzogen. Die Urkunde trägt die Unterschriften der Sprecherin bzw. des Sprechers des Fachbereiches Pädagogik (heute Dekan/Dekanin, vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 HmbHG) und der Präsidentin bzw. des Präsidenten der Universität (§ 12 Abs. 2 PromO 1998). Die Promotionsordnung sieht zwar nicht ausdrücklich eine Entscheidung des Fachbereichssprechers (bzw. des Dekans/der Dekanin) vor der Verleihung des Doktorgrades vor. Allerdings wird die Verleihung des Doktorgrades erst nach der Veröffentlichung der Dissertation vorgenommen, sodass dieses Erfordernis zumindest von diesem Organ vor der Verleihung zu prüfen ist. Damit wurde zumindest eine Entscheidung über das Vorliegen der formellen Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades durch den damaligen Fachbereichssprecher Prof. Dr. E getroffen.

150

Soweit in der Rechtsprechung zu anderen Promotionsordnungen teilweise darauf verwiesen wird, dass dasjenige Organ die Rücknahme auszusprechen hat, dass die Sachentscheidung über die Promotion trifft (VG Karlsruhe, Urt. v. 21.1.2015, a.a.O., juris Rn. 34), dürfte dies den Vorgaben der hier relevanten Prüfungsordnung nicht entsprechen. Denn die Promotionsordnung sieht ausdrücklich eine Trennung zwischen der inhaltlichen Bewertung der Prüfungsleistung bzw. der inhaltlichen Überprüfung nach § 13 PromO 1998 durch den Promotionsausschuss und der Organisation des Promotionsverfahrens einschließlich der Verleihung des Doktorgrades durch den Fachbereich vor.

151

Ob die Dekanin mit oder ohne Beschluss des Fakultätsrats die Rücknahme aussprechen durfte, ist nicht entscheidungserheblich, da der Fachbereichsrat jedenfalls am 18. Juli 2012 - vor dem Erlass des Aberkennungsbescheides vom 12. November 2012 - einen Beschluss über die Rücknahme der Promotion getroffen hat.

152

b. Der Aberkennungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides war auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG lagen vor (aa.); die Ermessensausübung ist nicht zu beanstanden (bb.).

153

aa. Die Rücknahme der Promotion setzt nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG tatbestandlich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes voraus, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist (hierzu unter (1)). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen ist der Widerspruchsbescheid vom 19. März 2014. Zu Gunsten des Klägers war kein Vertrauensschutz gemäß §§ 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 - 4 HmbVwVfG zu beachten (hierzu unter (2)). Die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 HmbVwVfG wurde eingehalten (hierzu unter (3)).

154

(1) Die Verleihung des Doktorgrades an den Kläger vom 29. Juli 2002 war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2014 rechtswidrig. Sie setzte gemäß § 12 Abs. 1 PromO 1998 zwar tatbestandlich nur voraus, dass die Bewerberin bzw. der Bewerber die vorgeschriebene Zahl von Ausfertigungen der Dissertation abgegeben hat. Aus dem systematischen Zusammenhang dieser Vorschrift, die als letzte im Rahmen sämtlicher Voraussetzungen für das Promotionsverfahren geregelt ist (vgl. §§ 3 - 11 PromO 1998), ergibt sich jedoch - ebenso wie aus Sinn und Zweck der Norm –, dass die Verleihung des Titels nicht allein von der Veröffentlichung der Dissertation abhängig ist, sondern vom erfolgreichen Durchlaufen des gesamten Promotionsverfahrens. Mit der spätestens am 29. Mai 2013 ausdrücklich erfolgten Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens durch den Promotionsausschuss entfiel jedoch die Grundlage für die Verleihung des Doktorgrades. Ob die Dekanin vor diesem maßgeblichen Beschluss des Promotionsausschusses bereits die Aberkennung der Promotion verfügen konnte, ist unerheblich, da auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides abzustellen ist.

155

(2) Im Rahmen des Tatbestandes des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG waren Aspekte des Vertrauensschutzes gemäß § 48 Abs. 3 HmbVwVfG nicht zu berücksichtigen. Denn es handelte sich um die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakte, der nicht Geld- oder Sachleistungen im Sinne des § 48 Abs. 2 HmbVwVfG betraf. Anders als bei den unter § 48 Abs. 2 HmbVwVfG fallenden Verwaltungsakten löst schutzwürdiges Vertrauen höchstens im Wege des Vermögensschutzes eine Entschädigungspflicht aus (VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, 2 K 2209/13, juris Rn. 216).

156

(3) Die Beklagte hat die gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG einzuhaltende Rücknahmefrist von einem Jahr seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme eingehalten, obwohl dies nicht erforderlich war. Denn diese Vorgabe greift im vorliegenden Fall gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG nicht ein, da der Kläger den Verwaltungsakt - wie oben dargestellt - durch arglistige Täuschung im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG erlangt hat.

157

Die einjährige Rücknahmefrist wurde im Übrigen gewahrt. Denn der Fristlauf beginnt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, erst dann, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen erlangt hat, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen. Der für die Rücknahme des Verwaltungsakts berufener Amtswalter oder ein sonst innerörtlich zuständiger Amtswalter muss diese Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt haben. Zur Herstellung der Entscheidungsreife gehört auch die Anhörung des Betroffenen, vor deren Durchführung die Jahresfrist nicht beginnt (BVerwG, Beschl. v. 4.12.2008, 2 B 60/08, juris Rn. 7; VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, a.a.O., juris Rn. 221). Die Beklagte hat den Kläger erst mit Anschreiben vom 7. März 2012 angehört; dieser hat darauf mit einer E-Mail vom 16. März 2012 geantwortet. Eine weitere Anfrage sandte die Beklagte am 26. April 2012 mit der Bitte um Angaben im Hinblick auf den Zusatzvertrag. Diese wurde am 11. Mai 2012 beantwortet. Anschließend, im Juni 2012, ermittelte die Beklagte bei den Mitgliedern des Promotionsausschusses deren Kenntnisse über Dienstleistungen in Verbindung mit der Promotion des Klägers. Vor diesem Hintergrund begann die Jahresfrist jedenfalls nicht vor Juni 2012 zu laufen; der Aberkennungsbescheid erging fristgerecht am 12. November 2012.

158

bb. Die Beklagte hat bereits im Ausgangsbescheid vom 12. November 2012 (Seiten 7 und 8) erkannt, dass im Rahmen des § 48 HmbVwVfG Ermessen auszuüben ist. Insbesondere hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 19. März 2014 (ab S. 16) ausführlich ihre Ermessenserwägungen dargelegt.

159

Es besteht kein Anlass, hinsichtlich der Aberkennung (Rücknahme) einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzunehmen. Insofern gilt dasselbe wie bei der Entscheidung des Promotionsausschusses über die Nichtigerklärung des Promotionsverfahrens, die ebenfalls eine Ermessensentscheidung beinhaltet (s.o. unter 1. b. bb.).

160

3. Auch die im Widerspruchsbescheid erweiterte Verpflichtung des Klägers, neben der Promotionsurkunde über die Verleihung des Titels auch die Urkunde über das Prüfungsergebnis nach Eintritt der Bestandskraft des angegriffenen Bescheides zurückzugeben, ist nicht zu beanstanden.

161

Die Verpflichtung zur Rückgabe der Promotionsurkunde und des Zeugnisses ergibt sich aus § 52 Satz 1 HmbVwVfG. Danach kann die Behörde erteilte Urkunden, die zum Nachweis der Rechte aus einem Verwaltungsakt bestimmt sind, zurückfordern, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen wurde oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Gemäß § 52 Satz 2 HmbVwVfG sind Inhaber bzw. Besitzer dieser Urkunden oder Sachen zu ihrer Herausgabe verpflichtet.

162

Diese Voraussetzungen sind tatbestandlich gegeben. Die Promotionsurkunde dokumentiert gemäß § 12 Abs. 1 PromO 1998 die Verleihung des Doktortitels; die Verleihung wurde jedoch rechtmäßig zurückgenommen (siehe oben unter 2.).

163

Das Zeugnis bestätigt das Bestehen der Promotionsprüfung und gibt die Benotung der Dissertation und der Disputation wieder (§ 10 PromO 1998). Da das gesamte Promotionsverfahren (zu Recht) für nichtig erklärt wurde (siehe unter 1.), wurde auch die absolvierte Prüfung nachträglich für unwirksam erklärt.

164

Zwar setzt die Rückforderung nach dem Wortlaut des § 52 Satz 1 HmbVwVfG grundsätzlich die Unanfechtbarkeit der aufhebenden Entscheidung voraus. Möglich ist die Rückforderung aber auch zeitgleich mit dem die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes aufhebenden Verwaltungsakt, wenn sie unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts der Unanfechtbarkeit gestellt wird (vgl. Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 52 Rn. 6). Hier hat die Beklagte im Tenor des Widerspruchsbescheides darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Rückgabe der Promotionsurkunde und des Zeugnisses erst dann besteht, sobald die angegriffene Verfügung bestandskräftig geworden ist.

165

Auch die Rechtsfolge ist nach dem Maßstab des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Die Rückforderung nach § 52 Satz 1 HmbVwVfG steht ausdrücklich im Ermessen der Behörde, wie sich an dem Wort „kann“ zeigt. Bei der Entscheidung, ist neben der Missbrauchsgefahr, von der das Gesetz im Regelfall ausgeht, auch ein etwaiges Interesse des Inhabers bzw. Besitzers zu berücksichtigen (Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 52 Rn. 11). Der Umstand, dass es in § 52 Satz 2 HmbVwVfG heißt, Inhaber und Besitzer „sind“ zur Herausgabe verpflichtet, ändert nichts an dem eröffneten Ermessen, sondern regelt lediglich die Adressateneigenschaft.

166

Angesichts des hier vorliegenden intendierten Ermessens (ebenso VG Hannover, Urt. v. 16.7.2012, 7 K 1311/12, juris Rn. 76; VG Aachen, Urt. v. 16.7.2012, Rn. 76; VG Augsburg, Urt. v. 23.4.2010, Au 4 K 10.45, juris Rn. 40, jeweils zu zu § 52 VwVfG; Ramsauer, a.a.O.) musste jedoch keine ausdrückliche Begründung für die Ermessensausübung gegeben werden. Denn Behörde hat regelmäßig zu verhindern, dass ein falscher Rechtsschein gesetzt wird bzw. durch das Belassen der Urkunde aufrechterhalten bleibt. Nur in atypischen Fällen ist von der Rückforderung abzusehen. Ein solcher ist hier weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden. Geht die Behörde vom intendierten Regelfall aus, bedarf es im Ablehnungsbescheid keiner Darstellung von Ermessenserwägungen und auch sonst keiner Begründung der Ermessensentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.6.1997, BVerwG 3 C 22.96, BVerwGE 105, 55, 57, juris Rn. 14). Nur dann, wenn die Behörde eine vom intendierten Regelfall abweichende Ausnahme bejaht, muss sie ihre Ermessensbetätigung begründen und die ihr Ermessen lenkenden Erwägungen darstellen (OVG Hamburg, Urt. v. 25.7.2017, 3 Bf 96/15, juris Rn. 72; OVG Lüneburg, Urt. v. 15.11.2016, 8 LB 58/16, juris Rn. 62 m.w.N.; a.A.: Ramsauer, a.a.O., § 40 Rn. 65 - danach bedarf es zumindest des Hinweises, dass keine besonderen Umstände ersichtlich sind).

B.

167

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da es an einer den Kläger begünstigenden Kostengrundentscheidung fehlt, erübrigt sich ein Ausspruch zur Notwendigkeit der Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

168

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 VwGO.

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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 79


(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist 1. der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,2. der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. (2) Der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 78


(1) Die Klage ist zu richten 1. gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,2

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 61


Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind 1. natürliche und juristische Personen,2. Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,3. Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 16 Irrtum über Tatumstände


(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den

Strafgesetzbuch - StGB | § 156 Falsche Versicherung an Eides Statt


Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe be

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 52 Rückgabe von Urkunden und Sachen


Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder ist seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben, so kann die Behörde die auf Grund dieses Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nac

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Referenzen

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu vier Fünfteln und die Beklagte zu einem Fünftel.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen in einem Hochschulstudium sowie gegen die zugrundeliegende Bewertung einer Hausarbeit und begehrt die Fortsetzung eines Studiums an der Hochschule der Beklagten.

2

Der Kläger stand seit 2005 bis zum 30. Juni 2013 als Soldat auf Zeit im Dienst der Beklagten, zuletzt als Oberleutnant. Seit dem 1. Oktober 2008 studierte er an der von der Beklagten eingerichteten Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU) im Bachelor-Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft.

3

Nachdem der Kläger zu zwei vorangegangenen Abgabeterminen keine Prüfungsleistung abgegeben hatte, legte er am 17. Oktober 2010 im dritten Prüfungsversuch im Seminar „H.“ des in die Bachelorprüfung eingeschlossenen Moduls „G.“ die Hausarbeit „F.“ vor.

4

Die Dozentin und betreuende Prüferin Dr. I. teilte dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses Bildungs- und Erziehungswissenschaft der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, dem Zeugen Prof. B., mit E-Mail vom 4. November 2010 mit:

5

„leider habe ich bei der Korrektur einer Hausarbeit erneut ein Plagiat feststellen müssen. […]
Zudem ist die Arbeit inhaltlich eher schwach, wissenschaftliche Quellen fehlen an vielen Stellen, viele Behauptungen werden nicht belegt. Sowohl A., die die Arbeit gelesen hat, als auch ich sehen sie an der unter Leistungsgrenze.
Ich werde die Arbeit daher mit fünf bewerten. Ich bin noch unsicher, ob ich sie auch im CMS als Täuschungsversuch markiere. […]“

6

In dem für Hochschulangehörige zugänglichen elektronischen Campus-Management-System (CMS) wurde am 4. November 2010 auf Veranlassung der Prüferin die für die Note „nicht ausreichend“ stehende Bewertung „5,0“ eingetragen ohne das für einen Täuschungsversuch stehende Kürzel „TV“. Nach einem Gespräch mit dem Kläger am 9. November 2010 und einem Schreiben des Klägers vom 10. November 2010, in dem er sich gegen den Vorwurf eines Täuschungsversuchs zur Wehr setzte, wurde auf Veranlassung des Zeugen als Vorsitzenden des Prüfungsausschusses am 9. Dezember 2010 die für die Note „ausreichend“ stehende Bewertung „4,0“ eingetragen. Auf Veranlassung der Prüferin wurde am 11. November 2010 der Eintrag im CMS auf „5,0/TV“ geändert.

7

Das Prüfungsamt der HSU teilte dem Kläger mit Schreiben vom 4. Januar 2011 mit:

8

„ich muss Sie leider darüber in Kenntnis setzen, dass Sie die Bachelorprüfung im Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft am 08. Oktober 2010, dem Zeitpunkt Ihrer zweiten Wiederholung der Modulprüfung ‚G.‘ endgültig nicht bestanden haben.
[…]
Sie erhalten in Kürze vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses einen entsprechenden Bescheid über das Nichtbestehen der Bachelorprüfung. Zuvor gebe ich Ihnen Gelegenheit, sich binnen einer Woche nach Erhalt dieses Schreibens zu dieser Angelegenheit gegenüber dem Prüfungsamt zu äußern (§ 9 Abs. 8 SPO BuErz).“

9

Am 12. Januar 2011 wurde der Eintrag im CMS auf Veranlassung des Zeugen auf „4,0“ geändert und das Anhörungsschreiben als ungültig bezeichnet.

10

Nachdem die Prüferin am 31. Januar 2011 um eine Überprüfung der Entscheidung des Zeugen gebeten und der Präsident der HSU am 2. Mai 2011 eine rechtliche Prüfung angeordnet hatte, befasste sich der Prüfungsausschuss erneut mit der Angelegenheit. In der Sitzung am 27. Juni 2011 kam er zu dem Ergebnis, dass ein Täuschungsversuch vorliege.

11

Mit Bescheid vom 28. Juli 2011, der dem Kläger am 15. September 2011 übergeben wurde, sprach der Prüfungsausschuss Bildungs- und Erziehungswissenschaft der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der HSU aus, dass der Kläger die Bachelor-Prüfung im Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft am 17. Oktober 2010 endgültig nicht bestanden habe. Die Beklagte führte zur Begründung aus, dass der Prüfungsausschuss am 27. Juni 2011 das Vorliegen eines Täuschungsversuchs festgestellt habe und legte dar:

12

„Sie haben bei Abfassung der Hausarbeit in großem Umfang Text – zum Teil wortwörtlich – übernommen, ohne dies hinreichend kenntlich gemacht oder diese Quellen ordnungsgemäß angegeben zu haben.
[…]
Die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist Bestandteil dieses Bescheids.“

13

Am 7. Oktober 2011 fand eine weitere Sitzung des Prüfungsausschusses statt. Dort heißt es zu dem den Kläger betreffenden ersten Tagesordnungspunkt:

14

„Ursprünglich sollte unter diesem TOP ein Widerspruch zum Plagiatsverdacht eingelegt werden. Prof. B. teilt mit, dass der Student C. nun jedoch nur eine Stellungnahme zur Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 27.6.2011 abgeben möchte.
Es wird klargestellt, dass ein Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift eingereicht werden muss, da er sonst nicht wirksam ist.
Bedenken von Prof. D. und Prof. E., dass der Prüfungsausschuss seine Plagiatsfeststellung neu begründen müsse, werden von Prof. B. zurückgewiesen. Der Student nehme lediglich sein Recht wahr, sich vor dem Ausschuss zu der Feststellung des Plagiats zu verhalten.

15

C. wird zur Anhörung in den Raum gebeten.

16

Wesentliche Punkte seiner Stellungnahme:

17

- [Er] ist sich der Schwere des Delikts bewusst und es tut ihm leid.
- Er räumt mangelnde Wissenschaftlichkeit der Arbeit ein.
- Er hat nicht mit Absicht fremdes Wissen gestohlen.
- Er führt die weitreichenden Konsequenzen aus, die ihm aus dem Sachverhalt erwachsen:

18

1. Er verlässt die HSU ohne Studienabschluss.
2. Seine vorläufige Dienstzeitfestsetzung wird von der Bundeswehr nicht verlängert, somit scheidet er frühzeitig aus dem aktiven Dienst aus.

19

- Er führt aus, dass die Bundeswehr sein Leben ist und er sich kein ziviles Leben und Karriere mehr vorstellen könne, weil er sämtliche zivile Kontakte beendet habe.
- Er bittet daher darum, das Teilmodul wiederholen und die Modulabschlussarbeit in Form einer Hausarbeit erneut einreichen zu dürfen.
[…]

20

Herr C. macht anschließend erneut deutlich, dass er sich nicht mehr erklären könne, wie es zu den fehlerhaften Zitaten gekommen sei und dass er nicht vorsätzlich habe täuschen wollen.

21

Weiterhin sei ihm bewusst, dass die Entscheidung nicht zurückgezogen werden könne, weil auch der wissenschaftliche Ruf der HSU auf dem Spiel stehe.
[…]

22

Herr C. verlässt den Raum.

23

Prof. B. eröffnet die Diskussion.

24

[…]
Der [Prüfungsausschuss] entspricht daraufhin der Bitte von Herrn C. einstimmig, unter dem Vorbehalt, dass dieser Weg einer rechtlichen Prüfung durch einen Justiziar standhält.“

25

Unter dem Datum des 15. Oktober 2011, einem Sonnabend, erstellte das Studiensekretariat der HSU eine dem Kläger zugegangene Bescheinigung, in der es in Bezug auf den Kläger heißt:

26

„Exmatrikulationsbescheinigung
(Bitte sorgfältig aufbewahren!)
Studiengang: Bildungs- und Erziehungswissenschaften
Studienbeginn: 1. Oktober 2008
Hiermit wird bescheinigt, dass nachstehend Genannte(r) an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg studiert hat und mit Ablauf des 15. Oktober 2011 exmatrikuliert wurde […]

27

Die Justiziarin der HSU teilte dem Zeugen am 17. November 2011 mit, dass eine Wiederholung der Prüfung nicht möglich sei.

28

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte für diesen am 3. Januar 2012 gegen die Mitteilung des Prüfungsamtes vom 4. Januar 2011, gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 28. Juli 2011 sowie gegen die Exmatrikulationbescheinigung vom 15. Oktober 2011 Widerspruch ein. Er beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Widerspruchsfrist wegen der Mitteilung vom 4. Januar 2011 und des Bescheids vom 28. Juli 2011 und führte zu den Umständen nach Zugang des Bescheids aus:

29

„Herr C. suchte daraufhin das Gespräch mit Herrn Prof. B. als Vorsitzendem des Prüfungsausschusses, der vorschlug, dass die Angelegenheit erneut vor dem Prüfungsausschuss Ihrer Hochschule verhandelt werden solle. Diese Verhandlung der Angelegenheit von Herrn C. fand dann auch statt. Ergebnis der Verhandlung war, dass einer Lösung näher getreten wurde, dass Herr C. das betreffende Modul vollständig noch einmal absolviert; der Prüfungsausschuss stellte dies unter den Vorbehalt, dass eine solche Lösung rechtlich möglich ist.

30

Am 21. Dezember 2011 wurde Herrn C. dann von Herrn Prof. B. als Vorsitzendem des Prüfungsausschusses mitgeteilt, dass die ins Auge gefasste Lösung rechtlich nicht möglich sei.
[…]

31

Im Hinblick auf den Bescheid, der mit dem 28. Juli 2011 datiert ist, soll durch mich nun das Widerspruchsverfahren fortgesetzt werden. Herr C. hatte zwar keinen schriftlichen Widerspruch erhoben, durch die Verhandlung vor dem Prüfungsausschuss hatte sich Ihre Hochschule jedoch rügelos auf den mündlich bei Herrn Prof. B. erhobenen Widerspruch hin eingelassen.
[…]

32

Die Wiedereinsetzung wäre zu gewähren, da die Durchführung einer Verhandlung vor dem Prüfungsausschuss nach Erlass des Bescheids vom 28. Juli 2011 nur sinnvoll sein kann […] als Verhandlung über den Widerspruch, und insoweit bei Herrn C. der Eindruck entstehen musste, dass er die erforderlichen Schritte ergriffen hatte, um ein Widerspruchsverfahren in Gang zu setzen.“

33

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2012, zugestellt am 6. Juli 2012, zurück und führte aus:

34

„Ihr Widerspruch ist unzulässig, soweit er das Schreiben des Prüfungsamts vom 04. Januar 2011 (dazu unter 1.) und den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 28. Juli 2011 (dazu unter 2.) betrifft, bezüglich letzterem ist er zudem unbegründet. Was die Exmatrikulationsbescheinigung anbelangt (dazu unter 3.), ist der Widerspruch zwar zulässig, aber unbegründet.

1.

35

Soweit der Widerspruch sich gegen das Schreiben des Prüfungsamts vom 04. Januar 2011 richtet, ist er unzulässig.

36

Das Schreiben des Prüfungsamts stellt schon […] keinen Verwaltungsakt […] dar.

2.

37

Soweit der Widerspruch sich gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 28. Juli 2011 richtet, ist er unzulässig (dazu unter a) und zudem unbegründet (dazu unter b).

a)

38

Der Widerspruch ist nicht fristgerecht erhoben worden. […]

39

Sie waren in der Rechtsbehelfsbelehrung, die Bestandteil des Bescheids vom 28. Juli 2011 ist, ausdrücklich sowohl auf die Frist als auch auf die Form der Widerspruchserhebung ('schriftlich oder zur Niederschrift') hingewiesen worden. […]

40

Aus dem Protokoll zur Sitzung des Prüfungsausschusses vom 07. Oktober 2011 geht hervor, dass der Prüfungsausschuss Ihr mündliches Vorbringen auf der Sitzung nicht als Akt der Einlegung des Widerspruchs verstanden hat und auch nicht verstehen musste. […]

b)

41

Der Widerspruch vom 03. Januar 2012 gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 28. Juli 2011 ist zudem auch unbegründet. […]

3.

42

Soweit der Widerspruch sich gegen die Exmatrikulationsbescheinigung vom 15. Oktober 2011 richtet, ist er zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, aber unbegründet.

43

a) Die Exmatrikulationsbescheinigung ist […] als Verwaltungsakt anzusehen […]
b) Der Widerspruch ist jedoch unbegründet.

44

Nach § 9 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Immatrikulations- und Exmatrikulationsordnung ist ein Student zu exmatrikulieren mit der Rechtskraft des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen der Prüfung.

45

Gegen den Bescheid vom 28. Juli 2011 über das endgültige Nichtbestehen der Bachelor-Prüfung, den Sie am 15. September 2011 erhalten haben, ist nicht fristgerecht Widerspruch erhoben worden (s.o.), so dass der Bescheid mit Ablauf des 15. Oktober 2011 in Bestandskraft erwachsen ist. […]

46

Rechtsbehelfsbelehrung
[…]
Die Klage ist gegen die Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg zu richten […]“

47

Mit der am 6. August 2012 erhobenen Klage bringt der Kläger vor, die Klage sei zulässig. Er habe sich nach Zustellung des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen an die für einen Widerspruch zuständige Stelle, nämlich den Zeugen als Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gewandt. Der Prüfungsausschuss sei in der ihm, dem Kläger, ausgehändigten Rechtsbehelfsbelehrung als zuständige Stelle aufgeführt. Er, der Kläger, habe gegenüber dem Zeugen mündlich Widerspruch eingelegt. Spätestens habe er in der Sitzung des Prüfungsausschusses am 7. Oktober 2011 Widerspruch zur Niederschrift erhoben. Er habe sich gegen die Bewertung als Täuschungsversuch gewandt. Im Übrigen sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht abgelehnt worden. Aus dem Sitzungsprotokoll des Prüfungsausschusses ergebe sich nicht, dass ihm bewusst gewesen sei, dass es sich nicht um einen Widerspruch, sondern nur um eine Anhörung handelte sollte. Er sei erst nach Erörterung dieser Frage in der Sitzung anwesend gewesen. Der Zeuge habe als Vorsitzender des Prüfungsausschusses davon ausgehen müssen, dass es sich nicht lediglich um eine Missfallensbekundung gehandelt habe, sondern um einen mündlichen Widerspruch. Der Zeuge habe den Kläger falsch beraten. Die Beklagte habe ihn über die bestehenden rechtlichen Zweifel an dem ins Auge gefassten alternativen Weg aufklären müssen. Die anstandslose Entgegennahme eines mündlichen Widerspruchs begründe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine mögliche Verfristung sei durch Einlassung der Widerspruchsbehörde zur Sache geheilt. Die Klage sei auch begründet. Der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen sei rechtswidrig. Es handele sich um die Rücknahme einer vorherigen Bewertung der Hausarbeit, die ein Verwaltungsakt sei. Der Vertrauensschutz werde nicht beachtet und der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Der zurückgenommene Verwaltungsakt sei rechtmäßig. Aufgrund der Äußerung der Prüferin, die sehe die Arbeit (wörtlich) „an der unter Leistungsgrenze“, sei die Leistung mit der Note „ausreichend“ (4,0) zu bewerten. Der Vorwurf eines Täuschungsversuchs sei nicht zu belegen. Um weitere Nachteile für seine Laufbahn bei der Bundeswehr zu vermeiden, sei es zweckmäßig, ihm die Wiederaufnahme des Studiums zu ermöglichen.

48

Die Beteiligten haben im Hinblick auf den angekündigten Klageantrag zu 3., die Exmatrikulationsbescheinigung vom 15. Oktober 2011 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2012 aufzuheben, den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2014 übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte insoweit dem Begehren des Klägers abgeholfen hatte.

49

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

50

1. den Bescheid des Prüfungsausschusses für den Bachelor- und den Master-Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität vom 28. Juli 2011 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2012, mit dem das endgültige Nichtbestehen der Bachelor-Prüfung im Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaften festgestellt wurde – hilfsweise unter Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand – aufzuheben,

51

2. die Beklagte zu verurteilen, die von ihm im Rahmen des Moduls „G.“ am 17. Oktober 2010 vorgelegte Hauarbeit mit dem Titel „F.“ mit der Note „ausreichend“ (4,0), hilfsweise mit einer von der Universität nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts getroffenen Note zu bewerten,

52

4. der Beklagten aufzugeben, ihn zu einem mit seinen anderweitigen dienstlichen Verwendungen abgestimmten Zeitpunkt erneut als Studenten der Hochschule aufzunehmen und weiterhin zu den vorgesehenen Prüfungen zuzulassen und ihn in den Masterstudiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaften aufzunehmen,

53

5. hilfsweise zu 2., die Beklagte zu verurteilen, ihm die Möglichkeit zu geben, die Prüfungsleistung einer Hausarbeit im Rahmen der Bachelor-Prüfung zu wiederholen.

54

Der Kläger beantragt ferner,

55

die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

56

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

57

die Klage abzuweisen.

58

Die Beklagte führt aus, die Klage sei zutreffend gegen die Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg gerichtet. Zur Begründung des klagabweisenden Antrags bezieht sie sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Hinsichtlich des Klageantrags zu 1. sei die Klage bereits unzulässig. Das Sitzungsprotokoll des Prüfungsausschusses gebe die Meinungsänderung des Klägers wieder, keinen Widerspruch einlegen zu wollen. Der Unzulässigkeit stehe nicht entgegen, dass der Widerspruchsbescheid neben Ausführungen zur Unzulässigkeit auch Ausführungen zur Frage der Begründetheit enthalte. Diese seien lediglich ergänzend erfolgt und stellten keine Sachentscheidung dar, die die Verfristung heilen könnte. Sollte das Gericht dieser Auffassung nicht folgen oder dem Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren, werde vorsorglich für die Frage der Begründetheit des Klageantrags zu 1. auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ebenfalls vorsorglich werde zu dem in der Klageschrift enthaltenen neuen Vortrag des Klägers Stellung genommen. Der Klageantrag zu 2., sofern er auf die Bewertung der Hausarbeit bezogen verstanden werde, sei unzulässig. Das Begehren hinsichtlich des Klageantrags zu 4. sei nicht hinreichend bestimmt. Einer Immatrikulation im Master-Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft fehle der erfolgreiche Abschluss eines grundständigen Studiengangs. Die Klage betreffe nur die hochschulrechtlichen Ansprüche. Dienstrechtliche Maßnahmen müsse der Kläger gegebenenfalls auch vor dem insoweit zuständigen Truppendienstgericht durchsetzen. Der Klageantrag zu 5. gehe ins Leere.

59

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2014 Beweis erhoben über den Verlauf der Sitzung des Prüfungsausschusses für den Bachelor- und den Master-Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der HSU durch Vernehmung des Zeugen Prof. B.. Bei der Entscheidung haben vorgelegen die Akten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, 2 E 2537/13, sowie die in einem Aktenordner zusammengefassten Sachakten. Darauf sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen, wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Einverständnisses mit dem schriftlichen Verfahren insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

60

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter anstelle der Kammer und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne abschließende mündliche Verhandlung.

I.

61

Die teilweise Einstellung des Verfahrens beruht auf § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO in analoger Anwendung auf die übereinstimmende Erledigungserklärung, welche die Beteiligten im Umfang des angekündigten Klageantrags zu 3. abgegeben haben.

II.

62

Die Klage im Übrigen hat keinen Erfolg. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (1.). Die Klage richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland (2.). Gleichwohl ist die Klage im Klageantrag zu 1. (3.) in den Klageanträgen zu 2. und 5. (4.) sowie im Klageantrag zu 4. unzulässig (5.).

63

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der vorliegenden öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art eröffnet. Der Kläger macht subjektive öffentliche Rechte gegen die Beklagte als Trägerin der besuchten Hochschule, nicht gegen die Beklagte als Dienstherrin geltend. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 4., in welchem der Kläger sein Begehren auf Wiederaufnahme als Studenten zwar unter den Vorbehalt der Abstimmung mit anderweitigen dienstlichen Verwendungsentscheidungen stellt. Damit begehrt der Kläger aber nicht unmittelbar eine konkrete Verwendungsentscheidung, deren Überprüfung nach § 17 der Wehrbeschwerdeordnung (neugefasst durch Bekanntmachung v. 22.1.2009 BGBl. I S. 81, zuletzt geändert durch Gesetz v. 21.7.2012 BGBl. I S. 1583 – WBO) der Zuständigkeit der Truppendienstgerichte unterläge. Er leitet vielmehr vorrangig Rechte aus seinem Hochschul- und Prüfungsrechtsverhältnis zur Beklagten her. Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet gemäß § 17 Abs. 2 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

64

2. Die Klage richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland, nicht gegen die Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU). Das Begehren ist zugunsten des Klägers nach § 88 VwGO entsprechend auszulegen. Denn nach dem Rechtsträgerprinzip ist die Bundesrepublik Deutschland in hochschulrechtlichen und prüfungsrechtlichen Angelegenheiten der HSU passiv prozessführungsbefugt und nicht die HSU selbst (a.A. OVG Hamburg, Beschl. v. 19.11.2013, 3 Bs 274/13, juris Rn. 3). Dies steht in Übereinstimmung mit der von Amts wegen in jeder Instanz zu prüfenden Rubrizierung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 14.10.1992, 6 B 2/92, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 303, ebenso vorgehend OVG Hamburg, Urt. v. 29.4.1991, Bf III 42/88, Bf III 7/91, juris, nur Ls.).

65

Die passive Prozessführungsbefugnis der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich, soweit für das klägerische Begehren die Anfechtungs- oder die Verpflichtungsklage statthaft ist, aus § 78 Abs. 1 VwGO. Nach Nr. 1 dieser Vorschrift ist die Klage gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, zu richten, wobei zur Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde genügt. Nach Nr. 2 der Vorschrift ist die Klage zwar, sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst zu richten, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Da es an einer einschlägigen landesrechtlichen Bestimmung fehlt, verbleibt es jedoch bei dem Rechtsträgerprinzip, das in Nr. 1 der Vorschrift zum Ausdruck kommt. Danach ist die Klage gegen den Bund zu richten. Zwar ist § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dahingehend erweiternd anzuwenden, dass der betreffende Rechtsträger unabhängig davon richtiger Beklagter ist, ob es sich um eine rechtsfähige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung (Ehlers, in Festschrift für Menger, S. 379, 387) oder um eine Vereinigung, soweit ihr ein Recht zustehen kann, handelt (insoweit auch OVG Hamburg, Beschl. v. 19.11.2013, 3 Bs 274/13, juris Rn. 3 m.w.N.). Damit sind alle Rechtsträger erfasst, d.h. alle Zuordnungssubjekte von Außenrechtssätzen, die fähig sind, im Außenrechtsverhältnis Rechte und Pflichten zu tragen. Doch führt diese erweiternde Anwendung zu keinem anderen Ergebnis als dem, dass die Bundesrepublik Deutschland passiv prozessführungsbefugt ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist Rechtsträger der HSU. Die HSU ist nicht selbst Rechtsträger. Denn es fehlt es an einer Rechtsvorschrift, welcher der HSU die Fähigkeit zuspricht, im Außenrechtsverhältnis Rechte und Pflichten zu tragen. Die Fähigkeit, im Außenrechtsverhältnis Rechte und Pflichten zu tragen, besitzen die nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähigen natürlichen und juristischen Personen sowie diejenigen nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähigen Vereinigungen, denen im Außenverhältnis ein Recht zustehen kann. Vereinigungen, denen nur im Innenverhältnis ein Recht zustehen kann, etwa der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung gegenüber der Aufsichtsbehörde ihres Rechtsträgers Freie und Hansestadt Hamburg, sind zwar nach § 61 Nr. 2 VwGO im Innenrechtsstreit gegenüber ihrer Aufsichtsbehörde beteiligtenfähig (OVG Hamburg, Urt. v. 27.2.1995, Bf III 159/93, DVBl. 1995, 1361, juris Rn. 3). Doch sind Vereinigungen, denen nur im Innenrechtsverhältnis ein Recht zustehen kann, im Außenrechtsstreit nicht prozessführungsbefugt. Solche Vereinigungen sind nicht Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten im Außenrechtsverhältnis. Sie können keine eigenen Rechte geltend machen und gegen sie können keine eigenen Pflichten geltend gemacht werden. Die Qualifikation als natürliche Person, juristische Person oder Vereinigung, der im Außenverhältnis ein Recht zustehen kann, wird durch die prozessualen Vorschriften vorausgesetzt und nicht als Rechtsfolge verliehen. Die Qualifikation muss sich aus den Vorschriften des materiellen Rechts ergeben. An einer solchen Vorschrift fehlt es für die HSU:

66

Die Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu tragen, ergibt sich für die HSU nicht aus dem Verfassungsrecht. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Juristische Personen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Rechtsträger nach dem einfachen materiellen Recht, die nicht natürliche Personen sind. Diese Verfassungsvorschrift setzt voraus, dass nach dem einfachen nationalen oder unionalen Recht die Fähigkeit besteht, Rechte und Pflichten zu tragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.7.2011, 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78, juris Rn. 68).

67

Die HSU ist aufgrund der Vorschriften des Privatrechts weder als juristische Person vollrechtsfähig noch sonst als Personenvereinigung teilrechtsfähig. Die HSU ist im Gegensatz etwa zur Bucerius Law School gGmbH nicht nach § 13 Abs. 1 GmbHG eine juristische Person des Privatrechts. Sie ist auch keine Vereinigung, der nach dem Privatrecht ein Recht zustehen kann. Es handelt sich weder um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB noch um einen nicht eingetragenen Verein nach § 54 Satz 1 BGB der an ihr tätigen Studierenden und Lehrenden. Die Gründung der HSU beruht nicht auf einer Willensübereinstimmung der an ihr tätigen Studierenden und Lehrenden in einem privatrechtlichen Vertrag, sondern auf einem Organisationsakt der Beklagten. Die Beklagte hat die HSU als Untergliederung des Bundesministeriums der Verteidigung gegründet.

68

Die Gründung der HSU durch die Beklagte beruht auch nicht auf einer (außenrechtswirksamen) Rechtsvorschrift des Bundes, sondern wird durch (nicht außenrechtswirksame) Verwaltungsvorschriften begleitet, gegenwärtig die „Rahmenbestimmungen für Struktur und Organisation der Universität der Bundeswehr“ (i.d.F. des Erlasses v. 4.8.1993, BMVg – Fü S I 11 – SdB UniBw – Az 38-02-02-02 – Rahmenbestimmungen).

69

Der HSU ist eine Rechtsfähigkeit schließlich nicht durch Landesgesetz verliehen worden, im Gegensatz etwa zur HafenCity Universität Hamburg nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Gründung der HafenCity Universität Hamburg (v. 14.12.2005, HmbGVBl. 2005, S. 491 – HCUG). Eine Rechtsfähigkeit der HSU folgt auch nicht aus oder aufgrund von § 112 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171, zuletzt geändert durch Gesetz v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269 – HmbHG). Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde der HSU, die von der Bundesrepublik Deutschland als wissenschaftliche Hochschule für die Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten errichtet worden ist, für bestimmte Studiengänge das Recht übertragen, Prüfungen abzunehmen, akademische Grade zu verleihen und in diesen Studiengängen auch zivile Studierende auszubilden. Von dieser Möglichkeit hat die zuständige Behörde der Freien und Hansestadt Hamburg durch Übertragungsbescheid vom 23. Oktober 1978 in der Neufassung vom 5. Juli 2007 Gebrauch gemacht. Da die Bundesrepublik Deutschland wegen Art. 30 GG nicht in eigener Verwaltungskompetenz solche Prüfungen abnehmen kann, handelt es sich um eine Beleihung mit Staatsgewalt des Landes (vgl. von Schroeders, Student und Soldat, S. 49 f.). Die Bundesrepublik Deutschland ist hinsichtlich der HSU ebenso Beliehene wie die Bucerius Law School gGmbH dies hinsichtlich der gleichnamigen Hochschule für Rechtswissenschaft ist. Der Landesgesetzgeber ermächtigt in § 112 HmbHG nicht zur Errichtung der HSU, sondern setzt voraus, dass die Bundesrepublik Deutschland sie errichtet hat. Die Freie und Hansestadt Hamburg wäre auch nicht kompetent, einer Untergliederung des Bundesministeriums der Verteidigung Rechtsfähigkeit zu verleihen. Insoweit besteht eine ausschließliche Gesetzgebungs- und Vollzugszuständigkeit des Bundes kraft Natur der Sache sowie nach Art. 73 Nr. 1, 87b GG. Adressat der Rechtsübertragung gemäß § 112 HmbHG kann nicht die HSU sein (so aber von Schroeders, a.a.O., S. 52), sondern nur ein bestehender Rechtsträger. Als bestehender Rechtsträger kommt lediglich die Bundesrepublik Deutschland in Betracht.

70

Soweit für das Begehren des Klägers nicht die Anfechtungs- oder die Verpflichtungsklage statthaft ist, folgt die Geltung des Rechtsträgerprinzips aus allgemeinen prozessualen Grundsätzen (vgl. Ehlers, a.a.O., S. 392). Danach ist in Außenrechtsstreitigkeiten der Rechtsträger, gegen den sich das Begehren in der Sache richtet, passiv prozessführungsbefugt. Nur in Innenrechtsstreitigkeiten kann das Rechtsträgerprinzip demgegenüber nicht verfangen, da innerhalb desselben Rechtsträgers Organe oder Organteile um wehrfähige Innenrechtspositionen streiten und nicht der Rechtsträger sowohl Kläger als auch Beklagter sein kann (Ehlers, a.a.O., S. 394). Die vorliegende Klage betrifft hingegen eine Außenrechtsstreitigkeit. Der Kläger macht subjektive öffentliche Rechte geltend, die er als Student und Prüfungskandidat aus dem Hochschulverhältnis und dem Prüfungsverhältnis herzuleiten sucht.

71

Die Klage ist zudem deshalb zugunsten des Klägers als gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet auszulegen, weil es für eine Klage gegen die HSU an der nach § 42 Abs. 2 VwGO zu fordernden Klagebefugnis fehlen würde. Ansprüche des Klägers gegen die HSU kommen nicht in Betracht, da die HSU nicht fähig ist, Rechte und Pflichten zu tragen. Für die geltend gemachten Ansprüche ist vielmehr die Bundesrepublik Deutschland auch in der Sache die richtige Anspruchsgegnerin.

72

3. Im Klageantrag zu 1. ist die Klage gleichwohl unzulässig, da das gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor Erhebung der Anfechtungsklage durchzuführende Vorverfahren nicht ordnungsgemäß durchlaufen ist. Der in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2012 angefochtene Bescheid vom 28. Juli 2011 über das endgültige Nichtbestehen der Bachelor-Prüfung im Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft ist bestandskräftig. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs ist am 17. Oktober 2011 verstrichen (a)), ohne dass der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Widerspruch eingelegt hat (b)) und ohne dass ihm Wiedereinsetzung in der vorherigen Stand zu gewähren wäre (c)). Der in der Versäumnis der Widerspruchsfrist liegende Zulässigkeitsmangel ist auch nicht geheilt (d)).

73

a) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs ist am 17. Oktober 2011 verstrichen. Der Widerspruch ist gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 VwGO innerhalb eines Monats zu erheben, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist. Die Frist begann gemäß § 187 Abs. 1 BGB i.V.m. § 31 Abs. 1 HmbVwVfG am 16. September 2011 als dem Tag nach der Bekanntgabe durch Übergabe des Bescheids an den Kläger am 15. September 2011. Die für den Fristlauf nach § 58 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 70 Abs. 2 VwGO erforderliche Belehrung über die Verwaltungsbehörde, den Sitz und die einzuhaltende Frist war dem Bescheid schriftlich beigegeben, wie sich aus dessem letzten Satz und auch dem Vortrag des Klägers ergibt. Die Frist hätte gemäß § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB am 15. September 2011 geendet. Da dieser Tag ein Sonnabend war, verschob sich das Fristende jedoch gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG auf den 17. Oktober 2011 als den nächstfolgenden Werktag.

74

b) Der Kläger hat bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 17. Oktober 2011 keinen Widerspruch eingelegt. Ein Widerspruch kann gemäß 70 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 VwGO fristwahrend erhoben werden schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat oder bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat. Ein Widerspruch in schriftlicher Form ist bei dem Prüfungsausschuss für den Bachelor- und den Master-Studiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der HSU erst am 3. Januar 2012 eingegangen. Ein Widerspruch ist weder in den Vorgesprächen mit dem Vorsitzenden (aa)) noch in der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 7. Oktober 2011 (bb)) erhoben worden.

75

aa) Der Kläger hat nicht bereits in den Gesprächen, Widerspruch eingelegt die er vor der am 7. Oktober 2011 stattfindenden Sitzung des Prüfungsausschusses mit dessen Vorsitzendem, dem Zeugen Prof. B., geführt hat. Da der Kläger zu dem Inhalt der Vorgespräche ebenso wie zu der Ausschusssitzung selbst nicht substantiiert vorgetragen hat, kann nur auf die Bekundungen des Zeugen zurückgegriffen werden. Der Zeuge hat bekundet, dass er in seiner Funktion als Vorsitzender des Prüfungsausschusses den Kläger gefragt habe, ob er einen Widerspruch einlegen wollte. Der Kläger habe darauf geantwortet, dass er dies wohl tun werde. Darin liegt entgegen der mit der Klagebegründung vorgenommenen Würdigung keine gegenwärtige (mündliche und deshalb formwidrige) Widerspruchseinlegung, sondern nur die Ankündigung des Klägers, zukünftig Widerspruch einzulegen. Dies gilt ebenso für das weitere Gespräch, das etwa einen Tag vor der Ausschusssitzung stattfand. Der Zeuge hat bekundet, dass der Kläger in diesem letzten Vorgespräch ihn nach den Erfolgsaussichten eines Widerspruchs gefragt habe. Der Zeuge habe daraufhin erläutert, dass er nicht für den Ausschuss sprechen könne, er aber einen Erfolg für sehr unwahrscheinlich halte. Es sei möglich, eine Stellungnahme zum Sachverhalt abzugeben, den Sachverhalt zu kommentieren und den Ausschuss zu bitten, die Prüfung zu wiederholen. Den Willen, im Vorgespräch Widerspruch einzulegen, hat der Kläger ausgehend davon nicht bekundet, sondern lediglich die spätere Einlegung eines Widerspruchs erwogen.

76

Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft. Sie ist detailreich; es fehlt an einer substantiierten abweichenden Darstellung der tatsächlichen Umstände durch den an den Gesprächen beteiligten Kläger. Die Bekundungen des Zeugen sind tendenzfrei; so hat der Zeuge in der Vernehmung die sachliche Richtigkeit der von ihm mitgetragenen Bewertung als Täuschungsversuch in Frage gestellt. Die Schilderung durch den Zeugen deckt sich mit dem Protokoll der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 7. Oktober 2011 zu dem den Kläger betreffenden ersten Tagesordnungspunkt. Aus dem Protokoll hinsichtlich des einleitenden, unter Abwesenheit des Klägers stattfindenden Teils der Sitzung geht hervor, dass „[u]rsprünglich“ ein Widerspruch eingelegt werden sollte, nach Mitteilung des Zeugen der Kläger „nun jedoch nur eine Stellungnahme“ abgeben wollte. Dies kann vor dem Hintergrund, dass dem Prüfungsausschuss ausweislich des Protokolls bewusst war, „dass ein Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift eingereicht werden muss“ nur so verstanden werden, der Kläger habe ursprünglich angekündigt, in der Zukunft Widerspruch einzulegen. Dieser Widerspruch hätte dann in dem in seiner Anwesenheit durchgeführten Teil der Sitzung des Prüfungsausschusses zur Niederschrift genommen werden können.

77

bb) Der Kläger hat auch nicht in der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 7. Oktober 2011 Widerspruch erhoben. Dem Sitzungsprotokoll ist kein Widerspruch gegen den Nichtbestehensbescheid zu entnehmen. Es ist nicht der Wille des Klägers zum Ausdruck gekommen, den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen vom 28. Juli 2011 in einem Rechtsbehelfsverfahren zur Überprüfung zu stellen. Zwar hat der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls geäußert, er habe nicht die Absicht gehabt, fremdes Wissen zu stehlen und habe nicht vorsätzlich täuschen wollen. Doch hat er nicht nur die Schwere des Delikts und mangelnde Wissenschaftlichkeit eingeräumt, sondern auch geäußert, dass wegen des wissenschaftlichen Rufs der HSU „die Entscheidung nicht zurückgezogen“ werden könne. Der Kläger hat nicht den Willen zum Ausdruck gebracht, nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Recht- und Zweckmäßigkeit des Nichtbestehensbescheids, der mit der Bewertung der Hausarbeit als Täuschungsversuch begründet worden war, in einem Rechtsbehelfsverfahren überprüfen zulassen. Der Kläger hat nur den Willen zum Ausdruck gebracht, das Teilmodul wiederholen und die betreffende Hausarbeit erneut einreichen zu dürfen. Dieser Wille schloss nicht notwendig die Einlegung eines Widerspruchs gegen den Nichtbestehensbescheid ein. Wäre der ins Auge gefasste alternative Weg einer Wiederholung rechtlich gangbar gewesen, hätte es keiner Aufhebung des Nichtbestehensbescheids in einem Rechtsbehelfsverfahren nach §§ 72, 73 VwGO bedurft. Vielmehr hätte die Beklagte den Nichtbestehensbescheid nach § 49 Abs. 1 HmbVwVfG von Amts wegen aufheben können und auch müssen, da ihr Widerrufsermessen zugunsten des Klägers reduziert gewesen wäre. Der Weg einer dritten Wiederholung war aber rechtlich nicht gangbar, da nach § 17 Abs. 4 der Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang und für den Master-Studiengang „Bildungs- und Erziehungswissenschaft“ an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (SPO BuErz) Teilleistungsprüfungen einer Modulprüfung nur bis zu zweimal wiederholt werden können.

78

c) Dem Kläger ist hinsichtlich der versäumten Widerspruchsfrist nicht nach § 60 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er war nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist einzuhalten. Es war seine eigenverantwortliche Entscheidung, davon abzusehen, gegen den mit dem Vorliegen eines Täuschungsversuchs in der Hausarbeit begründeten Nichtbestehensbescheid vorzugehen. Der Beklagten ist insofern keine falsche oder irreführende Beratung vorzuhalten. Die Beklagte hat keinen formwidrig mündlich eingelegten Widerspruch anstandslos entgegengenommen. Denn der Kläger hat in den Vorgesprächen vor der Ausschusssitzung (b) aa)) nicht den Willen zum Ausdruck gebracht, gegenwärtig Widerspruch einzulegen. Ausweislich der glaubhaften Zeugenaussage des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses war diesem bewusst, dass der Kläger in der Sitzung zur Niederschrift Widerspruch hätte einlegen können. Der Kläger hat aber auch in der Sitzung einen Willen, Widerspruch einzulegen, nicht zum Ausdruck gebracht (s.o. b) bb)). Der in der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 7. Oktober 2014 angesprochene alternative Weg einer Wiederholung der Prüfungsleistung hätte – wenn er rechtlich gangbar gewesen wäre – nicht die Einlegung eines Widerspruchs gegen den Nichtbestehensbescheid vorausgesetzt (s.o. b) bb)). Der Kläger hat kein schutzwürdiges Vertrauen, sich mit der Begründung gegen den Nichtbestehensbescheid wenden zu können, dass ihm kein Täuschungsversuch zur Last falle. Denn er hat in der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 7. Oktober 2007 selbst dafür gehalten, dass „die Entscheidung nicht zurückgezogen“ werden könne, da der wissenschaftliche Ruf der HSU auf dem Spiel stehe.

79

d) Der in der Versäumnis der Widerspruchsfrist liegende Zulässigkeitsmangel ist auch nicht durch Bescheidung in der Sache oder Einlassung in der Sache geheilt.

80

Die Beklagte hat den Widerspruch gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen vom 28. Juli 2011 im Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2012 nicht in der Sache beschieden. Zwar wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, dass die Widerspruchsbehörde auch über einen verspäteten Widerspruch sachlich entscheiden und damit den Weg zur verwaltungsgerichtlichen Sachprüfung eröffnen darf, da die Widerspruchsfrist in erster Linie dem Schutz der Behörde diene und es ihr daher freistehe, sich entweder auf die Verfristung zu berufen oder zur Sache zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.6.1988, 6 C 24/87, NVwZ-RR 1989, 85 f., juris Rn. 9; Urt. v. 4.8.1982, 4 C 42/79, NVwZ 1983, 285, juris Rn. 11; OVG Hamburg, Urt. v. 23.2.2010, 3 Bf 70/09, juris Rn. 51). Doch setzt dies voraus, dass die Widerspruchsbehörde sich nicht auf die Versäumung der Widerspruchsfrist beruft, eine inhaltliche Sachentscheidung trifft und den Widerspruch als unbegründet zurückweist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1982, 2 C 4/80, NVwZ 1983, 608, juris Rn. 10). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Beklagte sich auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs gestützt hat. Dass der Widerspruchsbescheid daneben auch Ausführungen zur Sache enthält, stellt keine Zurückweisung des Widerspruchs als unbegründet dar. Dies folgt aus dem gestuften Gesamtaufbau des Bescheids, der den Widerspruch in einem ersten Schritt als unzulässig zurückweist und dabei auch den Wiedereinsetzungsantrag ablehnt. Erst in einem zweiten Schritt erfolgen hilfsweise Ausführungen zur Sache. Die Beklagte hat den Widerspruch nicht allein als unbegründet zurückgewiesen, wie es Voraussetzung für eine Heilung durch sachliche Bescheidung wäre. Vielmehr sind die Ausführungen zur Unzulässigkeit tragend und auch für die weitere Argumentation der Beklagten von Bedeutung, da sie sich zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Exmatrikulationsbescheinigung auf die Bestandskraft des Bescheids über das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung bezogen hat.

81

Die Beklagte hat sich auch auf die Klage hin nicht zur Sache eingelassen, ohne die Unzulässigkeit zu rügen. Sie hat, ebenso wie in dem in der Klageerwiderung in Bezug genommenen Widerspruchsbescheid, die Verfristung des Widerspruchs angenommen und lediglich vorsorglich in der Sache Stellung genommen.

82

4. In den Klageanträgen zu 2. und 5. ist die Klage ebenso wenig zulässig. Es fehlt am Rechtsschutzschutzbedürfnis. Dem Begehren, die Hausarbeit „F.“ im Seminar „H.“ des in die Bachelorprüfung eingeschlossenen Moduls „G.“ mit der Note „ausreichend“ (4,0) zu bewerten, hilfsweise die Hausarbeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten, höchsthilfsweise eine Wiederholungsmöglichkeit der Hausarbeit im Rahmen der Bachelorprüfung einzuräumen, fehlt die Grundlage. Denn der Kläger hat die Bachelorprüfung aufgrund des Bescheids vom 28. Juli 2011 endgültig nicht bestanden und sein Prüfungsanspruch ist erloschen. Der Nichtbestehensbescheid ist bestandskräftig und kann deshalb nicht in einem Rechtsbehelfsverfahren aufgehoben werden (s.o. 3.). Auch kann der Nichtbestehensbescheid nicht mit Rücksicht auf den vormals ins Auge gefassten Weg über eine dritte Wiederholung von Amts wegen widerrufen werden. Dieser alternative Wege ist rechtlich nicht gangbar, da nach § 17 Abs. 4 der Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang und für den Master-Studiengang „Bildungs- und Erziehungswissenschaft“ an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (SPO BuErz) Teilleistungsprüfungen einer Modulprüfung nur bis zu zweimal wiederholt werden können (s.o. 3. b) bb)).

83

Die Klage in den Klageanträgen zu 2. und 5. wäre im Übrigen zumindest unbegründet, da der Prüfungsanspruch des Klägers erloschen und die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden ist.

84

5. Im Klageantrag zu 4. ist die Klage unzulässig. Das Begehren des Klägers, ihn zu einem mit seinen anderweitigen dienstlichen Verwendungen abgestimmten Zeitpunkt erneut als Studenten der Hochschule aufzunehmen und weiterhin zu den vorgesehenen Prüfungen zuzulassen, ist nicht hinreichend bestimmt. Denn die Aufnahme als Student müsste zu einem bestimmten Trimester in einem bestimmten Studiengang erfolgen. Auch soweit der Kläger die Aufnahme in den Masterstudiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft erstrebt, ist kein bestimmter oder bestimmbarer Zeitpunkt zur Wiederaufnahme als Student angegeben. Überdies ist mit der Beendigung des Wehrdienstverhältnisses das Rechtsschutzbedürfnis für eine im Hinblick auf die militärische Laufbahn erstrebte Wiederaufnahme als Student an der Hochschule der Beklagten entfallen.

85

Die Klage im Klageantrag zu 4. wäre im Übrigen zumindest unbegründet. Der Wiederaufnahme in den Bachelorstudiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft steht das Hochschulrecht entgegen. Haben Studierende an einer Hochschule eine nach der Prüfungsordnung vorgeschriebene Prüfung endgültig nicht bestanden, so können sie nach § 44 Satz 1 HmbHG das Studium an einer hamburgischen Hochschule nicht in dem gleichen Studiengang fortsetzen. Für die Aufnahme des Studiums in einem Masterstudiengang fehlt dem Kläger die Berechtigung, da er keinen Bachelorstudiengang abgeschlossen hat. Zum Studium in Masterstudiengängen ist nach § 39 Abs. 1 Satz 1 HmbHG berechtigt, wer das Studium in einem grundständigen Studiengang erfolgreich abgeschlossen hat. In Übereinstimmung damit setzt die einheitliche Studienordnung des konsekutiven Studiengangs in § 2 Abs. 1 SPO BuErz für den Übertritt in den Masterstudiengang Bildungs- und Erziehungswissenschaft den ersten berufsqualifizierenden Abschluss im grundständigen Bachelorstudiengang voraus.

III.

86

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 161 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach billigem Ermessen ist die Beklagte wegen des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits an den Kosten zu beteiligen. Sie hat mit Rücksicht auf den teilweise stattgebenden Beschluss der Kammer in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 30. Juli 2013, 2 E 2537/13, die Exmatrikulationsbescheinigung zur Niederschrift in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2014 aufgehoben und sich insoweit in die Rolle der Unterlegenen begeben. In der Bemessung der Kostenanteile wird in Übereinstimmung mit dem Streitwertbeschluss vom 9. Oktober 2014 das Begehren in den Klageanträge zu 1., 2. und 5. hinsichtlich des endgültigen Nichtbestehens und der ihm zugrundeliegenden Bewertung der Hausarbeit mit drei Fünfteln und das Begehren in dem angekündigten Klageantrag zu 3. und dem Klageantrag zu 4. hinsichtlich der Fortsetzung eines Studiums mit zwei Fünfteln in Ansatz gebracht, wobei von letzteren zwei Fünfteln ein Fünftel der Kostenlast auf die Beklagte entfällt. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO. Der Ausspruch über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Zuziehung war notwendig, da dem Kläger nach seinen persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Tatbestand

1

Die Kläger sind die Erben eines verstorbenen syrischen Staatsangehörigen (im Folgenden: Verpflichtungsgeber), der durch Abgabe von Verpflichtungserklärungen nach § 68 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Einreise von drei Familienangehörigen aus Syrien ermöglicht hatte. Sie wenden sich gegen ihre Inanspruchnahme zur Erstattung von Sozialleistungen, die der Beklagte diesen Familienangehörigen gewährt hat.

2

Der Verpflichtungsgeber, ein in Deutschland lebender Arzt im Ruhestand, verpflichtete sich am 6. März 2014 durch Unterzeichnung einer formularmäßigen Verpflichtungserklärung gegenüber der Ausländerbehörde des H., für den Lebensunterhalt seiner Nichte, ihres Ehemannes und ihres Kindes, die sämtlich syrische Staatsangehörige sind, aufzukommen. Damit sollte die Einreise der drei genannten Personen auf der Grundlage der Aufnahmeanordnung des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK NRW) betreffend die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge (Erlass vom 26. September 2013 - Az.: 15-39.12.03-1-13-100 - und Folgeerlasse) ermöglicht werden. Die Verpflichtung sollte am Tag der voraussichtlichen Einreise beginnen und fortdauern "bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck". Durch besonderen Stempelaufdruck ausgenommen war die Haftung für Kosten für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 4, 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), die nach der Anordnung des MIK NRW vom 26. September 2013 von den zuständigen Behörden getragen werden sollten; auch sonst war die Erstattung öffentlicher Mittel ausgenommen, die für die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden.

3

Die Angehörigen des Verpflichtungsgebers erhielten am 3. April 2014 ein nationales Visum zum längerfristigen Aufenthalt nach § 6 Abs. 3 AufenthG und reisten am 23. Juni 2014 erstmals in das Bundesgebiet ein. Mit Wirkung vom 10. Juli 2014 wurde ihnen aufgrund der Aufnahmeordnung des MIK NRW eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt. Diese war für die Nichte des Verpflichtungsgebers und ihr Kind bis zum 22. Juni 2016 und für ihren Ehemann bis zum 3. Oktober 2015 befristet.

4

Im November 2014 stellten die drei Familienmitglieder Asylanträge. Mit Bescheiden vom 10. bzw. 17. Dezember 2014 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihnen die Flüchtlingseigenschaft zu. Die Stadt Mö. erteilte ihnen daraufhin am 9. Februar 2015 jeweils eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Ab dem 11. Februar 2015 erhielten sie durch das beklagte Jobcenter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

5

Mit Schreiben vom 18. März 2015 widerrief der Verpflichtungsgeber seine Verpflichtungserklärungen gegenüber dem beklagten Jobcenter, da er sich wegen der veränderten Aufenthaltssituation seiner Verwandten nicht länger an seine Erklärungen gebunden fühle.

6

Mit Leistungsbescheid vom 3. September 2015 verlangte der Beklagte von dem Verpflichtungsgeber die Erstattung von 8 832,75 €, die er für die Begünstigten im Zeitraum vom 11. Februar 2015 bis zum 31. August 2015 nach dem SGB II (Regelbedarfe, Mehrbedarfe Energie/Warmwasser sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung) aufgewendet hatte. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Verpflichtungsgebers wies das Jobcenter als unbegründet zurück.

7

Hiergegen haben die Kläger als Erben des Verpflichtungsgebers Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 1. März 2016 abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger seien nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Erben des Verpflichtungsgebers zur Erstattung der erbrachten Leistungen verpflichtet. Die Verpflichtungserklärungen seien hinreichend bestimmt und weiterhin wirksam. Zeitlich begrenzt werde die übernommene Verpflichtung u.a. durch die Ersetzung des Aufenthaltszwecks durch einen anderen, für den ein neuer Aufenthaltstitel erteilt wird. Aus der bei der Auslegung ergänzend heranzuziehenden Aufnahmeanordnung des MIK NRW vom 26. September 2013 ergebe sich, dass der Zweck des Aufenthalts der Angehörigen des Verpflichtungsgebers nach § 23 AufenthG darin bestanden habe, in Deutschland Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien zu erhalten. Dieser Zweck bestehe unverändert fort. Ob den Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG ein anderer Zweck zugrunde liege, sei unerheblich. Denn dieser lasse den bisherigen Aufenthaltszweck vorliegend jedenfalls nicht entfallen, sondern trete gegebenenfalls ergänzend hinzu. Die Fortgeltung der Verpflichtungserklärungen verstoße nicht gegen völker- und unionsrechtliche Regelungen. Die Verpflichtungserklärungen seien auch nicht durch den einseitigen "Widerruf" des Verpflichtungsgebers erloschen. Art und Höhe der geltend gemachten Kosten entsprächen dem Haftungsumfang aus den Verpflichtungserklärungen und seien nicht unverhältnismäßig.

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Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil verletze allgemein anerkannte Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB), § 68 AufenthG und den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Wirksamkeit der hier streitigen Verpflichtungserklärung sei bereits nach ihrem Wortlaut (..."bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck") auf den Zeitpunkt der Erteilung von Titeln nach § 25 Abs. 2 AufenthG begrenzt. Denn die Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 und § 25 Abs. 2 AufenthG seien zweifellos verschiedene und setzten tatbestandlich jeweils einen anderen Aufenthaltszweck voraus. Die Auslegung der Verpflichtungserklärungen durch das Verwaltungsgericht widerspreche auch deren Erklärungsinhalt und dem mit ihnen verfolgten Zweck. Nach den Aufnahmeanordnungen des MIK NRW bezögen sich diese nur auf eine vorübergehende Aufnahme im Rahmen dieser Anordnungen; Aufenthaltstitel würden für höchstens zwei Jahre erteilt und gegebenenfalls nach § 8 AufenthG verlängert. Darauf habe der Verpflichtungsgeber vertrauen können. Grundlage seiner Erklärung sei gewesen, dass er die primäre direkte Unterhaltsgewährung an die Begünstigten nach seinen eigenen Möglichkeiten kostengünstig gestalten könne und dass zu erstattende öffentliche Leistungen nur in begrenztem Umfang anfielen, weil eine eventuelle Leistungsberechtigung allenfalls nach den minderen Bedarfssätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes entstehen könne. Der Aufenthaltstitel nach § 23 AufenthG erlösche bereits mit der Stellung des Asylantrags (§ 51 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG). Infolge der asylverfahrensrechtlichen Zuweisung nach Mö. habe der Verpflichtungsgeber seinen Angehörigen nicht mehr freie Kost und Logis in seinem Eigentum in Me. gewähren können.

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Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und tritt der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Beklagten bei.

Entscheidungsgründe

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Der Senat entscheidet über die Revision mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Revision der Kläger ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungserklärungen zwar unter Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) dahin ausgelegt, dass die Haftung bis zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien fortdauert, ohne dass es darauf ankommt, ob den Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG, die die Begünstigten nach Anerkennung als Flüchtlinge erhalten haben, ein anderer Aufenthaltszweck zugrunde liegt als den Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 AufenthG. Die klageabweisende Entscheidung stellt sich aber im Ergebnis gleichwohl als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil sich der von den Begünstigten ursprünglich verfolgte Aufenthaltszweck durch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht verändert hat.

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1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zutreffend für zulässig gehalten. Die Kläger sind als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig und gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil sie für die Nachlassverbindlichkeiten des Verpflichtungsgebers als Gesamtschuldner haften (§ 1922 Abs. 1, § 1967, § 2032 Abs. 1, § 2058 BGB). Die Zahlungspflicht aus dem angefochtenen Bescheid zählt zu den Nachlassverbindlichkeiten, da sie zu Lebzeiten des Erblassers entstanden ist.

14

Das beklagte Jobcenter ist ebenfalls nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig; denn es steht einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich (vgl. näher BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - NJW 2011, 2538 Rn. 11). Auch wenn es selbst als Behörde tätig wird (vgl. § 44b Abs. 1 Satz 3 SGB II) und eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Träger (kreisfreie Städte und Kreise) darstellt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 6d, § 44b Abs. 1 SGB II), wird es in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als möglicher Klagegegner im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO behandelt (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 20.15 - juris Rn. 8).

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Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass vor ihrer Erhebung ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist, das in Fällen der vorliegenden Art nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW entbehrlich ist. Die Klagefrist ist ungeachtet dessen in jedem Fall gewahrt. Denn die Klage ist innerhalb eines Jahres nach der Bekanntgabe des mit einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung (Widerspruch) versehenen Ausgangsbescheids erhoben worden (§ 74 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO). Soweit der - nicht vorgesehene - Widerspruchsbescheid in einen Zweitbescheid umzudeuten sein sollte (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 14 A 273/12 - juris Rn. 2 zustimmend Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 68 Rn. 24), wäre auch eine durch seine Zustellung in Gang gesetzte Klagefrist von einem Monat vorliegend eingehalten.

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2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der auf § 68 AufenthG gestützte Leistungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die vom Verpflichtungsgeber abgegebenen Verpflichtungserklärungen sind formwirksam und erstrecken sich in sachlicher Hinsicht auf die hier zu erstattenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (a). Die damit begründete Haftung dauerte in dem hier in Rede stehenden Leistungszeitraum noch an. Sie wurde insbesondere nicht dadurch beendet, dass den Begünstigten zuvor die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist und sie entsprechende Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG erhalten haben (b). Die Heranziehung des Verpflichtungsgebers ist auch nicht unverhältnismäßig (c).

17

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Leistungsbescheids bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2012 - 10 C 6.12 - BVerwGE 144, 326 Rn. 12 und vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 9). Maßgeblich ist daher das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, zuletzt geändert mit Wirkung vom 10. November 2016 durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460), soweit nicht späteren Änderungen zulässigerweise Rückwirkung auf den maßgeblichen Zeitpunkt zukommt. Letzteres ist hier nach Maßgabe der zum 6. August 2016 in Kraft getretenen Übergangsvorschrift des § 68a Satz 1 AufenthG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939 - AufenthG n.F.) der Fall.

18

Danach beruht die Erstattungsforderung des Beklagten auf § 68 Abs. 1 Satz 1 bis 3 i.V.m. § 68a Satz 1 AufenthG n.F. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. hat, wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentliche Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. § 68a Satz 1 AufenthG n.F. erstreckt die Anwendbarkeit von § 68 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG n.F. rückwirkend auf vor dem 6. August 2016 abgegebene Verpflichtungserklärungen, jedoch mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein Zeitraum von drei Jahren tritt.

19

Hinsichtlich der Formvoraussetzungen der Verpflichtungserklärung gilt weiterhin § 68 Abs. 2 AufenthG a.F., der im Übrigen durch die Neuregelung nicht verändert worden ist. Danach bedarf die Verpflichtung der Schriftform; sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Diese Regelung setzt die Befugnis der erstattungsberechtigten Stelle voraus, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 8).

20

a) Die vom Verpflichtungsgeber abgegebenen Verpflichtungserklärungen wahren die Schriftform. Das Verwaltungsgericht hat sie der Sache nach dahin ausgelegt, dass sie eine Erstattungspflicht auch für Unterhaltsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch begründen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal derartige Leistungen in der Erklärung ausdrücklich als von der Verpflichtung umfasst aufgeführt sind.

21

b) Die damit begründete Haftung aus den Verpflichtungserklärungen dauerte in dem hier in Rede stehenden Leistungszeitraum weiterhin an. Die gesetzliche Höchstdauer von - in Übergangsfällen - drei Jahren ist vorliegend nicht erreicht. Die Verpflichtung wurde auch nicht dadurch beendet, dass den Begünstigten vor dem einschlägigen Leistungszeitraum die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist und sie entsprechende Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG erhalten haben.

22

Dies ergibt sich zwar nicht schon aus § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F., der seit August 2016 ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung in diesen Fällen ausdrücklich ausschließt. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber klarstellen, "dass die Erteilung eines (anderen) humanitären Aufenthaltstitels die Haftung des Verpflichtungsgebers aus der Verpflichtungserklärung ... unberührt lässt, insoweit also durch die Zuerkennung internationalen Schutzes und durch die anschließende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 AufenthG nach Aufnahme in ein Landesaufnahmeprogramm kein Zweckwechsel eintritt, der die 5-Jahres-Frist verkürzt" (BT-Drs. 18/8615 S. 24, 48). Diese Vorschrift ist auf die hier zu beurteilenden, vor dem 6. August 2016 abgegebenen Verpflichtungserklärungen indes noch nicht anwendbar. Sie ist von § 68a AufenthG n.F., der den zeitlichen Anwendungsbereich des § 68 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG n.F. (mit Modifikationen) auf derartige Altfälle erstreckt, nicht erfasst.

23

Die Verpflichtung ist auch ohne Berücksichtigung von § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F. durch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht erloschen. Zwar hat das Verwaltungsgericht unter Verletzung revisiblen Rechts angenommen, die Verpflichtung dauere bis zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien fort, ohne dass es darauf ankomme, ob den Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG, die die Begünstigten nach Anerkennung als Flüchtlinge erhalten haben, ein anderer Aufenthaltszweck zugrunde liege als den Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Abs. 1 AufenthG (aa). Die danach gebotene eigenständige Auslegung der Verpflichtungserklärungen durch den Senat führt jedoch ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Haftung durch die vorliegend erfolgte Anerkennung der Begünstigten als Flüchtlinge und nachfolgende Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht beendet worden ist (bb). Die Verpflichtungserklärung ist auch nicht durch den vom Verpflichtungsgeber erklärten Widerruf unwirksam geworden (cc). Völker- und unionsrechtliche Regelungen stehen der Fortdauer der Haftung vorliegend nicht entgegen (dd).

24

aa) Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtung ausgehend von dem verwendeten bundeseinheitlichen Formular dahin ausgelegt, dass diese bis zur Beendigung des Aufenthalts des betreffenden Ausländers oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck eingegangen wird. Die vom Verpflichtungsgeber gleichfalls unterschriebene Zusatzerklärung zur Abgabe der Verpflichtungserklärung, mit der Hinweise auf verschiedene Aspekte bestätigt werden, konkretisiere diese Angaben unter anderem dahin, dass die Verpflichtung im Regelfall mit dem Ende des vorgesehenen Gesamtaufenthalts oder dann ende, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dafür ein neuer Aufenthaltstitel erteilt werde. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats zur grundsätzlichen zeitlichen Begrenzung von Verpflichtungserklärungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - BVerwGE 108, 1 <8>) und ist im Ansatz revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

25

Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, der ursprüngliche Aufenthaltszweck habe im hier streitgegenständlichen Leistungszeitraum selbst dann fortbestanden, wenn den nachfolgend erteilten Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG ein anderer Aufenthaltszweck zugrunde liege, beruht jedoch auf einem Rechtsirrtum. Revisionsrechtlich gehört die Auslegung einer Willenserklärung, d.h. die Ermittlung des Erklärungsinhalts unter Würdigung der ihrer Abgabe zugrunde liegenden Umstände, zur Tatsachenfeststellung, an die das Revisionsgericht mangels erhobener Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist. Diese Bindung tritt nur dann nicht ein, wenn - wie hier - die Auslegung des Tatrichters auf einem Rechtsirrtum oder einem Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 10).

26

Für die Bestimmung des Aufenthaltszwecks hat das Verwaltungsgericht die zur Aufnahme von syrischen Staatsangehörigen getroffenen Aufnahmeanordnungen des MIK NRW, auf die in der Verpflichtungserklärung Bezug genommen wird, herangezogen. Daraus hat das Gericht geschlossen, dass der Zweck des Aufenthalts der Verwandten des Verpflichtungsgebers darin bestanden habe, in Deutschland Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien zu erhalten. Daher seien die Verpflichtungserklärungen des Verpflichtungsgebers dahingehend auszulegen, dass er sich verpflichtete, den Lebensunterhalt seiner begünstigten Angehörigen grundsätzlich für die Gesamtdauer des bürgerkriegsbedingten Aufenthalts zu tragen, und zwar unabhängig von der Ausgestaltung ihres Aufenthaltsrechts (UA S. 8). Diese Auslegung verstößt gegen die allgemeinen Auslegungsregeln, denn die Verpflichtungserklärungen sind hier erkennbar auf einen Aufenthaltszweck gerichtet, wie er im Aufenthaltsgesetz seinen Niederschlag gefunden hat. Das wird schon daran deutlich, dass in den Verpflichtungserklärungen auf § 23 Abs. 1 AufenthG Bezug genommen wird und die Verpflichtung bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck fortdauert. Die Verpflichtungserklärungen beziehen sich damit jedenfalls nicht auf Aufenthalte, die etwa zum Zwecke des Studiums oder aus familiären Gründen genehmigt werden, auch wenn der Bürgerkrieg zu dieser Zeit noch andauert. Vielmehr umfassen sie nur die in Abschnitt 5 des 2. Kapitels des Aufenthaltsgesetzes geregelten Aufenthalte aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, zu denen der in den Verpflichtungserklärungen genannte § 23 Abs. 1 AufenthG gehört (zur Maßgeblichkeit des gesamten Abschnitts 5 siehe unter bb).

27

bb) Die danach ohne Bindung an die tatrichterliche Auslegung mögliche und gebotene Auslegung der Verpflichtungserklärungen durch den Senat führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Haftung durch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG nach Anerkennung der Verwandten des Verpflichtungsgebers als Flüchtlinge nicht beendet worden ist. Dieser Aufenthaltserlaubnis lag kein "anderer Aufenthaltszweck" zugrunde als der durch die Verpflichtungserklärungen ermöglichten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG; denn beide Aufenthaltserlaubnisse sind aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen im Sinne des Kapitels 2, Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt worden.

28

Im Rahmen der Verpflichtungserklärungen ist für die Zuordnung eines Sachverhalts zu einem "Aufenthaltszweck" im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes auszugehen. Der Begriff des "Aufenthaltszwecks" im Sinne der Verpflichtungserklärungen erfasst daher grundsätzlich jeden Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, wie sie - unter dieser Überschrift - vom Gesetzgeber im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes zusammengefasst sind.

29

Dies entspricht der allgemeinen Systematik des Aufenthaltsgesetzes, wonach ein Aufenthaltstitel grundsätzlich nur zu einem im Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt wird (vgl. § 7 Abs. 1 AufenthG). Diese übergreifenden Aufenthaltszwecke, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet, bestimmen und begrenzen auch den Streitgegenstand einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 Rn. 12 und 22). Soweit der Begriff des Aufenthaltszwecks in bestimmten rechtlichen Zusammenhängen enger verstanden wird, ist dies jeweils durch die spezielle Rechtsnorm oder den betroffenen Sachverhalt veranlasst (vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 21. November 2011 - 18 B 1220/11 - juris Rn. 4, zu § 16 Abs. 2 AufenthG; siehe auch Nr. 68.1.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz).

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Die Unterschiede der einzelnen im 5. Abschnitt zusammengefassten Aufenthaltserlaubnisse bei den Gewährungsvoraussetzungen und den Rechtsfolgen verändern bei den hier zu beurteilenden Verpflichtungserklärungen qualitativ nicht den gemeinsamen, übergreifenden Aufenthaltszweck. Insbesondere führt der Umstand, dass auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG unabhängig von der Sicherung des Lebensunterhalts ein Rechtsanspruch besteht, nicht zu einem Entfallen der Haftung (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 12). Denn diese Aufenthaltserlaubnis kann - wie die ihr vorausgehende Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - regelmäßig nur vom Inland aus beansprucht werden; der Vorteil der nur durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten legalen Einreise der Begünstigten wirkt deshalb bei ihrer Erteilung noch fort.

31

Auch sonst sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass in den Verpflichtungserklärungen ein von den übergreifenden Aufenthaltszwecken des Aufenthaltsgesetzes abweichender, engerer Zweckbegriff verwendet worden wäre. Ein auf den einzelnen Aufenthaltstitel verengtes Verständnis des "Aufenthaltszwecks" liegt schon nach der Formulierung des Beendigungstatbestands in den Verpflichtungserklärungen nicht nahe. Denn danach beendet nicht jede anschließende Erteilung eines Aufenthaltstitels nach einer anderen Rechtsgrundlage die Verpflichtung, sondern nur eine solche zu einem anderen Aufenthaltszweck. Die abweichende Auffassung des MIK NRW in seinem Runderlass vom 24. April 2015 (Az.: 122-39.12.03-1-13-346(2603)) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Danach soll die Geltung einer im Zusammenhang mit der Landesaufnahmeanordnung abgegebenen Verpflichtungserklärung mit der Titelerteilung nach erfolgreichem Asylverfahren enden. Diese nachträgliche Meinungsäußerung hat jedoch in der vom Verpflichtungsgeber unterzeichneten formularmäßigen Verpflichtungserklärung keinen hinreichenden Ausdruck gefunden und kann daher zu einer einschränkenden Auslegung dieser Erklärung nicht herangezogen werden (siehe dazu auch VG Köln, Urteil vom 19. April 2016 - 5 K 79/16 - juris Rn. 56).

32

cc) Die Verpflichtungserklärung ist nicht durch den vom Verpflichtungsgeber erklärten Widerruf unwirksam geworden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass ein Widerruf nach Wirksamwerden der Verpflichtungserklärung rechtlich nicht möglich ist und der erklärte Widerruf auch nicht in eine wirksame Anfechtung oder Kündigung umgedeutet werden kann (UA S. 13 f.). Eine derartige Möglichkeit, die Verpflichtung einseitig zu beenden, würde dem Zweck der Verpflichtungserklärung zuwiderlaufen, für einen festgelegten Zeitraum, der allein durch Auslegung anhand der objektiv erkennbaren Umstände zum Zeitpunkt der Unterzeichnung zu ermitteln ist, eine finanzielle Belastung des Staates durch die Einreise und den Aufenthalt des betroffenen Ausländers (weitgehend) auszuschließen. Ausgehend davon fehlt es auch für die vom Verwaltungsgericht erwogene - nicht entscheidungserhebliche - Möglichkeit, die Verpflichtung vor einer eventuellen Verlängerung der nach § 23 Abs. 1 AufenthG zunächst auf maximal zwei Jahre zu befristenden Aufenthaltserlaubnis zu kündigen, an einer Grundlage.

33

dd) Völker- und unionsrechtliche Regelungen hindern die Fortdauer der Haftung des Garantiegebers nach Anerkennung der Begünstigten als Flüchtlinge entgegen vereinzelter Stellungnahmen in der Literatur (etwa Hörich/Riebau, ZAR 2015, 253 ff.) grundsätzlich nicht. Nach Art. 29 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung - ABl. L 337 S. 9) tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten. Diese Vorschrift orientiert sich an Art. 23 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - BGBl. 1953 II S. 560). Danach sind die vertragsschließenden Staaten verpflichtet, Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhalten, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen die gleiche Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen zu gewähren (Grundsatz der Inländergleichbehandlung). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die "gleiche Behandlung" im Sinne von Art. 23 GFK ein weit gefasster Ausdruck, der nicht nur die gleichen Leistungen nach Art und Höhe einschließt, sondern auch voraussetzt, dass in vergleichbaren Situationen mit Flüchtlingen nicht anders umgegangen wird als mit den eigenen Staatsangehörigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2008 - 1 C 17.07 - BVerwGE 130, 148 Rn. 19 m.w.N.). Unterschiede, die allein die - vielfältigen - tatsächlichen Begleitumstände der Leistungsgewährung betreffen, sind zu einer Verletzung des Grundsatzes der Inländergleichbehandlung allerdings nur geeignet, wenn sie ein bestimmtes Gewicht erreichen.

34

Gemessen daran ist ein Verstoß gegen die genannten Regelungen des Völker- und Unionsrechts hier nicht festzustellen. Nach deutscher Rechtslage hat auch derjenige, dessen Lebensunterhalt ein Dritter zu tragen verpflichtet ist, einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen den zuständigen staatlichen Leistungsträger, soweit der Dritte tatsächlich keine Hilfe leistet (§ 9 Abs. 1 SGB II). Diesen Anspruch haben die Begünstigten der Verpflichtungserklärung im vorliegenden Fall erfolgreich geltend gemacht. Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Verpflichtungsgeber und dem Beklagten als Leistungsträger wirken sich die Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der Richtlinie 2011/95/EU unmittelbar nicht aus; sie können daher einem Erstattungsanspruch gegen den Garantiegeber grundsätzlich nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 15). Allein die abstrakte Möglichkeit, dass sich ein Ausländer durch den Rückgriffsanspruch gegen seinen Verwandten von der Inanspruchnahme der ihm zustehenden Sozialleistungen abhalten lassen könnte, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Sie hat sich jedenfalls im vorliegenden Fall nicht realisiert. Eine Überforderung des Verpflichtungsgebers im Einzelfall wäre auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (siehe unten 2. c). Vor diesem Hintergrund stellt sich dem Senat in diesem Zusammenhang auch keine unionsrechtliche Zweifelsfrage, die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen wäre.

35

c) Die Heranziehung des Verpflichtungsgebers zur Erstattung der erbrachten Sozialleistungen steht schließlich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der aus einer Erklärung nach § 68 AufenthG Verpflichtete im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen. Wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft worden sind und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könnte, ist der Anspruch geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 16). Einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit kann die Pfändungsfreigrenze bieten, die bei Berücksichtigung der monatlichen Erstattungspflichten unter Einbeziehung aller vom Garantiegeber abgegebenen Verpflichtungserklärungen regelmäßig gewahrt sein muss.

36

Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall keine Bedenken gegen die Heranziehung des Verpflichtungsgebers. Aus der Verpflichtungserklärung selbst ergibt sich, dass seine Bonität durch Vorlage entsprechender Unterlagen festgestellt worden ist. Die Kläger haben auch im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht, dass der hier streitgegenständliche Betrag von 8 832,75 €, der sich auf gut sechseinhalb Monate Leistungsbezug bezieht und einer monatlichen Belastung des Garantiegebers von rund 1 350 € entspricht, dessen Leistungsfähigkeit überstiegen hätte.

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Keiner Entscheidung bedarf, ob die Verhältnismäßigkeit der Geltendmachung von Kosten der Unterkunft in Frage stehen kann, wenn anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte trotz Hinweises auf die Möglichkeit, bei dem Verpflichtungsgeber kostenfrei oder kostengünstiger zu wohnen, durch eine Wohnsitzauflage hieran gehindert werden. Die Wohnsitzregelung für diesen Personenkreis in § 12a AufenthG ist erst mit dem am 6. August 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetz (BGBl. I S. 1939) geschaffen worden und betraf die Familienangehörigen des Verpflichtungsgebers im hier einschlägigen Leistungszeitraum daher noch nicht. Dementsprechend enthalten die ihnen erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG keine derartige Auflage. Die asylverfahrensrechtlichen Zuweisungsentscheidungen haben sich mit der Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnisse erledigt (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand: Juni 2012, § 50 Rn. 29).

38

Die Belastung des Verpflichtungsgebers bzw. seiner Erben mit den hier geltend gemachten Kosten ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlingen auf der Grundlage entsprechender Aufnahmeanordnungen auch öffentlichen Interessen diente; die mit der Aufnahme verbundenen Lasten und Risiken sollten dementsprechend nicht nur von Privaten und nichtstaatlichen Stellen, sondern auch von der öffentlichen Hand getragen werden (vgl. zur Aufnahme bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - BVerwGE 108, 1 <19 ff.>). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt hier keine - weitere - Beschränkung der eingegangenen Verpflichtung. Denn der spezifischen staatlichen Mitverantwortung in Bürgerkriegssituationen ist durch eine Haftungsbegrenzung in den Verpflichtungserklärungen bereits hinreichend Rechnung getragen. Der Staat hat im Rahmen der Landesaufnahmeanordnungen von vornherein einen nicht unerheblichen Teil der finanziellen Lasten selbst übernommen, indem er bestimmte Kostengruppen, nämlich die Kosten für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Pflegebedürftigkeit und Behinderung, von den abzugebenden Verpflichtungserklärungen ausgenommen hat. Dies diente gerade dazu, die finanzielle Belastung der sich verpflichtenden Person auf ein zumutbares Maß zu begrenzen. Damit ist zugleich etwaigen unionsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 29 Richtlinie 2011/95/EU Rechnung getragen (siehe oben 2. b) dd).

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Tatbestand:

I.

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung des akademischen Grades „Dr. med.“.

1. Der Kläger ist praktizierender Kinder- und Jugendarzt in Bayern und erhielt seine Approbation mit Wirkung vom 3. Juni 1992. Im Jahr 2000 begann er zum Zwecke der Promotion unter der Betreuung von Prof. K. am Institut für Geschichte der Medizin der Beklagten mit der Bearbeitung des Themas „Die ‚W. Wundarznei‘. Ein chirurgisches Arzneimittel-Handbuch des Spätmittelalters. Textausgabe, Teil VII: Edition des siebten Segments (Arzneiöle).“ Der Kläger legte eine 58-seitige Promotionsschrift zuzüglich eines 30-seitigen Literaturverzeichnisses vor. Mit Schreiben vom 16. August 2002 beantragte er die Zulassung zur Promotion mit dem angestrebten Doktorgrad „Dr. med.“ und gab die ehrenwörtliche Erklärung ab, die Dissertation selbstständig angefertigt und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben. Der Erstgutachter Prof. K. und der Zweitgutachter Prof. T. bewerteten die Dissertation mit der Note „cum laude“ (= eine den Durchschnitt überragende Leistung). Nach der Durchführung der mündlichen Prüfung am 13. November 2002 verlieh die Beklagte dem Kläger mit Urkunde vom 21. Januar 2003 den akademischen Grad „Dr. med.“ mit der Gesamtbewertung „cum laude“.

2. Im Rahmen der von der Beklagten eingeleiteten Untersuchungen einer Reihe von Promotionsvorgängen aus dem Bereich des Instituts für Geschichte der Medizin fand sich in den Unterlagen dieses Instituts eine schriftliche Vorlage mit der Handschrift des Doktorvaters des Klägers, die inhaltlich im Wesentlichen mit der Dissertation des Klägers übereinstimmte. Am 1. Februar 2006 erfolgte eine Besprechung zwischen Prof. K., dem Ombudsmann der Medizinischen Fakultät (Prof. Ko.), dem Vorsitzenden der Promotionskommission der Medizinischen Fakultät (Prof. L.) und dem Vorsitzenden der Fakultätskommission „Gute wissenschaftliche Praxis“ (Prof. To.). Anlass für die Unterredung waren Bedenken von Prof. St. (Lehrstuhlinhaber für Geschichte der Medizin und medizinische Ethik), der nach Durchsicht von jüngeren Dissertationsschriften zu dem Ergebnis gelangt war, dass diese weitgehend der Diktion und dem Stil von Prof. K. entsprächen.

Am 16. März 2007 gab der Kläger eine „Erklärung“ ab, wonach ihm Prof. K. als Doktorvater beratend zur Verfügung gestanden habe. Ferner bestätigte er, im Zusammenhang mit der Promotion keine Zahlungen an Prof. K. getätigt zu haben.

Am 23. März 2007 wurde Prof. K. vor der Ständigen Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Universität Würzburg (im Folgenden: Fehlverhaltenskommission) angehört. In deren Bericht vom 8. Juni 2007, auf dessen Inhalt verwiesen wird, findet sich auf Seite 12 unter anderem folgende Feststellung: „[…] kann zumindest davon ausgegangen werden, dass die Fassungen der fraglichen Dissertationen […] Wort für Wort zwischen dem Doktoranden bzw. der Doktorandin und dem Doktorvater, Herrn Prof. K., abgestimmt und von ihm persönlich niedergeschrieben waren.“ Dabei gelangte die Fehlverhaltenskommission zu dem Ergebnis, dass unter anderem die Erstellung der Dissertation des Klägers auf diesem Wege erfolgt sei. Des Weiteren führte sie auf Seite 12 f. des Berichts aus: „Legt man die von Prof. K. beschriebene Verfahrensweise zugrunde, so mag das inhaltliche Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit selbstständig erbracht sein, nicht aber die Art und Weise seiner (schriftlichen) Darstellung, denn insoweit haben Doktorand bzw. Doktorandin und Doktorvater den Text gemeinsam verfasst. Eine solche Vorgehensweise - unabhängig von ihren Motiven - ist mehr als nur grenzwertig, denn sie nähert sich einer Gruppenarbeit an, bei der ein Beitrag nur dann als Prüfungsleistung einer einzelnen Person anerkannt werden kann, wenn er erkennbar ihr zurechenbar ist. Selbst wenn man unterstellt, dass jedes Wort der Dissertation die Zustimmung des Doktoranden bzw. der Doktorandin gefunden hat und in ‚Konfliktfällen‘ das Votum des Doktoranden bzw. Doktorandin stets den Ausschlag gegeben hat, bleibt schon eine Zurechenbarkeit der Prüfungsleistung zweifelhaft. Nicht hinnehmbar erscheint unter diesen Gegebenheiten jedenfalls, dass der Doktorvater zugleich der Erstgutachter der Dissertation war, denn die für die Begutachtung und Bewertung notwendige Distanz fehlt völlig. […] Die Ständige Kommission hat indessen erhebliche Zweifel, ob die Darstellung des Zustandekommens durch Prof. K. glaubwürdig ist. […]“

Mit Schreiben vom 6. August 2013 bat die Beklagte Prof. Wa. um einen Abgleich der Dissertation des Klägers mit der in den Unterlagen des Instituts für Geschichte der Medizin aufgefunden schriftlichen Vorlage mit der Handschrift des Doktorvaters. Dieser nahm mit Schreiben vom 9. September 2013 Stellung und gelangte zu folgendem Ergebnis: „In den für den Abgleich verfügbaren Abschnitten der Dissertation besteht in allen überprüften Kategorien eine inhaltliche und formale Übereinstimmung zwischen der Druckfassung und der handschriftlichen Fassung in einem Maße, so dass man die zu vergleichenden Textfassungen als identisch werten muss. Die benannten inhaltlichen und formalen Abweichungen sind marginal. Eine Ausnahme ist das Literaturverzeichnis: Die Literaturliste der Druckfassung ist um ein Mehrfaches umfassender als die der Kopie der Handschrift und bildet die im Text zitierte Literatur wohl weitestgehend vollständig ab (die Vollständigkeit wurde nicht exakt geprüft); dies ist in der Kopie der Handschrift nicht der Fall, so dass die Mehrzahl der im Text zitierten Literatur noch nicht im handschriftlichen Literaturverzeichnis aufgenommen ist. Die Literatur, die beiden Listen gemeinsam ist, ist jedoch inhaltlich und formal identisch.“

Mit Schreiben vom 24. Januar 2014 lud der Dekan der Medizinischen Fakultät die Promotionsausschussmitglieder zu der Sitzung am 3. Februar 2014 unter Beifügung der Tagesordnung (TOP 4: „Abstimmung über die Eröffnung des Prüfverfahrens zur Dissertation von Dr. C.“). In der Sitzung des Promotionsausschusses vom 3. Februar 2014 beschloss der Promotionsausschuss einstimmig die Eröffnung des Prüfverfahrens zur Dissertation des Klägers.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2014 setzte die Beklagte den Kläger über die Einleitung eines Prüfverfahrens seiner Promotionsschrift wegen des Verdachts des Vorliegens einer Täuschung im Dissertationsverfahren in Kenntnis und gab Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. Mai 2014 nahm der Kläger gegenüber der Beklagten Stellung. Hierbei führte er im Wesentlichen aus: Die weitgehende Identität zwischen der Dissertation des Klägers und den handschriftlichen Aufzeichnungen von Prof. K. werde nicht bestritten. Prof. K. habe Wert darauf gelegt, den Kläger so zu betreuen, wie die Doktoranden im „von ihm gelobten Mittelalter von ihren Doktorvätern betreut worden seien.“ Prof. K. habe dem Kläger gesagt, was er lesen solle, dieser habe sich dann Gedanken und Aufzeichnungen gemacht. Der Kläger sei häufig nach Würzburg gefahren, um die zuhause gefertigten Ausarbeitungen abzuliefern und mit Prof. K. zu diskutieren. Prof. K. habe Wert darauf gelegt, die Aufzeichnungen selbst aufzuschreiben, da dies die Umsetzung der Arbeit vereinfache. Diese Vorgehensweise sei den Mitarbeitern des Instituts bekannt gewesen und stehe einer selbstständigen Anfertigung nicht entgegen. Zudem sei das Recht auf Rücknahme der Promotion verwirkt.

In seiner Sitzung vom 2. Juni 2014 gelangte der Promotionsausschuss nach „ausführlicher Diskussion“ zu der Überzeugung, dass „eine eigenständige wissenschaftliche Leistung des Promovenden C. entgegen seiner Versicherung nicht vorgelegen habe.“ Der Promotionsausschuss beschloss mehrheitlich, dem Kläger den Doktortitel zu entziehen.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2014, zur Post gegeben am 29. Juli 2014, entzog die Beklagte dem Kläger den akademischen Grad „Dr. med.“ gemäß § 11 Abs. 5 der Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät vom 29. März 1983 i. V. m. Art. 48 BayVwVfG rückwirkend und ordnete die Rückgabe der verliehenen Doktorurkunde an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Verleihung des Doktorgrades sei rechtswidrig erfolgt. Der Kläger habe den Nachweis der Befähigung zu vertiefter und „selbstständiger“ wissenschaftlicher Arbeit nicht erbracht. Es sei insbesondere aufgrund der Ausführungen von Prof. K. in seiner Anhörung vom 23. März 2007 vor der Fehlverhaltenskommission sowie der Stellungnahme des Klägers vom 15. Mai 2014 davon auszugehen, dass der Eigenanteil des Klägers am Zustandekommen der Dissertation als „eher gering“ einzustufen sei. Unter Zugrundelegung der vom Kläger und Prof. K. beschriebenen Verfahrensweise sei der Text der Dissertation gemeinsam verfasst worden und mithin als „Gruppenarbeit“ einzustufen. Demzufolge erscheine die Zurechenbarkeit der gesamten Dissertationsleistung zweifelhaft, der Eigenanteil in jedem Fall als zu gering, da der Einfluss des Doktorvaters die tolerable Bagatellgrenze deutlich überschreite. Der Promotionsausschuss gehe davon aus, dass der Doktorvater des Klägers wesentliche intellektuelle Leistungen erbracht habe, so dass sich die Annahme von Mitautorenschaft rechtfertige. Der Kläger habe über das Vorliegen einer selbstständigen wissenschaftlichen Leistung getäuscht. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sitzungen mit Prof. K. „offenbar sichtbar“ erfolgt seien. Es liege eine Täuschung des Promotionsausschusses, des Dekans und der Medizinischen Fakultät insgesamt vor, da sich das Institut für Geschichte der Medizin räumlich weit entfernt vom übrigen Klinikgelände befinde, so dass eine tatsächliche Kenntnisnahme der anderen Fakultätsmitglieder nicht infrage gekommen sei. Aufgrund der vorsätzlichen Täuschung könne er sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen.

3. Dagegen ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 5. August 2014 Widerspruch einlegen. Zur Begründung ließ er im Wesentlichen ausführen: Eine Täuschung liege nicht vor. Die Arbeitsweise von Prof. K. sei den Mitarbeiten des Instituts bekannt gewesen. Aus der anonymen Anzeige ergebe sich eine Aufstellung derart zahlreicher Dissertationen, die in den Jahren 2002 und später abgeschlossen worden und die unter Beteiligung zahlreicher sonstiger Mitglieder der Beklagten als Gutachter beurteilt worden seien, dass die Kenntnis der Beklagten zwingend vorauszusetzen sei. Die gedankliche Leistung und die Ergebnisse des Quellenstudiums seien ausschließlich dem Kläger zuzurechnen.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2015 lud der Dekan die Mitglieder des Promotionsausschusses unter Beifügung der Tagesordnung (TOP 1: „Entscheidung über Widerspruchsverfahren betreffend Entzug des Doktorgrades; hier: Dr. C.“) zur Ausschusssitzung am 18. Mai 2015. Der Promotionsausschuss beschloss in dieser Sitzung mehrheitlich, dem Widerspruch nicht abzuhelfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2015, dem Kläger zugestellt am 14. Juli 2015, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Wahl der unzutreffenden Rechtsgrundlage im Bescheid vom 17. Juli 2014 stehe der Rechtmäßigkeit der Entziehung des Doktorgrades nicht entgegen. Sowohl nach der Promotionsordnung 1983 als auch nach der einschlägigen Promotionsordnung 2011 sei für die Entziehung des Doktorgrades die allgemeine Bestimmung des Art. 48 BayVwVfG maßgeblich. Der Prima-facie-Beweis lasse den Schluss zu, dass die gesamte Arbeit vom Doktorvater resultiere, zumal der Kläger gegenteilige Aufzeichnungen nicht mehr vorzulegen vermöge. Aufgrund der vorsätzlichen Täuschung komme eine Verwirkung nicht in Betracht. Auch das vom Kläger vorgetragene Angebot der freiwilligen Rückgabe seines Doktortitels nach Ablauf von vier Jahren sei vom Promotionsausschuss berücksichtigt worden. Allerdings würde eine solche Befristung dem Sinn und Zweck des Entzugs zuwiderlaufen.

II.

Dagegen ließ der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Juli 2015, eingegangen bei Gericht am 30. Juli 2015, Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben.

Zur Begründung ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten im Wesentlichen ausführen:

Die Protokollierung der durch den Kläger eigenständig vorformulierten Arbeitsergebnisse durch Prof. K. habe keinen Einfluss auf das Erfordernis und Vorliegen der Selbstständigkeit. Die inhaltliche Arbeit sei vollumfänglich vom Kläger geleistet worden. Die umfassende Betreuung durch den Doktorvater könne dem Kläger nicht angelastet werden. Der Kläger sei über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren über die Wochenenden und teilweise auch unter der Woche regelmäßig für die Erstellung der Promotion zum Institut für Geschichte der Medizin gereist, um gemeinsam mit Prof. K. seine vorgelegten Entwürfe und Bearbeitungen zu besprechen. In der Sitzung der Fehlverhaltenskommission vom 23. März 2007 habe Prof. K. dargelegt, dass die Arbeitsergebnisse von den Doktoranden vorformuliert worden seien und er diese lediglich protokolliert habe. Dies habe Prof. K. auch in seiner Tischvorlage zur Anhörung vom 23. März 2007 bestätigt. Auch die Fehlverhaltenskommission komme in ihrem Bericht vom 8. Juni 2007 (S. 15, 2. Absatz) zu dem Ergebnis, dass unter Zugrundelegung der beschriebenen Vorgehensweise zwischen Doktorand und Doktorvater die Prüfungsleistung dem Doktoranden erkennbar zugerechnet werden könne. Die Fehlverhaltenskommission habe in ihrem Bericht (S. 20, 2. Absatz) eine bewusste oder grob fahrlässige Falschangabe verneint, wenn man entsprechend den Darlegungen von Prof. K. davon ausgehe, der Anteil der Eigenleistung des Doktoranden betrage 80%. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behauptung, dass die Dissertation in Stil und Diktion weitgehend Prof. K. entspreche. Die Unterweisung in die Terminologie und den Stil des Doktorvaters habe keinen Einfluss auf die selbstständige Erstellung der Doktorarbeit. Auch würden Doktoranden innerhalb der mehrjährigen Betreuung mit dem Stil und der Terminologie des Doktorvaters vertraut gemacht. Die Beklagte könne sich nicht mit der Behauptung aus der Verantwortung stehlen, von den Vorgängen am Institut für Geschichte der Medizin keine Kenntnis besessen zu haben. Dieser Umstand stehe einer Täuschung gleichermaßen entgegen. Die Beklagte habe sich zudem bewusst und in Kenntnis der Umstände zunächst gegen Maßnahmen gegenüber dem Kläger entschieden und die Jahre verstreichen lassen. Aus einem weiteren Protokoll der Fehlverhaltenskommission vom 8. Dezember 2006 ergebe sich, dass diese den Kläger zum bisherigen Sachstand habe anhören wollen. Die Anhörung des Klägers sei jedoch trotz Kenntnis der Umstände nicht erfolgt. Erst über sieben Jahre später habe die Beklagte der Kläger über die Eröffnung des Prüfverfahrens informiert. Zu diesem Zeitpunkt sei dem Kläger die Vorlage entlastender Unterlagen nicht mehr möglich gewesen. Die Behauptung, sämtliche Dissertationen seien von Prof. K. verfasst worden, widerspreche bereits aufgrund der Vielzahl an betreuten Promovenden und des erforderlichen Arbeitsaufwands der allgemeinen Lebenserfahrung. Die aufgrund der fehlenden Täuschung zu beachtende Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG sei nicht gewahrt worden. Des Weiteren sei das Recht der Beklagten auf Rücknahme der Promotion verwirkt. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass die Beklagte ihr Ermessen bei der Rücknahmeentscheidung fehlerhaft ausgeübt habe. Sie müsse die aus ihrer Sphäre stammende Pflichtverletzung durch ihr Mitglied Prof. K. im Rahmen ihrer Ermessensausübung bei der Bewertung und Gewichtung der Protokollierung als eigenen Verursachungsbeitrag zugunsten des Klägers berücksichtigen. Auch werde auf die schwerwiegenden beruflichen und sozialen Nachteile, die die Rücknahme des Doktortitels zeitige, hingewiesen.

Der Kläger ließ durch seinen Bevollmächtigten beantragen,

1. den Bescheid vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2015 aufzuheben, und

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verwies die Beklagte auf den Inhalt des Entzugsbescheides und des Widerspruchsbescheides. Ergänzend führte sie im Wesentlichen aus: Die „Erklärung“ des Klägers vom 16. März 2007 beinhalte nicht, dass die Arbeit selbstständig erstellt worden sei. Wenn die Fehlverhaltenskommission auf Seite 6 ihres Berichts konstatiert habe, dass sie es nicht für geboten erachte, weitere Ermittlungen vorzunehmen, beruhe dies auf dem Umstand, dass ihr Auftrag nicht die Einleitung etwaiger Entzugsverfahren gewesen sei. Dies bleibe dem zuständigen Promotionsausschuss vorbehalten. Die Fehlverhaltenskommission habe die Dissertation des Klägers zutreffend als „Gruppenarbeit“ qualifiziert. Die Schlussfolgerung des Klägers, die Beklagte habe keine Maßnahmen hinsichtlich abgeschlossener Promotionen treffen wollen, sei unzutreffend. Nach Erstattung der Strafanzeige gegen Prof. K. sei zunächst das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgewartet worden. Von dem Strafbefehl gegen Prof. K. vom 1. Dezember 2009 habe die Beklagte erst im März 2011 Kenntnis erlangt. Die betroffenen Doktorarbeiten seien zeitlich in gewisse Kriterien eingeteilt worden. Der Promotionsausschuss habe sich der Feststellung der Fehlverhaltenskommission, wonach „[…] Art und Weise der Abfassung zahlreicher Dissertationen dann nicht den Tatbestand einer bewussten oder grob fahrlässigen Falschangabe erfüllten, wenn man der Argumentation folge, dass die Prüfungsleistung dem einzelnen Doktoranden erkennbar als eigene Leistung zugerechnet werden könne, obwohl der Eigenleistungsanteil nur 80% betrage“ (S. 20 des Berichts), nicht angeschlossen. Auch werde im Bericht der Fehlverhaltenskommission betont, dass die Umstände der engen Zusammenarbeit zwischen Prof. K. und den Doktoranden „unklar, grenzwertig und kollektiv“ gewesen seien.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2016 und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Gründe

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.1 Für die Entziehung des Doktorgrades ist, worauf im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 7. Juli 2015 zutreffend hingewiesen wird, die Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät der Universität Würzburg (PromO) vom 10. Juni 2011 und nicht die von der Beklagten zugrunde gelegte Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät der Universität Würzburg vom 29. März 1983 (PromO a. F.) maßgeblich. Die Rechtmäßigkeit der Entziehung des Doktorgrades bestimmt sich mangels einer abweichenden Regelung nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (BVerwG, U.v. 29.9.1982 - 8 C 138/81 - BVerwGE 66, 178/182; U.v. 28.7.1989 - 7 C 39/87 - BVerwGE 82, 260/261; VGH BW, U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 - KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - VBlBW 2013, 429; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 7. Juli 2015 befand sich die aufgrund der Art. 13 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 Satz 5 Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG) i. d. F. d. Bek. vom 23. Mai 2006 (GVBl S. 245), zuletzt geändert durch § 1 Nr. 212 Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), erlassene Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät der Universität Würzburg vom 10. Juni 2011 in Kraft. Die Übergangsbestimmung des § 16 Satz 1 PromO findet keine Anwendung. Danach werden Promotionsverfahren, in denen die Dissertation bereits abgegeben wurde, nach den Bestimmungen derjenigen Promotionsordnung durchgeführt, die zum Zeitpunkt der ersten Abgabe der Dissertation in Kraft war. Vorliegend war das Promotionsverfahren jedoch mit der Verleihung des Doktorgrades an den Kläger mit Urkunde vom 21. Januar 2003 vollständig abgeschlossen. Das Entziehungsverfahren, welches auf den „actus contrarius“ gerichtet ist, stellt ein hiervon unabhängiges Verfahren dar.

Für die Entziehung des Doktorgrades sind als Rechtsgrundlagen die § 11 Abs. 2, 5 PromO i. V. m. Art. 48 BayVwVfG heranzuziehen. Hat sich der Doktorand im Promotionsverfahren einer Täuschung schuldig gemacht und wird diese erst nach Aushändigung der Urkunde bekannt, so kann nachträglich die Doktorprüfung für nicht bestanden erklärt werden (§ 11 Abs. 2 PromO). Gemäß § 11 Abs. 5 PromO richtet sich die Entziehung des Doktorgrades nach Art. 69 BayHSchG. Diese Bestimmung regelt jedoch ausschließlich den Fall, dass sich der Inhaber eines akademischen Grades durch ein späteres Verhalten der Führung unwürdig erweist. Zugleich macht der Verweis des Art. 69 BayHSchG auf Art. 48 BayVwVfG deutlich, dass letztere Vorschrift für die Entziehung eines rechtswidrig erworbenen Doktorgrades Anwendung findet (VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris; BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.388 - BayVBl. 2007, 281; Reich, BayHSchG, 5. Aufl. 2007, Art. 69 Rn. 1). Die Vorschrift des Art. 48 BayVwVfG genügt auch bei der Rücknahme einer Promotionsentscheidung dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67/06 - juris).

Die Wahl der unzutreffenden Rechtsgrundlage in Gestalt des § 11 Abs. 5 PromO a. F. durch die Beklagte steht der Rechtmäßigkeit der Entziehung des Doktorgrades nicht entgegen. Vorliegend sind sowohl nach der Promotionsordnung aus dem Jahr 1983 als auch nach der einschlägigen Promotionsordnung aus dem Jahr 2011 für die Entziehung des Doktorgrades die allgemeine Vorschrift des Art. 48 BayVwVfG und infolgedessen dieselben Ermessenserwägungen maßgeblich (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2008 - 7 ZB 08.1402 - juris; BVerwG, U.v. 19.8.1988 - 8 C 29/87 - BVerwGE 80, 96; VG Regensburg, U.v. 31.07.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). Nach der von der Beklagten herangezogenen Bestimmung des § 11 Abs. 5 PromO a. F. richtete sich die Entziehung des Doktorgrades „nach den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 48 und 49 BayVwVfG).“ Dies ist unter Zugrundelegung der Nachfolgebestimmung in Gestalt des § 11 Abs. 5 PromO gleichermaßen der Fall. Zwar verweist § 11 Abs. 5 PromO im Gegensatz zur Vorgängernorm auf Art. 69 BayHSchG. Diese Bestimmung regelt jedoch ausschließlich den Fall der nachträglichen Unwürdigkeit und erklärt im Übrigen Art. 48 BayVwVfG für anwendbar. Darüber hinaus beinhalten sowohl § 6 Abs. 1 Satz 1 PromO a. F. als auch die Nachfolgebestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 1 PromO die Vorgabe einer „selbstständigen“ Arbeit. Zudem sah bereits die Promotionsordnung aus dem Jahr 1983 in § 11 Abs. 2 die Möglichkeit vor, im Falle der Täuschung im Promotionsverfahren die Doktorprüfung nachträglich für Nichtbestanden zu erklären.

1.2 Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig.

Der Promotionsausschuss der Medizinischen Fakultät der Beklagten war für die Entziehung des Doktorgrades zuständig. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG ist die Hochschulleitung für alle Angelegenheiten zuständig, für die im Bayerischen Hochschulgesetz oder in der Grundordnung nicht eine andere Zuständigkeit festgelegt ist. Für die Entziehung eines akademischen Grades ist gemäß Art. 69 Satz 2 BayHSchG diejenige Hochschule zuständig, die den Grad verliehen hat. Innerhalb der Hochschule richtet sich die Zuständigkeit nach der Promotionsordnung i. S.v. Art. 64 Abs. 1 Satz 5 BayHSchG. Vorliegend war der Promotionsausschuss, der sich aus den dem Fakultätsrat der Medizinischen Fakultät angehörenden Hochschullehrern und Hochschullehrerinnen zusammensetzt, für die Entziehung des Grades „Dr. med.“ zuständig (§§ 3, 11 Abs. 5 Satz 2 PromO).

Die Einleitung des Entziehungsverfahrens erfolgte durch den Beschluss des Promotionsausschusses in der Sitzung vom 3. Februar 2014. Dieser weist keine Verfahrensfehler auf. Der Promotionsausschuss war beschlussfähig. Die Beschlussfähigkeit setzt neben einer ordnungsgemäßen Ladung voraus, dass die Mehrheit der Mitglieder anwesend und stimmberechtigt ist (§ 3 Abs. 3 PromO). Eine ordnungsgemäße Ladung erfordert die Einhaltung einer Frist von acht Tagen; sie muss schriftlich oder per E-Mail unter Angabe der Tagesordnung an sämtliche Mitglieder ergehen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 PromO). Diese Kriterien erfüllt die per E-Mail versandte Ladung vom 24. Januar 2014. Entsprechend der Niederschrift war auch die Mehrheit der Mitglieder des Promotionsausschusses anwesend. Die Entziehung des Doktorgrades des Klägers wurde in der Sitzung des Promotionsausschusses vom 2. Juni 2014 beschlossen. Dieser Beschluss ist ebenfalls verfahrensgemäß i. S. d. § 3 Abs. 3 PromO ergangen.

Die Anhörung des Klägers gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erfolgte ordnungsgemäß. Dem Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 27. Februar 2014 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

1.3 Der Bescheid vom 17. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2015 sind auch materiell rechtmäßig. Gemäß Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67.06 - juris). So verhält es sich hier. Die Verleihung des Doktorgrades an den Kläger war rechtswidrig. Die Promotionsschrift des Klägers stellt keine selbstständige wissenschaftliche Arbeit dar. Die Beklagte hat auch ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.

1.3.1 Bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts richtet sich die Beweislast nach den allgemeinen Grundsätzen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 48 Rn. 170). Vorliegend steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zumindest den Zweitgutachter sowie die an der Durchführung des Promotionsverfahrens beteiligten Stellen (vgl. § 3 PromO a. F.) darüber täuschte, dass es sich bei seiner Arbeit nicht um eine selbstständige wissenschaftliche Leistung handelte, sondern diese vielmehr aus einer Kooperation (Mitautorenschaft) mit seinem Doktorvater hervorgegangen war.

Der in § 11 Abs. 2 PromO verwendete Begriff der „Täuschung“ ist als eine Bezugnahme auf den Betrugstatbestand des § 263 Strafgesetzbuch (StGB) zu erachten (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 RO 9 K 13.1442 - juris). Erforderlich sind eine Täuschungshandlung, durch die ein Irrtum erregt wird, sowie ein Täuschungsvorsatz. Eine Täuschungshandlung liegt vor, wenn Textstellen der Promotionsschrift nicht vom Doktoranden selbst, sondern von einem anderen Autor herrühren und dies nicht ausreichend kenntlich gemacht wird (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Berlin, U.v. 15.4.2009 - 12 A 319.08 - juris; BayVGH, B.v. 19.8.2004 - 7 CE 04.2058 - juris). Hierzu zählt auch die unerlaubte Hilfe Dritter (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 713). Die Anforderungen, die an den Nachweis der Eigenständigkeit wissenschaftlichen Arbeitens zu stellen sind, ergeben sich aus dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit und dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG (VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). Der Grundsatz, dass „nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung den Anforderungen an eine eigenständige Dissertation genügt“ (VGH BW, B.v. 13.10.2008 - 9 S 494/08 - VBlBW 2009, 191), bzw. „die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne hinreichende Kennzeichnung gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens verstößt und die Annahme als Dissertation im Regelfall ausschließt“ (BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.388 - BayVBl 2007, 281), war bereits in § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PromO a. F. niedergelegt. Danach musste die Dissertation selbstständig angefertigt, die benutzte Literatur und die sonstigen Hilfsmittel vollständig angegeben sowie wörtliche oder nahezu wörtliche Übernahmen aus dem Schrifttum kenntlich gemacht werden.

Vorliegend agierte der Kläger entgegen der von ihm gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 3 PromO a. F. mit Schreiben vom 16. August 2002 abgegebenen ehrenwörtlichen Erklärung, die Dissertation selbstständig angefertigt und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben. Sowohl die mit der Promotionsschrift des Klägers weitestgehend identische Handschrift von Prof. K. als auch die von der Fehlverhaltenskommission und Prof. W. gewonnen Erkenntnisse belegen (zumindest) eine Mitautorenschaft des Doktorvaters.

Zunächst ist die von Prof. K. angefertigte Handschrift (Bl. 23 d. Verwaltungsakte) bis auf minimale Abweichungen identisch mit der Dissertation des Klägers, was dieser im Übrigen nicht bestreitet. Zu diesem Ergebnis gelangte auch Prof. W. In seinem Schreiben an die Beklagte vom 9. September 2013 führte er aus (Bl. 53 d. Verwaltungsakte): „In den für den Abgleich verfügbaren Abschnitten der Dissertation besteht in allen überprüften Kategorien eine inhaltliche und formale Übereinstimmung zwischen der Druckfassung und der handschriftlichen Fassung in einem Maße, so dass man die zu vergleichenden Textfassungen als identisch werten muss. Die benannten inhaltlichen und formalen Abweichungen sind marginal. Eine Ausnahme ist das Literaturverzeichnis: Die Literaturliste der Druckfassung ist um ein Mehrfaches umfassender als die der Kopie der Handschrift […] Die Literatur, die beiden Listen gemeinsam ist, ist jedoch inhaltlich und formal identisch.“

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Vortrag des Klägers, wonach er regelmäßig über einen Zeitraum von fast zwei Jahren nach Würzburg gefahren sei, um sich umfassend mit Prof. K. auszutauschen. Zwar gab auch Prof. K. gegenüber der Fehlverhaltenskommission am 23. März 2007 an, die auswärtigen Doktoranden seien für die Besprechungen der Entwürfe und Arbeitsergebnisse „nie weniger als 80 Doppeltage im Institut anwesend gewesen“ (Bl. 72 d. Gerichtsakte). Allerdings geht aus seinen Angaben zum Zustandekommen der Promotionsschriften gleichermaßen hervor, dass er als Mitautor der Dissertation des Klägers fungierte. Bereits in der am 1. Februar 2006 erfolgten Besprechung mit Mitgliedern der Medizinischen Fakultät versicherte Prof. K gemäß dem Protokoll (vgl. Bl. 40 d. Gerichtsakte), „dass die Doktoranden etwa 80% der Gesamtarbeit […] eigenständig durchführten und einen vollständigen Entwurf der Doktorarbeit erstellten. Seine Aufgabe bestehe dann darin, den Entwurf textlich und redaktionell zu bearbeiten und fachlich zu optimieren, so dass er zwanglos in das geplante publikatorische Gesamtwerk eingefügt werden könne.“ Eine derartige Vorgehensweise begründet eine Mitautorenschaft des Doktorvaters und steht gleichermaßen einer selbstständigen Leistung des betreffenden Doktoranden entgegen. Die von Prof. K. nachgeschobenen Beanstandungen des Protokolls dieser Besprechung führen zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr manifestierte er seine Aussage innerhalb der am 23. März 2007 erfolgten Anhörung vor der Fehlverhaltenskommission. Hierbei führte er aus (Bl. 46 d. Gerichtsakte): „[…] Diese Doktoranden hätten ihm die von ihnen jeweils geleistete Arbeit vorgestellt. Diese Arbeitsergebnisse seien dann in ein Protokoll übernommen worden, das auf diese Weise - je nachdem wie schnell der Doktorand oder die Doktorandin vorangekommen sei - sukzessive entstanden sei. Die jeweilige Problemstellung sei zuvor mit dem Doktoranden erörtert worden und die Durchführung der Ausarbeitung seien im Detail besprochen worden. Mit dem Doktoranden sei ein exakter Arbeitsplan abgesprochen worden. Die Arbeitsergebnisse selbst habe der Doktorand oder die Doktorandin vorformuliert und er, Prof. K., habe sie dann selbst protokolliert. Damit sei ein Achetyp vorhanden gewesen. Die Protokollierung habe in Klausur stattgefunden. Wort für Wort seien Vorformulierungen mit dem Doktoranden durchgegangen worden und das jeweilige Ergebnis von ihm, Prof. K., protokolliert worden. […] sei bei diesen Arbeiten eine exakte Niederschrift äußerst wichtig, und zwar bis aufs Komma, weshalb er selbst die Protokollierung geleistet habe. […] Die Vorformulierungen der Doktoranden seien von ihnen schriftlich fixiert gewesen und er habe kein Wort in das Protokoll übernommen, das nicht die Zustimmung des jeweiligen Doktoranden gefunden habe.“ Aus diesen Angaben geht hervor, dass die Promotionsleistung einer engen Zusammenarbeit („in Klausur“) zwischen Prof. K. und dem jeweiligen Doktoranden entsprang, was dem Erfordernis der Selbstständigkeit i. S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PromO a. F. (nunmehr niedergelegt in Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PromO) zuwiderläuft.

Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten hat die Fehlverhaltenskommission in ihrem Bericht vom 8. Juni 2007 gerade keine Feststellung dahingehend getroffen, dass eine selbstständige Erstellung der Promotionsschrift des Klägers vorliegt. Zunächst gelangte die Fehlverhaltenskommission in ihrem Bericht im Hinblick auf die Arbeitsweise von Prof. K. zu folgendem Ergebnis (Bl. 56 d. Gerichtsakte): „[…] kann zumindest davon ausgegangen werden, dass die Fassungen der fraglichen Dissertationen […] Wort für Wort zwischen dem Doktoranden und dem Doktorvater, Prof. K., abgestimmt und von ihm persönlich niedergeschrieben waren […]. Insbesondere die Bearbeitung der einzelnen Teile des Arzneimittel-Handbuchs ‚Die Würzburger Wundarznei‘ erscheint auf diesem Wege erfolgt zu sein. Nachweislich kann dies mit den Dissertationen […] belegt werden, insofern sie handschriftlich vollständig von Prof. K. von der ersten bis zur letzten Zeile per Hand geschrieben und wortidentisch mit diesem Text als gedruckte Dissertation veröffentlich worden sind.“ Hierbei nahm die Fehlerhaltenskommission unter anderem explizit auf die Promotionsschrift des Klägers Bezug (Bl. 56 d. Gerichtsakte). Zudem führte sie aus (Bl. 56 d. Gerichtsakte): „Legt man die von Prof. K. beschriebene Verfahrensweise zugrunde, so mag das inhaltliche Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit selbstständig erbracht sein, nicht aber die Art und Weise seiner (schriftlichen) Darstellung, denn insoweit haben Doktorand und Doktorvater den Text gemeinsam verfasst.“ Demzufolge wurden die von Prof. K. betreuten Dissertationen zur „Würzburger Wundarznei“ detailliert zwischen dem Doktoranden und dem Doktorvater abgestimmt und von Letzterem niedergeschrieben. Zudem hat der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben vom 25. November 2014 ausgeführt, dass die „gedankliche Leistung und die Ergebnisse des Quellenstudiums ausschließlich ihm zuzurechnen seien“. Im Umkehrschluss bedeutet das, das Abfassen der Arbeit erledigten Kläger und Doktorvater gemeinsam. Ein derartiges Vorgehen läuft einer selbstständigen Anfertigung zuwider.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, wie der Klägerbevollmächtigte meint, folgende von der Fehlverhaltenskommission getroffene Feststellung (B. 64 d. Gerichtsakte): „Die von Prof. K. beschriebene Art und Weise der Abfassung zahlreicher Dissertationen erfüllt dann nicht den Tatbestand einer bewussten oder grob fahrlässigen Falschangabe, wenn man der Argumentation folgt, dass die Prüfungsleistung dem einzelnen Doktoranden bzw. der einzelnen Doktorandin erkennbar als eigene Leistung zugerechnet werden kann, obwohl der Eigenleistungsanteil nur 80% betragen sollte.“ Denn es ist aufgrund der Erstellung der Promotionsschrift „in Klausur“ bereits nicht feststellbar, welchen Eigenleistungsanteil der jeweilige Doktorand tatsächlich erbracht hat und welche Komponenten der Arbeit auf der geistigen Urheberschaft von Prof. K. beruhen. Zudem betonte die Fehlverhaltenskommission (Bl. 57 d. Verwaltungsakte): „Die Ständige Kommission hat indessen erhebliche Zweifel, ob die Darstellung des Zustandekommens durch Prof. K. glaubwürdig ist.“

Das Gericht verkennt nicht, dass einem Doktorvater im Rahmen der Erstellung der Promotionsschrift eine Betreuungsfunktion zukommt, die einen regelmäßigen Austausch mit dem Doktoranden über das Fortkommen der Arbeit beinhaltet. Demgegenüber läuft es dem Kriterium der Selbstständigkeit i. S.v. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PromO zuwider, wenn der Beitrag des Doktorvaters über eine punktuelle (mündliche) Anleitung hinausgeht und erhebliche Komponenten der Promotionsschrift - wie vorliegend - seiner geistigen Leistung entspringen. Schließlich ist es bei der vorliegend gewählten Arbeitsweise der Erstellung der Promotionsschrift „in Klausur“ nicht möglich, den geistigen Urheber der einzelnen Passagen zu ergründen. Selbst die ausschließliche Zurechnung der gedanklichen Leistung und der Ergebnisse des Quellenstudiums an den Kläger ist ausgeschlossen. Auch die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 3 PromO a. F. führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach konnte eine von mehreren Autoren angefertigte Arbeit grundsätzlich nicht als Dissertation zugelassen werden, es sei denn, ausschließlich der Betreuer der Arbeit fungierte als Mitautor. Einer auf diese Bestimmung gestützten Zulässigkeit der Mitautorenschaft von Prof. K. steht bereits entgegen, dass diese nicht kenntlich gemacht wurde. Der Promotionsschrift des Klägers lässt sich nicht entnehmen, welche Passagen auf wessen geistige Leistung zurückzuführen sind. Vielmehr wird der Kläger vollumfänglich als geistiger Urheber der Arbeit angeführt. In seiner ehrenwörtlichen Erklärung vom 16. August 2002 gab der Kläger an, die Dissertation selbstständig verfasst zu haben.

Demnach spiegelte der Kläger durch das Unterlassen einer Kenntlichmachung der Mitautorenschaft von Prof. K. und der Abgabe der ehrenwörtlichen Erklärung vom 16. August 2002, wonach er die Arbeit selbstständig angefertigt und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, den in das Promotionsverfahren involvierten Stellen vor, dass die Promotionsschrift ausschließlich auf seiner eigenständigen wissenschaftlichen Befähigung beruhe. Auf diese Weise rief er bei ihnen einen Irrtum über die geistige Urheberschaft hervor. Der Einwand des Klägers, wonach die Vorgehensweise von Prof. K. den Mitarbeitern des Instituts bekannt gewesen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen verkennt der Kläger, dass es sich um eine Vielzahl von Personen handelte, die in das Promotionsverfahren eingebunden gewesen waren. Dieser Personenkreis ging über die Mitarbeiter des Instituts für Geschichte der Medizin hinaus. So setzte sich der Promotionsausschuss aus den dem Fachbereichsrat der Medizinischen Fakultät angehörenden Hochschullehrern zusammen (§ 3 Abs. 1 PromO a. F.). Dementsprechend kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsweise von Prof. K. allgemein bekannt war. Der Kläger hat auch keinen derartigen Nachweis erbracht. Der Umstand, dass zahlreiche weitere Dissertation unter der Ägide von Prof. K. gleichermaßen „in Klausur“ angefertigt und von Mitgliedern der Beklagten begutachtet wurden, lässt nicht auf eine allgemeine Kenntnis des Vorgehens von Prof. K. schließen. Denn es bestehen bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte dahingehend, dass der jeweilige Zweitgutachter über die Arbeitsweise von Prof. K. und der damit einhergehenden mangelnden Selbstständigkeit des Doktoranden informiert war. Auch das Protokoll der Sitzung des Promotionsausschusses vom 2. Juni 2014 enthält die Feststellung (Bl. 96 d. Verwaltungsakte), dass „die Fakultät, insbesondere der Promotionsausschuss, aufgrund der räumlichen Distanz des Instituts für Geschichte der Medizin keine Kenntnis von dieser Vorgehensweise hatte“. Dem ist der Kläger nicht hinreichend entgegengetreten. Der bei den am Promotionsverfahren beteiligten Stellen hervorgerufene Irrtum war für die Verleihung des akademischen Grades „Dr. med.“ kausal. Der Kläger handelte auch mit Täuschungsvorsatz.

1.3.2 Dem Promotionsausschuss steht ein Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Erheblichkeit der Täuschungshandlung zu (VGH BW, U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 - KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). Diesbezüglich ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob ein Verstoß gegen das Willkürverbot oder sachfremde Erwägungen vorliegen (VGH BW, U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 - KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2015 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602). Hierfür bestehen in Anbetracht des Ausmaßes der Mitautorenschaft des Doktorvaters keine Anhaltspunkte.

Die Rücknahmeentscheidung weist weder in Bezug auf den Ausgangs- noch auf den Widerspruchsbescheid Ermessensfehler auf (§ 114 VwGO). Die Beklagte hat ihr Entschließungs- und Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Zwar müssen auch bei einem rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt i. S. d. Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG, der keine Geld- oder Sachleistungen gewährt, innerhalb der Ermessensausübung Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigt werden (BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67.06 - juris). Allerdings ist eine Berufung auf Vertrauensschutz ausgeschlossen, wenn eine arglistige Täuschung vorliegt. Eine Arglist besteht, wenn die vorsätzliche Irreführung eine Einwirkung auf den behördlichen Erklärungswillen bezweckt (OVG Hamburg, B.v. 28.8.2001 - 3 Bs 102/01 - NVwZ 2002, 885). Dies ist bei der auf einer Täuschung beruhenden Verleihung des Doktorgrades der Fall (BVerwG, U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 - KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; BayVGH, B.v. 5.2.2016 - 7 ZB 15.1073 - juris; VGH BW, B.v. 13.10.2008 - 9 S 494/08 - VBlBW 2009, 191; VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - VBlBW 2013, 429; VG Frankfurt a.M., U.v. 23.7.2007 - 12 E 2262/05 - juris; Reich, BayHSchG, 5. Aufl. 2007, Art. 69 Rn. 1). Darüber hinaus begründet der Umstand, dass der Zweitgutachter sowie weitere an dem Promotionsverfahren beteiligte Stellen die Mitautorenschaft von Prof. K. nicht bemerkten, keinen Vertrauensschutz dahingehend, die „elementaren Grundlagen wissenschaftlicher Arbeitstechniken missachten zu dürfen“ (vgl. BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.3888 - BayVBl 2007, 281; VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - VBlBW 2013, 429; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris).

Bei der Entziehung eines Doktorgrades haben in den Abwägungsvorgang die damit einhergehenden beruflichen Beeinträchtigungen Eingang zu finden (BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67/06 - juris). Der Promotionsausschuss hat ausweislich der Niederschrift der Sitzung vom 2. Juni 2014 eine Abwägung der widerstreitenden Interessen in Gestalt der zu erwartenden Nachteile für den Kläger und dem öffentlichen Interesse an der Entziehung getätigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass er dem Schutz der wissenschaftlichen Lauterkeit und der Wahrung des Renommees der Medizinischen Fakultät ein größeres Gewicht beimaß als den von Art. 12 Abs. 1 GG erfassten beruflichen Interessen des Klägers (vgl. BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67/06 - juris; BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.388 - BayVBl 2007, 281; VG Frankfurt a.M., U.v. 23.5.2007 - 12 E 2262/05 - juris; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602). Schließlich stellt die Funktionsfähigkeit der Wissenschaft ein „überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in dem objektiven Regelungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut dar“ (BVerwG, U.v. 31.7.2013 - 6 C 912 - BVerwGE 147, 292). Hingegen musste der Umstand, dass der Zweitgutachter innerhalb des Promotionsverfahrens die Täuschung nicht registriert hatte, nicht in die Abwägung einfließen (BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.388 - BayVBl. 2007, 281; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). In Anbetracht des Umfangs der Mitautorenschaft musste der Promotionsausschuss auch keine Nachbesserung der Arbeit als gegenüber der Entziehung milderes Mittel in Betracht ziehen (hierzu VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - juris). Eine Nachbesserung ist allenfalls bei Bagatellvergehen zu erwägen. Dies geht u. a. aus § 7 Abs. 2 PromO hervor, wonach ein Gutachter dem Promovenden die Dissertation zum Zwecke der Umarbeitung zurückgeben kann, wenn er sie „im Ganzen für befriedigend, jedoch in einigen nicht maßgeblichen Einzelheiten für verbesserungswürdig“ hält. Bei einer Mitautorenschaft des Doktorvaters war eine Nachbesserung ausgeschlossen.

Der Einwand des Klägerbevollmächtigten, wonach die Beklagte die aus ihrer Sphäre stammende Pflichtverletzung durch ihr Mitglied Prof. K. innerhalb der Ermessensausübung bei der Bewertung und Gewichtung der Protokollierung als eigenen Verursachungsbeitrag zugunsten des Klägers hätte berücksichtigten müssen, geht fehl. Zunächst ist dem Protokoll der Sitzung des Promotionsausschusses am 2. Juni 2014 zu entnehmen, dass sich das Gremium mit der Vorgehensweise von Prof. K. befasste. Des Weiteren ist in dem Sitzungsprotokoll niedergelegt, dass „die Fakultät, insbesondere der Promotionsausschuss, aufgrund der räumlichen Distanz des Instituts für Geschichte der Medizin keine Kenntnis“ von der Vorgehensweise von Prof. K. hatte. Damit befasste sich der Promotionsausschuss durchaus mit dem Fehlverhalten von Prof. K., gelangte jedoch zu der Feststellung, dass dessen Pflichtverletzung der Beklagten nicht zugerechnet werden könne. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. Schließlich bestehen - wie zuvor erläutert - keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sämtliche an dem Promotionsverfahren beteiligten Stellen Kenntnis über die Arbeitsweise von Prof. K. besaßen.

1.3.3 Die Rücknahmemöglichkeit war auch nicht verfristet, wie der Kläger meint. Gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit der Kenntniserlangung der Behörde von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zulässig. Allerdings findet diese Jahresfrist gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG i. V. m. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG keine Anwendung, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt wurde (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2008 - 9 S 494/08 - VBlBW 2009, 191; U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - VBlBW 2013, 429; VG Frankfurt a.M., U.v. 23.5.2007 - 12 E 2262/05 - juris; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). So verhält es sich hier. Der Kläger hat die Verleihung des akademischen Grades „Dr. med.“ durch eine bewusste Täuschung über die selbstständige Erstellung der Promotionsschrift erwirkt, was ein arglistiges Vorgehen darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2016 - 7 ZB 15.1073 - juris).

Eine Verwirkung der Rücknahmemöglichkeit kommt ebenfalls nicht in Betracht. Das Rechtsinstitut der Verwirkung entspringt dem Grundsatz von Treu und Glauben. Es besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung ein längerer Zeitraum vergangen ist und besondere Umstände bestehen, die die verspätete Geltendmachung treuwidrig erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 23.5.1975 - IV C 73.73 - BVerwGE 48, 247; U.v. 15.5.1985 - 3 C 86/82 - BVerwGE 69, 237). Das Gericht verkennt nicht, dass zwischen dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Beklagten von der dem Entzug des Titels „Dr. med.“ zugrunde liegenden Tatsachen und der tatsächlichen Durchführung des Entziehungsverfahrens gegenüber dem Kläger ein Zeitraum von mehreren Jahren lag. Schließlich geht aus dem Protokoll über die Sitzung der Fehlverhaltenskommission vom 8. Dezember 2006 hervor, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Anhörung des Klägers zum bisherigen Sachstand beabsichtigt war. Gleichwohl fehlt es hier aufgrund der Täuschung über die Selbstständigkeit der Anfertigung der Arbeit bereits an einem schutzwürdigen Vertrauen des Klägers in ein Unterlassen der Entziehung des Doktorgrades (vgl. VG Köln, U.v. 6.12.2012 - 6 K 2684/12; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13). Dementsprechend steht auch die Behauptung des Klägers, wonach er aufgrund des beträchtlichen vergangenen Zeitraums ihn entlastende Unterlagen entsorgt habe, der Entziehung seines Titels nicht entgegen. Die Aufbewahrung der seiner Promotionsschrift zugrundeliegenden Materialien unterliegt ausschließlich seinem Verantwortungsbereich.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Tenor

Im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors wird der Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Promotion und die Rückforderung der Promotionsurkunde.

2

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der beklagten Hochschule bestand der Kläger am 18. Dezember 1995 die Erste Juristische Staatsprüfung.

3

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 1. Juni 1997 die Zulassung zur Promotion beim damaligen Fachbereich Rechtswissenschaft I der Beklagten. Er gab dabei die Versicherung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 ab, dass er die Dissertation selbst angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die vorgelegte Dissertation mit dem Titel: „…“ bewerteten der Betreuer der Dissertation und Erstgutachter Prof. Dr. A. in seinem Votum vom 16. Oktober 1997 und der Zweitgutachter Prof. Dr. B. in seinem Votum vom 23. Dezember 1997 jeweils mit der Note „magna cum laude“. Am 28. Januar 1998 bestand der Kläger das Kolloquium vor den Prüfern Prof. Dr. C., Prof. Dr. A. sowie Prof. Dr. D.. Der Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft I fertigte eine auf diesen Tag datierte Promotionsurkunde aus, mit der dem Kläger der Grad eines Doktors der Rechte verliehen wurde.

4

Nach Bestehen der Großen Juristischen Staatsprüfung am 19. Mai 2000 nahm der Kläger die freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt auf.

5

Auf Antrag des Klägers vom 19. Dezember 2007 gewährte der damalige Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft der Beklagten und Vorsitzende des Habilitationsausschusses Prof. Dr. E. ihm am 15. Januar 2008 die Zulassung zur Habilitation. Der Kläger legte eine Habilitationsschrift vor unter dem Titel: „…“. Der Erstgutachter Prof. Dr. F. schlug in seinem Votum vom 26. April 2008 die Annahme der Habilitationsschrift vor. Hingegen schlug der Zweitgutachter Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 19. Juni 2008 die Ablehnung vor und führte aus:

6

„Für eine wissenschaftliche Abhandlung ernstlich bedenklich ist indes, dass Verf. seine Thesen kaum argumentativ herausarbeitet, sondern im Wesentlichen behauptet […]. Gänzlich verstörend wirkt freilich, dass sich in den Schrifttumsnachweisen des geschilderten Abschnitts […] kein einziger Nachweis findet, der jünger als 13 Jahre wäre […] Des Rätsels Lösung besteht darin, dass Verf. an dieser Stelle der Arbeit in großen Teilen sowohl Text wie auch Fußnoten aus den S. 36 ff. seiner Dissertation aus dem Jahre 1998 […] wörtlich übernommen hat. Nun ist ein 'selbstreferenzielles' Vorgehen bekanntlich zwar nicht urheberrechtlich unzulässig, aber jedenfalls dann wissenschaftlich unredlich, wenn der Autor sich noch nicht einmal die Mühe macht, Text und Fußnoten zu aktualisieren.“

7

Der im ursprünglichen Promotionsverfahren als Betreuer der Dissertation tätig gewordene Prof. Dr. A. wandte sich mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 gegen dieses die Habilitationsschrift betreffende Zweitvotum. Gleichwohl beschloss der Habilitationsausschuss in seiner Sitzung vom 14. Januar 2009, dass die Habilitationsschrift unzureichend sei. Der Kläger wandte sich mit diversen Schreiben seiner Bevollmächtigten gegen diese Einschätzung.

8

Unmittelbar vor einer auf den 27. Mai 2009 angesetzten Sitzung des Habilitationsausschusses unter dem Vorsitz von Prodekan Prof. Dr. D. als Vertreter des krankheitsbedingt fehlenden Dekans fand eine Unterredung des Vorsitzenden mit dem Bevollmächtigten des Klägers Rechtsanwalt H. statt. In dem Protokoll der anschließenden Sitzung des Habilitationsausschusses heißt es:

9

„In diesem Gespräch haben sich der Vorsitzende und Herr Rechtsanwalt H. darauf verständigt, dass auf die Erörterung der schriftlichen Habilitationsleistung (§ 9 Abs. 2 Satz 3 der Habilitationsordnung) im gegenseitigen Einvernehmen verzichtet wird. Der Habilitationsausschuss billigt diese Einigung.

10

Der Vorsitzende berichtet weiter, dass er Herrn Rechtsanwalt H. eine Schriftsatzfrist von zwei Monaten anbietet. Innerhalb dieser Frist soll ein Gespräch zwischen [dem Kläger], gegebenenfalls unter Beteiligung seiner Rechtsbeistände, und Herrn Prof. Dr. I. zu der Frage stattfinden, inwieweit es möglich ist, durch Ausgliederung eines Teils der bisher vorgelegten Arbeit und dessen vertiefte, dem Stand der Diskussion und der Rechtslage entsprechende Behandlung das Verfahren voranzutreiben. Herr Prof. Dr. I. erklärt sich zu einem solchen Gespräch bereit und wird im Voraus mit Herrn Prof. Dr. G. diese Frage erörtern. Prof. Dr. G. erklärt sich ebenfalls dazu bereit. Der Ausschuss billigt auch dieses Vorgehen.

11

[…] Mit diesem Angebot der Fakultät ist noch keine Garantie einer günstigen Entscheidung verbunden. Vielmehr behält sich der Ausschuss eine Neubewertung des überarbeiteten Teils der Arbeit vor.“

12

In der Folgezeit arbeitete der Kläger seine Habilitationsschrift um, jetzt unter dem Titel: „…“. Der nunmehr als Erstgutachter tätig gewordene Prof. Dr. I. in seinem Votum vom 25. März 2010 sowie daran anschließend der Zweitgutachter Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 21. April 2010 schlugen eine Annahme der Habilitationsschrift mit einer Einschränkung der Lehrbefugnis (venia legendi) auf das „Gesellschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Aktienrechts“ vor.

13

Der Habilitationsausschuss erörterte in seiner Sitzung vom 7. Juli 2010 den Umstand, dass der vormalige Erstgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. F. auf der Website der vom Kläger gegründeten Rechtsanwaltssozietät J. seit dem 1. Juni 2009 als „of counsel“ genannt worden war. Im Sitzungsprotokoll ist ausgeführt:

14

„Sodann wird unter dem Vorbehalt, dass die Aufklärung keinen Verfahrensmangel ergibt, auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. einstimmig beschlossen, die Habilitationsschrift als schriftliche Habilitationsleistung anzunehmen.“

15

Am 1. Oktober 2010 trat Prof. Dr. K. die Nachfolge von Prof. Dr. E. als Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft und Vorsitzender des Habilitationsausschusses an.

16

Am 17. Mai 2011 teilte Prof. Dr. I. den Mitgliedern des Habilitationsausschusses unter Hinweis auf die Tätigkeit des Prof. Dr. F. für die Rechtsanwaltssozietät des Klägers mit, er ziehe sein Gutachten zurück. Der Habilitationsausschuss möge den Promotionsausschuss bitten, „im Hinblick auf die vom Zweitgutachter G. in seinem ursprünglichen Gutachten aufgedeckten Plagiate in der Dissertation des [Klägers] das Verfahren zur Entziehung des Doktorgrads einzuleiten.“ Prof. Dr. I. teilte ferner mit, er halte sich für befangen.

17

Der Zweitgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. teilte dem Dekan und Vorsitzenden des Habilitationsausschusses Prof. Dr. K. unter dem 20. Mai 2011 mit, er fechte seine Erklärung an, mittels derer er seine Bestellung als Zweitgutachter in dem Habilitationsverfahren angenommen habe und ziehe sein Zweitvotum zurück. Zugleich bat er den Habilitationsausschuss darüber zu entscheiden, ob seiner Mitwirkung im weiteren Verfahren die Besorgnis der Befangenheit entgegenstehe.

18

Der Habilitationsausschuss fasste in seiner Sitzung vom 8. Juni 2011 einen Beschluss, in dem er insbesondere folgende Entscheidungen traf: Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. wurden wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Habilitationsausschuss ausgeschlossen. Der Promotionsausschuss wurde gebeten, den von Mitgliedern des Habilitationsausschusses geäußerten Verdacht eines Plagiats in der Dissertation des Klägers zu prüfen. Bis zu einer Stellungnahme des Promotionsausschusses wurde das Habilitationsverfahren ausgesetzt und der Termin für den Habilitationsvortrag des Klägers am 29. Juni 2011 aufgehoben. Der Habilitationsausschuss entschied, dass er keine schwerwiegenden Verfahrensmängel i.S.d. Vorbehalts der Entscheidung vom 7. Juli 2010 sehe. Im Protokoll der Sitzung vom 8. Juni 2011 heißt es über den vom Habilitationsausschuss am 27. Mai 2009 gefassten Beschluss:

19

„In Anwesenheit der beiden Gutachter und nach vorherigen außergerichtlichen Erörterungen mit den Anwälten [des Klägers] wurde am 27.5.2009 vom Ausschuss eine 'Rettungslösung' beschlossen. [Dem Kläger] sollte die Gelegenheit zur Überarbeitung und Verbesserung seiner Habilitationsschrift bekommen. Über die dazu erforderlichen Schritte sollte ihn Herr I. beraten. Herr I. sollte sodann zur überarbeiteten Fassung ein neues Erstgutachten erstellen, Herr G. erneut ein Zweitgutachten schreiben.“

20

Der Vorsitzende des Habilitationsausschusses Dekan Prof. Dr. K. ersuchte den Vorsitzenden des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. unter dem 15. Juni 2011 förmlich um eine durch den Promotionsausschuss zu erbringende Aufklärung „des Verdachts des Plagiats in der Dissertation“ des Klägers.

21

Am gleichen Tag erstattete der Dekan dem Präsidenten der Beklagten über den Gang des Habilitationsverfahrens des Klägers folgenden Bericht:

22

„Der Ausschuss hat am 8. Juni ausführlich über die Konsequenzen für das Verfahren und die gestellten Anträge beraten. Zu den Plagiatsvorwürfen wurde ergänzend erklärt, dass diese in der Tat auch im Ausschuss zu Beginn des Jahres 2009 diskutiert worden seien. Damals war der Ausschuss der Auffassung, dem Hinweise in diesem Verfahren nicht weiter nachgehen zu müssen, da die Habilitationsschrift ohnehin nicht angenommen werde. Nach der Verabredung der 'Rettungslösung' waren die Vorwürfe nicht mehr Gegenstand des Verfahrens und wurden erst jetzt, im Sommersemester 2011 wieder von mehreren Mitgliedern des Ausschusses erhoben.“

23

Der Promotionsausschuss unter dem Vorsitz von Prof. Dr. L. beschloss in seiner 150. Sitzung am 29. Juni 2011, die beiden Gutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. und Prof. Dr. I. wegen der geäußerten Plagiatsvorwürfe anzuschreiben. Der Promotionsausschuss beschloss am 6. Juli 2011, in Aussicht zu nehmen, „ggfs. Herrn Prof. D. um eine gutachterliche Stellungnahme zu bitten, sofern sich Anhaltspunkte für einen Verdacht ergeben sollten“. Der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. bat unter dem 15. August 2011 den am M. tätigen Prof. Dr. N., ein Gutachten zu der Frage zu erstatten, inwieweit sich der Kläger durch „solche Übernahmen von Texten anderer Urheber einer erheblichen Täuschung im Promotionsverfahren schuldigt gemacht hat, so dass ihm gem. § 19 der in diesem Fall gültigen Promotionsordnung der Doktorgrad abzuerkennen wäre.“ Prof. Dr. N. beantwortete die gestellten Fragen in einem auf November 2011 datierten Gutachten wie folgt:

24

„1. Die Dissertation [des Klägers] ist in einem erheblichen, jede Bagatellgrenze deutlich übersteigenden Maße von wissenschaftlicher Unredlichkeit gekennzeichnet – indem Fremdtexte teils wörtlich, teils unter leichter Satzumstellung oder Umformulierung verwandt werden.

25

2. Die Promotion ist rechtswidrig und kann nach § 48 Abs. 3 VwVfG zurückgenommen werden, weil die Dissertation wissenschaftlichen Maßstäben nicht genügt und damit nicht als Promotionsleistung taugt.

26

3. Vertrauensschutz genießt [der Kläger] auch nach fast 14 Jahren nicht – schon weil er arglistig gehandelt hat. Dementsprechend kann auch ein etwaiger 'Erwerbsschaden' durch Promotionsentzug in der Abwägung nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. [Der Kläger] verliert nur das, was er sich unredlich erschlichen hat.“

27

Zuvor waren bereits im August 2011 Plagiatsvorwürfe hinsichtlich der Dissertation des Klägers auf der Homepage der Internetplattform „O.“ veröffentlich worden. Der Wissenschaftsjournalist Priv.-Doz. Dr. P. hatte sich mit E-Mails vom 8. August 2011 an den Dekan Prof. Dr. K. mit einer Anfrage gewandt, die Plagiatsvorwürfe wegen der Dissertation des Klägers betraf. Am 29. August 2011 erschien ein Artikel von Priv.-Doz. Dr. P. im Internetangebot „Q.“ unter dem Titel: „…“ Zu einem späteren Zeitpunkt erstattete der Präsident der Beklagten, Prof. Dr. R., „Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Weitergabe vertraulicher Informationen an Dritte“ und nahm dabei auf die Online-Publikationen über Plagiatsvorwürfe Bezug. Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellte das Ermittlungsverfahren ein, da kein Täter ermittelt werden konnte (Einstellungsnachrichten v. 8.1.2013, ...).

28

Mit Schreiben vom 8. November 2011 informierte der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. die beiden Gutachter der Dissertation, Prof. Dr. A. und Prof. Dr. B., unter Beifügung des Gutachtens des Prof. Dr. N. über die Vorwürfe und bat um Stellungnahme. Mit Schreiben unter dem gleichen Datum räumte er dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme ein.

29

Unter Bezugnahme auf das an ihn gerichtete Schreiben des Vorsitzenden des Promotionsausschusses wandte sich der Erstgutachter der Dissertation des Klägers, Prof. Dr. A., unter dem 24. November 2011 an den Präsidenten der Beklagten, Prof. Dr. R., monierte den Gang des Habilitationsverfahrens und erhob Bedenken gegen die Qualifikation des Prof. Dr. N. und dessen Gutachten. In dem Gutachten seien keine Plagiate von relevanter Bedeutung nachgewiesen worden und er fühle sich nicht getäuscht.

30

Der Kläger drohte mit E-Mail an den Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., vom 16. November 2011 mit rechtlichen Schritten in den Vereinigten Staaten.

31

Der Zweitgutachter der Dissertation Prof. Dr. B. nahm unter dem 1. Dezember 2011 gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., insbesondere wie folgt Stellung:

32

„Ich hatte bereits in meinem Zweitgutachten zur Dissertation [des Klägers] zum Ausdruck gebracht, dass die Dissertation im Wesentlichen nur bereits bekannte Erkenntnisse enthält. Nunmehr zeigt sich, dass [der Kläger] die Arbeit in einem erschreckend großen Umfang von anderen Autoren abgeschrieben hat und dabei ebenfalls in sehr großem Umfang Texte fremder Autoren wörtlich oder fast wörtlich einfach übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen. […] Ich sehe mich in meiner damaligen, für die Beurteilung maßgebenden Annahme getäuscht, dass – mögen auch die Erkenntnisse im Wesentlichen nicht neu gewesen sein – doch die gesamte Darstellung inhaltlich und textlich allein vom Verfasser stammt. Hierin hatte ich die eigene Leistung des Verfassers gesehen. Die Grundlage für diese Beurteilung ist vollständig entfallen.“

33

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 bat das Mitglied des Promotionsausschusses Prof. Dr. T. gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., wegen einer an ihn gerichteten E-Mail des Klägers vom 15. Dezember 2011 ihn, Prof. Dr. T., „im Promotionsausschuss für befangen zu erklären“.

34

In seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2012 brachte der Kläger vor, der Begriff des Plagiats erfordere die Angabe fremden Gedankenguts unter Nichtnennung der Quelle. Er habe seine Dissertation von einem Germanisten lektorieren lassen. Es hätten Gespräche sowohl im Vorfeld als auch nach Fertigstellung der Arbeit stattgefunden. Dabei sei auch die korrekte Zitierweise erörtert bzw. besprochen worden. Danach sollten Anführungszeichen, wenn überhaupt, nur zu setzen sein, wenn ein ganzer Satz wortwörtlich wiedergegeben werde, ansonsten reiche der Quellennachweis aus, da sonst dem geneigten Leser ein flüssiges Lesen unmöglich wäre. Es sei nicht erforderlich und auch nicht geboten, innerhalb eines Absatzes jeden einzelnen Satz zu zitieren. Innerhalb eines Absatzes sei ein Quellennachweis ausreichend, wenn die einzelnen Sätze in einem engen sachlichen Zusammenhang stünden und für den fachkundigen Leser erkennbar sei, dass die einzelnen Sätze von einem Autor stammten. Der Quellennachweis sei dann je nach Schwerpunktsetzung an das Ende des ersten Satzes oder des letzten Satzes des betreffenden Absatzes zu setzen. Er, der Kläger, habe – ausgehend von einem Festschriftbeitrag des Betreuers der Dissertation Prof. Dr. A. – als Eigenleistung eine herausragende Stellung des Finanzvorstands anerkannt. Der Vorwurf der vorsätzlichen, arglistigen Täuschung sei befremdlich und werde entschieden zurückgewiesen.

35

Der Promotionsausschuss erörterte am 25. April 2012 eine Aberkennung des akademischen Grads des Klägers unter Einbezug der Stellungnahmen des Klägers und der Gutachter. Der Promotionsausschuss fasste den Beschluss:

36

„[Dem Kläger] wird der Doktortitel wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens gem. § 19 S. 2 PromO 1972 und § 48 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 HmbVwVfG entzogen, da sich nachträglich herausgestellt hat, dass die zur Verleihung des Doktortitels erforderlichen Voraussetzungen aufgrund Täuschung und wissenschaftlichen Fehlverhaltens des [Klägers] zum Zeitpunkt der Verleihung des Doktortitels nicht vorgelegen haben.“

37

Der Promotionsausschuss hielt ausweislich des Sitzungsprotokolls dafür, dass der transparente und exakte Nachweis der Verwendung fremder Formulierungen und fremden Gedankenguts nicht erst seit 1999 zum Wesensmerkmal guter wissenschaftlicher Praxis gehöre und ein wesentliches Element der Eigenständigkeit bzw. der Erkennbarkeit der eigenständigen wissenschaftlichen Leistung eines Promovenden sei. Der Promotionsausschuss gehe angesichts Art und Umfang der Nutzung fremder Texte und fremden Gedankenguts, die nicht adäquat nachgewiesen bzw. verschleiert sei, von einer arglistigen Täuschung aus. Der Promotionsausschuss erörterte die Frage, ob angesichts des damit zugleich verbundenen schweren Eingriffs in die Grundrechte des Klägers der Entzug des Doktorgrads noch als verhältnismäßig angesehen werden könne, was aber angesichts des Umfangs und der Art der nicht adäquat erfolgten Kennzeichnung der Übernahme fremden Gedankenguts der Fall sei.

38

Der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. wurde beauftragt, diesen Beschluss und dessen Begründung dem Dekan zwecks Vollzugs im Außenverhältnis mitzuteilen. Der Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft Prof. Dr. K. fertigte unter dem 25. Juni 2012 den Bescheid, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, in dessen Tenor es heißt:

39

„1. Die Verleihung des akademischen Grads eines Doktors der Rechtswissenschaft mit Urkunde vom 28.1.1998 durch den Fachbereich Rechtswissenschaft I wird zurückgenommen. Der Titel wird Ihnen damit nachträglich aberkannt und entzogen.

40

2. Es wird Ihnen aufgegeben, die Promotionsurkunde vom 28.01.1998 an die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg, Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg bis zum 17.08.2012 zurückzugeben.“

41

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Entscheidung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 und 3 HmbVwVfG i.V.m. § 19 Satz 2 PromO 1972. Die Regelung des § 19 PromO 1972 reiche als Grundlage für einen derart weitgehenden Eingriff nicht aus. Dazu bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage. Die Verleihung des akademischen Grads eines Doktors der Rechtswissenschaft sei ein begünstigender Verwaltungsakt i.S.d. § 48 Abs. 3 HmbVwVfG und vorliegend rechtswidrig, weil die Voraussetzungen zu seinem Erlass seinerzeit nicht vorgelegen hätten. Die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads sei rechtlich als Rücknahme eines Verwaltungsaktes anzusehen.

42

Die Voraussetzungen für die Promotion hätten nicht vorgelegen, da die Dissertation keine eigenständige Leistung darstelle, in der nur die angegebenen Hilfsmittel verwendet worden seien. Vielmehr stelle die mangelnde Kenntlichmachung der verwendeten Fremdtexte eine erhebliche Täuschung i.S.d. § 19 PromO 1972 dar. Die an eine Dissertation zu stellenden Anforderungen seien erst dann erfüllt, wenn an den konkreten Textstellen, innerhalb derer fremde Erkenntnisse verwendet würden, eine eindeutige Quellenangabe erfolge. Die Beklagte nahm Bezug auf das Gutachten des Prof. Dr. N., in dem fünf Kategorien von Zitierfehlern unterschieden wurden:

43

„1. Wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle in der Dissertation;

44

2. nahezu wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle der Dissertation;

45

3. wörtliche Übernahme fremder Textstellen, bei denen zwar eine Nennung des Urhebers und Autors in einer Fußnote erfolgt, aber ohne dass erkennbar wird, dass es sich um eine wörtliche Übernahme handelt und ohne dass erkennbar wird, wo das Zitat beginnt und wo es endet,

46

4. wörtliche Übernahme des Textes mit der Nennung einer Vielzahl von Autoren[,] ohne dass Beginn und Ende des Zitats und der eigentliche Autor erkennbar werden;

47

5. nahezu wörtliche Übernahme mit der Nennung des Autors, aber ohne dass erkennbar wird, wo die Übernahme beginnt und wo diese endet.“

48

An 55 in Anlage 1 zum Bescheid benannten und der ersten Kategorie zuzuordnenden Textstellen der Dissertation seien Texte fremder Autoren wortwörtlich bzw. nahezu wortgleich übernommen worden, ohne jeden Hinweis auf den Urheber und ohne dass sich dort eine entsprechende Quellenangabe fände. Wie sich aus Anlage 2 zum Bescheid ergebe, seien an zwei weiteren Stellen, die der zweiten Kategorie zuzuordnen seien, Texte fremder Autoren ohne entsprechende Quellenangabe nahezu wortwörtlich bzw. wortgleich übernommen worden. Allein schon die in Anlage 1 und 2 aufgeführten insgesamt 57 Textstellen belegten ein wissenschaftliches Fehlverhalten in einem quantitativ wie auch hinsichtlich des Schweregrads und der inhaltlichen Bedeutung hinreichendem Maße, um von einer erheblichen Täuschung i.S.d. § 19 PromO 1972 zu sprechen.

49

Aus den in Anlage 3 aufgeführten Textstellen, die der dritten Kategorie zuzuordnen seien, ergebe sich, dass an weiteren 71 Stellen der Dissertation die Texte fremder Autoren zwar unter Nennung der Quelle übernommen worden seien; dort sei aber nicht kenntlich gemacht, welche Teile des Textes auf seinen eigenen Erkenntnissen und Gedanken beruhten und welche Teile des Textes eine bloße Wiedergabe fremder Erkenntnisse und Gedanken darstellten. Ebenso seien an den in Anlage 4 aufgeführten und der vierten Kategorie zuzuordnenden elf Stellen Texte fremder Autoren in den Text der Dissertation übernommen worden, ohne diese Übernahme im Text zureichend kenntlich zu machen; im Unterschied zu den in Anlage 3 aufgeführten Textstellen finde sich in den jeweiligen Fußnoten zwar die Angabe der Originalquelle, daneben aber noch weitere Quellenangaben, so dass nicht klar erkenntlich sei, was die eigentliche Quelle sei. An den in Anlage 5 genannten und der fünften Kategorie zuzuordnenden 16 Stellen seien Texte unter Nennung der Quelle nahezu wörtlich übernommen worden, die nahezu wörtliche Übernahmen aber nicht kenntlich gemacht worden.

50

Durch die Abgabe der Versicherung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 habe der Kläger den Eindruck erweckt, er habe die in der Dissertation verwendeten Hilfsmittel vollständig angegeben. Tatsächlich habe er aber in erheblichem Umfang Texte bzw. Textteile fremder Autoren verwendet und diese Verwendung gar nicht oder nicht ausreichend kenntlich gemacht. Mithin habe er entgegen seiner Erklärung die von ihm verwendeten Hilfsmittel nicht vollständig und nicht in der wissenschaftlich erforderlichen Weise angegeben. Es gehöre zu den wissenschaftlichen Selbstverständlichkeiten, die Übernahme fremden Gedankenguts transparent und hinsichtlich Art und Umfang eindeutig kenntlich zu machen. Nur darüber lasse sich kenntlich machen, welche Leistungen von einem selbst, welche von anderen Autoren stammten. Darauf beruhe in der Wissenschaft die Zuschreibung wissenschaftlicher Reputation. Ein vereinzelt auftretendes und versehentliches unsauberes Arbeiten bzw. Zitieren im Sinne von bagatellhaften, handwerklichen Flüchtigkeitsfehlern oder ein Fehlverhalten in inhaltlich irrelevanten, hinsichtlich der Thematik der Arbeit allenfalls randständigen Teilen der Dissertation sei nicht gegeben. Die fraglichen Textstellen fänden sich nämlich nicht nur und auch nicht weit überwiegend in thematischen Randbereichen der Dissertation, vielmehr finde sich eine relevante Anzahl der in Rede stehenden Textstellen auch innerhalb solcher thematischer Zusammenhänge, die in der Dissertation als „Kernbereich der Arbeit“ bezeichnet worden seien.

51

Neben einer genauen Quellenangabe sei es zusätzlich notwendig, dass die wörtlich übernommenen Textstellen innerhalb des eigenen Textes des Promovierenden eindeutig als Zitate gekennzeichnet würden. Dies folge aus den grundlegenden Maßstäben wissenschaftlichen Arbeitens und entspreche auch dem Wesen der Dissertation als Nachweis der Befähigung zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten.

52

Die Entziehung des Doktorgrads setze neben der festgestellten erheblichen objektiven Täuschungshandlung einen subjektiven Täuschungswillen voraus, wobei ein bedingter Vorsatz ausreiche. Die objektive Täuschungshandlung sei vorsätzlich begangen worden. Art und Umfang der Übernahme fremder Texte und Gedanken sprächen eindeutig gegen fahrlässiges, versehentliches Fehlverhalten. Der Täuschungsvorsatz folge weiter aus der unzutreffenden Erklärung über die vollständige Angabe der verwendeten Hilfsmittel, die als bewusste Irreführung zu werten sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Täuschung der Gutachter und der übrigen Prüfungskommission über die nicht hinreichende Kennzeichnung als möglich erkannt und mindestens billigend in Kauf genommen habe. Die begangenen Täuschungen seien auch kausal gewesen für die erfolgte Verleihung des Doktorgrads. Der Umstand, dass der Erstgutachter sich möglicherweise nicht getäuscht gefühlt habe, ändere daran nichts, dass die Fakultät und das Prüfungsgremium als Ganzes durch die Täuschungshandlung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen seien.

53

Es könne offenbleiben, ob das Rücknahmeermessen durch die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 eingeschränkt werde. Einschlägig sei die Regelung aus § 48 Abs. 1 HmbVwVfG, die ein Ermessen vorsehe, das durch den Promotionsausschuss auch ausgeübt worden sei. Eine an den Zwecken der Ermessensermächtigung in § 48 Abs. 3 HmbVwVfG orientierte Ermessensentscheidung führe zu dem Ergebnis, dass die Verleihung des Doktorgrads zurückgenommen werden solle. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne der Kläger sich nicht berufen, weil er den „Titel“ eines Doktors der Rechtswissenschaft durch Täuschung erlangt habe.

54

Die Entziehung des Doktorgrads sei verhältnismäßig. Sie schütze den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs, der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt und sichere die Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem „Titel“, das Allgemeininteresse an „Titelwahrheit“ und die Integrität des Promotionsverfahrens sowie die Chancengleichheit mit anderen Doktoranden. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads sei erforderlich, um diese Zwecke zu fördern. Notenherabsetzung und Nachbesserung kämen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht, da sie auch bei einer früheren Entdeckung in der Promotionsordnung nicht vorgesehen seien. Da von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit auszugehen sei, sei nicht von Bedeutung, ob für eine andere Arbeit als die tatsächlich vorgelegte der Doktorgrad ggf. mit einer schlechteren Note verliehen worden wäre. Unabhängig davon sei ausgehend von dem erheblichen Ausmaß des wissenschaftlichen Fehlverhaltens im konkreten Fall eine Notenherabsetzung oder Nachbesserung oder bloße Rüge auch nicht geeignet, das Ansehen von Fachbereich, Universität und Rechtswissenschaft sowie die Chancengleichheit mit anderen – redlichen – Doktoranden zu sichern.

55

Die Entziehung sei auch angemessen. Sie lasse die mehrjährige Arbeit an der Dissertationsschrift hinfällig werden und könne zu beruflichen Erschwernissen führen, die Beeinträchtigungen in der Berufsfreiheit mit sich bringen könnten. Wegen des Umfangs der Täuschungen und der Reichweite der wissenschaftlichen Unredlichkeiten, welche das Ansehen des Fachbereichs, der Universität und der Rechtswissenschaft insgesamt in der wissenschaftlichen sowie in der allgemeinen und medialen Öffentlichkeit erheblich gefährdeten und auch im Sinne der Wahrung des Grundsatzes der Chancengleichheit aller Doktoranden und der Allgemeininteressen an Titelwahrheit und Integrität des Promotionsverfahrens seien die öffentlichen Interessen höher zu gewichten als die persönlichen beruflichen, sozialen und privaten Belange des Klägers. Zu beachten sei, dass durch die Aberkennung des Doktorgrads eine zwingende Zulassungsvoraussetzung zu der angestrebten Habilitation entfalle, es sei aber nicht zu vertreten, dass die persönlichen Interessen des Klägers an einer Habilitation dazu veranlassen sollten, das in die Wissenschaft und Forschung gesetzte öffentliche Vertrauen zu gefährden oder einen geringeren Anspruch an seine wissenschaftliche Redlichkeit zu stellen.

56

Die Jahresfrist für die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG sei wegen § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG nicht anwendbar und im Übrigen eingehalten. Der Fakultät seien alle relevanten Tatsachen, insbesondere Art und Umfang der Täuschungshandlungen sowie die für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen, erst im Oktober 2011 bekannt geworden.

57

Der Kläger legte gegen den Bescheid am 23. Juli 2012 Widerspruch ein.

58

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten an die Präsidialverwaltung der Beklagten vom 30. August 2012 machte der Kläger geltend, dass der Dekan Prof. Dr. K. wegen Befangenheit aus sämtlichen den Kläger betreffenden Verfahren auszuschließen sei. Es sei zu bezweifeln, ob die vom Dekanat geführte Akte tatsächlich vollständig sei. Die Präsidialverwaltung wies mit Schreiben vom 6. September 2012 die Unterstellung pflichtwidrigen Handelns zurück.

59

Zur Begründung des Widerspruchs führte der Kläger in formeller Hinsicht insbesondere aus: Wegen der Schwere des Eingriffs habe der Promotionsausschuss nur beratend tätig werden dürfen. Die gesamte Fakultät für Rechtswissenschaft sei wegen der Weitergabe interner, brisanter Informationen nach § 21 HmbVwVfG befangen. Der Promotionsausschuss sei gemessen an § 4 Abs. 2 Satz 2 PromO 1972 fehlerhaft zusammengesetzt und mangels Qualifikation nicht in der Lage gewesen, über die Dissertationsschrift zu entscheiden. Es fehle ein Vertreter des Zivilrechts. Die Ergänzung des Promotionsausschusses um Prof. Dr. U. als Ersatzmitglied sei unzulässig gewesen. Die Mitglieder des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. und Prof. Dr. V. seien wegen ihrer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Habilitationsausschuss befangen, Prof. Dr. L. auch deshalb, weil er bereits vor der Beschlussfassung über die Aberkennung des Doktorgrads am 25. April 2012 in der Sitzung des Promotionsausschusses vom 15. März 2012 mit der Formulierung eines Aberkennungsbescheids beauftragt worden sei. Die fehlende Neutralität des Prof. Dr. L. und seine Befangenheit ergäben sich ferner aus seiner E-Mail vom 19. Juli 2012 an Prof. Dr. K., in welcher er ausgeführt habe, es bestünde nicht allzu viel Anlass zu besonderer Freundlichkeit und er neige zur Nichtreaktion auf die noch vor Einlegung des Widerspruchs angebrachte Anfrage des Klägers zu einer einzuräumenden Widerspruchsbegründungsfrist. Prof. Dr. N. sei zur Erstattung eines Gutachtens fachlich und persönlich ungeeignet und im Verwaltungs- und Hochschulrecht unerfahren gewesen. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs sei verletzt worden, da es an einer persönlichen Anhörung fehle und er, der Kläger, nur zu dem Vorwurf der arglistigen Täuschung angehört worden sei, nicht zu dem Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

60

In materieller Hinsicht machte der Kläger geltend: Es fehle an der Feststellung eines „Wissenschaftsplagiats“. Fremde Gedanken seien ausnahmslos durch Fußnoten gekennzeichnet worden. Quellenangaben bei evidenten Aussagen seien entbehrlich bzw. unzulässig. Dass die Fußnoten sich teilweise auf aufeinander folgende Sätze bezögen, sei ebenfalls unschädlich. Er, der Kläger, habe sich häufig der Möglichkeit eines Zitates „passim“ bedient, die in einem summarischen Verweis auf eine Quelle bestehe, um den Lesefluss nicht zu hemmen. Aus diesem Grund sei auch auf Anführungszeichen verzichtet worden, was einem Gutachten des Philologen Dr. W. entspreche. Im Folgenden führte der Kläger zu jeder einzelnen der in den Anlagen 1 bis 5 zum Bescheid benannten Textstellen aus, weshalb nach seiner Meinung kein Zitierfehler vorliege.

61

Weiter brachte der Kläger vor: Die Beklagte habe gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, denn er, der Kläger, habe bei Anfertigung der zweiten Habilitationsschrift darauf vertraut, dass die Beklagte den Plagiatsvorwürfen bezüglich seiner Dissertationsschrift nicht weiter nachgehe. Die Beklagte treffe wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung und es stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn nach 14 Jahren die Zitierweise in der Dissertation beanstandet werde. Die Beklagte habe unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG willkürlich gehandelt, da sie offensichtlich den Entschluss zur Durchführung des Verfahrens zur Aberkennung des Doktorgrads nur gefasst habe, um eine erfolgreiche Durchführung des Habilitationsverfahrens zu verhindern. Das subjektive Recht auf ein faires Verfahren sei durch die Vorabinformation der Öffentlichkeit verletzt worden. Das Habilitationsverfahren und das Promotionsentziehungsverfahren seien von der Fakultät für Rechtswissenschaft nicht ausreichend getrennt worden. Dies ergebe sich daraus, dass der Plagiatsvorwurf hinsichtlich der Dissertation schon im ersten Verfahrensteil des Habilitationsverfahrens Ende 2008/Anfang 2009 erörtert, dem Vorwurf aber nicht weiter nachgegangen worden sei.

62

Der Habilitationsausschuss beschloss am 9. Januar 2013, das Habilitationsverfahren im Hinblick auf das Promotionsentziehungsverfahren „bis zur Erreichung endgültiger Bestandskraft oder aber endgültiger Aufhebung des Verwaltungsakts ruhen zu lassen“.

63

Der Promotionsausschuss setzte sich in seiner 158. Sitzung vom 9./16. Januar 2013 mit den Einwänden des Klägers auseinander und beschloss in seiner 159. Sitzung vom 30. Januar 2013, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Widerspruchsvorgang wurde dem Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten am 20. Februar 2013 vorgelegt.

64

Der Widerspruchsausschuss, besetzt mit der Vorsitzenden X., der Hochschullehrerin aus der Fakultät für Rechtswissenschaft Prof. Dr. Y. und dem Promotionsstudenten aus der Fakultät für Rechtswissenschaft Z., hörte den Kläger in Person und seine Bevollmächtigten am 10. April 2013 an. Die Vertreter des Klägers brachten dabei ausweislich des Protokolls insbesondere vor, dass im Habilitationsverfahren eine „Rettungslösung“ vereinbart worden sei, die ein verbindlicher Vergleichsvertrag mit „Generalquittungscharakter“ sei und zum Inhalt habe, Plagiatsvorwürfe wegen der Dissertation nicht weiter zu verfolgen. Der den Widerspruch zurückweisende Tenor wurde von allen drei Mitgliedern des Promotionsausschusses am 10. April 2013 unterzeichnet. Der den Widerspruch zurückweisende Widerspruchsbescheid erging unter dem 30. April 2013, zugestellt am 6. Mai 2013. Darin führte die Beklagte aus:

65

Zuständig für die Entziehung der Promotion sei der Promotionsausschuss, dessen Zusammensetzung sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 PromO 2010, nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PromO 1972 richte, weshalb die Mitwirkung eines Vertreters aus dem Zivilrecht entbehrlich sei. Es gehe nicht um die Prüfung eines Doktorkandidaten, sondern um die Überprüfung einer erbrachten Arbeit auf korrekte Zitierweise. Es bestehe kein Zweifel an der Fachkompetenz des Gutachters Prof. Dr. N.. Der Kläger habe umfangreich Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, im Übrigen habe er im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zu mündlichem Vortrag erhalten. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit gegen alle Mitglieder des Promotionsausschusses wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses, weil kein Hinweis darauf vorliege, das ein Mitglied des Promotionsausschusses das Dienstgeheimnis verletzt habe. Es bestehe auch keine Besorgnis der Befangenheit gegen diejenigen Mitglieder des Promotionsausschusses, die zugleich dem Habilitationsausschuss angehörten. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit gegen den Vorsitzenden des Promotionsausschusses allein aufgrund des Umstands, dass er mit dem Entwurf eines Bescheids beauftragt gewesen sei.

66

Im Widerspruchsbescheid ist weiter ausgeführt:

67

„Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972 sind erfüllt. Ermessensfehler, die zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führen müssen, sind nicht erkennbar.“

68

Es könne dahinstehen, ob jede wörtliche Übernahme ohne Kennzeichnung durch Anführungszeichen bereits ein Plagiat sei. Ferner werde zugunsten des Klägers zugrunde gelegt, dass eine wissenschaftliche Leistung auch darin liegen könne, dass der Kläger vereinzelte wörtliche Übernahmen längerer Passagen durch weitere Nachweise angereichert habe. Gleichwohl könne selbst dann, wenn der Urheber an untergeordneter Stelle mit einer Fußnote kenntlich gemacht werde, die wörtliche Übernahme fremder Textpassagen zur Annahme eines Plagiats und damit einer arglistigen Täuschung führen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es nicht auf die präzise Darstellung eines Wortlauts ankomme (wie z.B. bei der Zitierung von Gesetzen oder Leitsätzen aus der Rechtsprechung) und eine Häufung derartiger Verletzungen der Zitierregeln auftrete; würden weder Anführungszeichen gesetzt, noch sonst qualifizierte Nachweise der Urheberschaft in irgendeiner Weise erbracht, liege unter den genannten Voraussetzungen unzweifelhaft eine arglistige Täuschung vor. Die Kenntnis juristischer Zitierregeln sei von jedem Doktoranden selbst zu erwarten. Die Rücknahmefrist sei nicht vor Kenntnis von dem externen Gutachten angelaufen. Ermessensfehler seien nicht zu erkennen. Im Einzelnen wurde ausgeführt (Widerspruchsbescheid, S. 9-11): Aufgrund § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG sei ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum zu Grunde zu legen, da derjenige, der mittels arglistiger Täuschung den zu seinen Gunsten erlassenen rechtswidrigen Verwaltungsakt erwirke, in verstärktem Maße mit einer späteren Aufhebung rechnen müsse und deshalb des Vertrauensschutzes teilweise verlustig gehe. Die berufliche Situation des Klägers sei hinreichend gewürdigt. Mit der Aberkennung des Doktorgrads gehe zwar ein erheblicher Reputationsverlust einher, der jedoch durch das öffentliche Interesse an der Wahrung wissenschaftlicher Integrität überwogen werde. Die allgemein bekannten wissenschaftlichen Standards seien ein hohes Gut, welches nicht ohne Weiteres zu Lasten der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zurückgesetzt werden dürfe. Der als „Rettungslösung“ bezeichnete Beschluss des Habilitationsausschusses enthalte keinen Vergleichsschluss mit „Generalquittungscharakter“. Es sei den Akten nicht zu entnehmen, dass die Plagiatsvorwürfe nicht weiter hätten verfolgt werden sollen. Das öffentliche Bekanntwerden des Plagiatsverdachts habe nicht zum Unterlassen des Aberkennungsbescheids führen müssen. Selbst wenn die Weitergabe dienstlich erlangter Informationen eine strafrechtlich relevante Handlung darstelle, folge daraus kein erhöhtes Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes.

69

Der Kläger hat am 31. Mai 2013 Klage erhoben. Zur Begründung verweist der Kläger auf die Widerspruchsbegründung und führt ergänzend insbesondere aus:

70

Das Mitglied des Widerspruchsausschusses Prof. Dr. Y. habe Zweifel an der Rücknahme geäußert sowie formelle Fehler in dem Verfahren eingeräumt. Der Widerspruchsausschuss sei fehlerhaft besetzt gewesen, da der Promotionsstudent Z. in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Universität stehe und nicht unbefangen gewesen sein könne. An einer „wissenschaftsbasierten Entscheidung“ wie der Entziehung des Doktorgrads dürfe kein Promotionsstudent mitwirken. Es habe eine Verschleierung formeller Mängel stattgefunden. Prof. Dr. T. habe sich für den Habilitationsausschuss und den Promotionsausschuss für befangen erklärt, und sei zunächst nicht eingeladen worden, deshalb seien Beschlüsse fehlerhaft. Zu den Sitzungen des Promotionsausschusses sei er erst nach Einlegung des Widerspruchs bzw. der Widerspruchsbegründung wieder eingeladen gewesen.

71

Die Dissertation enthalte bereits keine Plagiate. Sollte sie tatsächlich Plagiate enthalten, ließe sich dies auch über eine Nachbesserung, eine Neueinreichung oder über eine Dissertation im Rahmen der Sammeldissertation heilen. Der Entzug des Doktorgrads sei unverhältnismäßig wegen des Verlusts seiner Stellung in der Rechtsanwaltssozietät, seines fortgeschrittenen Alters, seiner Geschäftsführerposition bei der Vereinigung „…“ und da die Grundlage für die bereits angenommene Habilitation entzogen werde. Alle diese Umstände hätten im bisherigen Verfahren überhaupt keine Würdigung erfahren. Ferner müsste eine zwischenzeitlich aufgetretene Erkrankung des Klägers berücksichtigt und angemessen gewürdigt werden.

72

Die Ausführung des Betreuers der Dissertation, Prof. Dr. A., sich keineswegs getäuscht zu fühlen, sei bei Entscheidung über die Rücknahme nicht berücksichtigt worden. Da er, der Kläger, als dessen Assistent gearbeitet habe, sei nicht auszuschließen, dass ein „Abschreiben auch umgekehrt herum erfolgt“ sein könne.

73

Die Rücknahme der Promotion sei im Hinblick auf die im Habilitationsverfahren gefundene „Rettungslösung“ unzulässig. Der Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs vom 27. Mai 2009 mit dem Vorsitzenden des Habilitationsausschusses, Prodekan Prof. Dr. D., könne dezidiert wiedergegeben werden aus den detaillierten Aufzeichnungen und diktierten Protokollen des Rechtsanwalts H.. Danach habe Prof. Dr. D. geäußert, dass bei „der Durchsicht der Arbeit [des Klägers] aufgefallen sei, dass Passagen aus Aufsätzen übernommen worden seien, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei“. Darauf entgegnend habe Rechtsanwalt H. darauf hingewiesen, dass zu der Habilitationsschrift ein Drittgutachten vorliege und die Zitierweise insbesondere insoweit nicht moniert worden sei. Prof. Dr. D. habe vorgeschlagen, „dass [der Kläger] die Arbeit umarbeiten“ solle. Rechtsanwalt H. habe ihm, dem Kläger, im Anschluss berichtet, dass Prof. Dr. D. „eine Lösung anstrebe, mit der beide Seiten leben“ könnten und „vom Kläger erwartet werde, dass er nicht weiter vermeintliche formelle Mängel der Universität geltend mache und sich der neuen Situation widme. Umgekehrt würde auch die Universität dem Kläger keine weiteren Steine in den Weg legen.“ Der Kläger vertritt die Auffassung, die im Habilitationsverfahren gefundene „Rettungslösung“ stelle einen „Vergleich mit Generalquittungscharakter“ dar. Es sei ein Vergleich geschlossen worden, der „begriffsnotwendig“ beinhalte, dass die Voraussetzungen zur Fertigung einer Habilitation als gegeben akzeptiert würden. Die Beklagte habe gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen; dem Habilitationsausschuss sei bei Annahme des „Vergleichs“ bekannt gewesen, dass Bedenken gegen die Dissertation erhoben worden seien.

74

Der Kläger beantragt,

75

den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufzuheben.

76

Die Beklagte beantragt,

77

die Klage abzuweisen.

78

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in den Bescheiden und trägt ergänzend vor: Die Entscheidung in Prüfungsangelegenheiten obliege dem Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten. Dessen Zusammensetzung ergebe sich aus § 66 Abs. 1 Satz 2 HmbHG. Es gehe nicht um die (Neu-)Bewertung der Dissertation, sondern darum, ob Fremdtexte ausreichend zitiert worden seien. Es bestehe kein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum. Der Widerspruchsausschuss sei keine Prüfungskommission. Die Beklagte habe keine formellen Mängel verschleiert, denn es habe keine formellen Mängel gegeben. Frau Prof. Dr. Y. habe keine Fehler in dem Verfahren eingeräumt, der Kläger habe auch nicht mitgeteilt, um welche Fehler es sich gehandelt habe. Die „Rettungslösung“ beinhalte keinen Vergleich mit „Generalquittungscharakter“. An eine etwaige Zusicherung sei sie, die Beklagte, auch nicht mehr gebunden. Die Stellungnahme des Prof. Dr. A. sei hinreichend gewürdigt worden. Es sei bereits in zeitlicher Hinsicht nicht plausibel, dass Prof. Dr. A. vom Kläger abgeschrieben habe und nicht umgekehrt. Die Entziehung des Doktorgrads sei auch nicht wegen Art. 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig; gravierende Fälle wissenschaftlicher Unredlichkeit bedürften einer wirkungsvollen Reaktion. Der Promotionsausschuss habe auch erkannt, dass dem Kläger mit dem Entzug des Doktorgrads die Grundlage seiner Habilitation entzogen werde. Mildere Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Die Neueinreichung einer Dissertation oder eine Sammeldissertation erforderten ein neues Promotionsverfahren. Eine erst jetzt bekannt gewordene Erkrankung des Klägers habe bei der Ermessensausübung ohnehin nicht berücksichtigt werden dürfen.

79

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden gemacht: die veröffentliche Fassung der vom Kläger vorgelegten Dissertation, die Promotionsakte in zwei Bänden, der Widerspruchsvorgang, ein Ordner mit Quellentexten, die Habilitationsakte in zwei Bänden, sowie die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hamburg, …. Auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

80

Die zulässige Anfechtungsklage, mit welcher der Kläger gemäß §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 anficht, ist nur im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors auch begründet (hierzu unter 2.), im Umfang von Ziffer 1 des Bescheidtenors ist sie unbegründet (hierzu unter 1.).

81

1. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt unter Ziffer 1 des Bescheidtenors anficht, ist die Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet. Denn in diesem Umfang ist der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 objektiv rechtmäßig oder verletzt den Kläger zumindest nicht in seinen subjektiven Rechten. Der angefochtene Bescheid ist unter Ziffer 1 seines Tenors darauf gerichtet, die mit Urkunde vom 28. Januar 1998 vollzogene Verleihung des Doktorgrads an den Kläger als „actus contrarius“ rückgängig zu machen (hierzu unter a.). Dafür besteht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (hierzu unter b.) eine Befugnisnorm (hierzu unter c.). Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig oder leidet zumindest nicht an einem formellen Fehler, der i.S.d. § 46 HmbVwVfG erheblich wäre und einen Aufhebungsanspruch des Klägers tragen könnte (hierzu unter d.). Der angefochtene Bescheid ist zudem materiell rechtmäßig sowohl im Hinblick auf die tatbestandlichen Anforderungen der Befugnisnorm (hierzu unter e.) als auch im Hinblick auf die Rechtsfolge der Befugnisnorm (hierzu unter f.).

82

a. Der angefochtene Bescheid ist unter Ziffer 1 seines Tenors darauf gerichtet, die Verleihung des Doktorgrads an den Kläger rückgängig zu machen. Im Bescheidtenor kommt zum Ausdruck, dass ein „actus contrarius“ zur Promotion des Klägers gesetzt werden soll.

83

Die mehrfache Formulierung im Bescheidtenor „zurückgenommen“, „aberkannt“ und „entzogen“ nimmt die Normen in Bezug, die zur Rechtfertigung eines „actus contrarius“ in Betracht zu ziehen sind. Nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt „zurückgenommen“ werden. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 der Promotionsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (v. 7.7.2010, Amtl. Anz. S. 2620 – PromO 2010) kann ein Doktorgrad „nachträglich aberkannt und entzogen“ werden. Im Bescheid vom 25. Juni 2012 wird zu Recht angenommen, dass die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads als Rücknahme eines Verwaltungsaktes anzusehen seien.

84

Ebenso wenig ist zwischen nachträglicher Aberkennung einerseits und Entziehung des Doktorgrads andererseits zu unterscheiden. Eine solche Unterscheidung kennen weder die amtliche Normüberschrift „Verfahren bei Täuschung und Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors“ noch die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010, nach der „eine solche Aberkennung“ insbesondere in dem dort bezeichneten Fall erfolgt, noch die Vorschrift des § 18 Abs. 3 PromO 2010, die für die Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors im Übrigen auf die gesetzlichen Bestimmungen verweist. Die Satzungsrechtslage ist insoweit nicht vergleichbar mit der in dem vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 42) entschiedenen Fall, in dem § 20 der dort einschlägigen Promotionsordnung für eine „Ungültigerklärung“ der Promotionsleistung eine eigenständige Befugnisnorm darstellte, während § 21 der dort einschlägigen Promotionsordnung für die „Rücknahme“ oder „Entziehung“ des Doktorgrads auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes verwies.

85

b. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme ist hier der Zeitpunkt der Entscheidung des Widerspruchsausschusses in Prüfungsangelegenheiten über den Widerspruch am 30. April 2013. Wenn kein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist, ist der maßgebliche Zeitpunkt im Hinblick auf die Rücknahme der Verleihung eines Doktorgrads derjenige des Erlasses des Bescheides (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.5.2016, OVG 5 B 11.15, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 39; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28), sonst der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (VGH Mannheim, Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, juris Rn. 22). Anwendung findet der Grundsatz, dass der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung für die Begründetheit einer Anfechtungsklage maßgeblich ist. Die für Dauerverwaltungsakte anerkannte Ausnahme von diesem Grundsatz greift für den Verwaltungsakt, der auf die Rücknahme eines anderen Verwaltungsakts gerichtet ist, nicht ein. Denn die Rücknahme zielt nicht als Dauerverwaltungsakt auf eine andauernde, der ständigen Aktualisierung unterworfene Regelung ab, sondern ihrem zeitlichen Regelungsgehalt nach punktuell auf eine einmalige Rechtsfolge, hier die rückwirkende Aufhebung der Verleihung des akademischen Grads.

86

c. Die „nachträgliche Aberkennung und Entziehung“ bzw. inhaltsgleich die „Rücknahme“ der Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. a.) gründen im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (dazu s.o. b.) auf eine Befugnisnorm. Entgegen der von der Beklagten noch im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung kann die Maßnahme nicht auf „§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972“ gestützt werden. Dahinstehen kann, ob sich die Befugnis zur Rücknahme aus der besonderen Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 (hierzu unter aa.) oder aus der nachrangig anwendbaren Gesetzesbestimmung des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG ergibt (hierzu unter bb.).Der damit gegenüber der Begründung des Widerspruchsbescheids vorgenommene Austausch der Ermächtigungsgrundlage ist unbedenklich (hierzu unter cc.).

87

aa. Die Frage kann offen bleiben, ob die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 allein eine hinreichende Ermächtigung zur Rücknahme der Promotion bietet.

88

Der rechtstaatliche Vorbehalt des Gesetzes verlangt nicht, die Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung eines Doktorgrads in einem förmlichen Parlamentsgesetz zu regeln (OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 75 ff.). Das Hamburgische Hochschulgesetz (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG) ermächtigt in § 91 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG zum Erlass einer Hochschulprüfungsordnung, die gemäß § 60 Abs. 1 HmbHG Prüfungsanforderungen und Prüfungsverfahren regelt. Gemäß § 59 Abs. 1 HmbHG zählt die Promotion, mit der die Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen wird, zu den Hochschulprüfungen. Der Aufnahme von Regelungen über die Entziehung der Promotion als „actus contrarius“ in die Promotionsordnung steht die nicht abschließende Aufzählung der Mindestinhalte der Prüfungsordnung in § 60 Abs. 2 HmbHG nicht entgegen. Auch bei der Rücknahme eines verliehenen Doktorgrades handelt es sich um eine Hochschulprüfungen betreffende Angelegenheit (VGH Mannheim, Beschl. v. 3.2.2014, 9 S 885/13,ESVGH 64, 166, juris Rn. 7).

89

Nach § 18 Abs. 1 PromO 2010 kann der Promotionsausschuss nach Anhörung des oder der Betroffenen die Promotion für nicht bestanden erklären, wenn die Doktorandin oder der Doktorand im Promotionsverfahren eine vorsätzliche Täuschung begangen hat. Ist der Grad einer Doktorin oder eines Doktors zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens einer solchen Täuschung bereits verliehen, so kann er nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 vom Promotionsausschuss nach vorheriger Anhörung des Betroffenen oder der Betroffenen nachträglich aberkannt und entzogen werden. Eine solche Aberkennung erfolgt nach § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 insbesondere dann, wenn die Täuschung Leistungen in solchen Teilen der Promotion betrifft, die für die Bewertung der Dissertation oder Disputation oder die Gesamtnote einen wichtigen Stellenwert hatten. Nach § 18 Abs. 3 PromO 2010 gelten für die Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen.

90

In zeitlicher Hinsicht kann die Befugnisnorm nur der im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung über die Rücknahme (dazu s.o. b.) geltenden Promotionsordnung und nicht der bei Verleihung des Doktorgrads am 28. Januar 1998 geltenden Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg (v. 9.2.1972, Amtl. Anz. 1974, S. 377, berichtigt S. 457, m. spät. Änd. – PromO 1972) entnommen werden. Ebenso ist eine Anwendung der zwischenzeitlich in Geltung befindlichen Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (v. 20.5.1998, Amtl. Anz. S. 1978; m. Änd. v. 31.5.2000, Amtl. Anz. 2001, S. 4610, v. 5.2.2003, Amtl. Anz. S. 1411 – PromO 1998) ausgeschlossen. Ausgangspunkt sind die im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Inkrafttretens- und Übergangsregelungen in § 20 PromO 2010. Nach dem Grundsatz des § 20 Abs. 1 PromO 2010 trat diese Promotionsordnung am 22. Dezember 2010 als dem Tag nach der Bekanntmachung in Kraft. Eine Ausnahmeregelung davon enthält § 20 Abs. 2 PromO 2010, wonach sie für Promotionsverfahren gilt, für welche die Zulassung nach dem Tag der Bekanntmachung beantragt wird. Im Umkehrschluss gilt diese Promotionsordnung nicht für Promotionsverfahren, für welche die Zulassung vor dem 22. Dezember 2010 beantragt worden ist. Diese Ausnahme findet jedoch nur auf Promotionsverfahren Anwendung. Dies sind ausweislich der Regelung über die Zulassung zum Promotionsverfahren in § 3 PromO 2010 nur solche Verfahren, in denen über die Verleihung des Doktorgrads entschieden wird, nicht jedoch Promotionsentziehungsverfahren, in denen über die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads entschieden wird. Für Promotionsentziehungsverfahren verbleibt es nach dem Grundsatz des § 20 Abs. 1 PromO 2010 bei der Anwendung des neuen Rechts.

91

bb. Böte die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 keine hinreichende Ermächtigung zur Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads, so ergäbe sich die Befugnis aus der allgemeinen Gesetzesbestimmung des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG.

92

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) jedoch nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG zurückgenommen werden.

93

Unter der Annahme einer Unanwendbarkeit des § 18 Abs. 2 PromO 2010 ist der Anwendungsbereich des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HmbVwVfG grundsätzlich eröffnet, da die Tätigkeit der Beklagten als einer der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristische Person des öffentlichen Rechts in Rede steht. Unter der vorstehenden Annahme enthalten die Rechtsvorschriften der Freien und Hansestadt Hamburg keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Bestimmungen. Die vormalige spezialgesetzliche Grundlage für den Entzug akademischer Grade in § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade (v. 7.6.1939, RGBl. I S. 985 m. spät. Änd.), die zunächst gemäß Art. 123 ff. GG als Landesrecht fort galt (BVerwG, Urt. v. 26.2.1960, VII C 198.59, BVerwGE 10, 195, juris , vgl. Beschl. v. 7.9.1990, 7 B 127/90, Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2; Schroeder, NWVBl. 2010, 176 <177> m.w.N.) ist durch Art. 6 Nr. 3 des Hochschulrechtsänderungsgesetzes (v. 18.4.1991, HmbGVBl. S. 139, 217) für Hamburg aufgehoben worden.

94

Ein Anwendungsausschluss durch § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG greift jedenfalls nicht ein: Die Anwendung des Gesetzes ist nach dieser Vorschrift für die Tätigkeit der Behörden „bei“ Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen zwar beschränkt, umfasst aber ausdrücklich § 48 HmbVwVfG. Unabhängig davon ist das Promotionsentziehungsverfahren keine Tätigkeit „bei“ einer Prüfung i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG, da der Anwendungsausschluss nicht allgemeine Verfahrensfragen außerhalb der spezifischen Prüfungssituation betrifft (VG Hamburg, Urt. v. 5.1.2016, 2 K 3911/14, juris Rn. 43).

95

Bei der allgemeinen Bestimmung über die Rücknahme in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder handelt es sich um eine im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie hinreichende Ermächtigung für die Rücknahme der Verleihung eines akademischen Grades. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67/06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn.4). Nach dieser ist die Grundentscheidung über die Rücknahme von Verwaltungsakten in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder hinreichend getroffen und gelten selbst bei statusbegründenden, auf lange Dauer angelegten Verwaltungsakten unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keine gesteigerten Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung einer Rücknahme.

96

cc. Der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 lässt sich wahlweise auf § 18 Abs. 2 PromO 2010 oder § 48 Abs. 1 HmbVwVfG stützen, obwohl der Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten im Widerspruchsbescheid zu Unrecht ausgeführt hat, die „Tatbestandsvoraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972“ seien erfüllt.

97

Da sich die Ermessensausübung immer vom Zweck der Rechtsgrundlage leiten lassen muss, ist der Austausch der Rechtsgrundlage bei einem Ermessensverwaltungsakt dann möglich, wenn die von der Behörde irrtümlich benannte und die richtige Rechtsgrundlage zweckgleich sind (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.4.2013, 4 Bf 141/11, NordÖR 2014, 36, juris Rn. 50; VGH München, Urt. v. 16.1.1975, 40 VIII 74, BayVBl. 1978, 180). Diese Voraussetzung ist in jeder Hinsicht erfüllt:

98

Die (nach § 1 Abs. 1 und 4 VwVfG nicht anwendbare) bundesrechtliche Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG ist zweckgleich mit der (nach § 1 Abs. 1 HmbVwVfG nachrangig anwendbaren) wortlaut- und inhaltgleichen Parallelvorschrift des Landesrechts in § 48 Abs. 1 HmbVwVfG über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte.

99

Für die Satzungsbestimmung über die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads wegen vorsätzlicher Täuschung im Promotionsverfahren nach § 18 Abs. 2 PromO 2010 gilt nichts anderes. Ebenso wie die Rücknahmevorschriften in den parallelen Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder dem Ausgleich zwischen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtssicherheit dienen (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 28 ff.) ist bei der Ausübung des Ermessens nach der Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 zwischen der dem öffentlichen Interesse dienenden Herstellung rechtmäßiger Zustände durch Aufhebung der rechtswidrigen Verleihung des Doktorgrads und dem privaten Interesse des Promovenden an dem Erhalt des Doktorgrads abzuwägen. In Bezug auf die Rücknahme der Verleihung eines akademischen Grads des Doktors dient § 48 Abs. 1 HmbVwVfG dem Ansehen der betroffenen Hochschule und dem Ansehen der Rechtswissenschaft (so zur Parallelvorschrift Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG: BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6).

100

Die Nennung der als solche kein Ermessen einräumenden Norm des § 19 PromO 1972 neben § 48 Abs. 1 (Hmb)VwVfG im Widerspruchsbescheid ist deshalb unschädlich, weil der Widerspruchsausschuss lediglich gemeint hat, die Tatbestandsvoraussetzungen auch nach § 19 PromO 1972 seien erfüllt. Seine Ermessenserwägungen hat der Widerspruchsbescheid hingegen auf § 48 Abs. 1 Satz 1 (Hmb)VwVfG gestützt.

101

d. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig oder leidet zumindest nicht an einem solchen formellen Fehler, der i.S.d. § 46 HmbVwVfG erheblich wäre und einen Aufhebungsanspruch des Klägers tragen könnte. Formelle Fehler des Promotionsentziehungsverfahrens können sich aus dem Habilitationsverfahren des Klägers bereits im Ansatz nicht ergeben (hierzu unter aa.). Das Vorliegen eines bestimmten formellen Fehlers ist nicht aufgezeigt, soweit der Kläger vorgetragen hat, das Mitglied des Widerspruchsausschusses Prof. Dr. Y. habe in der Erörterung vor dem Widerspruchsausschuss Zweifel an der Rücknahme geäußert und formelle Fehler im Verfahren eingeräumt. Etwaige formelle Fehler bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind nach Bescheidung des Widerspruchs, wenn nicht geheilt, so doch zumindest nicht länger beachtlich (hierzu unter bb.). Bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 wurde den formellen Anforderungen Genüge getan (hierzu unter cc.).

102

aa. Die Vorgänge in dem vom Habilitationsausschuss unter dem Vorsitz des Dekans durchzuführenden und noch nicht abgeschlossenen Habilitationsverfahren des Klägers sind insoweit nicht zu prüfen, da sie auf die formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 keinen Einfluss haben. Das Habilitationsverfahren, zu dem der Kläger unter dem 15. Januar 2008 zugelassen worden ist und das seinen Abschluss noch nicht gefunden hat, ist ein Hochschulprüfungsverfahren nach § 59 Abs. 1 HmbHG, das zum Gegenstand hat, ob der Kläger habilitiert und mit einer Lehrbefugnis (venia legendi) ausgestattet wird. Es handelt sich um ein nach § 9 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG mangels Erlass eines Verwaltungsaktes noch nicht abgeschlossenes Verwaltungsverfahren in der Gremienzuständigkeit des Habilitationsausschusses (gemäß § 20 Satz 3 der Habilitationsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg v. 14.4.2010, Amtl. Anz. S. 2676, i.V.m. § 6 der Habilitationsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg v. 7.5.1999/14.5.2001, Amtl. Anz. 2001, S. 2458). Davon zu unterscheiden ist das in der Gremienzuständigkeit des Promotionsausschusses durchgeführte Promotionsentziehungsverfahren, das als Verwaltungsverfahren mit dem Erlass des Verwaltungsaktes über die Rücknahme der Verleihung des akademischen Grads des Doktors seinen Abschluss gefunden hat. Alle Maßnahmen, die der Befassung des Promotionsausschusses vorausliegen, können nicht zur Rechtswidrigkeit des Rücknahmeverfahrens führen, da sie nicht Bestandteil des mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens sind (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 45 f.).

103

bb. Jedenfalls wäre ein etwaiger formeller Fehler bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 nach § 46 HmbVwVfG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 HmbVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Unter der Annahme eines formellen Fehlers bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind diese Voraussetzungen einer Unbeachtlichkeit gegeben. Ein Nichtigkeitsgrund nach § 44 HmbVwVfG ist nicht ersichtlich. Ein Mangel in der sachlichen Zuständigkeit, der nicht nach § 46 HmbVwVfG als unbeachtlich angesehen werden könnte, liegt nicht vor (hierzu unter (1)). Eine etwaige Verletzung von Vorschriften über das Verfahren bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 wäre nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich (hierzu unter (2)).

104

(1) Die Zuständigkeiten bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind gewahrt. Nach allgemeinen Regeln lag die Verbandszuständigkeit für die Rücknahme bei der beklagten Hochschule als Rechtsträgerin des vormaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I, dessen Sprecher den zurückgenommenen Verwaltungsakt der Verleihung des Doktorgrads am 28. Januar 1998 ausgefertigt hatte. In dem Verwaltungsverfahren, das nach § 9 HmbVwVfG mit der Rücknahme als Verwaltungsakt am 25. Juni 2012 abschloss, hat mit dem Dekanat der Fakultät für Rechtswissenschaft das zuständige Organ als Ausgangsbehörde den angefochtenen Bescheid ausgefertigt und zwar in Vollziehung der vom Promotionsausschuss als zuständigem Gremium getroffenen Rücknahmeentscheidung. Im Einzelnen:

105

Die Zuständigkeit als Ausgangsbehörde lag bei einem Organ der Fakultät für Rechtswissenschaft, da der jeweiligen Fakultät der Universität Hamburg gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 HmbHG auf ihrem Gebiet die Wahrnehmung der Aufgaben in Lehre, Forschung und Entwicklung und dafür notwendige Verwaltungsaufgaben obliegen und die Fakultät gemäß § 89 Abs. 1 Satz 4 HmbHG eine eigene Verwaltung unterhält. Die Fakultät für Rechtswissenschaft ist als Untergliederung der Beklagten nach § 89 Abs. 1 Satz 1 HmbHG an die Stelle des vormaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I getreten, dessen Sprecher die Promotionsurkunde zugunsten des Klägers ausgefertigt hatte. Organe der Fakultät sind gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 HmbHG das Dekanat und der Fakultätsrat. Die Aufzählung ist abschließend, die Hochschulen dürfen keine weiteren Organe der Fakultäten schaffen (Drexler, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2011, § 89 Rn. 6). Das Dekanat nahm nach § 90 Abs. 6 Nr. 8 HmbHG (in der bis 30.6.2014 gültigen Fassung, nunmehr § 90 Abs. 6 Nr. 7 HmbHG) alle Aufgaben der Fakultät wahr, die nicht vom Fakultätsrat wahrzunehmen sind. Eine Zuständigkeit des Fakultätsrats nach dem Katalog des § 91 Abs. 2 HmbHG war nicht begründet. Keine Bedenken erheben sich gegen ein Tätigwerden des Dekans als Behördenleiter. Dies geht im Umkehrschluss daraus hervor, dass nach § 90 Abs. 2 Satz 2 HmbHG die Dekanin oder der Dekan den Prodekaninnen und Prodekanen einen eigenen Aufgabenbereich überträgt, mithin selbst über ihren oder seinen Aufgabenbereich entscheidet.

106

Die vor Erlass des Verwaltungsaktes im Außenverhältnis durch das Dekanat als Ausgangsbehörde fakultätsintern erforderliche Gremienentscheidung des Promotionsausschusses liegt vor. Die interne Zuständigkeit des Promotionsausschusses der Fakultät für Rechtswissenschaft zur Entscheidung über die Rücknahme folgt aus § 63 Abs. 1 Satz 2 HmbHG i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010. Der Promotionsausschuss ist durch § 2 Abs. 1 Satz 1 PromO 2010 für die Promotion, die nach § 59 Abs. 1 HmbHG zu den Hochschulprüfungen zählt, als Prüfungsausschuss i.S.d. § 63 Abs. 1 HmbHG bestimmt. Dem Prüfungsausschuss obliegen gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 HmbHG die Organisation der Prüfung und gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 HmbHG weitere durch die Prüfungsordnung übertragene Aufgaben. Die Aufgabe zur Entscheidung über die nachträgliche Aberkennung und Entziehung ist dem Promotionsausschuss durch die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 übertragen, die auf das Promotionsentziehungsverfahren des Klägers zeitlich anwendbar ist (s.o. c. aa.).

107

Gegen die Zuständigkeit des Promotionsausschusses für die Entscheidung über die Rücknahme bestehen aus dem höherrangigen Recht auch nicht deshalb Bedenken, weil in ihm nach § 63 Abs. 1 Satz 4 HmbHG die stimmberechtigte Mitwirkung von Studierenden vorzusehen ist. Der Prüfungsausschuss ist nicht zu verwechseln mit der Prüfungskommission (Delfs, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, HmbHG, 1. Aufl. 2011, § 63 Rn. 2). Denn für die Bewertung von Prüfungsleistungen ist der Prüfungsausschuss nach § 63 Abs. 1 Satz 3 HmbHG ausdrücklich nicht zuständig. Deshalb war es nicht geboten, dass die Mitglieder des Promotionsausschusses mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen, wie § 64 Abs. 1 HmbHG für die Prüferinnen und Prüfer in einer Hochschulprüfung verlangt. Entgegen der vom Kläger vorgebrachten Auffassung geht es nicht um eine „wissenschaftsbasierte Entscheidung“. Bei der Entziehung der Promotion steht nicht eine inhaltliche Bewertung der Dissertation in Rede, sondern die Klärung der Frage, ob die Dissertation wissenschaftlichen Mindeststandards genügt (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67/06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 5), ohne dass ein prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum bestünde (OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 28; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28).

108

Es ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der Schwere des Eingriffs in seine Rechte zu begründen, dass der Promotionsausschuss nur beratend habe tätig werden dürfen. Ein Vorrang des Dekanats oder des Fakultätsrats bei einer für den Betroffenen bedeutsamen Einzelfallentscheidung ergibt sich aus höherrangigem Recht nicht. Die zunächst vom Promotionsausschusses aufgrund seiner Gremienzuständigkeit getroffene Entscheidung über die Rücknahme unterliegt letztlich ohnehin der vollen Überprüfung an den Maßstäben nicht nur der Rechtmäßigkeit, sondern auch der Zweckmäßigkeit durch den zuständigen Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten (dazu s.u. dd. (1)).

109

(2) Eine etwaige Verletzung von Vorschriften über das Verfahren bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 wäre nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann insbesondere die Frage einer Befangenheit im ursprünglichen Verfahren in den Fällen offenbleiben, in denen die Widerspruchsbehörde einen Rücknahmebescheid vollständig überprüft und durch eine selbstständige Sachentscheidung bestätigt hat (BVerwG, Urt. v. 28.5.2015, 1 C 24/14, BVerwGE 152, 164, juris Rn. 15 m.w.N.). Ausgehend von dieser Rechtsprechung fehlt es im vorliegenden Fall an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen einem etwaigen formellen Fehler und der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zur gerichtlichen Prüfung gestellten Rücknahmeentscheidung. Der Widerspruchsausschuss hat den Rücknahmebescheid anhand der Maßstäbe der Rechtmäßigkeit sowie der Zweckmäßigkeit vollständig überprüft und durch eine selbständige Sachentscheidung bestätigt. Dem Promotionsausschuss kam kein von der Widerspruchsbehörde zu achtender prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum zu (dazu s.o. (1)). Der Widerspruchsausschuss hat den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum auch ausgeschöpft. Im Einzelnen hat er ausweislich des Widerspruchsbescheids (S. 9-11) sein Ermessen ausgeübt und in die vorgenommene Abwägung insbesondere folgende Gesichtspunkte eingestellt: die Einschränkung des Vertrauensschutzes bei arglistiger Täuschung, die berufliche Situation des Klägers und der drohende Reputationsverlust, die Wahrung wissenschaftlicher Standards, das Fehlen eines Vergleichsschlusses mit „Generalquittungscharakter“ und die entstandenen Indiskretionen.

110

cc. Den formellen Anforderungen wurde jedenfalls bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 Genüge getan. Die Zuständigkeiten sind gewahrt (hierzu unter (1)). Der Mitwirkung der Mitglieder des Widerspruchsausschusses stand keine Besorgnis der Befangenheit entgegen (hierzu unter (2)). Die gebotene Anhörung des Klägers hat stattgefunden (hierzu unter (3)).

111

(1) Die Verbandszuständigkeit für die Bescheidung des Widerspruchs in Selbstverwaltungsangelegenheiten nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO lag in Ermangelung einer abweichenden gesetzlichen Regelung bei der Beklagten. Die behördliche Zuständigkeit lag, nachdem der Promotionsausschuss beschlossen hatte, dem Widerspruch nicht nach § 72 VwGO abzuhelfen, beim Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten. Dies folgt aus § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 a.E. VwGO i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 HmbHG in der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung maßgebenden Fassung. Danach entscheidet über Widersprüche in Prüfungsangelegenheiten der Widerspruchsausschuss. Diesem gehören gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 HmbHG als Vorsitzender ein Mitglied des Technischen, Bibliotheks- und Verwaltungspersonals (TVP) mit der Befähigung zum Richteramt und als Beisitzer eine Professorin oder ein Professor sowie eine Studierende oder ein Studierender der Fachrichtung, in der die Prüfung durchgeführt worden ist, an. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads betrifft eine Prüfungsangelegenheit i.S.d. § 66 Abs. 1 Satz 1 HmbHG. Denn die Promotion, um deren Rückgängigmachung es geht, zählt nach § 59 Abs. 1 HmbHG zu den Hochschulprüfungen (s.o. c. aa.). Der Zuständigkeit des Widerspruchsausschusses für die Entscheidung über einen Widerspruch gegen die Entziehung des Doktorgrads steht dabei nicht entgegen, dass weder der Vorsitzende des Widerspruchsausschusses noch der studentische Beisitzer selbst promoviert sein müssen. Die Qualifikation, um deren Rücknahme es geht, ist bei den Mitgliedern des Widerspruchsausschusses deshalb nicht zu fordern, weil die Rücknahme eines akademischen Grads nicht als Prüfungsentscheidung unter Ausübung eines prüfungsspezifischen Spielraums ergeht (dazu s.o. bb. (1)).

112

(2) Hinsichtlich der Mitglieder des Widerspruchsausschusses bestand keine Besorgnis der Befangenheit. Eine der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren entgegenstehende Besorgnis der Befangenheit setzt § 21 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Ein solcher Grund bestand weder allgemein wegen der Zugehörigkeit zweier Mitglieder des Widerspruchsausschusses zur Fakultät für Rechtswissenschaft (hierzu unter (a)) noch im Besonderen wegen der Stellung eines Mitglieds des Widerspruchsausschusses als Promotionsstudent (hierzu unter (b)).

113

(a) Entgegen der Annahme des Klägers, dass wegen aufgetretener Indiskretionen die „gesamte Fakultät“ befangen sei mit der Folge, dass niemand über die Rücknahme habe entscheiden dürfen, bestand nicht gegen alle Mitglieder der Fakultät die Besorgnis der Befangenheit und ist insofern das Recht auf ein faires Verfahren nicht verletzt.

114

Das Gesetz kennt keine institutionelle Befangenheit, sondern nur eine individuelle Befangenheit einzelner Personen (Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 21 Rn. 2 i.V.m. § 20 Rn. 8). Eine Besorgnis der Befangenheit verlangt einen gegenständlichen, vernünftigen Grund, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, dass der Amtsträger nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen könnte; nicht ausreichend ist die „Ahnung“ oder das „Gefühl“ eines Beteiligten oder rein querulatorisches Vorbringen; erforderlich ist vielmehr ein in der Person oder in der Art der Sachbehandlung liegender, benennbarer, rationaler Grund, der an Tatsachen anknüpft, die nach objektiven und vernünftigen Erwägungen geeignet sind, Zweifel an der unparteiischen Tätigkeit des Bediensteten zu wecken (Schmitz, a.a.O., § 21 Rn. 10 m.w.N.).

115

Nach diesem Maßstab war nicht jedes einzelne Mitglied der Fakultät für Rechtswissenschaft deshalb von einer Mitwirkung auszuschließen, weil es im Umfeld des Habilitationsverfahrens oder auch des Promotionsentziehungsverfahrens des Klägers zu Indiskretionen gekommen war. Indiskretionen aus einer Fakultät führen in aller Regel nicht dazu, dass gegen alle Mitglieder der Fakultät die Besorgnis der Befangenheit erhoben werden könnte. In Übereinstimmung damit hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf, selbst nachdem ein Bericht, der im Entziehungsverfahren dem Promotionsausschuss vorgelegt worden war, auf ungeklärtem Wege an die Presse gelangt ist, keinen objektiven Anhaltspunkt für eine Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder des für die Rücknahme zuständigen Fakultätsorgans gesehen (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 60).

116

Der alle Mitglieder der Fakultät für Rechtswissenschaft umfassende Personenkreis ist so weit gezogen, dass auch dann, wenn feststünde, dass sich ein namentlich unbekanntes Mitglied der Fakultät einer Verletzung des Dienstgeheimnis nach § 353b StGB schuldig gemacht hätte, kein vernünftiger Grund bestünde, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten ließe, jedes Mitglied der Fakultät werde nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen. Aus objektiver Sicht ist der Verdachtsgrad hinsichtlich der Verletzung des Dienstgeheimnisses, der sich gegen jedes einzelne Mitglied der Fakultät allein aufgrund seiner Mitgliedschaft richtet, äußerst gering. Denn Mitglieder der Fakultät sind alle der Fakultät zugeordneten und nach § 91 Abs. 1 i.V.m § 10 Abs. 1 HmbHG im Fakultätsrat vertretenen Mitglieder der Hochschule, d.h. nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbHG alle hauptberuflich Beschäftigten sowie immatrikulierten Studierenden einschließlich Doktorandinnen und Doktoranden. Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, …, das die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen Unbekannt geführt und am 8. Januar 2013 eingestellt hat, weil kein Täter ermittelt werden konnte, ergibt sich keine Eingrenzung des in Betracht kommenden Personenkreises. Es ist nicht ersichtlich, welches bestimmte Mitglied der Fakultät für Indiskretionen verantwortlich war, schon gar nicht, dass es sich um einen der Beisitzer im Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten handelte.

117

(b) Eine Besorgnis der Befangenheit besteht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb, weil das Mitglied des Widerspruchsausschusses Z. zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch Promotionsstudent an der Fakultät für Rechtswissenschaft war. Das Gesetz hat in § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HmbHG die Mitgliedschaft eines Studierenden der die Prüfungsangelegenheit betreffenden Fachrichtung im Widerspruchsausschuss zwingend vorgeschrieben. Nach der Wertung des Gesetzgebers begründet die damit einhergehende Beziehung zur Fakultät – immatrikulierte Studierende sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbHG Mitglieder der Hochschule als Körperschaft – noch keine Besorgnis der Befangenheit, sondern gewährleistet für den verfahrensbeteiligten Prüfling die Mitwirkung eines „peers“, sie dient nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich der „Sicherung der Rechte der Studierenden“ (Bü-Drs. 16/5759, S. 48). Der Gesetzgeber hat in § 66 Abs. 1 Satz 4 HmbHG die Entscheidung getroffen, dass die Mitglieder des Widerspruchsausschusses nicht gleichzeitig dem zuständigen Prüfungsausschuss angehören dürfen. Daraus geht im Umkehrschluss hervor, dass sich der Gesetzgeber gegen andere besondere Ausschlussgründe entschieden hat.

118

(3) Dem sich aus § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 und nachrangig aus § 28 Abs. 1 HmbVwVfG ergebenden Erfordernis, den Kläger zur Rücknahme der Promotion anzuhören, wurde Genüge getan. Soweit der Kläger gerügt hat, er sei vor dem Erlass des Ausgangsbescheids nur zu dem Vorwurf der arglistigen Täuschung angehört worden, nicht zu dem Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens, auch fehle es an einer persönlichen Anhörung, muss der Frage nicht nachgegangen werden, ob die vom Promotionsausschuss durchgeführte Anhörung hinreichte. Denn ein Verfahrensfehler, der in einem etwaigen Anhörungsmangel gelegen hätte, wäre durch die Nachholung im Widerspruchsverfahren nach § 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 HmbVwVfG geheilt. Im Widerspruchsverfahren ist der Kläger durch den Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten auch in Person angehört worden und hatte zuvor auch schriftlich Gelegenheit, zu den im ursprünglichen Bescheid erhobenen und im Widerspruchsbescheid bestätigten Vorwürfen Stellung zu nehmen. Eine Anhörung vor der Widerspruchsbehörde genügt. Die Widerspruchsbehörde ist bei Ermessensakten nur dann nicht imstande, die von der Ausgangsbehörde versäumte Anhörung wirksam nachzuholen, wenn sie entgegen der Regel des § 68 Abs. 1 VwGO durch ein Gesetz auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt ist, also im Gegensatz zur Ausgangsbehörde die Frage der Zweckmäßigkeit nicht beurteilen darf (BVerwG, Urt. v. 17.8.1982, 1 C 22/81, BVerwGE 66, 111, juris Rn. 18). Dieser Ausnahmefall liegt jedoch nicht vor, da insbesondere kein vom Widerspruchsausschuss zu achtender prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum gegeben ist (dazu s.o. bb. (1)).

119

e. In materieller Hinsicht sind die tatbestandlichen Anforderungen erfüllt, unter denen der Doktorgrad nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 aberkannt und entzogen oder nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG zurückgenommen werden kann.

120

Eine Rücknahme der Promotion setzt nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG tatbestandlich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes voraus, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist. Rechtswidrig ist dieser Verwaltungsakt insbesondere dann, wenn er auf einer vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren beruht. Ebenso setzen Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 voraus, dass die Doktorandin oder der Doktorand im Promotionsverfahren vorsätzlich getäuscht hat. Der in dieser Prüfungsordnung verwendete Begriff der vorsätzlichen Täuschung knüpft an den Begriff der arglistigen Täuschung im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht, hier in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG, an (entsprechend die Auslegung des OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 59, für das Tatbestandsmerkmal „Täuschung“ in der dort einschlägigen Prüfungsordnung). Bei der Erstellung einer Dissertation begeht der Doktorand die vorausgesetzte Täuschung namentlich dann, wenn er bei den Gutachtern einen Irrtum über das Vorliegen der wesentlichen Verleihungsvoraussetzungen, d.h. insbesondere über die Eigenständigkeit seiner erbrachten wissenschaftlichen Leistung hervorruft, indem er in erheblichem Umfang fremde Textpassagen ohne Quellenangabe aus dem Werk eines anderen Autors wörtlich oder sinngemäß übernimmt, obwohl ihm deren Herkunft vom Fremdautor bewusst ist (OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, a.a.O.). Im Einzelnen setzt eine vorsätzliche Täuschung im Promotionsverfahren eine Täuschungshandlung, deren Erheblichkeit, einen zur Verleihung des Doktorgrads führenden Irrtum und den Vorsatz des Prüflings voraus.

121

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat in dem ursprünglichen Promotionsverfahren, das mit der Verleihung des Doktorgrads mit der vom Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft I ausgefertigten Urkunde vom 28. Januar 1998 abschloss, vorsätzlich getäuscht. Die Täuschungshandlung liegt in der Einreichung einer mit Zitierfehlern behafteten Dissertation und der Abgabe einer von § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 geforderten Versicherung vom 1. Juni 1997, die Dissertation selbst angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt zu haben. Darin liegt deshalb eine Täuschungshandlung, weil die vorgelegte Dissertation den bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Dissertation geltenden Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit (hierzu unter aa.) ausweislich der im Einzelnen festzustellenden Zitierfehler nicht genügt (hierzu unter bb.). Die Täuschung ist erheblich (hierzu unter cc.). Sie hat einen Irrtum hervorgerufen, auf dem die Verleihung des Doktorgrads beruht (hierzu unter dd.). Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt (hierzu unter ee.).

122

aa. Die Vorlage einer Dissertation, welche gegen die zum Zeitpunkt der Vorlage geltenden Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit verstößt, begründet eine Täuschung im Promotionsverfahren (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 69 ff.). Die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit gebieten es insbesondere, die Übernahme von Fremdleistungen durch geeignete Quellennachweise als solche kenntlich zu machen. Im Einzelnen:

123

Die Promotion des Klägers erfolgte gemäß § 2 Abs. 1 PromO 1972 auf Grund einer als „rechtswissenschaftliche Abhandlung“ legaldefinierten Dissertation sowie des Kolloquiums. Die Dissertation musste gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 PromO 1972 die Rechtswissenschaft fördern. Die zum Zeitpunkt der Promotion geltende Promotionsordnung beruhte als Hochschulprüfungsordnung auf dem Gesetz über die Universität Hamburg (v. 25.4.1969, HmbGVBl. S. 61 m. spät. Änd. – HmbUG) und galt bei Verleihung des Doktorgrads an den Kläger unter den Nachfolgevorschriften (des vormaligen Hamburgischen Hochschulgesetzes v. 2.7.1991, HmbGVBl. S. 249) fort. In dem Promotionsverfahren war ausgehend von der Verantwortung des damaligen Fachbereichs für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses nach § 41 Abs. 1 HmbUG (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbHG) der Charakter der Promotion als akademische Prüfung gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 HmbUG (vgl. § 59 Abs. 1 HmbHG) und der Charakter des Doktorgrads als akademischer Grad gemäß § 41 Abs. 4 HmbUG (vgl. § 70 Abs. 4 Satz 1 HmbHG) zu gewährleisten.

124

Nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung genügt den an eine Dissertation gestellten Anforderungen (VGH Mannheim, Beschl. v. 9.2.2015, 9 S 327/14, NJW 2015, 2518, juris Rn. 7; Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19, juris Rn. 24; Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <58>; Schroeder, NWVBl. 2010, 176 <179>). In der obergerichtlichen Rechtsprechung war bereits bei Abgabe der Dissertation des Klägers als ein grundlegendes, jedermann einsichtiges und allseits anerkanntes Gebot der Redlichkeit anerkannt, in einer wissenschaftlichen Arbeit Gedanken anderer Autoren, selbst wenn sie nur Ausgangspunkt eigener Überlegungen sein sollen, als solche kenntlich zu machen, sei es im Text oder in den beigefügten Zitaten; unterbleibt in diesem Fall die Kenntlichmachung der fremden Leistung, so muss der unbefangene Leser in dem selbstverständlichen Vertrauen, dass jene grundlegende Regel wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten ist, einen falschen Eindruck von Umfang und Wert der eigenen Leistung des Verfassers gewinnen; zumindest aber gerät er in die Gefahr, einem solchen Irrtum zu erliegen (OVG Münster, Urt. v. 20.12.1991, 15 A 77/89, NWVBl 1992, 212, juris Rn. 11, daran anschließend VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 70 ff.; vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, ESVGH 31, 54, daran anschließend Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285, juris Rn. 8). Insbesondere der Umstand, dass nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 die Abgabe einer Versicherung über die eigenständige Anfertigung der Dissertation und die abschließende Verwendung der genannten Quellen vom Kläger gefordert wurde, verdeutlicht, dass das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit bereits im Jahr 1998 zu beachten war. Von Bagatellfällen abgesehen verstößt die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens und schließt damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13). Das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit erfordert es, die Übernahme einer Fremdleistung nachprüfbar zu machen, indem sämtliche wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche kenntlich gemacht werden (so der Sache nach auch VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 69, jedoch unter der urheberrechtlich falschen Einordnung der Fremdleistung als „geistiges Eigentum“, dazu Apel, ZUM 2014, 621 <623> m.w.N.). Geboten ist, dass „der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu ihm spricht“ (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 108, zust. Apel, a.a.O.). Dagegen wird auch dann verstoßen, wenn der Doktorand Entlehnungen aus der Sekundärliteratur zwecks Darstellung der Erkenntnisse zu der Primärliteratur in der Dissertation nicht hinreichend kenntlich macht (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 122). Fehlt es an einer solchen Kenntlichmachung der Übernahme der Rezeptionsleistung und bezieht sich der Doktorand auf eine Primärquelle, deren Inhalt und/oder Deutung er letztlich aus einer nicht nachgewiesenen Sekundärquelle abschreibt, so täuscht er (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 124).

125

Die Übernahme eines gedanklichen Inhalts erfordert eine Nennung des Autors. Zwar sind – in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers – Quellenangaben bei der Wiedergabe evidenter Aussagen entbehrlich, wenn der Leser sie auch ohne Herkunftsangabe nicht für eine Eigenleistung des Doktoranden halten kann. Doch kann und muss der Leser eine Nennung des fremden Autors bei einer Übernahme originärer Inhalte erwarten, insbesondere bei einer über eine bloße Beschreibung hinausgehenden Analyse oder Schlussfolgerung. Die berechtigte Erwartung des Lesers, der Urheber werde genannt, wird erfüllt, wenn die Autorennennung im Text an einem Ort vorhanden ist, die dem Leser nach dem Sinnzusammenhang eine Zuordnung zu der Textstelle ermöglicht und nicht zu weit vorne oder zu weit hinten im Text erscheint. Der Rechtsauffassung des Klägers, es bestehe die Möglichkeit eines Zitates „passim“, die in einem summarischen Verweis auf eine Quelle bestehe, um den Lesefluss nicht zu hemmen, folgt das erkennende Gericht in dieser Allgemeinheit nicht. Zum einen muss in dem wissenschaftlichen Werk offengelegt werden, dass die Quellennachweise summarisch zu verstehen seien. Zum anderen kann eine Autorennennung nicht schlicht unter Berufung auf den Lesefluss unterbleiben, da Passagen ohne Autorennennung als eigene Leistung wahrgenommen werden. Möchte der Verfasser eines wissenschaftlichen Werks auf die störende Autorennennung verzichten, ist ihm dies nur durch den Verzicht auf Übernahmen fremden Gedankenguts möglich.

126

Über die Autorennennung hinaus darf der Leser die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme erwarten, wenn ganze Sätze oder charakteristische Einzelformulierungen wörtlich übernommen werden. Der besonderen Kennzeichnung bedarf es, wenn ein Text wortgleich oder im Wesentlichen wortgleich übernommen wird, ohne dass diese Form der Wiedergabe und damit letztlich die Herkunft des in der Arbeit verwendeten und ausformulierten Textes deutlich gemacht worden sind, sei es im Text selbst oder durch eine entsprechende Abfassung der verwendeten Zitate (OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 17). Den Erfordernissen einer rechtswissenschaftlichen Dissertation entspricht es, dass der Doktorand eigene Formulierungsleistungen erbringt oder dort, wo er von fremden Formulierungen Gebrauch macht, dies kenntlich macht.

127

Hinsichtlich der einzelnen Textstellen ist daher zunächst zu untersuchen, ob wegen der Übernahme von Fremdleistungen eine Autorennennung für die Textstelle überhaupt und ob zusätzlich eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme von Formulierungen erforderlich ist. Sodann ist zu untersuchen, ob eine Autorennennung für die Textstelle und zusätzlich eine besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme vorliegen. Aus der Gegenüberstellung der geforderten Zitierweise und der erfolgten Zitierweise ergeben sich folgende Fallgruppen:

128
        

Autorennennung
und besondere
Kennzeichnung
erfolgen

Autorennennung erfolgt,
besondere erfolgt
Kennzeichnung nicht

bereits Autorennennung
erfolgt nicht

keine Autorennennung
erforderlich

–       

–       

Fallgruppe A:
kein Zitierfehler,
da bereits keine
Autorennennung erforderlich

nur Autorennennung
erforderlich,
besondere Kennzeichnung
einer wörtlichen Übernahme
entbehrlich

–       

Fallgruppe B:
kein Zitierfehler,
da die allein erforderliche
Autorennennung erfolgt

Fallgruppe D:
Zitierfehler,
da die allein erforderliche
Autorennennung fehlt

Autorennennung und besondere
Kennzeichnung erforderlich

Fallgruppe C:
kein Zitierfehler,
da die erforderliche
Autorennennung und die
erforderliche besondere
Kennzeichnung erfolgen

Fallgruppe E:
Zitierfehler,
da die erforderliche
Autorennennung ohne die
erforderliche besondere
Kennzeichnung erfolgt

Fallgruppe F:
Zitierfehler, da die
erforderliche Autorennennung
und die erforderliche
besondere Kennzeichnung fehlen

129

bb. Nach dem soeben aufgezeigten Maßstab hat der Kläger im Promotionsverfahren durch die Vorlage der Dissertation getäuscht, da diese gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit verstößt. Entgegen seinem Vortrag hat der Kläger vielfach fremde Gedanken nicht durch Fußnoten gekennzeichnet. An den sogleich darzustellenden Textstellen hat er fremde Inhalte und/oder fremde Formulierungen nicht in hinreichender Weise als solche ausgewiesen und damit für den Leser zu Unrecht den Eindruck einer eigenen Leistung erweckt. An diesen Textstellen weiß der Leser nicht, „wer zu ihm spricht“.

130

Dabei kann sich die Überprüfung der Dissertation innerhalb der 155 von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2012 benannten Textstellen auf die 57 Textstellen beschränken, welche in der Anlage 1 (dortige Textstellen Nr. 1 bis 55) und der Anlage 2 (dortige Textstellen Nr. 1 bis 2) zum Bescheid benannt sind und die nach Auffassung der Beklagten eine wörtliche oder nahezu wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle in der Dissertation aufweisen. Es zeigt sich, dass in der vom Kläger vorgelegten Dissertation nicht an jeder dieser 57 Textstellen, aber immerhin in 44 Fällen (und in einem weiteren Fall teilweise) eine Übernahme fremder gedanklicher Inhalte und/oder Formulierungen nicht hinreichend gekennzeichnet ist.

131

Im Einzelnen sind die untersuchten 57 Textstellen den vorgestellten sechs Fallgruppen (dazu s.o. aa.) wie folgt zuzuordnen: An den fünf der Fallgruppe A zugeordneten Textstellen ist kein Zitierfehler festzustellen, da bereits eine Autorennennung entbehrlich ist (hierzu unter (7), (11), (27), (34) und (51)). An den sieben Textstellen der Fallgruppe B liegt ein Zitierfehler nicht vor, da die allein erforderliche Autorennennung vorhanden ist (hierzu unter (3), (4), (19), (40), (41), (43) und (48)). Keine der untersuchten Textstellen ist der Fallgruppe C zuzuordnen, in der sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung vorhanden sind. An den beiden Textstellen der Fallgruppe D begründet es einen Zitierfehler, dass es an der allein erforderlichen Autorennennung fehlt (hierzu unter (52) und (57)). An den sieben Textstellen der Fallgruppe E ist ein Zitierfehler deshalb festzustellen, weil zwar die erforderliche Autorennennung vorhanden ist, aber ohne die ebenfalls erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (hierzu unter (13), (21), (26), (30), (35), (36) und (49)). An den 35 Textstellen der Fallgruppe F besteht der Zitierfehler darin, dass sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen (hierzu unter (1), (5), (6), (8) bis (10), (12), (14) bis (18), (20), (22), (23) bis (25), (28), (29), (31) bis (33), (37) bis (39), (42), (44) bis (47), (50), (53) bis (56)). Eine Textstelle ist teilweise der Fallgruppe A und teilweise der Fallgruppe F zuzuordnen (hierzu unter (2)).

132

(1) In der Fußnote 5 auf S. 2 der vom Kläger vorgelegten Dissertation fehlen sowohl die erforderliche Nennung des Autors A. als auch die besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Der Vortrag des Klägers, dass er als Assistent von Prof. Dr. A., des Betreuers seiner Dissertation, gearbeitet habe und nicht auszuschließen sei, dass ein „Abschreiben auch umgekehrt herum erfolgt“ sein könne, ist unsubstantiiert, da nicht dargelegt ist, aus welchem Werk A. Leistungen des Klägers übernommen haben könnte. Eine Autorennennung fehlt für den Inhalt der Fußnote 5. A. wird in der Fußnote 4 zu S. 1 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation sowie in den Fußnoten 7 und 8 zu S. 2 Abs. 2 Satz 2 ff. der Dissertation als Autor nur für die diesbezüglichen Inhalte des Textkorpus genannt. Es wird nicht erkennbar, dass auch der Inhalt der Fußnote 5 von A. stammt und keine erst vom Doktoranden selbst angestellte, weitergehende Erwägung ist.

133

(2) Bezüglich S. 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 der Dissertation des Klägers ist zu differenzieren: Satz 1 erfordert, wenngleich der Inhalt trivial und nicht Ausdruck hoher Schöpfungskraft ist, eine Autorennennung und eine besondere Kennzeichnung wörtlicher Übernahme, da der Satz wörtlich von Schiessl übernommen worden ist; an beidem fehlt es (Fallgruppe F). Satz 3 zeigt hingegen keinen Zitierfehler, die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts (§ 77 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AktG) bedarf keiner Autorennennung (Fallgruppe A).

134

(3) Auf S. 9 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation begegnet kein Zitierfehler (Fallgruppe B). Eine Autorennennung ist erforderlich, da die wiedergegebene Gesetzesauslegung eine Analyseleistung darstellt. Die Kennzeichnung der Wörtlichkeit ist mangels Originalität der Formulierungen nicht zu erwarten. Eine Autorennennung am rechten Ort ist vorhanden. Der Kläger nennt in der zur Textstelle gehörenden Fußnote 31 die Kommentatoren Hefermehl und Mertens als Urheber der Gesetzesauslegung.

135

(4) Ebenso kein Zitierfehler findet sich auf S. 10 Abs. 2 der Dissertation (Fallgruppe B). Einer Autorennennung bedarf es, da eine Transferleistung (Bedeutung der besonderen Stellung des Arbeitsdirektors im Hinblick auf eine herausgehobene Stellung des Finanzvorstands) wiedergegeben wird. Eine wörtliche Übernahme liegt insoweit nicht vor, als „Etwas anderes gilt“ von „eine Ausnahme besteht“ abweicht. Die Autorennennung ist vorhanden. Der Kläger hat in der zugehörigen Fußnote 32 den Bundesgerichtshof und den Kommentator Hüffer als Vertreter der Rechtsauffassung genannt. Der Kläger war nicht gezwungen, zusätzlich auch den Aufsatzautor Schiessl zu nennen, selbst dann, wenn er erst durch die Lektüre des Aufsatzes auf die Auffassung des Bundesgerichtshofs und Hüffers aufmerksam geworden wäre.

136

(5) Auf S. 13 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation fehlt es hingegen an der Nennung des Autors Schönbrod und an der besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Diese waren, anders als bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (3)), aufgrund der Originalität der Formulierung von Schönbrod geboten. Dem Gebot ist nicht Genüge getan. In der zur Textstelle gehörenden Fußnote 49 werden Mayer/Gabele, Mielke und Scheffler als Autoren genannt. Es wird nicht deutlich, dass eine wörtliche Übernahme von Schönbrod vorliegt.

137

(6) Ebenso verhält es sich im Ergebnis auf S. 14 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). In der Fußnote 57 wird lediglich „[z]um Einfluß der Unternehmensorganisation auf die Besteuerung“ auf Raupach verwiesen. Eine Nennung Schönbrods als Urheber des gedanklichen Inhalts und auch der Formulierung fehlt insoweit. Aufgrund des Satzbeginns „Darüber hinaus“ wird für den Leser nicht ersichtlich, dass auch der nunmehr vorgestellte, weiterführende gedankliche Inhalt von Schönbrod stammt und nicht vom Doktoranden.

138

(7) Demgegenüber ist kein Zitierfehler auf S. 16 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation gegeben (Fallgruppe A). Bereits einer Autorennennung bedarf es nicht. Selbst wenn der Kläger den Inhalt von Schiessl hätte übernehmen wollen, ist ihm dies mit der gewählten, leicht modifizierten Formulierung nicht gelungen. Denn während nach Schiessl die „Gesamtverantwortung eine immanente Schranke jeder Geschäftsverteilung“ bildet, d.h. eine Geschäftsverteilung möglich ist, aber nur im Rahmen der zu wahrenden Gesamtverantwortung, bildet die Gesamtverantwortung ausweislich der Dissertation eine „immanente Schranke gegen jede Form von Geschäftsverteilung“, was so gelesen werden könnte, dass jede Form von Geschäftsverteilung ausgeschlossen wäre.

139

(8) Sowohl an der erforderlichen Nennung des Autors Schiessl als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahmen fehlt es auf S. 17 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Marginale Veränderungen bei der Übernahme (z.B. „Besonderes Interesse im divisionalisierten Unternehmen“ statt „Im divisionalisierten Unternehmen“) deuten auf planvolles Vorgehen des Klägers hin, machen eine besondere Kennzeichnung wörtlicher Übernahmen aber nicht entbehrlich. Eine hinreichende Autorennennung kann in der zu dem nachfolgenden Satz angebrachten Fußnote 71 nicht gesehen werden. Denn in der Fußnote 71 wird nicht deutlich gemacht, dass die gesamten vorstehenden Sätze über die Möglichkeit, dem Arbeitsdirektor unter Ausschluss des Spartenleiters Kompetenzen zuzuweisen, von Schiessl stammen, sondern es wird eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zitiert, dass umgekehrt der Arbeitsdirektor eine Verteilung der Geschäfte nach sachlichen, organisatorischen oder regionalen Gesichtspunkten hinnehmen müsse, und mitgeteilt, dass Mertens und Schiessl der Rechtsprechung zugestimmt hätten.

140

(9) Desgleichen leidet S. 18 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation an einem Zitierfehler (Fallgruppe F). Eine Autorennennung und eine besondere Kennzeichnung sind erforderlich wegen der Übernahme des Inhalts und der wörtlichen Übernahme von Formulierungen von Schiessl. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort, der Quellennachweis erfolgt an einer im Text vorgelagerten Stelle, die für den Leser eine Zuordnung zu der in Rede stehenden Textstelle nicht ermöglicht. Der vorausgehende Satz (am Ende von S. 17 Abs. 2 der Dissertation), bei dem in der Fußnote 71 Schiessl genannt wird, schließt einen ganzen Absatz ab, so dass für den Leser weder ersichtlich noch wenigstens angedeutet wird, dass Inhalt und Formulierung auch auf S. 18 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation von Schiessl stammen.

141

(10) Dies setzt sich fort auf S. 18 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Einer Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung bedarf es wegen der wörtlichen Übernahme eines Satzes. Die besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme konnte nicht zugunsten der besseren Lesbarkeit unterbleiben. Hätte der Doktorand ohne eine besondere Kennzeichnung auskommen wollen, so hätte er eine eigenständige Formulierungsleistung erbringen müssen. Bereits an einer Nennung des Autors fehlt es am rechten Ort. Die Fußnoten 82, 83, 86 und 87 sind einer Textpassage S. 19 Abs. 4 der Dissertation zuzuordnen und nicht der hier in Rede stehenden Textstelle auf S. 18 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation.

142

(11) Anderes gilt für S. 18 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation (Fallgruppe A). Eine Nennung des Autors Schiessl ist entbehrlich, zumindest ist ihr Fehlen unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs nicht geeignet, einen Vorwurf wissenschaftlicher Unredlichkeit mitzutragen. Die im Vergleich zu Schiessl in der Dissertation wortgleiche Formulierung „nachgeordnet“ ist nicht hinreichend originell, auch der gedankliche Inhalt hinsichtlich einer „Spartenleitung“ ist so naheliegend, dass er keinen Quellennachweis gebietet.

143

(12) Ein Zitierfehler begegnet dem Leser hingegen wiederum auf S. 18 Abs. 3 Sätze 5 und 6 der Dissertation (Fallgruppe F). Aus den gleichen Gründen wie bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (10)) bedurfte es einer Nennung des Autors Schiessl, an der es am rechten Ort fehlt, und einer besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme. Die Rezeptionsleistung Schiessls, der die Primärquellen zusammenfasst, wird als Eigenleistung ausgegeben. Die Umstellung von Satzteilen deutet auf eine Verschleierungsabsicht des Klägers hin.

144

(13) Ein Zitierfehler, allerdings nur im Hinblick auf die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme, findet sich auf S. 19 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe E). In den dieser Textstelle zugeordneten Fußnoten 84 und 85 werden keine Quellen ausgewiesen. Es wird nicht deutlich, dass eine wörtliche Übernahme von Teilsätzen des Autors Schiessl unter marginaler Umstellung erfolgt.

145

(14) An der erforderlichen Nennung des Autors Schiessl unter besonderer Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt es auf S. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Inhalt und Formulierung stammen von Schiessl. Die Nennung von Schiessl neben Semler in der Fußnote 92 zu S. 20 Abs. 2 Satz 3 der Dissertation gibt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Übernahme sowie auf eine wörtliche Übernahme ganzer Sätze auf S. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation.

146

(15) Gleiches gilt bezüglich S. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Die Fußnote 91 zu S. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation gibt keine Quelle an. Die Nennung von Schiessl neben Semler in der Fußnote 92 zu S. 20 Abs. 2 Satz 3 der Dissertation gibt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Übernahme sowie auf eine wörtliche Übernahme ganzer Sätze in S. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Dissertation.

147

(16) Ebenso fehlen die erforderliche Autorennennung und die erforderliche besondere Kennzeichnung auf S. 20 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Formulierungen sind an Schiessl angelehnt und teils satzweise wörtlich mit geringfügigen Änderungen (z.B. „selbst wenn“ statt „auch wenn“) übernommen. Nach der Art einer Kollage erscheint der Einschub des vom Doktoranden selbst stammenden ersten Teils von Satz 2. Ein Fundstellennachweis zum nachfolgenden Satz in der Fußnote 93 zu S. 21 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation unter Angabe mehrerer Autoren ist bei einer wörtlichen Übernahme ganzer Sätze nicht hinreichend, da ein Leser einen solchen Fundstellennachweis nicht der vorhergehenden Textstelle zuordnen kann.

148

(17) Der Urheber Schönbrod hätte auf S. 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation genannt und die wörtliche Übernahme besonders gekennzeichnet werden müssen (Fallgruppe F). Es genügt nicht, dass zum vorausgehenden Satz Schönbrod genannt wurde. Die zu dem vorausgehenden Satz angebrachte Fußnote 103 gehört zu dem abgeschlossenen Absatz 5 auf S. 24 der Dissertation. In den Fußnoten 104 („Dazu… Gabele, … Poensgen“), 105 („Dazu … v. Winckler“) sowie 106 („dazu Eisenführ“) zu S. 23 Abs. 1 der Dissertation wird nicht angegeben, dass Inhalt und Formulierungsfragmente von Schönbrod stammen.

149

(18) Ebenso verhält es sich auf S. 23 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Nennung Schönbrods als Urheber war nicht deshalb entbehrlich, weil Schönbrod selbst Primärquellen benannt hatte. Denn die Argumentationsstruktur und die Formulierungen stammen vom Urheber der Sekundärquelle Schönbrod. In der Fußnote 109 („Zur Matrixorganisation im einzelnen Erbslöh…“) wird die wörtliche Quelle Schönbrod nicht genannt. Auch in der hinter dem letzten Satz (schon auf S. 24) angegebenen Fußnote 110 wird die Quelle nicht genannt. Die Fußnote 108 zum letzten Satz von S. 23 Abs. 2 der Dissertation nennt Schönbrod, dieses Zitat befindet sich aber vor der Überschrift des hier in Betracht genommenen Abschnitts „Matrixorganisation“.

150

(19) Keinen Zitierfehler lässt S. 24 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation erkennen (Fallgruppe B). Es bedarf einer Nennung des Autors. Allerdings folgt dies nicht bereits aus der Verwendung der (auch von A. gebrauchten) Formulierung „Anschlussfrage“, da die Formulierung nicht hinreichend originell ist. Doch bedarf der Gedanke, dass die zwingenden Grenzen des § 76 AktG (der die Leitung der Aktiengesellschaft betrifft) betroffen sind, eines Quellennachweises. Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist eine Autorennennung am rechten Ort (noch hinreichend) vorhanden. Die Quelle A. wird zwar erst in der Fußnote 111 zu S. 24 Abs. 4 Satz 1 der Dissertation genannt als Vertreter der Auffassung, es handele sich bei der Vorschrift um „eine Kompetenzvorschrift mit zuständigkeitsausschließender Wirkung gegenüber Aufsichtsrat und Hauptversammlung“. Damit ist aber implizit die Fragestellung nach den zwingenden Grenzen des § 76 AktG aufgeworfen, so dass ein Quellennachweis für den gedanklichen Inhalt von S. 24 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation vorliegt.

151

(20) Ein Zitierfehler zu bejahen ist wiederum hinsichtlich S. 26 Abs. 5 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Rezeptionsleistung von A. als Urheber der Sekundärquelle wird im Kern wortgleich ohne Nennung des Urhebers übernommen. Nur die Urheber der Primärquellen Mertens und Hefermehl sind in der zugehörigen Fußnote 118 benannt. Der Fehler liegt mithin darin, dass eine Arbeit an Primärquellen suggeriert wird, obwohl lediglich eine Sekundärquelle wiedergegeben wird.

152

(21) Ein Zitierfehler begegnet dem Leser auch auf S. 28 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation (Fallgruppe E). Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs wird zwar die Nennung des Autors A. in der Fußnote 130 zu dem weiterführenden nachfolgenden Satz für ausreichend erachtet. Es fehlt aber an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme.

153

(22) Sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt es auf S. 29 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Dies gilt aus den entsprechenden Gründen wie bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (20)). Die Rezeptionsleistung stammt in Inhalt und Formulierung von A. als Urheber der Sekundärquelle. Die Fußnote 135 nennt lediglich die Autoren der Primärquellen Hefermehl, Theisen und Henn.

154

(23) Auf S. 30 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation fehlt es an der Nennung des Urhebers Scheffler, von dem die Formulierung wörtlich übernommen worden ist (Fallgruppe F). Die geringe Originalität des Inhalts macht wegen der Wörtlichkeit der Übernahme eines ganzen Satzes eine Autorennennung nicht entbehrlich.

155

(24) Entsprechend hätte auf S. 32 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Dissertation der Urheber Scheffler, von dem Formulierung und Inhalt stammen, unter besonderer Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme genannt werden müssen (Fallgruppe F). Die einzelnen Teilsätze stammen wörtlich von Scheffler, die Satzübergänge sind marginal verändert. Es fehlt schon an einer Autorennennung am rechten Ort. Nicht ausreichend ist, dass die Fußnote 142 zum einleitenden Satz 1 Semler und Scheffler nennt. Denn die Sätze 2 und Satz 3 erläutern entgegen dem klägerischen Vortrag nicht lediglich Satz 1, sondern schränken ihn ein, wie das Wort „aber“ in Satz 2 anzeigt.

156

(25) Auch auf S. 32 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 der Dissertation liegt der Zitierfehler darin, dass bereits der Autor Scheffler, von dem eine wörtliche Übernahme erfolgt, ungenannt bleibt (Fallgruppe F). Es gilt das Gleiche wie bei der vorstehenden Textstelle (s.o. (24)).

157

(26) Ein Zitierfehler ist auf S. 32 Abs. 7 Satz 4 der Dissertation insoweit festzustellen, als zwar der Urheber genannt wird, aber eine besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe E). Der Urheber Götz wird – neben anderen Autoren – zwar nicht in der Fußnote 145 zu dem auf S. 33 endenden Satz, aber doch in der Fußnote 144 zu S. 32 Abs. 7 Satz 2 der Dissertation genannt. Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist dies noch eine Autorennennung am rechten Ort. Jedoch hätte die wörtliche Übernahme von Götz besonderer Kennzeichnung bedurft.

158

(27) Demgegenüber ist ein Zitierfehler auf S. 34 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 der Dissertation deshalb zu verneinen, weil es bereits keiner Autorennennung bedurfte (Fallgruppe A). Die übernommenen Formulierungen „problematische Ämterhäufung“ und „Höchstzahlreduktion“ sind nicht hinreichend originell, um eine Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung allein wegen der Wortwahl zu verlangen. Der Inhalt der Textstelle der Dissertation ist vom Inhalt der Textstelle der Quelle Götz verschieden. Denn in der Dissertation wird die Frage lediglich aufgeworfen, ob eine Höchstzahlreduktion von Aufsichtsratsmandaten geeignet ist, dem Problem der Ämterhäufung zu begegnen. Bei Götz wird diese Frage hingegen beantwortet.

159

(28) Einen Zitierfehler begründet auf S. 35 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation, dass es sowohl an der erforderlichen Autorennennung, als auch an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe F). Die Formulierung „Konzentrierung der Führungskontrolle auf den Aufsichtsrat“ stammt einschließlich der semantisch falschen Präposition („auf den“ statt „bei dem“) von A.. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. A. wird erst in der Fußnote 160 zu S. 35 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation genannt, aber nur als Urheber für eine weitergehende Überlegung, dass neben dem Aufsichtsrat dem Vorstand selbst eine Kontrollfunktion obliege („Grundlegend für die Anerkennung einer Selbstkontrolle des Vorstands A.…“). Dass bereits der Inhalt der Prämisse auf S. 35 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation, die Konzentrierung der Führungskontrolle beim Aufsichtsrat sei falsch, von A. stammt, wird nicht deutlich gemacht. Der Zitierfehler wiegt hier besonders schwer, weil eine Schlussfolgerung zu Unrecht als Eigenleistung präsentiert wird.

160

(29) Gleichfalls ist ein Zitierfehler auf S. 36 Abs. 1 der Dissertation gegeben (Fallgruppe F). Die wörtliche Formulierung und der Inhalt stammen von A., was kenntlich zu machen war. An einer Autorennennung und einer besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt es am rechten Ort. Da auf S. 36 Abs. 1 der Dissertation ein neuer Textabschnitt mit eigener Überschrift beginnt, genügt es insbesondere nicht, dass A. zuvor, beispielsweise in der Fußnote 160 zu S. 35 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation genannt wird.

161

(30) Ein Zitierfehler mangels Kennzeichnung wörtlicher Übernahmen tritt auf S. 37 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 der Dissertation auf (Fallgruppe E). Die Formulierungen in S. 37 Abs. 2 Satz 5 der Dissertation „einzelnes Aufsichtsratsmitglied“, „zeitliche und berufliche Begrenzung der Mandatsausübung“, „gleichsam an der Kontrollzentrale des Unternehmens mitzuwirken“ stammen wörtlich von A. ebenso wie – nach Satzumstellung – diejenigen in S. 37 Abs. 2 Satz 6 der Dissertation. Wenngleich es an einer besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt, ist zumindest eine Autorennennung vorhanden. Die Quelle A. wird in der Fußnote 166 zu S. 37 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation für den gedanklichen Inhalt, nämlich die Auffassung genannt, dass die „primäre Kontrollzuständigkeit“ beim Vorstand selbst läge. Diese Auffassung geht noch über die auf S. 37 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 der Dissertation wiedergegebene Auffassung hinaus. Ein Quellennachweis für S. 37 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation genügt deshalb auch im Hinblick auf die Inhalte der S. 37 Sätze 4 bis 6 der Dissertation.

162

(31) Auf S. 38 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation liegt der Zitierfehler darin begründet, dass es sowohl an der erforderlichen Nennung des Autors Scheffler als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe F). Die Übernahme von Fremdleistungen wird dem Leser nicht dadurch deutlich gemacht, dass in der Fußnote 168 zum vorausgegangenen Satz 2 Scheffler (neben A. und Mertens) genannt wird. Diese Autorennennung ist auch nicht deshalb für Satz 3 hinreichend, weil dieser mit dem Wort „Dazu“ eingeleitet wird und damit einen neuen Aspekt behandelt. Während S. 38 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation lediglich die Aussage enthält, dass der Vorstand sich so zu organisieren habe, dass er seiner Kontrollverantwortung optimal gerecht werde, gibt S. 38 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation die Aussage wieder, was der Vorstand „Dazu“ sicherstellen müsse.

163

(32) Ebenso verhält es sich auf S. 38 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). An der Textstelle heißt es: „Eine wirksame Überwachung durch den Vorstand setzt voraus, daß unter den Vorstandsmitgliedern und zwischen dem Vorstand und dem übrigen Management offen und effizient kommuniziert wird, so daß der Vorstand rechtzeitig und ausreichend alle notwendigen Informationen erhält.“. Die Textstelle entspricht unter marginalen Änderungen wörtlich der Quelle: „Eine wirksame Überwachung durch die Geschäftsführung setzt voraus, daß zwischen Geschäftsführung und dem übrigen Management offen und effizient kommuniziert wird, so daß die Geschäftsführung rechtzeitig und ausreichend alle notwendigen Informationen erhält.“ Inhaltlich unerheblich ist, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft unter dieser Bezeichnung oder gemäß seiner Funktion als Geschäftsführung angesprochen wird. Der Autor Scheffler bleibt ungenannt, die wörtliche Übernahme bleibt ungekennzeichnet.

164

(33) Die Autorennennung am rechten Ort und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme vom Autor A. fehlen auf S. 40 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Dissertation (Fallgruppe F). In der Fußnote 181 zu Satz 3 wird keine Quelle genannt. In der vorausgehenden Fußnote 180 zu S. 40 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation wird nur ein Autor Mertens genannt. Der Versuch des Klägers, einen Bezug zu den Quellennachweisen von A. in der Fußnote 176-179 herzustellen, geht fehl. Es genügt nicht der pauschale Hinweis, dass es in diesem Abschnitt durchgängig um das Interventionsrecht gehe. Das Erfordernis von Einzelnachweisen für einzelne Fragmente fremden Gedankenguts wird etwa dadurch bestätigt, dass in der Dissertation in den Fußnoten 176-179 A. mehrfach genannt wird.

165

(34) Ohne Zitierfehler ist S. 41 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe A). Eine Autorennennung ist entbehrlich. Die sich auch bei Schiessl findende Formulierung ist ebenso wie der Inhalt nicht so originell, dass Schiessl notwendig zu zitieren wäre. So wird beispielsweise auch von Spindler (in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014, § 77 Rn. 56) ohne Zitat von Schiessl ausgeführt: „Zur Wahrnehmung der Überwachungspflicht steht allen Vorstandsmitgliedern ein Informationsanspruch über Angelegenheiten aus anderen Ressorts zu.“

166

(35) Auf S. 47 Abs. 2 Sätze 1 f. der Dissertation zeigt sich ein Zitierfehler (Fallgruppe E). Neben anderen wird zwar der Autor Götz in der Fußnote 224 zu Satz 2 genannt, doch wird die wörtliche Übernahme von Formulierungen (z.B. „sachgerechte Überwachung ohne zuverlässige Informationsversorgung nicht möglich“, „Planungs-, Kontroll- und Informationssystemen sowie deren Implementierung“) nicht als solche ausgewiesen.

167

(36) Einen gleichartigen Zitierfehler zeigt S. 48 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 der Dissertation (Fallgruppe E). Die erforderliche Autorennennung kann unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs in der Fußnote 229 zu S. 48 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation gesehen werden. Besonders zu kennzeichnen war jedoch, dass die Formulierungen (z.B. „[m]it der bloßen Analyse der eingetretenen und festgestellten Abweichungen […] noch nichts bewirkt“) von Semler stammen. Marginale Änderungen („verfolgt werden müssen“ statt „müssen verfolgt werden“) deuten auf einen Täuschungsvorsatz hin.

168

(37) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen auf S. 52 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Der Inhalt und wörtlich die Formulierung „die Revisionsabteilungen dynamisch auszurichten, um eine zeitnahe prüferische Orientierung an den Schwerpunkten der unternehmerischen Problemstellungen im Ordnungsbereich sicherzustellen“ stammen von Freiling. Es genügt nicht, dass in anderen Absätzen des Abschnitts oder benachbarter Abschnitte auf den Urheber Freiling verwiesen wird. Freiling ist in der Fußnote 245 zu S. 52 Abs. 2 der Dissertation für ein uneingeschränktes Informations- und Einsichtsrecht der „Revision“ genannt, nicht für die zweckmäßige „dynamische Ausrichtung“ der „Revisionsabteilungen“. Der Leser vermag auch die Autorennennung Freilings neben anderen Autoren in Quellennachweisen, die zu späteren Textabschnitten gehören (Fußnoten 246 zu S. 52 Abs. 4 der Dissertation und 247 zu S. 52 Abs. 5 der Dissertation), nicht der Textstelle S. 52 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation zuzuordnen.

169

(38) Ebenso verhält es sich auf S. 52 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Eine Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme ist erforderlich. Der Inhalt und die Formulierungen stammen von Götz. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Der Urheber Götz wird in der Fußnote 247 (neben Scheffler, Mertens und Freiling) zu S. 52 Abs. 5 Satz 1 der Dissertation dafür genannt, was zur „Gesamtverantwortung“ gehöre. Die Satzumstellung mit dem einleitenden Wort „Ferner“ auf S. 52 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation suggeriert aber, dass hier ein neuer Inhalt dargestellt wird, der nicht mehr von der voranstehenden Fußnote gedeckt ist.

170

(39) Auch auf S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation fehlen die Autorennennung und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Die Formulierung und der Inhalt stammen von Scheffler. Die Nennung Schefflers neben Meyer-Landrut und Semler in der Fußnote 266 zu S. 56 Abs. 8 Satz 2 der Dissertation zu den Rechtsquellen, anhand derer der Aufsichtsrat eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstands vornimmt, lässt nicht erkennen, dass Scheffler auch der Autor der auf S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation wiedergegebenen Überlegungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung ist. Die Fußnote 267 zu S. 56 Abs. 9 Satz 5 der Dissertation nennt nur Semler und macht nicht deutlich, dass der Inhalt des S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation nicht vom Kläger stammt, denn die dazwischenliegenden Sätze werden mit „Allerdings“ und „Vielmehr“ eingeleitet, legen mithin die Annahme neuer gedanklicher Inhalte nahe.

171

(40) Kein Zitierfehler ist in der mangelnden Nennung des Autors der Sekundärquelle Götz auf S. 63 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation zu sehen (Fallgruppe B). Die Nennung eines Autors ist für eine Auswahl an Vertretern der Literaturauffassung erforderlich, nicht aber für die Formulierungsarbeit durch Götz, die anders als etwa im Falle einer früheren Textstelle (s.o. (22)) gering erscheint. Eine Autorennennung am rechten Ort ist vorhanden. In der zum Satzbeginn „Eine Ansicht in der Literatur“ angebrachten Fußnote 295 werden Hueck, Hölters, Rowedder und Wiedemann als Vertreter der Literaturauffassung genannt. Der Kläger war nicht gezwungen, zusätzlich auch den Aufsatzautor Götz zu nennen, selbst dann, wenn er erst durch die Lektüre des Aufsatzes von Götz auf die anderen Autoren aufmerksam geworden wäre.

172

(41) Im Ergebnis ebenso wenig begegnet dem Leser ein Zitierfehler der hier in Rede stehenden Art auf S. 64 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe B). Die Übernahme einer Fremdleistung ist kenntlich gemacht, wenn auch der falsche Urheber genannt sein mag. Denn statt Wiedermann mag richtigerweise Götz in der Fußnote 303 zu S. 64 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation als Autor zu benennen gewesen sein. Der verwendete Modus Konjunktiv I deutet auf die Wiedergabe einer fremden These hin und lässt es als nicht zwingend erscheinen, die Wörtlichkeit des Zitats eindeutiger zu kennzeichnen.

173

(42) Hingegen fehlt es sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme auf S. 65 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Der erste Satz ist vollständig wörtlich von Götz übernommen. Der zweite Satz entspricht unter Umstellung der in ihm enthaltenen Klimax der Quelle Götz. Während es bei Götz heißt: „Das Spektrum reicht von umfassenden Zustimmungsvorbehalten, die entweder durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschuß oder auf beiden Wegen eingeführt worden sind, bis hin zu einem vollständigen Verzicht auf eine Mitwirkung des Aufsichtsrats an den Geschäften des Vorstands“, heißt es in der Dissertation: „Das Spektrum reicht vom vollständigen Verzicht auf jede Inanspruchnahme dieser Befugnis über wenige Details bis hin zu recht umfangreichen Zustimmungskatalogen, die entweder durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschluß oder auf beiden Wegen eingeführt worden sind.“ Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. In der Fußnote 307 zum ersten Satz werden Gerum/Steinmann/Fees sowie Vogel als Urheber benannt. In der Fußnote 308 zum zweiten Satz werden nur Quellen zur „Problematik, ob Aufsichtsräte, die ihre Überwachungsaufgaben ohne Zustimmungsvorbehalte ausüben, ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigen“, genannt.

174

(43) Auf S. 67 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation ist die allein erforderliche Autorennennung vorhanden (Fallgruppe B). Wiedergegeben ist zunächst der damalige Gesetzesstand (§§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 2, 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG). Die Nennung eines Autors war zwar erforderlich für den Umkehrschluss aus dem Gesetzeswortlaut, welche Zustimmungsvorbehalte mit dem Gesetz unvereinbar sind. Doch ist dieser Umkehrschluss bereits auf S. 67 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation angedacht, wo es heißt, die Grenzen zulässiger Zustimmungsvorbehalte ergäben sich „aus § 76 Abs. 1 AktG i.V.m. dem Zusammenwirken der §§ 111 Abs. 4 S. 2, 90 Abs. 1 Nr. 4, 90 Abs. 2 Nr. 4 AktG“ und wo für diese Rechtsauffassung, neben anderen Autoren, auch Götz genannt wird. Die sich sowohl in der Dissertation als auch bei Götz findende Formulierung, dass „solche Zustimmungsvorbehalte unvereinbar sind“, ist nicht so originell, dass sie allein einen hervorgehobenen Beleg des Autors Götz erfordert hätte.

175

(44) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen auf S. 75 Abs. 7 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Von Peltzer stammt der Satz: „Es erscheint jedoch fraglich, ob nicht in der Rechtswirklichkeit – und vielleicht schon gewohnheitsrechtlich verfestigt – in vielen Fällen eine Verlagerung auf andere Entscheidungsträger stattgefunden hat“. Dieser Satz wird – bis auf den Einschub – wörtlich übernommen. Der wiedergegebene gedankliche Inhalt an sich mag keine hohe Originalität haben, jedoch ist bei einer wörtlichen Übernahme die Nennung des Autors unter besonderer Kennzeichnung erforderlich. An beidem fehlt es hier.

176

(45) Ebenso verhält es sich auf S. 75 Abs. 4 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Der Hauptteil dieses Satzes lautet: „ob nicht in der Rechtswirklichkeit in vielen Fällen eine Verlagerung auf andere Entscheidungsträger stattgefunden hat“. Er übernimmt wörtlich zwei Fragmente des Satzes von Peltzer. Die marginale Veränderung in der Einleitung „Es erscheint jedoch fraglich“ gegenüber „Es fragt sich indessen“ macht eine Nennung des Autors und eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme nicht entbehrlich, woran es jeweils fehlt.

177

(46) Auf S. 76 Abs. 3 der Dissertation tritt eine wörtliche Übernahme eines Satzes von A. auf, ohne dass an dieser Stelle auch nur der Autor genannt ist (Fallgruppe F). Es genügt entgegen der Annahme des Klägers nicht, dass der „fragliche Aufsatz […] in diesem Zusammenhang an mehreren Stellen angegeben“ werde. Die Nennung von A. in den Fußnoten 348-350 zu verschiedenen Textstellen auf S. 76 Abs. 1 und 2 der Dissertation ist nicht hinreichend. Denn mit der Textstelle S. 76 Abs. 3 der Dissertation beginnt ein neuer Abschnitt unter neuer Überschrift „Die rechtliche Verantwortung für das Bestellungsverfahren“. Nach dem auf S. 76 Abs. 3 der Dissertation wörtlich wiedergegebenen Gedanken A. ist es „[h]insichtlich der Frage nach der rechtlichen Verantwortung für das Bestellungsverfahren von entscheidender Bedeutung, ob diese faktische Entscheidungsbeteiligung des Vorstands […] Ausdruck seiner rechtlichen Verantwortung […] oder lediglich eine rechtlich irrelevante Hilfeleistung ist.“ Diese Alternativen werden nicht aufgezeigt an den Textstellen S. 77 Abs. 1 Satz 4 der Dissertation und S. 77 Abs. 1 Satz 6 der Dissertation, welchen die Fußnoten 351-352 zugeordnet sind, in denen (u.a.) A. als Urheber genannt wird.

178

(47) Ebenso bedurfte es einer Autorennennung und einer besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme auf S. 77 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Formulierung und Inhalt stammen von Götz. Bei Götz heißt es: „Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats fordert sein Tätigwerden bereits weit im Vorfeld einer eintretenden Vorstandsvakanz. In der Dissertation wird übernommen: „Somit erfordert die Personalkompetenz des Aufsichtsrats sein Tätigwerden bereits weit im Vorfeld einer eintretenden Vorstandsvakanz.“ Es fehlt bereits an einer Autorennennung am rechten Ort. Der Urheber Götz wird in der Fußnote 355 zu S. 77 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation benannt, aber nur für den Gedanken, dass es mittelfristiger Nachfolgeplanungen bedürfe. Die Verwendung des Wortes „Somit“ deutet auf eine Schlussfolgerung hin, die erst recht hätte als Fremdleistung ausgewiesen werden müssen.

179

(48) Die allein erforderliche Autorennennung noch hinreichend vorhanden ist demgegenüber auf S. 79 Abs. 3 Satz 1 bis S. 80 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe B). Einen Quellennachweis erfordern nicht schon die Formulierungen, die fragmentsweise von A. stammen, aber anders als bei der vorgenannten Textstelle (s.o. (47)) wenig originell sind. Einen Quellennachweis erfordert, dass die gedanklichen Inhalte von A. stammen. Für den gedanklichen Inhalt wird in der Fußnote 369 zu S. 80 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation A. als Quelle genannt. Eine Zuordnung zu den Inhalten der in Rede stehenden Textstelle ist dem Leser möglich, da S. 80 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation eine Konkretisierung („im erstgenannten Fall“, „im letztgenannten Fall“) des an der in Rede stehenden Textstelle eingeführten Gegensatzpaars („Auf der einen Seite“, „auf der anderen Seite“) enthält.

180

(49) Ein Zitierfehler, da zwar die erforderliche Autorennennung erfolgt, aber ohne die erforderliche besondere Kennzeichnung, begegnet dem Leser demgegenüber auf S. 80 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe E). Die Satzfragmente „gilt auch […] für die vorzeitige Beendigung der Vorstandstätigkeit […], dürfen die anderen Vorstandsmitglieder nicht abwarten, bis der Aufsichtsrat die notwendigen Konsequenzen zieht, sondern müssen von sich aus initiativ werden, damit […] sein Amt zur Verfügung stellt bzw. abberufen wird.“ stammen wörtlich von A.. Dass der Inhalt von A. herrührt, geht zwar aus der Fußnote 370 zu S. 80 Abs. 1 Satz 6 der Dissertation („Deshalb wären rechtliche Vorgaben über das normative Gewicht des jeweiligen Entscheidungsträgers verfehlt.“) hervor, denn das Wort „Deshalb“ bewirkt eine Klammerung zu der vorstehenden Textstelle. Nicht offen gelegt ist aber die Wörtlichkeit der Übernahme. Geringfügige Änderungen („Gleiches gilt“ statt „Das gilt auch“) deuten auf Täuschungsvorsatz hin.

181

(50) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme der Zwischenergebnisse von A. fehlen wiederum auf S. 80 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Es handelt sich um eine Schlussfolgerung aus den vorstehenden Abschnitten, weshalb gerade eine erneute Benennung der Quelle nicht entbehrlich war, um nicht den falschen Eindruck einer Eigenleistung zu erwecken.

182

(51) Ohne Zitierfehler ist S. 81 Abs. 1 Satz 7 der Dissertation (Fallgruppe A). Formulierung und Inhalt, dass die für die Zukunft als Nachfolger im Vorstand ausgewählten Personen „stets adäquat und anspruchsgerecht beschäftigt werden“ müssen, sind von so geringer Originalität, dass das Fehlen einer Autorennennung unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs als vertretbar erscheint.

183

(52) Einen Zitierfehler begründet in der Fußnote 396 zu S. 87 der Dissertation, dass A. als Urheber der Sekundärquelle nicht genannt wird (Fallgruppe D). Eine Autorennennung ist erforderlich wegen des Inhalts (Rezeptionsleistung von A.). Die Formulierung („Beispielhaft sei […] verwiesen“) erfordert hingegen keinen besonderen Quellennachweis. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Die Fußnoten 394 und 397 geben eine Quelle nur für den jeweiligen Inhalt des Textkorpus an, nicht für den Inhalt der Fußnote 396.

184

(53) Auf S. 132 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation fehlen die Nennung des Autors Mertens und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme beider Sätze (Fallgruppe F). Entgegen dem klägerischen Vortrag war eine Autorennennung nicht entbehrlich. Die beiden Sätze beschreiben konzentriert und prägnant die Leitungsverantwortung des Vorstands einer andere Unternehmen beherrschenden Aktiengesellschaft und enthalten die Schlussfolgerung einer „(Ober-)Leitung der Konzernunternehmen“.

185

(54) Entsprechend fehlen in der Fußnote 612 zu S. 132 der Dissertation Nachweise des Urhebers Scheffler und der wörtlichen Übernahme des vollständigen Satzes (Fallgruppe F). An einer Autorennennung fehlt es entgegen dem klägerischen Vortrag. Die Fußnoten 611 und 613 geben eine Quelle nur für den jeweiligen Inhalt des Textkorpus an, nicht für den Inhalt der Fußnote 612.

186

(55) Auf S. 179 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation fehlen ebenso die Autorennennung und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Gerade weil es sich gemäß der Überschrift auf S. 179 um die Zusammenfassung der Dissertation handelt, war eine – vom Leser gerade an dieser Stelle nicht zu erwartende – Fremdleistung als solche auszuweisen. Auf eine Nennung des Autors Götz konnte nicht verzichtet werden. Die wörtliche Übernahme der charakteristischen Formulierung „daß ein leistungsfähiges internes Überwachungssystem besteht, welches alle relevanten Vorgänge erfasst“ erfordert eine besondere Kennzeichnung.

187

(56) Die S. 115 Abs. 7 Satz 1 der Dissertation zeigt einen Zitierfehler gleicher Art (Fallgruppe F). Inhalte und Formulierungen stammen von Scheffler. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Der Leser vermag den Quellennachweis in der Fußnote 539 zu S. 115 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation nicht der in Rede stehenden Textstelle zuzuordnen. Denn aus der Satzeinleitung „Aus diesen Überlegungen ist abzuleiten“ folgt, dass der in S. 115 Abs. 3 Satz 1 zum Ausdruck gebrachte Gedanke über den Inhalt des S. 115 Abs. 2 Satz 2 hinausgeht und eine weiterführende Schlussfolgerung enthält.

188

(57) Schließlich ist auf S. 180 Abs. 6 Satz 3 der Dissertation ein Zitierfehler gegeben (Fallgruppe D). Der Leser durfte erwarten, dass unter der Überschrift „Zusammenfassung“ keine fremden Untersuchungsergebnisse präsentiert werden, ohne die hier von Bezzenberger übernommene inhaltliche Fremdleistung als solche auszuweisen. Die übernommene Formulierung ist nicht originell genug, um über die Autorennennung hinaus eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme zu gebieten.

189

cc. Die Täuschung ist nicht unerheblich. Die Bagatellgrenze ist, unabhängig davon, wo genau sie verläuft, jedenfalls überschritten. Dahinstehen kann, ob die Bagatellgrenze allein absolut zu bestimmen ist und bereits bei wenigen, nicht geringfügigen Zitierfehlern überschritten ist, oder ob dies erst dann der Fall ist, wenn auch relativ ein in Bezug auf die Prüfungsleistung als Ganzes nicht unverhältnismäßiges Ausmaß an Zitierfehlern erreicht ist, bei denen die betroffene Textstelle für den Leser zu Unrecht den Anschein einer Eigenleistung erweckt. Denn auch in relativer Betrachtung stehen die nicht zu beanstandenden Textstellen nicht außer Verhältnis zu den in absoluten Zahlen nicht wenigen Textstellen der vom Kläger vorgelegten Dissertation, die eine Eigenleistung vortäuschen.

190

Wie im Bescheid vom 25. Juni 2012, S. 17, dargelegt, ist jedenfalls kein vereinzelt auftretendes und versehentliches unsauberes Arbeiten bzw. Zitieren im Sinne von bagatellhaften, handwerklichen Flüchtigkeitsfehlern oder ein Fehlverhalten in inhaltlich irrelevanten, hinsichtlich der Thematik der Arbeit allenfalls randständigen Teilen der Dissertation gegeben. Denn den in der Dissertation redlich erbrachten Eigenleistungen steht nach den obigen Feststellungen (s.o. bb.) eine große und auch im Verhältnis dazu nicht zu vernachlässigende Anzahl von Fällen entgegen, in denen eine Fremdleistung nicht hinreichend als solche ausgewiesen und damit für den Leser zu Unrecht der Eindruck einer Eigenleistung erweckt worden ist. Die in einer Vielzahl auftretenden Zitierfehler, die einen Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit begründen, überschreiten jedwede Bagatellgrenze bei Weitem. Während von den untersuchten 57 Textstellen zwölf (und eine weitere teilweise) keinen Zitierfehler aufweisen, weil entweder bereits eine Autorennennung entbehrlich ist (Fallgruppe A) oder die allein erforderliche Autorennennung vorhanden ist (Fallgruppe B), zeigen sich an allen übrigen der untersuchten Textstellen Zitierfehler. An zwei Textstellen fehlt es an der erforderlichen Autorennennung (Fallgruppe D) und an sieben weiteren Textstellen an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe E). An allen übrigen 35 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) fehlt es sogar an beidem, sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F).

191

Die Bagatellgrenze ist sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht selbst dann überschritten, wenn zugunsten des Klägers angenommen würde, dass keine weiteren, als die vorstehenden (s.o. bb. (1) bis (57)) untersuchten Textstellen Zitierfehler aufweisen. Nicht untersucht worden sind insbesondere die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid in Anlage 3 angeführten 71 Textstellen, in denen nach ihrer Auffassung nicht kenntlich gemacht ist, welche Teile des Textes auf seinen eigenen Erkenntnissen und Gedanken beruhen und welche Teile des Textes eine bloße Wiedergabe fremder Erkenntnisse und Gedanken darstellen.

192

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger in der vorgelegten Dissertation in einem nicht kleinen Umfang Quellennachweise angebracht hat. Die 180 Seiten des Textkorpus enthalten 818 Fußnoten, die – zugeordnet zu einzelnen Textstellen – oftmals ein oder mehrere Autoren von übernommenen Fremdleistungen nennen. Die Vielzahl der festgestellten Zitierfehler, bei denen Fremdleistungen mangelhaft als solche ausgewiesen sind, überschreitet gleichwohl die Schwelle der Erheblichkeit deutlich.

193

Dahinstehen kann, ob der Kläger, wie er vorprozessual in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2012 vorgebracht hat, in seiner Dissertation als Eigenleistung eine herausragende Stellung des Finanzvorstands anerkannt hat. Denn die Dissertationsleistung ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu würdigen; es ist auch unerheblich, ob die Leistung – die Zitierfehler hinweggedacht – noch für eine selbständige wissenschaftliche Arbeit ausgereicht hätte (VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 8).

194

dd. Die Täuschung hat bei den maßgeblichen Adressaten einen Irrtum hervorgerufen, auf dem wiederum die Verleihung des Doktorgrads beruht.

195

Ein durch die Täuschungshandlung hervorgerufener Irrtum liegt bereits dann vor, wenn nur einzelne Amtswalter, die an der Entscheidung maßgeblich beteiligt waren, irregeführt worden sind (VG Regensburg, Urt. v. 31.7.2014, RO 9 K 13.1442, juris Rn. 47). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Verleihung des Doktorgrads durch Aushändigung oder Zustellung einer vom Sprecher des damaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 PromO 1972 unter dem 28. Januar 1998 unterzeichneten Urkunde setzte ein Bestehen des Kolloquiums gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 PromO 1972 vor dem aus drei Prüfern bestehenden Ausschuss gemäß § 13 Abs. 2 PromO 1972 voraus. Die Durchführung des Kolloquiums erforderte nach § 13 Abs. 1 PromO 1972, dass die Dissertation endgültig mindestens als „genügend“ bewertet wurde. Die Bewertung der vom Kläger vorgelegten Dissertation durch den nach § 11 PromO 1972 gebildeten Dissertationsausschuss entsprach gemäß § 10 Abs. 3 PromO 1972 der übereinstimmenden Bewertung der beiden zur Beurteilung der Dissertation bestellten Gutachter in ihren gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m § 9 PromO 1972 erstellten Voten mit der Note „magna cum laude“. Dabei kann dahinstehen, ob der Betreuer der Dissertation und Erstgutachter Prof. Dr. A. bei Erstattung eines Votums vom 16. Oktober 1997 einem Irrtum unterlag. Denn zumindest das Votum des Zweitgutachters Prof. Dr. B. vom 23. Dezember 1997 beruhte, wie der Zweitgutachter in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 2011 bestätigt hat, auf dem durch die Täuschung hervorgerufenen Irrtum, dass „die gesamte Darstellung inhaltlich und textlich allein vom Verfasser“ stamme, sodass mit Aufdeckung der Täuschung nunmehr die „Grundlage für die Beurteilung“ entfallen ist. Ohne die Bewertung des Zweitgutachters wäre das Kolloquium nicht durchgeführt und dem Kläger folglich der Doktorgrad nicht verliehen worden.

196

Die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads schlösse es nicht aus, wenn für eine andere als die vom Kläger vorgelegte Arbeit der Doktorgrad verliehen worden wäre. Denn ausgehend von der Dissertation als Form- und Sinnganzes, kommt es auf die konkrete Identität der vorgelegten Arbeit an (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, juris Rn. 25; Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <57>).

197

ee. Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt.

198

Vorsatz ist das Wissen und Wollen des Prüflings hinsichtlich der objektiven Umstände, d.h. der Täuschungshandlung im Promotionsverfahren durch Vorlage einer Fremdleistungen mangelhaft als solche ausweisenden Dissertation (dazu s.o. bb.), der Erheblichkeit der Täuschung (dazu s.o. cc.) und der Ursächlichkeit der Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. dd.). Ausreichend für eine vorsätzliche Täuschung ist ein bedingter Vorsatz, bei dem die Verwirklichung der objektiven Umstände für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die vorsätzliche Täuschung eines Prüflings liegt dann vor, wenn keine andere Erklärung zu finden ist, als die, dass der Prüfling insgeheim den ursprünglichen Text als Schreibvorlage benutzt hat (VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <55>).

199

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger im Promotionsverfahren vorsätzlich getäuscht. Der Kläger hat es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Grad eines Doktors der Rechtswissenschaft an ihn aufgrund einer erheblichen Täuschung im Promotionsverfahren verliehen werden würde. Art und Umfang der Übernahme fremder Texte und Gedanken ohne hinreichende Ausweisung lassen keine andere Erklärung zu. Im Einzelnen:

200

In quantitativer Hinsicht kann ein bedingter Täuschungsvorsatz bereits aus der schieren Menge der Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit hergeleitet werden (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 159). Zitierfehler, die in einer mangelhaften Ausweisung von Fremdleistungen begründet sind, treten an 44 der 57 untersuchten Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) auf. Rechnerisch ist auf jeder vierten der insgesamt 180 Druckseiten der Dissertation festzustellen, dass Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen sind.

201

In qualitativer Hinsicht wiegt der vielfache Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit besonders schwer. Die Art der Zitierfehler lässt – ebenso wie vorstehend beschrieben der Umfang der Zitierfehler – auf einen zumindest bedingten Täuschungsvorsatz schließen.

202

Dies folgt zunächst daraus, dass sich die mangelhafte Ausweisung von Fremdleistungen auf alle wesentlichen Teile der vom Kläger vorgelegten Dissertation erstreckt. Die betroffenen Textstellen (s.o. bb.) finden sich, wie im Bescheid vom 25. Juni 2012, S. 18 f., zu Recht hervorgehoben ist, nicht nur und auch nicht weit überwiegend in thematischen Randbereichen der Dissertation, vielmehr erstreckt sich die mangelhafte Ausweisung von Fremdleistungen auf alle wesentlichen Teile der vom Kläger vorgelegten Dissertation: Unter der Abschnittsüberschrift „§ 1 Generalia“ (S. 1-5) findet sich ein Zitierfehler der Fallgruppe F. Der Abschnitt „§ 2 Geschäftsleitung in der Aktiengesellschaft“ (S. 6-89) enthält 30 Textstellen (und eine Textstelle teilweise), die der Fallgruppe F zuzuordnen sind, davon 14 Textstellen in dem Unterabschnitt „D. Grenzen der Geschäftsverteilung“ (S. 24-74), die der Kläger in der Dissertation selbst (S. 3) als „Kernbereich der Arbeit“ ausgewiesen hat. Im Abschnitt „§ 3 …“ (S. 90-156) begegnen dem Leser zwei Zitierfehler der Fallgruppe F. Während in den beiden kürzeren Abschnitten „§ 4 …“ (S. 157-163) und „§ 5 …“ (S. 164-178) keine Zitierfehler festgestellt worden sind, treten in dem die Arbeit abschließenden Abschnitt „§ 6 … (S. 179-180)“, in dem die vom Promovenden gefundenen Ergebnisse der Arbeit zu sammeln waren, wiederum zwei Zitierfehler auf. An beiden Textstellen fehlt es bereits an der Autorennennung, an einer der Textstelle zusätzlich an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme.

203

In qualitativer Hinsicht wiegt der Verstoß ferner deshalb besonders schwer, weil von den 44 festgestellten Zitierfehlern (und einem weiteren teilweisen Zitierfehler), 35 (und ein weiterer teilweise) der Fallgruppe F zuzuordnen sind. Obwohl an den betroffenen Textstellen über den gedanklichen Inhalt hinaus auch die Formulierung wörtlich der Quelle entnommen ist, fehlt es hier nicht nur an der gebotenen besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme, sondern bereits überhaupt an der Nennung des Autors. Der dem Kläger gemacht Vorwurf erschöpft sich mithin nicht darin und besteht auch nicht im Schwerpunkt darin, dass er nicht in hinreichendem Umfang Anführungszeichen gesetzt habe. Vielmehr liegt der Vorwurf darin begründet, dass es bereits an einer Nennung des Urhebers eines zu Unrecht als Eigenleistung dargestellten fremden gedanklichen Inhalts fehlt und zusätzlich dazu die Formulierungen wörtlich übernommen worden sind.

204

Für einen Täuschungsvorsatz spricht weiter, dass sich die Zitierfehler nicht auf den darstellenden Teil der Dissertation beschränken. Auch soweit die Dissertation Schlussfolgerungen enthält oder die Ergebnisse der Arbeit selbst präsentiert werden, sind Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen (s.o. bb. (28), (47), (55) und (57)). Dies wiegt besonders schwer, weil aus Sicht des Lesers der Wert der Dissertation als wissenschaftlicher Arbeit vor allem in den über das Repetitive hinausgehenden Transferleistungen besteht.

205

Hinzu kommt, dass der Verstoß gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit durch fehlerhafte Zitate jeweils mit bestimmten Indizien einer vorsätzlichen Täuschung einhergeht. Ein Täuschungsvorsatz lässt sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Münster anhand von vier alternativ zu erfüllenden Kriterien feststellen. Ist eines dieser Kriterien erfüllt, so kann darauf geschlossen werden, dass der Prüfling sich mit dem von ihm abgeschriebenen Text in einer Weise befasst hat, dass von einem bloß leichtfertigen Verstoß gegen das Redlichkeits- und Zitiergebot keine Rede sein kann (VG Münster, Urt. v. 20.2.2009, 10 K 1212/07, juris Rn. 27; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 23). Das erste Kriterium ist erfüllt, wenn der Prüfling eine Kollage aus Arbeiten fremder Autoren präsentiert. Das zweite Kriterium stellt auf marginale Manipulationen ausgehend vom ursprünglichen Text ab, denn (so VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 9; vgl. auch VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 15) die Vorgehensweise der Umstellungen und der Syntaxvariationen belegt eine gezielte Verschleierungsabsicht. Das dritte Kriterium zeigt ein Durchzitieren von Primärquellen ohne Nennung der Sekundärquelle, deren Rezeptionsleistung übernommen wurde, an. Das vierte Kriterium, das einen Täuschungsvorsatz indiziert, ist erfüllt, wenn der Prüfling die Quelle nicht an der in Rede stehenden Textstelle, sondern an anderer Stelle nennt, da dadurch für den Leser im Umkehrschluss der Eindruck bestärkt wird, der Prüfling habe an der erstgenannten Textstelle eine eigene Leistung erbracht.

206

An allen Textstellen, an denen Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen sind, ist zumindest das vierte Kriterium erfüllt, dass die Quelle an anderer Stelle benannt ist (s.o. bb. (1), (2), (5), (6), (8) bis (10), (12) bis (18), (20) bis (26), (28), (29) bis (33), (35) bis (39), (42), (44) bis (47), (49), (50), (52) bis (57)). In mindestens einem Fall ist daneben das erste Kriterium erfüllt, das eine kollageartige Zusammensetzung aus eigenen und fremden Gedanken anzeigt (s.o. bb. (16)). In neun Fällen ist auch das zweite Kriterium erfüllt, da gegenüber der Quelle eine marginale Veränderung, etwa in einzelnen Wörtern oder in den Satzübergängen vorgenommen worden ist (s.o. bb. (8), (12), (13), (16), (24), (30), (36), (38) und (45)). Das dritte Kriterium des Durchzitierens der Primärquelle unter Verschleierung der Rezeptionsleistung der Sekundärquelle ist in mindestens vier Fällen erfüllt (s.o. bb. (12), (20), (22) und (52)).

207

f. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 genügt auch den auf Rechtsfolgenseite der Befugnisnorm gestellten Anforderungen.

208

Dabei kann dahinstehen, ob § 48 Abs. 1 HmbVwVfG oder § 18 Abs. 2 PromO 2010 als Rechtsgrundlage herangezogen wird (s.o. c.). Ebenso kann dahinstehen, ob § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 zulasten des Prüflings eine gebundene Entscheidung für den Fall vorsieht, dass die Täuschung Leistungen in solchen Teilen der Promotion betrifft, die für die Bewertung der Dissertation oder Disputation oder die Gesamtnote einen wichtigen Stellenwert hatten und ob ein solcher Fall gegeben ist. Denn wenn keine gebundene Entscheidung vorläge, wäre die Ausübung des der Beklagten nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 bzw. nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG eingeräumten behördlichen Ermessens nach § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:

209

Ein der Ausübung von Ermessen etwaig vorgelagerter Fehler bei der Subsumtion unter den Tatbestand der Befugnisnorm kann keinen Ermessensfehler begründen (hierzu unter aa.). Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit § 40 HmbVwVfG Ermessen ausgeübt (hierzu unter bb.) und zwar entsprechend dem Zweck der Ermächtigung (hierzu unter cc.) und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (hierzu unter dd.).

210

aa. Kein Ermessensfehler folgt daraus, dass die Beklagte die vorsätzliche Täuschung im Promotionsverfahren aus von ihr angenommen Zitierfehlern an allen 57 in Anlage 1 und 2 zum Bescheid vom 25. Juni 2012 genannten Textstellen hergeleitet hat, aber nur an 44 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) das Gericht Zitierfehler festgestellt hat (dazu s.o. e. bb.). Zum einen hat die Beklagte im Ergebnis zutreffend den Tatbestand der eine Rücknahme nach Ermessen eröffnenden Normen für erfüllt angesehen: Die festgestellte Täuschung im Promotionsverfahren erfüllt den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 und die aus der Täuschung im Promotionsverfahren folgende Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist, erfüllt den Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG (s.o. e.). Zum anderen geht die Subsumtion unter den Tatbestand der ein Rücknahmeermessen eröffnenden Vorschrift der Ausübung von Ermessen voraus, so dass sich aus einer fehlerhaften Subsumtion kein Ermessensfehler herleiten kann. Die Abweichung der festgestellten Fehlerzahl ist nicht derart gravierend, dass die Ausübung von Ermessen zugunsten der Rücknahme dadurch in Frage gestellt würde. Denn es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Widerspruchsausschuss eine andere Ermessensentscheidung getroffen hätte, wenn er statt von 57 Zitierfehlern von 44 Verstößen gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit ausgegangen wäre.

211

bb. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet nicht an einem Ermessensausfall. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass ihr bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen Ermessen darüber zusteht, ob sie den Verwaltungsakt über die Verleihung des Doktorgrads zurücknimmt. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid das eröffnete Ermessen geprüft und ausgeführt, dass Ermessensfehler nicht erkennbar seien. Unschädlich ist dabei, dass die Beklagte statt der unanwendbaren bundesrechtlichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG nicht die in Betracht zu ziehende landesrechtliche Parallelvorschrift des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG sowie die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 genannt hat. Denn, wie bereits dargestellt, ist der Zweck des Ermessens, welches hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen Verleihungsakts eingeräumt ist, nach beiden in Betracht zu ziehenden Befugnisnormen derselbe wie nach § 48 Abs. 1 VwVfG (s.o. c. cc.).

212

Ferner steht die im Widerspruchsbescheid enthaltene Annahme, wegen der vorliegenden arglistigen Täuschung sei ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum zu Grunde zu legen, weil der Vertrauensschutz eingeschränkt sei, in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach ist die in § 48 Abs. 2 der parallelen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, die sich ihrem Wortlaut nach nur auf die dort genannten Geld- und Sachleistungsverwaltungsakte bezieht, im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 88 ff.). Auf den Bestand eines Verwaltungsaktes darf der Begünstigte gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG insbesondere dann nicht vertrauen, wenn er den Verwaltungsakt durch eine arglistige Täuschung erwirkt hat. Dies ist hier der Fall. Arglist setzt eine bewusste Täuschung voraus (BVerwG, Urt. v. 9.9.2003, 1 C 6/03, BVerwGE 119, 17, juris Rn. 15), wobei bedingter Vorsatz genügt (OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die Verleihung des Grads des Doktors der Rechtswissenschaft an den Kläger beruht auf der vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren (s.o. e.).

213

cc. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet ferner nicht an einem Ermessensfehlgebrauch. Die Beklagte hat das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung gemäß ausgeübt. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 30. April 2013 ihre eigene Ermessensbetätigung aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Recht darauf gestützt, dass die Entziehung des Doktorgrads den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs, der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt schütze und die Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem Titel ebenso sichere wie das Allgemeininteresse an Titelwahrheit, die Integrität des Promotionsverfahrens und die Chancengleichheit mit anderen Doktoranden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Widerspruchsausschuss bei der Entscheidung über die Rücknahme aus sachfremden Gründen, d.h. willkürlich vorgegangen wäre. Unerheblich für die Ermessensausübung durch den Widerspruchsausschuss ist, aus welchem Anlass der für die Ausgangsentscheidung zuständige Promotionsausschuss das Verfahren über die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads eingeleitet hatte.

214

dd. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet schließlich nicht an einer Ermessensüberschreitung. Die Beklagte hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten. Die besonderen Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG, unter denen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG ein begünstigender Verwaltungsakt nur zurückgenommen werden darf, stehen der Rücknahme des die Verleihung des Doktorgrads vornehmenden Verwaltungsakts nicht entgegen. Dies gilt sowohl für den einfachgesetzlichen Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 oder 3 HmbVwVfG (hierzu unter (1)) als auch für die Rücknahmefrist nach § 48 Abs. 4 HmbVwVG (hierzu unter ((2)). Die Rücknahme der Promotion ist nach Treu und Glauben auch nicht im Hinblick auf die Vorgänge im Habilitationsverfahren ausgeschlossen (hierzu unter (3)). Die Rücknahme steht ferner mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang (hierzu unter (4)).

215

(1) Der Rücknahme steht auf besonderer einfachgesetzlicher Grundlage kein Vertrauensschutz entgegen.

216

Auch ausgehend von einer Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG ist ein Bestandsschutz nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG bereits deshalb nicht zu prüfen, weil der Verwaltungsakt, mit dem der akademische Grad eines Doktors der Rechte verliehen worden ist, nicht – wie diese Vorschrift voraussetzt – eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist. Bei anderen Verwaltungsakten steht schutzwürdiges Vertrauen nicht nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG im Wege des Bestandschutzes einer Rücknahme entgegen, sondern löst lediglich nach § 48 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG im Wege des Vermögensschutzes eine Entschädigungspflicht aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2012, 5 C 17/11, BVerwGE 143, 161, juris Rn. 21).

217

Unabhängig davon war das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Verwaltungsakts über die Verleihung des Doktorgrads nach dem Maßstab des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG nicht schutzwürdig. Denn der Kläger hat diesen Verwaltungsakt durch die im Promotionsverfahren begangene arglistige Täuschung erwirkt (s.o. bb.).

218

(2) Der Rücknahme der am 28. Januar 1998 vollzogenen Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 steht die Rücknahmefristbestimmung des § 48 Abs. 4 HmbVwVfG nicht entgegen.

219

Die Bestimmung über die Rücknahmefrist findet nach § 18 Abs. 3 PromO 2010 auf eine Aberkennung und Entziehung der Verleihung des Doktorgrads aufgrund § 18 Abs. 2 PromO 2010 bzw. nach § 1 Abs. 1 HmbVwVfG auf eine Rücknahme aufgrund § 48 Abs. 1 HmbVwVfG Anwendung.

220

Jedoch galt die Rücknahmefrist in Anwendung des § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG vorliegend nicht. Nach dieser Vorschrift gilt die Fristbestimmung des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG insbesondere nicht im Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG, d.h. für die Rücknahme eines durch arglistige Täuschung erwirkten Verwaltungsakts. Dieser Anwendungsausschluss gilt nicht nur für Verwaltungsakte nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG, sondern auch für solche nach § 48 Abs. 3 HmbVwVfG (zu den Parallelvorschriften des Bundes und der Länder: BVerwG, Urt. v. 12.4.2005, 1 C 9/04, BVerwGE 123, 190, juris Rn. 32; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 209 m.w.N.). Dies betrifft insbesondere die Entziehung des Doktorgrads wegen arglistiger Täuschung (zur hessischen Parallelvorschrift: VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 20). Wie bereits dargestellt, ist eine arglistige Täuschung gegeben, da die Verleihung des Doktorgrads auf der vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren beruht (s.o. bb.).

221

Unabhängig davon wäre die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG, ihre Geltung unterstellt, beachtet. Nach dieser Vorschrift ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen. Der Fristlauf beginnt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, erst dann, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen, erhalten hat. Danach erlangt die Behörde positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt; die Feststellung ist getroffen, sobald diese Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind (BVerwG, Beschl. v. 19.1.1984, GrSen 1/84, GrSen 2GrSen 2/84, BVerwGE 70, 356, juris Rn. 22). Zur Herstellung der Entscheidungsreife gehört auch die Anhörung des Betroffenen, vor deren Durchführung die Jahresfrist nicht beginnt (BVerwG, Beschl. v. 4.12.2008, 2 B 60/08, juris Rn. 7). Ausgehend von einer Anhörung des Klägers im Januar 2012 erfolgte die am 28. Juni 2012 zugestellte und nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 5 HmbVwVfG gegenüber dem Kläger wirksam gewordene Rücknahme jedenfalls rechtzeitig.

222

(3) Auch unter Berücksichtigung der Vorgänge im Habilitationsverfahren ist die Rücknahme der Promotion nicht nach dem im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Die Rücknahme ist weder durch einen Vergleichsvertrag (hierzu unter (a)) noch durch eine Zusicherung (hierzu unter (b)) ausgeschlossen noch steht der Rücknahme das Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen (hierzu unter (c)).

223

(a) Die im Zusammenhang mit der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 gefundene „Rettungslösung“ ist kein verbindlicher Vergleichsvertrag des Inhalts, Plagiatsvorwürfe hinsichtlich der Dissertation nicht weiter zu verfolgen. Dabei kann in tatsächlicher Hinsicht der Vortrag des Klägers zu den Inhalten der vor der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 zwischen dessen Vorsitzenden Prodekan Prof. Dr. D. und dem klägerischen Bevollmächtigten Rechtsanwalt H. durchgeführten Unterredung zugrunde gelegt werden (vgl. klägerischer Schriftsatz v. 20.4.2016, Bl. 141 ff. d.A.). Der Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs ergibt sich danach aus den detaillierten Aufzeichnungen und diktierten Protokollen des Rechtsanwalts H.. In rechtlicher Hinsicht trägt die vom Kläger vorgenommene Bewertung der im Habilitationsverfahren gefundenen „Rettungslösung“ jedoch nicht. Im Einzelnen:

224

Fraglich ist bereits, ob im Zusammenhang mit der „Rettungslösung“ ein (öffentlich-rechtlicher Vergleichs-)Vertrag als ein mehrseitiges, durch übereinstimmende Willenserklärungen gemäß § 62 Satz 2 HmbVwVfG i.V.m. §§ 145 ff. BGB konstituiertes Rechtsgeschäft geschlossen worden ist. Als „Rettungslösung“ bezeichnet hat der Habilitationsausschuss in seiner Sitzung vom 8. Juni 2011 den von ihm in seiner Sitzung am 27. Mai 2009 gefassten Beschluss. Ein Beschluss des Habilitationsausschusses ist als einseitiger Innenrechtsakt keine gegenüber einem anderen Rechtsträger abgegebene Willenserklärung mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses. Allenfalls könnte im Umfeld der Beschlussfassung vom 27. Mai 2009 zwischen dem durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Kläger und dem für die Beklagte handelnden Vorsitzenden des Habilitationsausschusses ein Vertrag geschlossen worden sein, etwa auch in dem durchgeführten Vier-Augen-Gespräch.

225

Einen Vertragsschluss unterstellt, hätte dieser jedenfalls nicht den Verzicht auf eine Rücknahme der Promotion zum Inhalt gehabt. Die Annahme einer Regelung mit „Generalquittungscharakter“ trägt dabei bereits deshalb nicht, weil eine Generalquittung auf den Erlass, den Verzicht oder ein negatives Schuldanerkenntnis in Bezug auf wechselseitige Ansprüche abzielt (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.1999, XII ZR 208/96, juris Rn. 17). Dies kam in der Situation vom 27. Mai 2009 insbesondere aus Sicht des Klägers nicht in Betracht. Denn der Kläger wollte ersichtlich nicht auf seinen Prüfungsanspruch auf Durchführung des noch nicht abgeschlossenen Habilitationsverfahrens verzichten. Die etwaig zum Inhalt eines Vertrags gemachte „Rettungslösung“ zielte allein auf die Behebung des sich am 27. Mai 2009 dem Habilitationsausschuss und dem Kläger als Habilitanden stellenden Problems ab. Dieses Problem bestand darin, dass der Zweitgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 19. Juni 2008 Zitiermängel insoweit festgestellt hatte, dass in der Habilitationsschrift Übernahmen aus der Dissertation nicht hinreichend ausgewiesen waren. Der Habilitationsausschuss selbst hatte die Habilitationsschrift am 14. Januar 2009 für unzureichend erachtet, womit aber noch kein Abschluss des Habilitationsverfahrens zum Nachteil des Klägers verbunden war. Die am 27. Mai 2009 für das Problem der bislang unzureichenden Habilitationsschrift gefundene Lösung zielte – in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag – darauf ab, „dass [der Kläger] die Arbeit umarbeiten“ solle, da bei „der Durchsicht der Arbeit [des Klägers] aufgefallen sei, dass Passagen aus Aufsätzen übernommen worden seien, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei“. Der Habilitationsausschuss behielt sich „eine Neubewertung des überarbeiteten Teils der Arbeit vor“. Mit der „Arbeit“ stand allein die Habilitationsschrift in Rede, auf deren Erörterung vor dem Habilitationsausschuss am 27. Mai 2009 einvernehmlich vorerst verzichtet wurde. In Ausführung dieser Lösung begleiteten Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. die Umarbeitung der Habilitationsschrift durch den Kläger, die schließlich zu positiven Voten der Gutachter im Habilitationsverfahren vom 25. März 2010 sowie 21. April 2010 führte. Zum Zeitpunkt der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 standen lediglich Zitiermängel der Habilitationsschrift in Bezug auf eine richtige Zitation der Dissertation fest. Demgegenüber bestand aus Sicht des Habilitationsausschusses kein Anlass dazu, über einen Verzicht auf ein Promotionsentziehungsverfahren zu verhandeln.

226

Aus dem substantiierten Vortrag des Klägers zum Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs zwischen Prof. Dr. D. und Rechtsanwalt H. ergibt sich bereits nicht, dass auch über gegen die Dissertation erhobene Plagiatsvorwürfe gesprochen worden wäre. Selbst dann, wenn bereits am 27. Mai 2009 im Habilitationsausschuss Bedenken nicht nur gegen die Habilitationsschrift sondern auch gegen die Dissertation erhoben worden sein sollten, standen zu diesem Zeitpunkt noch keine Zitiermängel der Dissertation fest. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Habilitationsausschuss sich am 27. Mai 2009 des Problems bewusst war, dass der Kläger im Promotionsverfahren dadurch vorsätzlich getäuscht hatte, dass in der vorgelegten Dissertation an mindestens 44 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) fremde Leistungen zu Unrecht als eigene Leistungen präsentiert wurden (dazu s.o. e.). Soweit Rechtsanwalt H. die Ergebnisse des Vier-Augen-Gesprächs so verstanden hat, „dass vom Kläger erwartet werde, dass er nicht weiter vermeintliche formelle Mängel der Universität geltend mache und sich der neuen Situation widme“ und „[u]mgekehrt […] auch die Universität dem Kläger keine weiteren Steine in den Weg legen“ würde, bestand für diese Einschätzung nur Anlass angesichts des am 27. Mai 2009 ausdrücklich erörterten Problems der bislang unzureichenden Habilitationsschrift. Denn insbesondere der Fortbestand der Promotion war ausweislich der Aufzeichnung von Rechtsanwalt H. und dem Sitzungsprotokoll des Habilitationsausschusses kein Regelungsgegenstand der im Habilitationsverfahren gefundenen „Rettungslösung“.

227

Entgegen der Annahme des Klägers schloss die Einräumung einer Gelegenheit zur Überarbeitung und Verbesserung der Habilitationsschrift auch nicht „begriffsnotwendig“ ein, die Voraussetzungen zur Fertigung einer Habilitation als gegeben zu akzeptieren. Der Fortbestand der Promotion als Zulassungsvoraussetzung zur Habilitation bildete als Vorfrage die Geschäftsgrundlage eines Fortschreitens im Habilitationsverfahren. Doch gehört die Geschäftsgrundlage nicht zum Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, sondern geht ihm voraus. Die Geschäftsgrundlage wird aus den für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebenden Verhältnissen i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG gebildet.

228

Unabhängig davon wäre eine ohne die Mitwirkung des Promotionsausschusses als fakultätsintern zur Entscheidung zuständigem Gremium geschlossene Vereinbarung, die Rücknahme der Promotion zu unterlassen, nach § 59 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG wegen eines schweren und offensichtlichen Mangels nichtig. Der Habilitationsausschuss oder sein Vorsitzender konnten nicht wirksam auf eine Rücknahme der Promotion verzichten, da die Entscheidung über die Rücknahme dem Promotionsausschuss oblag (dazu s.o. d. bb. (1)).

229

Schließlich wäre ein über den Verzicht auf die Rücknahme der Promotion geschlossener Vertrag mangels Wahrung der durch § 57 HmbVwVfG vorgeschriebenen Schriftform nach § 125 BGB i.V.m. § 59 Abs. 1 HmbVwVfG nichtig.

230

(b) Desgleichen fehlt es an einer nach § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG wirksamen Zusicherung, einen Verwaltungsakt über die Rücknahme der Promotion nicht zu erlassen.

231

Ein Unterlassen der Rücknahme der Promotion war ebenso wenig Regelungsgegenstand einer einseitig gegebenen Zusicherung wie es zum Regelungsgegenstand eines Vertrags zwischen den Beteiligten gemacht worden ist. Der Habilitationsausschuss hat im Zuge der „Rettungslösung“ keine Regelung über den Fortbestand der Promotion getroffen, sondern den Fortbestand der Promotion als von ihm nicht zu regelnde Geschäftsgrundlage vorausgesetzt (s.o. (a)).

232

Unabhängig davon wäre eine ohne die Mitwirkung des Promotionsausschusses als fakultätsintern zur Entscheidung zuständigem Gremium ausgesprochene Zusicherung, die Promotion nicht zurückzunehmen, nach § 38 Abs. 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG wegen eines schweren und offensichtlichen Mangels nichtig.

233

Zudem wäre eine Zusicherung mangels Wahrung der vorgeschriebenen Schriftform nach § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG unwirksam.

234

(c) Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads steht – unter Berücksichtigung der Vorgänge im Habilitationsverfahren sowie aller anderen Umstände des Einzelfalls – auch mit dem aus Treu und Glauben herzuleitenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Einklang. Die Befugnis zur Rücknahme ist nicht verwirkt.

235

Die behördliche Befugnis zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes ist dann verwirkt, wenn Umstände eintreten, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, 7 C 42/98, BVerwGE 110, 226, juris Rn. 27).

236

Der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand ist mit der im Habilitationsverfahren am 27. Mai 2009 gefundenen „Rettungslösung“ bereits deshalb nicht gesetzt worden, weil die diesbezüglichen Verhandlungen des Klägers mit dem Habilitationsausschuss lediglich ein Voranschreiten im Habilitationsverfahren zum Regelungsgegenstand hatten, nicht aber eine vom Promotionsausschuss zu treffende Entscheidung, ob die Promotion zurückzunehmen war (s.o. (a)). Mangels Vertrauenstatbestands kann in der in Absprache mit dem Habilitationsausschuss durchgeführten Überarbeitung der Habilitationsschrift keine Betätigung des Vertrauens in den Fortbestand der Promotion gesehen werden.

237

Unabhängig davon haben der Habilitationsausschuss oder sein Vorsitzender einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Fortbestands der Promotion auch deshalb nicht gesetzt, weil sie für eine Entscheidung über die Rücknahme der Promotion nicht zuständig waren. Die rechtlichen Hindernisse, die einem wirksamen Vergleichsvertrag und einer wirksamen Zusicherung entgegenstehen, dürfen nicht unter Rückgriff auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umgangen werden. Die Bindung an geschlossene Verträge und gegebene Zusicherungen nach §§ 54 ff., 38 HmbVwVfG ist ein bereichsspezifisch vom Gesetzgeber konkretisierter Ausdruck des Gebots widerspruchsfreien Verhaltens. Hält sich die Behörde nicht an einen nach der Bewertung des Gesetzgebers unwirksamen Vertrag oder nicht an eine nach der Bewertung des Gesetzgebers unwirksame Zusicherung, so verstößt sie grundsätzlich nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Eine sachlich nicht zuständige Stelle kann nur dann den für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzten Vertrauensstand schaffen, wenn der Betroffene berechtigterweise den Schluss ziehen kann, der handelnden Stelle stehe die Rücknahmebefugnis zu und sie wolle diese nicht ausüben (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, 7 C 42/98, BVerwGE 100, 226, juris Rn. 28; vgl. Urt. v. 12.3.2015, 3 C 6/14, juris Rn. 18).

238

Dem Habilitationsausschuss stand es nicht zu, über die Frage der Rücknahme der Promotion durch Rechtsakt (Vergleichsvertrag oder Zusicherung) zu verfügen (dazu s.o. (a) und (b)). Deshalb kann das Verhalten des Habilitationsausschusses grundsätzlich auch nicht einer späteren Rücknahmeentscheidung des Promotionsausschusses entgegengehalten werden. Der vorbezeichnete Ausnahmefall, in dem eine unzuständige Stelle einen Vertrauenstatbestand setzen kann, ist nach den vorliegenden Umständen nicht gegeben. Die „Rettungslösung“ ist im Habilitationsverfahren am 27. Mai 2009 unter Beteiligung des durch seinen Vorsitzenden geleiteten Habilitationsausschuss einerseits und des durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Klägers als Habilitanden andererseits gefunden worden. Objektiv bestand kein Zweifel daran, dass Prof. Dr. D. in seiner ihm in Vertretung des Dekans zukommenden Funktion als Vorsitzender des Habilitationsausschusses handelte und dass der Habilitationsausschuss nicht für Promotionsangelegenheiten zuständig ist und nicht zuständig war. Subjektiv standen für den Kläger keine Hindernisse entgegen, um die unterschiedlichen Gremienzuständigkeiten zu erkennen. Der Kläger ist selbst Jurist. Er hatte 1998 das Promotionsverfahren durchlaufen, 2000 die Befähigung zum Richteramt erworben, war seitdem als Rechtsanwalt tätig und erstrebte seit 2007 die rechtswissenschaftliche Habilitation.

239

Zudem spricht viel dafür, dass ein Vertrauenstatbestand mit der „Rettungslösung“ deshalb nicht verbunden ist, weil nicht verschriftlicht ist, die Promotion nicht zurückzunehmen. Das für die Wirksamkeit eines Rechtsakts (Vergleichsvertrag oder Zusicherung) geltende gesetzliche Schriftformerfordernis (dazu s.o. (a) und (b)) darf grundsätzlich nicht durch einen Rückgriff auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umgangen werden.

240

Ferner ergibt sich der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand auch nicht aus einem Mitverschulden der Beklagten. Der vom Kläger gegen die Rücknahme erhobene Einwand, die Beklagte treffe wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung und es stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn nach 14 Jahren die Zitierweise in der Dissertation beanstandet werde, dringt nicht durch. Unerheblich ist, dass die Gutachter eine Täuschung nicht bemerkt haben, auch wenn sie möglicherweise nachlässig gehandelt haben (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 196, vgl. VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28). Die Prüfer sind nicht gehalten, die Dissertation bei Abgabe anlasslos auf Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit zu kontrollieren (VG Düsseldorf, Urt. v. 4.3.2013, a.a.O., Rn. 198). Die Verantwortung des Klägers für sein vorsätzliches Handeln wäre durch eine etwaige Fahrlässigkeit auf Seiten der von der Beklagten bestellten Prüfer nicht in Frage gestellt.

241

Schließlich folgt der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand nicht aus dem Zeitablauf seit der Verleihung des Doktorgrads. Ein bloßer längerer Zeitablauf seit Verleihung des akademischen Grads, etwa auch von 30 Jahren (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 177), schließt deren Rücknahme nicht aus. Über die Jahresfrist hinaus – die hier einer Rücknahme nicht entgegensteht (s.o. (2)) – gilt nach der Entscheidung des Normgebers für die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads keine absolute Grenze (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 213 f. m.w.N.). Mangels gesetzlicher Anordnung besteht insbesondere keine Höchstfrist wie nach § 45 Abs. 3 SGB X. Eine zwingend zu beachtende Entziehungsfrist ist nicht verfassungsrechtlich geboten (OVG Münster, Beschl. v. 24.3.2015, 19 A 1111/12, juris Rn. 29 ff.; Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 95 ff.).

242

(4) Die Rücknahme genügt hinsichtlich des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und in seine Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads ist zu einem legitimen Zweck geeignet und erforderlich (hierzu unter (a)) sowie im Verhältnis zu dem Eingriff auch angemessen (hierzu unter (b)).

243

(a) Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads dient den legitimen Zwecken, das Ansehen der betroffenen Hochschule und das Ansehen der Rechtswissenschaft zu bewahren (s.o. cc.). Sie ist zu diesen Zwecken geeignet und auch erforderlich. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel stand nicht zu Gebote. Eine Notenherabsetzung oder eine Nachbesserung kamen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht, da sie auch bei einer früheren Entdeckung in der Promotionsordnung nicht vorgesehen gewesen wären. Da von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit auszugehen ist (s.o. e. dd.), bleibt ohne Bedeutung, ob für eine andere Arbeit, als die tatsächlich vorgelegte Dissertation der Doktorgrad ggf. mit einer schlechteren Note verliehen hätte werden können. Entgegen der Annahme des Klägers können die Mängel der vorgelegten Dissertation nicht im Rahmen einer Neueinreichung oder einer Sammeldissertation geheilt werden, da diese nicht Gegenstand des abgeschlossenen Promotionsverfahrens gewesen sind.

244

(b) Die Rücknahme ist im Verhältnis zum Eingriff in Rechte und Interessen des Klägers auch angemessen. Im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens ist das öffentliche Interesse an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes mit dem Interesse des Betroffenen an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes abzuwägen; das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Grundsatz der Rechtssicherheit sind dabei grundsätzlich gleichwertig, sofern dem anzuwendenden Fachrecht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist (BVerwG, Urt. v. 24.5.2012, 5 C 17/11, BVerwGE 143, juris Rn. 27). Danach durfte vorliegend die Beklagte dem öffentlichen Interesse den Vorrang vor dem Interesse des Klägers am Fortbestand der Promotion einräumen, die durch vorsätzliche Täuschung erwirkt hatte. Im Einzelnen:

245

In die Abwägung sind die bei der Entziehung eines Doktorgrades für den Betroffenen verbundenen beruflichen Erschwernisse einzustellen, die als vorhersehbare und in Kauf genommene Nebenfolgen den Schutzbereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit berühren. Die Entziehung des Doktorgrads lässt die mehrjährige Arbeit an der Dissertation hinfällig werden und kann zu beruflichen Erschwernissen führen. Diese Beeinträchtigungen mögen im Fall des Klägers ihre konkrete Ausprägung in den vom Kläger aufgezeigten Folgen für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Geschäftsführer einer Interessenvereinigung mit sich bringen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass mit der Aberkennung des Doktorgrads eine zwingende Zulassungsvoraussetzung zu der angestrebten Habilitation entfällt. Diese Folge ist aber ohne weiteres hinzunehmen, da eine unter Verstoß gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit erschlichene Promotion keine schutzwürdige Grundlage einer weiteren wissenschaftlichen Laufbahn bildet.

246

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus den entstandenen Indiskretionen und aus der von ihm geltend gemachten „öffentlichen Vorverurteilung“ nicht herleiten, dass die Entziehung des Doktorgrads unzulässig wäre. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte die Rücknahme der Promotion unterließe, denn eine Rechtsverletzung durch in der Vergangenheit aufgetretene Indiskretionen könnte dadurch nicht rückgängig gemacht werden, dass die durch vorsätzliche Täuschung erwirkte Promotion unangetastet bliebe.

247

Rechtlich nicht erheblich für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist eine zwischenzeitlich aufgetretene und der Beklagten erst nach der letzten Behördenentscheidung bekannt gewordene Erkrankung des Klägers.

248

Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der durch arglistige Täuschung erwirkten Promotion muss gegenüber dem privaten Interesse des Klägers an deren Fortbestand nicht zurückstehen. Die Rücknahme dient dazu, das Ansehen der Hochschule und der Rechtswissenschaft zu sichern. Die wissenschaftliche Redlichkeit ist ein zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 167 f. im Anlehnung an BVerwG, Urt. v. 31.7.2013, 6 C 9/12, BVerwGE 147, 292, Rn. 31). Die Rücknahme eines § 48 Abs. 3 HmbVwVfG unterfallenden Verwaltungsaktes kann zwar ausnahmsweise unzulässig sein, wenn dem Betroffenen durch die Rücknahme ein immaterieller, nicht durch eine materielle Entschädigung auszugleichender Schaden entsteht (Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 181 ff.). Doch ist die § 48 Abs. 2 der parallelen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 88 ff.). Es ist nicht zu beanstanden, dass eine Universität vorsätzliche Täuschungen im Promotionsverfahren konsequent unterbindet und dem wissenschaftlichen Ruf sowie dem Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt den Vorrang vor negativen Folgen für den Promovenden einräumt (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285 Rn. 10).

249

2. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt unter Ziffer 2 des Bescheidtenors anficht, ist die Klage demgegenüber nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Denn in diesem Umfang ist der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 objektiv rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiven Rechten.

250

Dabei kann dahinstehen, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Urkunden maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen ist. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Befugnisnorm § 52 Satz 1 HmbVwVfG (i.V.m. § 18 Abs. 3 PromO 2010) waren zu keinem Zeitpunkt gegeben. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, dann zurückfordern, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Der Verwaltungsakt, mit dem unter dem 28. Januar 1998 dem Kläger der Doktorgrad verliehen worden ist, war und ist noch nicht unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen. Auch ist dieser Verwaltungsakt deshalb noch als wirksam zu behandeln, weil die gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG zur Beendigung der Wirksamkeit führende Rücknahme mit aufschiebender Wirkung angefochten ist. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Umfang von Ziffer 1 des Bescheidtenors endet gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO erst mit der Unanfechtbarkeit oder drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des Rechtsmittels gegen die insoweit klageabweisende gerichtliche Entscheidung.

II.

251

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Gegenüber dem Teilobsiegen der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme der Promotion (dazu s.o. I. 1.) tritt ausgehend vom vorrangigen Interesse des Klägers an dem Erhalt des ihm verliehenen akademischen Grads das Teilobsiegen des Klägers hinsichtlich der Rückforderung der Promotionsurkunde (dazu s.o. I. 2.) als unbedeutend und nicht streitwerterhöhend zurück. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Tatbestand

1

Die Klägerin schloss im Jahr 1980 das Studium der Politologie an der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität mit dem Grad einer Magistra Artium (M.A.) ab. Im November 1986 verlieh ihr diese Fakultät den Doktorgrad. Bei der Vorlage ihrer Dissertation hatte die Klägerin die in der damaligen Promotionsordnung vorgesehene Versicherung an Eides Statt abgegeben, sie habe die wörtlich oder dem Sinn nach aus anderen Werken übernommenen Stellen der Arbeit in jedem einzelnen Fall kenntlich gemacht.

2

Nachdem öffentlich Zweifel an der Arbeitsweise der Klägerin geäußert worden waren, setzte die Fakultät im Oktober 1990 eine Kommission ein, die die Vorwürfe prüfen sollte. In ihrem Abschlussbericht bescheinigte die Kommission der Dissertation gravierende methodische Mängel, weil sie Verstöße gegen das Gebot richtigen Zitierens in nicht geringer Zahl enthalte. Sie hielt der Klägerin nach deren Anhörung zugute, sie habe nicht vorsätzlich über die Urheberschaft der übernommenen Texte getäuscht, sondern nachlässig gearbeitet. Ungeachtet der Mängel habe die Klägerin in der Dissertation eine anerkennenswerte These vertreten. Aufgrund dieses Berichts beschloss der Erweiterte Fakultätsrat am 30. Januar 1991, es bestehe kein Anlass, gegen die Klägerin wegen des Vorwurfs der Täuschung mit dem Ziel der Entziehung des Doktorgrades einzuschreiten. Der Dekan der Philosophischen Fakultät teilte der Klägerin diesen Beschluss und die wesentlichen Erwägungen der Kommission durch Schreiben vom 30. April 1991 mit.

3

Anfang 2011 veröffentlichte die Internetplattform "VroniPlag" das Ergebnis einer elektronischen Prüfung der Dissertation, wonach ungefähr 47 % der Seiten wörtliche oder umformulierte Übernahmen aus Arbeiten anderer Autoren enthielten, ohne die richtige Quelle anzugeben (Plagiatsstellen). Die daraufhin vom Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät eingesetzte Arbeitsgruppe bestätigte diesen Befund weitgehend: Die überprüften Textteile der Dissertation enthielten auf ungefähr 40 % der Seiten 327 Plagiatsstellen, von denen die 1990/91 tätige Kommission nur 44 entdeckt hätte. Aufgrund dieses Befunds beschloss der Promotionsausschuss im April 2012, der Klägerin den Doktorgrad zu entziehen; der Fakultätsrat bestätigte diese Entscheidung. Der Dekan setzte diese Beschlüsse um, indem er der Klägerin durch Bescheid vom 18. April 2012 den ihr 1986 verliehenen Doktorgrad entzog. In den Gründen heißt es, es werde zugunsten der Klägerin unterstellt, dass der Dekan in dem Schreiben vom 30. April 1991 rechtsverbindlich festgestellt habe, den Doktorgrad nicht zu entziehen. Ein solcher Verwaltungsakt werde hiermit zurückgenommen, weil er rechtswidrig sei. Die Klägerin habe den Entziehungstatbestand der Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 der Promotionsordnung der Philosophischen Fakultät erfüllt, weil sie vorsätzlich eine Vielzahl von Plagiatsstellen in die Dissertation aufgenommen habe. Die Ermessensabwägung ergebe einen Vorrang des Schutzes der wissenschaftlichen Redlichkeit. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens könnten es die mit der Entziehung verbundenen erheblichen Nachteile und die seit der Verleihung verstrichene Zeit nicht rechtfertigen, von der Entziehung abzusehen.

4

Die Anfechtungsklage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Es gebe keinen Verwaltungsakt aus dem Jahr 1991, der feststelle, dass die Klägerin bei der Erstellung der Dissertation keine Täuschung begangen habe. Bei dem Schreiben des Dekans vom 30. April 1991 handele es sich nach Inhalt, Form und Begleitumständen um die formlose Mitteilung, dass die Fakultät das damalige Entziehungsverfahren eingestellt habe. Anderenfalls habe die Fakultät einen solchen rechtswidrigen Verwaltungsakt in dem Entziehungsbescheid vom 18. April 2012 zu Recht zurückgenommen.

5

Die Philosophische Fakultät habe die Entziehung des Doktorgrades zutreffend auf § 20 Abs. 2 ihrer Promotionsordnung (PromO) gestützt, der Täuschungen über die Einhaltung grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung von Promotionsleistungen sanktioniere. Dadurch sei die Fakultät dem Auftrag des nordrhein-westfälischen Hochschulgesetzes nachgekommen, die Folgen von wissenschaftsrelevanten Verstößen gegen Promotionsvorschriften zu regeln. Der Landesgesetzgeber müsse die Voraussetzungen für die Entziehung des Doktorgrades weder selbst festlegen noch einen inhaltlichen Rahmen vorgeben, weil das Promotionswesen zum Kernbereich der grundgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltung der Hochschulen gehöre.

6

Zu den wissenschaftlichen Kernpflichten, deren vorsätzliche Verletzung eine Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO darstelle, gehöre die Pflicht, die Dissertation eigenständig zu erarbeiten. Über die Eigenständigkeit ihrer Leistung habe die Klägerin getäuscht, indem sie Texte anderer Autoren in sehr großer Zahl ohne zutreffende Quellenangabe übernommen und damit als eigene Leistung ausgegeben habe. Die Fakultät habe aus der Vielzahl der verschleierten Textübernahmen und der Arbeitsweise der Klägerin zu Recht den Schluss gezogen, dass die Klägerin systematisch und planmäßig vorgegangen sei. Daher sei die Entziehung ihres Doktorgrades angezeigt gewesen, um wissenschaftlichen Mindeststandards Geltung zu verschaffen. Die Fakultät habe diesem Interesse ermessensfehlerfrei Vorrang vor dem Interesse der Klägerin eingeräumt, den Doktorgrad wegen des Gewichts der mit der Entziehung verbundenen Nachteile und der seit der Verleihung verstrichenen Zeit weiter führen zu dürfen. Die unbefristete Entziehungsmöglichkeit benachteilige die Inhaber von Doktorgraden nicht gleichheitswidrig gegenüber den Inhabern anderer akademischer Grade, deren Entziehung nur zeitlich begrenzt möglich sei. Der Doktorgrad bringe nicht nur die Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten zum Ausdruck. Er begründe zusätzlich die Verpflichtung, sich dauerhaft wissenschaftlich redlich zu verhalten.

7

Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Rechtssicherheit und Vertrauensschutz geböten die Auslegung des Schreibens des Dekans vom 30. April 1991 im Sinne einer rechtsverbindlichen Feststellung, dass der Klägerin der Doktorgrad nicht entzogen werde. Dieser Verwaltungsakt sei rechtmäßig gewesen, weil er eine Täuschung der Klägerin aufgrund einer auf Vollständigkeit angelegten Nachprüfung ihrer Dissertation verneint habe. Dieses Ergebnis könne nicht durch die Anwendung einer damals unbekannten Untersuchungsmethode in Frage gestellt werden. Die Entziehungsregelung des § 20 Abs. 2 PromO sei nichtig, weil sie nicht auf einer verfassungskonformen gesetzlichen Ermächtigung beruhe. Der landesgesetzliche Regelungsauftrag genüge weder dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot noch dem Vorbehalt des Parlamentsgesetzes; es handele sich um eine Blankettermächtigung für die Hochschulen. Der Landesgesetzgeber müsse die Entziehungsvoraussetzungen zum Schutz der Grundrechte der Promovierten inhaltlich vorgeben. Er dürfe diese Aufgabe nicht an die Hochschulen delegieren, weil diese materiell beteiligt seien. Die zeitlich unbefristete Entziehungsmöglichkeit für Doktorgrade sei gleichheitswidrig, weil diese Schlechterstellung gegenüber den Inhabern anderer akademischer Grade sachlich nicht gerechtfertigt werden könne. Es sei rechtsstaatswidrig und verletze das Persönlichkeitsrecht der Promovierten, einschneidende Rechtsfolgen wie die Entziehung des Doktorgrades an seit Jahrzehnten abgeschlossene Sachverhalte zu knüpfen.

8

Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, dem Landesgesetzgeber seien Regelungen über die Entziehung des Doktorgrades mit Rücksicht auf das grundrechtlich geschützte Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen für das Promotionswesen verwehrt. Es gehe um die Pflege der Wissenschaft, die das Grundgesetz den Hochschulen anvertraut habe.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Berufungsurteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO).

10

Die Philosophische Fakultät der beklagten Universität war nicht durch einen 1991 erlassenen Verwaltungsakt gehindert, der Klägerin den Doktorgrad zu entziehen (unter 1.). Die angewandte Entziehungsregelung des § 20 Abs. 2 der Promotionsordnung - PromO - der Fakultät in der Fassung vom 4. Juni 2010 (Amtliche Bekanntmachungen der Beklagten, 40. Jahrgang, Nr. 08 vom 10. Juni 2010) ist rechtswirksam: Die Ermächtigungsgrundlage des § 64 Abs. 2 Nr. 9 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG NRW) in der hier anwendbaren Fassung vom 31. Oktober 2006 (GV. NRW. S. 474) enthält nach dem irrevisiblen Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts einen Auftrag an die Hochschulen, die Verletzung grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung von Promotionsleistungen durch die Entziehung des Doktorgrades zu sanktionieren (unter 2.). Mit diesem Inhalt genügt der gesetzliche Regelungsauftrag den Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots (unter 3.). Er bringt den Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Parlamentsgesetzes und das grundrechtlich geschützte Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen zu einem angemessenen Ausgleich (unter 4.). Die Möglichkeit, den Doktorgrad unbefristet zu entziehen, benachteiligt die Inhaber dieses Grades nicht gleichheitswidrig gegenüber den Inhabern anderer akademischer Grade (unter 5.). Durch die Entziehungsregelung des § 20 Abs. 2 PromO hat die Philosophische Fakultät der Beklagten den Regelungsauftrag des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW grundgesetzkonform erfüllt. Der Entziehungstatbestand der Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO soll die Redlichkeit der Wissenschaft sicherstellen; er erfasst vor allem falsche Angaben der Promovenden über die Eigenständigkeit ihrer Dissertation (unter 6.). Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin diesen Entziehungstatbestand erfüllt hat (unter 7.). Davon ausgehend verletzt die Ermessensausübung der Fakultät keine Grundrechte der Klägerin (unter 8.).

11

1. Die Philosophische Fakultät der Beklagten war an der Entziehung des Doktorgrades nicht durch einen im Jahr 1991 erlassenen Verwaltungsakt gehindert, der diese Maßnahme ausschloss. Sie hat einen Verwaltungsakt dieses Inhalts nicht erlassen (unter a)) oder ihn anderenfalls zurückgenommen (unter b)).

12

a) Nach § 35 Satz 1 VwVfG NRW, der wegen Wortgleichheit mit § 35 Satz 1 VwVfG des Bundes nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel ist, ist Verwaltungsakt jede Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Maßnahme hat Regelungscharakter, wenn sie nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Sie muss für den Betroffenen rechtsverbindlich Rechte oder Pflichten begründen, inhaltlich ausgestalten, ändern, aufheben, feststellen oder einen derartigen Ausspruch rechtsverbindlich ablehnen (BVerwG, Urteile vom 29. April 1988 - 9 C 54.87 - BVerwGE 79, 291 <293> und vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 15). Ein feststellender Verwaltungsakt schreibt das Ergebnis der behördlichen Rechtsanwendung rechtsverbindlich fest (BVerwG, Urteile vom 20. November 2003 - 3 C 29.02 - Buchholz 316 § 35 VwVfG Nr. 55 S. 9 und vom 5. November 2009, a.a.O.). Kein Regelungsgehalt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG kommt behördlichen Erklärungen zu, denen sich kein Regelungs- bzw. Rechtsbindungswille entnehmen lässt. Hierzu gehören Auskünfte oder Mitteilungen, dass die Behörde gegen ein bestimmtes Verhalten keine rechtlichen Bedenken hat oder nicht beabsichtigt, eine rechtsverbindliche Maßnahme zu ergreifen (BVerwG, Urteil vom 6. November 1986 - 3 C 72.84 - BVerwGE 75, 109 <113>; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 83).

13

Ein Verwaltungsakt entfaltet materielle Bindungswirkung in Bezug auf den Regelungsausspruch (Tenor), nicht aber in Bezug auf die den Ausspruch tragenden Gründe. Die Bindungswirkung hindert die Behörde, eine inhaltlich abweichende Regelung zu treffen, solange der Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 43 Abs. 2 VwVfG NRW (= § 43 Abs. 2 VwVfG des Bundes) rechtswirksam ist. Darüber hinaus sind Behörden und Gerichte verpflichtet, in Bestandskraft erwachsene rechtsverbindlich getroffene Regelungen ihren Entscheidungen zugrunde zu legen, ohne die Rechtmäßigkeit in Frage zu stellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 16 und vom 15. April 2015 - 8 C 14.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:150415U8C14.14.0] - BVerwGE 152, 26 Rn. 32; zum Ganzen Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 41 ff.).

14

Ob eine behördliche Maßnahme Regelungscharakter und damit Verwaltungsaktqualität hat, ist durch Auslegung zu bestimmen. Dabei kommt vor allem der entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB Bedeutung zu. Danach ist der objektive Erklärungsgehalt der Maßnahme zu bestimmen; es kommt darauf an, wie sie der Adressat bei objektiver Betrachtung verstehen kann (BVerwG, Urteile vom 25. Mai 1984 - 8 C 100.83 - Buchholz 316 § 38 VwVfG Nr. 4, vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 52 und vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 21). Die Auslegung der Tatsachengerichte unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Nachprüfung: Nach § 137 Abs. 2 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, die das Tatsachengericht seiner Auslegung zugrunde gelegt, d.h. die es herangezogen hat, um sein Auslegungsergebnis zu begründen. Der Senat kann offenlassen, ob sich diese Bindung auch auf das Auslegungsergebnis selbst, d.h. auf die tatrichterliche Würdigung des festgestellten, für die Auslegung bedeutsamen Sachverhalts anhand der allgemeinen Auslegungsregeln erstreckt (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 19. Februar 1982 - 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <68 f.> und vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 52). Auch kann dahingestellt bleiben, ob es dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund seiner Beschränkung auf die Nachprüfung revisiblen Rechts verwehrt ist, den Erklärungsgehalt abweichend von der Vorinstanz zu bestimmen, wenn die Maßnahme in einem irrevisiblen, weil landesrechtlich geregelten Zusammenhang steht (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 72).

15

Der Senat muss diese Fragen nicht beantworten, weil die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Dekan mit dem Schreiben vom 30. April 1991 keinen Verwaltungsakt mit dem Regelungsausspruch erlassen hat, der Klägerin werde der Doktorgrad nicht entzogen, einen Verstoß gegen § 133 BGB nicht erkennen lässt. Der Beschluss des Erweiterten Fakultätsrats vom 30. Januar 1991 kommt als Verwaltungsakt von vornherein nicht in Betracht, weil seine Rechtswirkung auf das Innenverhältnis zwischen Fakultätsrat und Dekan als den Organen der Philosophischen Fakultät beschränkt ist. Der Dekan ist verpflichtet, Beschlüsse des Fakultätsrats auszuführen (vgl. nunmehr § 27 Abs. 1 Satz 7 HG NRW). Hierzu gehört, dass der Dekan die durch den Beschluss veranlassten Schritte gegenüber Betroffenen ergreift.

16

Die Auslegung des Schreibens vom 30. April 1991 aus der Sicht eines objektiven Adressaten ergibt, dass der Dekan nicht rechtsverbindlich festgestellt oder zugesichert hat, die Klägerin könne den Doktorgrad dauerhaft weiter führen. Vielmehr hat er die Klägerin formlos von dem Ergebnis der Prüfung ihrer Dissertation und der Einstellung des Prüfungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Er hat sich darauf beschränkt mitzuteilen, wie die Kommission und ihr folgend der Erweiterte Fakultätsrat die Untersuchungsergebnisse bewerteten und dass sie nicht beabsichtigten, weitere Ermittlungen durchzuführen. Aufgrund dieser Hinweise musste die Klägerin zwar nicht mehr befürchten, ihr könnte als Folge der Untersuchungen in dem im Oktober 1990 eröffneten Verfahren der Doktorgrad entzogen werden. Jedoch kann dem Schreiben vom 30. April 1991 nicht entnommen werden, die Fakultät habe ihr darüber hinaus eine materielle Rechtsposition des Inhalts zuerkannt, sie dürfe den Doktorgrad ungeachtet weiterer Entwicklungen dauerhaft weiter führen.

17

Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Auslegungsergebnis zutreffend aus Inhalt und Aufmachung des Schreibens vom 30. April 1991 sowie aus den vorangegangenen Erklärungen des damaligen Bevollmächtigten der Klägerin gegenüber dem Dekan hergeleitet. In dem Schreiben vom 30. April 1991 hat der Dekan die abschließenden Stellungnahmen der Kommission und des damals für die Entziehung zuständigen Erweiterten Fakultätsrats wörtlich wiedergegeben: Der Fakultätsrat war zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Anlass bestehe, wegen des Vorwurfs der Täuschung einzuschreiten. Damit hatte er sich der Kommission angeschlossen, die glaubte, den Verdacht der Täuschung trotz der nicht geringen Zahl methodisch bedenklicher Stellen verneinen zu können. Beide Stellungnahmen bezogen sich inhaltlich ausschließlich auf den damals aktuellen Stand der Ermittlungen. Jedenfalls sind sie viel zu vorsichtig formuliert, als dass die Klägerin daraus den Schluss hätte ziehen können, ihr solle wegen der endgültigen Freistellung vom Vorwurf der Täuschung rechtsverbindlich "Entziehungsschutz" zugesagt werden. Diese Annahme liegt auch deshalb fern, weil beide Stellungnahmen der Dissertation aufgrund der festgestellten Verstöße gegen das Gebot richtigen Zitierens erhebliche methodische Mängel bescheinigten. Hinzu kommt, dass die Aufmachung des Schreibens vom 30. April 1991 keinen Rechtsbindungswillen erkennen lässt. Das Schreiben enthält keinen von den Gründen abgesetzten Regelungsausspruch im Sinne der Klägerin, sondern ist ersichtlich als formloses Mitteilungsschreiben konzipiert. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht den von ihm bindend festgestellten Sachverhalt zutreffend dahingehend gewürdigt, der damalige Bevollmächtigte der Klägerin habe darauf hingewirkt, es bei einer schlichten Mitteilung zu belassen, dass die Untersuchungen beendet seien.

18

Die Fakultät war auch nicht verpflichtet, rechtsverbindlich festzustellen, dass von einer Entziehung des Doktorgrades abgesehen wurde. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass ein Verwaltungsverfahren, in dem eine durch Verwaltungsakt verliehene Rechtsposition überprüft wird, durch eine rechtsverbindliche Feststellung abzuschließen ist, wenn es nicht zur Aufhebung der Rechtsposition kommt. Eine derartige Verpflichtung kann sich nur aus dem jeweiligen Fachrecht ergeben. Das Oberverwaltungsgericht hat der 1991 geltenden Promotionsordnung der Philosophischen Fakultät kein solches Erfordernis entnommen. An diese Auslegung ist der Senat gebunden, weil es sich bei der Promotionsordnung wie bei dem gesamten Satzungsrecht der Hochschulen um irrevisibles Landesrecht handelt (§ 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).

19

b) Im Übrigen könnte ein feststellender Verwaltungsakt des Inhalts, der Klägerin werde der Doktorgrad nicht entzogen, keine materielle Bindungswirkung mehr entfalten, weil die Fakultät einen solchen Verwaltungsakt durch den Entziehungsbescheid vom 18. April 2012 ausdrücklich zurückgenommen hätte. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Rücknahme habe auf § 48 VwVfG NRW gestützt werden können, weil die Promotionsordnung der Fakultät insoweit eine Regelungslücke enthalte, ist als Auslegung des irrevisiblen Satzungsrechts revisionsgerichtlich nicht nachprüfbar. Demgegenüber ist § 48 VwVfG NRW wegen der Wortgleichheit mit der entsprechenden bundesgesetzlichen Regelung nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Der Verwaltungsakt muss zum Zeitpunkt seines Erlasses objektiv rechtswidrig gewesen sein, falls sich aus dem Fachrecht kein anderer Zeitpunkt ergibt. Die Rechtswidrigkeit kann darauf beruhen, dass die Behörde das geltende Recht falsch ausgelegt oder falsch auf den Sachverhalt angewandt hat. Darüber hinaus erweist sich ein Verwaltungsakt als rechtswidrig, wenn ihn die Behörde bei vollständiger Kenntnis der für die rechtliche Beurteilung bedeutsamen Tatsachen nicht erlassen hätte. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Behörde um eine richtige und vollständige Sachaufklärung bemüht, d.h. die ihr zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat. Maßgebend ist allein, ob die Sachverhaltswürdigung unter Einbeziehung der nachträglich entstandenen oder bekannt gewordenen Tatsachen die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ergibt (BVerwG, Urteile vom 30. Januar 1969 - 3 C 153.67 - BVerwGE 31, 222 <223> und vom 30. April 1985 - 1 C 33.83 - BVerwGE 71, 248 <249 f.>; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 48 Rn. 51; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 51).

20

Auf der Grundlage dieses Rechtswidrigkeitsbegriffs hat das Oberverwaltungsgericht eine rechtsverbindliche Feststellung, der Klägerin werde der Doktorgrad nicht entzogen, so sie denn 1991 getroffen worden wäre, als rechtswidrig angesehen. Der damaligen Rechtsanwendung habe nur ein Bruchteil der verschleierten Übernahmen fremder Texte zugrunde gelegen. Die Würdigung des vollen Ausmaßes der Pflichtenverstöße ergebe, dass die Entziehungsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 PromO vorlägen, weil die Klägerin über die Eigenständigkeit ihrer Dissertation getäuscht habe. An die Auslegung des irrevisiblen Begriffs der Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO und dessen Anwendung auf den festgestellten Sachverhalt ist der Senat gebunden (vgl. unter 6. und 7.).

21

Für die Ausübung des Rücknahmeermessens gelten die gleichen Grundsätze wie für die Ausübung des Entziehungsermessens nach § 20 Abs. 2 PromO; sie verstößt nicht gegen grundrechtlich geschützte Belange der Klägerin (vgl. unter 7. und 8.). Schließlich hätte die Fakultät einen Verwaltungsakt des Inhalts, der Doktorgrad werde nicht entzogen, innerhalb der Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW zurückgenommen. Diese Frist beginnt erst zu laufen, wenn die zuständige Behörde zu der Erkenntnis gelangt ist, dass sie den Verwaltungsakt bislang zu Unrecht für rechtmäßig gehalten hat (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 28). Die Fakultät konnte die Rechtswidrigkeit einer 1991 getroffenen rechtsverbindlichen Feststellung erkennen, nachdem ihre Arbeitsgruppe die 2011 veröffentlichten Enthüllungen von "VroniPlag" über das Ausmaß der Plagiatsstellen bestätigt hatte. Danach verging kein Jahr bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids vom 18. April 2012.

22

2. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die angewandte satzungsrechtliche Entziehungsregelung des § 20 Abs. 2 PromO sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW gedeckt. Nach dieser Vorschrift müssen Hochschulprüfungsordnungen die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften regeln. Hochschulprüfungsordnungen seien auch die Promotionsordnungen der Fakultäten (§ 67 Abs. 3 Satz 3 HG NRW). Daher erstrecke sich die gesetzliche Ermächtigung auch auf die Sanktionierung wissenschaftsrelevanter Pflichtenverstöße, die die Promovenden bei der Erstellung der Promotionsleistungen zu beachten hätten. Der Landesgesetzgeber habe darauf verzichtet, Sanktionstatbestände, etwa für die Entziehung des Doktorgrades, festzulegen oder inhaltlich vorzuzeichnen. Vielmehr habe er sich darauf beschränkt, den Hochschulen insoweit einen Regelungsauftrag zu erteilen. Durch die Beschränkung dieses Auftrags auf wissenschaftliches Fehlverhalten hat das Oberverwaltungsgericht dem Umstand Rechnung getragen, dass die Rechtsetzungsbefugnis der Hochschulen nur Angelegenheiten der Wissenschaft erfassen kann (BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:300915U6C45.14.0] - BVerwGE 153, 79 Rn. 19). Der Senat hat diese Auslegung des irrevisiblen § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW hinzunehmen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Er ist darauf beschränkt nachzuprüfen, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts mit Bundesverfassungsrecht vereinbar ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Juni 2014 - 4 CN 6.12 - BVerwGE 149, 373 Rn. 23 und vom 14. Dezember 2016 - 6 C 19.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:141216U6C19.15.0] - juris Rn. 6 ).

23

Einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen ist auch die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, landesgesetzliche Satzungsermächtigungen wie § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW schlössen als entgegenstehende Rechtsvorschriften des Landes im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfG NRW für ihren Regelungsbereich die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes, hier der §§ 48 ff. VwVfG NRW für die Entziehung des Doktorgrades, aus. Der landesgesetzliche Begriff "Rechtsvorschriften des Landes" ist nicht nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel, weil er in § 1 Abs. 1 VwVfG des Bundes naturgemäß nicht verwendet wird.

24

3. Die Ermächtigungsregelung des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW in der irrevisiblen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts ist mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar. Dieses verlangt, dass sich im Wege der Auslegung einer Rechtsnorm feststellen lässt, welche tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine bestimmte Rechtsfolge auszulösen. Aus Wortlaut und Zweck der Norm sowie aus ihrem systematischen Zusammenhang müssen sich hinreichende Anhaltspunkte ergeben, um den Bedeutungsgehalt unbestimmter Rechtsbegriffe plausibel zu konkretisieren. Im Übrigen hängt das Maß der erforderlichen Bestimmtheit entscheidend von der Eigenart der jeweiligen Regelungsmaterie ab (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 <384 f.>; Kammerbeschluss vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 - NVwZ 2014, 1571 Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 20).

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Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW als Auftrag an die Hochschulen, die Verletzung wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung von Promotionsleistungen zu sanktionieren, gibt dieser Bestimmung einen hinreichend bestimmten Inhalt, weil dieser durch Wortlaut und Regelungszusammenhang nahegelegt wird: Nach dem Wortlaut des § 64 Abs. 2 HG NRW sind die Hochschulen verpflichtet ("müssen"), Prüfungsordnungen mit den gesetzlich vorgesehenen Inhalten zu erlassen. Prüfungen dienen dem Nachweis von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zum Erwerb einer gesetzlich bestimmten Qualifikation notwendig sind. Wie die Regelungsgegenstände des § 64 Abs. 2 HG NRW belegen, sind Prüfungsordnungen Regelwerke, die die für Prüfungen geltenden Bedingungen in den einzelnen Prüfungsvorschriften festlegen. Sie betreffen den Prüfungsstoff, die Art der Prüfungsleistungen und deren Bedeutung für das Ergebnis, den äußeren Ablauf des Prüfungsverfahrens, das Verfahren zur Bewertung der Prüfungsleistungen und die Grundsätze für die Bewertung. Zu der Regelung der Prüfungsbedingungen gehört, dass den Prüfungsteilnehmern Pflichten für die Erstellung der Prüfungsleistungen und das Verhalten während der Prüfung auferlegt werden. Die Nichtbeachtung einer solchen Pflicht stellt nach allgemeinem Sprachgebrauch einen "Verstoß" gegen die jeweilige Prüfungsvorschrift dar. Gleiches gilt für Promotionsordnungen, die nach der irrevisiblen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Hochschulprüfungsordnungen im Sinne des § 64 Abs. 2 HG NRW sind. Dementsprechend legen Promotionsordnungen die Bedingungen, d.h. die Verfahrens- und Bewertungsregeln, unter denen Promotionen stattfinden, sowie die Pflichten der Promovenden bei der Erstellung der Promotionsleistungen fest. Der Zweck der Promotion und der Dissertation als der maßgebenden Promotionsleistung wird gesetzlich vorgegeben: Die Promotion dient dem Nachweis der Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit; hierfür muss die Dissertation wissenschaftlich beachtlich sein (§ 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 HG NRW; vgl. unter 6.).

26

Die Bedeutung des Begriffs der "Folgen" von Verstößen gegen Prüfungs- und damit Promotionsvorschriften, zu deren Regelung die Hochschulen nach § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW verpflichtet sind, ergibt sich bereits aus dem Wortsinn: Gemeint sind Nachteile, die die Betroffenen wegen ihres wissenschaftlichen Fehlverhaltens in Bezug auf den Erfolg der Promotion hinzunehmen haben. Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verlangt nicht, dass der Landesgesetzgeber die Nachteile für bestimmte Pflichtenverstöße ausdrücklich benennt. Wie bei allen Prüfungen sind sie zahlenmäßig begrenzt und ergeben sich aus deren Zweck, eine gesetzlich bestimmte fachliche Befähigung nachzuweisen. In Betracht kommen der Ausschluss von der Prüfung, solange diese noch nicht abgeschlossen ist, im Übrigen die Erklärung der Prüfung oder einzelner Prüfungsleistungen als ungültig oder nicht bestanden sowie die Herabsetzung von Gesamt- oder Einzelnoten. Auch kann der aufgrund der Prüfung verliehene Grad bzw. die Berufsbezeichnung nachträglich aberkannt werden. Dies gilt gleichermaßen für die Promotion, wobei zudem Nachbesserungen der Dissertation angeordnet werden können. Für die Sanktionierung von Pflichtenverstößen gilt das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Erklärung der gesamten Prüfung als ungültig oder nicht bestanden und die Entziehung des verliehenen Grades setzen schwere Verstöße gegen wichtige Pflichten voraus. Im Übrigen entzieht sich das Verhältnis von Verstößen zu dafür ausgesprochenen Sanktionen allgemeingültigen Vorgaben; entscheidend ist die Würdigung des Einzelfalls.

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4. Das irrevisible Normverständnis des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW als Auftrag zur Sanktionierung wissenschaftlicher Pflichtenverstöße bei der Erstellung von Promotionsleistungen verstößt auch nicht insoweit gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Parlamentsgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG), als es um die Entziehung des Doktorgrades geht. Der Landesgesetzgeber ist nicht verpflichtet, die Entziehungsvoraussetzungen selbst festzulegen oder inhaltlich vorzuzeichnen. Er darf diese Aufgabe ungeachtet der Grundrechtsrelevanz den Hochschulen überlassen, weil die Entziehung als Teil des Promotionswesens deren grundrechtlich geschütztem Selbstverwaltungsrecht unterfällt.

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a) Der Vorbehalt des Parlamentsgesetzes verpflichtet den parlamentarischen Gesetzgeber, die grundlegenden Entscheidungen in wesentlichen Sachbereichen selbst zu treffen und nicht an Verordnungs- und Satzungsgeber zu delegieren. Dies gilt aufgrund des Homogenitätsgebots nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch für die Landesgesetzgebung. Aufgrund dieses Geltungsanspruchs kann autonomen Körperschaften wie den Hochschulen nur eine eingeschränkte Rechtsetzungsbefugnis zustehen. Der Gesetzgeber hat jedenfalls Gegenstand und Zweck einer solchen Befugnis zu umreißen. Ob und inwieweit er darüber hinaus den Regelungsinhalt des Satzungsrechts vorgeben oder doch einen Rahmen setzen muss, hängt neben der allgemeinen Bedeutung der Regelungsmaterie vor allem von deren Grundrechtsrelevanz ab. Je intensiver Grundrechte betroffen sind, desto aussagekräftiger muss die gesetzliche Ermächtigung in Bezug auf die Eingriffsmöglichkeiten sein. Für das Maß der gebotenen oder zulässigen Zurückhaltung des Gesetzgebers spielt auch eine Rolle, ob die Rechtsetzungsbefugnis autonomer Körperschaften im Grundgesetz verankert ist. Dessen ungeachtet folgt aus dem Vorbehalt des Parlamentsgesetzes der Grundsatz, dass der Gesetzgeber seinen Einfluss auf den Inhalt des zu erlassenden Satzungsrechts nicht gänzlich preisgeben darf (zum Ganzen: BVerfG, Beschlüsse vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 und 308/64 - BVerfGE 33, 125 <157 ff.>, vom 22. Juni 1977 - 1 BvL 23/75 - BVerfGE 45, 393 <399 f.> und vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94 u.a. - BVerfGE 111, 191 <217 f.>; BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2006 - 8 C 13.05 - BVerwGE 125, 68 Rn. 13 und vom 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 26 f.). Auch muss der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen, dass das Satzungsrecht Organisations- und Verfahrensregelungen enthält, die Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung gegenläufiger Rechtspositionen und rechtlich geschützter Interessen bieten (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2004, a.a.O. <217>).

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Die Entziehung des Doktorgrades hat Grundrechtsrelevanz; sie beeinträchtigt in aller Regel grundrechtlich geschützte Belange der Promovierten. Die Entziehung stellt einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl nach Art. 12 Abs. 1 GG dar, wenn der Betroffene den Beruf des Hochschulprofessors ergreifen will oder bereits ergriffen hat oder die Promotion zugleich als berufsbezogene Abschlussprüfung gilt (BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 - BVerwGE 153, 79 Rn. 15). Ansonsten beeinträchtigt sie die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG, wenn sie sich im Einzelfall nachteilig auf den beruflichen Werdegang auswirkt. Die Entziehung kann zur Folge haben, dass der Promovierte seinen Arbeitsplatz verliert, sein beruflicher Werdegang bei seinem Arbeitgeber stockt oder die beruflichen Verdienstmöglichkeiten geschmälert werden. Auch kann die Entziehung der Grund dafür sein, dass dem Betroffenen der Zugang zu bestimmten Berufsfeldern oder einer bestimmten beruflichen Stellung verwehrt bleibt. Diese durch die Entziehung herbeigeführten beruflichen Nachteile sind einer Typisierung und generellen Bewertung nicht zugänglich. Ihr Gewicht hängt von der individuellen Situation des Betroffenen ab. Hinzu kommen Unwägbarkeiten der weiteren Entwicklung, die sich zum Zeitpunkt der Entziehungsentscheidung nicht zuverlässig vorhersehen lassen.

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Die Entziehung des Doktorgrades beeinträchtigt das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, wenn dessen soziales und gesellschaftliches Ansehen Schaden nimmt. So kann der Betroffene gezwungen sein, Ehrenämter aufzugeben. Auch insoweit lassen sich keine generellen Aussagen treffen; entscheidend ist die persönliche Lebenssituation. Das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG bietet ebenso wenig wie die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG einen absoluten Schutz vor der Entziehung, wenn seit der Verleihung des Doktorgrades Jahrzehnte vergangen sind. Dem steht entgegen, dass mit dem Doktorgrad auch die Erwartung verbunden ist, dass der Inhaber dauerhaft grundlegende wissenschaftliche Pflichten beachten wird (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 27 und 46). Diese Erwartung wird enttäuscht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Inhaber des Doktorgrades als Promovend bereits bei der Erstellung von Promotionsleistungen, insbesondere der Dissertation, grundlegende wissenschaftliche Pflichten schwerwiegend verletzt hat (vgl. unter 6.).

31

Dagegen bietet das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG keinen Schutz vor der Entziehung eines Doktorgrades, wenn der Dissertation als der entscheidenden Promotionsleistung erhebliche Verstöße gegen grundlegende wissenschaftliche Pflichten anhaften. Wissenschaftlich unredliches Verhalten genießt nicht den Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 17 und 26). Dies ist insbesondere bei einer Dissertation der Fall, die nicht als eigenständige Leistung des Promovenden gelten kann. Sie stellt keinen schützenswerten wissenschaftlichen Beitrag dar (vgl. unter 6.).

32

b) Den Hochschulen ist durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG das Recht verliehen, ihren Wissenschaftsbetrieb, d.h. die Angelegenheiten von Forschung und Lehre, eigenverantwortlich zu regeln (akademische Selbstverwaltung). Das Grundrecht vermittelt ihnen eine abwehrfähige Rechtsposition, die sie vor staatlichen Eingriffen in den Wissenschaftsbetrieb schützt. Dem entspricht, dass sie die Verantwortung dafür tragen, dass in ihrem Wissenschaftsbetrieb grundlegende wissenschaftliche Pflichten beachtet werden. Dabei haben sie bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben die Grundrechte der Hochschulangehörigen zu beachten (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 6 C 5.95 - BVerwGE 102, 304 <309>).

33

Zu den Aufgaben der Hochschulselbstverwaltung gehört herkömmlicherweise das Promotionswesen, das intern den Fakultäten anvertraut ist (BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 - BVerwGE 153, 79 Rn. 18; VerfGH Berlin, Urteil vom 1. November 2004 - VerfGH 210/03 - WissR <2005> 67 <71 ff.>; Fehling, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Mai 2017, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 210). Das Promotionswesen umfasst Regelungen über Art und Gewicht der Promotionsleistungen, die Gestaltung des Promotionsverfahrens einschließlich des Verfahrens der Leistungsbewertung, die Bewertungsgrundsätze sowie die wissenschaftlichen Pflichten der Promovenden bei der Erstellung der Promotionsleistungen und die Sanktionierung von Pflichtenverstößen. Hochschulintern sind hierfür seit jeher die Fakultäten (Fachbereiche) zuständig, die für ihr Gebiet die Aufgaben der Hochschule erfüllen (vgl. nunmehr § 26 Abs. 2 Satz 1 HG NRW).

34

Der Regelungsspielraum der Fakultäten ist im Promotionswesen grundsätzlich weiter als im Bereich der Studienprüfungen. Zum einen ist die Promotion für die große Mehrheit der Promovenden kein berufsqualifizierender Abschluss, sodass es sich bei ihren Anforderungen bei typisierender Betrachtungsweise nicht um subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen handelt, für die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ein weitreichender Vorbehalt des Parlamentsgesetzes gilt. Zum anderen weist die Promotion einen erheblich stärkeren wissenschaftlichen Bezug auf als die an Hochschulen stattfindenden Berufsausbildungen. Die Promotion ist dazu bestimmt, eine über das allgemeine Studienziel hinausgehende Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit nachzuweisen. Die im Vordergrund stehende Dissertation muss wissenschaftlich beachtlich sein (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 HG NRW). Sie soll einen Gewinn an wissenschaftlicher Erkenntnis erbringen und den wissenschaftlichen Austausch fördern.

35

Das Promotionswesen ist den Hochschulen bzw. deren Fakultäten (Fachbereichen) anvertraut, weil die Wahrnehmung dieser Aufgabe in besonderer Weise Sachverstand und Erfahrung in der wissenschaftlichen Forschung und Lehre erfordert. Insbesondere für die Betreuung und Bewertung von Dissertationen ist eine hohe fachwissenschaftliche Kompetenz unverzichtbar. Diese Tätigkeiten eignen sich nicht für allgemeingültige Vorgaben; sie sind dadurch gekennzeichnet, dass den verantwortlichen Wissenschaftlern weite Beurteilungsspielräume eröffnet sind. Dies gilt nicht in vergleichbarer Weise, wenn es darum geht, Verstöße gegen wissenschaftliche Pflichten bei der Erstellung der Promotionsleistungen festzustellen und zu sanktionieren. Zwar kann fachwissenschaftliche Sachkunde erforderlich sein, um Pflichtenverstöße festzustellen. Dies gilt namentlich für Ermittlungen, ob und in welchem Umfang eine Dissertation Plagiatsstellen enthält. Auch diese Tätigkeit macht aber in aller Regel keine komplexen wissenschaftlichen Erwägungen notwendig, wie sie für die Beurteilung der wissenschaftlichen Bedeutung einer Dissertation angestellt werden müssen.

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c) Zwischen den Verfassungsgrundsätzen des Vorbehalts des Parlamentsgesetzes und der Selbstverwaltung der Hochschulen in wissenschaftlichen Angelegenheiten besteht ein Spannungsverhältnis: Je weiter der Zugriff des Landesgesetzgebers auf diese Regelungsmaterien reicht, desto mehr drängt er den sich aus der Selbstverwaltung ergebenden Regelungsanspruch der Hochschulen zurück. Dies ist schon deshalb nicht unbegrenzt möglich, weil deren Selbstverwaltungsrecht in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankert ist. Daher stehen seine grundrechtlichen Gewährleistungen, zu denen das Promotionswesen gehört, nicht zur vollen Disposition des Landesgesetzgebers. Vielmehr muss dieser auch in Regelungsbereichen, die Grundrechte wie die Berufsfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht betreffen, einen angemessenen Ausgleich dieser Grundrechtspositionen mit der Hochschulselbstverwaltung herstellen. Der Landesgesetzgeber muss umso mehr Zurückhaltung üben, je mehr ein Regelungsbereich den Kernbereich der den Hochschulen nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG anvertrauten Wissenschaftspflege und je weniger intensiv er Grundrechte Privater betrifft. Zu diesem Kernbereich gehört der eigentliche Wissenschaftsprozess, d.h. die Suche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, deren Verbreitung und der wissenschaftliche Austausch.

37

Wie unter 4. a) dargelegt, kann die Entziehung des Doktorgrades die Grundrechte der Promovierten erheblich beeinträchtigen. Daher darf der Landesgesetzgeber die Entziehung des Doktorgrades nicht vollständig den Hochschulen bzw. deren Fakultäten überlassen. Hinzu kommt, dass die Entziehung nicht zum Kernbereich der Wissenschaftspflege und damit der Hochschulselbstverwaltung gehört. Hierzu zählt im Promotionswesen insbesondere die Betreuung und Bewertung von Dissertationen, nicht aber die Aufklärung und Sanktionierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Andererseits ist die Pflege der Wissenschaft nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG den Hochschulen bzw. ihren Fakultäten anvertraut. Dementsprechend tragen in erster Linie sie die Verantwortung für die Redlichkeit der unter ihrem Dach betriebenen Wissenschaft. Diese Verantwortung konkretisiert sich, wenn sich nachträglich gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie einen Doktorgrad verliehen haben, obwohl die Dissertation auf einer schwerwiegenden Verletzung gewichtiger wissenschaftlicher Pflichten beruht. Daher dürfen die Hochschulen bzw. ihre Fakultäten im Bereich der Entziehung von Doktorgraden nicht von jeder Regelungs- und Entscheidungsmöglichkeit ausgeschlossen oder auf den Vollzug gesetzlicher Entziehungsregelungen beschränkt werden. Ihnen müssen eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse verbleiben. Die gegenwärtigen landesgesetzlichen Regelungsmodelle werden diesen Anforderungen gerecht:

38

Bei Inkrafttreten des Grundgesetzes war die Entziehung des Doktorgrades abschließend durch § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade - GFaG - vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 985) geregelt, der nach Art. 123 GG in allen Bundesländern als Landesrecht fortgalt (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1960 - 7 C 198.59 - BVerwGE 10, 195 <195 f.>; Beschlüsse vom 7. September 1990 - 7 B 127.90 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2 und vom 25. August 1992 - 6 B 31.91 - NVwZ 1992, 1201; BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88 - juris Rn. 8 und 9). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GFaG konnten Doktorgrade entzogen werden, wenn sie durch Täuschung erworben worden waren (Buchst. a)), sich nachträglich herausstellte, dass der Inhaber bei der Verleihung unwürdig war (Buchst. b)) oder er sich durch sein späteres Verhalten als unwürdig erwiesen hatte (Buchst. c)). Diese Bestimmungen wurden seit den 1980er Jahren nach und nach durch Regelungen der Landeshochschulgesetze abgelöst, wobei manche Bundesländer § 4 Abs. 1 Satz 1 GFaG inhaltlich nachgezeichnet haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 15 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat derartige Nachfolgeregelungen mit der Maßgabe für verfassungskonform gehalten, dass der Entziehungstatbestand der Unwürdigkeit nur wissenschaftsrelevantes Fehlverhalten erfasst (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 22 ff.).

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Daran ist festzuhalten: Zwar geben landesgesetzliche Regelungen, die dem § 4 Abs. 1 Satz 1 GFaG nachgebildet sind, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Entziehung des Doktorgrades vor. Damit legt der Landesgesetzgeber abschließend fest, welches wissenschaftliche Fehlverhalten Anlass für die Entziehung des Doktorgrades geben kann. Bei Vorliegen eines Entziehungstatbestandes steht die Entziehung jedoch im Ermessen der Hochschulen bzw. ihrer Fakultäten. Dementsprechend haben sie die für und gegen die Entziehung sprechenden Belange, d.h. das Gewicht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens einerseits und die grundrechtsrelevanten Folgen einer Entziehung andererseits, erschöpfend aufzuklären, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Es entspricht der Verantwortung der Hochschulen bzw. ihrer Fakultäten für die Redlichkeit der unter ihrem Dach betriebenen Wissenschaft, dass sie die tatsächlichen Umstände, die für das Gewicht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens bedeutsam sind, festzustellen und zu bewerten haben. Hierunter fällt die Entscheidung, ob eine Dissertation trotz zahlreicher Plagiatsstellen noch als wissenschaftliche Eigenleistung und damit als Befähigungsnachweis für selbständiges wissenschaftliches Arbeiten gelten kann (vgl. unter 6.). Von der Bewertung des Gewichts der Pflichtenverstöße hängt ab, ob die Entziehung des Doktorgrades wegen der dadurch herbeigeführten grundrechtsrelevanten Nachteile unterbleiben kann.

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Nach alledem ist der Landesgesetzgeber zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, abschließend vorzugeben, welches wissenschaftliche Fehlverhalten den Hochschulen bzw. ihren Fakultäten Anlass zur Entziehung des Doktorgrades geben kann. Er kann stattdessen vorsehen, dass die Hochschulen bzw. ihre Fakultäten einen gesetzlich vorgegebenen Rahmen für tatbestandliche Entziehungsvoraussetzungen inhaltlich konkretisieren (BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 - BVerwGE 153, 79 Rn. 11 ff.). Darüber hinaus kann es hingenommen werden, dass der Landesgesetzgeber darauf verzichtet, einen Rahmen für Entziehungstatbestände festzulegen, und den Hochschulen lediglich einen Regelungsauftrag erteilt, wie dies durch § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW geschehen ist (vgl. unter 2.). Hierfür sprechen folgende Erwägungen: Zum einen bleibt der vom Selbstverwaltungsrecht geforderte Ermessensspielraum der Fakultäten unberührt. Zum anderen ist der Regelungsspielraum, der ihnen durch die Zurückhaltung des Landesgesetzgebers eröffnet ist, begrenzt: Die Entziehungstatbestände sind auf zwei wissenschaftsrelevante Fallgruppen begrenzt. Erfasst werden Verstöße gegen wissenschaftliche Pflichten bei der Erstellung der Promotionsleistungen, insbesondere der Dissertation, sowie wissenschaftsrelevantes Fehlverhalten, das nicht in Zusammenhang mit der Promotion steht. Vor allem aber sind die hochschulintern zuständigen Fakultäten verpflichtet, einem Auftrag des Landesgesetzgebers zum Erlass von Entziehungsregelungen nachzukommen. Sie müssen die von diesem Rechtsetzungsauftrag erfassten Entziehungstatbestände, die sie im Falle gesetzlicher Festlegungen anzuwenden hätten, in ihr Satzungsrecht aufnehmen. Ungeachtet dessen folgt die Verpflichtung der Fakultäten, jedenfalls schwerwiegende Verletzungen grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung der Dissertation zu sanktionieren, bereits aus ihrer grundgesetzlichen Verantwortung für eine redliche Wissenschaft. Auch sind sie verpflichtet, durch Gestaltung und Anwendung ihres Satzungsrechts sicherzustellen, dass die unter 4. a) dargestellten grundrechtsrelevanten Nachteile mit dem ihnen fallbezogen zukommenden Gewicht berücksichtigt werden. Dies folgt aus ihrer Bindung an die Grundrechte der bei ihnen wissenschaftlich Tätigen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 6 C 5.95 - BVerwGE 102, 304 <309>).

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5. Es verstößt nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, dass das Landesgesetz oder das Satzungsrecht der Hochschulen keine Ausschluss- oder Verjährungsfrist für die Entziehung des Doktorgrades vorsieht, während die Entziehung berufsqualifizierender akademischer Grade nur befristet möglich ist. Diese Schlechterstellung der Inhaber von Doktorgraden wird durch den besonderen Zweck dieses Grades gerechtfertigt. Im Gegensatz zu Graden, die aufgrund beruflicher Abschlüsse verliehen werden, bringt der Doktorgrad nicht nur zum Ausdruck, dass sein Inhaber bestimmte fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen hat. Darüber hinaus ist seine Verleihung mit der Erwartung verbunden, dass der Inhaber sich dauerhaft wissenschaftskonform verhalten, d.h. grundlegende wissenschaftliche Pflichten beachten wird. Der Doktorgrad weist den Inhaber als wissenschaftlich vertrauenswürdig aus. Dementsprechend muss dieser sich des Vertrauens dauerhaft als würdig, d.h. als wissenschaftlich redlich, erweisen, um den Doktorgrad weiter führen zu dürfen (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 27 und 46). Der Vertrauensvorschuss war von vornherein nicht berechtigt, wenn sich nach der Verleihung herausstellt, dass der Inhaber den Doktorgrad durch eine vorsätzliche Verletzung grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung der Dissertation erlangt, etwa keine eigenständige wissenschaftliche Leistung erbracht hat.

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6. Die Philosophische Fakultät der Beklagten hat den Regelungsauftrag des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW durch den Erlass des § 20 Abs. 2 PromO grundgesetzkonform erfüllt. Danach kann die Bewertung der Promotionsleistungen nachträglich geändert oder der Doktorgrad entzogen werden, wenn der Promovend bei einer Promotionsleistung eine Täuschung begangen hat und dies erst nach Aushändigung der Promotionsurkunde bekannt wird. Nach der irrevisiblen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts liegt eine Täuschung vor, wenn der Promovend bei den zuständigen Gremien vorsätzlich einen Irrtum über Tatsachen hervorruft, die für die Bewertung einer Promotionsleistung erheblich sind. Er muss wider besseren Wissens vorspiegeln, bei der Erbringung dieser Leistungen, insbesondere bei der Anfertigung der Dissertation, die grundlegenden wissenschaftlichen Pflichten beachtet zu haben, die sich aus Gesetz und Promotionsordnung ergeben.

43

Schlechthin grundlegend ist die Pflicht, das Gebot der Eigenständigkeit der Promotionsleistungen zu erfüllen. Der Promovend muss einen eigenen Beitrag zum Wissenschaftsprozess erbringen; er darf nicht fremde Beiträge als eigene ausgeben. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend aus dem gesetzlichen Zweck der Promotion hergeleitet, eine über das allgemeine Studienziel hinausgehende Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit nachzuweisen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 HG NRW, § 2 Abs. 1, § 11 Abs. 1 PromO). Die Philosophische Fakultät der Beklagten hat den Promotionszweck dahingehend konkretisiert, dass der Promovend insbesondere nachweisen muss, dass er über die einschlägige Theorie- und Methodenkompetenz verfügt und diese auf wissenschaftliche Probleme auch in fachübergreifendem Bezug anwenden kann. Für den Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung kommt der Dissertation entscheidende Bedeutung zu; als weitere Promotionsleistung ist regelmäßig nur eine mündliche Prüfung vorgesehen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 PromO). Dementsprechend muss es sich bei der Dissertation um eine eigenständig erstellte wissenschaftlich beachtliche Arbeit bzw. um eine wissenschaftliche Arbeit von Rang handeln (§ 67 Abs. 1 Satz 2 HG NRW, § 2 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 1 PromO). Die Pflicht, eine eigene wissenschaftliche Leistung zu erbringen, wird durch die Pflicht ergänzt, Übernahmen aus Arbeiten anderer durch Zitate der Originalquelle offenzulegen. Die Beachtung des Zitiergebots ist unverzichtbar, um beurteilen zu können, ob der Promovend das Gebot der Eigenständigkeit erfüllt hat.

44

Daraus hat das Oberverwaltungsgericht folgerichtig hergeleitet, ein Promovend begehe eine Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO, wenn er für seine Dissertation vorsätzlich Texte aus Arbeiten anderer ohne Angabe der richtigen Quellen (Plagiatsstellen) in einem Ausmaß übernimmt, das es ausschließt, die Dissertation als eigene wissenschaftliche Leistung anzusehen. Die Annahme, dass der Promovend nicht aus Nachlässigkeit, sondern mit Täuschungsvorsatz gehandelt hat, liegt umso näher, je zahlreicher die verschleierten Übernahmen sind. Die sich aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergebende Verantwortung der Fakultäten für die Redlichkeit der Wissenschaft verbietet es, den Doktorgrad für eine Dissertation zu verleihen, die dem Gebot der Eigenständigkeit nicht genügt. Durch eine solche Arbeit kann die Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten nicht nachgewiesen werden. Daraus folgt, dass die Verleihung durch Entziehung des Doktorgrades rückgängig zu machen ist, wenn sich die Täuschung über die Erfüllung dieser grundlegenden Pflicht - aus welchen Gründen auch immer - erst nach der Verleihung herausstellt. Ob die Dissertation noch als Eigenleistung des Promovenden gelten kann, entzieht sich einer allgemeingültigen Bewertung. Maßgebend ist die Würdigung des jeweiligen Sachverhalts. Hierfür sind die Anzahl der Plagiatsstellen, ihr quantitativer Anteil an der Dissertation sowie ihr qualitatives Gewicht, d.h. ihre Bedeutung für die wissenschaftliche Aussagekraft der Arbeit, zu berücksichtigen. Die Plagiatsstellen müssen die Arbeit quantitativ, qualitativ oder in einer Gesamtschau beider Möglichkeiten prägen. Eine quantitative Prägung ist zu bejahen, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen und deren Anteil an der Arbeit angesichts des Gesamtumfangs überhandnehmen. Derartige Passagen prägen die Arbeit qualitativ, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht genügt.

45

Nach § 20 Abs. 2 PromO hat die Fakultät bei Vorliegen einer Täuschung nach Ermessen zu entscheiden, ob und welche Sanktion zu verhängen ist. Insoweit unterscheidet sich die satzungsrechtliche Regelung nicht von gesetzlichen "Vollregelungen" über die Entziehung nach dem Vorbild des § 4 Abs. 1 Satz 1 GFaG. Die Fakultät ist berechtigt und verpflichtet, einerseits die Schwere der Täuschung, d.h. der wissenschaftlichen Pflichtenverstöße, andererseits die grundrechtsrelevanten Nachteile der Entziehung zu ermitteln, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (vgl. unter 4. c)). Allerdings ist die Entziehung indiziert, wenn der Promovend mangels Eigenständigkeit der Dissertation die Befähigung zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit nicht nachgewiesen hat. In diesen Fällen erweckt der Doktorgrad den irrigen Eindruck einer ordnungsgemäß nachgewiesenen wissenschaftlichen Befähigung seines Inhabers.

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7. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht angenommen, die Klägerin habe bei der Dissertation eine Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO begangen. Das Gericht hat festgestellt, die Dissertation der Klägerin weise mindestens 327 Plagiatsstellen auf, die ungefähr 40 % der Seiten erfassten. Diese tatsächlichen Feststellungen binden den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO; die Klägerin hat keine Verfahrensrügen erhoben. Entgegen ihrem Vortrag hat das Oberverwaltungsgericht diese Feststellungen ebenso wenig wie die Fakultät ungeprüft auf die Veröffentlichungen der Internetplattform "VroniPlag" gestützt. Vielmehr handelt es sich um die Erkenntnisse der von der Fakultät eingesetzten Arbeitsgruppe, die diese Veröffentlichungen eingehend überprüft und weitestgehend bestätigt hat.

47

Das Oberverwaltungsgericht hat seine tatsächlichen Feststellungen dahingehend gewürdigt, die Klägerin habe über die Eigenständigkeit ihrer Dissertation getäuscht. Die Dissertation könne aufgrund der Vielzahl der Plagiatsstellen und ihres Anteils am Gesamtumfang der Arbeit nicht mehr als selbständige wissenschaftliche Leistung im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 HG NRW gelten. Die Anzahl der Plagiatsstellen und die festgestellte Vorgehensweise der Klägerin schlössen Nachlässigkeit aus. Daraus könne nur geschlossen werden, dass die Klägerin die Übernahmen fremder Texte systematisch und planmäßig verschleiert habe. Aufgrund dieses Befunds hat das Oberverwaltungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig nicht zusätzlich geprüft, welche qualitative Bedeutung den Plagiatsstellen zukommen könnte. Seine Rechtsanwendung ist der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen, weil sie die irrevisiblen Vorschriften der § 67 Abs. 1 HG NRW und § 20 Abs. 2 PromO betrifft (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).

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8. Die vom Oberverwaltungsgericht gebilligte Ermessensausübung der Fakultät verstößt nicht gegen revisibles Recht. Die Fakultät hat nicht verkannt, dass die Entziehung des Doktorgrades für die Klägerin schwerwiegende Nachteile mit sich bringt. Ihre beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten werden voraussichtlich erheblich beeinträchtigt, ihr wissenschaftlicher Ruf und Ansehen werden beschädigt. Diese Folgewirkungen verpflichteten die Fakultät aber nicht, zum Schutz der Grundrechte der Klägerin von der Entziehung ihres Doktorgrades abzusehen. Vielmehr kam dem in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Interesse an einer redlichen Wissenschaft Vorrang zu. Wie unter 7. dargelegt, folgt dies aus der Verletzung des Gebots der Eigenständigkeit. Die Dissertation der Klägerin war nicht geeignet, die Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten nachzuweisen, weil sie nicht als Eigenleistung gelten kann. Daher hatte die Klägerin die Anforderungen an eine erfolgreiche Promotion nicht erfüllt. Der ihr verliehene Doktorgrad bescheinigt einen Nachweis, den sie durch ihre Dissertation nicht erbracht hat. Daran vermag nichts zu ändern, dass die Klägerin nach der Verleihung des Doktorgrades 1986 durch ihre langjährige Berufstätigkeit wissenschaftliche Verdienste erworben hat. Auch durfte die Fakultät nicht berücksichtigen, dass die Entziehung den Ruf namhafter Wissenschaftler, insbesondere des Doktorvaters der Klägerin, beeinträchtigt. Es dient nicht der Pflege der Wissenschaft, durchgreifende Mängel wissenschaftlicher Arbeiten "unter dem Teppich zu halten", weil sie namhafte Wissenschaftler - aus welchen Gründen auch immer - nicht moniert haben.

49

Ist die Entziehung des Doktorgrades, wie unter 5. dargestellt, unbefristet möglich, war die Fakultät nicht gehalten, davon abzusehen, weil seit der Verleihung ein Zeitraum von rund 25 Jahren verstrichen war. Dem Zeitfaktor kann bei Verletzungen des schlechthin grundlegenden Gebots der Eigenständigkeit kein maßgebender Stellenwert zukommen, weil der Doktorgrad eine Befähigung bescheinigt, die der Inhaber nicht nachgewiesen hat. In diesen Fällen ist die mit dem Doktorgrad verbundene Erwartung, der Promovend werde sich wissenschaftlich redlich verhalten, von Anfang an unbegründet. Auch hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass das Vertrauen eines Begünstigten, eine Rechtsposition behalten zu dürfen, selbst bei deren rechtsverbindlicher Verleihung nicht schutzwürdig ist, wenn er diese durch Täuschung erwirkt hat (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG NRW/VwVfG des Bundes). Angesichts der Schwere des Pflichtenverstoßes liegt auf der Hand, dass die Fakultät im Rahmen der Ermessensausübung weder die Herabsetzung der Promotionsnote noch die Aufforderung, die Dissertation nachzubessern, als mildere Mittel in Erwägung ziehen musste.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Juli 2014 - 8 K 2059/14 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige (§§ 146, 147 VwGO) Beschwerde ist nicht begründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), gebieten es nicht, den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Gründe hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt, soweit er über den Ausspruch des Verwaltungsgerichts hinausgeht, mit dem die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, ihm bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.05.2014 Zugang zu gewähren zu dem Gebäude „Verfügungsgebäude ...-..., einschließlich seiner dort befindlichen Unterlagen und Bücher, der Nutzung des Labors 2 mit dem dort befindlichen Rasterelektronenmikroskop, und einem Laborarbeitsplatz mit Computerzugang zu den für Doktoranden der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät üblichen Bedingungen.
1. Der Antragsteller wendet sich zunächst gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung der Aufhebung seiner Betreuung durch den Beigeladenen.
a) Die Zuweisung des Beigeladenen als Betreuer für seine Dissertation sei ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Deren Rücknahme (Widerruf) sei nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG nur zulässig, wenn nachträglich Tatsachen eingetreten seien, welche die Behörde berechtigt hätten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Solche Tatsachen habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen.
Es sei der Fakultät zum Zeitpunkt seiner Annahme als Doktorand (13.12.2013) bereits bekannt gewesen, dass der Beigeladene nicht bereit sei, ihn zu betreuen. Sämtliche Aspekte des Falles seien am 13.12.2013 (Zusammentreffen des Antragstellers, seines Bevollmächtigten, des Dekans der Fakultät sowie der Bereichsleiterin Akademische Angelegenheiten) besprochen worden. Angesichts dessen könne der bloße Antrag des Beigeladenen, von der Betreuung entbunden zu werden, nicht als zum Widerruf ermächtigende „neue Tatsache“ angesehen werden. Der Antrag auf Entbindung von der Betreuung bedeute nur den Versuch, an die bekannten Tatsachen eine Rechtsfolge zu knüpfen. Relevant sei nicht der formale Antrag des Beigeladenen, sondern das von diesem durch die Weigerung, ihn zu betreuen, zerstörte Vertrauensverhältnis. Daran habe sich aber nach dem 13.12.2013 nichts geändert. Die Antragsgegnerin habe schon bei Erlass des Annahmebescheides angesichts dessen, dass der Beigeladene ihn seit über einem Jahr von der Erstellung der Dissertation ausgeschlossen habe und habe verhindern wollen, dass er seine Forschungen durchführe, nicht davon ausgehen können, dass der Beigeladene bereit sei, ihn zu betreuen.
Hinzu komme, dass die Gründe für die Aufhebung der Zuweisung aus dem Bereich der Antragsgegnerin stammten. Denn die Betreuung durch den Beigeladenen sei im Rahmen seiner vorläufigen Annahme als Doktorand von dem Beigeladenen als Angehörigem der Fakultät selbst veranlasst worden. Dieses Verhalten müsse sich die Antragsgegnerin zurechnen lassen, weil sie ihm gegenüber eine Betreuungspflicht habe. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG setze aber voraus, dass die nachträgliche Änderung der Tatsachen nicht von der Behörde selbst veranlasst worden sei. Von Bedeutung seien nur Tatsachen, mit denen die Behörde nichts zu tun habe.
Mit diesem Vorbringen kann der Antragsteller nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, bei der Zuweisung des Beigeladenen als Betreuer für die Dissertation des Antragstellers mit Bescheid vom 13.12.2013 habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt, der nur im Wege eines Verwaltungsakts habe aufgehoben werden können und tatsächlich auch mit einem solchen, enthalten in dem Bescheid vom 05.05.2014, aufgehoben worden sei. Dieser Argumentation hält der Antragsteller nichts entgegen, meint aber, es habe an den Voraussetzungen für die unter dem 05.05.2014 verfügte Aufhebung der Zuweisung gefehlt. Dies trifft indes ausgehend von dem Beschwerdevorbringen nicht zu.
Die Einwände des Antragstellers sind allenfalls dazu geeignet, die vom Verwaltungsgericht zu seinen Gunsten unterstellte (vgl. S. 23 des Beschlusses vom 14.07.2014) Annahme in Frage zu stellen, die Zuweisung des Beigeladenen sei bei ihrem Erlass noch rechtmäßig gewesen und deshalb nicht an den Vorgaben des § 48, sondern an § 49 LVwVfG zu messen. Die vom Antragsteller aufgeworfenen Bedenken können nach Aktenlage aber nicht auf die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Beschlusses durchschlagen.
Der Antragsteller macht nämlich geltend, bereits vor Erlass des Zuweisungsbescheides vom 13.12.2013 sei das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beigeladenen und ihm zerstört gewesen, so dass die mangelnde Bereitschaft des Beigeladenen, ihn bei seiner Dissertation zu betreuen, schon festgestanden habe. Folgt man dem Antragsteller darin, so rechtfertigt dies unter Berücksichtigung der dem Senat vorliegenden Akten derzeit nur den Schluss, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin am 13.12.2013, den Beigeladenen gleichwohl als Betreuer zuzuweisen, von Anfang an rechtswidrig war.
10 
Das Doktorandenverhältnis zwischen einem Doktoranden und seinem Betreuer stellt ein dem öffentlichen Recht angehörendes Vertrauensverhältnis dar, das teils wissenschaftliche, teils pädagogische Elemente in sich birgt. Dabei steht als Ziel der Promotion das Erbringen einer selbständigen wissenschaftlichen Leistung im Vordergrund. Bei der Beurteilung der Frage, ob die menschlichen und wissenschaftlichen Voraussetzungen für das Doktorandenverhältnis (noch) gegeben sind, steht dem Hochschullehrer ein pädagogisch-wissenschaftlicher Bewertungsspielraum zu, wobei der Schwerpunkt auf der wissenschaftlichen Beurteilung liegt. Geht es um die Weiterführung eines schon begründeten Doktorandenverhältnisses, so müssen die Gründe, die die Auflösung des Doktorandenverhältnisses seitens des Hochschullehrers rechtfertigen können, umso mehr Gewicht haben, je länger das Doktorandenverhältnis bestanden hat und je mehr Arbeits- und Finanzkraft bereits aufgewandt worden sind. Dies gilt jedenfalls für solche Gründe, die nicht im wissenschaftlichen Bereich liegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.08.1966 - VII C 113.65 -, BVerwGE 24, 355; siehe auch Beschlüsse vom 25.07.1985 - 7 B 139.85 -, Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 109, und vom 05.11.1985 - 7 B 197.85 -, NVwZ 1986, 377; Senatsbeschluss vom 08.07.1980 - IX 1393/89 -, Juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 31.03.2014 - 2 A 89/12 -, Juris). Das Doktorandenverhältnis zwischen einem Doktoranden und seinem Betreuer steht daher in Abhängigkeit von einem bestimmten Dissertationsthema, über das zwischen den Beteiligten Einigkeit bestehen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.1995 - 18 U 60/95 -, NWVBl 1997, 113, 114). Dementsprechend schreibt die hier einschlägige Promotionsordnung (Promotionsordnung der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität ..., in der Fassung vom 13. Mai 2011, PromO) in § 4 Abs. 2 Satz 1 vor, dass bereits der Antrag auf Annahme als Doktorand (durch die Fakultät beziehungsweise die Antragsgegnerin), die ein weiteres Doktorandenverhältnis neben demjenigen zu dem Betreuer beziehungsweise den Betreuern begründet (vgl. Hartmer, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, Kap. V Rn. 16; auch terminologisch differenzierend Fertig, DVBl 1960, 881, 882: „Promovendenverhältnis“ im Gegensatz zum „Doktorandenverhältnis“), den vorläufigen Arbeitstitel der geplanten Dissertation (Nr. 2) und in der Regel die Namen der gewünschten Betreuer und deren Bereitschaftserklärung (Nr. 3) enthalten soll.
11 
Gemessen an diesen Grundsätzen dürften am 13.12.2013 die Voraussetzungen dafür, den Beigeladenen dem Antragsteller als Betreuer zuzuweisen, nicht vorgelegen haben. Zu diesem Zeitpunkt bestand keine Bereitschaft des Beigeladenen, den Antragsteller als Doktorand zu betreuen. Dies kann auch nicht als unbeachtlich betrachtet werden, da der Beigeladene nicht verpflichtet war, die Betreuung zu übernehmen. Es lag weder eine den Beigeladenen insoweit bindende Bereitschaftserklärung aus der Vergangenheit vor noch gebot eine Interessenabwägung, dass der Beigeladene den Antragsteller zwingend zu betreuen hatte. Dabei muss nicht entschieden werden, inwieweit überhaupt eine Abwägung eröffnet war, nachdem der Beigeladene ausweislich seiner E-Mail vom 13.12.2013 an den Dekan (enthalten in seiner Eingabe an den Promotionsausschuss vom 10.01.2014) der Auffassung war, es stünden weder die finanziellen noch die gerätetechnischen Mittel für die Umsetzung des vom Antragsteller aufgestellten Arbeitsplanes zur Verfügung, der Plan habe keinen Bezug zu den bisherigen Arbeiten des Antragstellers und sei methodisch in ... so nicht umsetzbar. Bereits mit seiner E-Mail vom 17.10.2013 an den Antragsteller hatte der Beigeladene ein neues Thema für die Doktorarbeit („new title“) sowie einen neuen Arbeitsplan verlangt, weil der Antragsteller gegen den alten Arbeitsplan opponiert („opposed against“) habe. Er hatte hierfür eine Frist bis zum 13.12.2013 gesetzt und angekündigt, eine Betreuung komme nicht mehr in Frage, wenn der Plan nicht vorgelegt werde. Damit stand fest und war auch dem Antragsteller bekannt, dass die Bereitschaft des Beigeladenen zur Betreuung in der Zukunft davon abhängig war, dass ein neuer Arbeitsplan erstellt und vom Beigeladenen geprüft sowie gebilligt würde. Der Antragsteller hat dem auch nicht widersprochen, sondern tatsächlich einen neuen Arbeitsplan erstellt und im November/Dezember 2013 abgegeben. An der Billigung des Beigeladenen für diesen Plan fehlte es zum Zeitpunkt der Zuweisungsentscheidung am 13.12.2013. Auf diese hätte allenfalls dann verzichtet werden können, wenn der Beigeladene die Billigung nicht hätte verweigern dürfen, jede andere Entscheidung des Beigeladenen als die Billigung des neuen Dissertationsthemas sowie des Arbeitsplanes also rechtswidrig gewesen wäre. Davon kann aber wohl nicht ausgegangen werden. Die Antragsgegnerin, namentlich in der Person des Dekans, mag zwar gute Gründe für die Annahme gehabt haben, der Beigeladene dürfe und werde sich nach seinen mehrjährigen beruflichen und wissenschaftlichen Beziehungen zu dem Antragsteller trotz aller Differenzen für eine Unterstützung von dessen Promotionsvorhaben nicht gänzlich unaufgeschlossen zeigen. Jedes Mitspracherecht darüber, inwieweit der neue Arbeitsplan eine Betreuung des Antragstellers erlaube, konnte sie dem Beigeladenen aber schon angesichts des ausgetauschten Dissertationsthemas nicht versagen. Es hätte nicht nur formal einer Anhörung des Beigeladenen bedurft. Auch inhaltlich stand der Zuweisung entgegen, dass der Beigeladene mit der Betreuung aus sachlich hinreichend nachvollziehbaren Gründen nicht einverstanden war. Darauf, ob daneben auch unsachliche Gründe bestanden und welche Konsequenzen das gegebenenfalls haben könnte, kommt es hier nicht an.
12 
In der Konsequenz dessen, dass die am 13.12.2013 vorgenommene Zuweisung des Beigeladenen als Betreuer von Anfang an rechtswidrig war, ist der Aufhebungsbescheid vom 05.05.2014 aller Voraussicht nach als Rücknahmeentscheidung auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG rechtmäßig.
13 
Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die nach § 48 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG in Bezug genommen Einschränkungen des § 48 Abs. 2 LVwVfG sind nicht einschlägig, da sie sich nur auf Verwaltungsakte beziehen, die eine Geldleistung oder eine teilbare Sachleistung gewähren oder hierfür Voraussetzung sind. Um einen derartigen Verwaltungsakt handelt es sich bei der aufgehobenen Zuweisung des Beigeladenen als Dissertationsbetreuer nicht. Auch § 48 Abs. 3 LVwVfG enthält keine Rücknahmebeschränkung, da diese Vorschrift nicht das „Ob“, sondern nur in gewisser Hinsicht das „Wie“ (ggf. Ausgleich von Vermögensnachteilen) der Rücknahme regelt.
14 
Ungeachtet dessen hatte die Antragsgegnerin im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ihr Rücknahmeermessen fehlerfrei auszuüben und dabei insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit der Antragsteller schutzwürdig auf den Bestand der Zuweisungsentscheidung vom 13.12.2013 vertrauen durfte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.02.1994 - 4 B 26.94 -, NVwZ 1994, 896, 897; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.01.1988 - 7 S 1532/87 -, NVwZ 1988, 859). Ob dabei der Vertrauensschutz des Antragstellers in analoger Anwendung von § 50 LVwVfG gemindert war, kann dahinstehen. Hierfür ließe sich anführen, dass nach § 50 LVwVfG die gesetzlich vorgesehenen Vertrauensschutztatbestände nicht gelten, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird (vgl. zu der umstrittenen Auslegung etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.12.1986 - 3 S 2336/86 -, BWVPr 1987, 89; Urteil vom 06.05.1996 - 8 S 270/96 -, VBlBW 1996, 380; Bay. VGH, Urteil vom 10.12.1996 - 20 B 95.3349 -, NVwZ 1997, 701). Als Widerspruch gegen die Zuweisung als Betreuer für die Dissertation des Antragstellers könnte unter Umständen der Antrag des Beigeladenen ausgelegt werden, von der Betreuung „entbunden“ zu werden. Einer näheren Auseinandersetzung damit bedarf es aber nicht. Auch ohne einen Rückgriff auf § 50 LVwVfG beziehungsweise dessen Regelungsgehalt dürfte die Antragsgegnerin bei der Rücknahme der Zuweisung rechtsfehlerfrei gehandelt haben:
15 
Die Rücknahme der Zuweisung dient der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände, zumal auch im Zeitraum nach Erlass der Zuweisung keine Änderungen eingetreten sind, die sich zugunsten des Antragstellers auswirken. Vielmehr hat der Beigeladene dem Antragsteller mit Schreiben vom 11.03.2014 aufgegeben, bis zum 21.03.2014 einen Bericht über den Fortschritt seiner Arbeit und bis zum 31.03.2014 eine verbesserte Version seines Arbeitsplanes vorzulegen, worauf der Antragsteller nicht reagiert hat. Wenngleich zumindest die Sinnhaftigkeit der Anforderung des Fortschrittsberichtes zweifelhaft sein mag, solange noch keine Einigkeit über grundlegendere Fragen der Betreuung beziehungsweise des Arbeitsplanes besteht, so hat sich mit dem Schreiben und der fehlenden Reaktion darauf doch zumindest gezeigt, dass die Differenzen zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen fortbestehen. Dass diese gegenüber dem Stand am 13.12.2013 gewachsen sind, offenbart sich daran, dass sich mittlerweile beide Seiten gegenüber der Antragsgegnerin anwaltlich haben vertreten lassen. Der Beigeladene hat mit Schreiben vom 02.04.2014 gar über seinen Anwalt mitteilen lassen, er werde „mit Sicherheit … nicht der fachliche Betreuer“ des Antragstellers sein. Zudem ist der Antragsgegnerin nach Aktenlage erst mit der Eingabe des Antragstellers vom 10.01.2014 die E-Mail (im Wortlaut) bekannt geworden, mit der sich der Antragsteller bereits am 01.08.2013 bei der Baden-Württemberg-Stiftung über den Beigeladenen beschwert hat. Der Antragsteller hat den Beigeladenen in dem Schreiben der Unterdrückung („oppression“) und des illegalen Verhaltens („in illegal way“) bezichtigt. Unter diesen Umständen konnte der Antragsteller kaum darauf vertrauen, dass die ohne eine Beteiligung des Beigeladenen zustande gekommene Zuweisung als Betreuer Bestand haben würde. Es musste sich für den Antragsteller aufdrängen, dass der Beigeladene diese Entscheidung nicht unwidersprochen hinnehmen würde. Die Zuweisung wurde nach Aktenlage bei einem Gespräch erwirkt, zu dem der Beigeladene nicht eingeladen war und an dem er auch nicht teilnahm. Im Vorfeld hatte der Antragsteller zwar der Antragsgegnerin und auch dem Beigeladenen seinen neuen Arbeitsplan zukommen lassen. Eine Rückmeldung darauf seitens des Beigeladenen hatte er aber weder abgefragt noch erhalten. Selbst wenn sich daher ein Vertrauen des Antragstellers gebildet haben sollte, er habe nun eine sichere Zuweisung des Beigeladenen herbeigeführt, wäre dieses Vertrauen wenig schutzwürdig, so dass die Rücknahmeentscheidung der Antragsgegnerin rechtlich wohl nicht zu beanstanden ist.
16 
Soweit der Antragsteller meint, die Zuweisung des Beigeladenen als Betreuer sei nicht erst mit dem Bescheid vom 13.12.2013 ausgesprochen worden, sondern bereits in den Bescheiden vom 24.01.2012, 14.03.2013 und 03.09.2013 enthalten gewesen, vermag ihm das nicht weiterzuhelfen. Diese älteren Bescheide ordneten jeweils nur die „vorläufige“ Annahme als Doktorand an und waren mit „Vorbehalten“ beziehungsweise Auflagen sowie einer Art „Verfallsdatum“ (zunächst: Ende des Wintersemesters 2012/13, sodann: 30.09.2013 bzw. 31.12.2013) versehen. Sie konnten nur so verstanden werden, dass die endgültige Annahme als Doktorand erst dann zustande kommen würde, wenn die Antragsgegnerin sie zu einer späteren Zeit gegebenenfalls aussprechen würde, wie dies auch tatsächlich mit dem Bescheid vom 13.12.2013 geschah. Die Erwähnung des Beigeladenen als Betreuer in den früheren Bescheiden war genauso „vorläufig“ wie die damalige Annahme als Doktorand. Mit der jeweiligen Erledigung der „vorläufigen“ Annahme als Doktorand verlor auch die Nennung des Beigeladenen als Betreuer ihre rechtliche Bedeutung, soweit eine solche überhaupt gegeben war. Ob es sich schon um eine förmliche Zuweisung im Sinne von § 4 Abs. 4 PromO handelte oder gar nur um einen unverbindlichen Hinweis für die Zukunft, kann daher dahinstehen. Die Abhängigkeit der Zuweisung eines Betreuers von der Annahme als Doktorand wird auch daran deutlich, dass nach § 4 Abs. 4 Satz 1 PromO (erst) dem (schon angenommenen) Doktoranden die wissenschaftlichen Betreuer zugewiesen werden.
17 
b) Der Antragsteller hält dem Beschluss des Verwaltungsgerichts weiter entgegen, das öffentliche Interesse erfordere die Rücknahme (den Widerruf) des Bescheides vom 13.12.2013 nicht. Es treffe nicht zu, dass die wissenschaftliche Forschung des Beigeladenen gefährdet sei, wenn die Verpflichtung zur Betreuung aufrechterhalten würde, obwohl keine Basis für eine in persönlicher und fachlicher Hinsicht vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr gegeben sei. Er sei nicht mehr Mitglied der Arbeitsgruppe des Beigeladenen. Es habe bereits seit dem Jahre 2012 nur noch zur Debatte gestanden, dass er eine Arbeit mit eigenen Proben, die er selbst analysiere, durchführen solle. Der Beigeladene könne daher wissenschaftlich forschen unabhängig davon, ob er zur Betreuung verpflichtet sei oder nicht. Er (der Antragsteller) beanspruche die wissenschaftliche Kapazität des Beigeladenen nicht. Die bloße Mitbenutzung der Ressourcen der Labore sei Alltag im Wissenschaftsbetrieb und schränke die Forschung des Beigeladenen nicht ein. Das öffentliche Interesse an einer ungehinderten wissenschaftlichen Forschung bestehe zudem nicht nur für Universitätsprofessoren, sondern auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs. An der naturwissenschaftlichen universitären Forschung sollten auch die Doktoranden als künftige Nachwuchswissenschaftler teilhaben und mitwirken. Deshalb räume ihnen § 38 Abs. 5 LHG eine starke Stellung ein. Das Interesse eines jungen Wissenschaftlers, eigene Forschungsergebnisse im Rahmen einer Dissertation zu erarbeiten, sei in Bezug auf die Wissenschaftsfreiheit nicht geringer zu veranschlagen als das Interesse des Professors, sich ohne einen „lästigen“ Doktoranden seinen Forschungsschwerpunkten zuzuwenden.
18 
Dieses Vorbringen vermag nicht zu überzeugen. Der Antragsteller meint, die Zuweisung des Beigeladenen als Betreuer seiner Dissertation hätte ohne Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit des Beigeladenen oder anderer öffentlicher Interessen aufrechterhalten werden können, da er auch im Rahmen der Betreuung durch den Beigeladenen dessen Kapazität nicht beansprucht hätte. Es gehe bloß um die „Mitbenutzung der Ressourcen der Labore“. Mit dieser Einschätzung verkennt der Antragsteller die Bedeutung der Betreuung im Rahmen eines Doktorandenverhältnisses:
19 
Mit der Betreuung tritt der Doktorand in ein enges Verhältnis zu einem Hochschullehrer. Der Hochschullehrer regt häufig Dissertationsthemen an; er lenkt die Aufmerksamkeit des Doktoranden auf Fragen, die besonderer wissenschaftlicher Durchforschung im Rahmen einer Dissertation zugänglich und bearbeitungswert sind. Er überwacht die wissenschaftliche Tätigkeit, insbesondere die Versuche des Doktoranden in Laboratorien und Instituten. Der Hochschullehrer soll aus der Fülle seines Wissens und Könnens die eigenständige wissenschaftliche Arbeit des Doktoranden fördern. Aus dem Betreuungsverhältnis erwachsen gegenseitige Verpflichtungen, sowohl solche des Hochschullehrers gegenüber dem Doktoranden, wie auch des Doktoranden gegenüber dem Hochschullehrer. Dieses Betreuungsverhältnis besonderer Art deutet der weitgehend übliche Ausdruck „Doktor-Vater“ für den Hochschullehrer, der einen Doktoranden angenommen hat, an (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1959 - III ZR 117/58 -, NJW 1960, 911, 912; siehe auch BVerwG, Urteil vom 26.08.1966 - VII C 113.65 -, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 08.07.1980 - IX 1393/89 -, a.a.O; Fertig, DVBl 1960, 881, 884 f.; Gerber, DÖV 1960, 709, 710; Hartmer, a.a.O., Kap. V Rn. 16 ff.; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 426 f.). Ausgehend davon lässt sich eine rein formale Betreuung, die die „wissenschaftliche Kapazität“ des Beigeladenen nicht antastet, nicht vorstellen. Weshalb angesichts der verfassungsrechtlich verbürgten und den Hochschullehrern auch zur Abwehr unzumutbarer Doktorandenbetreuungen gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit (vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 31.03.2014 - 2 A 89/12 -, a.a.O.) gleichwohl das öffentliche Interesse an der Rücknahme nicht gegeben sein soll, legt der Antragsteller nicht dar.
20 
Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit seiner Argumentation auf die Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG rekurriert, in der das „öffentliche Interesse“ ausdrücklich zum Tatbestandsmerkmal erhoben ist (vgl. zu den Anforderungen BVerwG, Urteil vom 24.01.1992 - 7 C 38.90 -, NVwZ 1992, 565 f.). Wie oben ausgeführt, findet die Aufhebung der Zuweisung des Beigeladenen als Betreuer indes ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG.
21 
c) Der Antragsteller beanstandet ferner, die Aufhebung der Zuweisung des Beigeladenen als Betreuer sei ermessensfehlerhaft erfolgt. Die Antragsgegnerin hätte dabei auch seine Interessen berücksichtigen müssen, tatsächlich aber nur die Interessen des Beigeladenen in den Blick genommen. Dabei wäre zu seinen Gunsten zu beachten gewesen, dass die Fortdauer der Betreuungspflicht für den Beigeladenen keine große Veränderung bedeutet hätte. Dagegen wolle er bereits seit mehr als drei Jahren an der Fakultät promovieren und wäre vermutlich auch längst damit fertig, wenn der Beigeladene ihn nicht an der Fertigstellung gehindert hätte. Die Entbindung von der Betreuung gefährde die Fertigstellung seiner Dissertation, soweit kein anderer Betreuer bestellt werde. Sie mache seine dreijährige Arbeit zunichte und gefährde seine Existenz. Außerdem könne sie den fehlerhaften Eindruck erwecken, dass Ausländer geringere Rechte hätten als Inländer.
22 
Die Entscheidung der Antragsgegnerin verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nachdem das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beigeladenen und ihm aufgrund der fortlaufenden Versuche des Beigeladenen, ihn an seinen Forschungen zu hindern, gestört worden sei. Die Antragsgegnerin hätte das zur Lösung des Konflikts mildeste Mittel wählen müssen. Bereits bei der Besprechung am 13.12.2013 sei erörtert worden, den Beigeladenen weitgehend von persönlichen Betreuungspflichten freizustellen, ihm (dem Antragsteller) jedoch die Nutzung der Diamantpolierplatte und des Transmissions-Elektronenmikroskops zu ermöglichen. Es sei erörtert worden, dass ein neutraler Professor als Gutachter die Dissertation beurteilen könne, wodurch der Beigeladene weitgehend von den Pflichten im Rahmen der Betreuung freigestellt gewesen wäre. Es wäre möglich gewesen, ihm (dem Antragsteller) einen weiteren Professor zuzuordnen. Man hätte auch den Beigeladenen von der persönlichen Betreuung mit der Beschränkung entbinden können, ihm (dem Antragsteller) gleichwohl die Möglichkeit zu geben, die notwendigen Geräte im Labor 1 und die Software INCA und ESI-Vision zu den üblichen Zeiten zu benutzen. In all diesen Fällen wäre es möglich gewesen, dass er seine Dissertation in einem Jahr fertigstelle, wobei zugleich der Beigeladene von den Betreuungspflichten weitgehend oder ganz entbunden worden wäre.
23 
Auch dieser Argumentation des Antragstellers kann nicht gefolgt werden. Der gerügte Ermessensfehler, dass nur die Interessen des Beigeladenen beachtet worden seien, liegt wohl nicht vor. In dem Bescheid vom 05.05.2014 ist ausgeführt, dass der Beschluss des Promotionsausschusses erst nach Diskussion und Würdigung der „schwierigen und auch für die Fakultät sehr ungewöhnlichen Situation“ gefasst worden sei. Daran wird - erst recht unter Berücksichtigung der Historie des Geschehens, in deren Verlauf der Antragsteller immer wieder mit der Antragsgegnerin korrespondierte - erkennbar, dass die Folgen für den Antragsteller bedacht wurden. Dies wird ferner daran deutlich, dass die sofortige Vollziehung lediglich für die „Entbindung“ des Beigeladenen, nicht aber für den Widerruf der Annahme des Antragstellers als Doktorand angeordnet und dies ausdrücklich damit begründet wurde, „zumindest insofern“ werde dem Interesse des Antragstellers entsprochen. Das Protokoll der Sitzung des Promotions- und Habilitationsausschusses vom 16.04.2014 untermauert, dass die Situation des Antragstellers nicht verkannt wurde. Darin heißt es, erst nach einer Diskussion im Gremium und dem sich aufgrund der Diskussion ergebenden Stimmungsbild habe der Vorsitzende vorgeschlagen, dem Antrag des Beigeladenen zu entsprechen. Dass im Folgenden nur Argumente zugunsten dieses Ergebnisses aufgeführt werden, liegt daran, dass dessen Richtigkeit begründet werden sollte.
24 
Die Rücknahmeentscheidung vom 05.05.2014 war aller Voraussicht nach auch nicht unverhältnismäßig. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen unter a) zur Rechtsfolgenseite des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG verwiesen werden. Soweit der Antragsteller mildere, vermeintlich ebenso taugliche Mittel zur Lösung des Konflikts zwischen ihm und dem Beigeladenen nennt, überzeugen seine Darlegungen nicht. Angesichts der Bedeutung der Betreuung im Rahmen eines Doktorandenverhältnisses zwischen einem Hochschullehrer und seinem Doktoranden (siehe dazu die obigen Ausführungen unter b) kam es nicht in Betracht, den Beigeladenen zwar als Betreuer förmlich einzusetzen, ihn aber zugleich „weitgehend von persönlichen Betreuungspflichten freizustellen“ oder ihn „von der persönlichen Betreuung mit einer Beschränkung zu entbinden“. Dies gilt umso mehr, als der Beigeladene nach der bevorzugten Vorstellung des Antragstellers als einziger Hochschullehrer der Antragsgegnerin neben dem externen Betreuer Prof. Dr. M. zur Betreuung zugewiesen werden sollte. Die vom Antragsteller angestrebte Nutzung von Ressourcen am Lehrstuhl des Beigeladenen (Labor, Spezialmikroskop, Spezialsoftware) kann nicht über den Umweg einer zur reinen pro-forma-Zuweisung reduzierten Betreuung erreicht werden. Ein Doktorandenverhältnis zu einem bestimmten Betreuer kann nicht lediglich mit dem Ziel eingegangen werden, den Zugang zu dessen sächlichen Ressourcen zu eröffnen. Die Frage, inwieweit dem Antragsteller auch ohne ein Betreuungsverhältnis zum Beigeladenen der Zugang zu dessen Einrichtungen eröffnet werden muss, ist daher getrennt zu beantworten (siehe dazu im Folgenden unter 3.).
25 
d) Schließlich meint der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe auch kein überwiegendes Vollziehungsinteresse an der Aufhebung der Betreuungspflicht des Beigeladenen. Ihr sei die verweigerte Betreuung seit langer Zeit bekannt gewesen, ohne dass sie darin einen Grund zum Handeln gesehen habe. Da der Beigeladene das Ergebnis einer möglichen Entscheidung, nämlich die Einstellung der Betreuung, schon vorweggenommen gehabt habe, indem er ihn nicht nur nicht betreut, sondern auch noch von den Möglichkeiten ausgeschlossen habe, seine Dissertation fertigzustellen, habe es keinerlei sachlichen Grund gegeben, bei der Aufhebung der Betreuung die sofortige Vollziehung anzuordnen.
26 
Diese Ansicht des Antragstellers teilt der Senat nicht. Die Antragsgegnerin dürfte zu Recht ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung der „Entbindung aus dem Betreuungsverhältnis“ mit der Begründung angenommen haben, dass es dem Beigeladenen als Betreuer nicht möglich sei, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss weiter zu betreuen, auch deshalb, weil das persönliche Vertrauensverhältnis zerstört sei. Allein die Tatsache, dass die Beanstandung des Antragstellers, ihm werde die Betreuung verweigert, seit langer Zeit bekannt gewesen sein mag, steht dem Sofortvollzugsinteresse nicht entgegen, zumal die Antragsgegnerin wichtige neue Informationen erst nach Erlass des Bescheides vom 13.12.2013 erhielt (siehe die obigen Ausführungen unter a) zur Rechtsfolgenseite des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG).
27 
2. Der Antragsteller rügt weiter, das Verwaltungsgericht habe seinen Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Widerspruch wissenschaftlich zu betreuen, zu Unrecht abgelehnt.
28 
Der Anspruch des Doktoranden auf wissenschaftliche Betreuung sei ein zusätzlicher Anspruch gegenüber der Universität, der neben dem Anspruch auf Betreuung durch die Mitglieder des Promotionskomitees bestehe. Im Fall des Wegfalls eines Promotionsbetreuers sei zumindest das Bemühen geschuldet, einen neuen Betreuer zu bestimmen. Habe die Fakultät mit Zustimmung von einem oder mehreren Professoren das Promotionsverfahren eröffnet beziehungsweise jemanden als Doktoranden angenommen, so sei sie verpflichtet, bei Auflösung eines Betreuungsverhältnisses einen neuen Betreuer zu bestellen. Das gelte jedenfalls, soweit der Doktorand diese nicht verschuldet habe. Die Professoren seien ihrerseits verpflichtet, jedenfalls in gewissem Umfang eine wissenschaftliche Betreuung zu übernehmen. Sie könnten die Betreuung nur aus sachlichen Gründen, zum Beispiel aufgrund mangelnder Fachkompetenz oder bei Überlastung, ablehnen.
29 
Die Antragsgegnerin habe aber keinerlei Gründe genannt, weshalb es allen Professoren der Fakultät aus sachlichen Gründen unzumutbar sei, eine Betreuung seiner Dissertation zu übernehmen. Es seien durchaus andere Personen als der Beigeladene zur Betreuung befähigt. Auch nach der Promotionsordnung sei es nicht erforderlich, dass der betreuende Professor gerade auf dem speziellen Gebiet der Promotion besondere Fachkenntnisse besitze. Im vorliegenden Fall gelte das umso mehr, als der zweite Betreuer, Prof. Dr. M. von der ...TH ..., die fachliche Kompetenz in hohem Maße besitze und daher eine geringere Spezialkompetenz anderer Professoren ausgleichen könne. Es möge zwar richtig sein, dass auf eine Anfrage des Dekans sich kein Mitglied der Fakultät bereit erklärt habe, die Betreuung zu übernehmen. Damit habe die Antragsgegnerin aber noch nicht dargelegt, dass die Professoren aus sachlichen Gründen außer Stande seien, die Betreuung zu übernehmen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass zum Beispiel Prof. Dr. J. zumindest bereit gewesen sei, zeitweilig die Betreuung zu übernehmen. Auch Prof. Dr. K. wäre in der Lage gewesen, habe sich allerdings aufgrund der Intervention des Beigeladenen zurückgezogen. Die Antragsgegnerin hätte daher entweder ein Mitglied der Fakultät beauftragen können, die Betreuung zu übernehmen, oder sie hätte entscheiden können, dass im konkreten Fall die Betreuung in erster Linie durch Prof. Dr. M. von der ...TH ... erfolgen solle und ein Professor der Fakultät als weiteres Mitglied des Promotionskomitees bestellt werde (§ 4 Abs. 5 Satz 3 PromO). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 PromO könne auch eine Promotion ohne einen konkreten Betreuer zugelassen werden. Die Überlegung des Verwaltungsgerichts, die Betreuung komme nicht in Betracht, weil die Dissertation im Rahmen einer Arbeitsgruppe (des Beigeladenen) angefertigt werden solle, sei unzutreffend. Seine Arbeit solle mit eigenen Proben, die er allein analysiere, durchgeführt werden. Selbst mit dem Wegfall des Beigeladenen als Betreuer werde sein Promotionsvorhaben nicht hinfällig. Ein Teil der Dissertation sei sogar schon fertig und werde von dem zweiten Betreuer (Prof. Dr. M. von der ...TH ...) als sehr gut betrachtet.
30 
Diese Einwände gebieten keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass es an der Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller als einen nach wie vor „angenommenen“ Doktoranden zu behandeln und ihm damit auch eine „wissenschaftliche Betreuung“ zukommen zu lassen (vgl. § 38 Abs. 5 Satz 2 LHG; ebenso § 38 Abs. 5 Satz 3 LHG in der bis zum 08.04.2014 geltenden Fassung), keinen Zweifel gibt. Die Aufhebung der Annahme als Doktorand in dem Bescheid vom 05.05.2014 war nicht mit einem gesetzlichen oder behördlichen Sofortvollzug verbunden. Der Antragsteller hat einen rechtzeitigen und auch sonst nicht von vornherein offensichtlich aussichtslosen Widerspruch eingelegt. Damit kommt seinem Widerspruch aufschiebende Wirkung zu (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO). Das hat auch das Verwaltungsgericht nicht anders beurteilt.
31 
Soweit der Antragsteller meint, die Antragsgegnerin sei im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen oder mehrere Betreuer zuzuweisen, hat er einen solchen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Einer Anordnung mit einem solchen Inhalt steht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Auch das vom Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung weiter eingeforderte stärkere „Bemühen“, einen neuen Betreuer zu bestimmen, hat er nicht näher konkretisiert und nicht dargelegt, inwieweit er einen dahingehenden Anordnungsanspruch haben sollte.
32 
3. Den ihm vom Verwaltungsgericht zugebilligten Zugang zu den Forschungsressourcen hält der Antragsteller für unzureichend.
33 
Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die Betreuungspflicht der Antragsgegnerin sich nicht nur darauf erstrecke, die Forschungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, die jedem Studierenden an der Universität zur Verfügung stünden. Die Nutzungsmöglichkeiten seien vielmehr abgestimmt auf die erhöhten Forschungsanforderungen einer Promotion und auf den Forschungsbereich der Dissertation zur Verfügung zu stellen. Er müsse dazu die Einrichtungen des Labors 1 nutzen, insbesondere die Diamantpolierplatte zur Vorbereitung seiner Proben, das Transmissions-Elektronenmikroskop für die Messungen sowie die Software INCA und ESl-Vision für die Analyse der Proben. Bei diesen Einrichtungen handele es sich um solche der Antragsgegnerin, auch wenn sie dem Lehrstuhl des Beigeladenen zur Verfügung gestellt worden seien. Die Anlagen seien weder Privateigentum des Beigeladenen noch könne dieser beliebig Personen davon ausschließen. Es unterliege nicht der Willkür des Lehrstuhlinhabers, wem er die Ressourcen zur Verfügung stelle und wem nicht. Auch die Lizenzen an der Software stünden nicht dem Beigeladenen persönlich zu, selbst wenn sie mit Drittmitteln für seine Arbeitsgruppe erworben worden sein sollten. Es sei nicht zu befürchten, dass die eigenen Nutzungsmöglichkeiten des Beigeladenen unzumutbar beschränkt würden. Seine Wissenschaftsfreiheit werde nicht tangiert. Er (der Antragsteller) benötige die Nutzung der Einrichtungen nur für eine relativ kurze Zeit, was im Rahmen des Nutzungsplans ohne Weiteres unterzubringen sei.
34 
Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Er teilt vielmehr die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich um Einrichtungen handelt, die nicht uneingeschränkt in der Verfügungsgewalt der Antragsgegnerin, sondern zumindest auch in derjenigen des Beigeladenen stehen. Somit könnte der Antragsteller darauf nur Zugriff nehmen, wenn er sich noch darauf berufen könnte, sich in einem Betreuungsverhältnis zum Beigeladenen zu befinden. Das ist aber nicht der Fall. Ob dem Verwaltungsgericht auch darin beigepflichtet werden kann, dass „ausschließlich“ der Beigeladene über die Einrichtungen verfügen kann, kann dahinstehen. Denn selbst wenn die Antragsgegnerin einen gewissen Zugriff auf die genannten Ressourcen hat, weil es nach heutiger Rechtslage keine „Ordinarienherrschaft“ mehr gibt (vgl. Thieme, a.a.O., Rn. 1061, sowie etwa § 20 Abs. 2 der Grundordnung der Antragsgegnerin vom 24.06.2010 über die „der Universität zur Verfügung stehenden personellen und sachlichen Mittel“), würde es die Arbeitsgruppe des Beigeladenen als gleichwohl sachlich notwendige Einheit (vgl. wiederum Thieme, a.a.O., Rn. 1061) gravierend beeinträchtigen, wenn gegen den Willen des Beigeladenen die Einrichtungen seiner Arbeitsgruppe dem Antragsteller zugänglich gemacht würden. Die Nutzung könnte zeitlich nur nach jeweiliger Absprache mit der Arbeitsgruppe des Beigeladenen erfolgen. Auch spricht viel dafür, dass die Bedienung der Einrichtungen nicht ganz ohne Aufsicht und Mithilfe von Mitgliedern der Arbeitsgruppe möglich wäre. Für entsprechende Eingriffe in die Arbeitsgruppe des Beigeladenen fehlt es infolge der sofort vollziehbaren Aufhebung der Betreuung seitens des Beigeladenen aber - auch unter Berücksichtigung der Wissenschaftsfreiheit des Antragstellers - an einer Grundlage. Im Übrigen kann sich der Antragsteller unter Umständen auch zumutbar um andere Möglichkeiten bemühen, an seiner Dissertation weiterzuarbeiten, ohne gerade die Ressourcen der Arbeitsgruppe des Beigeladenen beanspruchen zu müssen, zumal er wohl jedenfalls Zugriff auf die Einrichtungen bei Prof. Dr. M. an der ...TH ... nehmen kann (vgl. Nr. 2 der Punkte, die der Vertreter des Antragstellers als Ergebnis der Sitzung vom 13.12.2013 protokolliert hat: Auswertung der Proben mit dem Elektronenmikroskop von Prof. Dr. M., wenn diese dafür vorbereitet sind).
35 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es gibt keinen Grund für eine Billigkeitsentscheidung im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO zugunsten des Beigeladenen, der weder einen Antrag gestellt noch sonst etwas zur Förderung des Verfahrens beigetragen hat. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (VBlBW Sonderbeilage Januar 2014).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Tatbestand:

I.

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung des akademischen Grades „Dr. med.“.

1. Der Kläger ist praktizierender Kinder- und Jugendarzt in Bayern und erhielt seine Approbation mit Wirkung vom 3. Juni 1992. Im Jahr 2000 begann er zum Zwecke der Promotion unter der Betreuung von Prof. K. am Institut für Geschichte der Medizin der Beklagten mit der Bearbeitung des Themas „Die ‚W. Wundarznei‘. Ein chirurgisches Arzneimittel-Handbuch des Spätmittelalters. Textausgabe, Teil VII: Edition des siebten Segments (Arzneiöle).“ Der Kläger legte eine 58-seitige Promotionsschrift zuzüglich eines 30-seitigen Literaturverzeichnisses vor. Mit Schreiben vom 16. August 2002 beantragte er die Zulassung zur Promotion mit dem angestrebten Doktorgrad „Dr. med.“ und gab die ehrenwörtliche Erklärung ab, die Dissertation selbstständig angefertigt und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben. Der Erstgutachter Prof. K. und der Zweitgutachter Prof. T. bewerteten die Dissertation mit der Note „cum laude“ (= eine den Durchschnitt überragende Leistung). Nach der Durchführung der mündlichen Prüfung am 13. November 2002 verlieh die Beklagte dem Kläger mit Urkunde vom 21. Januar 2003 den akademischen Grad „Dr. med.“ mit der Gesamtbewertung „cum laude“.

2. Im Rahmen der von der Beklagten eingeleiteten Untersuchungen einer Reihe von Promotionsvorgängen aus dem Bereich des Instituts für Geschichte der Medizin fand sich in den Unterlagen dieses Instituts eine schriftliche Vorlage mit der Handschrift des Doktorvaters des Klägers, die inhaltlich im Wesentlichen mit der Dissertation des Klägers übereinstimmte. Am 1. Februar 2006 erfolgte eine Besprechung zwischen Prof. K., dem Ombudsmann der Medizinischen Fakultät (Prof. Ko.), dem Vorsitzenden der Promotionskommission der Medizinischen Fakultät (Prof. L.) und dem Vorsitzenden der Fakultätskommission „Gute wissenschaftliche Praxis“ (Prof. To.). Anlass für die Unterredung waren Bedenken von Prof. St. (Lehrstuhlinhaber für Geschichte der Medizin und medizinische Ethik), der nach Durchsicht von jüngeren Dissertationsschriften zu dem Ergebnis gelangt war, dass diese weitgehend der Diktion und dem Stil von Prof. K. entsprächen.

Am 16. März 2007 gab der Kläger eine „Erklärung“ ab, wonach ihm Prof. K. als Doktorvater beratend zur Verfügung gestanden habe. Ferner bestätigte er, im Zusammenhang mit der Promotion keine Zahlungen an Prof. K. getätigt zu haben.

Am 23. März 2007 wurde Prof. K. vor der Ständigen Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Universität Würzburg (im Folgenden: Fehlverhaltenskommission) angehört. In deren Bericht vom 8. Juni 2007, auf dessen Inhalt verwiesen wird, findet sich auf Seite 12 unter anderem folgende Feststellung: „[…] kann zumindest davon ausgegangen werden, dass die Fassungen der fraglichen Dissertationen […] Wort für Wort zwischen dem Doktoranden bzw. der Doktorandin und dem Doktorvater, Herrn Prof. K., abgestimmt und von ihm persönlich niedergeschrieben waren.“ Dabei gelangte die Fehlverhaltenskommission zu dem Ergebnis, dass unter anderem die Erstellung der Dissertation des Klägers auf diesem Wege erfolgt sei. Des Weiteren führte sie auf Seite 12 f. des Berichts aus: „Legt man die von Prof. K. beschriebene Verfahrensweise zugrunde, so mag das inhaltliche Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit selbstständig erbracht sein, nicht aber die Art und Weise seiner (schriftlichen) Darstellung, denn insoweit haben Doktorand bzw. Doktorandin und Doktorvater den Text gemeinsam verfasst. Eine solche Vorgehensweise - unabhängig von ihren Motiven - ist mehr als nur grenzwertig, denn sie nähert sich einer Gruppenarbeit an, bei der ein Beitrag nur dann als Prüfungsleistung einer einzelnen Person anerkannt werden kann, wenn er erkennbar ihr zurechenbar ist. Selbst wenn man unterstellt, dass jedes Wort der Dissertation die Zustimmung des Doktoranden bzw. der Doktorandin gefunden hat und in ‚Konfliktfällen‘ das Votum des Doktoranden bzw. Doktorandin stets den Ausschlag gegeben hat, bleibt schon eine Zurechenbarkeit der Prüfungsleistung zweifelhaft. Nicht hinnehmbar erscheint unter diesen Gegebenheiten jedenfalls, dass der Doktorvater zugleich der Erstgutachter der Dissertation war, denn die für die Begutachtung und Bewertung notwendige Distanz fehlt völlig. […] Die Ständige Kommission hat indessen erhebliche Zweifel, ob die Darstellung des Zustandekommens durch Prof. K. glaubwürdig ist. […]“

Mit Schreiben vom 6. August 2013 bat die Beklagte Prof. Wa. um einen Abgleich der Dissertation des Klägers mit der in den Unterlagen des Instituts für Geschichte der Medizin aufgefunden schriftlichen Vorlage mit der Handschrift des Doktorvaters. Dieser nahm mit Schreiben vom 9. September 2013 Stellung und gelangte zu folgendem Ergebnis: „In den für den Abgleich verfügbaren Abschnitten der Dissertation besteht in allen überprüften Kategorien eine inhaltliche und formale Übereinstimmung zwischen der Druckfassung und der handschriftlichen Fassung in einem Maße, so dass man die zu vergleichenden Textfassungen als identisch werten muss. Die benannten inhaltlichen und formalen Abweichungen sind marginal. Eine Ausnahme ist das Literaturverzeichnis: Die Literaturliste der Druckfassung ist um ein Mehrfaches umfassender als die der Kopie der Handschrift und bildet die im Text zitierte Literatur wohl weitestgehend vollständig ab (die Vollständigkeit wurde nicht exakt geprüft); dies ist in der Kopie der Handschrift nicht der Fall, so dass die Mehrzahl der im Text zitierten Literatur noch nicht im handschriftlichen Literaturverzeichnis aufgenommen ist. Die Literatur, die beiden Listen gemeinsam ist, ist jedoch inhaltlich und formal identisch.“

Mit Schreiben vom 24. Januar 2014 lud der Dekan der Medizinischen Fakultät die Promotionsausschussmitglieder zu der Sitzung am 3. Februar 2014 unter Beifügung der Tagesordnung (TOP 4: „Abstimmung über die Eröffnung des Prüfverfahrens zur Dissertation von Dr. C.“). In der Sitzung des Promotionsausschusses vom 3. Februar 2014 beschloss der Promotionsausschuss einstimmig die Eröffnung des Prüfverfahrens zur Dissertation des Klägers.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2014 setzte die Beklagte den Kläger über die Einleitung eines Prüfverfahrens seiner Promotionsschrift wegen des Verdachts des Vorliegens einer Täuschung im Dissertationsverfahren in Kenntnis und gab Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. Mai 2014 nahm der Kläger gegenüber der Beklagten Stellung. Hierbei führte er im Wesentlichen aus: Die weitgehende Identität zwischen der Dissertation des Klägers und den handschriftlichen Aufzeichnungen von Prof. K. werde nicht bestritten. Prof. K. habe Wert darauf gelegt, den Kläger so zu betreuen, wie die Doktoranden im „von ihm gelobten Mittelalter von ihren Doktorvätern betreut worden seien.“ Prof. K. habe dem Kläger gesagt, was er lesen solle, dieser habe sich dann Gedanken und Aufzeichnungen gemacht. Der Kläger sei häufig nach Würzburg gefahren, um die zuhause gefertigten Ausarbeitungen abzuliefern und mit Prof. K. zu diskutieren. Prof. K. habe Wert darauf gelegt, die Aufzeichnungen selbst aufzuschreiben, da dies die Umsetzung der Arbeit vereinfache. Diese Vorgehensweise sei den Mitarbeitern des Instituts bekannt gewesen und stehe einer selbstständigen Anfertigung nicht entgegen. Zudem sei das Recht auf Rücknahme der Promotion verwirkt.

In seiner Sitzung vom 2. Juni 2014 gelangte der Promotionsausschuss nach „ausführlicher Diskussion“ zu der Überzeugung, dass „eine eigenständige wissenschaftliche Leistung des Promovenden C. entgegen seiner Versicherung nicht vorgelegen habe.“ Der Promotionsausschuss beschloss mehrheitlich, dem Kläger den Doktortitel zu entziehen.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2014, zur Post gegeben am 29. Juli 2014, entzog die Beklagte dem Kläger den akademischen Grad „Dr. med.“ gemäß § 11 Abs. 5 der Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät vom 29. März 1983 i. V. m. Art. 48 BayVwVfG rückwirkend und ordnete die Rückgabe der verliehenen Doktorurkunde an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Verleihung des Doktorgrades sei rechtswidrig erfolgt. Der Kläger habe den Nachweis der Befähigung zu vertiefter und „selbstständiger“ wissenschaftlicher Arbeit nicht erbracht. Es sei insbesondere aufgrund der Ausführungen von Prof. K. in seiner Anhörung vom 23. März 2007 vor der Fehlverhaltenskommission sowie der Stellungnahme des Klägers vom 15. Mai 2014 davon auszugehen, dass der Eigenanteil des Klägers am Zustandekommen der Dissertation als „eher gering“ einzustufen sei. Unter Zugrundelegung der vom Kläger und Prof. K. beschriebenen Verfahrensweise sei der Text der Dissertation gemeinsam verfasst worden und mithin als „Gruppenarbeit“ einzustufen. Demzufolge erscheine die Zurechenbarkeit der gesamten Dissertationsleistung zweifelhaft, der Eigenanteil in jedem Fall als zu gering, da der Einfluss des Doktorvaters die tolerable Bagatellgrenze deutlich überschreite. Der Promotionsausschuss gehe davon aus, dass der Doktorvater des Klägers wesentliche intellektuelle Leistungen erbracht habe, so dass sich die Annahme von Mitautorenschaft rechtfertige. Der Kläger habe über das Vorliegen einer selbstständigen wissenschaftlichen Leistung getäuscht. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sitzungen mit Prof. K. „offenbar sichtbar“ erfolgt seien. Es liege eine Täuschung des Promotionsausschusses, des Dekans und der Medizinischen Fakultät insgesamt vor, da sich das Institut für Geschichte der Medizin räumlich weit entfernt vom übrigen Klinikgelände befinde, so dass eine tatsächliche Kenntnisnahme der anderen Fakultätsmitglieder nicht infrage gekommen sei. Aufgrund der vorsätzlichen Täuschung könne er sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen.

3. Dagegen ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 5. August 2014 Widerspruch einlegen. Zur Begründung ließ er im Wesentlichen ausführen: Eine Täuschung liege nicht vor. Die Arbeitsweise von Prof. K. sei den Mitarbeiten des Instituts bekannt gewesen. Aus der anonymen Anzeige ergebe sich eine Aufstellung derart zahlreicher Dissertationen, die in den Jahren 2002 und später abgeschlossen worden und die unter Beteiligung zahlreicher sonstiger Mitglieder der Beklagten als Gutachter beurteilt worden seien, dass die Kenntnis der Beklagten zwingend vorauszusetzen sei. Die gedankliche Leistung und die Ergebnisse des Quellenstudiums seien ausschließlich dem Kläger zuzurechnen.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2015 lud der Dekan die Mitglieder des Promotionsausschusses unter Beifügung der Tagesordnung (TOP 1: „Entscheidung über Widerspruchsverfahren betreffend Entzug des Doktorgrades; hier: Dr. C.“) zur Ausschusssitzung am 18. Mai 2015. Der Promotionsausschuss beschloss in dieser Sitzung mehrheitlich, dem Widerspruch nicht abzuhelfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2015, dem Kläger zugestellt am 14. Juli 2015, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Wahl der unzutreffenden Rechtsgrundlage im Bescheid vom 17. Juli 2014 stehe der Rechtmäßigkeit der Entziehung des Doktorgrades nicht entgegen. Sowohl nach der Promotionsordnung 1983 als auch nach der einschlägigen Promotionsordnung 2011 sei für die Entziehung des Doktorgrades die allgemeine Bestimmung des Art. 48 BayVwVfG maßgeblich. Der Prima-facie-Beweis lasse den Schluss zu, dass die gesamte Arbeit vom Doktorvater resultiere, zumal der Kläger gegenteilige Aufzeichnungen nicht mehr vorzulegen vermöge. Aufgrund der vorsätzlichen Täuschung komme eine Verwirkung nicht in Betracht. Auch das vom Kläger vorgetragene Angebot der freiwilligen Rückgabe seines Doktortitels nach Ablauf von vier Jahren sei vom Promotionsausschuss berücksichtigt worden. Allerdings würde eine solche Befristung dem Sinn und Zweck des Entzugs zuwiderlaufen.

II.

Dagegen ließ der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Juli 2015, eingegangen bei Gericht am 30. Juli 2015, Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben.

Zur Begründung ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten im Wesentlichen ausführen:

Die Protokollierung der durch den Kläger eigenständig vorformulierten Arbeitsergebnisse durch Prof. K. habe keinen Einfluss auf das Erfordernis und Vorliegen der Selbstständigkeit. Die inhaltliche Arbeit sei vollumfänglich vom Kläger geleistet worden. Die umfassende Betreuung durch den Doktorvater könne dem Kläger nicht angelastet werden. Der Kläger sei über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren über die Wochenenden und teilweise auch unter der Woche regelmäßig für die Erstellung der Promotion zum Institut für Geschichte der Medizin gereist, um gemeinsam mit Prof. K. seine vorgelegten Entwürfe und Bearbeitungen zu besprechen. In der Sitzung der Fehlverhaltenskommission vom 23. März 2007 habe Prof. K. dargelegt, dass die Arbeitsergebnisse von den Doktoranden vorformuliert worden seien und er diese lediglich protokolliert habe. Dies habe Prof. K. auch in seiner Tischvorlage zur Anhörung vom 23. März 2007 bestätigt. Auch die Fehlverhaltenskommission komme in ihrem Bericht vom 8. Juni 2007 (S. 15, 2. Absatz) zu dem Ergebnis, dass unter Zugrundelegung der beschriebenen Vorgehensweise zwischen Doktorand und Doktorvater die Prüfungsleistung dem Doktoranden erkennbar zugerechnet werden könne. Die Fehlverhaltenskommission habe in ihrem Bericht (S. 20, 2. Absatz) eine bewusste oder grob fahrlässige Falschangabe verneint, wenn man entsprechend den Darlegungen von Prof. K. davon ausgehe, der Anteil der Eigenleistung des Doktoranden betrage 80%. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behauptung, dass die Dissertation in Stil und Diktion weitgehend Prof. K. entspreche. Die Unterweisung in die Terminologie und den Stil des Doktorvaters habe keinen Einfluss auf die selbstständige Erstellung der Doktorarbeit. Auch würden Doktoranden innerhalb der mehrjährigen Betreuung mit dem Stil und der Terminologie des Doktorvaters vertraut gemacht. Die Beklagte könne sich nicht mit der Behauptung aus der Verantwortung stehlen, von den Vorgängen am Institut für Geschichte der Medizin keine Kenntnis besessen zu haben. Dieser Umstand stehe einer Täuschung gleichermaßen entgegen. Die Beklagte habe sich zudem bewusst und in Kenntnis der Umstände zunächst gegen Maßnahmen gegenüber dem Kläger entschieden und die Jahre verstreichen lassen. Aus einem weiteren Protokoll der Fehlverhaltenskommission vom 8. Dezember 2006 ergebe sich, dass diese den Kläger zum bisherigen Sachstand habe anhören wollen. Die Anhörung des Klägers sei jedoch trotz Kenntnis der Umstände nicht erfolgt. Erst über sieben Jahre später habe die Beklagte der Kläger über die Eröffnung des Prüfverfahrens informiert. Zu diesem Zeitpunkt sei dem Kläger die Vorlage entlastender Unterlagen nicht mehr möglich gewesen. Die Behauptung, sämtliche Dissertationen seien von Prof. K. verfasst worden, widerspreche bereits aufgrund der Vielzahl an betreuten Promovenden und des erforderlichen Arbeitsaufwands der allgemeinen Lebenserfahrung. Die aufgrund der fehlenden Täuschung zu beachtende Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG sei nicht gewahrt worden. Des Weiteren sei das Recht der Beklagten auf Rücknahme der Promotion verwirkt. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass die Beklagte ihr Ermessen bei der Rücknahmeentscheidung fehlerhaft ausgeübt habe. Sie müsse die aus ihrer Sphäre stammende Pflichtverletzung durch ihr Mitglied Prof. K. im Rahmen ihrer Ermessensausübung bei der Bewertung und Gewichtung der Protokollierung als eigenen Verursachungsbeitrag zugunsten des Klägers berücksichtigen. Auch werde auf die schwerwiegenden beruflichen und sozialen Nachteile, die die Rücknahme des Doktortitels zeitige, hingewiesen.

Der Kläger ließ durch seinen Bevollmächtigten beantragen,

1. den Bescheid vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2015 aufzuheben, und

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verwies die Beklagte auf den Inhalt des Entzugsbescheides und des Widerspruchsbescheides. Ergänzend führte sie im Wesentlichen aus: Die „Erklärung“ des Klägers vom 16. März 2007 beinhalte nicht, dass die Arbeit selbstständig erstellt worden sei. Wenn die Fehlverhaltenskommission auf Seite 6 ihres Berichts konstatiert habe, dass sie es nicht für geboten erachte, weitere Ermittlungen vorzunehmen, beruhe dies auf dem Umstand, dass ihr Auftrag nicht die Einleitung etwaiger Entzugsverfahren gewesen sei. Dies bleibe dem zuständigen Promotionsausschuss vorbehalten. Die Fehlverhaltenskommission habe die Dissertation des Klägers zutreffend als „Gruppenarbeit“ qualifiziert. Die Schlussfolgerung des Klägers, die Beklagte habe keine Maßnahmen hinsichtlich abgeschlossener Promotionen treffen wollen, sei unzutreffend. Nach Erstattung der Strafanzeige gegen Prof. K. sei zunächst das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgewartet worden. Von dem Strafbefehl gegen Prof. K. vom 1. Dezember 2009 habe die Beklagte erst im März 2011 Kenntnis erlangt. Die betroffenen Doktorarbeiten seien zeitlich in gewisse Kriterien eingeteilt worden. Der Promotionsausschuss habe sich der Feststellung der Fehlverhaltenskommission, wonach „[…] Art und Weise der Abfassung zahlreicher Dissertationen dann nicht den Tatbestand einer bewussten oder grob fahrlässigen Falschangabe erfüllten, wenn man der Argumentation folge, dass die Prüfungsleistung dem einzelnen Doktoranden erkennbar als eigene Leistung zugerechnet werden könne, obwohl der Eigenleistungsanteil nur 80% betrage“ (S. 20 des Berichts), nicht angeschlossen. Auch werde im Bericht der Fehlverhaltenskommission betont, dass die Umstände der engen Zusammenarbeit zwischen Prof. K. und den Doktoranden „unklar, grenzwertig und kollektiv“ gewesen seien.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2016 und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Gründe

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.1 Für die Entziehung des Doktorgrades ist, worauf im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 7. Juli 2015 zutreffend hingewiesen wird, die Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät der Universität Würzburg (PromO) vom 10. Juni 2011 und nicht die von der Beklagten zugrunde gelegte Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät der Universität Würzburg vom 29. März 1983 (PromO a. F.) maßgeblich. Die Rechtmäßigkeit der Entziehung des Doktorgrades bestimmt sich mangels einer abweichenden Regelung nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (BVerwG, U.v. 29.9.1982 - 8 C 138/81 - BVerwGE 66, 178/182; U.v. 28.7.1989 - 7 C 39/87 - BVerwGE 82, 260/261; VGH BW, U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 - KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - VBlBW 2013, 429; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 7. Juli 2015 befand sich die aufgrund der Art. 13 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 Satz 5 Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG) i. d. F. d. Bek. vom 23. Mai 2006 (GVBl S. 245), zuletzt geändert durch § 1 Nr. 212 Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), erlassene Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät der Universität Würzburg vom 10. Juni 2011 in Kraft. Die Übergangsbestimmung des § 16 Satz 1 PromO findet keine Anwendung. Danach werden Promotionsverfahren, in denen die Dissertation bereits abgegeben wurde, nach den Bestimmungen derjenigen Promotionsordnung durchgeführt, die zum Zeitpunkt der ersten Abgabe der Dissertation in Kraft war. Vorliegend war das Promotionsverfahren jedoch mit der Verleihung des Doktorgrades an den Kläger mit Urkunde vom 21. Januar 2003 vollständig abgeschlossen. Das Entziehungsverfahren, welches auf den „actus contrarius“ gerichtet ist, stellt ein hiervon unabhängiges Verfahren dar.

Für die Entziehung des Doktorgrades sind als Rechtsgrundlagen die § 11 Abs. 2, 5 PromO i. V. m. Art. 48 BayVwVfG heranzuziehen. Hat sich der Doktorand im Promotionsverfahren einer Täuschung schuldig gemacht und wird diese erst nach Aushändigung der Urkunde bekannt, so kann nachträglich die Doktorprüfung für nicht bestanden erklärt werden (§ 11 Abs. 2 PromO). Gemäß § 11 Abs. 5 PromO richtet sich die Entziehung des Doktorgrades nach Art. 69 BayHSchG. Diese Bestimmung regelt jedoch ausschließlich den Fall, dass sich der Inhaber eines akademischen Grades durch ein späteres Verhalten der Führung unwürdig erweist. Zugleich macht der Verweis des Art. 69 BayHSchG auf Art. 48 BayVwVfG deutlich, dass letztere Vorschrift für die Entziehung eines rechtswidrig erworbenen Doktorgrades Anwendung findet (VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris; BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.388 - BayVBl. 2007, 281; Reich, BayHSchG, 5. Aufl. 2007, Art. 69 Rn. 1). Die Vorschrift des Art. 48 BayVwVfG genügt auch bei der Rücknahme einer Promotionsentscheidung dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67/06 - juris).

Die Wahl der unzutreffenden Rechtsgrundlage in Gestalt des § 11 Abs. 5 PromO a. F. durch die Beklagte steht der Rechtmäßigkeit der Entziehung des Doktorgrades nicht entgegen. Vorliegend sind sowohl nach der Promotionsordnung aus dem Jahr 1983 als auch nach der einschlägigen Promotionsordnung aus dem Jahr 2011 für die Entziehung des Doktorgrades die allgemeine Vorschrift des Art. 48 BayVwVfG und infolgedessen dieselben Ermessenserwägungen maßgeblich (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2008 - 7 ZB 08.1402 - juris; BVerwG, U.v. 19.8.1988 - 8 C 29/87 - BVerwGE 80, 96; VG Regensburg, U.v. 31.07.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). Nach der von der Beklagten herangezogenen Bestimmung des § 11 Abs. 5 PromO a. F. richtete sich die Entziehung des Doktorgrades „nach den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 48 und 49 BayVwVfG).“ Dies ist unter Zugrundelegung der Nachfolgebestimmung in Gestalt des § 11 Abs. 5 PromO gleichermaßen der Fall. Zwar verweist § 11 Abs. 5 PromO im Gegensatz zur Vorgängernorm auf Art. 69 BayHSchG. Diese Bestimmung regelt jedoch ausschließlich den Fall der nachträglichen Unwürdigkeit und erklärt im Übrigen Art. 48 BayVwVfG für anwendbar. Darüber hinaus beinhalten sowohl § 6 Abs. 1 Satz 1 PromO a. F. als auch die Nachfolgebestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 1 PromO die Vorgabe einer „selbstständigen“ Arbeit. Zudem sah bereits die Promotionsordnung aus dem Jahr 1983 in § 11 Abs. 2 die Möglichkeit vor, im Falle der Täuschung im Promotionsverfahren die Doktorprüfung nachträglich für Nichtbestanden zu erklären.

1.2 Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig.

Der Promotionsausschuss der Medizinischen Fakultät der Beklagten war für die Entziehung des Doktorgrades zuständig. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG ist die Hochschulleitung für alle Angelegenheiten zuständig, für die im Bayerischen Hochschulgesetz oder in der Grundordnung nicht eine andere Zuständigkeit festgelegt ist. Für die Entziehung eines akademischen Grades ist gemäß Art. 69 Satz 2 BayHSchG diejenige Hochschule zuständig, die den Grad verliehen hat. Innerhalb der Hochschule richtet sich die Zuständigkeit nach der Promotionsordnung i. S.v. Art. 64 Abs. 1 Satz 5 BayHSchG. Vorliegend war der Promotionsausschuss, der sich aus den dem Fakultätsrat der Medizinischen Fakultät angehörenden Hochschullehrern und Hochschullehrerinnen zusammensetzt, für die Entziehung des Grades „Dr. med.“ zuständig (§§ 3, 11 Abs. 5 Satz 2 PromO).

Die Einleitung des Entziehungsverfahrens erfolgte durch den Beschluss des Promotionsausschusses in der Sitzung vom 3. Februar 2014. Dieser weist keine Verfahrensfehler auf. Der Promotionsausschuss war beschlussfähig. Die Beschlussfähigkeit setzt neben einer ordnungsgemäßen Ladung voraus, dass die Mehrheit der Mitglieder anwesend und stimmberechtigt ist (§ 3 Abs. 3 PromO). Eine ordnungsgemäße Ladung erfordert die Einhaltung einer Frist von acht Tagen; sie muss schriftlich oder per E-Mail unter Angabe der Tagesordnung an sämtliche Mitglieder ergehen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 PromO). Diese Kriterien erfüllt die per E-Mail versandte Ladung vom 24. Januar 2014. Entsprechend der Niederschrift war auch die Mehrheit der Mitglieder des Promotionsausschusses anwesend. Die Entziehung des Doktorgrades des Klägers wurde in der Sitzung des Promotionsausschusses vom 2. Juni 2014 beschlossen. Dieser Beschluss ist ebenfalls verfahrensgemäß i. S. d. § 3 Abs. 3 PromO ergangen.

Die Anhörung des Klägers gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erfolgte ordnungsgemäß. Dem Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 27. Februar 2014 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

1.3 Der Bescheid vom 17. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2015 sind auch materiell rechtmäßig. Gemäß Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67.06 - juris). So verhält es sich hier. Die Verleihung des Doktorgrades an den Kläger war rechtswidrig. Die Promotionsschrift des Klägers stellt keine selbstständige wissenschaftliche Arbeit dar. Die Beklagte hat auch ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.

1.3.1 Bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts richtet sich die Beweislast nach den allgemeinen Grundsätzen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 48 Rn. 170). Vorliegend steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zumindest den Zweitgutachter sowie die an der Durchführung des Promotionsverfahrens beteiligten Stellen (vgl. § 3 PromO a. F.) darüber täuschte, dass es sich bei seiner Arbeit nicht um eine selbstständige wissenschaftliche Leistung handelte, sondern diese vielmehr aus einer Kooperation (Mitautorenschaft) mit seinem Doktorvater hervorgegangen war.

Der in § 11 Abs. 2 PromO verwendete Begriff der „Täuschung“ ist als eine Bezugnahme auf den Betrugstatbestand des § 263 Strafgesetzbuch (StGB) zu erachten (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 RO 9 K 13.1442 - juris). Erforderlich sind eine Täuschungshandlung, durch die ein Irrtum erregt wird, sowie ein Täuschungsvorsatz. Eine Täuschungshandlung liegt vor, wenn Textstellen der Promotionsschrift nicht vom Doktoranden selbst, sondern von einem anderen Autor herrühren und dies nicht ausreichend kenntlich gemacht wird (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Berlin, U.v. 15.4.2009 - 12 A 319.08 - juris; BayVGH, B.v. 19.8.2004 - 7 CE 04.2058 - juris). Hierzu zählt auch die unerlaubte Hilfe Dritter (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 713). Die Anforderungen, die an den Nachweis der Eigenständigkeit wissenschaftlichen Arbeitens zu stellen sind, ergeben sich aus dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit und dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG (VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). Der Grundsatz, dass „nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung den Anforderungen an eine eigenständige Dissertation genügt“ (VGH BW, B.v. 13.10.2008 - 9 S 494/08 - VBlBW 2009, 191), bzw. „die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne hinreichende Kennzeichnung gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens verstößt und die Annahme als Dissertation im Regelfall ausschließt“ (BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.388 - BayVBl 2007, 281), war bereits in § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PromO a. F. niedergelegt. Danach musste die Dissertation selbstständig angefertigt, die benutzte Literatur und die sonstigen Hilfsmittel vollständig angegeben sowie wörtliche oder nahezu wörtliche Übernahmen aus dem Schrifttum kenntlich gemacht werden.

Vorliegend agierte der Kläger entgegen der von ihm gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 3 PromO a. F. mit Schreiben vom 16. August 2002 abgegebenen ehrenwörtlichen Erklärung, die Dissertation selbstständig angefertigt und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben. Sowohl die mit der Promotionsschrift des Klägers weitestgehend identische Handschrift von Prof. K. als auch die von der Fehlverhaltenskommission und Prof. W. gewonnen Erkenntnisse belegen (zumindest) eine Mitautorenschaft des Doktorvaters.

Zunächst ist die von Prof. K. angefertigte Handschrift (Bl. 23 d. Verwaltungsakte) bis auf minimale Abweichungen identisch mit der Dissertation des Klägers, was dieser im Übrigen nicht bestreitet. Zu diesem Ergebnis gelangte auch Prof. W. In seinem Schreiben an die Beklagte vom 9. September 2013 führte er aus (Bl. 53 d. Verwaltungsakte): „In den für den Abgleich verfügbaren Abschnitten der Dissertation besteht in allen überprüften Kategorien eine inhaltliche und formale Übereinstimmung zwischen der Druckfassung und der handschriftlichen Fassung in einem Maße, so dass man die zu vergleichenden Textfassungen als identisch werten muss. Die benannten inhaltlichen und formalen Abweichungen sind marginal. Eine Ausnahme ist das Literaturverzeichnis: Die Literaturliste der Druckfassung ist um ein Mehrfaches umfassender als die der Kopie der Handschrift […] Die Literatur, die beiden Listen gemeinsam ist, ist jedoch inhaltlich und formal identisch.“

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Vortrag des Klägers, wonach er regelmäßig über einen Zeitraum von fast zwei Jahren nach Würzburg gefahren sei, um sich umfassend mit Prof. K. auszutauschen. Zwar gab auch Prof. K. gegenüber der Fehlverhaltenskommission am 23. März 2007 an, die auswärtigen Doktoranden seien für die Besprechungen der Entwürfe und Arbeitsergebnisse „nie weniger als 80 Doppeltage im Institut anwesend gewesen“ (Bl. 72 d. Gerichtsakte). Allerdings geht aus seinen Angaben zum Zustandekommen der Promotionsschriften gleichermaßen hervor, dass er als Mitautor der Dissertation des Klägers fungierte. Bereits in der am 1. Februar 2006 erfolgten Besprechung mit Mitgliedern der Medizinischen Fakultät versicherte Prof. K gemäß dem Protokoll (vgl. Bl. 40 d. Gerichtsakte), „dass die Doktoranden etwa 80% der Gesamtarbeit […] eigenständig durchführten und einen vollständigen Entwurf der Doktorarbeit erstellten. Seine Aufgabe bestehe dann darin, den Entwurf textlich und redaktionell zu bearbeiten und fachlich zu optimieren, so dass er zwanglos in das geplante publikatorische Gesamtwerk eingefügt werden könne.“ Eine derartige Vorgehensweise begründet eine Mitautorenschaft des Doktorvaters und steht gleichermaßen einer selbstständigen Leistung des betreffenden Doktoranden entgegen. Die von Prof. K. nachgeschobenen Beanstandungen des Protokolls dieser Besprechung führen zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr manifestierte er seine Aussage innerhalb der am 23. März 2007 erfolgten Anhörung vor der Fehlverhaltenskommission. Hierbei führte er aus (Bl. 46 d. Gerichtsakte): „[…] Diese Doktoranden hätten ihm die von ihnen jeweils geleistete Arbeit vorgestellt. Diese Arbeitsergebnisse seien dann in ein Protokoll übernommen worden, das auf diese Weise - je nachdem wie schnell der Doktorand oder die Doktorandin vorangekommen sei - sukzessive entstanden sei. Die jeweilige Problemstellung sei zuvor mit dem Doktoranden erörtert worden und die Durchführung der Ausarbeitung seien im Detail besprochen worden. Mit dem Doktoranden sei ein exakter Arbeitsplan abgesprochen worden. Die Arbeitsergebnisse selbst habe der Doktorand oder die Doktorandin vorformuliert und er, Prof. K., habe sie dann selbst protokolliert. Damit sei ein Achetyp vorhanden gewesen. Die Protokollierung habe in Klausur stattgefunden. Wort für Wort seien Vorformulierungen mit dem Doktoranden durchgegangen worden und das jeweilige Ergebnis von ihm, Prof. K., protokolliert worden. […] sei bei diesen Arbeiten eine exakte Niederschrift äußerst wichtig, und zwar bis aufs Komma, weshalb er selbst die Protokollierung geleistet habe. […] Die Vorformulierungen der Doktoranden seien von ihnen schriftlich fixiert gewesen und er habe kein Wort in das Protokoll übernommen, das nicht die Zustimmung des jeweiligen Doktoranden gefunden habe.“ Aus diesen Angaben geht hervor, dass die Promotionsleistung einer engen Zusammenarbeit („in Klausur“) zwischen Prof. K. und dem jeweiligen Doktoranden entsprang, was dem Erfordernis der Selbstständigkeit i. S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PromO a. F. (nunmehr niedergelegt in Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PromO) zuwiderläuft.

Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten hat die Fehlverhaltenskommission in ihrem Bericht vom 8. Juni 2007 gerade keine Feststellung dahingehend getroffen, dass eine selbstständige Erstellung der Promotionsschrift des Klägers vorliegt. Zunächst gelangte die Fehlverhaltenskommission in ihrem Bericht im Hinblick auf die Arbeitsweise von Prof. K. zu folgendem Ergebnis (Bl. 56 d. Gerichtsakte): „[…] kann zumindest davon ausgegangen werden, dass die Fassungen der fraglichen Dissertationen […] Wort für Wort zwischen dem Doktoranden und dem Doktorvater, Prof. K., abgestimmt und von ihm persönlich niedergeschrieben waren […]. Insbesondere die Bearbeitung der einzelnen Teile des Arzneimittel-Handbuchs ‚Die Würzburger Wundarznei‘ erscheint auf diesem Wege erfolgt zu sein. Nachweislich kann dies mit den Dissertationen […] belegt werden, insofern sie handschriftlich vollständig von Prof. K. von der ersten bis zur letzten Zeile per Hand geschrieben und wortidentisch mit diesem Text als gedruckte Dissertation veröffentlich worden sind.“ Hierbei nahm die Fehlerhaltenskommission unter anderem explizit auf die Promotionsschrift des Klägers Bezug (Bl. 56 d. Gerichtsakte). Zudem führte sie aus (Bl. 56 d. Gerichtsakte): „Legt man die von Prof. K. beschriebene Verfahrensweise zugrunde, so mag das inhaltliche Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit selbstständig erbracht sein, nicht aber die Art und Weise seiner (schriftlichen) Darstellung, denn insoweit haben Doktorand und Doktorvater den Text gemeinsam verfasst.“ Demzufolge wurden die von Prof. K. betreuten Dissertationen zur „Würzburger Wundarznei“ detailliert zwischen dem Doktoranden und dem Doktorvater abgestimmt und von Letzterem niedergeschrieben. Zudem hat der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben vom 25. November 2014 ausgeführt, dass die „gedankliche Leistung und die Ergebnisse des Quellenstudiums ausschließlich ihm zuzurechnen seien“. Im Umkehrschluss bedeutet das, das Abfassen der Arbeit erledigten Kläger und Doktorvater gemeinsam. Ein derartiges Vorgehen läuft einer selbstständigen Anfertigung zuwider.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, wie der Klägerbevollmächtigte meint, folgende von der Fehlverhaltenskommission getroffene Feststellung (B. 64 d. Gerichtsakte): „Die von Prof. K. beschriebene Art und Weise der Abfassung zahlreicher Dissertationen erfüllt dann nicht den Tatbestand einer bewussten oder grob fahrlässigen Falschangabe, wenn man der Argumentation folgt, dass die Prüfungsleistung dem einzelnen Doktoranden bzw. der einzelnen Doktorandin erkennbar als eigene Leistung zugerechnet werden kann, obwohl der Eigenleistungsanteil nur 80% betragen sollte.“ Denn es ist aufgrund der Erstellung der Promotionsschrift „in Klausur“ bereits nicht feststellbar, welchen Eigenleistungsanteil der jeweilige Doktorand tatsächlich erbracht hat und welche Komponenten der Arbeit auf der geistigen Urheberschaft von Prof. K. beruhen. Zudem betonte die Fehlverhaltenskommission (Bl. 57 d. Verwaltungsakte): „Die Ständige Kommission hat indessen erhebliche Zweifel, ob die Darstellung des Zustandekommens durch Prof. K. glaubwürdig ist.“

Das Gericht verkennt nicht, dass einem Doktorvater im Rahmen der Erstellung der Promotionsschrift eine Betreuungsfunktion zukommt, die einen regelmäßigen Austausch mit dem Doktoranden über das Fortkommen der Arbeit beinhaltet. Demgegenüber läuft es dem Kriterium der Selbstständigkeit i. S.v. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PromO zuwider, wenn der Beitrag des Doktorvaters über eine punktuelle (mündliche) Anleitung hinausgeht und erhebliche Komponenten der Promotionsschrift - wie vorliegend - seiner geistigen Leistung entspringen. Schließlich ist es bei der vorliegend gewählten Arbeitsweise der Erstellung der Promotionsschrift „in Klausur“ nicht möglich, den geistigen Urheber der einzelnen Passagen zu ergründen. Selbst die ausschließliche Zurechnung der gedanklichen Leistung und der Ergebnisse des Quellenstudiums an den Kläger ist ausgeschlossen. Auch die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 3 PromO a. F. führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach konnte eine von mehreren Autoren angefertigte Arbeit grundsätzlich nicht als Dissertation zugelassen werden, es sei denn, ausschließlich der Betreuer der Arbeit fungierte als Mitautor. Einer auf diese Bestimmung gestützten Zulässigkeit der Mitautorenschaft von Prof. K. steht bereits entgegen, dass diese nicht kenntlich gemacht wurde. Der Promotionsschrift des Klägers lässt sich nicht entnehmen, welche Passagen auf wessen geistige Leistung zurückzuführen sind. Vielmehr wird der Kläger vollumfänglich als geistiger Urheber der Arbeit angeführt. In seiner ehrenwörtlichen Erklärung vom 16. August 2002 gab der Kläger an, die Dissertation selbstständig verfasst zu haben.

Demnach spiegelte der Kläger durch das Unterlassen einer Kenntlichmachung der Mitautorenschaft von Prof. K. und der Abgabe der ehrenwörtlichen Erklärung vom 16. August 2002, wonach er die Arbeit selbstständig angefertigt und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, den in das Promotionsverfahren involvierten Stellen vor, dass die Promotionsschrift ausschließlich auf seiner eigenständigen wissenschaftlichen Befähigung beruhe. Auf diese Weise rief er bei ihnen einen Irrtum über die geistige Urheberschaft hervor. Der Einwand des Klägers, wonach die Vorgehensweise von Prof. K. den Mitarbeitern des Instituts bekannt gewesen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen verkennt der Kläger, dass es sich um eine Vielzahl von Personen handelte, die in das Promotionsverfahren eingebunden gewesen waren. Dieser Personenkreis ging über die Mitarbeiter des Instituts für Geschichte der Medizin hinaus. So setzte sich der Promotionsausschuss aus den dem Fachbereichsrat der Medizinischen Fakultät angehörenden Hochschullehrern zusammen (§ 3 Abs. 1 PromO a. F.). Dementsprechend kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsweise von Prof. K. allgemein bekannt war. Der Kläger hat auch keinen derartigen Nachweis erbracht. Der Umstand, dass zahlreiche weitere Dissertation unter der Ägide von Prof. K. gleichermaßen „in Klausur“ angefertigt und von Mitgliedern der Beklagten begutachtet wurden, lässt nicht auf eine allgemeine Kenntnis des Vorgehens von Prof. K. schließen. Denn es bestehen bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte dahingehend, dass der jeweilige Zweitgutachter über die Arbeitsweise von Prof. K. und der damit einhergehenden mangelnden Selbstständigkeit des Doktoranden informiert war. Auch das Protokoll der Sitzung des Promotionsausschusses vom 2. Juni 2014 enthält die Feststellung (Bl. 96 d. Verwaltungsakte), dass „die Fakultät, insbesondere der Promotionsausschuss, aufgrund der räumlichen Distanz des Instituts für Geschichte der Medizin keine Kenntnis von dieser Vorgehensweise hatte“. Dem ist der Kläger nicht hinreichend entgegengetreten. Der bei den am Promotionsverfahren beteiligten Stellen hervorgerufene Irrtum war für die Verleihung des akademischen Grades „Dr. med.“ kausal. Der Kläger handelte auch mit Täuschungsvorsatz.

1.3.2 Dem Promotionsausschuss steht ein Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Erheblichkeit der Täuschungshandlung zu (VGH BW, U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 - KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). Diesbezüglich ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob ein Verstoß gegen das Willkürverbot oder sachfremde Erwägungen vorliegen (VGH BW, U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 - KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2015 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602). Hierfür bestehen in Anbetracht des Ausmaßes der Mitautorenschaft des Doktorvaters keine Anhaltspunkte.

Die Rücknahmeentscheidung weist weder in Bezug auf den Ausgangs- noch auf den Widerspruchsbescheid Ermessensfehler auf (§ 114 VwGO). Die Beklagte hat ihr Entschließungs- und Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Zwar müssen auch bei einem rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt i. S. d. Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG, der keine Geld- oder Sachleistungen gewährt, innerhalb der Ermessensausübung Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigt werden (BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67.06 - juris). Allerdings ist eine Berufung auf Vertrauensschutz ausgeschlossen, wenn eine arglistige Täuschung vorliegt. Eine Arglist besteht, wenn die vorsätzliche Irreführung eine Einwirkung auf den behördlichen Erklärungswillen bezweckt (OVG Hamburg, B.v. 28.8.2001 - 3 Bs 102/01 - NVwZ 2002, 885). Dies ist bei der auf einer Täuschung beruhenden Verleihung des Doktorgrades der Fall (BVerwG, U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 - KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; BayVGH, B.v. 5.2.2016 - 7 ZB 15.1073 - juris; VGH BW, B.v. 13.10.2008 - 9 S 494/08 - VBlBW 2009, 191; VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - VBlBW 2013, 429; VG Frankfurt a.M., U.v. 23.7.2007 - 12 E 2262/05 - juris; Reich, BayHSchG, 5. Aufl. 2007, Art. 69 Rn. 1). Darüber hinaus begründet der Umstand, dass der Zweitgutachter sowie weitere an dem Promotionsverfahren beteiligte Stellen die Mitautorenschaft von Prof. K. nicht bemerkten, keinen Vertrauensschutz dahingehend, die „elementaren Grundlagen wissenschaftlicher Arbeitstechniken missachten zu dürfen“ (vgl. BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.3888 - BayVBl 2007, 281; VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - VBlBW 2013, 429; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris).

Bei der Entziehung eines Doktorgrades haben in den Abwägungsvorgang die damit einhergehenden beruflichen Beeinträchtigungen Eingang zu finden (BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67/06 - juris). Der Promotionsausschuss hat ausweislich der Niederschrift der Sitzung vom 2. Juni 2014 eine Abwägung der widerstreitenden Interessen in Gestalt der zu erwartenden Nachteile für den Kläger und dem öffentlichen Interesse an der Entziehung getätigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass er dem Schutz der wissenschaftlichen Lauterkeit und der Wahrung des Renommees der Medizinischen Fakultät ein größeres Gewicht beimaß als den von Art. 12 Abs. 1 GG erfassten beruflichen Interessen des Klägers (vgl. BVerwG, B.v. 20.10.2006 - 6 B 67/06 - juris; BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.388 - BayVBl 2007, 281; VG Frankfurt a.M., U.v. 23.5.2007 - 12 E 2262/05 - juris; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602). Schließlich stellt die Funktionsfähigkeit der Wissenschaft ein „überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in dem objektiven Regelungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut dar“ (BVerwG, U.v. 31.7.2013 - 6 C 912 - BVerwGE 147, 292). Hingegen musste der Umstand, dass der Zweitgutachter innerhalb des Promotionsverfahrens die Täuschung nicht registriert hatte, nicht in die Abwägung einfließen (BayVGH, U.v. 4.4.2006 - 7 BV 05.388 - BayVBl. 2007, 281; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). In Anbetracht des Umfangs der Mitautorenschaft musste der Promotionsausschuss auch keine Nachbesserung der Arbeit als gegenüber der Entziehung milderes Mittel in Betracht ziehen (hierzu VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - juris). Eine Nachbesserung ist allenfalls bei Bagatellvergehen zu erwägen. Dies geht u. a. aus § 7 Abs. 2 PromO hervor, wonach ein Gutachter dem Promovenden die Dissertation zum Zwecke der Umarbeitung zurückgeben kann, wenn er sie „im Ganzen für befriedigend, jedoch in einigen nicht maßgeblichen Einzelheiten für verbesserungswürdig“ hält. Bei einer Mitautorenschaft des Doktorvaters war eine Nachbesserung ausgeschlossen.

Der Einwand des Klägerbevollmächtigten, wonach die Beklagte die aus ihrer Sphäre stammende Pflichtverletzung durch ihr Mitglied Prof. K. innerhalb der Ermessensausübung bei der Bewertung und Gewichtung der Protokollierung als eigenen Verursachungsbeitrag zugunsten des Klägers hätte berücksichtigten müssen, geht fehl. Zunächst ist dem Protokoll der Sitzung des Promotionsausschusses am 2. Juni 2014 zu entnehmen, dass sich das Gremium mit der Vorgehensweise von Prof. K. befasste. Des Weiteren ist in dem Sitzungsprotokoll niedergelegt, dass „die Fakultät, insbesondere der Promotionsausschuss, aufgrund der räumlichen Distanz des Instituts für Geschichte der Medizin keine Kenntnis“ von der Vorgehensweise von Prof. K. hatte. Damit befasste sich der Promotionsausschuss durchaus mit dem Fehlverhalten von Prof. K., gelangte jedoch zu der Feststellung, dass dessen Pflichtverletzung der Beklagten nicht zugerechnet werden könne. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden. Schließlich bestehen - wie zuvor erläutert - keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sämtliche an dem Promotionsverfahren beteiligten Stellen Kenntnis über die Arbeitsweise von Prof. K. besaßen.

1.3.3 Die Rücknahmemöglichkeit war auch nicht verfristet, wie der Kläger meint. Gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit der Kenntniserlangung der Behörde von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zulässig. Allerdings findet diese Jahresfrist gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG i. V. m. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG keine Anwendung, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt wurde (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2008 - 9 S 494/08 - VBlBW 2009, 191; U.v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19; VG Karlsruhe, U.v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 - VBlBW 2013, 429; VG Frankfurt a.M., U.v. 23.5.2007 - 12 E 2262/05 - juris; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13 - ZUM 2014, 602; VG Regensburg, U.v. 31.7.2014 - RO 9 K 13.1442 - juris). So verhält es sich hier. Der Kläger hat die Verleihung des akademischen Grades „Dr. med.“ durch eine bewusste Täuschung über die selbstständige Erstellung der Promotionsschrift erwirkt, was ein arglistiges Vorgehen darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2016 - 7 ZB 15.1073 - juris).

Eine Verwirkung der Rücknahmemöglichkeit kommt ebenfalls nicht in Betracht. Das Rechtsinstitut der Verwirkung entspringt dem Grundsatz von Treu und Glauben. Es besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung ein längerer Zeitraum vergangen ist und besondere Umstände bestehen, die die verspätete Geltendmachung treuwidrig erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 23.5.1975 - IV C 73.73 - BVerwGE 48, 247; U.v. 15.5.1985 - 3 C 86/82 - BVerwGE 69, 237). Das Gericht verkennt nicht, dass zwischen dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Beklagten von der dem Entzug des Titels „Dr. med.“ zugrunde liegenden Tatsachen und der tatsächlichen Durchführung des Entziehungsverfahrens gegenüber dem Kläger ein Zeitraum von mehreren Jahren lag. Schließlich geht aus dem Protokoll über die Sitzung der Fehlverhaltenskommission vom 8. Dezember 2006 hervor, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Anhörung des Klägers zum bisherigen Sachstand beabsichtigt war. Gleichwohl fehlt es hier aufgrund der Täuschung über die Selbstständigkeit der Anfertigung der Arbeit bereits an einem schutzwürdigen Vertrauen des Klägers in ein Unterlassen der Entziehung des Doktorgrades (vgl. VG Köln, U.v. 6.12.2012 - 6 K 2684/12; VG Düsseldorf, U.v. 20.3.2014 - 15 K 2271/13). Dementsprechend steht auch die Behauptung des Klägers, wonach er aufgrund des beträchtlichen vergangenen Zeitraums ihn entlastende Unterlagen entsorgt habe, der Entziehung seines Titels nicht entgegen. Die Aufbewahrung der seiner Promotionsschrift zugrundeliegenden Materialien unterliegt ausschließlich seinem Verantwortungsbereich.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

64
sich darauf, ob eine Pflicht zur Verzinsung und Auskehr aufgelaufener Zinsen an die Berechtigten bestand, mithin auf das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (Untreue) und – vorgelagert – namentlich auf das Merkmal der Täuschung (Betrug). Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt die Kenntnis der die objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden Umstände für die Begründung des Vorsatzes nicht. Der Täter muss zusätzlich die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 16 Rn. 69 ff.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 25 f.; KK-OWiG/Rengier, 4. Aufl., § 11 Rn. 15, 19).

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

17
Stellt sich der Täter für die erstrebte Bereicherung eine Anspruchsgrundlage vor, die in Wirklichkeit nicht besteht, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Dezember 1997 – 1 StR 456/97, NStZ-RR 1999, 6; Beschluss vom 21. Februar 2002 – 4 StR 578/01, NStZ 2002, 481). Ein solcher Irrtum über die Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung liegt aber nicht schon dann vor, wenn sich der Nötigende nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen das Opfer fühlt. Entscheidend ist, ob er sich vorstellt, dass dieser Anspruch auch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozess durchsetzen könnte (BGH, Urteile vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 329 und vom 16. Dezember 1997 – 1 StR 456/97, NStZ-RR 1999, 6).
10
a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen Erpressungsvorsatz der Angeklagten verneint hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern. Die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist ein normatives Tatbestandsmerkmal des § 253 StGB, auf das sich der - zumindest bedingte - Vorsatz des Täters erstrecken muss. Stellt dieser sich für die erstrebte Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage vor, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (st. Rspr., vgl. BGHSt 48, 322, 328). Jedoch genügt es für den Erpressungsvorsatz, wenn der Täter es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass die Forderung nicht oder nicht im Umfang des Nötigungsziels besteht oder aber von der Rechtsordnung nicht geschützt ist. Nur wenn der Täter klare Vorstellungen über Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat, fehlt es ihm an dem Bewusstsein einer rechtswidrigen Bereicherung (BGH NStZ-RR 1999, 6; StV 2000, 79, 80).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.


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Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich dagegen, dass ihm die beklagte Universität den von ihr verliehenen Doktorgrad unter Berufung darauf entzogen hat, er habe sich durch späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen.

2

Der Kläger ist Physiker. Die Beklagte promovierte ihn im Januar 1998 auf Grund einer Dissertation auf dem Gebiet der Photovoltaik zum Doktor der Naturwissenschaften. Von Juli 1998 bis September 2002 arbeitete der Kläger in einer privaten Forschungseinrichtung, den zur Firma L. T. gehörenden B. L., in den USA. Für diese Tätigkeit hatte ihm die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Postdoktorandenstipendium mit der Laufzeit von August 1998 bis Januar 2000 bewilligt. Der Kläger befasste sich während dieser Zeit mit Forschungen und Experimenten zur Supraleitung und zur Herstellung von Nano-Bauelementen. Er war an einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen beteiligt, die in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit teilweise als bahnbrechend gewürdigt wurden.

3

Im Mai 2002 setzte die Leitung der B. L. eine Kommission unter dem Vorsitz von Prof. B. von der S. University (im Folgenden: B.-Kommission) ein, um die Vorwürfe des wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu klären, die in der Fachöffentlichkeit unter Bezug auf von dem Kläger und verschiedenen Mitautoren verfasste Publikationen erhoben worden waren. Nach der Untersuchung von 24 Veröffentlichungen und einem unveröffentlichten Manuskript aus den Jahren 1998 bis 2002 kam die B.-Kommission in ihrem Abschlussbericht vom September 2002 (im Folgenden: B.-Report) zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Originaldaten und die verwendeten Proben seiner beschriebenen Experimente nicht systematisch archiviert habe. Zudem gebe es zwingende Belege dafür, dass er Daten manipuliert und falsch dargestellt habe. Eine Verantwortlichkeit auch der Mitautoren der betroffenen Ausarbeitungen scheide aus, da der Kläger die zu Grunde liegenden Versuche und Messungen mit wenigen Ausnahmen allein durchgeführt habe.

4

Entsprechend einem von dem Promotionsausschuss Physik der Beklagten gefassten Beschluss entzog dessen Vorsitzender dem Kläger mit Bescheid vom 4. Juni 2004 unter Berufung auf § 55c Abs. 1 UG BW a.F. den verliehenen akademischen Grad eines Doktors der Naturwissenschaften, weil sich der Kläger im Sinne der Vorschrift durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen habe. Der Begriff der Unwürdigkeit sei wissenschaftsbezogen zu verstehen. Der Ausschuss sei auf Grund einer eigenen Würdigung des B.-Reports zu der Auffassung gelangt, dass ein wissenschaftliches Fehlverhalten des Klägers in Gestalt der Datenmanipulation, der Präsentation von Daten in falschem Zusammenhang und der künstlichen Erzeugung von Daten in einem in der deutschen Wissenschaftsgeschichte bisher beispiellosen Ausmaß nachgewiesen sei. Das Interesse der Beklagten, eine Person, die wissenschaftliches Fehlverhalten in einem derart erheblichen Umfang zu verantworten habe, nach außen sichtbar aus dem Kreis derjenigen auszuschließen, die durch den Doktorgrad die Zugehörigkeit zur qualifizierten wissenschaftlichen Forschung dokumentierten, überwiege das persönliche Interesse des Klägers, durch die Führung des Titels seine erfolgreiche Promotion zu belegen und seine beruflichen Chancen zu verbessern.

5

Im Verlauf des Verfahrens über den von dem Kläger gegen die Entziehungsverfügung eingelegten Widerspruch untersuchte der Promotionsausschuss Physik der Beklagten sieben der in dem B.-Report aufgeführten Publikationen. In der hierüber gefertigten Analyse stellte der Promotionsausschuss fest, dass vielfach Originaldaten fehlten und im Übrigen Daten manipuliert, gefälscht und fabriziert worden seien; zudem würden in den Publikationen mehrfach geglättete Daten gezeigt, dabei werde jedoch suggeriert, dass es sich um gemessene Daten handele. Der Promotionsausschuss zog überdies die Entscheidung des Hauptausschusses der DFG vom 14. Oktober 2004 bei, in der festgestellt worden war, dass dem Kläger im Hinblick auf zwei Veröffentlichungen aus den Jahren 1998 und 2000, die er in einem Bericht an die DFG benannt hatte und die auch von der B.-Kommission untersucht worden waren, wissenschaftliches Fehlverhalten in der Form der Fälschung und Manipulation von Daten sowie der unzureichenden Aufbewahrung und Dokumentation von Primärdaten zur Last zu legen sei. Nachdem sich der Promotionsausschuss für die Zurückweisung des Widerspruchs des Klägers ausgesprochen hatte, wurde dieser durch den Prorektor für Lehre der Beklagten unter dem 19. Oktober 2009 entsprechend beschieden. Die Voraussetzungen für den Entzug des Doktorgrades nach dem zwischenzeitlich an die Stelle des § 55c Abs. 1 UG BW a.F. getretenen, wortgleichen § 35 Abs. 7 LHG BW lägen vor. Der Kläger habe über einen längeren Zeitraum und in erheblichem Umfang wissenschaftliches Fehlverhalten an den Tag gelegt und dadurch seine Kernpflichten als Wissenschaftler massiv verletzt.

6

Das Verwaltungsgericht hat der von dem Kläger erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben, weil es das der angefochtenen Entziehungsverfügung zu Grunde liegende wissenschaftsbezogene Verständnis des in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW enthaltenen Begriffs der Unwürdigkeit verfassungsrechtlich für nicht zulässig, stattdessen eine Beschränkung auf Fälle besonders zu missbilligender Straftaten für geboten und zudem die Entziehung des Doktorgrades des Klägers für unverhältnismäßig gehalten hat.

7

Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Entziehung des Doktorgrades habe in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage. Das in der Norm enthaltene Tatbestandsmerkmal der Unwürdigkeit sei wegen des in ihm angelegten Wissenschaftsbezugs hinreichend bestimmt. Ein Titelinhaber erweise sich als unwürdig zur Führung des verliehenen Doktorgrades, wenn er gravierend gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis bzw. die wissenschaftliche Redlichkeit verstoße, insbesondere Forschungsergebnisse fälsche. Derart ausgelegt, bestünden auch keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW mit den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Dass dem Kläger ein die weitere Führung des verliehenen Doktorgrades ausschließender schwerwiegender Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit zur Last zu legen sei, habe die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise angenommen. Da der Kläger die Primärdaten seiner Untersuchungen nicht ordnungsgemäß aufbewahrt und die durchgeführten Experimente nicht hinreichend dokumentiert habe, könne im Wege des prima-facie-Beweises darauf geschlossen werden, dass die von dem Kläger behaupteten Experimente nicht in der beschriebenen Weise stattgefunden hätten. Unabhängig hiervon sei durch die Entscheidung des Hauptausschusses der DFG vom 14. Oktober 2004 und die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens durchgeführte Untersuchung des Promotionsausschusses Physik der Beklagten positiv nachgewiesen, dass der Kläger Daten gefälscht und manipuliert habe. Auch die Einwände des Klägers gegen die Ergebnisse der B.-Kommission überzeugten nicht. Bei dieser Sachlage sei eine weitere gerichtliche Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht nicht veranlasst gewesen. Ein Ermessensfehler sei der Beklagten nicht unterlaufen. Insbesondere stehe die Entziehung des Doktorgrades in Ansehung der Gesamtumstände in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs.

8

Zur Begründung seiner von dem Senat zugelassenen Revision gegen das Berufungsurteil macht der Kläger - teilweise gestützt auf die Erwägungen des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils - geltend: Der überkommene hochschulrechtliche Begriff der Unwürdigkeit gehöre dem revisiblen Recht an. Durch die von dem Verwaltungsgerichtshof vorgenommene wissenschaftsbezogene Auslegung gewinne dieser Begriff eine verfassungsrechtlich unzulässige Weite. Sie ermögliche eine dauerhafte Entwertung des korrekt erworbenen Doktorgrades auf Grund eines nachträglichen Fehlverhaltens ohne strafrechtliche Relevanz und dadurch einen unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und die Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, erfasse unter Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nur diejenigen Inhaber eines Doktorgrades, die nach ihrer Promotion weiterhin im Wissenschaftsbereich tätig seien, und verletze die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Justitiabilität, weil sich verlässliche Kriterien für die Beantwortung der Frage, wann gravierendes wissenschaftliches Fehlverhalten vorliege, nicht finden ließen. Unabhängig hiervon sei der Verwaltungsgerichtshof in verfahrensfehlerhafter Weise zu seiner Feststellung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens gelangt. Er habe unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO - hier in seiner Ausprägung durch die gerichtliche Hinweis- und Erörterungspflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO und § 104 Abs. 1 VwGO - ein Überraschungsurteil erlassen und überdies die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, weil er den bestrittenen Sachvortrag der Beklagten ohne weitere Ermittlungen bzw. Beweiserhebung und ohne entsprechenden vorherigen Hinweis als gegeben vorausgesetzt habe. Eine Gehörsverletzung wegen des Erlasses eines Überraschungsurteils sei dem Verwaltungsgerichtshof auch deshalb vorzuwerfen, weil er nicht darauf hingewiesen habe, dass er der rechtlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts nicht folgen und den unbestimmten Rechtsbegriff der Unwürdigkeit auch in Abkehr von seiner eigenen bisherigen Rechtsprechung wissenschaftsbezogen auslegen werde. In jedem Fall habe die Beklagte den Doktorgrad in ermessensfehlerhafter Weise entzogen, weil die Wissenschaftsgemeinschaft mit den gegen ihn, den Kläger, erhobenen Vorwürfen auch ohnedies bereits vertraut gewesen sei und im Übrigen der Titel bei wissenschaftlichen Publikationen im Fach Physik nicht angegeben werde.

9

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. September 2011 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 22. September 2010 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. September 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

10

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision ist sowohl mit ihrem Hauptantrag als auch mit ihrem Hilfsantrag unbegründet und deshalb gemäß § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Das angefochtene Urteil hat im Einklang mit Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO die Klage gegen die Entziehung des Doktorgrades abgewiesen.

13

Die Vorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschulen in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz BW - LHG BW) vom 1. Januar 2005 (GBl S. 1), hier anwendbar in der Fassung des Gesetzes vom 14. Juli 2009 (GBl S. 317, 331), wonach der von einer baden-württembergischen Hochschule verliehene Hochschulgrad unbeschadet der §§ 48 und 49 LVwVfG BW entzogen werden kann, wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat, gehört dem nach § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisiblen Landesrecht an (1.). Sie verstößt in ihrer Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Grundgesetz (2.). Ebenso wenig ist revisionsgerichtlich zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof die auf die Vorschrift gestützte Entziehungsverfügung der Beklagten im Übrigen als rechtmäßig beurteilt hat. An die den Tatbestand des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW ausfüllenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da der Kläger keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe gegen sie vorgebracht hat (3.). Einen Ermessensfehler der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Verstoß gegen Bundesrecht verneint (4.).

14

1. Der Kläger geht fehl, wenn er meint, der in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff der Unwürdigkeit gehöre dem revisiblen Recht an. Er beruft sich zu Unrecht darauf, dass der Begriff aus der die Entziehung wegen nachträglicher Unwürdigkeit durch späteres Verhalten betreffenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) des früheren Gesetzes über die Führung akademischer Grade (GFaG) vom 7. Juni 1939 (RGBl I S. 985) mit bundeseinheitlicher Geltung überkommen sei und das Hochschulrecht der Länder den Entzug des Doktorgrades durchweg an die Voraussetzung der Unwürdigkeit knüpfe.

15

Das vorkonstitutionelle Gesetz über die Führung akademischer Grade galt in seinem wesentlichen Normbestand nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wegen seiner Zugehörigkeit zum Hochschulrecht und damit zur Gesetzgebungskompetenz der Länder gemäß Art. 123 Abs. 1 GG als Landesrecht fort (stRspr seit dem Urteil vom 26. Februar 1960 - BVerwG 7 C 198.59 - BVerwGE 10, 195 <195 f.> = Buchholz 421.11 § 4 Ges. Akadem. Grade Nr. 1 S. 1 f., zuletzt Urteil vom 25. August 1993 - BVerwG 6 C 4.91 - BVerwGE 94, 73 <76 f.> = Buchholz 421.11 § 2 GFaG Nr. 14 S. 14). Die Geltung des Gesetzes in allen damaligen Ländern machte es nicht zu Bundesrecht und führte mangels einer ausdrücklichen Anordnung der Landesgesetzgeber nach Art. 99 GG auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtseinheit und des Anspruchs der Bürger auf Gleichbehandlung nicht dazu, dass es als revisibel angesehen werden konnte (Beschlüsse vom 26. November 1976 - BVerwG 7 B 48.75 - Buchholz 421.11 § 2 GFaG Nr. 4 S. 2, vom 17. März 1978 - BVerwG 7 B 14.77 - Buchholz 421.11 § 2 GFaG Nr. 6 S. 7 und vom 20. Juli 1984 - BVerwG 7 B 116.84 - Buchholz 421.11 § 2 GFaG Nr. 8 S. 4). Für Regelungen, die - wie § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW - nach der sukzessiven Aufhebung des Gesetzes über die Führung akademischer Grade in den Ländern an die Stelle des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) GFaG getreten sind, besteht erst recht kein Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Revisibilität (Beschluss vom 10. März 1997 - BVerwG 6 B 72.96 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 4), zumal längst nicht alle Länder derartige Nachfolgeregelungen erlassen haben (vgl. die Zusammenstellung der einschlägigen Landesvorschriften bei: Stumpf, BRJ Sonderausgabe 1/2011, 36 Fn. 325). Der Senat hat demnach nur zu prüfen, ob die durch den Verwaltungsgerichtshof ausgelegte Entziehungsvorschrift als solche oder ihre Anwendung auf den konkreten Fall dem (Verfassungs-)Recht des Bundes widerspricht.

16

2. Die Vorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW ist nicht verfassungswidrig. Der in ihr enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff der Unwürdigkeit erfährt durch seinen Wissenschaftsbezug, den der Verwaltungsgerichtshof im Wege der für den Senat nach § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO verbindlichen Normauslegung festgestellt hat (a)), eine Konkretisierung, die dem in dem Rechtsstaatsprinzip und damit im Wesentlichen in Art. 20 Abs. 3 GG zu verortenden Gebot der Gesetzesbestimmtheit genügt (b)). Die Norm ist in dieser Auslegung auch mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (c)), der in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit (d)), dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (e)) und dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (f)) vereinbar.

17

a) Nach ihrer Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof ist die landesrechtliche Entziehungsvorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW wissenschaftsbezogen zu verstehen. Anders als dies bei den auf einen berufsqualifizierenden Abschluss gerichteten Hochschulgraden der Fall sei, werde durch den Doktorgrad nicht lediglich ein einmal erreichter Ausbildungsstand nachgewiesen. Vielmehr bescheinige die Erlaubnis zur Führung des Doktorgrades dem Inhaber gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 LHG BW die Befähigung zu vertiefter - und auch selbständiger - wissenschaftlicher Arbeit. Damit werde der Inhaber öffentlich sichtbar als Mitglied der akademischen Wissenschaftsgemeinde ("scientific community") ausgewiesen. Er gelange durch diese Zuschreibung in dem arbeitsteiligen Prozess des wissenschaftlichen Fortschritts in den Genuss eines Vertrauensvorschusses, was die Einhaltung der Regeln der Wissenschaftlichkeit anbelange. Die Kernpflicht wissenschaftlichen Arbeitens bestehe in der Wahrung der wissenschaftlichen Redlichkeit, zu der auch § 3 Abs. 5 Satz 1 LHG BW ausdrücklich verpflichte. Ein Titelinhaber erweise sich deshalb dann als unwürdig im Sinne des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW, wenn sich der mit der Verleihung des Doktorgrades begründete Anschein wissenschaftskonformen Arbeitens angesichts gravierender Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit - insbesondere in Form der Fälschung von Forschungsergebnissen - als unzutreffend herausstelle und zum Schutz vor Irreführung korrigiert werden müsse. Demgemäß sehe auch § 3 Abs. 5 Satz 3 LHG BW vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben in wissenschaftserheblichem Zusammenhang als beispielhaft für einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis an.

18

Durch diese Ausführungen hat der Verwaltungsgerichtshof den Regelungsgehalt der landesrechtlichen Vorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW dahingehend umrissen, dass sie von den durch Prüfung erlangten Hochschulgraden nur den Doktorgrad erfasst und für dessen Entziehung wegen späterer Unwürdigkeit vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen wissenschaftliche Kernpflichten voraussetzt.

19

b) Mit diesem Inhalt steht § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW nicht in Widerspruch zu dem in dem bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip wurzelnden (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 <384>; BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 - BVerwG 6 CN 3.10 - BVerwGE 139, 210 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 175 Rn. 22) Gebot der hinreichenden gesetzlichen Bestimmtheit.

20

Das Bestimmtheitsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, den Tatbestand einer Norm mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Dass ein Gesetz unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, verstößt allein noch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justitiabilität. Das Gesetz muss nur so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind dann von Verfassungs wegen hinzunehmen. Erforderlich ist allerdings stets, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Sie müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolge vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 a.a.O. S. 384 f. m.w.N.).

21

Diese Bestimmtheitsanforderungen würden verfehlt, wollte man für die Bestimmung der Unwürdigkeit im Sinne der Entziehungsvorschrift, wie von der älteren Instanzrechtsprechung (etwa: OVG Münster, Urteil vom 14. Januar 1963 - V A 747/62 - MDR 1965, 515 <516>; OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Oktober 1965 - V OVG A 58/63 - OVGE 21, 441 <443 ff.>; VGH München, Urteile vom 21. Juli 1966 - Nr. 184 VI 65 - DVBl 1967, 89 und vom 14. Februar 1969 - Nr. 182 III 67 - VGHE 22, 111 <112>; vgl. auch noch: OVG Berlin, Urteil vom 26. April 1990 - 3 B 19/89 - NVwZ 1991, 188; OVG Koblenz, Urteil vom 31. Juli 1991 - 2 A 10260/91 - NVwZ-RR 1992, 79 <80>), der frühen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 6. September 1966 - BVerwG 7 B 201.65 - Buchholz 421.11 § 4 Ges. Akadem. Grade Nr. 2 S. 4) und großen Teilen der Literatur (z.B. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004 Rn. 420, 436 f., 441; Menzel, JZ 1960, 461) für die Vorgängernorm des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) GFaG vertreten, auf die Enttäuschung traditioneller gesellschaftlicher Vorstellungen über den Doktorgrad als öffentliche Würde eigener Art, als herausgehobener Rang oder als ehrenvolle Kennzeichnung der Persönlichkeit seines Trägers abstellen. Weder haben derartige allgemeine Vorstellungen, sofern sie in der Gesellschaft überhaupt auch heute noch bestehen, eine normative Grundlage, noch sind die Hochschulen institutionell oder fachlich zur Abgabe und Durchsetzung entsprechender Werturteile berufen. Die Fallgestaltungen, in denen eine Entziehung des Doktorgrades wegen späterer Unwürdigkeit gerechtfertigt wäre, würden nicht in hinreichender Weise erkennbar (Lorenz, DVBl 2005, 1244; Maurer, Promotion, in: Flämig/Kimminich/Krüger/Meusel/Rupp/Scheven/Schuster/Graf Stenbock-Fermor , Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1996, S. 768 f., 776; Stumpf, a.a.O. S. 36).

22

Dementsprechend haben das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht in den wenigen, sehr kurzen Entscheidungen, in denen explizit die Bestimmtheit des Unwürdigkeitsbegriffs des früheren § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c) GFaG in Frage stand, der Sache nach eine restriktive, verfassungskonforme Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs für erforderlich gehalten. Bestimmend für diese Rechtsprechung ist der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88 - (juris Rn. 8 f.; vgl. im Übrigen noch: Beschluss vom 18. Dezember 1992 - 1 BvR 1475/92 - n.v. und dazu: BVerwG, Beschluss vom 10. März 1997 a.a.O.), dessen Erwägungen sich das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 7. September 1990 - BVerwG 7 B 127.90 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2 S. 9 und vom 25. August 1992 - BVerwG 6 B 31.91 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 3 S. 13) zu eigen gemacht hat. Das Bundesverfassungsgericht (Kammerbeschluss vom 30. November 1988 a.a.O.) hat die Unschärfe des Unwürdigkeitsbegriffs hervorgehoben und Zweifeln Ausdruck verliehen, inwieweit Verhaltensweisen, die keinen unmittelbaren Bezug zu der mit dem Doktorgrad verbundenen fachlich-wissenschaftlichen Qualifikation hätten, zur Begründung eines Unwerturteils herangezogen werden dürften. Deshalb werde eine Auslegung, die eine funktionelle Verknüpfung - des seinerzeit gegebenen strafbaren Verhaltens - mit dem Wesen und der Bedeutung des akademischen Grades herstelle, den verfassungsrechtlichen Anforderungen in besonderer Weise gerecht.

23

Diesen bundesverfassungsgerichtlichen Ansatz hat der Verwaltungsgerichtshof unter Aufnahme einschlägiger dogmatischer Grundlegungen in der Literatur (Lorenz, a.a.O. S. 1242 ff.; v. Coelln, FuL 2011, 278 f.; im Ausgangspunkt auch Tiedemann, ZRP 2010, 55 und später Stumpf, a.a.O. S. 37 f.) durch die auf die systematischen Bezüge innerhalb des Landeshochschulgesetzes gestützte wissenschaftsbezogene Interpretation des Unwürdigkeitsbegriffs in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW weiterentwickelt. Er ist auf diese Weise zu einer konsistenten Beschreibung des Regelungsbereichs der Entziehungsvorschrift gelangt, die deren Begrenzung ohne Weiteres ersichtlich werden lässt. Die Vorschrift erfasst danach im Wesentlichen die Verletzung von Pflichten, die sich unabhängig von den innerhalb der Wissenschaft erarbeiteten Zusammenstellungen der Anforderungen an eine gute wissenschaftliche Praxis (zum Beispiel: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis - Empfehlungen der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft", Denkschrift 1998 mit Ergänzung vom Juli 2013) im Sinne eines Begriffskerns (vgl. dazu: Schmidt-Aßmann, NVwZ 1998, 1226; Schulze-Fielitz, WissR, Beiheft 21 <2011> S. 6) bereits aus dem Begriff der Wissenschaft als solchem, das heißt dem ernsthaften Versuch zur Ermittlung von Wahrheit ergeben. In vergleichbarer Weise hat der Senat (Urteil vom 11. Dezember 1996 - BVerwG 6 C 5.95 - BVerwGE 102, 304 <308 ff.> = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 150 S. 63 ff.) in anderem Zusammenhang die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte individuelle Forschungsfreiheit des Hochschullehrers in Beziehung zu der Verantwortung der Hochschule für die Pflege der Wissenschaften gesetzt, die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als objektiver, das Verhältnis von Wissenschaft und Staat regelnder wertentscheidender Grundsatznorm ableitbar ist. Dem im vorliegenden Fall in Rede stehenden Fälschungs- und Manipulationsverbot können danach - wie etwa § 3 Abs. 5 Satz 3 LHG BW im Hinblick auf Hochschulangehörige bestimmt - vor allem die vergleichbar gewichtigen Verbote der Verletzung des geistigen Eigentums und der Beeinträchtigung der Forschungstätigkeit Anderer an die Seite gestellt werden.

24

Mit dieser Auslegung des Unwürdigkeitsbegriffs verträgt es sich indes nicht, wenn der Verwaltungsgerichtshof - wenngleich nicht im Zusammenhang mit der Frage der Bestimmtheit der Entziehungsvorschrift, sondern mit derjenigen ihrer Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz - offen lässt, ob neben den Fällen einer wissenschaftsbezogen begründeten Unwürdigkeit auch bei schweren Verfehlungen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs eine Entziehung des Doktorgrades in Betracht kommen könnte. Der in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW enthaltene Unwürdigkeitsbegriff, der nach den Maßgaben des Landeshochschulrechts über die Bedeutung des Doktorgrades wissenschaftsbezogen zu verstehen ist, kann aus Gründen des bundesverfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots nicht zugleich unter Heranziehung anderer Kriterien interpretiert werden, die mangels normativer Regelung ihrerseits nur in der oben genannten Enttäuschung nicht hinreichend fassbarer gesellschaftlicher Vorstellungen über den Doktorgrad und dessen Träger bestehen können. Dies gilt auch für die unter anderem in der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 4 Abs. 1 GFaG (Urteil vom 18. März 1981 - IX 1496/79 - JZ 1981, 661 <663>; ebenso: Starosta, DÖV 1987, 1052) und in dem hiesigen Verfahren noch von dem erstinstanzlichen Urteil befürwortete Beschränkung des Unwürdigkeitsbegriffs auf besonders schwere oder verwerfliche Straftaten jedenfalls dann, wenn diese Taten keinen Wissenschaftsbezug aufweisen. Vor diesem Hintergrund ist der Senat zu der Feststellung befugt, dass die von dem Verwaltungsgerichtshof gefundene wissenschaftsbezogene Auslegung des Unwürdigkeitsbegriffs in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW als abschließend anzusehen ist (vgl. dazu allgemein: Urteil vom 17. Oktober 1986 - BVerwG 7 C 79.85 - BVerwGE 75, 67 <72> = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 18 S. 33).

25

c) In der wissenschaftsbezogenen Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof ist § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

26

Von vornherein kein Raum besteht für die Annahme, das individuelle Wissenschaftsfreiheitsrecht sei dadurch verletzt, dass die Unwürdigkeit im Sinne der landesrechtlichen Entziehungsvorschrift überhaupt in vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstößen gegen wissenschaftliche Kernpflichten gefunden werde. Denn ein derartiges wissenschaftliches Fehlverhalten wird bereits von dem Schutzbereich des Grundrechts nicht erfasst (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1996 a.a.O. S. 312 bzw. S. 67; Linke, WissR 1999, 160; Lorenz, a.a.O. S. 1244 f.).

27

Ein unzulässiger Eingriff in die individuelle Wissenschaftsfreiheit liegt auch nicht darin begründet, dass die Vorschrift als Reaktion auf die in Rede stehenden späteren wissenschaftlichen Pflichtverstöße den Zugriff auf den Bestand des zuvor redlich erworbenen Doktorgrades ermöglicht. Denn der damit für den Träger des Grades verbundene Nachteil findet seine Rechfertigung in dem Gehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als objektiver Grundsatznorm, weil er nach dem von dem Verwaltungsgerichtshof festgestellten Regelungsgehalt der landesrechtlichen Entziehungsvorschrift der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses dient. In der Wissenschaft als prinzipiell offenem System muss jeder wissenschaftlich Tätige mit seinen Forschungen auf den Erkenntnissen anderer aufbauen und darauf vertrauen können, dass diese nicht manipuliert sind. Wird dieses Vertrauen verletzt, leidet neben der Qualität der jeweiligen Forschungsarbeit auch die Präzision des Fachdiskurses. Dies kann die Glaubwürdigkeit des Wissenschaftsbetriebs insgesamt beschädigen (vgl. Goeckenjan, JZ 2013, 725; Deutsche Forschungsgemeinschaft, a.a.O. S. 27). Vor diesem Hintergrund hat der Landesgesetzgeber nach Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs dem verliehenen Doktorgrad die Funktion zugeschrieben, im Fall der weiteren Teilnahme seines Trägers am Wissenschaftsprozess als Ausweis für dessen Willen und Fähigkeit zur permanenten Einhaltung der wissenschaftlichen Kernpflichten zu dienen. Der Landesgesetzgeber hat diese Zuschreibung mit einer entsprechenden Verhaltenserwartung verknüpft und für den Fall der Nichterfüllung der Erwartung die Entziehung des Doktorgrades vorgesehen. Dieses Regelungssystem stellt sich unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative und des Gestaltungsspielraums des Landesgesetzgebers nicht als unverhältnismäßig im weiteren Sinne dar. Insbesondere sind die gesetzgeberische Zuschreibung und Verhaltenserwartung nicht deshalb als fehlsam zu beurteilen, weil das entsprechende Vertrauen in den Doktorgrad in der Wissenschaft bzw. in einzelnen ihrer Bereiche in tatsächlicher Hinsicht unterschiedlich stark ausgeprägt sein mag.

28

Einen unverhältnismäßigen Charakter gewinnt die in § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW geregelte Entziehung des Doktorgrades wegen eines späteren wissenschaftsbezogenen unwürdigen Verhaltens ferner nicht deshalb, weil die Vorschrift keine Bestimmung über eine Befristung der Entziehungsentscheidung enthält. Denn in Fällen, in denen sich eine Aufrechterhaltung der Entziehungsverfügung als unzumutbar erweisen sollte, kann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch Rechnung getragen werden, dass die Entziehungsentscheidung auf der Grundlage der nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisiblen Vorschrift des § 49 Abs. 1 LVwVfG BW, auf die § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW ausdrücklich verweist, widerrufen wird (zur Aufhebung einer Entziehungsentscheidung nach dem früheren Gesetz über die Führung akademischer Grade unter Verweis auf § 4 Abs. 4 GFaG: VGH Mannheim, Urteil vom 18. März 1981 a.a.O. S. 664; Thieme, a.a.O. Rn. 446; vgl. auch: Maurer, a.a.O. S. 777). Unabhängig hiervon besteht grundsätzlich die Möglichkeit eines Neuerwerbs des Doktorgrades (Stumpf, a.a.O. S. 48).

29

Schließlich können etwaige für das Grundrecht der subjektiven Wissenschaftsfreiheit bedeutsame Besonderheiten des Einzelfalles im Rahmen der nach § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW erforderlichen Ermessensausübung berücksichtigt werden.

30

d) Die wissenschaftsbezogen ausgelegte Entziehungsvorschrift des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW verletzt nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.

31

Einschränkungen der Berufsfreiheit, die sich als Folge einer auf Grund der Vorschrift verfügten Entziehung des Doktorgrades für Tätigkeiten im Wissenschaftsbetrieb ergeben, sind entsprechend den Darlegungen zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gerechtfertigt, weil sie zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses, einem überragend wichtigen und verfassungsrechtlich in dem objektiven Regelungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Gemeinschaftsgut, erforderlich und auch sonst verhältnismäßig sind. Deshalb müssen die von einer Entziehungsentscheidung Betroffenen auch mit dieser verbundene faktische Beeinträchtigungen einer Berufsausübung (vgl. zu solchen Beeinträchtigungen allgemein: Urteil vom 18. Oktober 1990 - BVerwG 3 C 2.88 - BVerwGE 87, 37 <41 ff.> = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 209 S. 27 ff.) außerhalb des Wissenschaftsbereichs hinnehmen. Der Landesgesetzgeber war auf Grund der ihm zustehenden Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis nicht verpflichtet, bereichsspezifische Verbote zur Führung des Doktorgrades vorzusehen. Eine im Einzelfall gegebene besondere Betroffenheit in beruflicher Hinsicht kann wiederum in die Ermessensausübung nach § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW einfließen.

32

e) Aus den bisherigen Darlegungen folgt zugleich, dass - im Hinblick auf einen etwaigen, mit der Entziehung des Doktorgrades zusammenhängenden Verlust gesellschaftlichen Ansehens - das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht in der wissenschaftsbezogen interpretierten Norm des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW eine verfassungsmäßige Grenze findet.

33

f) Der Umstand, dass der wohl überwiegende Teil der Promovierten mangels weiterer wissenschaftlicher Tätigkeit nach der Promotion dem Anwendungsbereich des wissenschaftsbezogen verstandenen § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW faktisch nicht unterfällt, begründet keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Er ist vielmehr deshalb sachlich gerechtfertigt, weil von den besagten Titelträgern keine Gefahr einer Störung des Wissenschaftsprozesses durch Verletzung wissenschaftlicher Kernpflichten ausgeht (vgl. Stumpf, a.a.O. S. 38).

34

3. Gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger habe den Tatbestand des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW erfüllt, ist revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.

35

Der Verwaltungsgerichtshof hat - unmittelbar und unabhängig von dem ergänzend gezogenen, an eine mangelhafte Archivierung von Primärdaten und Dokumentation von Experimenten anknüpfenden prima-facie-Schluss - festgestellt, dass der Kläger während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in den USA schwerwiegend und wiederholt Daten seiner Forschungsergebnisse manipuliert und gefälscht hat. Auf diesen vorsätzlichen bzw. grob fahrlässigen Verstoß gegen das zum Kreis der wissenschaftlichen Kernpflichten gehörende Fälschungs- und Manipulationsverbot hat der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der Unwürdigkeit des Klägers im Sinne des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW gestützt. Der Senat ist gemäß § 137 Abs. 2 VwGO an die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs und dessen auf dieser Grundlage vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung gebunden, weil der Kläger mit seinen hiergegen gerichteten Verfahrensrügen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (a)) und der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (b)) nicht durchzudringen vermag.

36

a) Der Kläger macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verstoßen, weil das Berufungsurteil sowohl im Hinblick auf seine tatsächliche als auch in Bezug auf seine rechtliche Grundlage eine Überraschungsentscheidung darstelle. In tatsächlicher Hinsicht habe der Verwaltungsgerichtshof nicht nach § 86 Abs. 3 VwGO darauf hingewiesen bzw. nicht gemäß § 104 Abs. 1 VwGO erörtert, dass er die von ihm, dem Kläger, bestrittene Manipulation und Fälschung von Daten allein auf Grund des Akteninhalts als erwiesen ansehen werde. Eines solchen Hinweises habe es zwingend bedurft, da der Verwaltungsgerichtshof einerseits anders als das erstinstanzliche Urteil ein wissenschaftsbezogenes Unwürdigkeitsverständnis befürwortet, andererseits aber den für ein solches Verständnis entscheidungserheblichen umstrittenen Sachverhalt nicht durch eigene Ermittlungen und Beweiserhebungen aufgeklärt habe. Anders gewendet hätte der Verwaltungsgerichtshof in rechtlicher Hinsicht nicht ohne vorherigen Hinweis sein wissenschaftsbezogenes Unwürdigkeitsverständnis an die Stelle der von der Vorinstanz in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vertretenen Beschränkung auf besonders schwere oder verwerfliche Straftaten setzen dürfen. Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang ergänzend auf die auf den Zivilprozess bezogene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa Kammerbeschluss vom 16. Oktober 1991 - 2 BvR 458/89 - NJW 1992, 495 m.w.N.) und des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03 - FamRZ 2005, 700 f. m.w.N.) über zweitinstanzliche Vortragserleichterungen für die in erster Instanz siegreiche Partei bzw. zu deren Gunsten eingreifende Hinweispflichten des Berufungsgerichts nach § 139 ZPO in der prozessualen Situation, dass das Berufungsgericht den Rechtsstandpunkt der Vorinstanz nicht teilt. Er macht geltend, dass er, wenn der Verwaltungsgerichtshof den erforderlichen Hinweis in tatsächlicher Hinsicht erteilt hätte, in der Lage gewesen wäre, dazu Stellung zu nehmen, Vertagung zu beantragen und weiter vorzutragen oder einen förmlichen Beweisantrag zu stellen, so dass eine für ihn günstigere Entscheidung des Berufungsgerichts nicht ausgeschlossen gewesen wäre. Auf eine verfahrensfehlerhafte Ablehnung eines gestellten Beweisantrages hätte er seine Nichtzulassungsbeschwerde stützen können. Auf den notwendigen Hinweis in rechtlicher Hinsicht hin hätte er den Verwaltungsgerichtshof mit seiner früheren Rechtsprechung konfrontiert.

37

Der Gehörsrüge muss der Erfolg versagt bleiben. Sie erfüllt bereits nicht die Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, der für die Rüge eines Verfahrensmangels die Angabe der Tatsachen verlangt, die den Mangel ergeben. Wird ein Gehörsverstoß geltend gemacht, sind demnach substantiierte Ausführungen darüber erforderlich, was im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs über das bisherige Vorbringen hinaus noch entscheidungserheblich vorgetragen worden wäre bzw. welche Beweisanträge gestellt worden wären (vgl. Urteile vom 16. August 1983 - BVerwG 9 C 853.80 - Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 26 S. 10 und vom 24. September 1992 - BVerwG 3 C 88.88 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 61 S. 267 f.). Dies ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.

38

Davon abgesehen liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht vor, denn das angefochtene Urteil stellt keine diesen Grundsatz verletzende Überraschungsentscheidung dar. Auch unter Berücksichtigung der Ausprägung, die der Grundsatz durch die Hinweis- und Erörterungspflichten nach § 86 Abs. 3 VwGO und § 104 Abs. 1 VwGO erfährt, ist das Tatsachengericht nicht verpflichtet, die Beteiligten schon vor bzw. in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung (Beschlüsse vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2; vom 27. November 2008 - BVerwG 5 B 54.08 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 60 Rn. 8 und vom 29. Juni 2011 - BVerwG 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 8). Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf eine rechtliche Sichtweise oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (Beschlüsse vom 27. November 2008 a.a.O. Rn. 8; vom 29. Juni 2011 a.a.O. Rn. 8 und vom 19. Juli 2010 - BVerwG 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 Rn. 4; vgl. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>; Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - BVerfGE 98, 218 <263>; Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 10/99 - BVerfGE 108, 341 <345 f.>). Die Annahme eines solchen Ausnahmefalls scheidet hier aus.

39

In tatsächlicher Hinsicht hat die Beklagte die Annahme der wissenschaftsbezogen verstandenen Unwürdigkeit des Klägers im Sinne des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW auf die Ergebnisse des B.-Reports vom September 2002, die Feststellungen des Hauptausschusses der DFG vom 14. Oktober 2004 und die im Widerspruchsverfahren von ihrem Promotionsausschuss Physik erstellte Fehleranalyse gestützt. Der Kläger hatte im Verwaltungsverfahren Gelegenheit, ausführlich zu den in den genannten Untersuchungen enthaltenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Verwaltungsvorgänge, in denen das Material enthalten ist, sind im gerichtlichen Verfahren beigezogen worden. In der ersten Instanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben sich die Beteiligten weiter umfänglich darüber auseinander gesetzt. Nachdem sie in der Berufungsinstanz über die Rechtsfrage der - in dem erstinstanzlichen Urteil abgelehnten - wissenschaftsbezogenen Auslegung der Unwürdigkeit im Sinne des § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW gestritten hatten, hat der Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen auf die Behördenakten zurückgreife. Für den anwaltlich vertretenen Kläger konnte daher kein Zweifel bestehen, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, sollte sich dieser der Ablehnung des wissenschaftsbezogenen Unwürdigkeitsverständnisses durch das Verwaltungsgericht nicht anschließen, die Frage eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens des Klägers und der tatsächlichen Grundlagen dafür Bedeutung erlangen würde. Ebenso klar lag zu Tage, dass der Verwaltungsgerichtshof dann seiner ausdrücklichen Ankündigung gemäß auf die in den Behördenakten enthaltenen tatsächlichen Feststellungen abstellen würde. Der Kläger musste deshalb damit rechnen, dass das Berufungsgericht dabei die für ihn ungünstigen Ergebnisse der bereits von der Beklagten herangezogenen Untersuchungen als überzeugend erachten würde.

40

Auch in rechtlicher Hinsicht musste der Kläger ohne weiteren gerichtlichen Hinweis gewärtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Unwürdigkeit als Voraussetzung für die Entziehung des Doktorgrades nach § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW wissenschaftsbezogen verstehen und insoweit seine frühere Rechtsprechung (Urteil vom 18. März 1981 a.a.O. S. 663) zu § 4 Abs. 1 GFaG fortentwickeln würde. Schließlich hatte die Beklagte ihre Entziehungsverfügung ausdrücklich auf ein solches wissenschaftsbezogenes Unwürdigkeitsverständnis gestützt. Die Beteiligten hatten darüber bereits in der ersten Instanz ausführlich und in der Berufungsinstanz fast ausschließlich gestritten.

41

Weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht kann der Kläger aus der von ihm herangezogenen zivilprozessualen Rechtsprechung etwas zu seinen Gunsten herleiten, denn diese hat ihre Grundlage in dem Beibringungsgrundsatz, der den Zivilprozess prägt (vgl. zu diesem Zusammenhang: Beschluss vom 24. Juli 2008 - BVerwG 6 PB 18.08 - Buchholz 251.7 § 79 NWPersVG Nr. 7 Rn. 3), jedoch im Verwaltungsprozess nicht gilt.

42

b) Die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO durch den Verwaltungsgerichtshof sieht der Kläger darin begründet, dass dieser, obwohl er, der Kläger, die Vorwürfe der Manipulation und Fälschung von Daten substantiiert bestritten und widerlegt habe, die in den Verfahrensakten enthaltenen Feststellungen übernommen habe, anstatt den Sachverhalt von Amts wegen näher zu ermitteln und gegebenenfalls das von der Beklagten in der ersten Instanz angeregte Sachverständigengutachten einzuholen.

43

Für eine Prüfung dieses Verfahrensfehlers hat der Kläger keine den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügende Grundlage unterbreitet. Für die ordnungsgemäße Begründung der Aufklärungsrüge muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände, die für das Gericht entscheidungserheblich waren, Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Dabei müssen die Beweismittel, deren Heranziehung sich dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen, angegeben werden, also zum Beispiel die Sachverständigen genannt und die im Einzelnen in ihr Wissen gestellten Tatsachen angeführt und dargelegt werden, inwiefern das Urteil im Einzelnen auf der unterbliebenen Vernehmung beruht oder beruhen kann (stRspr, vgl. nur Urteile vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 25 und vom 14. Februar 2007 - BVerwG 6 C 28.05 - Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 3 Rn. 11).

44

Die Revisionsbegründung wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Kläger hätte dem von der Beklagten entsprechend den Ergebnissen des B.-Reports, der Entscheidung des Hauptausschusses der DFG vom 14. Oktober 2004 und der Fehleranalyse des Promotionsausschusses Physik der Beklagten erhobenen Vorwurf der Manipulation und Fälschung von Daten sein abweichendes Vorbringen im Detail entgegenstellen müssen. Er hätte weiter angeben müssen, was der Verwaltungsgerichtshof insoweit - quasi auf der Hand liegend - mit welchem Ergebnis aufzuklären gehabt hätte. Dies hat der Kläger nicht ansatzweise getan.

45

4. Ein Verstoß gegen Bundesrecht liegt schließlich nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ausübung des von § 35 Abs. 7 Satz 1 LHG BW eingeräumten Ermessens durch die Beklagte gebilligt hat.

46

Die wissenschaftsbezogene Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unwürdigkeit im Tatbestand der Entziehungsvorschrift bringt es mit sich, dass im Rahmen des eingeräumten Ermessens auf der Rechtsfolgeseite der Norm dem allgemeinen Interesse an der Vertrauenswürdigkeit wissenschaftlicher Tätigkeit besonderes Gewicht zukommt. Dem hat die Beklagte Rechnung getragen. Wegen der auch formellen Funktion des Doktorgrades als Vertrauenswürdigkeitsausweis geht das von dem Kläger verwandte Argument ins Leere, in seinem Fall sei die Wissenschaftsgemeinschaft durch das Aufsehen, das die gegen ihn gerichteten Vorwürfe erregt hätten, bereits materiell hinreichend unterrichtet und eine Entziehung des Doktorgrades nicht mehr erforderlich gewesen. Ferner ist es, anders als der Kläger meint, unerheblich, wenn der Doktorgrad bei wissenschaftlichen Publikationen im Fach Physik nicht angegeben wird, denn der Wissenschaftsprozess greift hierüber weit hinaus.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 04. Oktober 2007 - 8 K 1384/05 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der zulässige Antrag des Klägers ist unbegründet. Ein hinreichender Grund zur Zulassung der Berufung im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht dargelegt worden (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht, dieses ist vielmehr im Ergebnis zutreffend und überzeugend begründet.
a) Rechtsgrundlage für die von der Beklagten mit Verfügung vom 21.07.2004 ausgesprochene Entziehung des Doktorgrades ist - nachdem § 24 der Promotionsordnung eine eigenständige Regelung nicht enthält - § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Zwar ist in § 35 Abs. 7 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg - LHG - vom 1. Januar 2005, das bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 bereits in Kraft getreten war (vgl. Art. 28 des Zweiten Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 01.01.2005, GBl. S. 1), eine spezialgesetzliche Regelung für die Entziehung akademischer Grade für den Fall enthalten, in dem sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat. Diese Regelung schließt den Rückgriff auf die allgemeinen Rücknahmevorschriften in anderen Fallkonstellationen jedoch nicht aus, wie sich bereits aus der ausdrücklichen Formulierung „unbeschadet der §§ 48 und 49 LVwVfG“ ergibt (vgl. auch Senatsurteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 - sowie Bay.VGH, Urteil vom 04.04.2006 - 7 BV 05.388 -, BayVBl 2007, 281). Die Entziehung des Doktorgrades ist in Baden-Württemberg auch nicht vom Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgenommen (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG).
b) Voraussetzung für die Rücknahme des dem Kläger verliehenen Doktorgrades ist demnach, dass diese rechtswidrig erfolgte. Dies ist von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht zutreffend bejaht worden.
Entgegen der mit eidesstattlicher Versicherung vom 28.07.1997 abgegebenen Erklärung, „wörtliche Zitate als solche gekennzeichnet“ zu haben, hat der Kläger komplette Passagen aus dem Werk anderer Autoren in seine Dissertation übernommen, ohne dies zu kennzeichnen oder offen zu legen. Er hat die Gutachter damit über die Tatsache getäuscht, dass die vorgelegte Dissertation insoweit nicht auf einer selbständigen wissenschaftlichen Arbeit beruht. Dies stellt gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 LHG aber das wesensbestimmende Grundsatzmerkmal einer Dissertation und damit die wissenschaftlichen Mindeststandards im Sinne des § 8 der Promotionsordnung dar (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 20.10.2006 - 6 B 67/06 -).
Der Plagiatsvorwurf trifft den Kläger auch nicht nur vereinzelt oder im Sinne einer unsachgemäßen Handhabung der Zitierweise; vielmehr lassen die von der Beklagten im Wege der Stichprobenprüfung aufgefundenen Stellen den Schluss zu, dass der Kläger fremde Passagen wiederholt und planmäßig als eigenständige wissenschaftliche Arbeit ausgewiesen hat. Eine systematische und planmäßige Übernahme fremden Gedankenguts ergibt sich bereits daraus, dass sich die Plagiate an mehreren Stellen der Dissertation auffinden lassen und verschiedene Fremdautoren betreffen. Die von der Beklagten aufgezeigten Übernahmen aus den Werken von S., W. und N. ... weisen die Gemeinsamkeit auf, dass komplette Passagen wortwörtlich übernommen worden sind, ohne dass dies in ausreichender Weise kenntlich gemacht worden wäre. Für einen Großteil der Passagen ist eine zutreffende Quellenangabe gar nicht erfolgt. Doch auch soweit in einzelnen der Passagen ein Hinweis auf die Originalstelle erfolgt ist, genügt dieser nicht, um den Plagiatsvorwurf entfallen zu lassen. Vielmehr kann auch diesen Nachweisangaben nicht entnommen werden, dass ganze Passagen wörtlich entlehnt worden sind; zumal die vor und nach dem Nachweis liegenden Teile mit eigenständigen Fußnoten versehen sind (die meist wiederum aus dem Originalwerk abgeschrieben wurden). Auch die Art der erfolgten Quellenangabe (vgl. etwa Fußnote 414: „so auch S.“) versucht vielfach den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe eigenständige Argumentationserwägungen angestellt, anstatt durch Anführungszeichen oder jedenfalls in anderer Weise erkennbar zu machen, dass es sich um die bloße Wiedergabe der bereits erbrachten gedanklichen Leistung eines Anderen handelt. Auch soweit sich in den von der Beklagten benannten Plagiatspassagen Hinweise auf die Originalstellen finden lassen, beseitigen diese den Übernahmevorwurf daher nicht.
Bei den - im Übrigen nicht auf einem systematischen Abgleich, sondern nur auf Stichproben beruhenden - Übernahmepassagen handelt es sich auch nicht um bloße Bagatellverstöße. Dies ergibt sich einerseits bereits aus der Tatsache, dass die vermeintlich eigenständige Leistung im Erstgutachten ausdrücklich angesprochen und gewürdigt worden ist („… Probleme, für die Herr E. guten Blick zeigt“). Auch in quantitativer Hinsicht kann die Übernahme aber nicht als völlig unbedeutend eingestuft werden, weil sie sich insgesamt jedenfalls auf mehrere Seiten erstreckt und vom Kläger wiederholt und in Bezug auf verschiedene Autoren eingesetzt worden ist.
Entgegen der mit dem Zulassungsantrag vorgetragenen Auffassung kommt es dabei nicht darauf an, ob dem Kläger für die eingereichte Dissertation ohne die beanstandeten Stellen oder bei jeweils wörtlicher Zitierung der Doktorgrad noch verliehen worden wäre. Derartig hypothetische Erwägungen im Sinne einer Art geltungserhaltenden Reduktion finden nicht statt. Es ist für die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung nicht von Bedeutung, ob ihm für eine andere Arbeit, als er sie tatsächlich vorgelegt hat, der Doktorgrad verliehen worden wäre (vgl. Senatsurteil vom 18.11.1980 - IX 1302/78 -, ESVGH 31, 54). Maßgeblich ist vielmehr allein die vorgelegte Arbeit, mit der der Kläger gerade nicht den Beweis erbracht hat, dass er im Stande ist, zu rechtswissenschaftlichen Problemen selbständig und kritisch Stellung zu nehmen (vgl. § 8 Abs. 1 der Promotionsordnung). Zu den Grundanforderungen wissenschaftlichen Arbeitens gehört aber gerade, dass der Beitrag auf eigenständigen Erwägungen beruht und nicht bloß Passagen aus dem Werk eines anderen Autors übernimmt. Der Senat hat daher bereits klargestellt, dass nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung den Anforderungen an eine eigenständige Dissertation genügt. Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne hinreichende Kennzeichnung verstößt daher gegen die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens und schließt damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus (vgl. Senatsurteil vom 18.11.1980 - IX 1302/78 -, ESVGH 31, 54; Bay.VGH, Urteil vom 04.04.2006 - 7 BV 05.388 -, BayVBl. 2007, 281).
c) Die wörtliche Wiederholung der Vorlagetexte einschließlich der sprachlichen Eigentümlichkeiten und Formulierungen lässt auch keinen anderen Schluss zu, als dass der Kläger die Passagen unmittelbar abgeschrieben hat. Jedenfalls soweit ein Verweis auf die Fundstelle ganz unterblieben ist, liegt daher unzweifelhaft eine Täuschung über die Urheberschaft der Gedanken vor. Gleiches gilt indes auch, soweit kleinere Änderungen - insbesondere in Form von Umgruppierungen wiederum fast wörtlich übernommener Passagen - vorgenommen worden sind. Auch insoweit ist die Gedankenführung nicht eigenständig entwickelt und darüber getäuscht worden, dass die wissenschaftliche Leistung von einem Anderen stammt (vgl. Senatsurteil vom 18.11.1980 - IX 1302/78 -, ESVGH 31, 54). Die Vorgehensweise der Umstellungen und der Syntaxvariationen belegt im Übrigen die gezielte Verschleierungsabsicht des Klägers (vgl. auch VG Frankfurt, Urteil vom 23.05.2007 - 12 E 2262/05 -).
10 
Ermessensfehler der Beklagten sind trotz der erheblichen Belastung für den Kläger nicht ersichtlich. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das öffentliche Interesse am Ansehen und dem wissenschaftlichen Ruf der den Doktorgrad verleihenden Universität höher bewertet hat als die beruflichen und sozialen Folgen für den Kläger (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.10.2006 - 6 B 67/06 -, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116). Die Entziehung des Doktorgrades erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig, weil die Vorgehensweise des Klägers einen Verstoß gegen die wesensprägenden Grundsatzmerkmale wissenschaftlichen Arbeitens enthält und sich die Übernahme fremder Passagen nicht auf einzelne Gedanken, sondern ganze Sinneinheiten bezieht (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 23.05.2007 - 12 E 2262/05 -).
11 
Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG findet wegen der vom Kläger begangenen arglistigen Täuschung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG keine Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -), sodass es auf die Frage, wann der Beklagten alle für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt waren (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 21.12.2006 - 6 B 102/06 -) nicht ankommt.
12 
2. Auch die übrigen, in Anspruch genommenen Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
13 
Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage ist bereits nicht hinreichend dargelegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997, 3328). Im Übrigen sind die rechtlichen Maßstäbe, soweit sie zur Entscheidung des vorliegenden Falls erforderlich sind, durch die zitierte Senatsrechtsprechung (Senatsurteile vom 18.11.1980 - IX 1302/78 - sowie vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -) bereits geklärt.
14 
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Hinblick auf die Voraussetzungen für ein arglistiges Verhalten sind weder ausreichend dargelegt noch gegeben. Vielmehr ist offenkundig, dass die unzutreffende Erklärung des Klägers, wörtliche Zitate als solche gekennzeichnet zu haben, als bewusste Irreführung darauf gerichtet war, die Annahme der vorgelegten Arbeit als Dissertation zu erreichen.
15 
Die vorgetragene Divergenz zum Urteil des Senats vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 - liegt schon deshalb nicht vor, weil weder der Verwaltungsgerichtshof noch das Verwaltungsgericht die behaupteten Rechtssätze aufgestellt haben. Der Sache nach verkennt die Rüge überdies, dass die vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochene Nichtanwendung des § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG in der benannten Entscheidung auf das Vorliegen des § 48 Abs. 3 LVwVfG zurückging. Das Verwaltungsgericht dagegen hat auf die arglistige Täuschung nur im Zusammenhang mit § 48 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG Bezug genommen, was im Übrigen auch der Verfahrensweise im benannten Senatsurteil entspricht. Auch hinsichtlich des Plagiatsumfangs hat der Zulassungsantrag eine Divergenz nicht hinreichend aufgezeigt: insoweit fehlt es bereits an der Darstellung eines Rechtssatzes in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs.
16 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 18.6 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004.
17 
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO nicht mit Rechtsmitteln anfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Der Bescheid der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 und der Widerspruchsbescheid des Prorektors für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten vom 07.09.2012 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung ihres Doktorgrades.
Die Beklagte verlieh der Klägerin am 24.01.2007 aufgrund ihrer Dissertation mit dem Titel „xxx“ und der mündlichen Prüfung am 24.01.2007 den Grad eines Doktors der Erziehungswissenschaften. Mit ihrem Antrag auf Zulassung zur Prüfung hatte die Klägerin mit Datum vom 23.05.2006 eine „Erklärung bzw. Versicherung“ abgegeben, wonach sie die benutzten Hilfsmittel vollständig angegeben und sämtliche dem Wortlaut oder dem Inhalt nach aus anderen Schriften übernommenen Stellen unter genauer Quellenangabe als solche kenntlich gemacht habe. Die Dissertation wurde durch die beiden Gutachter Prof. Dr. xxx und Prof. Dr. xxx übereinstimmend mit dem Prädikat „cum laude“ (gut) bewertet. Die Arbeit wurde im Jahr 2007 im xxx-Verlag veröffentlicht. Der damalige Dekan der Fakultät I überreichte der Klägerin ihre Promotionsurkunde am 23.05.2007.
Nachdem Wissenschaftler der Universität xxx die beiden Gutachter der Dissertation darauf hingewiesen hatten, dass in der Arbeit der Klägerin Textteile aus fremden Quellen ohne hinreichendes Zitieren übernommen worden seien, informierte der Zweitgutachter am 24.06.2008 den Leiter des Akademischen Prüfungsamts der Beklagten sowie den damaligen Rektor und den damaligen Leiter des Instituts xxx über die Vorwürfe. Mit Schreiben vom 30.06.2008 setzte der Leiter des Akademischen Prüfungsamts die Klägerin von dem ihr gegenüber erhobenen Täuschungsvorwurf in Kenntnis. Sie werde beschuldigt, wesentliche Teile ihrer Dissertation aus Internetquellen übernommen zu haben, ohne dies hinreichend kenntlich gemacht zu haben. Mit Schreiben vom 08.07.2008 wies die Klägerin den Vorwurf der vorsätzlichen Täuschung zurück, bat um Bekanntgabe sämtlicher Vorwürfe und versicherte zugleich ihre uneingeschränkte Unterstützung und Offenheit zur Aufklärung des Sachverhaltes.
Auf ihrer vom damaligen Rektor der Beklagten für den 23.07.2008 einberufenen Sitzung befasste sich zunächst die Kommission zur Untersuchung von Vorwürfen bezüglich Fehlverhalten in der Wissenschaft der Beklagten (im Folgenden: Ethikkommission) mit den gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls bestand in der Ethikkommission nach Sichtung der vorliegenden Unterlagen Einvernehmen dahingehend, dass ein schwerwiegender Verstoß gegen die Promotionsordnung vorliege und die Beklagte in der Pflicht sei, sich um die Aberkennung des Titels zu bemühen. Die Ethikkommission beschloss, dass der Rektor zunächst den Rat der Justiziarin der Beklagten zum weiteren Vorgehen einholen solle.
In der Folge bat der Leiter des Akademischen Prüfungsamts - entsprechend den Empfehlungen der Justiziarin der Beklagten - die beiden Gutachter der Dissertation sowie einen externen Gutachter, den an der xxx-Universität xxx tätigen Prof. Dr.xxx, um ihre Stellungnahme, inwieweit die gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe belastbar seien. Zudem informierte er die Klägerin über diese Vorgehensweise und teilte ihr mit, dass sie nach Vorlage der Gutachten und vor der endgültigen Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades die Möglichkeit habe, zu den konkreten Vorwürfen Stellung zu nehmen.
In seiner Stellungnahme vom 09.07.2009 teilte Prof. Dr. xxx mit, der Vorwurf der fehlenden oder unzureichenden Zitierung treffe im Einzelfall zu. Fußnoten in der Arbeit verwiesen zum Teil auf die Autoren, zum Teil fehlten aber die Verweise auf diese oder sie seien nicht exakt. Prof. Dr. xxx stellte in seiner Stellungnahme vom 10.07.2009 seine Befunde aufgelistet nach Textstellen in Tabellenform dar. Der Vorwurf der fehlenden oder unzureichenden Zitierung treffe aus seiner Sicht zu und dies geschehe in der vorliegenden Dissertation in einem Maß, das tolerierbare Flüchtigkeiten übersteige. In seinem Gutachten vom 18.11.2008 stellte Prof. Dr. xxx zusammenfassend fest, dass die Arbeit sich durch schwere Verstöße gegen eine gute wissenschaftliche Praxis auszeichne.
Mit Schreiben vom 24.11.2009 teilte der Leiter des Akademischen Prüfungsamts der Klägerin mit, die drei beauftragten Gutachter seien zu dem Urteil gekommen, dass ein gravierender Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis vorliege, und forderte sie unter Beifügung von Auszügen aus den Gutachten zur Stellungnahme auf. Nachdem die Klägerin Einsicht in die Verwaltungsakte genommen hatte, äußerte sie sich mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.02.2010 eingehend zu den erhobenen Vorwürfen und wies den Vorwurf der absichtlichen oder grob fahrlässigen Täuschung zurück. Darüber hinaus sei die Aufhebung der Verleihung des Doktorgrades gemäß § 48 Abs. 4 LVwVfG verfristet; jedenfalls sei die lange Dauer des Verfahrens zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades sei zudem ihre persönliche Situation von wesentlicher Bedeutung, da dem Doktortitel als Ausweis ihrer wissenschaftlichen Arbeit im beruflichen Alltag als Schulrätin im Umgang mit Kollegen in der Schulverwaltung aber auch bei der Aufsicht und Beratung an den Schulen in ihrem Zuständigkeitsbezirk erhebliche Bedeutung zukomme. Diesem Schreiben waren zwei Anlagen beigefügt: eine Anlage 1 (grüner Ordner) mit Stellungnahmen und Erläuterungen der Klägerin zu den einzelnen monierten Textpassagen sowie als Anlage 2 eine persönliche Stellungnahme der Klägerin, in der sie weitere Ergänzungen zu den Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf den Vorwurf des unzureichenden Zitierens sowie auf die persönlichen Konsequenzen dieses Verfahrens macht.
Nachdem der Dekan in der Sitzung des Professorenkollegiums der Fakultät xxx der Beklagten am 06.05.2010 einen Überblick über den Stand des Verfahrens gegeben, und das Kollegium darüber informiert hatte, dass die Gutachten sowie die beiden Stellungnahmen der Klägerin zur Einsicht im Institutssekretariat auslägen, wo sich die Professoren bis zur nächsten Sitzung ein eigenes Bild machen könnten, befasste sich das Professorenkollegium der Fakultät xxx der Beklagten in seiner 56. Sitzung am 02.06.2010 unter TOP 3.0 mit der Aberkennung des Doktortitels der Klägerin. Ausweislich des Protokolls wies der Leiter des Akademischen Prüfungsamts in der Sitzung darauf hin, dass das Professorenkollegium keine „rechtswirksame Entscheidung“ zu fällen habe und die letztgültige Entscheidung dem Rektorat vorbehalten bleibe. Er führte weiter aus, dass die Beklagte in diesem inzwischen auch nach außen bekannt gewordenen Fall deutlich machen müsse, dass die Hochschule mit Plagiatsvorwürfen solchen Umfangs nicht nachlässig umgehe. Was die schwierige Beurteilung der sozialen Aspekte der Aberkennung eines Doktortitels und der Schuldhaftigkeit des Verhaltens betreffe, so sei dies Angelegenheit der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zur Debatte stünde nur die Frage der Promotionswürdigkeit der Doktorarbeit unter Absehung der plagiierten Teile. Das Professorenkollegium fasste mit 13 Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme und vier Enthaltungen den Beschluss, dass aus seiner Sicht der Klägerin der Doktortitel abzuerkennen sei.
Mit Schreiben vom 07.06.2010 wiederholte und ergänzte die Klägerin ihre bisherigen Stellungnahmen und wies erneut auf ihre persönliche Betroffenheit im Falle einer Aberkennung des Titels hin. Nach dem Hinweis des Leiters des Akademischen Prüfungsamts an den Prodekan für Studium, Lehre und Medienentwicklung, dass der grüne Ordner, in dem die Klägerin ihre Stellungnahmen und Anmerkungen zu den einzelnen ihr vorgeworfenen Textstellen zusammengefasst habe, im Dekanatsbüro zur Einsichtnahme bereit gelegen habe, er allerdings weder kopiert noch an der zweiten vorgesehen Einsichtnahmestelle ausgelegt worden sei, und dem Hinweis, dass auch die Ethikkommission bislang keinen abschließenden Beschluss gefasst habe, befasste sich die Ethikkommission in ihrer Sitzung am 30.06.2010 erneut mit den Plagiatsvorwürfen gegen die Klägerin. Ausweislich des Protokolls bestand in der Kommission Einvernehmen darüber, dass ein schwerwiegender Verstoß gegen die Promotionsordnung vorliege und die Beklagte in der Pflicht sei, sich um die Aberkennung des Titels zu bemühen. Gleichzeitig empfahl die Ethikkommission, das Professorenkollegium der Fakultät xxx bzw. der Promotionsausschuss solle den Sachverhalt unter Hinzuziehung aller vorliegenden Dokumente erneut erörtern und einen Beschluss fassen, wie nach neuester Aktenlage zu entscheiden sei.
10 
In seiner 57. Sitzung am 07.07.2010 befasste sich auch das Professorenkollegium der Fakultät xxx der Beklagten unter TOP 4 erneut mit den Vorwürfen gegen die Klägerin. Der Dekan informierte das Gremium darüber, dass seit der Entscheidung am 02.06.2010 ein Beschluss der Ethikkommission ergangen sei und die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten eine weitere Stellungnahme abgegeben habe. Nach Kenntnisnahme dieser Unterlagen und einer Diskussion fasste das Professorenkollegium einstimmig mit drei Enthaltungen den Beschluss, es befürworte die Aberkennung des Doktortitels.
11 
Am 14.07.2010 wurde die Klägerin schließlich von den Mitgliedern der Prüfungskommission ihrer Dissertation sowie dem Dekan der Fakultät xxx persönlich zu den Vorwürfen angehört. Nach der Anhörung, an der neben der Klägerin der Erst- und Zweitgutachter der Dissertation, der Dekan der Fakultät xxx sowie Prof. Dr. xxx teilnahmen, stellte die Prüfungskommission in Abwesenheit der Klägerin einstimmig fest, dass die Klägerin nach Einschätzung der Kommission die wissenschaftlichen Anforderungen an eine Dissertation gemäß der Promotionsordnung nicht eingehalten habe.
12 
Auf seiner Dienstbesprechung am 17.02.2011 beriet das Rektorat auf der Grundlage eines weiteren Gutachtens der Justiziarin der Beklagten vom 14.02.2011 über die Plagiatsvorwürfe gegen die Klägerin und beschloss einstimmig, der Klägerin den Doktorgrad zu entziehen. Mit Bescheid vom 21.02.2011 nahm die Rektorin der Beklagten sodann die Verleihung des akademischen Grades einer Doktorin der Erziehungswissenschaften mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG zurück. Die Verleihung des Doktorgrades sei rechtswidrig. In der von der Klägerin vorgelegten Dissertation habe sie entgegen der am 23.05.2006 abgegebenen Erklärung in ganz erheblichem Umfang Text dem Wortlaut nach aus anderen Schriften übernommen und diese Stellen nicht unter genauer Quellenangabe als solche kenntlich gemacht. Sie habe die Gutachter damit vorsätzlich über die Tatsache getäuscht, dass die vorgelegte Dissertation insoweit nicht auf einer eigenständigen wissenschaftlichen Leistung beruhe. Das Interesse der Beklagten an ihrem Ansehen und ihrem wissenschaftlichen Ruf sei hier höher zu bewerten als die die Klägerin durch die Entziehung treffenden beruflichen und sozialen Folgen. Es sei dem Rektorat bewusst, dass die Entscheidung zu einem Ansehensverlust insbesondere im beruflichen, aber auch im privaten Bereich der Klägerin führe. Jedoch sei das Ausmaß der mit der Unredlichkeit verbundenen Schädigung der öffentlichen Interessen der Beklagten ganz erheblich. Das Rektorat habe sich auch mit der von der Klägerin vorgeschlagenen Möglichkeit einer Nachbesserung in Form einer Zweitauflage unter Angabe aller fehlenden Quellenangaben auseinandergesetzt. Jedoch seien das Ansehen und der wissenschaftliche Ruf der Beklagten auch in diesem Fall stark beschädigt. Außerdem bestünden kaum Abschreckungsmöglichkeiten für die Verwendung von Plagiaten, wenn im Fall einer Aufdeckung nachträglich und ansonsten folgenlos nachgebessert werden könne. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG sei wegen der hier vorliegenden vorsätzlichen Täuschung nicht beachtlich. Im Übrigen sei die Jahresfrist auch gewahrt. Der Bescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach gegen den Bescheid binnen eines Monats Klage zu erheben sei, und wurde am 23.02.2011 zugestellt.
13 
Die Klägerin hat am 22.03.2011 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben. Zudem legte sie am 02.08.2011 bei der Beklagten Widerspruch ein. Die Klägerin begründete ihren Widerspruch dahingehend, dass der Bescheid sowohl an formellen als auch an materiellen Fehlern leide. So sei die Satzung der Beklagten zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft nicht hinreichend eingehalten worden. Auch sei die Beteiligung des Professorenkollegiums nicht ordnungsgemäß erfolgt. Dem Gremium, vor dem sie letztlich persönlich angehört worden sei, komme weder nach § 48 LVwVfG noch nach der Promotionsordnung oder der Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft irgendeine relevante Bedeutung zu. Die Anhörung habe stattgefunden, nachdem die beteiligten Gremien abschließend entschieden hätten. Insgesamt habe daher keine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden und es sei in gravierender Weise gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen worden. Darüber hinaus hätten weder die Mitglieder der Ethikkommission noch die Mitglieder des Professorenkollegiums über sämtliche Unterlagen verfügt, insbesondere habe die Anlage 1 zum Schreiben vom 10.02.2010 (grüner Ordner) den beteiligten Personen nicht vorgelegen. Der Bescheid vom 21.02.2011 sei zudem materiell rechtswidrig. Zur Begründung wiederholt die Klägerin insoweit im Wesentlichen ihre zuvor vorgebrachten Einwände.
14 
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2012 wies der Prorektor für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus, dass für den Widerspruchsbescheid nach § 8 Abs. 2 LHG der für die Lehre zuständige Prorektor zuständig sei. Das Verwaltungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden und begegne keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere liege kein Verstoß gegen die Satzung der Beklagten zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft vor. Die zuständigen Gremien hätten sehr umfassend und unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Unterlagen beraten. Der Klägerin sei in vollem Umfang sowohl Akteneinsicht als auch rechtliches Gehör gewährt worden. Das Professorenkollegium der Fakultät xxx der Beklagten, das bei der Beklagten die Aufgaben des fachlich zuständigen Gremiums - üblicherweise als Promotionsausschuss bezeichnet - wahrnehme, sei ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt worden. Die Beschäftigung der Prüfungskommission mit den Plagiatsvorwürfen und die Anhörung der Klägerin durch dieses Gremium seien ausdrücklich zur besonderen Wahrung der Interessen der Klägerin erfolgt. Das Gremium sei beteiligt worden, weil dessen Mitglieder unmittelbar an der Verleihung des Doktorgrades an die Klägerin beteiligt gewesen seien und daher besondere Kenntnis der Dissertation gehabt hätten. Die Ergebnisse der Anhörung, Beratung und Beschlussfassung der Mitglieder der Prüfungskommission seien in die Beratung des für die Entziehung des Doktorgrades zuständigen Rektorats eingeflossen. Der Rücknahmebescheid sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Denn es liege eine absichtliche Täuschung vor, da die Klägerin sich vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig fremdes geistiges Eigentum angeeignet habe, und von einem Bagatellverstoß, weder im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Grundlagenteil und empirischem Teil noch im Hinblick auf den quantitativen Vergleich zwischen den aufgeführten Plagiatsstellen und der Seitenzahl der gesamten Dissertation, keine Rede sein könne. Der Entzug des Doktorgrades sei auch verhältnismäßig und zweckmäßig. Der Widerspruchsbescheid wurde am 10.09.2012 zugestellt.
15 
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.10.2012, eingegangen bei Gericht am selben Tag, bezog die Klägerin den Widerspruchsbescheid in das vorliegenden Klageverfahren ein. Sie begründete ihre Klage damit, dass der Bescheid der Beklagten vom 21.02.2011 bereits formell rechtswidrig sei. Der Bescheid sei von dem Rektorat und damit von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Zwar treffe die Promotionsordnung der Beklagten keine explizite Regelung, welches Organ für die Entziehung des Doktorgrades zuständig sei, aus § 14 Abs. 1 der Promotionsordnung ergebe sich aber, dass der Prüfungsausschuss eine Promotionsleistung für ungültig erklären könne, sofern sich vor Aushändigung der Promotionsurkunde ergebe, dass eine Täuschung vorliege. Für die Bekanntgabe eines entsprechenden Beschlusses sei dann gemäß § 14 Abs. 2 der Promotionsordnung der Vorsitzende des Prüfungsausschusses zuständig. Es spreche daher vieles dafür, dass in analoger Anwendung dieser Vorschriften eine Zuständigkeit der Prüfungsausschusses bzw. dessen Vorsitzenden für die Entziehung des Doktorgrades bestehe. Dabei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber dem Prüfungsausschuss gemäß § 8 Abs. 6 der Promotionsordnung auch im Übrigen die Entscheidung über die Qualität und Fehlerfreiheit einer Dissertation zugewiesen habe. Dies entspreche auch der allgemeinen Zuständigkeitszuweisung aus § 3 der Promotionsordnung. Im Übrigen sei auch zu erwägen, ob nicht der Dekan für die Entziehung zuständig gewesen wäre, da er gemäß § 13 Abs. 2 der Promotionsordnung für die Aushändigung der Promotionsurkunde verantwortlich sei. Eine Zuständigkeit des Rektorats ergebe sich jedenfalls nicht aus § 16 Abs. 3 Satz 1 LHG. Schon aus dem Aufgabenkatalog in § 16 Abs. 3 Satz 2 LHG sei ersichtlich, dass sich dessen subsidiäre Zuständigkeit nur auf organisatorische Aufgaben und nicht auf das dem Wissenschaftsbetrieb zugeordnete Promotionsrecht beziehen könne. Dies widerspreche auch der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit, wonach es verfassungswidrig sei, wenn dem Leitungsorgan Rektorat substanzielle personelle und sachliche Entscheidungsbefugnisse im wissenschaftsrelevanten Bereich zugewiesen würden. Schließlich spreche auch der Umstand, dass der Widerspruchsbescheid von einem Mitglied des Rektorats, dem Prorektor für Studium, Lehre und Medienentwicklung, erlassen worden sei, gegen die Zuständigkeit des Rektorats, denn dann hätte ein einzelnes Mitglied des Gremiums, das die Rücknahme verfügt, über die Recht- und Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheids entschieden. In der neuesten Fassung der Promotionsordnung der Beklagten sei nun ausdrücklich die Zuständigkeit des Promotionsausschusses vorgesehen, woraus sich ersehen lasse, dass die Zuständigkeit des Rektorats nicht richtig sein könne. Gleichwohl habe im vorliegenden Fall nicht der Prüfungsausschuss, sondern das Rektorat die Entziehung angeordnet, insbesondere habe das Rektorat nicht als lediglich ausführendes Organ des Prüfungsausschusses gehandelt und auch eigenes Ermessen ausgeübt. Da der Bescheid von einer unzuständigen Behörde verfügt worden sei, sei er gemäß § 44 LVwVfG nichtig. Selbst wenn das Rektorat zuständig gewesen sein sollte, führe die Beteiligung des Professorenkollegiums der Fakultät xxx zu einem schwerwiegenden Verfahrensfehler, da nicht erkennbar sei, nach welchen verfahrensrechtlichen Regelungen diese Beteiligung erfolgt sei. Schließlich bleibe weiterhin völlig unklar, welches Gremium besetzt mit welchen Mitgliedern hätte beteiligt werden müssen. Nicht zuletzt der Vergleich mit der Neufassung der Promotionsordnung zeige, dass die frühere Rechtsgrundlage nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Der Widerspruchsbescheid vom 07.09.2012 sei rechtswidrig, da er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei, denn unterstelle man, dass das Rektorat für den Rücknahmebescheid zuständig gewesen wäre, dürfe der Widerspruchsbescheid nicht von einem Mitglied des gleichen Gremiums erlassen werden. Darüber hinaus seien der Grundsatz einer Entscheidung in angemessener Frist gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie der Grundsatz der Zügigkeit gemäß § 10 Satz 2 LVwVfG durch das Verfahren verletzt worden. Zudem seien der Rücknahmebescheid vom 21.02.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 07.09.2012 auch materiell rechtswidrig. Insoweit wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihre im Verwaltungsverfahren bereits vorgetragenen Ausführungen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
den Bescheid des Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 und den Widerspruchsbescheid des Prorektors für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten vom 07.09.2012 aufzuheben.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 07.09.2011. Das Rektorat sei vorliegend für die Entziehung des Doktorgrades zuständig gewesen. Nach dem Landeshochschulgesetz liege die Zuständigkeit für die Entziehung eines Hochschulgrades bei der Hochschule, die den Grad verliehen habe. Die Hochschule habe zudem die umfassende Gestaltungsfreiheit bezüglich des Promotionsverfahrens. Vorliegend sei auf das Verfahren zur Entziehung des Doktorgrades die Promotionsordnung in der Fassung der 5. Ordnung zur Änderung der Promotionsordnung der Beklagten vom 20.06.2012 anzuwenden. Insofern sei es unbeachtlich, dass sie nunmehr in der Promotionsordnung vom 06.02.2013 im Rahmen des Promotionsverfahrens andere Gremien gebildet und Zuständigkeiten neu geregelt habe. Während § 14 Abs. 3 der Promotionsordnung den Fall der Entziehung des Doktorgrades nach Aushändigung der Promotionsurkunde regele, befassten sich die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift mit der Ungültigkeitserklärung von Promotionsleistungen vor Aushändigung der Promotionsurkunde. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 14 Abs. 3 der Promotionsordnung bestehe kein Raum für eine analoge Anwendung der Absätze 1 und 2 im vorliegenden Fall. Im Übrigen entspreche eine Zuständigkeit des Prüfungsausschusses auch nicht § 3 der Promotionsordnung, denn gemäß § 3 Abs. 1 der Promotionsordnung obliege diesem die Regelung des organisatorischen Ablaufs und dies auch nur dann und soweit in der Promotionsordnung keine anderen Zuständigkeiten festgelegt seien. Da § 14 Abs. 3 der Promotionsordnung keine Zuständigkeitsregelung und die Promotionsordnung auch im Übrigen keine Auffangregelung enthalte, sei die Regelungskompetenz des § 8 Abs. 2 Satz 1 LHG nicht ausgefüllt worden. Daher sei auf die allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen des Landeshochschulgesetzes zurückzugreifen. Diese fänden sich für den vorliegenden Fall in § 16 Abs. 3 Satz 1 LHG, wonach das Rektorat für alle Angelegenheiten zuständig sei, für die im Landeshochschulgesetz oder in der Grundordnung der Hochschule nicht ausdrücklich eine andere Zuständigkeit festgelegt sei. Eine ausdrückliche Zuständigkeit für die Verleihung und den Entzug des Doktorgrades enthielten die genannten Regelungen nicht. Die Zuständigkeit des Rektorats ergebe sich folgerichtig auch aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Promotionsordnung, wonach die Beklagte im Rahmen ihres Promotionsrechts den Grad eines Doktors / einer Doktorin der Erziehungswissenschaft oder der Philosophie vergebe. Vorliegend sei auch § 23 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 LHG nicht einschlägig, da es sich nicht um eine Promotionsordnung der Fakultät, sondern um eine solche der gesamten Beklagten handele. Die zuständige Fakultät lege lediglich jeweils bei Annahme des Doktoranden fest, welcher Doktorgrad verliehen werde. Selbst wenn das Rektorat nicht als zuständige Behörde gehandelt hätte, sei der Entziehungsbescheid keinesfalls nichtig, da ein Fall des § 44 LVwVfG nicht vorliege. Dagegen seien die Voraussetzungen des § 46 LVwVfG erfüllt. Das Rektorat habe darüber hinaus bei seiner Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades den Beurteilungsspielraum des prüfungsrechtlichen Fachgremiums hinreichend berücksichtigt, indem es in Kenntnis und auf der Grundlage der beiden Beschlüsse des Professorengremiums der Fakultät xxx vom 02.06.2010 und vom 07.07.2010 entschieden habe. Das Professorenkollegium sei zudem ordnungsgemäß beteiligt worden. Aus den in der Promotionsordnung diesem Gremium zugewiesenen Aufgaben folge, dass sich das Professorengremium der zuständigen Fakultät umfassend inhaltlich mit den Vorwürfen auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen müsse. Dies sei in hinreichendem Maße geschehen. Zudem sei die Ombudsfrau in hinreichendem Maße beteiligt und der Klägerin während des gesamten Verfahrens in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt worden. Weiter sei der Prorektor für Studium, Lehre und Medienentwicklung für den Erlass des Widerspruchsbescheids zuständig gewesen, was sich aus § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG ergebe. Dabei handele es sich um eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die es erlaube, dass nicht das gesamte Kollegium, das über den Ausgangsbescheid entschieden habe, auch über den Widerspruchsbescheid entscheide. Der Bescheid vom 21.02.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 07.09.2012 seien auch materiell rechtmäßig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen der Entziehung vorlägen und auch das Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden sei. Zuletzt sei die Rücknahme auch nicht gemäß § 48 Abs. 4 LVwVfG verfristet.
21 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Behördenakten (3 Ordner, 1 Heft Promotionsakte, 1 Exemplar der veröffentlichten Dissertation) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Gegenstand der zulässigen Klage ist die Aufhebung des Bescheides der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 und des Widerspruchsbescheids des Prorektors für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten vom 07.09.2012.
23 
Die Einbeziehung des Widerspruchsbescheides in das zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits anhängige Klageverfahren stellt eine zulässige und sachdienliche Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO dar. Der ursprünglich isoliert angefochtene Bescheid der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 war mit einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass nach § 58 Abs. 2 VwGO die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs eröffnet war. Das entsprechende Widerspruchsverfahren konnte daher noch während des laufenden Prozesses nachgeholt werden (vgl. Eyermann/Renner, Kommentar zur VwGO, 14. Auflage, § 68 Rdnr. 22).
24 
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 und der Widerspruchsbescheid des Prorektors für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten vom 07.09.2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
25 
Der Bescheid der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 ist formell rechtswidrig, da mit dem Rektorat nicht das zuständige Gremium über die Entziehung des Doktorgrades entschieden hat.
26 
Entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten, wonach das Rektorat für die Entziehung des Doktorgrades zuständig gewesen sei, hat das Rektorat die Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades getroffen und nicht etwa nur die Entscheidung eines anderen Gremiums lediglich nach außen kundgegeben. Dies lässt sich der Begründung des Entziehungsbescheids vom 21.02.2011 eindeutig entnehmen. Ausdrücklich heißt es auf Seite 2 des Bescheids: „Das Rektorat hat am 17.02.2011 einvernehmlich beschlossen, die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen.“ Auch die angestellten Ermessenserwägungen sind offenkundig eigene Ermessenserwägungen des Rektorats. So wird etwa ausgeführt, dass das Rektorat bei seiner Entscheidung über den Entzug des Doktorgrades ausführlich auch die persönlichen Folgen für die Klägerin bedacht habe, und ihm bewusst sei, dass die Entscheidung für die Klägerin zu einem Ansehensverlust führe.
27 
Dementsprechend haben alle anderen am Verfahren beteiligten Gremien keine abschließende Entscheidung über die Entziehung getroffen, sondern jeweils lediglich eine fachliche Einschätzung der Vorwürfe vorgenommen und entsprechende Empfehlungen zum weiteren Vorgehen ausgesprochen. So kam die Ethikkommission bei ihrer abschließenden Sitzung in dieser Sache zu dem Ergebnis, dass ein schwerwiegender Verstoß gegen die Promotionsordnung vorliege und die Hochschule in der Pflicht sei, sich um die Aberkennung des Titel zu bemühen. Zugleich heißt es im Protokoll vom 30.06.2010 ausdrücklich, dass nach Befassung des Professorenkollegiums und einer Beurteilung durch die Justiziarin abschließend das Rektorat der xxx in der Sache entscheiden müsse. Das Professorenkollegium der Fakultät xxx beschloss auf seiner Sitzung am 02.06.2010, dass der Klägerin „aus der Sicht des Professorengremiums“ der Doktortitel abzuerkennen sei und fasste bei seiner Sitzung am 07.07.2010 den Beschluss, die Aberkennung des Doktortitels zu befürworten. Schließlich traf auch die Prüfungskommission nach der Anhörung der Klägerin am 14.07.2010 keine eigene Sachentscheidung, sondern stellte lediglich fest, dass die Anhörung nach Einschätzung der Prüfungskommission ergeben habe, dass die Klägerin die wissenschaftlichen Anforderungen an eine Dissertation nicht eingehalten habe.
28 
Die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades lag jedoch nicht beim Rektorat der Beklagten, sondern vielmehr beim Prüfungsausschuss nach § 3a der Promotionsordnung der Beklagten. Dieser wäre zur Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades berufen gewesen.
29 
Im vorliegenden Fall finden das Landeshochschulgesetz in der Fassung vom 01.01.2005, zuletzt geändert durch Art. 2 des Verfasste-Studierenden-Gesetzes vom 10.07.2012, GBl. S. 457 (im Folgenden: LHG a.F.), sowie die Promotionsordnung der Beklagten vom 28.06.2007, Amtliche Bekanntmachung vom 29.06.2007, Nr. 25/2007, in der am 01.06.2012 in Kraft getretenen Fassung der Fünften Ordnung zur Änderung der Promotionsordnung der xxx vom 20.06.2012, Amtliche Bekanntmachung vom 21.06.2012 Nr. 60/2012 (im Folgenden: PromO) Anwendung. Dies folgt daraus, dass sich die Rechtmäßigkeit der Entziehung eines Doktorgrades – und damit auch die Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Gremiums – mangels anderweitiger Bestimmungen im Hochschulrecht als dem einschlägigen Fachrecht nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids richtet (VG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2014 - 15 K 2271/13 -, juris, Rdnr. 39; Urteil der Kammer vom 04.03.2013 – 7 K 3335/11 -, juris, Rdnr. 28; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2000 – 9 S 2435/99 -, KMK-HschR/NF 21A Nr. 19).
30 
Danach liegt die Zuständigkeit für die Entziehung des Doktorgrades bei der Hochschule, die den Grad verliehen hat. Dies gilt über den in § 35 Abs. 7 Satz 2 LHG a.F.(neu: § 36 Abs. 7 Satz 2 LHG) geregelten Fall der Entziehung des Doktorgrades wegen unwürdigen Verhaltens hinaus für alle Fälle der Entziehung des Doktorgrades (Urteil der Kammer vom 04.03.2013 - 7 K 3335/11 -, juris, Rdnr. 26; ebenso unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2000 – 9 S 2435/99 -, KMK-HschR/NF 21A Nr. 19). Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 LHG a.F. handeln in Angelegenheiten, die Hochschulprüfungen betreffen, für die Hochschule die nach den Prüfungsordnungen zuständigen Stellen. Diese Zuständigkeit für Hochschulprüfungen erfasst auch Promotionen und damit die Verleihung wie auch - als „actus contrarius“ - die Entziehung des Doktorgrades. Auch bei der Rücknahme eines verliehenen Doktorgrades handelt es sich somit um eine Hochschulprüfungen betreffende Angelegenheit (zuletzt VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris, Rdnr. 8 m.w.N.; Urteil der Kammer vom 04.03.2013 - 7 K 3335/11 -, juris, Rdnr. 63).
31 
Die Promotionsordnung der Beklagten als die hier einschlägige Prüfungsordnung regelt in § 14 Abs. 3 PromO, dass der Doktorgrad nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen entzogen werden kann. Da diese Regelung keine ausdrückliche Zuständigkeitsbestimmung enthält, ist das für die Entziehung des Doktorgrades zuständige Organ im Wege der Auslegung ermitteln.
32 
Die systematische Auslegung, die die sonstigen Regelungen der Promotionsordnung in den Blick nimmt, spricht dafür, dass der Prüfungsausschuss nach § 3a PromO für die Entziehung des Doktorgrades zuständig ist. Nach § 14 Abs. 1 PromO kann der Prüfungsausschuss die Promotionsleistungen für ungültig erklären, wenn sich vor Aushändigung der Promotionsurkunde ergibt, dass der Bewerber oder die Bewerberin sich bei den Promotionsleistungen einer Täuschung schuldig gemacht oder die Zulassung zum Promotionsverfahren durch Täuschung erlangt hat. Es erscheint sachgerecht, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über Sanktionen wegen eines Verstoßes gegen die Promotionsordnung beim Prüfungsausschuss liegt - unabhängig davon, ob die Urkunde bereits übergeben ist oder nicht -, da in der Sache im Wesentlichen dieselben Sachverhalte, insbesondere die Schwere des Verstoßes, zu beurteilen sind.
33 
Jedenfalls folgt die Zuständigkeit des Prüfungsausschusses für die Entziehung des Doktorgrades aus dem Umstand, dass es sich bei der Entziehung des Doktorgrades um den actus contrarius zur Verleihung handelt und der Prüfungsausschuss nach den im vorliegenden Fall anwendbaren Regelungen die eigentliche Sachentscheidung über die Verleihung des Doktorgrades trifft. Die Zuständigkeit des Prüfungsausschusses für die Verleihung des Doktorgrades folgt zum einen aus § 3 PromO, wonach der Prüfungsausschuss für den organisatorischen Ablauf des Promotionsverfahrens zuständig ist, soweit keine anderen Zuständigkeiten festgelegt sind. Diese Zuständigkeit für die Organisation des Verfahrens wird in § 3a Abs. 1 PromO dahingehend erweitert, dass „für die Durchführung des Promotionsverfahrens und die Erfüllung der sonstigen durch diese Promotionsordnung zugewiesenen Aufgaben“ ein Prüfungsausschuss zu bilden ist. Daraus lässt sich ersehen, dass dem Prüfungsausschuss die tragende Rolle bei der Durchführung des Promotionsverfahrens zukommt. Insbesondere entscheidet er auch gemäß § 8 Abs. 6 Satz 4 PromO auf der Grundlage der Gutachten und auf der Grundlage vorliegender Stellungnahmen über die Annahme oder die Ablehnung der Dissertation und legt bei Annahme eine Bewertung der Dissertation gemäß § 10 Abs. 1 PromO fest. Nachdem die Dissertation angenommen und die mündliche Prüfung absolviert worden ist, beschränkt sich die Entscheidung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses auf die bloße Feststellung, dass alle Promotionsleistungen außer der Veröffentlichung der Doktorarbeit erbracht sind, § 11 Abs. 3 PromO. Auch der Professorenversammlung kommen - anders als dem Prüfungsausschuss - nur singuläre Entscheidungsbefugnisse im Rahmen des Promotionsverfahrens zu, die in der Promotionsordnung aufgezählt sind. So entscheidet sie etwa gemäß § 5 Abs. 3 PromO über die Annahme als Doktorand und weist die beiden betreuenden Professoren zu.
34 
In der Ausfertigung der Promotionsurkunde mit den Unterschriften des Rektors und des Dekans der zuständigen Fakultät liegt dagegen keine inhaltliche Sachentscheidung über die Verleihung des Doktorgrades, sondern damit wird lediglich der durch das erfolgreiche Absolvieren des Promotionsverfahren erworbene Anspruch auf Verleihung des Doktorgrades vollzogen. Insbesondere können weder der Dekan noch der Rektor die Verleihung des Doktorgrades aus eigenem Recht verhindern, sofern der Bewerber die Anforderungen der Promotionsordnung erfüllt, sprich der Prüfungsausschuss die Dissertation angenommen hat, die mündliche Prüfung bestanden und die Veröffentlichung der Arbeit erfolgt ist. Der Umstand, dass ein Mitglied des Rektorats, welches zugleich Mitglied der für die betreffende Promotion zuständigen Fakultät ist und als solches beispielsweise eine gutachterliche Stellungnahme im Rahmen der Auslegung der Dissertation gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 PromO abgeben kann, ändert nichts daran, dass das Rektorat oder einzelne Rektoratsmitglieder keine Sachentscheidung im Rahmen des Promotionsverfahrens treffen.
35 
Diese Zuständigkeitsverteilung entspricht auch der gesetzgeberischen Funktionsverteilung zwischen den Fakultäten auf der einen und dem Rektorat als dem Zentralorgan der Hochschule auf der anderen Seite.
36 
Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 LHG a.F. ist das Rektorat für alle Angelegenheiten zuständig, für die in diesem Gesetz oder in der Grundordnung nicht ausdrücklich eine andere Zuständigkeit festgelegt ist. Nach § 22 Abs. 1 LHG a.F. ist die Fakultät die organisatorische Grundeinheit der Hochschule; sie erfüllt unbeschadet der Gesamtverantwortung und der Zuständigkeiten der Hochschulorgane in ihrem Bereich die Aufgaben der Hochschule. Die Verleihung eines Doktorgrades ist eine klassische Aufgabe der Fakultäten, da die innerhalb eines Fachbereichs erbrachten wissenschaftlichen Leistungen mit dem Doktortitel ausgezeichnet werden. Im Bereich des Promotionswesens handelt es sich bei den Fakultäten somit keineswegs um „nachgeordnete Behörden“ der zentralen Universitätsverwaltung, sondern um die originär zuständigen Rechtsträger. Dass dies beispielsweise bei der Ernennung von Professoren gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 LHG a.F. (neu: § 48 Abs. 2 Satz 1 LHG) oder bei der Entscheidung über die Verteilung der für die Hochschule verfügbaren Stellen und Mittel gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 LHG a.F. (neu: § 16 Abs. 3 Satz 2 Nr. 7 LHG) nach den gesetzlichen Regelungen anders ist, hat keine Bedeutung für die vorliegend in Rede stehende Frage des Promotionsrechts. Aus diesem Grund ist im Übrigen auch eine eindeutige Zuordnung des Promotionsvorhabens zu einer Fakultät geboten, was durch das Erfordernis der Antragstellung zur Annahme als Doktorand bei einer Fakultät gemäß § 5 Abs. 1 PromO und durch den entsprechenden Annahmebeschluss des Professorenkollegiums dieser Fakultät sichergestellt wird.
37 
Inwieweit eine Übertragung der Aufgaben der Fakultäten auf die zentralen Organe der Hochschule durch die Grundordnung möglich wäre (vgl. zur Regelung des § 26 Abs. 5 Satz 1 HG NRW OVG Münster, Urteile vom 22.01.2013 - 6 A 839/11 - und vom 27.02.2014 - 6 A 274/12 -, juris), bedarf hier keiner weiteren Klärung, da die Grundordnung der Beklagten hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Insbesondere handelt es sich bei dem Prüfungsausschuss, der sich nach § 3a Abs. 2 PromO aus den Dekanen der xxx Fakultäten sowie je einem weiteren Professor aus jeder Fakultät sowie dem Leiter des Akademischen Prüfungsamts zusammensetzt, nicht um ein zentrales Organ der Beklagten. Ein derart zusammengesetztes Gremium konnte vielmehr zulässigerweise auf der Grundlage des § 15 Abs. 6 LHG a.F. als gemeinsame Kommission der Fakultäten gebildet werden und damit stellvertretend für diese handeln. Nach § 15 Abs. 6 Satz 1 LHG a.F. können für Aufgaben, die eine Zusammenarbeit mehrerer Fakultäten einer Hochschule oder mehrerer Studienakademien erfordern, gemeinsame Einrichtungen und gemeinsame Kommissionen gebildet und zugleich deren Bezeichnung festgelegt werden. Einer solchen gemeinsamen Kommission können nach § 15 Abs. 6 Satz 2 LHG a.F. unter anderem Entscheidungsbefugnisse über Habilitations-, Promotions- und andere Prüfungsangelegenheiten eingeräumt werden, wobei die Vorgaben des § 10 Abs. 3 LHG hinsichtlich der Stimmengewichtungen einzuhalten sind. Von dieser Möglichkeit der Einräumung von Entscheidungsbefugnissen haben die Fakultäten der Beklagten mit der Übertragung der Zuständigkeit für das Promotionsverfahren auf den Prüfungsausschuss gemäß § 3a PromO in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
38 
Ebenfalls nur mit der Zuständigkeit der Fakultäten bzw. der für ihre Aufgabenerfüllung geschaffenen gemeinsamen Kommissionen - hier des Prüfungsausschusses - für die Fragen der Promotion und des sonstigen Prüfungswesens, ist zu erklären, dass das Landeshochschulgesetz in § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG a.F. anordnet, dass das für die Lehre zuständige Mitglied des Rektorats über Widersprüche in Angelegenheiten, die Hochschulprüfungen betreffen, entscheidet. Diese dem für die Lehre zuständigen Mitglied des Rektorats zugewiesenen Befugnisse einer Widerspruchsbehörde, stellen sicher, dass die einzelnen Fakultäten der Universität in prüfungsrechtlichen Fragen einheitliche rechtliche Maßstäbe anlegen. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg bei der Entscheidung über den Widerspruch auf den besonderen Beurteilungsspielraum des Prüfungsgremiums, hier des Prüfungsausschusses, Rücksicht zu nehmen (Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris Rdnr. 34 m.w.N.).
39 
Diese Einschränkung der Widerspruchsbefugnis setzt voraus, dass nicht das Rektorat als zentrales Organ der Hochschule, sondern vielmehr das zuständige Prüfungsgremium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, wobei dieses im Falle der Entziehung eines Doktorgrades neben der Beurteilung des Umfangs oder des Gewichts des Plagiats und des Ausmaßes der damit verbundenen Schädigung der öffentlichen Interessen im Rahmen des Ermessens auch über die Bedeutung der persönlichen Belange des Betroffenen zu entscheiden hat. Nur wenn das Prüfungsgremium eine abschließende Entscheidung einschließlich der erforderlichen Ermessensausübung getroffen hat und der Betroffene dagegen einen Widerspruch einlegt, wird die Widerspruchsbefugnis des Prorektors für Lehre begründet. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten findet eine Aufspaltung der Entscheidungskompetenzen zwischen dem Prüfungsgremium, das über das Gewicht des Verstoßes entscheidet, und dem zentralen Organ, das die Ermessensentscheidung trifft, auf der Ebene des Ausgangsbescheides nicht statt. Dementsprechend würde sich bei richtiger Rechtsanwendung das von der Klägerin zu Recht aufgeworfene Problem, dass ein Mitglied des Rektorats zur Entscheidung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG über den Widerspruch gegen den Bescheid des gesamten Gremiums berufen wäre, nicht stellen.
40 
Der Zuständigkeit des Prüfungsausschusses steht auch nicht entgegen, dass nach § 1 Satz 1 PromO die xxx den Doktorgrad verleiht. Damit wird lediglich das in § 38 Abs. 1 Satz 2 LHG a.F. geregelte Promotionsrecht der xxx Hochschulen im Rahmen ihrer Aufgabenstellung ausgefüllt. Ebenso wie die sonstigen akademischen Titel erwirbt der Doktorand den Titel an der Beklagten, in der Sache wird die Prüfung und die Durchführung des Verfahrens jedoch, wie bereits ausgeführt, von den Fakultäten bzw. den von ihnen gebildeten Kommissionen erfüllt. Dementsprechend legt auch nicht etwa die Hochschule, sondern vielmehr die zuständige Fakultät jeweils bei der Annahme als Doktorand fest, welcher Doktorgrad verliehen wird, § 1 Satz 2 PromO.
41 
Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass es sich vorliegend nicht um eine Promotionsordnung der Fakultät, sondern um eine solche der gesamten Hochschule handelt. Ebenso wie es im Organisationsermessen der Hochschule liegt, gemeinsame Gremien bzw. Kommissionen der Fakultäten gemäß § 16 Abs. 5 LHG a.F. zu schaffen, können die Fakultäten ihr Prüfungswesen auch nach einer gemeinsamen Promotionsordnung oder nach sonstigen gemeinsamen Prüfungsordnungen ausrichten, denn diesbezügliche Vorgaben lassen sich § 38 Abs. 4 LHG a.F., der die Satzungsermächtigung für die Promotionsordnungen der Hochschulen enthält, nicht entnehmen. Dies begründet jedoch nicht die Zuständigkeit des Rektorats entgegen der gesetzlichen Aufgabenverteilung. Eine solche könnte - wenn überhaupt - nur durch die Grundordnung der Beklagten erfolgen, was hier jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht geschehen ist.
42 
Schließlich begründet auch der Umstand, dass ein Prüfungsausschuss gemäß § 3a PromO nach den Angaben der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses des Entziehungsbescheids nicht eingesetzt war, sondern dessen Aufgaben regelmäßig durch die Professorenversammlung der jeweiligen Fakultät wahrgenommen wurden, nicht die Zuständigkeit des Rektorats. Ungeachtet des Umstandes, dass die Beklagte jedenfalls für den Erlass belastender Verfügungen, um die es sich bei der Entziehung des Doktorgrades handelt, gegebenenfalls einen Prüfungsausschuss hätte einrichten müssen und dies nach den Vorgaben des § 3a PromO auch möglich gewesen wäre, führt eine ständige Praxis der Beklagten, die nicht im Einklang mit den Satzungsregelungen steht, nicht zu einer Zuständigkeitsbegründung. Dass im Normalfall der reibungslosen Durchführung eines Promotionsverfahren, das mit der Verleihung der Doktorwürde und damit einem begünstigenden Verwaltungsakt endet, das Fehlen des zuständigen Prüfungsausschusses nicht relevant wird, hat keine Bedeutung für die rechtlich maßgebenden Regelungen im vorliegenden Fall.
43 
Der formelle Fehler ist auch nicht nach § 46 LVwVfG unbeachtlich. Nach § 46 LVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 LVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zwar liegt hier entgegen der Auffassung der Klägerin kein Fall der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 44 LVwVfG vor, da weder einer der Nichtigkeitsgründe des § 44 Abs. 2 LVwVfG gegeben ist, noch der Fehler, an dem der Verwaltungsakt leidet, bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig im Sinne des § 44 Abs. 1 LVwVfG ist. Soweit das Rektorat über die Entziehung des Doktorgrades entschieden hat, liegt jedoch kein bloßer Verfahrensfehler, sondern ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit vor. Ein solcher wird von der Unbeachtlichkeitsregelung des § 46 LVwVfG von vornherein nicht erfasst (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2012 - 10 S 2058/11 -, ESVGH 63, 154; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 46 Rdnr. 14). Darüber hinaus handelt es sich bei der Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG um eine Ermessensentscheidung, bei der angesichts des Umstandes, dass ein anderes Gremium gegebenenfalls andere Ermessenserwägungen anstellen kann, es nicht offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 -, BVerwGE 61, 45; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 46 Rdnr. 32 m.w.N.).
44 
Aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit des Entziehungsbescheides ist auch der Widerspruchsbescheid des Prorektors für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten vom 07.09.2012 rechtswidrig und damit aufzuheben.
45 
Angesichts dieser Sachlage bedurften die weiteren zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, inwieweit die Gremien der Beklagten im Übrigen die verfahrensrechtlichen Vorgaben eingehalten haben, sowie die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung und des Widerspruchsbescheids keiner Entscheidung.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Der nicht rechtskundigen Klägerin war es nicht zuzumuten, das Widerspruchsverfahren selbst zu führen, zumal eine Vielzahl schwieriger Sach- und Rechtsfragen zu klären war.
47 
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 1 VwGO gegeben ist.
48 
B E S C H L U S S
49 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 18.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen auf 15.000,- EUR festgesetzt.
50 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
22 
Gegenstand der zulässigen Klage ist die Aufhebung des Bescheides der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 und des Widerspruchsbescheids des Prorektors für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten vom 07.09.2012.
23 
Die Einbeziehung des Widerspruchsbescheides in das zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits anhängige Klageverfahren stellt eine zulässige und sachdienliche Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO dar. Der ursprünglich isoliert angefochtene Bescheid der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 war mit einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass nach § 58 Abs. 2 VwGO die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs eröffnet war. Das entsprechende Widerspruchsverfahren konnte daher noch während des laufenden Prozesses nachgeholt werden (vgl. Eyermann/Renner, Kommentar zur VwGO, 14. Auflage, § 68 Rdnr. 22).
24 
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 und der Widerspruchsbescheid des Prorektors für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten vom 07.09.2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
25 
Der Bescheid der Rektorin der Beklagten vom 21.02.2011 ist formell rechtswidrig, da mit dem Rektorat nicht das zuständige Gremium über die Entziehung des Doktorgrades entschieden hat.
26 
Entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten, wonach das Rektorat für die Entziehung des Doktorgrades zuständig gewesen sei, hat das Rektorat die Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades getroffen und nicht etwa nur die Entscheidung eines anderen Gremiums lediglich nach außen kundgegeben. Dies lässt sich der Begründung des Entziehungsbescheids vom 21.02.2011 eindeutig entnehmen. Ausdrücklich heißt es auf Seite 2 des Bescheids: „Das Rektorat hat am 17.02.2011 einvernehmlich beschlossen, die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen.“ Auch die angestellten Ermessenserwägungen sind offenkundig eigene Ermessenserwägungen des Rektorats. So wird etwa ausgeführt, dass das Rektorat bei seiner Entscheidung über den Entzug des Doktorgrades ausführlich auch die persönlichen Folgen für die Klägerin bedacht habe, und ihm bewusst sei, dass die Entscheidung für die Klägerin zu einem Ansehensverlust führe.
27 
Dementsprechend haben alle anderen am Verfahren beteiligten Gremien keine abschließende Entscheidung über die Entziehung getroffen, sondern jeweils lediglich eine fachliche Einschätzung der Vorwürfe vorgenommen und entsprechende Empfehlungen zum weiteren Vorgehen ausgesprochen. So kam die Ethikkommission bei ihrer abschließenden Sitzung in dieser Sache zu dem Ergebnis, dass ein schwerwiegender Verstoß gegen die Promotionsordnung vorliege und die Hochschule in der Pflicht sei, sich um die Aberkennung des Titel zu bemühen. Zugleich heißt es im Protokoll vom 30.06.2010 ausdrücklich, dass nach Befassung des Professorenkollegiums und einer Beurteilung durch die Justiziarin abschließend das Rektorat der xxx in der Sache entscheiden müsse. Das Professorenkollegium der Fakultät xxx beschloss auf seiner Sitzung am 02.06.2010, dass der Klägerin „aus der Sicht des Professorengremiums“ der Doktortitel abzuerkennen sei und fasste bei seiner Sitzung am 07.07.2010 den Beschluss, die Aberkennung des Doktortitels zu befürworten. Schließlich traf auch die Prüfungskommission nach der Anhörung der Klägerin am 14.07.2010 keine eigene Sachentscheidung, sondern stellte lediglich fest, dass die Anhörung nach Einschätzung der Prüfungskommission ergeben habe, dass die Klägerin die wissenschaftlichen Anforderungen an eine Dissertation nicht eingehalten habe.
28 
Die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades lag jedoch nicht beim Rektorat der Beklagten, sondern vielmehr beim Prüfungsausschuss nach § 3a der Promotionsordnung der Beklagten. Dieser wäre zur Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades berufen gewesen.
29 
Im vorliegenden Fall finden das Landeshochschulgesetz in der Fassung vom 01.01.2005, zuletzt geändert durch Art. 2 des Verfasste-Studierenden-Gesetzes vom 10.07.2012, GBl. S. 457 (im Folgenden: LHG a.F.), sowie die Promotionsordnung der Beklagten vom 28.06.2007, Amtliche Bekanntmachung vom 29.06.2007, Nr. 25/2007, in der am 01.06.2012 in Kraft getretenen Fassung der Fünften Ordnung zur Änderung der Promotionsordnung der xxx vom 20.06.2012, Amtliche Bekanntmachung vom 21.06.2012 Nr. 60/2012 (im Folgenden: PromO) Anwendung. Dies folgt daraus, dass sich die Rechtmäßigkeit der Entziehung eines Doktorgrades – und damit auch die Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Gremiums – mangels anderweitiger Bestimmungen im Hochschulrecht als dem einschlägigen Fachrecht nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids richtet (VG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2014 - 15 K 2271/13 -, juris, Rdnr. 39; Urteil der Kammer vom 04.03.2013 – 7 K 3335/11 -, juris, Rdnr. 28; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2000 – 9 S 2435/99 -, KMK-HschR/NF 21A Nr. 19).
30 
Danach liegt die Zuständigkeit für die Entziehung des Doktorgrades bei der Hochschule, die den Grad verliehen hat. Dies gilt über den in § 35 Abs. 7 Satz 2 LHG a.F.(neu: § 36 Abs. 7 Satz 2 LHG) geregelten Fall der Entziehung des Doktorgrades wegen unwürdigen Verhaltens hinaus für alle Fälle der Entziehung des Doktorgrades (Urteil der Kammer vom 04.03.2013 - 7 K 3335/11 -, juris, Rdnr. 26; ebenso unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2000 – 9 S 2435/99 -, KMK-HschR/NF 21A Nr. 19). Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 LHG a.F. handeln in Angelegenheiten, die Hochschulprüfungen betreffen, für die Hochschule die nach den Prüfungsordnungen zuständigen Stellen. Diese Zuständigkeit für Hochschulprüfungen erfasst auch Promotionen und damit die Verleihung wie auch - als „actus contrarius“ - die Entziehung des Doktorgrades. Auch bei der Rücknahme eines verliehenen Doktorgrades handelt es sich somit um eine Hochschulprüfungen betreffende Angelegenheit (zuletzt VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris, Rdnr. 8 m.w.N.; Urteil der Kammer vom 04.03.2013 - 7 K 3335/11 -, juris, Rdnr. 63).
31 
Die Promotionsordnung der Beklagten als die hier einschlägige Prüfungsordnung regelt in § 14 Abs. 3 PromO, dass der Doktorgrad nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen entzogen werden kann. Da diese Regelung keine ausdrückliche Zuständigkeitsbestimmung enthält, ist das für die Entziehung des Doktorgrades zuständige Organ im Wege der Auslegung ermitteln.
32 
Die systematische Auslegung, die die sonstigen Regelungen der Promotionsordnung in den Blick nimmt, spricht dafür, dass der Prüfungsausschuss nach § 3a PromO für die Entziehung des Doktorgrades zuständig ist. Nach § 14 Abs. 1 PromO kann der Prüfungsausschuss die Promotionsleistungen für ungültig erklären, wenn sich vor Aushändigung der Promotionsurkunde ergibt, dass der Bewerber oder die Bewerberin sich bei den Promotionsleistungen einer Täuschung schuldig gemacht oder die Zulassung zum Promotionsverfahren durch Täuschung erlangt hat. Es erscheint sachgerecht, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über Sanktionen wegen eines Verstoßes gegen die Promotionsordnung beim Prüfungsausschuss liegt - unabhängig davon, ob die Urkunde bereits übergeben ist oder nicht -, da in der Sache im Wesentlichen dieselben Sachverhalte, insbesondere die Schwere des Verstoßes, zu beurteilen sind.
33 
Jedenfalls folgt die Zuständigkeit des Prüfungsausschusses für die Entziehung des Doktorgrades aus dem Umstand, dass es sich bei der Entziehung des Doktorgrades um den actus contrarius zur Verleihung handelt und der Prüfungsausschuss nach den im vorliegenden Fall anwendbaren Regelungen die eigentliche Sachentscheidung über die Verleihung des Doktorgrades trifft. Die Zuständigkeit des Prüfungsausschusses für die Verleihung des Doktorgrades folgt zum einen aus § 3 PromO, wonach der Prüfungsausschuss für den organisatorischen Ablauf des Promotionsverfahrens zuständig ist, soweit keine anderen Zuständigkeiten festgelegt sind. Diese Zuständigkeit für die Organisation des Verfahrens wird in § 3a Abs. 1 PromO dahingehend erweitert, dass „für die Durchführung des Promotionsverfahrens und die Erfüllung der sonstigen durch diese Promotionsordnung zugewiesenen Aufgaben“ ein Prüfungsausschuss zu bilden ist. Daraus lässt sich ersehen, dass dem Prüfungsausschuss die tragende Rolle bei der Durchführung des Promotionsverfahrens zukommt. Insbesondere entscheidet er auch gemäß § 8 Abs. 6 Satz 4 PromO auf der Grundlage der Gutachten und auf der Grundlage vorliegender Stellungnahmen über die Annahme oder die Ablehnung der Dissertation und legt bei Annahme eine Bewertung der Dissertation gemäß § 10 Abs. 1 PromO fest. Nachdem die Dissertation angenommen und die mündliche Prüfung absolviert worden ist, beschränkt sich die Entscheidung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses auf die bloße Feststellung, dass alle Promotionsleistungen außer der Veröffentlichung der Doktorarbeit erbracht sind, § 11 Abs. 3 PromO. Auch der Professorenversammlung kommen - anders als dem Prüfungsausschuss - nur singuläre Entscheidungsbefugnisse im Rahmen des Promotionsverfahrens zu, die in der Promotionsordnung aufgezählt sind. So entscheidet sie etwa gemäß § 5 Abs. 3 PromO über die Annahme als Doktorand und weist die beiden betreuenden Professoren zu.
34 
In der Ausfertigung der Promotionsurkunde mit den Unterschriften des Rektors und des Dekans der zuständigen Fakultät liegt dagegen keine inhaltliche Sachentscheidung über die Verleihung des Doktorgrades, sondern damit wird lediglich der durch das erfolgreiche Absolvieren des Promotionsverfahren erworbene Anspruch auf Verleihung des Doktorgrades vollzogen. Insbesondere können weder der Dekan noch der Rektor die Verleihung des Doktorgrades aus eigenem Recht verhindern, sofern der Bewerber die Anforderungen der Promotionsordnung erfüllt, sprich der Prüfungsausschuss die Dissertation angenommen hat, die mündliche Prüfung bestanden und die Veröffentlichung der Arbeit erfolgt ist. Der Umstand, dass ein Mitglied des Rektorats, welches zugleich Mitglied der für die betreffende Promotion zuständigen Fakultät ist und als solches beispielsweise eine gutachterliche Stellungnahme im Rahmen der Auslegung der Dissertation gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 PromO abgeben kann, ändert nichts daran, dass das Rektorat oder einzelne Rektoratsmitglieder keine Sachentscheidung im Rahmen des Promotionsverfahrens treffen.
35 
Diese Zuständigkeitsverteilung entspricht auch der gesetzgeberischen Funktionsverteilung zwischen den Fakultäten auf der einen und dem Rektorat als dem Zentralorgan der Hochschule auf der anderen Seite.
36 
Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 LHG a.F. ist das Rektorat für alle Angelegenheiten zuständig, für die in diesem Gesetz oder in der Grundordnung nicht ausdrücklich eine andere Zuständigkeit festgelegt ist. Nach § 22 Abs. 1 LHG a.F. ist die Fakultät die organisatorische Grundeinheit der Hochschule; sie erfüllt unbeschadet der Gesamtverantwortung und der Zuständigkeiten der Hochschulorgane in ihrem Bereich die Aufgaben der Hochschule. Die Verleihung eines Doktorgrades ist eine klassische Aufgabe der Fakultäten, da die innerhalb eines Fachbereichs erbrachten wissenschaftlichen Leistungen mit dem Doktortitel ausgezeichnet werden. Im Bereich des Promotionswesens handelt es sich bei den Fakultäten somit keineswegs um „nachgeordnete Behörden“ der zentralen Universitätsverwaltung, sondern um die originär zuständigen Rechtsträger. Dass dies beispielsweise bei der Ernennung von Professoren gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 LHG a.F. (neu: § 48 Abs. 2 Satz 1 LHG) oder bei der Entscheidung über die Verteilung der für die Hochschule verfügbaren Stellen und Mittel gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 LHG a.F. (neu: § 16 Abs. 3 Satz 2 Nr. 7 LHG) nach den gesetzlichen Regelungen anders ist, hat keine Bedeutung für die vorliegend in Rede stehende Frage des Promotionsrechts. Aus diesem Grund ist im Übrigen auch eine eindeutige Zuordnung des Promotionsvorhabens zu einer Fakultät geboten, was durch das Erfordernis der Antragstellung zur Annahme als Doktorand bei einer Fakultät gemäß § 5 Abs. 1 PromO und durch den entsprechenden Annahmebeschluss des Professorenkollegiums dieser Fakultät sichergestellt wird.
37 
Inwieweit eine Übertragung der Aufgaben der Fakultäten auf die zentralen Organe der Hochschule durch die Grundordnung möglich wäre (vgl. zur Regelung des § 26 Abs. 5 Satz 1 HG NRW OVG Münster, Urteile vom 22.01.2013 - 6 A 839/11 - und vom 27.02.2014 - 6 A 274/12 -, juris), bedarf hier keiner weiteren Klärung, da die Grundordnung der Beklagten hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Insbesondere handelt es sich bei dem Prüfungsausschuss, der sich nach § 3a Abs. 2 PromO aus den Dekanen der xxx Fakultäten sowie je einem weiteren Professor aus jeder Fakultät sowie dem Leiter des Akademischen Prüfungsamts zusammensetzt, nicht um ein zentrales Organ der Beklagten. Ein derart zusammengesetztes Gremium konnte vielmehr zulässigerweise auf der Grundlage des § 15 Abs. 6 LHG a.F. als gemeinsame Kommission der Fakultäten gebildet werden und damit stellvertretend für diese handeln. Nach § 15 Abs. 6 Satz 1 LHG a.F. können für Aufgaben, die eine Zusammenarbeit mehrerer Fakultäten einer Hochschule oder mehrerer Studienakademien erfordern, gemeinsame Einrichtungen und gemeinsame Kommissionen gebildet und zugleich deren Bezeichnung festgelegt werden. Einer solchen gemeinsamen Kommission können nach § 15 Abs. 6 Satz 2 LHG a.F. unter anderem Entscheidungsbefugnisse über Habilitations-, Promotions- und andere Prüfungsangelegenheiten eingeräumt werden, wobei die Vorgaben des § 10 Abs. 3 LHG hinsichtlich der Stimmengewichtungen einzuhalten sind. Von dieser Möglichkeit der Einräumung von Entscheidungsbefugnissen haben die Fakultäten der Beklagten mit der Übertragung der Zuständigkeit für das Promotionsverfahren auf den Prüfungsausschuss gemäß § 3a PromO in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
38 
Ebenfalls nur mit der Zuständigkeit der Fakultäten bzw. der für ihre Aufgabenerfüllung geschaffenen gemeinsamen Kommissionen - hier des Prüfungsausschusses - für die Fragen der Promotion und des sonstigen Prüfungswesens, ist zu erklären, dass das Landeshochschulgesetz in § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG a.F. anordnet, dass das für die Lehre zuständige Mitglied des Rektorats über Widersprüche in Angelegenheiten, die Hochschulprüfungen betreffen, entscheidet. Diese dem für die Lehre zuständigen Mitglied des Rektorats zugewiesenen Befugnisse einer Widerspruchsbehörde, stellen sicher, dass die einzelnen Fakultäten der Universität in prüfungsrechtlichen Fragen einheitliche rechtliche Maßstäbe anlegen. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg bei der Entscheidung über den Widerspruch auf den besonderen Beurteilungsspielraum des Prüfungsgremiums, hier des Prüfungsausschusses, Rücksicht zu nehmen (Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris Rdnr. 34 m.w.N.).
39 
Diese Einschränkung der Widerspruchsbefugnis setzt voraus, dass nicht das Rektorat als zentrales Organ der Hochschule, sondern vielmehr das zuständige Prüfungsgremium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, wobei dieses im Falle der Entziehung eines Doktorgrades neben der Beurteilung des Umfangs oder des Gewichts des Plagiats und des Ausmaßes der damit verbundenen Schädigung der öffentlichen Interessen im Rahmen des Ermessens auch über die Bedeutung der persönlichen Belange des Betroffenen zu entscheiden hat. Nur wenn das Prüfungsgremium eine abschließende Entscheidung einschließlich der erforderlichen Ermessensausübung getroffen hat und der Betroffene dagegen einen Widerspruch einlegt, wird die Widerspruchsbefugnis des Prorektors für Lehre begründet. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten findet eine Aufspaltung der Entscheidungskompetenzen zwischen dem Prüfungsgremium, das über das Gewicht des Verstoßes entscheidet, und dem zentralen Organ, das die Ermessensentscheidung trifft, auf der Ebene des Ausgangsbescheides nicht statt. Dementsprechend würde sich bei richtiger Rechtsanwendung das von der Klägerin zu Recht aufgeworfene Problem, dass ein Mitglied des Rektorats zur Entscheidung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG über den Widerspruch gegen den Bescheid des gesamten Gremiums berufen wäre, nicht stellen.
40 
Der Zuständigkeit des Prüfungsausschusses steht auch nicht entgegen, dass nach § 1 Satz 1 PromO die xxx den Doktorgrad verleiht. Damit wird lediglich das in § 38 Abs. 1 Satz 2 LHG a.F. geregelte Promotionsrecht der xxx Hochschulen im Rahmen ihrer Aufgabenstellung ausgefüllt. Ebenso wie die sonstigen akademischen Titel erwirbt der Doktorand den Titel an der Beklagten, in der Sache wird die Prüfung und die Durchführung des Verfahrens jedoch, wie bereits ausgeführt, von den Fakultäten bzw. den von ihnen gebildeten Kommissionen erfüllt. Dementsprechend legt auch nicht etwa die Hochschule, sondern vielmehr die zuständige Fakultät jeweils bei der Annahme als Doktorand fest, welcher Doktorgrad verliehen wird, § 1 Satz 2 PromO.
41 
Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass es sich vorliegend nicht um eine Promotionsordnung der Fakultät, sondern um eine solche der gesamten Hochschule handelt. Ebenso wie es im Organisationsermessen der Hochschule liegt, gemeinsame Gremien bzw. Kommissionen der Fakultäten gemäß § 16 Abs. 5 LHG a.F. zu schaffen, können die Fakultäten ihr Prüfungswesen auch nach einer gemeinsamen Promotionsordnung oder nach sonstigen gemeinsamen Prüfungsordnungen ausrichten, denn diesbezügliche Vorgaben lassen sich § 38 Abs. 4 LHG a.F., der die Satzungsermächtigung für die Promotionsordnungen der Hochschulen enthält, nicht entnehmen. Dies begründet jedoch nicht die Zuständigkeit des Rektorats entgegen der gesetzlichen Aufgabenverteilung. Eine solche könnte - wenn überhaupt - nur durch die Grundordnung der Beklagten erfolgen, was hier jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht geschehen ist.
42 
Schließlich begründet auch der Umstand, dass ein Prüfungsausschuss gemäß § 3a PromO nach den Angaben der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses des Entziehungsbescheids nicht eingesetzt war, sondern dessen Aufgaben regelmäßig durch die Professorenversammlung der jeweiligen Fakultät wahrgenommen wurden, nicht die Zuständigkeit des Rektorats. Ungeachtet des Umstandes, dass die Beklagte jedenfalls für den Erlass belastender Verfügungen, um die es sich bei der Entziehung des Doktorgrades handelt, gegebenenfalls einen Prüfungsausschuss hätte einrichten müssen und dies nach den Vorgaben des § 3a PromO auch möglich gewesen wäre, führt eine ständige Praxis der Beklagten, die nicht im Einklang mit den Satzungsregelungen steht, nicht zu einer Zuständigkeitsbegründung. Dass im Normalfall der reibungslosen Durchführung eines Promotionsverfahren, das mit der Verleihung der Doktorwürde und damit einem begünstigenden Verwaltungsakt endet, das Fehlen des zuständigen Prüfungsausschusses nicht relevant wird, hat keine Bedeutung für die rechtlich maßgebenden Regelungen im vorliegenden Fall.
43 
Der formelle Fehler ist auch nicht nach § 46 LVwVfG unbeachtlich. Nach § 46 LVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 LVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zwar liegt hier entgegen der Auffassung der Klägerin kein Fall der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 44 LVwVfG vor, da weder einer der Nichtigkeitsgründe des § 44 Abs. 2 LVwVfG gegeben ist, noch der Fehler, an dem der Verwaltungsakt leidet, bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig im Sinne des § 44 Abs. 1 LVwVfG ist. Soweit das Rektorat über die Entziehung des Doktorgrades entschieden hat, liegt jedoch kein bloßer Verfahrensfehler, sondern ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit vor. Ein solcher wird von der Unbeachtlichkeitsregelung des § 46 LVwVfG von vornherein nicht erfasst (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2012 - 10 S 2058/11 -, ESVGH 63, 154; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 46 Rdnr. 14). Darüber hinaus handelt es sich bei der Entscheidung über die Entziehung des Doktorgrades nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG um eine Ermessensentscheidung, bei der angesichts des Umstandes, dass ein anderes Gremium gegebenenfalls andere Ermessenserwägungen anstellen kann, es nicht offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 -, BVerwGE 61, 45; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 46 Rdnr. 32 m.w.N.).
44 
Aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit des Entziehungsbescheides ist auch der Widerspruchsbescheid des Prorektors für Studium, Lehre und Medienentwicklung der Beklagten vom 07.09.2012 rechtswidrig und damit aufzuheben.
45 
Angesichts dieser Sachlage bedurften die weiteren zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, inwieweit die Gremien der Beklagten im Übrigen die verfahrensrechtlichen Vorgaben eingehalten haben, sowie die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung und des Widerspruchsbescheids keiner Entscheidung.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Der nicht rechtskundigen Klägerin war es nicht zuzumuten, das Widerspruchsverfahren selbst zu führen, zumal eine Vielzahl schwieriger Sach- und Rechtsfragen zu klären war.
47 
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 124a Abs. 1 VwGO gegeben ist.
48 
B E S C H L U S S
49 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 18.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen auf 15.000,- EUR festgesetzt.
50 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Tenor

Im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors wird der Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Promotion und die Rückforderung der Promotionsurkunde.

2

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der beklagten Hochschule bestand der Kläger am 18. Dezember 1995 die Erste Juristische Staatsprüfung.

3

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 1. Juni 1997 die Zulassung zur Promotion beim damaligen Fachbereich Rechtswissenschaft I der Beklagten. Er gab dabei die Versicherung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 ab, dass er die Dissertation selbst angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die vorgelegte Dissertation mit dem Titel: „…“ bewerteten der Betreuer der Dissertation und Erstgutachter Prof. Dr. A. in seinem Votum vom 16. Oktober 1997 und der Zweitgutachter Prof. Dr. B. in seinem Votum vom 23. Dezember 1997 jeweils mit der Note „magna cum laude“. Am 28. Januar 1998 bestand der Kläger das Kolloquium vor den Prüfern Prof. Dr. C., Prof. Dr. A. sowie Prof. Dr. D.. Der Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft I fertigte eine auf diesen Tag datierte Promotionsurkunde aus, mit der dem Kläger der Grad eines Doktors der Rechte verliehen wurde.

4

Nach Bestehen der Großen Juristischen Staatsprüfung am 19. Mai 2000 nahm der Kläger die freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt auf.

5

Auf Antrag des Klägers vom 19. Dezember 2007 gewährte der damalige Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft der Beklagten und Vorsitzende des Habilitationsausschusses Prof. Dr. E. ihm am 15. Januar 2008 die Zulassung zur Habilitation. Der Kläger legte eine Habilitationsschrift vor unter dem Titel: „…“. Der Erstgutachter Prof. Dr. F. schlug in seinem Votum vom 26. April 2008 die Annahme der Habilitationsschrift vor. Hingegen schlug der Zweitgutachter Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 19. Juni 2008 die Ablehnung vor und führte aus:

6

„Für eine wissenschaftliche Abhandlung ernstlich bedenklich ist indes, dass Verf. seine Thesen kaum argumentativ herausarbeitet, sondern im Wesentlichen behauptet […]. Gänzlich verstörend wirkt freilich, dass sich in den Schrifttumsnachweisen des geschilderten Abschnitts […] kein einziger Nachweis findet, der jünger als 13 Jahre wäre […] Des Rätsels Lösung besteht darin, dass Verf. an dieser Stelle der Arbeit in großen Teilen sowohl Text wie auch Fußnoten aus den S. 36 ff. seiner Dissertation aus dem Jahre 1998 […] wörtlich übernommen hat. Nun ist ein 'selbstreferenzielles' Vorgehen bekanntlich zwar nicht urheberrechtlich unzulässig, aber jedenfalls dann wissenschaftlich unredlich, wenn der Autor sich noch nicht einmal die Mühe macht, Text und Fußnoten zu aktualisieren.“

7

Der im ursprünglichen Promotionsverfahren als Betreuer der Dissertation tätig gewordene Prof. Dr. A. wandte sich mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 gegen dieses die Habilitationsschrift betreffende Zweitvotum. Gleichwohl beschloss der Habilitationsausschuss in seiner Sitzung vom 14. Januar 2009, dass die Habilitationsschrift unzureichend sei. Der Kläger wandte sich mit diversen Schreiben seiner Bevollmächtigten gegen diese Einschätzung.

8

Unmittelbar vor einer auf den 27. Mai 2009 angesetzten Sitzung des Habilitationsausschusses unter dem Vorsitz von Prodekan Prof. Dr. D. als Vertreter des krankheitsbedingt fehlenden Dekans fand eine Unterredung des Vorsitzenden mit dem Bevollmächtigten des Klägers Rechtsanwalt H. statt. In dem Protokoll der anschließenden Sitzung des Habilitationsausschusses heißt es:

9

„In diesem Gespräch haben sich der Vorsitzende und Herr Rechtsanwalt H. darauf verständigt, dass auf die Erörterung der schriftlichen Habilitationsleistung (§ 9 Abs. 2 Satz 3 der Habilitationsordnung) im gegenseitigen Einvernehmen verzichtet wird. Der Habilitationsausschuss billigt diese Einigung.

10

Der Vorsitzende berichtet weiter, dass er Herrn Rechtsanwalt H. eine Schriftsatzfrist von zwei Monaten anbietet. Innerhalb dieser Frist soll ein Gespräch zwischen [dem Kläger], gegebenenfalls unter Beteiligung seiner Rechtsbeistände, und Herrn Prof. Dr. I. zu der Frage stattfinden, inwieweit es möglich ist, durch Ausgliederung eines Teils der bisher vorgelegten Arbeit und dessen vertiefte, dem Stand der Diskussion und der Rechtslage entsprechende Behandlung das Verfahren voranzutreiben. Herr Prof. Dr. I. erklärt sich zu einem solchen Gespräch bereit und wird im Voraus mit Herrn Prof. Dr. G. diese Frage erörtern. Prof. Dr. G. erklärt sich ebenfalls dazu bereit. Der Ausschuss billigt auch dieses Vorgehen.

11

[…] Mit diesem Angebot der Fakultät ist noch keine Garantie einer günstigen Entscheidung verbunden. Vielmehr behält sich der Ausschuss eine Neubewertung des überarbeiteten Teils der Arbeit vor.“

12

In der Folgezeit arbeitete der Kläger seine Habilitationsschrift um, jetzt unter dem Titel: „…“. Der nunmehr als Erstgutachter tätig gewordene Prof. Dr. I. in seinem Votum vom 25. März 2010 sowie daran anschließend der Zweitgutachter Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 21. April 2010 schlugen eine Annahme der Habilitationsschrift mit einer Einschränkung der Lehrbefugnis (venia legendi) auf das „Gesellschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Aktienrechts“ vor.

13

Der Habilitationsausschuss erörterte in seiner Sitzung vom 7. Juli 2010 den Umstand, dass der vormalige Erstgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. F. auf der Website der vom Kläger gegründeten Rechtsanwaltssozietät J. seit dem 1. Juni 2009 als „of counsel“ genannt worden war. Im Sitzungsprotokoll ist ausgeführt:

14

„Sodann wird unter dem Vorbehalt, dass die Aufklärung keinen Verfahrensmangel ergibt, auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. einstimmig beschlossen, die Habilitationsschrift als schriftliche Habilitationsleistung anzunehmen.“

15

Am 1. Oktober 2010 trat Prof. Dr. K. die Nachfolge von Prof. Dr. E. als Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft und Vorsitzender des Habilitationsausschusses an.

16

Am 17. Mai 2011 teilte Prof. Dr. I. den Mitgliedern des Habilitationsausschusses unter Hinweis auf die Tätigkeit des Prof. Dr. F. für die Rechtsanwaltssozietät des Klägers mit, er ziehe sein Gutachten zurück. Der Habilitationsausschuss möge den Promotionsausschuss bitten, „im Hinblick auf die vom Zweitgutachter G. in seinem ursprünglichen Gutachten aufgedeckten Plagiate in der Dissertation des [Klägers] das Verfahren zur Entziehung des Doktorgrads einzuleiten.“ Prof. Dr. I. teilte ferner mit, er halte sich für befangen.

17

Der Zweitgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. teilte dem Dekan und Vorsitzenden des Habilitationsausschusses Prof. Dr. K. unter dem 20. Mai 2011 mit, er fechte seine Erklärung an, mittels derer er seine Bestellung als Zweitgutachter in dem Habilitationsverfahren angenommen habe und ziehe sein Zweitvotum zurück. Zugleich bat er den Habilitationsausschuss darüber zu entscheiden, ob seiner Mitwirkung im weiteren Verfahren die Besorgnis der Befangenheit entgegenstehe.

18

Der Habilitationsausschuss fasste in seiner Sitzung vom 8. Juni 2011 einen Beschluss, in dem er insbesondere folgende Entscheidungen traf: Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. wurden wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Habilitationsausschuss ausgeschlossen. Der Promotionsausschuss wurde gebeten, den von Mitgliedern des Habilitationsausschusses geäußerten Verdacht eines Plagiats in der Dissertation des Klägers zu prüfen. Bis zu einer Stellungnahme des Promotionsausschusses wurde das Habilitationsverfahren ausgesetzt und der Termin für den Habilitationsvortrag des Klägers am 29. Juni 2011 aufgehoben. Der Habilitationsausschuss entschied, dass er keine schwerwiegenden Verfahrensmängel i.S.d. Vorbehalts der Entscheidung vom 7. Juli 2010 sehe. Im Protokoll der Sitzung vom 8. Juni 2011 heißt es über den vom Habilitationsausschuss am 27. Mai 2009 gefassten Beschluss:

19

„In Anwesenheit der beiden Gutachter und nach vorherigen außergerichtlichen Erörterungen mit den Anwälten [des Klägers] wurde am 27.5.2009 vom Ausschuss eine 'Rettungslösung' beschlossen. [Dem Kläger] sollte die Gelegenheit zur Überarbeitung und Verbesserung seiner Habilitationsschrift bekommen. Über die dazu erforderlichen Schritte sollte ihn Herr I. beraten. Herr I. sollte sodann zur überarbeiteten Fassung ein neues Erstgutachten erstellen, Herr G. erneut ein Zweitgutachten schreiben.“

20

Der Vorsitzende des Habilitationsausschusses Dekan Prof. Dr. K. ersuchte den Vorsitzenden des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. unter dem 15. Juni 2011 förmlich um eine durch den Promotionsausschuss zu erbringende Aufklärung „des Verdachts des Plagiats in der Dissertation“ des Klägers.

21

Am gleichen Tag erstattete der Dekan dem Präsidenten der Beklagten über den Gang des Habilitationsverfahrens des Klägers folgenden Bericht:

22

„Der Ausschuss hat am 8. Juni ausführlich über die Konsequenzen für das Verfahren und die gestellten Anträge beraten. Zu den Plagiatsvorwürfen wurde ergänzend erklärt, dass diese in der Tat auch im Ausschuss zu Beginn des Jahres 2009 diskutiert worden seien. Damals war der Ausschuss der Auffassung, dem Hinweise in diesem Verfahren nicht weiter nachgehen zu müssen, da die Habilitationsschrift ohnehin nicht angenommen werde. Nach der Verabredung der 'Rettungslösung' waren die Vorwürfe nicht mehr Gegenstand des Verfahrens und wurden erst jetzt, im Sommersemester 2011 wieder von mehreren Mitgliedern des Ausschusses erhoben.“

23

Der Promotionsausschuss unter dem Vorsitz von Prof. Dr. L. beschloss in seiner 150. Sitzung am 29. Juni 2011, die beiden Gutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. und Prof. Dr. I. wegen der geäußerten Plagiatsvorwürfe anzuschreiben. Der Promotionsausschuss beschloss am 6. Juli 2011, in Aussicht zu nehmen, „ggfs. Herrn Prof. D. um eine gutachterliche Stellungnahme zu bitten, sofern sich Anhaltspunkte für einen Verdacht ergeben sollten“. Der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. bat unter dem 15. August 2011 den am M. tätigen Prof. Dr. N., ein Gutachten zu der Frage zu erstatten, inwieweit sich der Kläger durch „solche Übernahmen von Texten anderer Urheber einer erheblichen Täuschung im Promotionsverfahren schuldigt gemacht hat, so dass ihm gem. § 19 der in diesem Fall gültigen Promotionsordnung der Doktorgrad abzuerkennen wäre.“ Prof. Dr. N. beantwortete die gestellten Fragen in einem auf November 2011 datierten Gutachten wie folgt:

24

„1. Die Dissertation [des Klägers] ist in einem erheblichen, jede Bagatellgrenze deutlich übersteigenden Maße von wissenschaftlicher Unredlichkeit gekennzeichnet – indem Fremdtexte teils wörtlich, teils unter leichter Satzumstellung oder Umformulierung verwandt werden.

25

2. Die Promotion ist rechtswidrig und kann nach § 48 Abs. 3 VwVfG zurückgenommen werden, weil die Dissertation wissenschaftlichen Maßstäben nicht genügt und damit nicht als Promotionsleistung taugt.

26

3. Vertrauensschutz genießt [der Kläger] auch nach fast 14 Jahren nicht – schon weil er arglistig gehandelt hat. Dementsprechend kann auch ein etwaiger 'Erwerbsschaden' durch Promotionsentzug in der Abwägung nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. [Der Kläger] verliert nur das, was er sich unredlich erschlichen hat.“

27

Zuvor waren bereits im August 2011 Plagiatsvorwürfe hinsichtlich der Dissertation des Klägers auf der Homepage der Internetplattform „O.“ veröffentlich worden. Der Wissenschaftsjournalist Priv.-Doz. Dr. P. hatte sich mit E-Mails vom 8. August 2011 an den Dekan Prof. Dr. K. mit einer Anfrage gewandt, die Plagiatsvorwürfe wegen der Dissertation des Klägers betraf. Am 29. August 2011 erschien ein Artikel von Priv.-Doz. Dr. P. im Internetangebot „Q.“ unter dem Titel: „…“ Zu einem späteren Zeitpunkt erstattete der Präsident der Beklagten, Prof. Dr. R., „Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Weitergabe vertraulicher Informationen an Dritte“ und nahm dabei auf die Online-Publikationen über Plagiatsvorwürfe Bezug. Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellte das Ermittlungsverfahren ein, da kein Täter ermittelt werden konnte (Einstellungsnachrichten v. 8.1.2013, ...).

28

Mit Schreiben vom 8. November 2011 informierte der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. die beiden Gutachter der Dissertation, Prof. Dr. A. und Prof. Dr. B., unter Beifügung des Gutachtens des Prof. Dr. N. über die Vorwürfe und bat um Stellungnahme. Mit Schreiben unter dem gleichen Datum räumte er dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme ein.

29

Unter Bezugnahme auf das an ihn gerichtete Schreiben des Vorsitzenden des Promotionsausschusses wandte sich der Erstgutachter der Dissertation des Klägers, Prof. Dr. A., unter dem 24. November 2011 an den Präsidenten der Beklagten, Prof. Dr. R., monierte den Gang des Habilitationsverfahrens und erhob Bedenken gegen die Qualifikation des Prof. Dr. N. und dessen Gutachten. In dem Gutachten seien keine Plagiate von relevanter Bedeutung nachgewiesen worden und er fühle sich nicht getäuscht.

30

Der Kläger drohte mit E-Mail an den Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., vom 16. November 2011 mit rechtlichen Schritten in den Vereinigten Staaten.

31

Der Zweitgutachter der Dissertation Prof. Dr. B. nahm unter dem 1. Dezember 2011 gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., insbesondere wie folgt Stellung:

32

„Ich hatte bereits in meinem Zweitgutachten zur Dissertation [des Klägers] zum Ausdruck gebracht, dass die Dissertation im Wesentlichen nur bereits bekannte Erkenntnisse enthält. Nunmehr zeigt sich, dass [der Kläger] die Arbeit in einem erschreckend großen Umfang von anderen Autoren abgeschrieben hat und dabei ebenfalls in sehr großem Umfang Texte fremder Autoren wörtlich oder fast wörtlich einfach übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen. […] Ich sehe mich in meiner damaligen, für die Beurteilung maßgebenden Annahme getäuscht, dass – mögen auch die Erkenntnisse im Wesentlichen nicht neu gewesen sein – doch die gesamte Darstellung inhaltlich und textlich allein vom Verfasser stammt. Hierin hatte ich die eigene Leistung des Verfassers gesehen. Die Grundlage für diese Beurteilung ist vollständig entfallen.“

33

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 bat das Mitglied des Promotionsausschusses Prof. Dr. T. gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., wegen einer an ihn gerichteten E-Mail des Klägers vom 15. Dezember 2011 ihn, Prof. Dr. T., „im Promotionsausschuss für befangen zu erklären“.

34

In seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2012 brachte der Kläger vor, der Begriff des Plagiats erfordere die Angabe fremden Gedankenguts unter Nichtnennung der Quelle. Er habe seine Dissertation von einem Germanisten lektorieren lassen. Es hätten Gespräche sowohl im Vorfeld als auch nach Fertigstellung der Arbeit stattgefunden. Dabei sei auch die korrekte Zitierweise erörtert bzw. besprochen worden. Danach sollten Anführungszeichen, wenn überhaupt, nur zu setzen sein, wenn ein ganzer Satz wortwörtlich wiedergegeben werde, ansonsten reiche der Quellennachweis aus, da sonst dem geneigten Leser ein flüssiges Lesen unmöglich wäre. Es sei nicht erforderlich und auch nicht geboten, innerhalb eines Absatzes jeden einzelnen Satz zu zitieren. Innerhalb eines Absatzes sei ein Quellennachweis ausreichend, wenn die einzelnen Sätze in einem engen sachlichen Zusammenhang stünden und für den fachkundigen Leser erkennbar sei, dass die einzelnen Sätze von einem Autor stammten. Der Quellennachweis sei dann je nach Schwerpunktsetzung an das Ende des ersten Satzes oder des letzten Satzes des betreffenden Absatzes zu setzen. Er, der Kläger, habe – ausgehend von einem Festschriftbeitrag des Betreuers der Dissertation Prof. Dr. A. – als Eigenleistung eine herausragende Stellung des Finanzvorstands anerkannt. Der Vorwurf der vorsätzlichen, arglistigen Täuschung sei befremdlich und werde entschieden zurückgewiesen.

35

Der Promotionsausschuss erörterte am 25. April 2012 eine Aberkennung des akademischen Grads des Klägers unter Einbezug der Stellungnahmen des Klägers und der Gutachter. Der Promotionsausschuss fasste den Beschluss:

36

„[Dem Kläger] wird der Doktortitel wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens gem. § 19 S. 2 PromO 1972 und § 48 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 HmbVwVfG entzogen, da sich nachträglich herausgestellt hat, dass die zur Verleihung des Doktortitels erforderlichen Voraussetzungen aufgrund Täuschung und wissenschaftlichen Fehlverhaltens des [Klägers] zum Zeitpunkt der Verleihung des Doktortitels nicht vorgelegen haben.“

37

Der Promotionsausschuss hielt ausweislich des Sitzungsprotokolls dafür, dass der transparente und exakte Nachweis der Verwendung fremder Formulierungen und fremden Gedankenguts nicht erst seit 1999 zum Wesensmerkmal guter wissenschaftlicher Praxis gehöre und ein wesentliches Element der Eigenständigkeit bzw. der Erkennbarkeit der eigenständigen wissenschaftlichen Leistung eines Promovenden sei. Der Promotionsausschuss gehe angesichts Art und Umfang der Nutzung fremder Texte und fremden Gedankenguts, die nicht adäquat nachgewiesen bzw. verschleiert sei, von einer arglistigen Täuschung aus. Der Promotionsausschuss erörterte die Frage, ob angesichts des damit zugleich verbundenen schweren Eingriffs in die Grundrechte des Klägers der Entzug des Doktorgrads noch als verhältnismäßig angesehen werden könne, was aber angesichts des Umfangs und der Art der nicht adäquat erfolgten Kennzeichnung der Übernahme fremden Gedankenguts der Fall sei.

38

Der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. wurde beauftragt, diesen Beschluss und dessen Begründung dem Dekan zwecks Vollzugs im Außenverhältnis mitzuteilen. Der Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft Prof. Dr. K. fertigte unter dem 25. Juni 2012 den Bescheid, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, in dessen Tenor es heißt:

39

„1. Die Verleihung des akademischen Grads eines Doktors der Rechtswissenschaft mit Urkunde vom 28.1.1998 durch den Fachbereich Rechtswissenschaft I wird zurückgenommen. Der Titel wird Ihnen damit nachträglich aberkannt und entzogen.

40

2. Es wird Ihnen aufgegeben, die Promotionsurkunde vom 28.01.1998 an die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg, Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg bis zum 17.08.2012 zurückzugeben.“

41

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Entscheidung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 und 3 HmbVwVfG i.V.m. § 19 Satz 2 PromO 1972. Die Regelung des § 19 PromO 1972 reiche als Grundlage für einen derart weitgehenden Eingriff nicht aus. Dazu bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage. Die Verleihung des akademischen Grads eines Doktors der Rechtswissenschaft sei ein begünstigender Verwaltungsakt i.S.d. § 48 Abs. 3 HmbVwVfG und vorliegend rechtswidrig, weil die Voraussetzungen zu seinem Erlass seinerzeit nicht vorgelegen hätten. Die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads sei rechtlich als Rücknahme eines Verwaltungsaktes anzusehen.

42

Die Voraussetzungen für die Promotion hätten nicht vorgelegen, da die Dissertation keine eigenständige Leistung darstelle, in der nur die angegebenen Hilfsmittel verwendet worden seien. Vielmehr stelle die mangelnde Kenntlichmachung der verwendeten Fremdtexte eine erhebliche Täuschung i.S.d. § 19 PromO 1972 dar. Die an eine Dissertation zu stellenden Anforderungen seien erst dann erfüllt, wenn an den konkreten Textstellen, innerhalb derer fremde Erkenntnisse verwendet würden, eine eindeutige Quellenangabe erfolge. Die Beklagte nahm Bezug auf das Gutachten des Prof. Dr. N., in dem fünf Kategorien von Zitierfehlern unterschieden wurden:

43

„1. Wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle in der Dissertation;

44

2. nahezu wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle der Dissertation;

45

3. wörtliche Übernahme fremder Textstellen, bei denen zwar eine Nennung des Urhebers und Autors in einer Fußnote erfolgt, aber ohne dass erkennbar wird, dass es sich um eine wörtliche Übernahme handelt und ohne dass erkennbar wird, wo das Zitat beginnt und wo es endet,

46

4. wörtliche Übernahme des Textes mit der Nennung einer Vielzahl von Autoren[,] ohne dass Beginn und Ende des Zitats und der eigentliche Autor erkennbar werden;

47

5. nahezu wörtliche Übernahme mit der Nennung des Autors, aber ohne dass erkennbar wird, wo die Übernahme beginnt und wo diese endet.“

48

An 55 in Anlage 1 zum Bescheid benannten und der ersten Kategorie zuzuordnenden Textstellen der Dissertation seien Texte fremder Autoren wortwörtlich bzw. nahezu wortgleich übernommen worden, ohne jeden Hinweis auf den Urheber und ohne dass sich dort eine entsprechende Quellenangabe fände. Wie sich aus Anlage 2 zum Bescheid ergebe, seien an zwei weiteren Stellen, die der zweiten Kategorie zuzuordnen seien, Texte fremder Autoren ohne entsprechende Quellenangabe nahezu wortwörtlich bzw. wortgleich übernommen worden. Allein schon die in Anlage 1 und 2 aufgeführten insgesamt 57 Textstellen belegten ein wissenschaftliches Fehlverhalten in einem quantitativ wie auch hinsichtlich des Schweregrads und der inhaltlichen Bedeutung hinreichendem Maße, um von einer erheblichen Täuschung i.S.d. § 19 PromO 1972 zu sprechen.

49

Aus den in Anlage 3 aufgeführten Textstellen, die der dritten Kategorie zuzuordnen seien, ergebe sich, dass an weiteren 71 Stellen der Dissertation die Texte fremder Autoren zwar unter Nennung der Quelle übernommen worden seien; dort sei aber nicht kenntlich gemacht, welche Teile des Textes auf seinen eigenen Erkenntnissen und Gedanken beruhten und welche Teile des Textes eine bloße Wiedergabe fremder Erkenntnisse und Gedanken darstellten. Ebenso seien an den in Anlage 4 aufgeführten und der vierten Kategorie zuzuordnenden elf Stellen Texte fremder Autoren in den Text der Dissertation übernommen worden, ohne diese Übernahme im Text zureichend kenntlich zu machen; im Unterschied zu den in Anlage 3 aufgeführten Textstellen finde sich in den jeweiligen Fußnoten zwar die Angabe der Originalquelle, daneben aber noch weitere Quellenangaben, so dass nicht klar erkenntlich sei, was die eigentliche Quelle sei. An den in Anlage 5 genannten und der fünften Kategorie zuzuordnenden 16 Stellen seien Texte unter Nennung der Quelle nahezu wörtlich übernommen worden, die nahezu wörtliche Übernahmen aber nicht kenntlich gemacht worden.

50

Durch die Abgabe der Versicherung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 habe der Kläger den Eindruck erweckt, er habe die in der Dissertation verwendeten Hilfsmittel vollständig angegeben. Tatsächlich habe er aber in erheblichem Umfang Texte bzw. Textteile fremder Autoren verwendet und diese Verwendung gar nicht oder nicht ausreichend kenntlich gemacht. Mithin habe er entgegen seiner Erklärung die von ihm verwendeten Hilfsmittel nicht vollständig und nicht in der wissenschaftlich erforderlichen Weise angegeben. Es gehöre zu den wissenschaftlichen Selbstverständlichkeiten, die Übernahme fremden Gedankenguts transparent und hinsichtlich Art und Umfang eindeutig kenntlich zu machen. Nur darüber lasse sich kenntlich machen, welche Leistungen von einem selbst, welche von anderen Autoren stammten. Darauf beruhe in der Wissenschaft die Zuschreibung wissenschaftlicher Reputation. Ein vereinzelt auftretendes und versehentliches unsauberes Arbeiten bzw. Zitieren im Sinne von bagatellhaften, handwerklichen Flüchtigkeitsfehlern oder ein Fehlverhalten in inhaltlich irrelevanten, hinsichtlich der Thematik der Arbeit allenfalls randständigen Teilen der Dissertation sei nicht gegeben. Die fraglichen Textstellen fänden sich nämlich nicht nur und auch nicht weit überwiegend in thematischen Randbereichen der Dissertation, vielmehr finde sich eine relevante Anzahl der in Rede stehenden Textstellen auch innerhalb solcher thematischer Zusammenhänge, die in der Dissertation als „Kernbereich der Arbeit“ bezeichnet worden seien.

51

Neben einer genauen Quellenangabe sei es zusätzlich notwendig, dass die wörtlich übernommenen Textstellen innerhalb des eigenen Textes des Promovierenden eindeutig als Zitate gekennzeichnet würden. Dies folge aus den grundlegenden Maßstäben wissenschaftlichen Arbeitens und entspreche auch dem Wesen der Dissertation als Nachweis der Befähigung zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten.

52

Die Entziehung des Doktorgrads setze neben der festgestellten erheblichen objektiven Täuschungshandlung einen subjektiven Täuschungswillen voraus, wobei ein bedingter Vorsatz ausreiche. Die objektive Täuschungshandlung sei vorsätzlich begangen worden. Art und Umfang der Übernahme fremder Texte und Gedanken sprächen eindeutig gegen fahrlässiges, versehentliches Fehlverhalten. Der Täuschungsvorsatz folge weiter aus der unzutreffenden Erklärung über die vollständige Angabe der verwendeten Hilfsmittel, die als bewusste Irreführung zu werten sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Täuschung der Gutachter und der übrigen Prüfungskommission über die nicht hinreichende Kennzeichnung als möglich erkannt und mindestens billigend in Kauf genommen habe. Die begangenen Täuschungen seien auch kausal gewesen für die erfolgte Verleihung des Doktorgrads. Der Umstand, dass der Erstgutachter sich möglicherweise nicht getäuscht gefühlt habe, ändere daran nichts, dass die Fakultät und das Prüfungsgremium als Ganzes durch die Täuschungshandlung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen seien.

53

Es könne offenbleiben, ob das Rücknahmeermessen durch die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 eingeschränkt werde. Einschlägig sei die Regelung aus § 48 Abs. 1 HmbVwVfG, die ein Ermessen vorsehe, das durch den Promotionsausschuss auch ausgeübt worden sei. Eine an den Zwecken der Ermessensermächtigung in § 48 Abs. 3 HmbVwVfG orientierte Ermessensentscheidung führe zu dem Ergebnis, dass die Verleihung des Doktorgrads zurückgenommen werden solle. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne der Kläger sich nicht berufen, weil er den „Titel“ eines Doktors der Rechtswissenschaft durch Täuschung erlangt habe.

54

Die Entziehung des Doktorgrads sei verhältnismäßig. Sie schütze den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs, der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt und sichere die Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem „Titel“, das Allgemeininteresse an „Titelwahrheit“ und die Integrität des Promotionsverfahrens sowie die Chancengleichheit mit anderen Doktoranden. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads sei erforderlich, um diese Zwecke zu fördern. Notenherabsetzung und Nachbesserung kämen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht, da sie auch bei einer früheren Entdeckung in der Promotionsordnung nicht vorgesehen seien. Da von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit auszugehen sei, sei nicht von Bedeutung, ob für eine andere Arbeit als die tatsächlich vorgelegte der Doktorgrad ggf. mit einer schlechteren Note verliehen worden wäre. Unabhängig davon sei ausgehend von dem erheblichen Ausmaß des wissenschaftlichen Fehlverhaltens im konkreten Fall eine Notenherabsetzung oder Nachbesserung oder bloße Rüge auch nicht geeignet, das Ansehen von Fachbereich, Universität und Rechtswissenschaft sowie die Chancengleichheit mit anderen – redlichen – Doktoranden zu sichern.

55

Die Entziehung sei auch angemessen. Sie lasse die mehrjährige Arbeit an der Dissertationsschrift hinfällig werden und könne zu beruflichen Erschwernissen führen, die Beeinträchtigungen in der Berufsfreiheit mit sich bringen könnten. Wegen des Umfangs der Täuschungen und der Reichweite der wissenschaftlichen Unredlichkeiten, welche das Ansehen des Fachbereichs, der Universität und der Rechtswissenschaft insgesamt in der wissenschaftlichen sowie in der allgemeinen und medialen Öffentlichkeit erheblich gefährdeten und auch im Sinne der Wahrung des Grundsatzes der Chancengleichheit aller Doktoranden und der Allgemeininteressen an Titelwahrheit und Integrität des Promotionsverfahrens seien die öffentlichen Interessen höher zu gewichten als die persönlichen beruflichen, sozialen und privaten Belange des Klägers. Zu beachten sei, dass durch die Aberkennung des Doktorgrads eine zwingende Zulassungsvoraussetzung zu der angestrebten Habilitation entfalle, es sei aber nicht zu vertreten, dass die persönlichen Interessen des Klägers an einer Habilitation dazu veranlassen sollten, das in die Wissenschaft und Forschung gesetzte öffentliche Vertrauen zu gefährden oder einen geringeren Anspruch an seine wissenschaftliche Redlichkeit zu stellen.

56

Die Jahresfrist für die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG sei wegen § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG nicht anwendbar und im Übrigen eingehalten. Der Fakultät seien alle relevanten Tatsachen, insbesondere Art und Umfang der Täuschungshandlungen sowie die für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen, erst im Oktober 2011 bekannt geworden.

57

Der Kläger legte gegen den Bescheid am 23. Juli 2012 Widerspruch ein.

58

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten an die Präsidialverwaltung der Beklagten vom 30. August 2012 machte der Kläger geltend, dass der Dekan Prof. Dr. K. wegen Befangenheit aus sämtlichen den Kläger betreffenden Verfahren auszuschließen sei. Es sei zu bezweifeln, ob die vom Dekanat geführte Akte tatsächlich vollständig sei. Die Präsidialverwaltung wies mit Schreiben vom 6. September 2012 die Unterstellung pflichtwidrigen Handelns zurück.

59

Zur Begründung des Widerspruchs führte der Kläger in formeller Hinsicht insbesondere aus: Wegen der Schwere des Eingriffs habe der Promotionsausschuss nur beratend tätig werden dürfen. Die gesamte Fakultät für Rechtswissenschaft sei wegen der Weitergabe interner, brisanter Informationen nach § 21 HmbVwVfG befangen. Der Promotionsausschuss sei gemessen an § 4 Abs. 2 Satz 2 PromO 1972 fehlerhaft zusammengesetzt und mangels Qualifikation nicht in der Lage gewesen, über die Dissertationsschrift zu entscheiden. Es fehle ein Vertreter des Zivilrechts. Die Ergänzung des Promotionsausschusses um Prof. Dr. U. als Ersatzmitglied sei unzulässig gewesen. Die Mitglieder des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. und Prof. Dr. V. seien wegen ihrer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Habilitationsausschuss befangen, Prof. Dr. L. auch deshalb, weil er bereits vor der Beschlussfassung über die Aberkennung des Doktorgrads am 25. April 2012 in der Sitzung des Promotionsausschusses vom 15. März 2012 mit der Formulierung eines Aberkennungsbescheids beauftragt worden sei. Die fehlende Neutralität des Prof. Dr. L. und seine Befangenheit ergäben sich ferner aus seiner E-Mail vom 19. Juli 2012 an Prof. Dr. K., in welcher er ausgeführt habe, es bestünde nicht allzu viel Anlass zu besonderer Freundlichkeit und er neige zur Nichtreaktion auf die noch vor Einlegung des Widerspruchs angebrachte Anfrage des Klägers zu einer einzuräumenden Widerspruchsbegründungsfrist. Prof. Dr. N. sei zur Erstattung eines Gutachtens fachlich und persönlich ungeeignet und im Verwaltungs- und Hochschulrecht unerfahren gewesen. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs sei verletzt worden, da es an einer persönlichen Anhörung fehle und er, der Kläger, nur zu dem Vorwurf der arglistigen Täuschung angehört worden sei, nicht zu dem Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

60

In materieller Hinsicht machte der Kläger geltend: Es fehle an der Feststellung eines „Wissenschaftsplagiats“. Fremde Gedanken seien ausnahmslos durch Fußnoten gekennzeichnet worden. Quellenangaben bei evidenten Aussagen seien entbehrlich bzw. unzulässig. Dass die Fußnoten sich teilweise auf aufeinander folgende Sätze bezögen, sei ebenfalls unschädlich. Er, der Kläger, habe sich häufig der Möglichkeit eines Zitates „passim“ bedient, die in einem summarischen Verweis auf eine Quelle bestehe, um den Lesefluss nicht zu hemmen. Aus diesem Grund sei auch auf Anführungszeichen verzichtet worden, was einem Gutachten des Philologen Dr. W. entspreche. Im Folgenden führte der Kläger zu jeder einzelnen der in den Anlagen 1 bis 5 zum Bescheid benannten Textstellen aus, weshalb nach seiner Meinung kein Zitierfehler vorliege.

61

Weiter brachte der Kläger vor: Die Beklagte habe gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, denn er, der Kläger, habe bei Anfertigung der zweiten Habilitationsschrift darauf vertraut, dass die Beklagte den Plagiatsvorwürfen bezüglich seiner Dissertationsschrift nicht weiter nachgehe. Die Beklagte treffe wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung und es stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn nach 14 Jahren die Zitierweise in der Dissertation beanstandet werde. Die Beklagte habe unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG willkürlich gehandelt, da sie offensichtlich den Entschluss zur Durchführung des Verfahrens zur Aberkennung des Doktorgrads nur gefasst habe, um eine erfolgreiche Durchführung des Habilitationsverfahrens zu verhindern. Das subjektive Recht auf ein faires Verfahren sei durch die Vorabinformation der Öffentlichkeit verletzt worden. Das Habilitationsverfahren und das Promotionsentziehungsverfahren seien von der Fakultät für Rechtswissenschaft nicht ausreichend getrennt worden. Dies ergebe sich daraus, dass der Plagiatsvorwurf hinsichtlich der Dissertation schon im ersten Verfahrensteil des Habilitationsverfahrens Ende 2008/Anfang 2009 erörtert, dem Vorwurf aber nicht weiter nachgegangen worden sei.

62

Der Habilitationsausschuss beschloss am 9. Januar 2013, das Habilitationsverfahren im Hinblick auf das Promotionsentziehungsverfahren „bis zur Erreichung endgültiger Bestandskraft oder aber endgültiger Aufhebung des Verwaltungsakts ruhen zu lassen“.

63

Der Promotionsausschuss setzte sich in seiner 158. Sitzung vom 9./16. Januar 2013 mit den Einwänden des Klägers auseinander und beschloss in seiner 159. Sitzung vom 30. Januar 2013, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Widerspruchsvorgang wurde dem Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten am 20. Februar 2013 vorgelegt.

64

Der Widerspruchsausschuss, besetzt mit der Vorsitzenden X., der Hochschullehrerin aus der Fakultät für Rechtswissenschaft Prof. Dr. Y. und dem Promotionsstudenten aus der Fakultät für Rechtswissenschaft Z., hörte den Kläger in Person und seine Bevollmächtigten am 10. April 2013 an. Die Vertreter des Klägers brachten dabei ausweislich des Protokolls insbesondere vor, dass im Habilitationsverfahren eine „Rettungslösung“ vereinbart worden sei, die ein verbindlicher Vergleichsvertrag mit „Generalquittungscharakter“ sei und zum Inhalt habe, Plagiatsvorwürfe wegen der Dissertation nicht weiter zu verfolgen. Der den Widerspruch zurückweisende Tenor wurde von allen drei Mitgliedern des Promotionsausschusses am 10. April 2013 unterzeichnet. Der den Widerspruch zurückweisende Widerspruchsbescheid erging unter dem 30. April 2013, zugestellt am 6. Mai 2013. Darin führte die Beklagte aus:

65

Zuständig für die Entziehung der Promotion sei der Promotionsausschuss, dessen Zusammensetzung sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 PromO 2010, nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PromO 1972 richte, weshalb die Mitwirkung eines Vertreters aus dem Zivilrecht entbehrlich sei. Es gehe nicht um die Prüfung eines Doktorkandidaten, sondern um die Überprüfung einer erbrachten Arbeit auf korrekte Zitierweise. Es bestehe kein Zweifel an der Fachkompetenz des Gutachters Prof. Dr. N.. Der Kläger habe umfangreich Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, im Übrigen habe er im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zu mündlichem Vortrag erhalten. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit gegen alle Mitglieder des Promotionsausschusses wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses, weil kein Hinweis darauf vorliege, das ein Mitglied des Promotionsausschusses das Dienstgeheimnis verletzt habe. Es bestehe auch keine Besorgnis der Befangenheit gegen diejenigen Mitglieder des Promotionsausschusses, die zugleich dem Habilitationsausschuss angehörten. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit gegen den Vorsitzenden des Promotionsausschusses allein aufgrund des Umstands, dass er mit dem Entwurf eines Bescheids beauftragt gewesen sei.

66

Im Widerspruchsbescheid ist weiter ausgeführt:

67

„Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972 sind erfüllt. Ermessensfehler, die zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führen müssen, sind nicht erkennbar.“

68

Es könne dahinstehen, ob jede wörtliche Übernahme ohne Kennzeichnung durch Anführungszeichen bereits ein Plagiat sei. Ferner werde zugunsten des Klägers zugrunde gelegt, dass eine wissenschaftliche Leistung auch darin liegen könne, dass der Kläger vereinzelte wörtliche Übernahmen längerer Passagen durch weitere Nachweise angereichert habe. Gleichwohl könne selbst dann, wenn der Urheber an untergeordneter Stelle mit einer Fußnote kenntlich gemacht werde, die wörtliche Übernahme fremder Textpassagen zur Annahme eines Plagiats und damit einer arglistigen Täuschung führen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es nicht auf die präzise Darstellung eines Wortlauts ankomme (wie z.B. bei der Zitierung von Gesetzen oder Leitsätzen aus der Rechtsprechung) und eine Häufung derartiger Verletzungen der Zitierregeln auftrete; würden weder Anführungszeichen gesetzt, noch sonst qualifizierte Nachweise der Urheberschaft in irgendeiner Weise erbracht, liege unter den genannten Voraussetzungen unzweifelhaft eine arglistige Täuschung vor. Die Kenntnis juristischer Zitierregeln sei von jedem Doktoranden selbst zu erwarten. Die Rücknahmefrist sei nicht vor Kenntnis von dem externen Gutachten angelaufen. Ermessensfehler seien nicht zu erkennen. Im Einzelnen wurde ausgeführt (Widerspruchsbescheid, S. 9-11): Aufgrund § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG sei ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum zu Grunde zu legen, da derjenige, der mittels arglistiger Täuschung den zu seinen Gunsten erlassenen rechtswidrigen Verwaltungsakt erwirke, in verstärktem Maße mit einer späteren Aufhebung rechnen müsse und deshalb des Vertrauensschutzes teilweise verlustig gehe. Die berufliche Situation des Klägers sei hinreichend gewürdigt. Mit der Aberkennung des Doktorgrads gehe zwar ein erheblicher Reputationsverlust einher, der jedoch durch das öffentliche Interesse an der Wahrung wissenschaftlicher Integrität überwogen werde. Die allgemein bekannten wissenschaftlichen Standards seien ein hohes Gut, welches nicht ohne Weiteres zu Lasten der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zurückgesetzt werden dürfe. Der als „Rettungslösung“ bezeichnete Beschluss des Habilitationsausschusses enthalte keinen Vergleichsschluss mit „Generalquittungscharakter“. Es sei den Akten nicht zu entnehmen, dass die Plagiatsvorwürfe nicht weiter hätten verfolgt werden sollen. Das öffentliche Bekanntwerden des Plagiatsverdachts habe nicht zum Unterlassen des Aberkennungsbescheids führen müssen. Selbst wenn die Weitergabe dienstlich erlangter Informationen eine strafrechtlich relevante Handlung darstelle, folge daraus kein erhöhtes Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes.

69

Der Kläger hat am 31. Mai 2013 Klage erhoben. Zur Begründung verweist der Kläger auf die Widerspruchsbegründung und führt ergänzend insbesondere aus:

70

Das Mitglied des Widerspruchsausschusses Prof. Dr. Y. habe Zweifel an der Rücknahme geäußert sowie formelle Fehler in dem Verfahren eingeräumt. Der Widerspruchsausschuss sei fehlerhaft besetzt gewesen, da der Promotionsstudent Z. in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Universität stehe und nicht unbefangen gewesen sein könne. An einer „wissenschaftsbasierten Entscheidung“ wie der Entziehung des Doktorgrads dürfe kein Promotionsstudent mitwirken. Es habe eine Verschleierung formeller Mängel stattgefunden. Prof. Dr. T. habe sich für den Habilitationsausschuss und den Promotionsausschuss für befangen erklärt, und sei zunächst nicht eingeladen worden, deshalb seien Beschlüsse fehlerhaft. Zu den Sitzungen des Promotionsausschusses sei er erst nach Einlegung des Widerspruchs bzw. der Widerspruchsbegründung wieder eingeladen gewesen.

71

Die Dissertation enthalte bereits keine Plagiate. Sollte sie tatsächlich Plagiate enthalten, ließe sich dies auch über eine Nachbesserung, eine Neueinreichung oder über eine Dissertation im Rahmen der Sammeldissertation heilen. Der Entzug des Doktorgrads sei unverhältnismäßig wegen des Verlusts seiner Stellung in der Rechtsanwaltssozietät, seines fortgeschrittenen Alters, seiner Geschäftsführerposition bei der Vereinigung „…“ und da die Grundlage für die bereits angenommene Habilitation entzogen werde. Alle diese Umstände hätten im bisherigen Verfahren überhaupt keine Würdigung erfahren. Ferner müsste eine zwischenzeitlich aufgetretene Erkrankung des Klägers berücksichtigt und angemessen gewürdigt werden.

72

Die Ausführung des Betreuers der Dissertation, Prof. Dr. A., sich keineswegs getäuscht zu fühlen, sei bei Entscheidung über die Rücknahme nicht berücksichtigt worden. Da er, der Kläger, als dessen Assistent gearbeitet habe, sei nicht auszuschließen, dass ein „Abschreiben auch umgekehrt herum erfolgt“ sein könne.

73

Die Rücknahme der Promotion sei im Hinblick auf die im Habilitationsverfahren gefundene „Rettungslösung“ unzulässig. Der Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs vom 27. Mai 2009 mit dem Vorsitzenden des Habilitationsausschusses, Prodekan Prof. Dr. D., könne dezidiert wiedergegeben werden aus den detaillierten Aufzeichnungen und diktierten Protokollen des Rechtsanwalts H.. Danach habe Prof. Dr. D. geäußert, dass bei „der Durchsicht der Arbeit [des Klägers] aufgefallen sei, dass Passagen aus Aufsätzen übernommen worden seien, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei“. Darauf entgegnend habe Rechtsanwalt H. darauf hingewiesen, dass zu der Habilitationsschrift ein Drittgutachten vorliege und die Zitierweise insbesondere insoweit nicht moniert worden sei. Prof. Dr. D. habe vorgeschlagen, „dass [der Kläger] die Arbeit umarbeiten“ solle. Rechtsanwalt H. habe ihm, dem Kläger, im Anschluss berichtet, dass Prof. Dr. D. „eine Lösung anstrebe, mit der beide Seiten leben“ könnten und „vom Kläger erwartet werde, dass er nicht weiter vermeintliche formelle Mängel der Universität geltend mache und sich der neuen Situation widme. Umgekehrt würde auch die Universität dem Kläger keine weiteren Steine in den Weg legen.“ Der Kläger vertritt die Auffassung, die im Habilitationsverfahren gefundene „Rettungslösung“ stelle einen „Vergleich mit Generalquittungscharakter“ dar. Es sei ein Vergleich geschlossen worden, der „begriffsnotwendig“ beinhalte, dass die Voraussetzungen zur Fertigung einer Habilitation als gegeben akzeptiert würden. Die Beklagte habe gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen; dem Habilitationsausschuss sei bei Annahme des „Vergleichs“ bekannt gewesen, dass Bedenken gegen die Dissertation erhoben worden seien.

74

Der Kläger beantragt,

75

den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufzuheben.

76

Die Beklagte beantragt,

77

die Klage abzuweisen.

78

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in den Bescheiden und trägt ergänzend vor: Die Entscheidung in Prüfungsangelegenheiten obliege dem Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten. Dessen Zusammensetzung ergebe sich aus § 66 Abs. 1 Satz 2 HmbHG. Es gehe nicht um die (Neu-)Bewertung der Dissertation, sondern darum, ob Fremdtexte ausreichend zitiert worden seien. Es bestehe kein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum. Der Widerspruchsausschuss sei keine Prüfungskommission. Die Beklagte habe keine formellen Mängel verschleiert, denn es habe keine formellen Mängel gegeben. Frau Prof. Dr. Y. habe keine Fehler in dem Verfahren eingeräumt, der Kläger habe auch nicht mitgeteilt, um welche Fehler es sich gehandelt habe. Die „Rettungslösung“ beinhalte keinen Vergleich mit „Generalquittungscharakter“. An eine etwaige Zusicherung sei sie, die Beklagte, auch nicht mehr gebunden. Die Stellungnahme des Prof. Dr. A. sei hinreichend gewürdigt worden. Es sei bereits in zeitlicher Hinsicht nicht plausibel, dass Prof. Dr. A. vom Kläger abgeschrieben habe und nicht umgekehrt. Die Entziehung des Doktorgrads sei auch nicht wegen Art. 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig; gravierende Fälle wissenschaftlicher Unredlichkeit bedürften einer wirkungsvollen Reaktion. Der Promotionsausschuss habe auch erkannt, dass dem Kläger mit dem Entzug des Doktorgrads die Grundlage seiner Habilitation entzogen werde. Mildere Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Die Neueinreichung einer Dissertation oder eine Sammeldissertation erforderten ein neues Promotionsverfahren. Eine erst jetzt bekannt gewordene Erkrankung des Klägers habe bei der Ermessensausübung ohnehin nicht berücksichtigt werden dürfen.

79

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden gemacht: die veröffentliche Fassung der vom Kläger vorgelegten Dissertation, die Promotionsakte in zwei Bänden, der Widerspruchsvorgang, ein Ordner mit Quellentexten, die Habilitationsakte in zwei Bänden, sowie die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hamburg, …. Auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

80

Die zulässige Anfechtungsklage, mit welcher der Kläger gemäß §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 anficht, ist nur im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors auch begründet (hierzu unter 2.), im Umfang von Ziffer 1 des Bescheidtenors ist sie unbegründet (hierzu unter 1.).

81

1. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt unter Ziffer 1 des Bescheidtenors anficht, ist die Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet. Denn in diesem Umfang ist der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 objektiv rechtmäßig oder verletzt den Kläger zumindest nicht in seinen subjektiven Rechten. Der angefochtene Bescheid ist unter Ziffer 1 seines Tenors darauf gerichtet, die mit Urkunde vom 28. Januar 1998 vollzogene Verleihung des Doktorgrads an den Kläger als „actus contrarius“ rückgängig zu machen (hierzu unter a.). Dafür besteht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (hierzu unter b.) eine Befugnisnorm (hierzu unter c.). Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig oder leidet zumindest nicht an einem formellen Fehler, der i.S.d. § 46 HmbVwVfG erheblich wäre und einen Aufhebungsanspruch des Klägers tragen könnte (hierzu unter d.). Der angefochtene Bescheid ist zudem materiell rechtmäßig sowohl im Hinblick auf die tatbestandlichen Anforderungen der Befugnisnorm (hierzu unter e.) als auch im Hinblick auf die Rechtsfolge der Befugnisnorm (hierzu unter f.).

82

a. Der angefochtene Bescheid ist unter Ziffer 1 seines Tenors darauf gerichtet, die Verleihung des Doktorgrads an den Kläger rückgängig zu machen. Im Bescheidtenor kommt zum Ausdruck, dass ein „actus contrarius“ zur Promotion des Klägers gesetzt werden soll.

83

Die mehrfache Formulierung im Bescheidtenor „zurückgenommen“, „aberkannt“ und „entzogen“ nimmt die Normen in Bezug, die zur Rechtfertigung eines „actus contrarius“ in Betracht zu ziehen sind. Nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt „zurückgenommen“ werden. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 der Promotionsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (v. 7.7.2010, Amtl. Anz. S. 2620 – PromO 2010) kann ein Doktorgrad „nachträglich aberkannt und entzogen“ werden. Im Bescheid vom 25. Juni 2012 wird zu Recht angenommen, dass die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads als Rücknahme eines Verwaltungsaktes anzusehen seien.

84

Ebenso wenig ist zwischen nachträglicher Aberkennung einerseits und Entziehung des Doktorgrads andererseits zu unterscheiden. Eine solche Unterscheidung kennen weder die amtliche Normüberschrift „Verfahren bei Täuschung und Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors“ noch die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010, nach der „eine solche Aberkennung“ insbesondere in dem dort bezeichneten Fall erfolgt, noch die Vorschrift des § 18 Abs. 3 PromO 2010, die für die Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors im Übrigen auf die gesetzlichen Bestimmungen verweist. Die Satzungsrechtslage ist insoweit nicht vergleichbar mit der in dem vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 42) entschiedenen Fall, in dem § 20 der dort einschlägigen Promotionsordnung für eine „Ungültigerklärung“ der Promotionsleistung eine eigenständige Befugnisnorm darstellte, während § 21 der dort einschlägigen Promotionsordnung für die „Rücknahme“ oder „Entziehung“ des Doktorgrads auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes verwies.

85

b. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme ist hier der Zeitpunkt der Entscheidung des Widerspruchsausschusses in Prüfungsangelegenheiten über den Widerspruch am 30. April 2013. Wenn kein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist, ist der maßgebliche Zeitpunkt im Hinblick auf die Rücknahme der Verleihung eines Doktorgrads derjenige des Erlasses des Bescheides (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.5.2016, OVG 5 B 11.15, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 39; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28), sonst der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (VGH Mannheim, Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, juris Rn. 22). Anwendung findet der Grundsatz, dass der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung für die Begründetheit einer Anfechtungsklage maßgeblich ist. Die für Dauerverwaltungsakte anerkannte Ausnahme von diesem Grundsatz greift für den Verwaltungsakt, der auf die Rücknahme eines anderen Verwaltungsakts gerichtet ist, nicht ein. Denn die Rücknahme zielt nicht als Dauerverwaltungsakt auf eine andauernde, der ständigen Aktualisierung unterworfene Regelung ab, sondern ihrem zeitlichen Regelungsgehalt nach punktuell auf eine einmalige Rechtsfolge, hier die rückwirkende Aufhebung der Verleihung des akademischen Grads.

86

c. Die „nachträgliche Aberkennung und Entziehung“ bzw. inhaltsgleich die „Rücknahme“ der Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. a.) gründen im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (dazu s.o. b.) auf eine Befugnisnorm. Entgegen der von der Beklagten noch im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung kann die Maßnahme nicht auf „§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972“ gestützt werden. Dahinstehen kann, ob sich die Befugnis zur Rücknahme aus der besonderen Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 (hierzu unter aa.) oder aus der nachrangig anwendbaren Gesetzesbestimmung des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG ergibt (hierzu unter bb.).Der damit gegenüber der Begründung des Widerspruchsbescheids vorgenommene Austausch der Ermächtigungsgrundlage ist unbedenklich (hierzu unter cc.).

87

aa. Die Frage kann offen bleiben, ob die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 allein eine hinreichende Ermächtigung zur Rücknahme der Promotion bietet.

88

Der rechtstaatliche Vorbehalt des Gesetzes verlangt nicht, die Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung eines Doktorgrads in einem förmlichen Parlamentsgesetz zu regeln (OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 75 ff.). Das Hamburgische Hochschulgesetz (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG) ermächtigt in § 91 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG zum Erlass einer Hochschulprüfungsordnung, die gemäß § 60 Abs. 1 HmbHG Prüfungsanforderungen und Prüfungsverfahren regelt. Gemäß § 59 Abs. 1 HmbHG zählt die Promotion, mit der die Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen wird, zu den Hochschulprüfungen. Der Aufnahme von Regelungen über die Entziehung der Promotion als „actus contrarius“ in die Promotionsordnung steht die nicht abschließende Aufzählung der Mindestinhalte der Prüfungsordnung in § 60 Abs. 2 HmbHG nicht entgegen. Auch bei der Rücknahme eines verliehenen Doktorgrades handelt es sich um eine Hochschulprüfungen betreffende Angelegenheit (VGH Mannheim, Beschl. v. 3.2.2014, 9 S 885/13,ESVGH 64, 166, juris Rn. 7).

89

Nach § 18 Abs. 1 PromO 2010 kann der Promotionsausschuss nach Anhörung des oder der Betroffenen die Promotion für nicht bestanden erklären, wenn die Doktorandin oder der Doktorand im Promotionsverfahren eine vorsätzliche Täuschung begangen hat. Ist der Grad einer Doktorin oder eines Doktors zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens einer solchen Täuschung bereits verliehen, so kann er nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 vom Promotionsausschuss nach vorheriger Anhörung des Betroffenen oder der Betroffenen nachträglich aberkannt und entzogen werden. Eine solche Aberkennung erfolgt nach § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 insbesondere dann, wenn die Täuschung Leistungen in solchen Teilen der Promotion betrifft, die für die Bewertung der Dissertation oder Disputation oder die Gesamtnote einen wichtigen Stellenwert hatten. Nach § 18 Abs. 3 PromO 2010 gelten für die Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen.

90

In zeitlicher Hinsicht kann die Befugnisnorm nur der im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung über die Rücknahme (dazu s.o. b.) geltenden Promotionsordnung und nicht der bei Verleihung des Doktorgrads am 28. Januar 1998 geltenden Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg (v. 9.2.1972, Amtl. Anz. 1974, S. 377, berichtigt S. 457, m. spät. Änd. – PromO 1972) entnommen werden. Ebenso ist eine Anwendung der zwischenzeitlich in Geltung befindlichen Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (v. 20.5.1998, Amtl. Anz. S. 1978; m. Änd. v. 31.5.2000, Amtl. Anz. 2001, S. 4610, v. 5.2.2003, Amtl. Anz. S. 1411 – PromO 1998) ausgeschlossen. Ausgangspunkt sind die im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Inkrafttretens- und Übergangsregelungen in § 20 PromO 2010. Nach dem Grundsatz des § 20 Abs. 1 PromO 2010 trat diese Promotionsordnung am 22. Dezember 2010 als dem Tag nach der Bekanntmachung in Kraft. Eine Ausnahmeregelung davon enthält § 20 Abs. 2 PromO 2010, wonach sie für Promotionsverfahren gilt, für welche die Zulassung nach dem Tag der Bekanntmachung beantragt wird. Im Umkehrschluss gilt diese Promotionsordnung nicht für Promotionsverfahren, für welche die Zulassung vor dem 22. Dezember 2010 beantragt worden ist. Diese Ausnahme findet jedoch nur auf Promotionsverfahren Anwendung. Dies sind ausweislich der Regelung über die Zulassung zum Promotionsverfahren in § 3 PromO 2010 nur solche Verfahren, in denen über die Verleihung des Doktorgrads entschieden wird, nicht jedoch Promotionsentziehungsverfahren, in denen über die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads entschieden wird. Für Promotionsentziehungsverfahren verbleibt es nach dem Grundsatz des § 20 Abs. 1 PromO 2010 bei der Anwendung des neuen Rechts.

91

bb. Böte die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 keine hinreichende Ermächtigung zur Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads, so ergäbe sich die Befugnis aus der allgemeinen Gesetzesbestimmung des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG.

92

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) jedoch nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG zurückgenommen werden.

93

Unter der Annahme einer Unanwendbarkeit des § 18 Abs. 2 PromO 2010 ist der Anwendungsbereich des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HmbVwVfG grundsätzlich eröffnet, da die Tätigkeit der Beklagten als einer der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristische Person des öffentlichen Rechts in Rede steht. Unter der vorstehenden Annahme enthalten die Rechtsvorschriften der Freien und Hansestadt Hamburg keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Bestimmungen. Die vormalige spezialgesetzliche Grundlage für den Entzug akademischer Grade in § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade (v. 7.6.1939, RGBl. I S. 985 m. spät. Änd.), die zunächst gemäß Art. 123 ff. GG als Landesrecht fort galt (BVerwG, Urt. v. 26.2.1960, VII C 198.59, BVerwGE 10, 195, juris , vgl. Beschl. v. 7.9.1990, 7 B 127/90, Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2; Schroeder, NWVBl. 2010, 176 <177> m.w.N.) ist durch Art. 6 Nr. 3 des Hochschulrechtsänderungsgesetzes (v. 18.4.1991, HmbGVBl. S. 139, 217) für Hamburg aufgehoben worden.

94

Ein Anwendungsausschluss durch § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG greift jedenfalls nicht ein: Die Anwendung des Gesetzes ist nach dieser Vorschrift für die Tätigkeit der Behörden „bei“ Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen zwar beschränkt, umfasst aber ausdrücklich § 48 HmbVwVfG. Unabhängig davon ist das Promotionsentziehungsverfahren keine Tätigkeit „bei“ einer Prüfung i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG, da der Anwendungsausschluss nicht allgemeine Verfahrensfragen außerhalb der spezifischen Prüfungssituation betrifft (VG Hamburg, Urt. v. 5.1.2016, 2 K 3911/14, juris Rn. 43).

95

Bei der allgemeinen Bestimmung über die Rücknahme in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder handelt es sich um eine im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie hinreichende Ermächtigung für die Rücknahme der Verleihung eines akademischen Grades. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67/06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn.4). Nach dieser ist die Grundentscheidung über die Rücknahme von Verwaltungsakten in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder hinreichend getroffen und gelten selbst bei statusbegründenden, auf lange Dauer angelegten Verwaltungsakten unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keine gesteigerten Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung einer Rücknahme.

96

cc. Der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 lässt sich wahlweise auf § 18 Abs. 2 PromO 2010 oder § 48 Abs. 1 HmbVwVfG stützen, obwohl der Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten im Widerspruchsbescheid zu Unrecht ausgeführt hat, die „Tatbestandsvoraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972“ seien erfüllt.

97

Da sich die Ermessensausübung immer vom Zweck der Rechtsgrundlage leiten lassen muss, ist der Austausch der Rechtsgrundlage bei einem Ermessensverwaltungsakt dann möglich, wenn die von der Behörde irrtümlich benannte und die richtige Rechtsgrundlage zweckgleich sind (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.4.2013, 4 Bf 141/11, NordÖR 2014, 36, juris Rn. 50; VGH München, Urt. v. 16.1.1975, 40 VIII 74, BayVBl. 1978, 180). Diese Voraussetzung ist in jeder Hinsicht erfüllt:

98

Die (nach § 1 Abs. 1 und 4 VwVfG nicht anwendbare) bundesrechtliche Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG ist zweckgleich mit der (nach § 1 Abs. 1 HmbVwVfG nachrangig anwendbaren) wortlaut- und inhaltgleichen Parallelvorschrift des Landesrechts in § 48 Abs. 1 HmbVwVfG über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte.

99

Für die Satzungsbestimmung über die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads wegen vorsätzlicher Täuschung im Promotionsverfahren nach § 18 Abs. 2 PromO 2010 gilt nichts anderes. Ebenso wie die Rücknahmevorschriften in den parallelen Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder dem Ausgleich zwischen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtssicherheit dienen (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 28 ff.) ist bei der Ausübung des Ermessens nach der Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 zwischen der dem öffentlichen Interesse dienenden Herstellung rechtmäßiger Zustände durch Aufhebung der rechtswidrigen Verleihung des Doktorgrads und dem privaten Interesse des Promovenden an dem Erhalt des Doktorgrads abzuwägen. In Bezug auf die Rücknahme der Verleihung eines akademischen Grads des Doktors dient § 48 Abs. 1 HmbVwVfG dem Ansehen der betroffenen Hochschule und dem Ansehen der Rechtswissenschaft (so zur Parallelvorschrift Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG: BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6).

100

Die Nennung der als solche kein Ermessen einräumenden Norm des § 19 PromO 1972 neben § 48 Abs. 1 (Hmb)VwVfG im Widerspruchsbescheid ist deshalb unschädlich, weil der Widerspruchsausschuss lediglich gemeint hat, die Tatbestandsvoraussetzungen auch nach § 19 PromO 1972 seien erfüllt. Seine Ermessenserwägungen hat der Widerspruchsbescheid hingegen auf § 48 Abs. 1 Satz 1 (Hmb)VwVfG gestützt.

101

d. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig oder leidet zumindest nicht an einem solchen formellen Fehler, der i.S.d. § 46 HmbVwVfG erheblich wäre und einen Aufhebungsanspruch des Klägers tragen könnte. Formelle Fehler des Promotionsentziehungsverfahrens können sich aus dem Habilitationsverfahren des Klägers bereits im Ansatz nicht ergeben (hierzu unter aa.). Das Vorliegen eines bestimmten formellen Fehlers ist nicht aufgezeigt, soweit der Kläger vorgetragen hat, das Mitglied des Widerspruchsausschusses Prof. Dr. Y. habe in der Erörterung vor dem Widerspruchsausschuss Zweifel an der Rücknahme geäußert und formelle Fehler im Verfahren eingeräumt. Etwaige formelle Fehler bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind nach Bescheidung des Widerspruchs, wenn nicht geheilt, so doch zumindest nicht länger beachtlich (hierzu unter bb.). Bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 wurde den formellen Anforderungen Genüge getan (hierzu unter cc.).

102

aa. Die Vorgänge in dem vom Habilitationsausschuss unter dem Vorsitz des Dekans durchzuführenden und noch nicht abgeschlossenen Habilitationsverfahren des Klägers sind insoweit nicht zu prüfen, da sie auf die formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 keinen Einfluss haben. Das Habilitationsverfahren, zu dem der Kläger unter dem 15. Januar 2008 zugelassen worden ist und das seinen Abschluss noch nicht gefunden hat, ist ein Hochschulprüfungsverfahren nach § 59 Abs. 1 HmbHG, das zum Gegenstand hat, ob der Kläger habilitiert und mit einer Lehrbefugnis (venia legendi) ausgestattet wird. Es handelt sich um ein nach § 9 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG mangels Erlass eines Verwaltungsaktes noch nicht abgeschlossenes Verwaltungsverfahren in der Gremienzuständigkeit des Habilitationsausschusses (gemäß § 20 Satz 3 der Habilitationsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg v. 14.4.2010, Amtl. Anz. S. 2676, i.V.m. § 6 der Habilitationsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg v. 7.5.1999/14.5.2001, Amtl. Anz. 2001, S. 2458). Davon zu unterscheiden ist das in der Gremienzuständigkeit des Promotionsausschusses durchgeführte Promotionsentziehungsverfahren, das als Verwaltungsverfahren mit dem Erlass des Verwaltungsaktes über die Rücknahme der Verleihung des akademischen Grads des Doktors seinen Abschluss gefunden hat. Alle Maßnahmen, die der Befassung des Promotionsausschusses vorausliegen, können nicht zur Rechtswidrigkeit des Rücknahmeverfahrens führen, da sie nicht Bestandteil des mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens sind (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 45 f.).

103

bb. Jedenfalls wäre ein etwaiger formeller Fehler bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 nach § 46 HmbVwVfG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 HmbVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Unter der Annahme eines formellen Fehlers bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind diese Voraussetzungen einer Unbeachtlichkeit gegeben. Ein Nichtigkeitsgrund nach § 44 HmbVwVfG ist nicht ersichtlich. Ein Mangel in der sachlichen Zuständigkeit, der nicht nach § 46 HmbVwVfG als unbeachtlich angesehen werden könnte, liegt nicht vor (hierzu unter (1)). Eine etwaige Verletzung von Vorschriften über das Verfahren bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 wäre nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich (hierzu unter (2)).

104

(1) Die Zuständigkeiten bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind gewahrt. Nach allgemeinen Regeln lag die Verbandszuständigkeit für die Rücknahme bei der beklagten Hochschule als Rechtsträgerin des vormaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I, dessen Sprecher den zurückgenommenen Verwaltungsakt der Verleihung des Doktorgrads am 28. Januar 1998 ausgefertigt hatte. In dem Verwaltungsverfahren, das nach § 9 HmbVwVfG mit der Rücknahme als Verwaltungsakt am 25. Juni 2012 abschloss, hat mit dem Dekanat der Fakultät für Rechtswissenschaft das zuständige Organ als Ausgangsbehörde den angefochtenen Bescheid ausgefertigt und zwar in Vollziehung der vom Promotionsausschuss als zuständigem Gremium getroffenen Rücknahmeentscheidung. Im Einzelnen:

105

Die Zuständigkeit als Ausgangsbehörde lag bei einem Organ der Fakultät für Rechtswissenschaft, da der jeweiligen Fakultät der Universität Hamburg gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 HmbHG auf ihrem Gebiet die Wahrnehmung der Aufgaben in Lehre, Forschung und Entwicklung und dafür notwendige Verwaltungsaufgaben obliegen und die Fakultät gemäß § 89 Abs. 1 Satz 4 HmbHG eine eigene Verwaltung unterhält. Die Fakultät für Rechtswissenschaft ist als Untergliederung der Beklagten nach § 89 Abs. 1 Satz 1 HmbHG an die Stelle des vormaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I getreten, dessen Sprecher die Promotionsurkunde zugunsten des Klägers ausgefertigt hatte. Organe der Fakultät sind gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 HmbHG das Dekanat und der Fakultätsrat. Die Aufzählung ist abschließend, die Hochschulen dürfen keine weiteren Organe der Fakultäten schaffen (Drexler, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2011, § 89 Rn. 6). Das Dekanat nahm nach § 90 Abs. 6 Nr. 8 HmbHG (in der bis 30.6.2014 gültigen Fassung, nunmehr § 90 Abs. 6 Nr. 7 HmbHG) alle Aufgaben der Fakultät wahr, die nicht vom Fakultätsrat wahrzunehmen sind. Eine Zuständigkeit des Fakultätsrats nach dem Katalog des § 91 Abs. 2 HmbHG war nicht begründet. Keine Bedenken erheben sich gegen ein Tätigwerden des Dekans als Behördenleiter. Dies geht im Umkehrschluss daraus hervor, dass nach § 90 Abs. 2 Satz 2 HmbHG die Dekanin oder der Dekan den Prodekaninnen und Prodekanen einen eigenen Aufgabenbereich überträgt, mithin selbst über ihren oder seinen Aufgabenbereich entscheidet.

106

Die vor Erlass des Verwaltungsaktes im Außenverhältnis durch das Dekanat als Ausgangsbehörde fakultätsintern erforderliche Gremienentscheidung des Promotionsausschusses liegt vor. Die interne Zuständigkeit des Promotionsausschusses der Fakultät für Rechtswissenschaft zur Entscheidung über die Rücknahme folgt aus § 63 Abs. 1 Satz 2 HmbHG i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010. Der Promotionsausschuss ist durch § 2 Abs. 1 Satz 1 PromO 2010 für die Promotion, die nach § 59 Abs. 1 HmbHG zu den Hochschulprüfungen zählt, als Prüfungsausschuss i.S.d. § 63 Abs. 1 HmbHG bestimmt. Dem Prüfungsausschuss obliegen gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 HmbHG die Organisation der Prüfung und gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 HmbHG weitere durch die Prüfungsordnung übertragene Aufgaben. Die Aufgabe zur Entscheidung über die nachträgliche Aberkennung und Entziehung ist dem Promotionsausschuss durch die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 übertragen, die auf das Promotionsentziehungsverfahren des Klägers zeitlich anwendbar ist (s.o. c. aa.).

107

Gegen die Zuständigkeit des Promotionsausschusses für die Entscheidung über die Rücknahme bestehen aus dem höherrangigen Recht auch nicht deshalb Bedenken, weil in ihm nach § 63 Abs. 1 Satz 4 HmbHG die stimmberechtigte Mitwirkung von Studierenden vorzusehen ist. Der Prüfungsausschuss ist nicht zu verwechseln mit der Prüfungskommission (Delfs, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, HmbHG, 1. Aufl. 2011, § 63 Rn. 2). Denn für die Bewertung von Prüfungsleistungen ist der Prüfungsausschuss nach § 63 Abs. 1 Satz 3 HmbHG ausdrücklich nicht zuständig. Deshalb war es nicht geboten, dass die Mitglieder des Promotionsausschusses mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen, wie § 64 Abs. 1 HmbHG für die Prüferinnen und Prüfer in einer Hochschulprüfung verlangt. Entgegen der vom Kläger vorgebrachten Auffassung geht es nicht um eine „wissenschaftsbasierte Entscheidung“. Bei der Entziehung der Promotion steht nicht eine inhaltliche Bewertung der Dissertation in Rede, sondern die Klärung der Frage, ob die Dissertation wissenschaftlichen Mindeststandards genügt (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67/06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 5), ohne dass ein prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum bestünde (OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 28; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28).

108

Es ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der Schwere des Eingriffs in seine Rechte zu begründen, dass der Promotionsausschuss nur beratend habe tätig werden dürfen. Ein Vorrang des Dekanats oder des Fakultätsrats bei einer für den Betroffenen bedeutsamen Einzelfallentscheidung ergibt sich aus höherrangigem Recht nicht. Die zunächst vom Promotionsausschusses aufgrund seiner Gremienzuständigkeit getroffene Entscheidung über die Rücknahme unterliegt letztlich ohnehin der vollen Überprüfung an den Maßstäben nicht nur der Rechtmäßigkeit, sondern auch der Zweckmäßigkeit durch den zuständigen Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten (dazu s.u. dd. (1)).

109

(2) Eine etwaige Verletzung von Vorschriften über das Verfahren bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 wäre nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann insbesondere die Frage einer Befangenheit im ursprünglichen Verfahren in den Fällen offenbleiben, in denen die Widerspruchsbehörde einen Rücknahmebescheid vollständig überprüft und durch eine selbstständige Sachentscheidung bestätigt hat (BVerwG, Urt. v. 28.5.2015, 1 C 24/14, BVerwGE 152, 164, juris Rn. 15 m.w.N.). Ausgehend von dieser Rechtsprechung fehlt es im vorliegenden Fall an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen einem etwaigen formellen Fehler und der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zur gerichtlichen Prüfung gestellten Rücknahmeentscheidung. Der Widerspruchsausschuss hat den Rücknahmebescheid anhand der Maßstäbe der Rechtmäßigkeit sowie der Zweckmäßigkeit vollständig überprüft und durch eine selbständige Sachentscheidung bestätigt. Dem Promotionsausschuss kam kein von der Widerspruchsbehörde zu achtender prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum zu (dazu s.o. (1)). Der Widerspruchsausschuss hat den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum auch ausgeschöpft. Im Einzelnen hat er ausweislich des Widerspruchsbescheids (S. 9-11) sein Ermessen ausgeübt und in die vorgenommene Abwägung insbesondere folgende Gesichtspunkte eingestellt: die Einschränkung des Vertrauensschutzes bei arglistiger Täuschung, die berufliche Situation des Klägers und der drohende Reputationsverlust, die Wahrung wissenschaftlicher Standards, das Fehlen eines Vergleichsschlusses mit „Generalquittungscharakter“ und die entstandenen Indiskretionen.

110

cc. Den formellen Anforderungen wurde jedenfalls bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 Genüge getan. Die Zuständigkeiten sind gewahrt (hierzu unter (1)). Der Mitwirkung der Mitglieder des Widerspruchsausschusses stand keine Besorgnis der Befangenheit entgegen (hierzu unter (2)). Die gebotene Anhörung des Klägers hat stattgefunden (hierzu unter (3)).

111

(1) Die Verbandszuständigkeit für die Bescheidung des Widerspruchs in Selbstverwaltungsangelegenheiten nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO lag in Ermangelung einer abweichenden gesetzlichen Regelung bei der Beklagten. Die behördliche Zuständigkeit lag, nachdem der Promotionsausschuss beschlossen hatte, dem Widerspruch nicht nach § 72 VwGO abzuhelfen, beim Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten. Dies folgt aus § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 a.E. VwGO i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 HmbHG in der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung maßgebenden Fassung. Danach entscheidet über Widersprüche in Prüfungsangelegenheiten der Widerspruchsausschuss. Diesem gehören gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 HmbHG als Vorsitzender ein Mitglied des Technischen, Bibliotheks- und Verwaltungspersonals (TVP) mit der Befähigung zum Richteramt und als Beisitzer eine Professorin oder ein Professor sowie eine Studierende oder ein Studierender der Fachrichtung, in der die Prüfung durchgeführt worden ist, an. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads betrifft eine Prüfungsangelegenheit i.S.d. § 66 Abs. 1 Satz 1 HmbHG. Denn die Promotion, um deren Rückgängigmachung es geht, zählt nach § 59 Abs. 1 HmbHG zu den Hochschulprüfungen (s.o. c. aa.). Der Zuständigkeit des Widerspruchsausschusses für die Entscheidung über einen Widerspruch gegen die Entziehung des Doktorgrads steht dabei nicht entgegen, dass weder der Vorsitzende des Widerspruchsausschusses noch der studentische Beisitzer selbst promoviert sein müssen. Die Qualifikation, um deren Rücknahme es geht, ist bei den Mitgliedern des Widerspruchsausschusses deshalb nicht zu fordern, weil die Rücknahme eines akademischen Grads nicht als Prüfungsentscheidung unter Ausübung eines prüfungsspezifischen Spielraums ergeht (dazu s.o. bb. (1)).

112

(2) Hinsichtlich der Mitglieder des Widerspruchsausschusses bestand keine Besorgnis der Befangenheit. Eine der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren entgegenstehende Besorgnis der Befangenheit setzt § 21 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Ein solcher Grund bestand weder allgemein wegen der Zugehörigkeit zweier Mitglieder des Widerspruchsausschusses zur Fakultät für Rechtswissenschaft (hierzu unter (a)) noch im Besonderen wegen der Stellung eines Mitglieds des Widerspruchsausschusses als Promotionsstudent (hierzu unter (b)).

113

(a) Entgegen der Annahme des Klägers, dass wegen aufgetretener Indiskretionen die „gesamte Fakultät“ befangen sei mit der Folge, dass niemand über die Rücknahme habe entscheiden dürfen, bestand nicht gegen alle Mitglieder der Fakultät die Besorgnis der Befangenheit und ist insofern das Recht auf ein faires Verfahren nicht verletzt.

114

Das Gesetz kennt keine institutionelle Befangenheit, sondern nur eine individuelle Befangenheit einzelner Personen (Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 21 Rn. 2 i.V.m. § 20 Rn. 8). Eine Besorgnis der Befangenheit verlangt einen gegenständlichen, vernünftigen Grund, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, dass der Amtsträger nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen könnte; nicht ausreichend ist die „Ahnung“ oder das „Gefühl“ eines Beteiligten oder rein querulatorisches Vorbringen; erforderlich ist vielmehr ein in der Person oder in der Art der Sachbehandlung liegender, benennbarer, rationaler Grund, der an Tatsachen anknüpft, die nach objektiven und vernünftigen Erwägungen geeignet sind, Zweifel an der unparteiischen Tätigkeit des Bediensteten zu wecken (Schmitz, a.a.O., § 21 Rn. 10 m.w.N.).

115

Nach diesem Maßstab war nicht jedes einzelne Mitglied der Fakultät für Rechtswissenschaft deshalb von einer Mitwirkung auszuschließen, weil es im Umfeld des Habilitationsverfahrens oder auch des Promotionsentziehungsverfahrens des Klägers zu Indiskretionen gekommen war. Indiskretionen aus einer Fakultät führen in aller Regel nicht dazu, dass gegen alle Mitglieder der Fakultät die Besorgnis der Befangenheit erhoben werden könnte. In Übereinstimmung damit hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf, selbst nachdem ein Bericht, der im Entziehungsverfahren dem Promotionsausschuss vorgelegt worden war, auf ungeklärtem Wege an die Presse gelangt ist, keinen objektiven Anhaltspunkt für eine Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder des für die Rücknahme zuständigen Fakultätsorgans gesehen (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 60).

116

Der alle Mitglieder der Fakultät für Rechtswissenschaft umfassende Personenkreis ist so weit gezogen, dass auch dann, wenn feststünde, dass sich ein namentlich unbekanntes Mitglied der Fakultät einer Verletzung des Dienstgeheimnis nach § 353b StGB schuldig gemacht hätte, kein vernünftiger Grund bestünde, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten ließe, jedes Mitglied der Fakultät werde nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen. Aus objektiver Sicht ist der Verdachtsgrad hinsichtlich der Verletzung des Dienstgeheimnisses, der sich gegen jedes einzelne Mitglied der Fakultät allein aufgrund seiner Mitgliedschaft richtet, äußerst gering. Denn Mitglieder der Fakultät sind alle der Fakultät zugeordneten und nach § 91 Abs. 1 i.V.m § 10 Abs. 1 HmbHG im Fakultätsrat vertretenen Mitglieder der Hochschule, d.h. nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbHG alle hauptberuflich Beschäftigten sowie immatrikulierten Studierenden einschließlich Doktorandinnen und Doktoranden. Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, …, das die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen Unbekannt geführt und am 8. Januar 2013 eingestellt hat, weil kein Täter ermittelt werden konnte, ergibt sich keine Eingrenzung des in Betracht kommenden Personenkreises. Es ist nicht ersichtlich, welches bestimmte Mitglied der Fakultät für Indiskretionen verantwortlich war, schon gar nicht, dass es sich um einen der Beisitzer im Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten handelte.

117

(b) Eine Besorgnis der Befangenheit besteht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb, weil das Mitglied des Widerspruchsausschusses Z. zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch Promotionsstudent an der Fakultät für Rechtswissenschaft war. Das Gesetz hat in § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HmbHG die Mitgliedschaft eines Studierenden der die Prüfungsangelegenheit betreffenden Fachrichtung im Widerspruchsausschuss zwingend vorgeschrieben. Nach der Wertung des Gesetzgebers begründet die damit einhergehende Beziehung zur Fakultät – immatrikulierte Studierende sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbHG Mitglieder der Hochschule als Körperschaft – noch keine Besorgnis der Befangenheit, sondern gewährleistet für den verfahrensbeteiligten Prüfling die Mitwirkung eines „peers“, sie dient nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich der „Sicherung der Rechte der Studierenden“ (Bü-Drs. 16/5759, S. 48). Der Gesetzgeber hat in § 66 Abs. 1 Satz 4 HmbHG die Entscheidung getroffen, dass die Mitglieder des Widerspruchsausschusses nicht gleichzeitig dem zuständigen Prüfungsausschuss angehören dürfen. Daraus geht im Umkehrschluss hervor, dass sich der Gesetzgeber gegen andere besondere Ausschlussgründe entschieden hat.

118

(3) Dem sich aus § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 und nachrangig aus § 28 Abs. 1 HmbVwVfG ergebenden Erfordernis, den Kläger zur Rücknahme der Promotion anzuhören, wurde Genüge getan. Soweit der Kläger gerügt hat, er sei vor dem Erlass des Ausgangsbescheids nur zu dem Vorwurf der arglistigen Täuschung angehört worden, nicht zu dem Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens, auch fehle es an einer persönlichen Anhörung, muss der Frage nicht nachgegangen werden, ob die vom Promotionsausschuss durchgeführte Anhörung hinreichte. Denn ein Verfahrensfehler, der in einem etwaigen Anhörungsmangel gelegen hätte, wäre durch die Nachholung im Widerspruchsverfahren nach § 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 HmbVwVfG geheilt. Im Widerspruchsverfahren ist der Kläger durch den Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten auch in Person angehört worden und hatte zuvor auch schriftlich Gelegenheit, zu den im ursprünglichen Bescheid erhobenen und im Widerspruchsbescheid bestätigten Vorwürfen Stellung zu nehmen. Eine Anhörung vor der Widerspruchsbehörde genügt. Die Widerspruchsbehörde ist bei Ermessensakten nur dann nicht imstande, die von der Ausgangsbehörde versäumte Anhörung wirksam nachzuholen, wenn sie entgegen der Regel des § 68 Abs. 1 VwGO durch ein Gesetz auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt ist, also im Gegensatz zur Ausgangsbehörde die Frage der Zweckmäßigkeit nicht beurteilen darf (BVerwG, Urt. v. 17.8.1982, 1 C 22/81, BVerwGE 66, 111, juris Rn. 18). Dieser Ausnahmefall liegt jedoch nicht vor, da insbesondere kein vom Widerspruchsausschuss zu achtender prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum gegeben ist (dazu s.o. bb. (1)).

119

e. In materieller Hinsicht sind die tatbestandlichen Anforderungen erfüllt, unter denen der Doktorgrad nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 aberkannt und entzogen oder nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG zurückgenommen werden kann.

120

Eine Rücknahme der Promotion setzt nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG tatbestandlich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes voraus, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist. Rechtswidrig ist dieser Verwaltungsakt insbesondere dann, wenn er auf einer vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren beruht. Ebenso setzen Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 voraus, dass die Doktorandin oder der Doktorand im Promotionsverfahren vorsätzlich getäuscht hat. Der in dieser Prüfungsordnung verwendete Begriff der vorsätzlichen Täuschung knüpft an den Begriff der arglistigen Täuschung im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht, hier in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG, an (entsprechend die Auslegung des OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 59, für das Tatbestandsmerkmal „Täuschung“ in der dort einschlägigen Prüfungsordnung). Bei der Erstellung einer Dissertation begeht der Doktorand die vorausgesetzte Täuschung namentlich dann, wenn er bei den Gutachtern einen Irrtum über das Vorliegen der wesentlichen Verleihungsvoraussetzungen, d.h. insbesondere über die Eigenständigkeit seiner erbrachten wissenschaftlichen Leistung hervorruft, indem er in erheblichem Umfang fremde Textpassagen ohne Quellenangabe aus dem Werk eines anderen Autors wörtlich oder sinngemäß übernimmt, obwohl ihm deren Herkunft vom Fremdautor bewusst ist (OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, a.a.O.). Im Einzelnen setzt eine vorsätzliche Täuschung im Promotionsverfahren eine Täuschungshandlung, deren Erheblichkeit, einen zur Verleihung des Doktorgrads führenden Irrtum und den Vorsatz des Prüflings voraus.

121

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat in dem ursprünglichen Promotionsverfahren, das mit der Verleihung des Doktorgrads mit der vom Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft I ausgefertigten Urkunde vom 28. Januar 1998 abschloss, vorsätzlich getäuscht. Die Täuschungshandlung liegt in der Einreichung einer mit Zitierfehlern behafteten Dissertation und der Abgabe einer von § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 geforderten Versicherung vom 1. Juni 1997, die Dissertation selbst angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt zu haben. Darin liegt deshalb eine Täuschungshandlung, weil die vorgelegte Dissertation den bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Dissertation geltenden Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit (hierzu unter aa.) ausweislich der im Einzelnen festzustellenden Zitierfehler nicht genügt (hierzu unter bb.). Die Täuschung ist erheblich (hierzu unter cc.). Sie hat einen Irrtum hervorgerufen, auf dem die Verleihung des Doktorgrads beruht (hierzu unter dd.). Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt (hierzu unter ee.).

122

aa. Die Vorlage einer Dissertation, welche gegen die zum Zeitpunkt der Vorlage geltenden Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit verstößt, begründet eine Täuschung im Promotionsverfahren (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 69 ff.). Die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit gebieten es insbesondere, die Übernahme von Fremdleistungen durch geeignete Quellennachweise als solche kenntlich zu machen. Im Einzelnen:

123

Die Promotion des Klägers erfolgte gemäß § 2 Abs. 1 PromO 1972 auf Grund einer als „rechtswissenschaftliche Abhandlung“ legaldefinierten Dissertation sowie des Kolloquiums. Die Dissertation musste gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 PromO 1972 die Rechtswissenschaft fördern. Die zum Zeitpunkt der Promotion geltende Promotionsordnung beruhte als Hochschulprüfungsordnung auf dem Gesetz über die Universität Hamburg (v. 25.4.1969, HmbGVBl. S. 61 m. spät. Änd. – HmbUG) und galt bei Verleihung des Doktorgrads an den Kläger unter den Nachfolgevorschriften (des vormaligen Hamburgischen Hochschulgesetzes v. 2.7.1991, HmbGVBl. S. 249) fort. In dem Promotionsverfahren war ausgehend von der Verantwortung des damaligen Fachbereichs für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses nach § 41 Abs. 1 HmbUG (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbHG) der Charakter der Promotion als akademische Prüfung gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 HmbUG (vgl. § 59 Abs. 1 HmbHG) und der Charakter des Doktorgrads als akademischer Grad gemäß § 41 Abs. 4 HmbUG (vgl. § 70 Abs. 4 Satz 1 HmbHG) zu gewährleisten.

124

Nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung genügt den an eine Dissertation gestellten Anforderungen (VGH Mannheim, Beschl. v. 9.2.2015, 9 S 327/14, NJW 2015, 2518, juris Rn. 7; Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19, juris Rn. 24; Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <58>; Schroeder, NWVBl. 2010, 176 <179>). In der obergerichtlichen Rechtsprechung war bereits bei Abgabe der Dissertation des Klägers als ein grundlegendes, jedermann einsichtiges und allseits anerkanntes Gebot der Redlichkeit anerkannt, in einer wissenschaftlichen Arbeit Gedanken anderer Autoren, selbst wenn sie nur Ausgangspunkt eigener Überlegungen sein sollen, als solche kenntlich zu machen, sei es im Text oder in den beigefügten Zitaten; unterbleibt in diesem Fall die Kenntlichmachung der fremden Leistung, so muss der unbefangene Leser in dem selbstverständlichen Vertrauen, dass jene grundlegende Regel wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten ist, einen falschen Eindruck von Umfang und Wert der eigenen Leistung des Verfassers gewinnen; zumindest aber gerät er in die Gefahr, einem solchen Irrtum zu erliegen (OVG Münster, Urt. v. 20.12.1991, 15 A 77/89, NWVBl 1992, 212, juris Rn. 11, daran anschließend VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 70 ff.; vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, ESVGH 31, 54, daran anschließend Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285, juris Rn. 8). Insbesondere der Umstand, dass nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 die Abgabe einer Versicherung über die eigenständige Anfertigung der Dissertation und die abschließende Verwendung der genannten Quellen vom Kläger gefordert wurde, verdeutlicht, dass das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit bereits im Jahr 1998 zu beachten war. Von Bagatellfällen abgesehen verstößt die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens und schließt damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13). Das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit erfordert es, die Übernahme einer Fremdleistung nachprüfbar zu machen, indem sämtliche wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche kenntlich gemacht werden (so der Sache nach auch VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 69, jedoch unter der urheberrechtlich falschen Einordnung der Fremdleistung als „geistiges Eigentum“, dazu Apel, ZUM 2014, 621 <623> m.w.N.). Geboten ist, dass „der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu ihm spricht“ (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 108, zust. Apel, a.a.O.). Dagegen wird auch dann verstoßen, wenn der Doktorand Entlehnungen aus der Sekundärliteratur zwecks Darstellung der Erkenntnisse zu der Primärliteratur in der Dissertation nicht hinreichend kenntlich macht (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 122). Fehlt es an einer solchen Kenntlichmachung der Übernahme der Rezeptionsleistung und bezieht sich der Doktorand auf eine Primärquelle, deren Inhalt und/oder Deutung er letztlich aus einer nicht nachgewiesenen Sekundärquelle abschreibt, so täuscht er (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 124).

125

Die Übernahme eines gedanklichen Inhalts erfordert eine Nennung des Autors. Zwar sind – in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers – Quellenangaben bei der Wiedergabe evidenter Aussagen entbehrlich, wenn der Leser sie auch ohne Herkunftsangabe nicht für eine Eigenleistung des Doktoranden halten kann. Doch kann und muss der Leser eine Nennung des fremden Autors bei einer Übernahme originärer Inhalte erwarten, insbesondere bei einer über eine bloße Beschreibung hinausgehenden Analyse oder Schlussfolgerung. Die berechtigte Erwartung des Lesers, der Urheber werde genannt, wird erfüllt, wenn die Autorennennung im Text an einem Ort vorhanden ist, die dem Leser nach dem Sinnzusammenhang eine Zuordnung zu der Textstelle ermöglicht und nicht zu weit vorne oder zu weit hinten im Text erscheint. Der Rechtsauffassung des Klägers, es bestehe die Möglichkeit eines Zitates „passim“, die in einem summarischen Verweis auf eine Quelle bestehe, um den Lesefluss nicht zu hemmen, folgt das erkennende Gericht in dieser Allgemeinheit nicht. Zum einen muss in dem wissenschaftlichen Werk offengelegt werden, dass die Quellennachweise summarisch zu verstehen seien. Zum anderen kann eine Autorennennung nicht schlicht unter Berufung auf den Lesefluss unterbleiben, da Passagen ohne Autorennennung als eigene Leistung wahrgenommen werden. Möchte der Verfasser eines wissenschaftlichen Werks auf die störende Autorennennung verzichten, ist ihm dies nur durch den Verzicht auf Übernahmen fremden Gedankenguts möglich.

126

Über die Autorennennung hinaus darf der Leser die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme erwarten, wenn ganze Sätze oder charakteristische Einzelformulierungen wörtlich übernommen werden. Der besonderen Kennzeichnung bedarf es, wenn ein Text wortgleich oder im Wesentlichen wortgleich übernommen wird, ohne dass diese Form der Wiedergabe und damit letztlich die Herkunft des in der Arbeit verwendeten und ausformulierten Textes deutlich gemacht worden sind, sei es im Text selbst oder durch eine entsprechende Abfassung der verwendeten Zitate (OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 17). Den Erfordernissen einer rechtswissenschaftlichen Dissertation entspricht es, dass der Doktorand eigene Formulierungsleistungen erbringt oder dort, wo er von fremden Formulierungen Gebrauch macht, dies kenntlich macht.

127

Hinsichtlich der einzelnen Textstellen ist daher zunächst zu untersuchen, ob wegen der Übernahme von Fremdleistungen eine Autorennennung für die Textstelle überhaupt und ob zusätzlich eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme von Formulierungen erforderlich ist. Sodann ist zu untersuchen, ob eine Autorennennung für die Textstelle und zusätzlich eine besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme vorliegen. Aus der Gegenüberstellung der geforderten Zitierweise und der erfolgten Zitierweise ergeben sich folgende Fallgruppen:

128
        

Autorennennung
und besondere
Kennzeichnung
erfolgen

Autorennennung erfolgt,
besondere erfolgt
Kennzeichnung nicht

bereits Autorennennung
erfolgt nicht

keine Autorennennung
erforderlich

–       

–       

Fallgruppe A:
kein Zitierfehler,
da bereits keine
Autorennennung erforderlich

nur Autorennennung
erforderlich,
besondere Kennzeichnung
einer wörtlichen Übernahme
entbehrlich

–       

Fallgruppe B:
kein Zitierfehler,
da die allein erforderliche
Autorennennung erfolgt

Fallgruppe D:
Zitierfehler,
da die allein erforderliche
Autorennennung fehlt

Autorennennung und besondere
Kennzeichnung erforderlich

Fallgruppe C:
kein Zitierfehler,
da die erforderliche
Autorennennung und die
erforderliche besondere
Kennzeichnung erfolgen

Fallgruppe E:
Zitierfehler,
da die erforderliche
Autorennennung ohne die
erforderliche besondere
Kennzeichnung erfolgt

Fallgruppe F:
Zitierfehler, da die
erforderliche Autorennennung
und die erforderliche
besondere Kennzeichnung fehlen

129

bb. Nach dem soeben aufgezeigten Maßstab hat der Kläger im Promotionsverfahren durch die Vorlage der Dissertation getäuscht, da diese gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit verstößt. Entgegen seinem Vortrag hat der Kläger vielfach fremde Gedanken nicht durch Fußnoten gekennzeichnet. An den sogleich darzustellenden Textstellen hat er fremde Inhalte und/oder fremde Formulierungen nicht in hinreichender Weise als solche ausgewiesen und damit für den Leser zu Unrecht den Eindruck einer eigenen Leistung erweckt. An diesen Textstellen weiß der Leser nicht, „wer zu ihm spricht“.

130

Dabei kann sich die Überprüfung der Dissertation innerhalb der 155 von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2012 benannten Textstellen auf die 57 Textstellen beschränken, welche in der Anlage 1 (dortige Textstellen Nr. 1 bis 55) und der Anlage 2 (dortige Textstellen Nr. 1 bis 2) zum Bescheid benannt sind und die nach Auffassung der Beklagten eine wörtliche oder nahezu wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle in der Dissertation aufweisen. Es zeigt sich, dass in der vom Kläger vorgelegten Dissertation nicht an jeder dieser 57 Textstellen, aber immerhin in 44 Fällen (und in einem weiteren Fall teilweise) eine Übernahme fremder gedanklicher Inhalte und/oder Formulierungen nicht hinreichend gekennzeichnet ist.

131

Im Einzelnen sind die untersuchten 57 Textstellen den vorgestellten sechs Fallgruppen (dazu s.o. aa.) wie folgt zuzuordnen: An den fünf der Fallgruppe A zugeordneten Textstellen ist kein Zitierfehler festzustellen, da bereits eine Autorennennung entbehrlich ist (hierzu unter (7), (11), (27), (34) und (51)). An den sieben Textstellen der Fallgruppe B liegt ein Zitierfehler nicht vor, da die allein erforderliche Autorennennung vorhanden ist (hierzu unter (3), (4), (19), (40), (41), (43) und (48)). Keine der untersuchten Textstellen ist der Fallgruppe C zuzuordnen, in der sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung vorhanden sind. An den beiden Textstellen der Fallgruppe D begründet es einen Zitierfehler, dass es an der allein erforderlichen Autorennennung fehlt (hierzu unter (52) und (57)). An den sieben Textstellen der Fallgruppe E ist ein Zitierfehler deshalb festzustellen, weil zwar die erforderliche Autorennennung vorhanden ist, aber ohne die ebenfalls erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (hierzu unter (13), (21), (26), (30), (35), (36) und (49)). An den 35 Textstellen der Fallgruppe F besteht der Zitierfehler darin, dass sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen (hierzu unter (1), (5), (6), (8) bis (10), (12), (14) bis (18), (20), (22), (23) bis (25), (28), (29), (31) bis (33), (37) bis (39), (42), (44) bis (47), (50), (53) bis (56)). Eine Textstelle ist teilweise der Fallgruppe A und teilweise der Fallgruppe F zuzuordnen (hierzu unter (2)).

132

(1) In der Fußnote 5 auf S. 2 der vom Kläger vorgelegten Dissertation fehlen sowohl die erforderliche Nennung des Autors A. als auch die besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Der Vortrag des Klägers, dass er als Assistent von Prof. Dr. A., des Betreuers seiner Dissertation, gearbeitet habe und nicht auszuschließen sei, dass ein „Abschreiben auch umgekehrt herum erfolgt“ sein könne, ist unsubstantiiert, da nicht dargelegt ist, aus welchem Werk A. Leistungen des Klägers übernommen haben könnte. Eine Autorennennung fehlt für den Inhalt der Fußnote 5. A. wird in der Fußnote 4 zu S. 1 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation sowie in den Fußnoten 7 und 8 zu S. 2 Abs. 2 Satz 2 ff. der Dissertation als Autor nur für die diesbezüglichen Inhalte des Textkorpus genannt. Es wird nicht erkennbar, dass auch der Inhalt der Fußnote 5 von A. stammt und keine erst vom Doktoranden selbst angestellte, weitergehende Erwägung ist.

133

(2) Bezüglich S. 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 der Dissertation des Klägers ist zu differenzieren: Satz 1 erfordert, wenngleich der Inhalt trivial und nicht Ausdruck hoher Schöpfungskraft ist, eine Autorennennung und eine besondere Kennzeichnung wörtlicher Übernahme, da der Satz wörtlich von Schiessl übernommen worden ist; an beidem fehlt es (Fallgruppe F). Satz 3 zeigt hingegen keinen Zitierfehler, die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts (§ 77 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AktG) bedarf keiner Autorennennung (Fallgruppe A).

134

(3) Auf S. 9 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation begegnet kein Zitierfehler (Fallgruppe B). Eine Autorennennung ist erforderlich, da die wiedergegebene Gesetzesauslegung eine Analyseleistung darstellt. Die Kennzeichnung der Wörtlichkeit ist mangels Originalität der Formulierungen nicht zu erwarten. Eine Autorennennung am rechten Ort ist vorhanden. Der Kläger nennt in der zur Textstelle gehörenden Fußnote 31 die Kommentatoren Hefermehl und Mertens als Urheber der Gesetzesauslegung.

135

(4) Ebenso kein Zitierfehler findet sich auf S. 10 Abs. 2 der Dissertation (Fallgruppe B). Einer Autorennennung bedarf es, da eine Transferleistung (Bedeutung der besonderen Stellung des Arbeitsdirektors im Hinblick auf eine herausgehobene Stellung des Finanzvorstands) wiedergegeben wird. Eine wörtliche Übernahme liegt insoweit nicht vor, als „Etwas anderes gilt“ von „eine Ausnahme besteht“ abweicht. Die Autorennennung ist vorhanden. Der Kläger hat in der zugehörigen Fußnote 32 den Bundesgerichtshof und den Kommentator Hüffer als Vertreter der Rechtsauffassung genannt. Der Kläger war nicht gezwungen, zusätzlich auch den Aufsatzautor Schiessl zu nennen, selbst dann, wenn er erst durch die Lektüre des Aufsatzes auf die Auffassung des Bundesgerichtshofs und Hüffers aufmerksam geworden wäre.

136

(5) Auf S. 13 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation fehlt es hingegen an der Nennung des Autors Schönbrod und an der besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Diese waren, anders als bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (3)), aufgrund der Originalität der Formulierung von Schönbrod geboten. Dem Gebot ist nicht Genüge getan. In der zur Textstelle gehörenden Fußnote 49 werden Mayer/Gabele, Mielke und Scheffler als Autoren genannt. Es wird nicht deutlich, dass eine wörtliche Übernahme von Schönbrod vorliegt.

137

(6) Ebenso verhält es sich im Ergebnis auf S. 14 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). In der Fußnote 57 wird lediglich „[z]um Einfluß der Unternehmensorganisation auf die Besteuerung“ auf Raupach verwiesen. Eine Nennung Schönbrods als Urheber des gedanklichen Inhalts und auch der Formulierung fehlt insoweit. Aufgrund des Satzbeginns „Darüber hinaus“ wird für den Leser nicht ersichtlich, dass auch der nunmehr vorgestellte, weiterführende gedankliche Inhalt von Schönbrod stammt und nicht vom Doktoranden.

138

(7) Demgegenüber ist kein Zitierfehler auf S. 16 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation gegeben (Fallgruppe A). Bereits einer Autorennennung bedarf es nicht. Selbst wenn der Kläger den Inhalt von Schiessl hätte übernehmen wollen, ist ihm dies mit der gewählten, leicht modifizierten Formulierung nicht gelungen. Denn während nach Schiessl die „Gesamtverantwortung eine immanente Schranke jeder Geschäftsverteilung“ bildet, d.h. eine Geschäftsverteilung möglich ist, aber nur im Rahmen der zu wahrenden Gesamtverantwortung, bildet die Gesamtverantwortung ausweislich der Dissertation eine „immanente Schranke gegen jede Form von Geschäftsverteilung“, was so gelesen werden könnte, dass jede Form von Geschäftsverteilung ausgeschlossen wäre.

139

(8) Sowohl an der erforderlichen Nennung des Autors Schiessl als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahmen fehlt es auf S. 17 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Marginale Veränderungen bei der Übernahme (z.B. „Besonderes Interesse im divisionalisierten Unternehmen“ statt „Im divisionalisierten Unternehmen“) deuten auf planvolles Vorgehen des Klägers hin, machen eine besondere Kennzeichnung wörtlicher Übernahmen aber nicht entbehrlich. Eine hinreichende Autorennennung kann in der zu dem nachfolgenden Satz angebrachten Fußnote 71 nicht gesehen werden. Denn in der Fußnote 71 wird nicht deutlich gemacht, dass die gesamten vorstehenden Sätze über die Möglichkeit, dem Arbeitsdirektor unter Ausschluss des Spartenleiters Kompetenzen zuzuweisen, von Schiessl stammen, sondern es wird eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zitiert, dass umgekehrt der Arbeitsdirektor eine Verteilung der Geschäfte nach sachlichen, organisatorischen oder regionalen Gesichtspunkten hinnehmen müsse, und mitgeteilt, dass Mertens und Schiessl der Rechtsprechung zugestimmt hätten.

140

(9) Desgleichen leidet S. 18 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation an einem Zitierfehler (Fallgruppe F). Eine Autorennennung und eine besondere Kennzeichnung sind erforderlich wegen der Übernahme des Inhalts und der wörtlichen Übernahme von Formulierungen von Schiessl. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort, der Quellennachweis erfolgt an einer im Text vorgelagerten Stelle, die für den Leser eine Zuordnung zu der in Rede stehenden Textstelle nicht ermöglicht. Der vorausgehende Satz (am Ende von S. 17 Abs. 2 der Dissertation), bei dem in der Fußnote 71 Schiessl genannt wird, schließt einen ganzen Absatz ab, so dass für den Leser weder ersichtlich noch wenigstens angedeutet wird, dass Inhalt und Formulierung auch auf S. 18 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation von Schiessl stammen.

141

(10) Dies setzt sich fort auf S. 18 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Einer Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung bedarf es wegen der wörtlichen Übernahme eines Satzes. Die besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme konnte nicht zugunsten der besseren Lesbarkeit unterbleiben. Hätte der Doktorand ohne eine besondere Kennzeichnung auskommen wollen, so hätte er eine eigenständige Formulierungsleistung erbringen müssen. Bereits an einer Nennung des Autors fehlt es am rechten Ort. Die Fußnoten 82, 83, 86 und 87 sind einer Textpassage S. 19 Abs. 4 der Dissertation zuzuordnen und nicht der hier in Rede stehenden Textstelle auf S. 18 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation.

142

(11) Anderes gilt für S. 18 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation (Fallgruppe A). Eine Nennung des Autors Schiessl ist entbehrlich, zumindest ist ihr Fehlen unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs nicht geeignet, einen Vorwurf wissenschaftlicher Unredlichkeit mitzutragen. Die im Vergleich zu Schiessl in der Dissertation wortgleiche Formulierung „nachgeordnet“ ist nicht hinreichend originell, auch der gedankliche Inhalt hinsichtlich einer „Spartenleitung“ ist so naheliegend, dass er keinen Quellennachweis gebietet.

143

(12) Ein Zitierfehler begegnet dem Leser hingegen wiederum auf S. 18 Abs. 3 Sätze 5 und 6 der Dissertation (Fallgruppe F). Aus den gleichen Gründen wie bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (10)) bedurfte es einer Nennung des Autors Schiessl, an der es am rechten Ort fehlt, und einer besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme. Die Rezeptionsleistung Schiessls, der die Primärquellen zusammenfasst, wird als Eigenleistung ausgegeben. Die Umstellung von Satzteilen deutet auf eine Verschleierungsabsicht des Klägers hin.

144

(13) Ein Zitierfehler, allerdings nur im Hinblick auf die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme, findet sich auf S. 19 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe E). In den dieser Textstelle zugeordneten Fußnoten 84 und 85 werden keine Quellen ausgewiesen. Es wird nicht deutlich, dass eine wörtliche Übernahme von Teilsätzen des Autors Schiessl unter marginaler Umstellung erfolgt.

145

(14) An der erforderlichen Nennung des Autors Schiessl unter besonderer Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt es auf S. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Inhalt und Formulierung stammen von Schiessl. Die Nennung von Schiessl neben Semler in der Fußnote 92 zu S. 20 Abs. 2 Satz 3 der Dissertation gibt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Übernahme sowie auf eine wörtliche Übernahme ganzer Sätze auf S. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation.

146

(15) Gleiches gilt bezüglich S. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Die Fußnote 91 zu S. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation gibt keine Quelle an. Die Nennung von Schiessl neben Semler in der Fußnote 92 zu S. 20 Abs. 2 Satz 3 der Dissertation gibt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Übernahme sowie auf eine wörtliche Übernahme ganzer Sätze in S. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Dissertation.

147

(16) Ebenso fehlen die erforderliche Autorennennung und die erforderliche besondere Kennzeichnung auf S. 20 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Formulierungen sind an Schiessl angelehnt und teils satzweise wörtlich mit geringfügigen Änderungen (z.B. „selbst wenn“ statt „auch wenn“) übernommen. Nach der Art einer Kollage erscheint der Einschub des vom Doktoranden selbst stammenden ersten Teils von Satz 2. Ein Fundstellennachweis zum nachfolgenden Satz in der Fußnote 93 zu S. 21 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation unter Angabe mehrerer Autoren ist bei einer wörtlichen Übernahme ganzer Sätze nicht hinreichend, da ein Leser einen solchen Fundstellennachweis nicht der vorhergehenden Textstelle zuordnen kann.

148

(17) Der Urheber Schönbrod hätte auf S. 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation genannt und die wörtliche Übernahme besonders gekennzeichnet werden müssen (Fallgruppe F). Es genügt nicht, dass zum vorausgehenden Satz Schönbrod genannt wurde. Die zu dem vorausgehenden Satz angebrachte Fußnote 103 gehört zu dem abgeschlossenen Absatz 5 auf S. 24 der Dissertation. In den Fußnoten 104 („Dazu… Gabele, … Poensgen“), 105 („Dazu … v. Winckler“) sowie 106 („dazu Eisenführ“) zu S. 23 Abs. 1 der Dissertation wird nicht angegeben, dass Inhalt und Formulierungsfragmente von Schönbrod stammen.

149

(18) Ebenso verhält es sich auf S. 23 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Nennung Schönbrods als Urheber war nicht deshalb entbehrlich, weil Schönbrod selbst Primärquellen benannt hatte. Denn die Argumentationsstruktur und die Formulierungen stammen vom Urheber der Sekundärquelle Schönbrod. In der Fußnote 109 („Zur Matrixorganisation im einzelnen Erbslöh…“) wird die wörtliche Quelle Schönbrod nicht genannt. Auch in der hinter dem letzten Satz (schon auf S. 24) angegebenen Fußnote 110 wird die Quelle nicht genannt. Die Fußnote 108 zum letzten Satz von S. 23 Abs. 2 der Dissertation nennt Schönbrod, dieses Zitat befindet sich aber vor der Überschrift des hier in Betracht genommenen Abschnitts „Matrixorganisation“.

150

(19) Keinen Zitierfehler lässt S. 24 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation erkennen (Fallgruppe B). Es bedarf einer Nennung des Autors. Allerdings folgt dies nicht bereits aus der Verwendung der (auch von A. gebrauchten) Formulierung „Anschlussfrage“, da die Formulierung nicht hinreichend originell ist. Doch bedarf der Gedanke, dass die zwingenden Grenzen des § 76 AktG (der die Leitung der Aktiengesellschaft betrifft) betroffen sind, eines Quellennachweises. Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist eine Autorennennung am rechten Ort (noch hinreichend) vorhanden. Die Quelle A. wird zwar erst in der Fußnote 111 zu S. 24 Abs. 4 Satz 1 der Dissertation genannt als Vertreter der Auffassung, es handele sich bei der Vorschrift um „eine Kompetenzvorschrift mit zuständigkeitsausschließender Wirkung gegenüber Aufsichtsrat und Hauptversammlung“. Damit ist aber implizit die Fragestellung nach den zwingenden Grenzen des § 76 AktG aufgeworfen, so dass ein Quellennachweis für den gedanklichen Inhalt von S. 24 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation vorliegt.

151

(20) Ein Zitierfehler zu bejahen ist wiederum hinsichtlich S. 26 Abs. 5 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Rezeptionsleistung von A. als Urheber der Sekundärquelle wird im Kern wortgleich ohne Nennung des Urhebers übernommen. Nur die Urheber der Primärquellen Mertens und Hefermehl sind in der zugehörigen Fußnote 118 benannt. Der Fehler liegt mithin darin, dass eine Arbeit an Primärquellen suggeriert wird, obwohl lediglich eine Sekundärquelle wiedergegeben wird.

152

(21) Ein Zitierfehler begegnet dem Leser auch auf S. 28 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation (Fallgruppe E). Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs wird zwar die Nennung des Autors A. in der Fußnote 130 zu dem weiterführenden nachfolgenden Satz für ausreichend erachtet. Es fehlt aber an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme.

153

(22) Sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt es auf S. 29 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Dies gilt aus den entsprechenden Gründen wie bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (20)). Die Rezeptionsleistung stammt in Inhalt und Formulierung von A. als Urheber der Sekundärquelle. Die Fußnote 135 nennt lediglich die Autoren der Primärquellen Hefermehl, Theisen und Henn.

154

(23) Auf S. 30 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation fehlt es an der Nennung des Urhebers Scheffler, von dem die Formulierung wörtlich übernommen worden ist (Fallgruppe F). Die geringe Originalität des Inhalts macht wegen der Wörtlichkeit der Übernahme eines ganzen Satzes eine Autorennennung nicht entbehrlich.

155

(24) Entsprechend hätte auf S. 32 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Dissertation der Urheber Scheffler, von dem Formulierung und Inhalt stammen, unter besonderer Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme genannt werden müssen (Fallgruppe F). Die einzelnen Teilsätze stammen wörtlich von Scheffler, die Satzübergänge sind marginal verändert. Es fehlt schon an einer Autorennennung am rechten Ort. Nicht ausreichend ist, dass die Fußnote 142 zum einleitenden Satz 1 Semler und Scheffler nennt. Denn die Sätze 2 und Satz 3 erläutern entgegen dem klägerischen Vortrag nicht lediglich Satz 1, sondern schränken ihn ein, wie das Wort „aber“ in Satz 2 anzeigt.

156

(25) Auch auf S. 32 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 der Dissertation liegt der Zitierfehler darin, dass bereits der Autor Scheffler, von dem eine wörtliche Übernahme erfolgt, ungenannt bleibt (Fallgruppe F). Es gilt das Gleiche wie bei der vorstehenden Textstelle (s.o. (24)).

157

(26) Ein Zitierfehler ist auf S. 32 Abs. 7 Satz 4 der Dissertation insoweit festzustellen, als zwar der Urheber genannt wird, aber eine besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe E). Der Urheber Götz wird – neben anderen Autoren – zwar nicht in der Fußnote 145 zu dem auf S. 33 endenden Satz, aber doch in der Fußnote 144 zu S. 32 Abs. 7 Satz 2 der Dissertation genannt. Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist dies noch eine Autorennennung am rechten Ort. Jedoch hätte die wörtliche Übernahme von Götz besonderer Kennzeichnung bedurft.

158

(27) Demgegenüber ist ein Zitierfehler auf S. 34 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 der Dissertation deshalb zu verneinen, weil es bereits keiner Autorennennung bedurfte (Fallgruppe A). Die übernommenen Formulierungen „problematische Ämterhäufung“ und „Höchstzahlreduktion“ sind nicht hinreichend originell, um eine Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung allein wegen der Wortwahl zu verlangen. Der Inhalt der Textstelle der Dissertation ist vom Inhalt der Textstelle der Quelle Götz verschieden. Denn in der Dissertation wird die Frage lediglich aufgeworfen, ob eine Höchstzahlreduktion von Aufsichtsratsmandaten geeignet ist, dem Problem der Ämterhäufung zu begegnen. Bei Götz wird diese Frage hingegen beantwortet.

159

(28) Einen Zitierfehler begründet auf S. 35 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation, dass es sowohl an der erforderlichen Autorennennung, als auch an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe F). Die Formulierung „Konzentrierung der Führungskontrolle auf den Aufsichtsrat“ stammt einschließlich der semantisch falschen Präposition („auf den“ statt „bei dem“) von A.. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. A. wird erst in der Fußnote 160 zu S. 35 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation genannt, aber nur als Urheber für eine weitergehende Überlegung, dass neben dem Aufsichtsrat dem Vorstand selbst eine Kontrollfunktion obliege („Grundlegend für die Anerkennung einer Selbstkontrolle des Vorstands A.…“). Dass bereits der Inhalt der Prämisse auf S. 35 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation, die Konzentrierung der Führungskontrolle beim Aufsichtsrat sei falsch, von A. stammt, wird nicht deutlich gemacht. Der Zitierfehler wiegt hier besonders schwer, weil eine Schlussfolgerung zu Unrecht als Eigenleistung präsentiert wird.

160

(29) Gleichfalls ist ein Zitierfehler auf S. 36 Abs. 1 der Dissertation gegeben (Fallgruppe F). Die wörtliche Formulierung und der Inhalt stammen von A., was kenntlich zu machen war. An einer Autorennennung und einer besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt es am rechten Ort. Da auf S. 36 Abs. 1 der Dissertation ein neuer Textabschnitt mit eigener Überschrift beginnt, genügt es insbesondere nicht, dass A. zuvor, beispielsweise in der Fußnote 160 zu S. 35 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation genannt wird.

161

(30) Ein Zitierfehler mangels Kennzeichnung wörtlicher Übernahmen tritt auf S. 37 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 der Dissertation auf (Fallgruppe E). Die Formulierungen in S. 37 Abs. 2 Satz 5 der Dissertation „einzelnes Aufsichtsratsmitglied“, „zeitliche und berufliche Begrenzung der Mandatsausübung“, „gleichsam an der Kontrollzentrale des Unternehmens mitzuwirken“ stammen wörtlich von A. ebenso wie – nach Satzumstellung – diejenigen in S. 37 Abs. 2 Satz 6 der Dissertation. Wenngleich es an einer besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt, ist zumindest eine Autorennennung vorhanden. Die Quelle A. wird in der Fußnote 166 zu S. 37 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation für den gedanklichen Inhalt, nämlich die Auffassung genannt, dass die „primäre Kontrollzuständigkeit“ beim Vorstand selbst läge. Diese Auffassung geht noch über die auf S. 37 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 der Dissertation wiedergegebene Auffassung hinaus. Ein Quellennachweis für S. 37 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation genügt deshalb auch im Hinblick auf die Inhalte der S. 37 Sätze 4 bis 6 der Dissertation.

162

(31) Auf S. 38 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation liegt der Zitierfehler darin begründet, dass es sowohl an der erforderlichen Nennung des Autors Scheffler als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe F). Die Übernahme von Fremdleistungen wird dem Leser nicht dadurch deutlich gemacht, dass in der Fußnote 168 zum vorausgegangenen Satz 2 Scheffler (neben A. und Mertens) genannt wird. Diese Autorennennung ist auch nicht deshalb für Satz 3 hinreichend, weil dieser mit dem Wort „Dazu“ eingeleitet wird und damit einen neuen Aspekt behandelt. Während S. 38 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation lediglich die Aussage enthält, dass der Vorstand sich so zu organisieren habe, dass er seiner Kontrollverantwortung optimal gerecht werde, gibt S. 38 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation die Aussage wieder, was der Vorstand „Dazu“ sicherstellen müsse.

163

(32) Ebenso verhält es sich auf S. 38 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). An der Textstelle heißt es: „Eine wirksame Überwachung durch den Vorstand setzt voraus, daß unter den Vorstandsmitgliedern und zwischen dem Vorstand und dem übrigen Management offen und effizient kommuniziert wird, so daß der Vorstand rechtzeitig und ausreichend alle notwendigen Informationen erhält.“. Die Textstelle entspricht unter marginalen Änderungen wörtlich der Quelle: „Eine wirksame Überwachung durch die Geschäftsführung setzt voraus, daß zwischen Geschäftsführung und dem übrigen Management offen und effizient kommuniziert wird, so daß die Geschäftsführung rechtzeitig und ausreichend alle notwendigen Informationen erhält.“ Inhaltlich unerheblich ist, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft unter dieser Bezeichnung oder gemäß seiner Funktion als Geschäftsführung angesprochen wird. Der Autor Scheffler bleibt ungenannt, die wörtliche Übernahme bleibt ungekennzeichnet.

164

(33) Die Autorennennung am rechten Ort und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme vom Autor A. fehlen auf S. 40 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Dissertation (Fallgruppe F). In der Fußnote 181 zu Satz 3 wird keine Quelle genannt. In der vorausgehenden Fußnote 180 zu S. 40 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation wird nur ein Autor Mertens genannt. Der Versuch des Klägers, einen Bezug zu den Quellennachweisen von A. in der Fußnote 176-179 herzustellen, geht fehl. Es genügt nicht der pauschale Hinweis, dass es in diesem Abschnitt durchgängig um das Interventionsrecht gehe. Das Erfordernis von Einzelnachweisen für einzelne Fragmente fremden Gedankenguts wird etwa dadurch bestätigt, dass in der Dissertation in den Fußnoten 176-179 A. mehrfach genannt wird.

165

(34) Ohne Zitierfehler ist S. 41 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe A). Eine Autorennennung ist entbehrlich. Die sich auch bei Schiessl findende Formulierung ist ebenso wie der Inhalt nicht so originell, dass Schiessl notwendig zu zitieren wäre. So wird beispielsweise auch von Spindler (in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014, § 77 Rn. 56) ohne Zitat von Schiessl ausgeführt: „Zur Wahrnehmung der Überwachungspflicht steht allen Vorstandsmitgliedern ein Informationsanspruch über Angelegenheiten aus anderen Ressorts zu.“

166

(35) Auf S. 47 Abs. 2 Sätze 1 f. der Dissertation zeigt sich ein Zitierfehler (Fallgruppe E). Neben anderen wird zwar der Autor Götz in der Fußnote 224 zu Satz 2 genannt, doch wird die wörtliche Übernahme von Formulierungen (z.B. „sachgerechte Überwachung ohne zuverlässige Informationsversorgung nicht möglich“, „Planungs-, Kontroll- und Informationssystemen sowie deren Implementierung“) nicht als solche ausgewiesen.

167

(36) Einen gleichartigen Zitierfehler zeigt S. 48 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 der Dissertation (Fallgruppe E). Die erforderliche Autorennennung kann unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs in der Fußnote 229 zu S. 48 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation gesehen werden. Besonders zu kennzeichnen war jedoch, dass die Formulierungen (z.B. „[m]it der bloßen Analyse der eingetretenen und festgestellten Abweichungen […] noch nichts bewirkt“) von Semler stammen. Marginale Änderungen („verfolgt werden müssen“ statt „müssen verfolgt werden“) deuten auf einen Täuschungsvorsatz hin.

168

(37) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen auf S. 52 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Der Inhalt und wörtlich die Formulierung „die Revisionsabteilungen dynamisch auszurichten, um eine zeitnahe prüferische Orientierung an den Schwerpunkten der unternehmerischen Problemstellungen im Ordnungsbereich sicherzustellen“ stammen von Freiling. Es genügt nicht, dass in anderen Absätzen des Abschnitts oder benachbarter Abschnitte auf den Urheber Freiling verwiesen wird. Freiling ist in der Fußnote 245 zu S. 52 Abs. 2 der Dissertation für ein uneingeschränktes Informations- und Einsichtsrecht der „Revision“ genannt, nicht für die zweckmäßige „dynamische Ausrichtung“ der „Revisionsabteilungen“. Der Leser vermag auch die Autorennennung Freilings neben anderen Autoren in Quellennachweisen, die zu späteren Textabschnitten gehören (Fußnoten 246 zu S. 52 Abs. 4 der Dissertation und 247 zu S. 52 Abs. 5 der Dissertation), nicht der Textstelle S. 52 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation zuzuordnen.

169

(38) Ebenso verhält es sich auf S. 52 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Eine Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme ist erforderlich. Der Inhalt und die Formulierungen stammen von Götz. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Der Urheber Götz wird in der Fußnote 247 (neben Scheffler, Mertens und Freiling) zu S. 52 Abs. 5 Satz 1 der Dissertation dafür genannt, was zur „Gesamtverantwortung“ gehöre. Die Satzumstellung mit dem einleitenden Wort „Ferner“ auf S. 52 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation suggeriert aber, dass hier ein neuer Inhalt dargestellt wird, der nicht mehr von der voranstehenden Fußnote gedeckt ist.

170

(39) Auch auf S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation fehlen die Autorennennung und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Die Formulierung und der Inhalt stammen von Scheffler. Die Nennung Schefflers neben Meyer-Landrut und Semler in der Fußnote 266 zu S. 56 Abs. 8 Satz 2 der Dissertation zu den Rechtsquellen, anhand derer der Aufsichtsrat eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstands vornimmt, lässt nicht erkennen, dass Scheffler auch der Autor der auf S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation wiedergegebenen Überlegungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung ist. Die Fußnote 267 zu S. 56 Abs. 9 Satz 5 der Dissertation nennt nur Semler und macht nicht deutlich, dass der Inhalt des S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation nicht vom Kläger stammt, denn die dazwischenliegenden Sätze werden mit „Allerdings“ und „Vielmehr“ eingeleitet, legen mithin die Annahme neuer gedanklicher Inhalte nahe.

171

(40) Kein Zitierfehler ist in der mangelnden Nennung des Autors der Sekundärquelle Götz auf S. 63 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation zu sehen (Fallgruppe B). Die Nennung eines Autors ist für eine Auswahl an Vertretern der Literaturauffassung erforderlich, nicht aber für die Formulierungsarbeit durch Götz, die anders als etwa im Falle einer früheren Textstelle (s.o. (22)) gering erscheint. Eine Autorennennung am rechten Ort ist vorhanden. In der zum Satzbeginn „Eine Ansicht in der Literatur“ angebrachten Fußnote 295 werden Hueck, Hölters, Rowedder und Wiedemann als Vertreter der Literaturauffassung genannt. Der Kläger war nicht gezwungen, zusätzlich auch den Aufsatzautor Götz zu nennen, selbst dann, wenn er erst durch die Lektüre des Aufsatzes von Götz auf die anderen Autoren aufmerksam geworden wäre.

172

(41) Im Ergebnis ebenso wenig begegnet dem Leser ein Zitierfehler der hier in Rede stehenden Art auf S. 64 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe B). Die Übernahme einer Fremdleistung ist kenntlich gemacht, wenn auch der falsche Urheber genannt sein mag. Denn statt Wiedermann mag richtigerweise Götz in der Fußnote 303 zu S. 64 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation als Autor zu benennen gewesen sein. Der verwendete Modus Konjunktiv I deutet auf die Wiedergabe einer fremden These hin und lässt es als nicht zwingend erscheinen, die Wörtlichkeit des Zitats eindeutiger zu kennzeichnen.

173

(42) Hingegen fehlt es sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme auf S. 65 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Der erste Satz ist vollständig wörtlich von Götz übernommen. Der zweite Satz entspricht unter Umstellung der in ihm enthaltenen Klimax der Quelle Götz. Während es bei Götz heißt: „Das Spektrum reicht von umfassenden Zustimmungsvorbehalten, die entweder durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschuß oder auf beiden Wegen eingeführt worden sind, bis hin zu einem vollständigen Verzicht auf eine Mitwirkung des Aufsichtsrats an den Geschäften des Vorstands“, heißt es in der Dissertation: „Das Spektrum reicht vom vollständigen Verzicht auf jede Inanspruchnahme dieser Befugnis über wenige Details bis hin zu recht umfangreichen Zustimmungskatalogen, die entweder durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschluß oder auf beiden Wegen eingeführt worden sind.“ Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. In der Fußnote 307 zum ersten Satz werden Gerum/Steinmann/Fees sowie Vogel als Urheber benannt. In der Fußnote 308 zum zweiten Satz werden nur Quellen zur „Problematik, ob Aufsichtsräte, die ihre Überwachungsaufgaben ohne Zustimmungsvorbehalte ausüben, ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigen“, genannt.

174

(43) Auf S. 67 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation ist die allein erforderliche Autorennennung vorhanden (Fallgruppe B). Wiedergegeben ist zunächst der damalige Gesetzesstand (§§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 2, 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG). Die Nennung eines Autors war zwar erforderlich für den Umkehrschluss aus dem Gesetzeswortlaut, welche Zustimmungsvorbehalte mit dem Gesetz unvereinbar sind. Doch ist dieser Umkehrschluss bereits auf S. 67 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation angedacht, wo es heißt, die Grenzen zulässiger Zustimmungsvorbehalte ergäben sich „aus § 76 Abs. 1 AktG i.V.m. dem Zusammenwirken der §§ 111 Abs. 4 S. 2, 90 Abs. 1 Nr. 4, 90 Abs. 2 Nr. 4 AktG“ und wo für diese Rechtsauffassung, neben anderen Autoren, auch Götz genannt wird. Die sich sowohl in der Dissertation als auch bei Götz findende Formulierung, dass „solche Zustimmungsvorbehalte unvereinbar sind“, ist nicht so originell, dass sie allein einen hervorgehobenen Beleg des Autors Götz erfordert hätte.

175

(44) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen auf S. 75 Abs. 7 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Von Peltzer stammt der Satz: „Es erscheint jedoch fraglich, ob nicht in der Rechtswirklichkeit – und vielleicht schon gewohnheitsrechtlich verfestigt – in vielen Fällen eine Verlagerung auf andere Entscheidungsträger stattgefunden hat“. Dieser Satz wird – bis auf den Einschub – wörtlich übernommen. Der wiedergegebene gedankliche Inhalt an sich mag keine hohe Originalität haben, jedoch ist bei einer wörtlichen Übernahme die Nennung des Autors unter besonderer Kennzeichnung erforderlich. An beidem fehlt es hier.

176

(45) Ebenso verhält es sich auf S. 75 Abs. 4 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Der Hauptteil dieses Satzes lautet: „ob nicht in der Rechtswirklichkeit in vielen Fällen eine Verlagerung auf andere Entscheidungsträger stattgefunden hat“. Er übernimmt wörtlich zwei Fragmente des Satzes von Peltzer. Die marginale Veränderung in der Einleitung „Es erscheint jedoch fraglich“ gegenüber „Es fragt sich indessen“ macht eine Nennung des Autors und eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme nicht entbehrlich, woran es jeweils fehlt.

177

(46) Auf S. 76 Abs. 3 der Dissertation tritt eine wörtliche Übernahme eines Satzes von A. auf, ohne dass an dieser Stelle auch nur der Autor genannt ist (Fallgruppe F). Es genügt entgegen der Annahme des Klägers nicht, dass der „fragliche Aufsatz […] in diesem Zusammenhang an mehreren Stellen angegeben“ werde. Die Nennung von A. in den Fußnoten 348-350 zu verschiedenen Textstellen auf S. 76 Abs. 1 und 2 der Dissertation ist nicht hinreichend. Denn mit der Textstelle S. 76 Abs. 3 der Dissertation beginnt ein neuer Abschnitt unter neuer Überschrift „Die rechtliche Verantwortung für das Bestellungsverfahren“. Nach dem auf S. 76 Abs. 3 der Dissertation wörtlich wiedergegebenen Gedanken A. ist es „[h]insichtlich der Frage nach der rechtlichen Verantwortung für das Bestellungsverfahren von entscheidender Bedeutung, ob diese faktische Entscheidungsbeteiligung des Vorstands […] Ausdruck seiner rechtlichen Verantwortung […] oder lediglich eine rechtlich irrelevante Hilfeleistung ist.“ Diese Alternativen werden nicht aufgezeigt an den Textstellen S. 77 Abs. 1 Satz 4 der Dissertation und S. 77 Abs. 1 Satz 6 der Dissertation, welchen die Fußnoten 351-352 zugeordnet sind, in denen (u.a.) A. als Urheber genannt wird.

178

(47) Ebenso bedurfte es einer Autorennennung und einer besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme auf S. 77 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Formulierung und Inhalt stammen von Götz. Bei Götz heißt es: „Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats fordert sein Tätigwerden bereits weit im Vorfeld einer eintretenden Vorstandsvakanz. In der Dissertation wird übernommen: „Somit erfordert die Personalkompetenz des Aufsichtsrats sein Tätigwerden bereits weit im Vorfeld einer eintretenden Vorstandsvakanz.“ Es fehlt bereits an einer Autorennennung am rechten Ort. Der Urheber Götz wird in der Fußnote 355 zu S. 77 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation benannt, aber nur für den Gedanken, dass es mittelfristiger Nachfolgeplanungen bedürfe. Die Verwendung des Wortes „Somit“ deutet auf eine Schlussfolgerung hin, die erst recht hätte als Fremdleistung ausgewiesen werden müssen.

179

(48) Die allein erforderliche Autorennennung noch hinreichend vorhanden ist demgegenüber auf S. 79 Abs. 3 Satz 1 bis S. 80 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe B). Einen Quellennachweis erfordern nicht schon die Formulierungen, die fragmentsweise von A. stammen, aber anders als bei der vorgenannten Textstelle (s.o. (47)) wenig originell sind. Einen Quellennachweis erfordert, dass die gedanklichen Inhalte von A. stammen. Für den gedanklichen Inhalt wird in der Fußnote 369 zu S. 80 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation A. als Quelle genannt. Eine Zuordnung zu den Inhalten der in Rede stehenden Textstelle ist dem Leser möglich, da S. 80 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation eine Konkretisierung („im erstgenannten Fall“, „im letztgenannten Fall“) des an der in Rede stehenden Textstelle eingeführten Gegensatzpaars („Auf der einen Seite“, „auf der anderen Seite“) enthält.

180

(49) Ein Zitierfehler, da zwar die erforderliche Autorennennung erfolgt, aber ohne die erforderliche besondere Kennzeichnung, begegnet dem Leser demgegenüber auf S. 80 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe E). Die Satzfragmente „gilt auch […] für die vorzeitige Beendigung der Vorstandstätigkeit […], dürfen die anderen Vorstandsmitglieder nicht abwarten, bis der Aufsichtsrat die notwendigen Konsequenzen zieht, sondern müssen von sich aus initiativ werden, damit […] sein Amt zur Verfügung stellt bzw. abberufen wird.“ stammen wörtlich von A.. Dass der Inhalt von A. herrührt, geht zwar aus der Fußnote 370 zu S. 80 Abs. 1 Satz 6 der Dissertation („Deshalb wären rechtliche Vorgaben über das normative Gewicht des jeweiligen Entscheidungsträgers verfehlt.“) hervor, denn das Wort „Deshalb“ bewirkt eine Klammerung zu der vorstehenden Textstelle. Nicht offen gelegt ist aber die Wörtlichkeit der Übernahme. Geringfügige Änderungen („Gleiches gilt“ statt „Das gilt auch“) deuten auf Täuschungsvorsatz hin.

181

(50) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme der Zwischenergebnisse von A. fehlen wiederum auf S. 80 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Es handelt sich um eine Schlussfolgerung aus den vorstehenden Abschnitten, weshalb gerade eine erneute Benennung der Quelle nicht entbehrlich war, um nicht den falschen Eindruck einer Eigenleistung zu erwecken.

182

(51) Ohne Zitierfehler ist S. 81 Abs. 1 Satz 7 der Dissertation (Fallgruppe A). Formulierung und Inhalt, dass die für die Zukunft als Nachfolger im Vorstand ausgewählten Personen „stets adäquat und anspruchsgerecht beschäftigt werden“ müssen, sind von so geringer Originalität, dass das Fehlen einer Autorennennung unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs als vertretbar erscheint.

183

(52) Einen Zitierfehler begründet in der Fußnote 396 zu S. 87 der Dissertation, dass A. als Urheber der Sekundärquelle nicht genannt wird (Fallgruppe D). Eine Autorennennung ist erforderlich wegen des Inhalts (Rezeptionsleistung von A.). Die Formulierung („Beispielhaft sei […] verwiesen“) erfordert hingegen keinen besonderen Quellennachweis. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Die Fußnoten 394 und 397 geben eine Quelle nur für den jeweiligen Inhalt des Textkorpus an, nicht für den Inhalt der Fußnote 396.

184

(53) Auf S. 132 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation fehlen die Nennung des Autors Mertens und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme beider Sätze (Fallgruppe F). Entgegen dem klägerischen Vortrag war eine Autorennennung nicht entbehrlich. Die beiden Sätze beschreiben konzentriert und prägnant die Leitungsverantwortung des Vorstands einer andere Unternehmen beherrschenden Aktiengesellschaft und enthalten die Schlussfolgerung einer „(Ober-)Leitung der Konzernunternehmen“.

185

(54) Entsprechend fehlen in der Fußnote 612 zu S. 132 der Dissertation Nachweise des Urhebers Scheffler und der wörtlichen Übernahme des vollständigen Satzes (Fallgruppe F). An einer Autorennennung fehlt es entgegen dem klägerischen Vortrag. Die Fußnoten 611 und 613 geben eine Quelle nur für den jeweiligen Inhalt des Textkorpus an, nicht für den Inhalt der Fußnote 612.

186

(55) Auf S. 179 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation fehlen ebenso die Autorennennung und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Gerade weil es sich gemäß der Überschrift auf S. 179 um die Zusammenfassung der Dissertation handelt, war eine – vom Leser gerade an dieser Stelle nicht zu erwartende – Fremdleistung als solche auszuweisen. Auf eine Nennung des Autors Götz konnte nicht verzichtet werden. Die wörtliche Übernahme der charakteristischen Formulierung „daß ein leistungsfähiges internes Überwachungssystem besteht, welches alle relevanten Vorgänge erfasst“ erfordert eine besondere Kennzeichnung.

187

(56) Die S. 115 Abs. 7 Satz 1 der Dissertation zeigt einen Zitierfehler gleicher Art (Fallgruppe F). Inhalte und Formulierungen stammen von Scheffler. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Der Leser vermag den Quellennachweis in der Fußnote 539 zu S. 115 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation nicht der in Rede stehenden Textstelle zuzuordnen. Denn aus der Satzeinleitung „Aus diesen Überlegungen ist abzuleiten“ folgt, dass der in S. 115 Abs. 3 Satz 1 zum Ausdruck gebrachte Gedanke über den Inhalt des S. 115 Abs. 2 Satz 2 hinausgeht und eine weiterführende Schlussfolgerung enthält.

188

(57) Schließlich ist auf S. 180 Abs. 6 Satz 3 der Dissertation ein Zitierfehler gegeben (Fallgruppe D). Der Leser durfte erwarten, dass unter der Überschrift „Zusammenfassung“ keine fremden Untersuchungsergebnisse präsentiert werden, ohne die hier von Bezzenberger übernommene inhaltliche Fremdleistung als solche auszuweisen. Die übernommene Formulierung ist nicht originell genug, um über die Autorennennung hinaus eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme zu gebieten.

189

cc. Die Täuschung ist nicht unerheblich. Die Bagatellgrenze ist, unabhängig davon, wo genau sie verläuft, jedenfalls überschritten. Dahinstehen kann, ob die Bagatellgrenze allein absolut zu bestimmen ist und bereits bei wenigen, nicht geringfügigen Zitierfehlern überschritten ist, oder ob dies erst dann der Fall ist, wenn auch relativ ein in Bezug auf die Prüfungsleistung als Ganzes nicht unverhältnismäßiges Ausmaß an Zitierfehlern erreicht ist, bei denen die betroffene Textstelle für den Leser zu Unrecht den Anschein einer Eigenleistung erweckt. Denn auch in relativer Betrachtung stehen die nicht zu beanstandenden Textstellen nicht außer Verhältnis zu den in absoluten Zahlen nicht wenigen Textstellen der vom Kläger vorgelegten Dissertation, die eine Eigenleistung vortäuschen.

190

Wie im Bescheid vom 25. Juni 2012, S. 17, dargelegt, ist jedenfalls kein vereinzelt auftretendes und versehentliches unsauberes Arbeiten bzw. Zitieren im Sinne von bagatellhaften, handwerklichen Flüchtigkeitsfehlern oder ein Fehlverhalten in inhaltlich irrelevanten, hinsichtlich der Thematik der Arbeit allenfalls randständigen Teilen der Dissertation gegeben. Denn den in der Dissertation redlich erbrachten Eigenleistungen steht nach den obigen Feststellungen (s.o. bb.) eine große und auch im Verhältnis dazu nicht zu vernachlässigende Anzahl von Fällen entgegen, in denen eine Fremdleistung nicht hinreichend als solche ausgewiesen und damit für den Leser zu Unrecht der Eindruck einer Eigenleistung erweckt worden ist. Die in einer Vielzahl auftretenden Zitierfehler, die einen Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit begründen, überschreiten jedwede Bagatellgrenze bei Weitem. Während von den untersuchten 57 Textstellen zwölf (und eine weitere teilweise) keinen Zitierfehler aufweisen, weil entweder bereits eine Autorennennung entbehrlich ist (Fallgruppe A) oder die allein erforderliche Autorennennung vorhanden ist (Fallgruppe B), zeigen sich an allen übrigen der untersuchten Textstellen Zitierfehler. An zwei Textstellen fehlt es an der erforderlichen Autorennennung (Fallgruppe D) und an sieben weiteren Textstellen an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe E). An allen übrigen 35 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) fehlt es sogar an beidem, sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F).

191

Die Bagatellgrenze ist sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht selbst dann überschritten, wenn zugunsten des Klägers angenommen würde, dass keine weiteren, als die vorstehenden (s.o. bb. (1) bis (57)) untersuchten Textstellen Zitierfehler aufweisen. Nicht untersucht worden sind insbesondere die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid in Anlage 3 angeführten 71 Textstellen, in denen nach ihrer Auffassung nicht kenntlich gemacht ist, welche Teile des Textes auf seinen eigenen Erkenntnissen und Gedanken beruhen und welche Teile des Textes eine bloße Wiedergabe fremder Erkenntnisse und Gedanken darstellen.

192

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger in der vorgelegten Dissertation in einem nicht kleinen Umfang Quellennachweise angebracht hat. Die 180 Seiten des Textkorpus enthalten 818 Fußnoten, die – zugeordnet zu einzelnen Textstellen – oftmals ein oder mehrere Autoren von übernommenen Fremdleistungen nennen. Die Vielzahl der festgestellten Zitierfehler, bei denen Fremdleistungen mangelhaft als solche ausgewiesen sind, überschreitet gleichwohl die Schwelle der Erheblichkeit deutlich.

193

Dahinstehen kann, ob der Kläger, wie er vorprozessual in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2012 vorgebracht hat, in seiner Dissertation als Eigenleistung eine herausragende Stellung des Finanzvorstands anerkannt hat. Denn die Dissertationsleistung ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu würdigen; es ist auch unerheblich, ob die Leistung – die Zitierfehler hinweggedacht – noch für eine selbständige wissenschaftliche Arbeit ausgereicht hätte (VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 8).

194

dd. Die Täuschung hat bei den maßgeblichen Adressaten einen Irrtum hervorgerufen, auf dem wiederum die Verleihung des Doktorgrads beruht.

195

Ein durch die Täuschungshandlung hervorgerufener Irrtum liegt bereits dann vor, wenn nur einzelne Amtswalter, die an der Entscheidung maßgeblich beteiligt waren, irregeführt worden sind (VG Regensburg, Urt. v. 31.7.2014, RO 9 K 13.1442, juris Rn. 47). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Verleihung des Doktorgrads durch Aushändigung oder Zustellung einer vom Sprecher des damaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 PromO 1972 unter dem 28. Januar 1998 unterzeichneten Urkunde setzte ein Bestehen des Kolloquiums gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 PromO 1972 vor dem aus drei Prüfern bestehenden Ausschuss gemäß § 13 Abs. 2 PromO 1972 voraus. Die Durchführung des Kolloquiums erforderte nach § 13 Abs. 1 PromO 1972, dass die Dissertation endgültig mindestens als „genügend“ bewertet wurde. Die Bewertung der vom Kläger vorgelegten Dissertation durch den nach § 11 PromO 1972 gebildeten Dissertationsausschuss entsprach gemäß § 10 Abs. 3 PromO 1972 der übereinstimmenden Bewertung der beiden zur Beurteilung der Dissertation bestellten Gutachter in ihren gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m § 9 PromO 1972 erstellten Voten mit der Note „magna cum laude“. Dabei kann dahinstehen, ob der Betreuer der Dissertation und Erstgutachter Prof. Dr. A. bei Erstattung eines Votums vom 16. Oktober 1997 einem Irrtum unterlag. Denn zumindest das Votum des Zweitgutachters Prof. Dr. B. vom 23. Dezember 1997 beruhte, wie der Zweitgutachter in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 2011 bestätigt hat, auf dem durch die Täuschung hervorgerufenen Irrtum, dass „die gesamte Darstellung inhaltlich und textlich allein vom Verfasser“ stamme, sodass mit Aufdeckung der Täuschung nunmehr die „Grundlage für die Beurteilung“ entfallen ist. Ohne die Bewertung des Zweitgutachters wäre das Kolloquium nicht durchgeführt und dem Kläger folglich der Doktorgrad nicht verliehen worden.

196

Die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads schlösse es nicht aus, wenn für eine andere als die vom Kläger vorgelegte Arbeit der Doktorgrad verliehen worden wäre. Denn ausgehend von der Dissertation als Form- und Sinnganzes, kommt es auf die konkrete Identität der vorgelegten Arbeit an (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, juris Rn. 25; Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <57>).

197

ee. Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt.

198

Vorsatz ist das Wissen und Wollen des Prüflings hinsichtlich der objektiven Umstände, d.h. der Täuschungshandlung im Promotionsverfahren durch Vorlage einer Fremdleistungen mangelhaft als solche ausweisenden Dissertation (dazu s.o. bb.), der Erheblichkeit der Täuschung (dazu s.o. cc.) und der Ursächlichkeit der Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. dd.). Ausreichend für eine vorsätzliche Täuschung ist ein bedingter Vorsatz, bei dem die Verwirklichung der objektiven Umstände für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die vorsätzliche Täuschung eines Prüflings liegt dann vor, wenn keine andere Erklärung zu finden ist, als die, dass der Prüfling insgeheim den ursprünglichen Text als Schreibvorlage benutzt hat (VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <55>).

199

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger im Promotionsverfahren vorsätzlich getäuscht. Der Kläger hat es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Grad eines Doktors der Rechtswissenschaft an ihn aufgrund einer erheblichen Täuschung im Promotionsverfahren verliehen werden würde. Art und Umfang der Übernahme fremder Texte und Gedanken ohne hinreichende Ausweisung lassen keine andere Erklärung zu. Im Einzelnen:

200

In quantitativer Hinsicht kann ein bedingter Täuschungsvorsatz bereits aus der schieren Menge der Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit hergeleitet werden (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 159). Zitierfehler, die in einer mangelhaften Ausweisung von Fremdleistungen begründet sind, treten an 44 der 57 untersuchten Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) auf. Rechnerisch ist auf jeder vierten der insgesamt 180 Druckseiten der Dissertation festzustellen, dass Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen sind.

201

In qualitativer Hinsicht wiegt der vielfache Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit besonders schwer. Die Art der Zitierfehler lässt – ebenso wie vorstehend beschrieben der Umfang der Zitierfehler – auf einen zumindest bedingten Täuschungsvorsatz schließen.

202

Dies folgt zunächst daraus, dass sich die mangelhafte Ausweisung von Fremdleistungen auf alle wesentlichen Teile der vom Kläger vorgelegten Dissertation erstreckt. Die betroffenen Textstellen (s.o. bb.) finden sich, wie im Bescheid vom 25. Juni 2012, S. 18 f., zu Recht hervorgehoben ist, nicht nur und auch nicht weit überwiegend in thematischen Randbereichen der Dissertation, vielmehr erstreckt sich die mangelhafte Ausweisung von Fremdleistungen auf alle wesentlichen Teile der vom Kläger vorgelegten Dissertation: Unter der Abschnittsüberschrift „§ 1 Generalia“ (S. 1-5) findet sich ein Zitierfehler der Fallgruppe F. Der Abschnitt „§ 2 Geschäftsleitung in der Aktiengesellschaft“ (S. 6-89) enthält 30 Textstellen (und eine Textstelle teilweise), die der Fallgruppe F zuzuordnen sind, davon 14 Textstellen in dem Unterabschnitt „D. Grenzen der Geschäftsverteilung“ (S. 24-74), die der Kläger in der Dissertation selbst (S. 3) als „Kernbereich der Arbeit“ ausgewiesen hat. Im Abschnitt „§ 3 …“ (S. 90-156) begegnen dem Leser zwei Zitierfehler der Fallgruppe F. Während in den beiden kürzeren Abschnitten „§ 4 …“ (S. 157-163) und „§ 5 …“ (S. 164-178) keine Zitierfehler festgestellt worden sind, treten in dem die Arbeit abschließenden Abschnitt „§ 6 … (S. 179-180)“, in dem die vom Promovenden gefundenen Ergebnisse der Arbeit zu sammeln waren, wiederum zwei Zitierfehler auf. An beiden Textstellen fehlt es bereits an der Autorennennung, an einer der Textstelle zusätzlich an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme.

203

In qualitativer Hinsicht wiegt der Verstoß ferner deshalb besonders schwer, weil von den 44 festgestellten Zitierfehlern (und einem weiteren teilweisen Zitierfehler), 35 (und ein weiterer teilweise) der Fallgruppe F zuzuordnen sind. Obwohl an den betroffenen Textstellen über den gedanklichen Inhalt hinaus auch die Formulierung wörtlich der Quelle entnommen ist, fehlt es hier nicht nur an der gebotenen besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme, sondern bereits überhaupt an der Nennung des Autors. Der dem Kläger gemacht Vorwurf erschöpft sich mithin nicht darin und besteht auch nicht im Schwerpunkt darin, dass er nicht in hinreichendem Umfang Anführungszeichen gesetzt habe. Vielmehr liegt der Vorwurf darin begründet, dass es bereits an einer Nennung des Urhebers eines zu Unrecht als Eigenleistung dargestellten fremden gedanklichen Inhalts fehlt und zusätzlich dazu die Formulierungen wörtlich übernommen worden sind.

204

Für einen Täuschungsvorsatz spricht weiter, dass sich die Zitierfehler nicht auf den darstellenden Teil der Dissertation beschränken. Auch soweit die Dissertation Schlussfolgerungen enthält oder die Ergebnisse der Arbeit selbst präsentiert werden, sind Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen (s.o. bb. (28), (47), (55) und (57)). Dies wiegt besonders schwer, weil aus Sicht des Lesers der Wert der Dissertation als wissenschaftlicher Arbeit vor allem in den über das Repetitive hinausgehenden Transferleistungen besteht.

205

Hinzu kommt, dass der Verstoß gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit durch fehlerhafte Zitate jeweils mit bestimmten Indizien einer vorsätzlichen Täuschung einhergeht. Ein Täuschungsvorsatz lässt sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Münster anhand von vier alternativ zu erfüllenden Kriterien feststellen. Ist eines dieser Kriterien erfüllt, so kann darauf geschlossen werden, dass der Prüfling sich mit dem von ihm abgeschriebenen Text in einer Weise befasst hat, dass von einem bloß leichtfertigen Verstoß gegen das Redlichkeits- und Zitiergebot keine Rede sein kann (VG Münster, Urt. v. 20.2.2009, 10 K 1212/07, juris Rn. 27; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 23). Das erste Kriterium ist erfüllt, wenn der Prüfling eine Kollage aus Arbeiten fremder Autoren präsentiert. Das zweite Kriterium stellt auf marginale Manipulationen ausgehend vom ursprünglichen Text ab, denn (so VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 9; vgl. auch VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 15) die Vorgehensweise der Umstellungen und der Syntaxvariationen belegt eine gezielte Verschleierungsabsicht. Das dritte Kriterium zeigt ein Durchzitieren von Primärquellen ohne Nennung der Sekundärquelle, deren Rezeptionsleistung übernommen wurde, an. Das vierte Kriterium, das einen Täuschungsvorsatz indiziert, ist erfüllt, wenn der Prüfling die Quelle nicht an der in Rede stehenden Textstelle, sondern an anderer Stelle nennt, da dadurch für den Leser im Umkehrschluss der Eindruck bestärkt wird, der Prüfling habe an der erstgenannten Textstelle eine eigene Leistung erbracht.

206

An allen Textstellen, an denen Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen sind, ist zumindest das vierte Kriterium erfüllt, dass die Quelle an anderer Stelle benannt ist (s.o. bb. (1), (2), (5), (6), (8) bis (10), (12) bis (18), (20) bis (26), (28), (29) bis (33), (35) bis (39), (42), (44) bis (47), (49), (50), (52) bis (57)). In mindestens einem Fall ist daneben das erste Kriterium erfüllt, das eine kollageartige Zusammensetzung aus eigenen und fremden Gedanken anzeigt (s.o. bb. (16)). In neun Fällen ist auch das zweite Kriterium erfüllt, da gegenüber der Quelle eine marginale Veränderung, etwa in einzelnen Wörtern oder in den Satzübergängen vorgenommen worden ist (s.o. bb. (8), (12), (13), (16), (24), (30), (36), (38) und (45)). Das dritte Kriterium des Durchzitierens der Primärquelle unter Verschleierung der Rezeptionsleistung der Sekundärquelle ist in mindestens vier Fällen erfüllt (s.o. bb. (12), (20), (22) und (52)).

207

f. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 genügt auch den auf Rechtsfolgenseite der Befugnisnorm gestellten Anforderungen.

208

Dabei kann dahinstehen, ob § 48 Abs. 1 HmbVwVfG oder § 18 Abs. 2 PromO 2010 als Rechtsgrundlage herangezogen wird (s.o. c.). Ebenso kann dahinstehen, ob § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 zulasten des Prüflings eine gebundene Entscheidung für den Fall vorsieht, dass die Täuschung Leistungen in solchen Teilen der Promotion betrifft, die für die Bewertung der Dissertation oder Disputation oder die Gesamtnote einen wichtigen Stellenwert hatten und ob ein solcher Fall gegeben ist. Denn wenn keine gebundene Entscheidung vorläge, wäre die Ausübung des der Beklagten nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 bzw. nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG eingeräumten behördlichen Ermessens nach § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:

209

Ein der Ausübung von Ermessen etwaig vorgelagerter Fehler bei der Subsumtion unter den Tatbestand der Befugnisnorm kann keinen Ermessensfehler begründen (hierzu unter aa.). Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit § 40 HmbVwVfG Ermessen ausgeübt (hierzu unter bb.) und zwar entsprechend dem Zweck der Ermächtigung (hierzu unter cc.) und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (hierzu unter dd.).

210

aa. Kein Ermessensfehler folgt daraus, dass die Beklagte die vorsätzliche Täuschung im Promotionsverfahren aus von ihr angenommen Zitierfehlern an allen 57 in Anlage 1 und 2 zum Bescheid vom 25. Juni 2012 genannten Textstellen hergeleitet hat, aber nur an 44 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) das Gericht Zitierfehler festgestellt hat (dazu s.o. e. bb.). Zum einen hat die Beklagte im Ergebnis zutreffend den Tatbestand der eine Rücknahme nach Ermessen eröffnenden Normen für erfüllt angesehen: Die festgestellte Täuschung im Promotionsverfahren erfüllt den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 und die aus der Täuschung im Promotionsverfahren folgende Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist, erfüllt den Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG (s.o. e.). Zum anderen geht die Subsumtion unter den Tatbestand der ein Rücknahmeermessen eröffnenden Vorschrift der Ausübung von Ermessen voraus, so dass sich aus einer fehlerhaften Subsumtion kein Ermessensfehler herleiten kann. Die Abweichung der festgestellten Fehlerzahl ist nicht derart gravierend, dass die Ausübung von Ermessen zugunsten der Rücknahme dadurch in Frage gestellt würde. Denn es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Widerspruchsausschuss eine andere Ermessensentscheidung getroffen hätte, wenn er statt von 57 Zitierfehlern von 44 Verstößen gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit ausgegangen wäre.

211

bb. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet nicht an einem Ermessensausfall. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass ihr bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen Ermessen darüber zusteht, ob sie den Verwaltungsakt über die Verleihung des Doktorgrads zurücknimmt. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid das eröffnete Ermessen geprüft und ausgeführt, dass Ermessensfehler nicht erkennbar seien. Unschädlich ist dabei, dass die Beklagte statt der unanwendbaren bundesrechtlichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG nicht die in Betracht zu ziehende landesrechtliche Parallelvorschrift des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG sowie die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 genannt hat. Denn, wie bereits dargestellt, ist der Zweck des Ermessens, welches hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen Verleihungsakts eingeräumt ist, nach beiden in Betracht zu ziehenden Befugnisnormen derselbe wie nach § 48 Abs. 1 VwVfG (s.o. c. cc.).

212

Ferner steht die im Widerspruchsbescheid enthaltene Annahme, wegen der vorliegenden arglistigen Täuschung sei ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum zu Grunde zu legen, weil der Vertrauensschutz eingeschränkt sei, in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach ist die in § 48 Abs. 2 der parallelen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, die sich ihrem Wortlaut nach nur auf die dort genannten Geld- und Sachleistungsverwaltungsakte bezieht, im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 88 ff.). Auf den Bestand eines Verwaltungsaktes darf der Begünstigte gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG insbesondere dann nicht vertrauen, wenn er den Verwaltungsakt durch eine arglistige Täuschung erwirkt hat. Dies ist hier der Fall. Arglist setzt eine bewusste Täuschung voraus (BVerwG, Urt. v. 9.9.2003, 1 C 6/03, BVerwGE 119, 17, juris Rn. 15), wobei bedingter Vorsatz genügt (OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die Verleihung des Grads des Doktors der Rechtswissenschaft an den Kläger beruht auf der vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren (s.o. e.).

213

cc. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet ferner nicht an einem Ermessensfehlgebrauch. Die Beklagte hat das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung gemäß ausgeübt. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 30. April 2013 ihre eigene Ermessensbetätigung aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Recht darauf gestützt, dass die Entziehung des Doktorgrads den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs, der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt schütze und die Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem Titel ebenso sichere wie das Allgemeininteresse an Titelwahrheit, die Integrität des Promotionsverfahrens und die Chancengleichheit mit anderen Doktoranden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Widerspruchsausschuss bei der Entscheidung über die Rücknahme aus sachfremden Gründen, d.h. willkürlich vorgegangen wäre. Unerheblich für die Ermessensausübung durch den Widerspruchsausschuss ist, aus welchem Anlass der für die Ausgangsentscheidung zuständige Promotionsausschuss das Verfahren über die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads eingeleitet hatte.

214

dd. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet schließlich nicht an einer Ermessensüberschreitung. Die Beklagte hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten. Die besonderen Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG, unter denen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG ein begünstigender Verwaltungsakt nur zurückgenommen werden darf, stehen der Rücknahme des die Verleihung des Doktorgrads vornehmenden Verwaltungsakts nicht entgegen. Dies gilt sowohl für den einfachgesetzlichen Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 oder 3 HmbVwVfG (hierzu unter (1)) als auch für die Rücknahmefrist nach § 48 Abs. 4 HmbVwVG (hierzu unter ((2)). Die Rücknahme der Promotion ist nach Treu und Glauben auch nicht im Hinblick auf die Vorgänge im Habilitationsverfahren ausgeschlossen (hierzu unter (3)). Die Rücknahme steht ferner mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang (hierzu unter (4)).

215

(1) Der Rücknahme steht auf besonderer einfachgesetzlicher Grundlage kein Vertrauensschutz entgegen.

216

Auch ausgehend von einer Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG ist ein Bestandsschutz nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG bereits deshalb nicht zu prüfen, weil der Verwaltungsakt, mit dem der akademische Grad eines Doktors der Rechte verliehen worden ist, nicht – wie diese Vorschrift voraussetzt – eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist. Bei anderen Verwaltungsakten steht schutzwürdiges Vertrauen nicht nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG im Wege des Bestandschutzes einer Rücknahme entgegen, sondern löst lediglich nach § 48 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG im Wege des Vermögensschutzes eine Entschädigungspflicht aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2012, 5 C 17/11, BVerwGE 143, 161, juris Rn. 21).

217

Unabhängig davon war das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Verwaltungsakts über die Verleihung des Doktorgrads nach dem Maßstab des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG nicht schutzwürdig. Denn der Kläger hat diesen Verwaltungsakt durch die im Promotionsverfahren begangene arglistige Täuschung erwirkt (s.o. bb.).

218

(2) Der Rücknahme der am 28. Januar 1998 vollzogenen Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 steht die Rücknahmefristbestimmung des § 48 Abs. 4 HmbVwVfG nicht entgegen.

219

Die Bestimmung über die Rücknahmefrist findet nach § 18 Abs. 3 PromO 2010 auf eine Aberkennung und Entziehung der Verleihung des Doktorgrads aufgrund § 18 Abs. 2 PromO 2010 bzw. nach § 1 Abs. 1 HmbVwVfG auf eine Rücknahme aufgrund § 48 Abs. 1 HmbVwVfG Anwendung.

220

Jedoch galt die Rücknahmefrist in Anwendung des § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG vorliegend nicht. Nach dieser Vorschrift gilt die Fristbestimmung des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG insbesondere nicht im Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG, d.h. für die Rücknahme eines durch arglistige Täuschung erwirkten Verwaltungsakts. Dieser Anwendungsausschluss gilt nicht nur für Verwaltungsakte nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG, sondern auch für solche nach § 48 Abs. 3 HmbVwVfG (zu den Parallelvorschriften des Bundes und der Länder: BVerwG, Urt. v. 12.4.2005, 1 C 9/04, BVerwGE 123, 190, juris Rn. 32; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 209 m.w.N.). Dies betrifft insbesondere die Entziehung des Doktorgrads wegen arglistiger Täuschung (zur hessischen Parallelvorschrift: VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 20). Wie bereits dargestellt, ist eine arglistige Täuschung gegeben, da die Verleihung des Doktorgrads auf der vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren beruht (s.o. bb.).

221

Unabhängig davon wäre die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG, ihre Geltung unterstellt, beachtet. Nach dieser Vorschrift ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen. Der Fristlauf beginnt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, erst dann, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen, erhalten hat. Danach erlangt die Behörde positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt; die Feststellung ist getroffen, sobald diese Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind (BVerwG, Beschl. v. 19.1.1984, GrSen 1/84, GrSen 2GrSen 2/84, BVerwGE 70, 356, juris Rn. 22). Zur Herstellung der Entscheidungsreife gehört auch die Anhörung des Betroffenen, vor deren Durchführung die Jahresfrist nicht beginnt (BVerwG, Beschl. v. 4.12.2008, 2 B 60/08, juris Rn. 7). Ausgehend von einer Anhörung des Klägers im Januar 2012 erfolgte die am 28. Juni 2012 zugestellte und nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 5 HmbVwVfG gegenüber dem Kläger wirksam gewordene Rücknahme jedenfalls rechtzeitig.

222

(3) Auch unter Berücksichtigung der Vorgänge im Habilitationsverfahren ist die Rücknahme der Promotion nicht nach dem im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Die Rücknahme ist weder durch einen Vergleichsvertrag (hierzu unter (a)) noch durch eine Zusicherung (hierzu unter (b)) ausgeschlossen noch steht der Rücknahme das Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen (hierzu unter (c)).

223

(a) Die im Zusammenhang mit der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 gefundene „Rettungslösung“ ist kein verbindlicher Vergleichsvertrag des Inhalts, Plagiatsvorwürfe hinsichtlich der Dissertation nicht weiter zu verfolgen. Dabei kann in tatsächlicher Hinsicht der Vortrag des Klägers zu den Inhalten der vor der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 zwischen dessen Vorsitzenden Prodekan Prof. Dr. D. und dem klägerischen Bevollmächtigten Rechtsanwalt H. durchgeführten Unterredung zugrunde gelegt werden (vgl. klägerischer Schriftsatz v. 20.4.2016, Bl. 141 ff. d.A.). Der Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs ergibt sich danach aus den detaillierten Aufzeichnungen und diktierten Protokollen des Rechtsanwalts H.. In rechtlicher Hinsicht trägt die vom Kläger vorgenommene Bewertung der im Habilitationsverfahren gefundenen „Rettungslösung“ jedoch nicht. Im Einzelnen:

224

Fraglich ist bereits, ob im Zusammenhang mit der „Rettungslösung“ ein (öffentlich-rechtlicher Vergleichs-)Vertrag als ein mehrseitiges, durch übereinstimmende Willenserklärungen gemäß § 62 Satz 2 HmbVwVfG i.V.m. §§ 145 ff. BGB konstituiertes Rechtsgeschäft geschlossen worden ist. Als „Rettungslösung“ bezeichnet hat der Habilitationsausschuss in seiner Sitzung vom 8. Juni 2011 den von ihm in seiner Sitzung am 27. Mai 2009 gefassten Beschluss. Ein Beschluss des Habilitationsausschusses ist als einseitiger Innenrechtsakt keine gegenüber einem anderen Rechtsträger abgegebene Willenserklärung mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses. Allenfalls könnte im Umfeld der Beschlussfassung vom 27. Mai 2009 zwischen dem durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Kläger und dem für die Beklagte handelnden Vorsitzenden des Habilitationsausschusses ein Vertrag geschlossen worden sein, etwa auch in dem durchgeführten Vier-Augen-Gespräch.

225

Einen Vertragsschluss unterstellt, hätte dieser jedenfalls nicht den Verzicht auf eine Rücknahme der Promotion zum Inhalt gehabt. Die Annahme einer Regelung mit „Generalquittungscharakter“ trägt dabei bereits deshalb nicht, weil eine Generalquittung auf den Erlass, den Verzicht oder ein negatives Schuldanerkenntnis in Bezug auf wechselseitige Ansprüche abzielt (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.1999, XII ZR 208/96, juris Rn. 17). Dies kam in der Situation vom 27. Mai 2009 insbesondere aus Sicht des Klägers nicht in Betracht. Denn der Kläger wollte ersichtlich nicht auf seinen Prüfungsanspruch auf Durchführung des noch nicht abgeschlossenen Habilitationsverfahrens verzichten. Die etwaig zum Inhalt eines Vertrags gemachte „Rettungslösung“ zielte allein auf die Behebung des sich am 27. Mai 2009 dem Habilitationsausschuss und dem Kläger als Habilitanden stellenden Problems ab. Dieses Problem bestand darin, dass der Zweitgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 19. Juni 2008 Zitiermängel insoweit festgestellt hatte, dass in der Habilitationsschrift Übernahmen aus der Dissertation nicht hinreichend ausgewiesen waren. Der Habilitationsausschuss selbst hatte die Habilitationsschrift am 14. Januar 2009 für unzureichend erachtet, womit aber noch kein Abschluss des Habilitationsverfahrens zum Nachteil des Klägers verbunden war. Die am 27. Mai 2009 für das Problem der bislang unzureichenden Habilitationsschrift gefundene Lösung zielte – in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag – darauf ab, „dass [der Kläger] die Arbeit umarbeiten“ solle, da bei „der Durchsicht der Arbeit [des Klägers] aufgefallen sei, dass Passagen aus Aufsätzen übernommen worden seien, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei“. Der Habilitationsausschuss behielt sich „eine Neubewertung des überarbeiteten Teils der Arbeit vor“. Mit der „Arbeit“ stand allein die Habilitationsschrift in Rede, auf deren Erörterung vor dem Habilitationsausschuss am 27. Mai 2009 einvernehmlich vorerst verzichtet wurde. In Ausführung dieser Lösung begleiteten Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. die Umarbeitung der Habilitationsschrift durch den Kläger, die schließlich zu positiven Voten der Gutachter im Habilitationsverfahren vom 25. März 2010 sowie 21. April 2010 führte. Zum Zeitpunkt der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 standen lediglich Zitiermängel der Habilitationsschrift in Bezug auf eine richtige Zitation der Dissertation fest. Demgegenüber bestand aus Sicht des Habilitationsausschusses kein Anlass dazu, über einen Verzicht auf ein Promotionsentziehungsverfahren zu verhandeln.

226

Aus dem substantiierten Vortrag des Klägers zum Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs zwischen Prof. Dr. D. und Rechtsanwalt H. ergibt sich bereits nicht, dass auch über gegen die Dissertation erhobene Plagiatsvorwürfe gesprochen worden wäre. Selbst dann, wenn bereits am 27. Mai 2009 im Habilitationsausschuss Bedenken nicht nur gegen die Habilitationsschrift sondern auch gegen die Dissertation erhoben worden sein sollten, standen zu diesem Zeitpunkt noch keine Zitiermängel der Dissertation fest. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Habilitationsausschuss sich am 27. Mai 2009 des Problems bewusst war, dass der Kläger im Promotionsverfahren dadurch vorsätzlich getäuscht hatte, dass in der vorgelegten Dissertation an mindestens 44 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) fremde Leistungen zu Unrecht als eigene Leistungen präsentiert wurden (dazu s.o. e.). Soweit Rechtsanwalt H. die Ergebnisse des Vier-Augen-Gesprächs so verstanden hat, „dass vom Kläger erwartet werde, dass er nicht weiter vermeintliche formelle Mängel der Universität geltend mache und sich der neuen Situation widme“ und „[u]mgekehrt […] auch die Universität dem Kläger keine weiteren Steine in den Weg legen“ würde, bestand für diese Einschätzung nur Anlass angesichts des am 27. Mai 2009 ausdrücklich erörterten Problems der bislang unzureichenden Habilitationsschrift. Denn insbesondere der Fortbestand der Promotion war ausweislich der Aufzeichnung von Rechtsanwalt H. und dem Sitzungsprotokoll des Habilitationsausschusses kein Regelungsgegenstand der im Habilitationsverfahren gefundenen „Rettungslösung“.

227

Entgegen der Annahme des Klägers schloss die Einräumung einer Gelegenheit zur Überarbeitung und Verbesserung der Habilitationsschrift auch nicht „begriffsnotwendig“ ein, die Voraussetzungen zur Fertigung einer Habilitation als gegeben zu akzeptieren. Der Fortbestand der Promotion als Zulassungsvoraussetzung zur Habilitation bildete als Vorfrage die Geschäftsgrundlage eines Fortschreitens im Habilitationsverfahren. Doch gehört die Geschäftsgrundlage nicht zum Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, sondern geht ihm voraus. Die Geschäftsgrundlage wird aus den für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebenden Verhältnissen i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG gebildet.

228

Unabhängig davon wäre eine ohne die Mitwirkung des Promotionsausschusses als fakultätsintern zur Entscheidung zuständigem Gremium geschlossene Vereinbarung, die Rücknahme der Promotion zu unterlassen, nach § 59 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG wegen eines schweren und offensichtlichen Mangels nichtig. Der Habilitationsausschuss oder sein Vorsitzender konnten nicht wirksam auf eine Rücknahme der Promotion verzichten, da die Entscheidung über die Rücknahme dem Promotionsausschuss oblag (dazu s.o. d. bb. (1)).

229

Schließlich wäre ein über den Verzicht auf die Rücknahme der Promotion geschlossener Vertrag mangels Wahrung der durch § 57 HmbVwVfG vorgeschriebenen Schriftform nach § 125 BGB i.V.m. § 59 Abs. 1 HmbVwVfG nichtig.

230

(b) Desgleichen fehlt es an einer nach § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG wirksamen Zusicherung, einen Verwaltungsakt über die Rücknahme der Promotion nicht zu erlassen.

231

Ein Unterlassen der Rücknahme der Promotion war ebenso wenig Regelungsgegenstand einer einseitig gegebenen Zusicherung wie es zum Regelungsgegenstand eines Vertrags zwischen den Beteiligten gemacht worden ist. Der Habilitationsausschuss hat im Zuge der „Rettungslösung“ keine Regelung über den Fortbestand der Promotion getroffen, sondern den Fortbestand der Promotion als von ihm nicht zu regelnde Geschäftsgrundlage vorausgesetzt (s.o. (a)).

232

Unabhängig davon wäre eine ohne die Mitwirkung des Promotionsausschusses als fakultätsintern zur Entscheidung zuständigem Gremium ausgesprochene Zusicherung, die Promotion nicht zurückzunehmen, nach § 38 Abs. 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG wegen eines schweren und offensichtlichen Mangels nichtig.

233

Zudem wäre eine Zusicherung mangels Wahrung der vorgeschriebenen Schriftform nach § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG unwirksam.

234

(c) Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads steht – unter Berücksichtigung der Vorgänge im Habilitationsverfahren sowie aller anderen Umstände des Einzelfalls – auch mit dem aus Treu und Glauben herzuleitenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Einklang. Die Befugnis zur Rücknahme ist nicht verwirkt.

235

Die behördliche Befugnis zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes ist dann verwirkt, wenn Umstände eintreten, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, 7 C 42/98, BVerwGE 110, 226, juris Rn. 27).

236

Der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand ist mit der im Habilitationsverfahren am 27. Mai 2009 gefundenen „Rettungslösung“ bereits deshalb nicht gesetzt worden, weil die diesbezüglichen Verhandlungen des Klägers mit dem Habilitationsausschuss lediglich ein Voranschreiten im Habilitationsverfahren zum Regelungsgegenstand hatten, nicht aber eine vom Promotionsausschuss zu treffende Entscheidung, ob die Promotion zurückzunehmen war (s.o. (a)). Mangels Vertrauenstatbestands kann in der in Absprache mit dem Habilitationsausschuss durchgeführten Überarbeitung der Habilitationsschrift keine Betätigung des Vertrauens in den Fortbestand der Promotion gesehen werden.

237

Unabhängig davon haben der Habilitationsausschuss oder sein Vorsitzender einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Fortbestands der Promotion auch deshalb nicht gesetzt, weil sie für eine Entscheidung über die Rücknahme der Promotion nicht zuständig waren. Die rechtlichen Hindernisse, die einem wirksamen Vergleichsvertrag und einer wirksamen Zusicherung entgegenstehen, dürfen nicht unter Rückgriff auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umgangen werden. Die Bindung an geschlossene Verträge und gegebene Zusicherungen nach §§ 54 ff., 38 HmbVwVfG ist ein bereichsspezifisch vom Gesetzgeber konkretisierter Ausdruck des Gebots widerspruchsfreien Verhaltens. Hält sich die Behörde nicht an einen nach der Bewertung des Gesetzgebers unwirksamen Vertrag oder nicht an eine nach der Bewertung des Gesetzgebers unwirksame Zusicherung, so verstößt sie grundsätzlich nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Eine sachlich nicht zuständige Stelle kann nur dann den für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzten Vertrauensstand schaffen, wenn der Betroffene berechtigterweise den Schluss ziehen kann, der handelnden Stelle stehe die Rücknahmebefugnis zu und sie wolle diese nicht ausüben (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, 7 C 42/98, BVerwGE 100, 226, juris Rn. 28; vgl. Urt. v. 12.3.2015, 3 C 6/14, juris Rn. 18).

238

Dem Habilitationsausschuss stand es nicht zu, über die Frage der Rücknahme der Promotion durch Rechtsakt (Vergleichsvertrag oder Zusicherung) zu verfügen (dazu s.o. (a) und (b)). Deshalb kann das Verhalten des Habilitationsausschusses grundsätzlich auch nicht einer späteren Rücknahmeentscheidung des Promotionsausschusses entgegengehalten werden. Der vorbezeichnete Ausnahmefall, in dem eine unzuständige Stelle einen Vertrauenstatbestand setzen kann, ist nach den vorliegenden Umständen nicht gegeben. Die „Rettungslösung“ ist im Habilitationsverfahren am 27. Mai 2009 unter Beteiligung des durch seinen Vorsitzenden geleiteten Habilitationsausschuss einerseits und des durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Klägers als Habilitanden andererseits gefunden worden. Objektiv bestand kein Zweifel daran, dass Prof. Dr. D. in seiner ihm in Vertretung des Dekans zukommenden Funktion als Vorsitzender des Habilitationsausschusses handelte und dass der Habilitationsausschuss nicht für Promotionsangelegenheiten zuständig ist und nicht zuständig war. Subjektiv standen für den Kläger keine Hindernisse entgegen, um die unterschiedlichen Gremienzuständigkeiten zu erkennen. Der Kläger ist selbst Jurist. Er hatte 1998 das Promotionsverfahren durchlaufen, 2000 die Befähigung zum Richteramt erworben, war seitdem als Rechtsanwalt tätig und erstrebte seit 2007 die rechtswissenschaftliche Habilitation.

239

Zudem spricht viel dafür, dass ein Vertrauenstatbestand mit der „Rettungslösung“ deshalb nicht verbunden ist, weil nicht verschriftlicht ist, die Promotion nicht zurückzunehmen. Das für die Wirksamkeit eines Rechtsakts (Vergleichsvertrag oder Zusicherung) geltende gesetzliche Schriftformerfordernis (dazu s.o. (a) und (b)) darf grundsätzlich nicht durch einen Rückgriff auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umgangen werden.

240

Ferner ergibt sich der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand auch nicht aus einem Mitverschulden der Beklagten. Der vom Kläger gegen die Rücknahme erhobene Einwand, die Beklagte treffe wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung und es stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn nach 14 Jahren die Zitierweise in der Dissertation beanstandet werde, dringt nicht durch. Unerheblich ist, dass die Gutachter eine Täuschung nicht bemerkt haben, auch wenn sie möglicherweise nachlässig gehandelt haben (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 196, vgl. VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28). Die Prüfer sind nicht gehalten, die Dissertation bei Abgabe anlasslos auf Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit zu kontrollieren (VG Düsseldorf, Urt. v. 4.3.2013, a.a.O., Rn. 198). Die Verantwortung des Klägers für sein vorsätzliches Handeln wäre durch eine etwaige Fahrlässigkeit auf Seiten der von der Beklagten bestellten Prüfer nicht in Frage gestellt.

241

Schließlich folgt der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand nicht aus dem Zeitablauf seit der Verleihung des Doktorgrads. Ein bloßer längerer Zeitablauf seit Verleihung des akademischen Grads, etwa auch von 30 Jahren (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 177), schließt deren Rücknahme nicht aus. Über die Jahresfrist hinaus – die hier einer Rücknahme nicht entgegensteht (s.o. (2)) – gilt nach der Entscheidung des Normgebers für die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads keine absolute Grenze (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 213 f. m.w.N.). Mangels gesetzlicher Anordnung besteht insbesondere keine Höchstfrist wie nach § 45 Abs. 3 SGB X. Eine zwingend zu beachtende Entziehungsfrist ist nicht verfassungsrechtlich geboten (OVG Münster, Beschl. v. 24.3.2015, 19 A 1111/12, juris Rn. 29 ff.; Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 95 ff.).

242

(4) Die Rücknahme genügt hinsichtlich des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und in seine Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads ist zu einem legitimen Zweck geeignet und erforderlich (hierzu unter (a)) sowie im Verhältnis zu dem Eingriff auch angemessen (hierzu unter (b)).

243

(a) Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads dient den legitimen Zwecken, das Ansehen der betroffenen Hochschule und das Ansehen der Rechtswissenschaft zu bewahren (s.o. cc.). Sie ist zu diesen Zwecken geeignet und auch erforderlich. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel stand nicht zu Gebote. Eine Notenherabsetzung oder eine Nachbesserung kamen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht, da sie auch bei einer früheren Entdeckung in der Promotionsordnung nicht vorgesehen gewesen wären. Da von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit auszugehen ist (s.o. e. dd.), bleibt ohne Bedeutung, ob für eine andere Arbeit, als die tatsächlich vorgelegte Dissertation der Doktorgrad ggf. mit einer schlechteren Note verliehen hätte werden können. Entgegen der Annahme des Klägers können die Mängel der vorgelegten Dissertation nicht im Rahmen einer Neueinreichung oder einer Sammeldissertation geheilt werden, da diese nicht Gegenstand des abgeschlossenen Promotionsverfahrens gewesen sind.

244

(b) Die Rücknahme ist im Verhältnis zum Eingriff in Rechte und Interessen des Klägers auch angemessen. Im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens ist das öffentliche Interesse an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes mit dem Interesse des Betroffenen an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes abzuwägen; das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Grundsatz der Rechtssicherheit sind dabei grundsätzlich gleichwertig, sofern dem anzuwendenden Fachrecht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist (BVerwG, Urt. v. 24.5.2012, 5 C 17/11, BVerwGE 143, juris Rn. 27). Danach durfte vorliegend die Beklagte dem öffentlichen Interesse den Vorrang vor dem Interesse des Klägers am Fortbestand der Promotion einräumen, die durch vorsätzliche Täuschung erwirkt hatte. Im Einzelnen:

245

In die Abwägung sind die bei der Entziehung eines Doktorgrades für den Betroffenen verbundenen beruflichen Erschwernisse einzustellen, die als vorhersehbare und in Kauf genommene Nebenfolgen den Schutzbereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit berühren. Die Entziehung des Doktorgrads lässt die mehrjährige Arbeit an der Dissertation hinfällig werden und kann zu beruflichen Erschwernissen führen. Diese Beeinträchtigungen mögen im Fall des Klägers ihre konkrete Ausprägung in den vom Kläger aufgezeigten Folgen für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Geschäftsführer einer Interessenvereinigung mit sich bringen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass mit der Aberkennung des Doktorgrads eine zwingende Zulassungsvoraussetzung zu der angestrebten Habilitation entfällt. Diese Folge ist aber ohne weiteres hinzunehmen, da eine unter Verstoß gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit erschlichene Promotion keine schutzwürdige Grundlage einer weiteren wissenschaftlichen Laufbahn bildet.

246

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus den entstandenen Indiskretionen und aus der von ihm geltend gemachten „öffentlichen Vorverurteilung“ nicht herleiten, dass die Entziehung des Doktorgrads unzulässig wäre. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte die Rücknahme der Promotion unterließe, denn eine Rechtsverletzung durch in der Vergangenheit aufgetretene Indiskretionen könnte dadurch nicht rückgängig gemacht werden, dass die durch vorsätzliche Täuschung erwirkte Promotion unangetastet bliebe.

247

Rechtlich nicht erheblich für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist eine zwischenzeitlich aufgetretene und der Beklagten erst nach der letzten Behördenentscheidung bekannt gewordene Erkrankung des Klägers.

248

Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der durch arglistige Täuschung erwirkten Promotion muss gegenüber dem privaten Interesse des Klägers an deren Fortbestand nicht zurückstehen. Die Rücknahme dient dazu, das Ansehen der Hochschule und der Rechtswissenschaft zu sichern. Die wissenschaftliche Redlichkeit ist ein zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 167 f. im Anlehnung an BVerwG, Urt. v. 31.7.2013, 6 C 9/12, BVerwGE 147, 292, Rn. 31). Die Rücknahme eines § 48 Abs. 3 HmbVwVfG unterfallenden Verwaltungsaktes kann zwar ausnahmsweise unzulässig sein, wenn dem Betroffenen durch die Rücknahme ein immaterieller, nicht durch eine materielle Entschädigung auszugleichender Schaden entsteht (Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 181 ff.). Doch ist die § 48 Abs. 2 der parallelen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 88 ff.). Es ist nicht zu beanstanden, dass eine Universität vorsätzliche Täuschungen im Promotionsverfahren konsequent unterbindet und dem wissenschaftlichen Ruf sowie dem Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt den Vorrang vor negativen Folgen für den Promovenden einräumt (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285 Rn. 10).

249

2. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt unter Ziffer 2 des Bescheidtenors anficht, ist die Klage demgegenüber nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Denn in diesem Umfang ist der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 objektiv rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiven Rechten.

250

Dabei kann dahinstehen, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Urkunden maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen ist. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Befugnisnorm § 52 Satz 1 HmbVwVfG (i.V.m. § 18 Abs. 3 PromO 2010) waren zu keinem Zeitpunkt gegeben. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, dann zurückfordern, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Der Verwaltungsakt, mit dem unter dem 28. Januar 1998 dem Kläger der Doktorgrad verliehen worden ist, war und ist noch nicht unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen. Auch ist dieser Verwaltungsakt deshalb noch als wirksam zu behandeln, weil die gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG zur Beendigung der Wirksamkeit führende Rücknahme mit aufschiebender Wirkung angefochten ist. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Umfang von Ziffer 1 des Bescheidtenors endet gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO erst mit der Unanfechtbarkeit oder drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des Rechtsmittels gegen die insoweit klageabweisende gerichtliche Entscheidung.

II.

251

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Gegenüber dem Teilobsiegen der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme der Promotion (dazu s.o. I. 1.) tritt ausgehend vom vorrangigen Interesse des Klägers an dem Erhalt des ihm verliehenen akademischen Grads das Teilobsiegen des Klägers hinsichtlich der Rückforderung der Promotionsurkunde (dazu s.o. I. 2.) als unbedeutend und nicht streitwerterhöhend zurück. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder ist seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben, so kann die Behörde die auf Grund dieses Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern. Der Inhaber und, sofern er nicht der Besitzer ist, auch der Besitzer dieser Urkunden oder Sachen sind zu ihrer Herausgabe verpflichtet. Der Inhaber oder der Besitzer kann jedoch verlangen, dass ihm die Urkunden oder Sachen wieder ausgehändigt werden, nachdem sie von der Behörde als ungültig gekennzeichnet sind; dies gilt nicht bei Sachen, bei denen eine solche Kennzeichnung nicht oder nicht mit der erforderlichen Offensichtlichkeit oder Dauerhaftigkeit möglich ist.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2015 insoweit, als darin der Klage stattgegeben wird und soweit es die Rücknahme erfolgter „Bewilligungen“ betrifft, geändert.

Die Klage wird insoweit, als sich der Kläger gegen die Rücknahme erfolgter „Bewilligungen“ in dem Bescheid vom 11. Januar 2008 und dem Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 wendet, abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens, soweit dieses die Rücknahme erfolgter „Bewilligungen“ betrifft.

Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung von Leistungsbewilligungen.

2

Der Kläger ist examinierter Altenpfleger. Er war in der Vergangenheit – bis Juli 2007 – Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Hamburg. Nachdem er bis Juli 2002 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hatte, war er in der Folgezeit – vom 2. Juli 2002 bis zum 23. November 2003 – krankgeschrieben und bezog Krankengeld.

3

Der Kläger nahm als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr im Mai 2003 – während des Bezugs von Krankengeld – an einem viertägigen Lehrgang teil. Am 16. Mai 2003 beantragte er die Gewährung eines pauschalen Anerkennungsbetrages gemäß § 14 Abs. 4 FeuerwG in Höhe von insgesamt 920,-- Euro (4 Tage á 230,-- Euro [Tageshöchstbetrag gemäß § 35 FeuerwV]) und gab dabei an, beruflich selbständig zu sein und regelmäßige Arbeitszeiten montags bis freitags jeweils von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr und samstags und sonntags jeweils von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr zu haben. Die Beklagte zahlte an den Kläger den pauschalen Anerkennungsbetrag wie beantragt aus. Ein schriftlicher Bewilligungsbescheid erging nicht.

4

Im September 2003 – ebenfalls noch während des Bezugs von Krankengeld – nahm der Kläger an einem Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr teil und beantragte in der Folge hierfür die Gewährung eines pauschalen Anerkennungsbetrages in Höhe von 230,-- Euro. Auch hierbei gab er an, beruflich selbständig zu sein und regelmäßige Arbeitszeiten von 8.15 Uhr bis 16.00 Uhr zu haben. Die Beklagte zahlte an den Kläger den pauschalen Anerkennungsbetrag wie beantragt aus. Ein schriftlicher Bewilligungsbescheid erging nicht.

5

Im November 2003 unterzeichnete der Kläger einen Arbeitsvertrag mit einem Intensiv-Pflegedienst, in dem er sich verpflichtete, dort ab dem 1. Januar 2004 in Vollzeit (40 Stunden an sechs Tagen) zu arbeiten. Der Arbeitsbeginn wurde später einvernehmlich auf den 12. Januar 2004 verschoben.

6

Vom 9. Dezember 2003 bis 11. Januar 2004 war der Kläger arbeitslos gemeldet. Er bezog in dieser Zeit Arbeitslosengeld.

7

Nachdem der Kläger am 12. Januar 2004 seine neue Stelle angetreten hatte, wurde ihm bereits am 13. Januar 2004 mit sofortiger Wirkung gekündigt und er wurde bis zum 31. Januar 2004 von der Arbeit freigestellt. In dieser Zeit erhielt der Kläger den vereinbarten Lohn und er war krankenversichert.

8

Am 17. Januar 2004 erlitt der Kläger im Rahmen eines Einsatzes der Freiwilligen Feuerwehr eine Verletzung des Sprunggelenks. In der hierzu gefertigten Unfallanzeige vom 19. Januar 2004 ist als Beruf des Klägers „selbständig“ angegeben.

9

Erstmals unter dem 4. Februar 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten wegen des Unfalls vom 17. Januar 2004 die Gewährung eines pauschalen Anerkennungsbetrages wegen Verdienstausfalls in der Zeit vom 18. Januar 2004 bis zum 13. Februar 2004. In dem Antragsformular bezeichnete er sich als „beruflich Selbständiger“ und gab 22 (fiktive) Arbeitstage sowie seine tägliche regelmäßige Arbeitszeit mit „20.00 bis 6.00 Uhr“ an. Dem Antrag legte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 19. Januar 2004 bis zum 13. Februar 2004 bei. Die Beklagte zahlte an den Kläger auf der Grundlage einer entsprechenden internen Auszahlungsanordnung den pauschalen Anerkennungsbetrag wie beantragt und unter Zugrundelegung des Tageshöchstbetrags in Höhe von insgesamt 5.060,-- Euro (22 x 230,-- Euro) aus. Dabei gingen die Sachbearbeiter bei der Beklagten davon aus, dass ein pauschaler Anerkennungsbetrag auch für Zeiten dienstunfallbedingter Arbeitsunfähigkeit gezahlt werden könne. Ein schriftlicher Bewilligungsbescheid erging nicht.

10

In der Folgezeit beantragte der Kläger bei der Beklagten wiederholt die Gewährung eines pauschalen Anerkennungsbetrages, legte jeweils Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor und ging im Übrigen wie bei seinem Antrag vom 4. Februar 2004 vor. Die Beklagte erließ keine schriftlichen Bewilligungsbescheide, sondern zahlte an den Kläger auf der Grundlage entsprechender interner Auszahlungsanordnungen insgesamt 113.984,-- Euro wie folgt aus:

11


lfd. Nr.


Antrag


Zeitraum


Auszahlung-AO


Betrag (Euro)

1       

4.2.2004

18.1.2004 – 13.2.2004

5.2.2004

5.060,--

2       

4.3.2004

13.2.2004 – 5.3.2004

10.3.2004

4.140,--

3       

3.4.2004

19.3.2004 – 26.3.2004

27.4.2004

1.610,--

4       

23.4.2004

6.3.2014 – 18.3.2004

1.6.2004

2.070,--

5       

23.4.2004

27.3.2004 – 30.3.2004

1.6.2004

920,--

6       

23.4.2004

1.4.2004 – 30.4.2004

1.6.2004

5.060,--

7       

21.5.2004

1.5.2004 – 25.5.2004

1.6.2004

5.060,--

8       

24.6.2004

1.6.2004 – 26.6.2004

29.6.2004

5.060,--

9       

26.6.2004

28.6.2004 – 16.7.2004

29.6.2004

4.140,--

10    

20.7.2004

16.7.2004 – 20.8.2004

26.7.2004

6.440,--

11    

20.8.2004

20.8.2004 – 29.8.2004

25.8.2004

2.070,--

12    

30.8.2004

30.8.2004 – 30.9.2004

30.9.2004

5.750,--

13    

5.10.2004

1.10.2004 – 19.10.2004

3.11.2004

3.680,--

14    

19.10.2004

19.10.2004 – 1.11.2004

3.11.2004

2.760,--

15    

2.11.2004

1.11.2004 – 26.11.2004

29.11.2004

5.520,--

16    

7.12.2004

    27.11.2004 – 14.12.2004

22.12.2004

3.450,--

17    

14.12.2004

15.12.2004 – 5.1.2005

22.12.2004

3.680,--

18    

17.1.2005

6.1.2005 – 20.1.2005

3.2.2005

2.806,--

19    

3.2.2005

21.1.2005 – 16.2.2005

22.2.2005

4.994,--

20    

23.2.2005

16.2.2005 – 7.3.2005

23.3.2005

3.458,--

21    

9.3.2005

8.3.2005 – 22.3.2005

23.3.2005

2.842,--

22    

23.3.2005

22.3.2005 – 4.4.2005

27.4.2005

2.226,--

23    

28.4.2005

4.4.2005 – 29.4.2005

3.5.2005

4.838,--

24    

28.4.2005

29.4.2005 – 4.5.2005

3.5.2005

846,--

25    

4.5.2005

4.5.2005 – 19.5.2005

6.6.2005

2.382,--

26    

19.5.2005

20.5.2005 – 27.5.2005

6.6.2005

1.536,--

27    

11.6.2005

28.5.2005 – 6.7.2005

25.7.2005

7.220,--

28    

14.7.2005

7.7.2005 – 31.8.2005

2.9.2005

10.448,--

29    

7.9.2005

1.9.2005 – 21.9.2005

8.12.2005

3.918,--

12

Parallel zu der Gewährung pauschaler Anerkennungsbeträge bezog der Kläger bei der Hanseatischen Feuerwehr-Unfallkasse wegen des am 17. Januar 2004 erlittenen Unfalls im Zeitraum vom 19. Januar 2004 bis zum 17. Mai 2005 Verletztengeld in Höhe von insgesamt 43.309,-- Euro zzgl. Mehrleistungen. Auch hier hatte er bei der Antragstellung angegeben, beruflich selbständig zu sein. Ferner beantragte der Kläger im März 2004 – obwohl er fortlaufend krankgeschrieben war – bei der Bundesagentur für Arbeit einen monatlichen Existenzgründungszuschuss, der ihm für zwölf Monate in Höhe von monatlich 600,-- Euro (insgesamt 7.200,-- Euro) gewährt wurde. Zuvor hatte er im Februar 2004 ein Gewerbe angemeldet, das im Dezember 2004 wieder abgemeldet wurde.

13

Im Juni 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung eines pauschalen Anerkennungsbetrages wegen des Unfalls vom 17. Januar 2004, weil er in der Zeit vom 14. Mai 2007 bis zum 30. Juni 2007 krankgeschrieben war. Dieser Antrag veranlasste die Beklagte zu einer Überprüfung der Angelegenheit.

14

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung eines weiteren pauschalen Anerkennungsbetrages ab: Die Leistung nach § 14 Abs. 4 FeuerwG werde nur an beruflich Selbständige geleistet. Der Kläger sei aber im Zeitpunkt seines Unfalls nicht selbständig gewesen. Im Übrigen werde nach § 14 Abs. 4 FeuerwG kein unfallbedingter Verdienstausfall gewährt. Derartige Leistungen würden von der Unfallversicherung gewährt. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

15

Auf die Mitteilung der Beklagten, dass beabsichtigt sei, die in der Vergangenheit erfolgten Bewilligungen aufzuheben, machte der Kläger geltend, er habe zum 5. Januar 2004 seine Stelle auf 50 % reduziert und habe sich ab dem 13. Januar 2004 vollständig auf seine Selbständigkeit konzentriert.

16

Mit Bescheid vom 11. Januar 2008 hob die Beklagte alle bislang ergangenen „Bescheide“ über die Gewährung eines pauschalen Anerkennungsbetrages auf und forderte ihn zur Rückzahlung von insgesamt 115.134,-- Euro bis zum 8. Februar 2008 zzgl. (Verzugs-) Zinsen in Höhe des Basiszinssatzes ab dem 8. Februar 2008 für den Fall nicht rechtzeitiger Zahlung auf. Als Daten der „Bescheide“ gab sie für solche Auszahlungen, die nach dem Unfall des Klägers erfolgt waren, da jeweilige Datum der Auszahlungsanordnung an. Für die aufgrund der Einsätze im Mai 2003 und im September 2003 erfolgten Auszahlungen gab die Beklagte als Daten der „Bescheide“ das Datum der jeweiligen Antragstellung des Klägers an. Zur Begründung der Aufhebung und der Rückforderung verwies die Beklagte auf § 48 Abs. 2 HmbVwVfG und darauf, dass der Kläger wahrheitswidrig angegeben habe, beruflich selbständig zu sein. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 23. Oktober 2007 zurück.

18

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 11. Januar 2008 zurück: Die Aufhebung der Bewilligungen beruhe auf § 48 Abs. 1 und 2 HmbVwVfG. Mangels Selbständigkeit habe der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen nach § 14 Abs. 4 FeuerwG gehabt. Im Mai 2003 bzw. im September 2003 sei er abhängig beschäftigt gewesen bzw. arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Zur Zeit des Dienstunfalls im Januar 2004 sei er abhängig beschäftigt gewesen. Seine anderslautenden Beteuerungen seien nicht glaubhaft. Für die ab Februar 2004 gewährten Leistungen komme hinzu, dass die Leistung nach § 14 Abs. 4 FeuerwG keine krankheitsbedingten Ausfallzeiten erfasse. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheide aus. Auf Vertrauen könne sich der Kläger wegen § 49 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 2 VwVfG nicht berufen. Die fehlerhafte rechtliche Bewertung durch die Beklagte trete hinter der vorsätzlichen Täuschung durch den Kläger zurück. Die Rückforderung zu viel gezahlter Leistungen beruhe auf § 49a Abs. 1 HmbVwVfG. Der geltend gemachte Zinsanspruch werde gemäß § 49a Abs. 3 HmbVwVfG festgesetzt und bleibe sowohl hinsichtlich des Zeitraums, für den er geltend gemacht werde, als auch hinsichtlich der Höhe hinter dem nach § 49a Abs. 3 HmbVwVfG Möglichen zurück.

19

Mit Urteil vom 21. April 2010 – nachdem die vorliegende Klage anhängig geworden ist – verurteilte das Amtsgericht Hamburg-St. Georg den Kläger wegen versuchten Betruges in 26 Fällen sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Auf die Berufungen des Klägers und der Staatsanwaltschaft verurteilte das Landgericht Hamburg den Kläger mit Urteil vom 10. Februar 2011 wegen vollendeten Betruges in 27 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung. Dieses Urteil änderte das Hanseatische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 17. August 2011 im Schuldspruch dahin, dass der Kläger des (vollendeten) Betruges in 23 Fällen schuldig sei; im Rechtsfolgenausspruch hob es das landgerichtliche Urteil mit den zugehörigen Feststellungen auf. Mit Urteil vom 6. Dezember 2011 verurteilte das Landgericht Hamburg den Kläger wegen Betruges in 23 Fällen und unter Einbeziehung einer (Freiheits-) Strafe aus einem im April 2010 gegen den Kläger wegen gemeinschaftlichen Betrugs ergangenen amtsgerichtlichen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstraße von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.

20

Mit seiner am 18. Mai 2009 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht: Der Rückforderungsbescheid sei nicht hinreichend bestimmt, weil der Gesamtbetrag nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt werde. Er – der Kläger – sei zum Zeitpunkt seines Unfalls freiberuflich und damit selbständig tätig gewesen. § 14 Abs. 4 FeuerwG setze zudem gar keine Selbständigkeit voraus. Die Vorschrift sei im Übrigen auch einschlägig, wenn Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr Dienstausfall wegen eines Unfalls im Einsatz erlitten. Die Beklagte habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt. Es werde die Einrede der Verjährung erhoben.

21

Der Kläger hat beantragt,

22

1. den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 11. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 aufzuheben,

23

2. die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2009 zu verpflichten, dem Kläger einen Anerkennungsbetrag in Höhe von 8.773,-- Euro zu leisten.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entgegen getreten. Sie hat die Auffassung vertreten, es sei maßgeblich darauf abzustellen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Dienstunfalls abhängig beschäftigt gewesen sei.

27

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2015 den Bescheid vom 11. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen: Die angefochtenen Bescheide könnten, soweit darin Bewilligungsbescheide für die Vergangenheit aufgehoben würden, nicht auf § 48 HmbVwVfG gestützt werden. Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger keine Verwaltungsakte erlassen. Bei den erstellten „Auszahlungsanordnungen“ handele es sich nicht um Verwaltungsakte. Gleiches gelte für die von der Landeshauptkasse veranlassten Buchungen zugunsten des Bankkontos des Klägers. Es sei auch kein „konkludenter“ Verwaltungsakt erlassen worden. Da die Beklagte mithin keine Verwaltungsakte habe aufheben können, gehe auch die auf § 49a HmbVwVfG gestützte Rückforderung ins Leere. Demgegenüber könne der Kläger nicht verlangen, dass die Beklagte ihm für den Zeitraum 14. Mai 2007 bis zum 30. Juni 2007 einen pauschalen Anerkennungsbetrag auszahle. § 14 Abs. 4 FeuerwG gebe keinen Anspruch bei dienstunfallbedingter Arbeitsunfähigkeit.

28

Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 17. August 2016 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugelassen.

29

Mit ihrer am 12. September 2016 eingegangenen Berufungsbegründung macht die Beklagte insbesondere und vertiefend Ausführungen zu ihrer Auffassung, bei den jeweils auf die Anträge des Klägers hin erfolgten Auszahlungen habe es sich um Verwaltungsakte gehandelt.

30

Die Beklagte hat zunächst angekündigt, sie wolle beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2015 insoweit, als darin der Klage stattgegeben wird, zu ändern und die Klage (insgesamt) abzuweisen. Nachdem der Kläger mitgeteilt hat, dass über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 7. Juni 2017 insoweit abgetrennt, als sich der Kläger gegen die Rückforderung (zzgl. Zinsen) in dem Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2008 und dem Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 wendet. Das Berufungsverfahren ist, soweit es den abgetrennten Gegenstand betrifft, nunmehr unter dem Aktenzeichen 3 Bf 113/17 anhängig.

31

Die Beklagte beantragt in dem vorliegenden Verfahren,

32

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2015 insoweit, als darin der Klage stattgegeben wird und soweit es die Rücknahme erfolgter „Bewilligungen“ betrifft, zu ändern und die Klage insoweit, als sich der Kläger gegen die Rücknahme erfolgter „Bewilligungen“ in dem Bescheid vom 11. Januar 2008 und dem Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 wendet, abzuweisen.

33

Der Kläger beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, auf die Gerichtsakte des abgetrennten Verfahrens (3 Bf 113/17), auf die Sachakten der Beklagten (zwei Bände) sowie auf die beigezogen Akten des Strafverfahrens (insgesamt fünf Bände) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

36

Der Senat ist nicht gehindert, über die vorliegende Berufung zu entscheiden, obwohl über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Zwar wird gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 240 Satz 1 ZPO das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Partei unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Auf die Anfechtung der von der Beklagten verfügten Aufhebung von Verwaltungsakten erstreckt sich die Unterbrechung indes nicht. Denn die Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte ist ein rechtsgestaltender Akt, der den Erstattungsanspruch durch Beseitigung des Rechtsgrundes für die ursprüngliche Leistung erst entstehen lässt. Die Aufhebung stellt, anders als die Rückforderung, daher nicht die Verfolgung einer Forderung auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse dar, die nur nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Vorschriften erfolgen darf, sondern sie ist Voraussetzung für eine solche Forderung und hiervon zu unterscheiden (vgl. zum Vorstehenden bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 7.6.2017, 3 Bf 96/15, juris Rn. 4, m.w.N.).

37

Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung der Klage – in dem Umfang, in dem sie Gegenstand dieses Berufungsverfahrens ist – stattgegeben und den Rücknahmebescheid der Beklagten vom 11. Januar 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 aufgehoben. Denn die Klage ist, soweit sie Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist, unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind, soweit sie Gegenstand dieses Berufungsverfahrens sind, rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil die Beklagte darin die gegenüber dem Kläger erfolgten Bewilligungen zu Recht zurückgenommen hat.

I.

38

Rechtsgrundlage für die Rücknahme der zugunsten des Klägers erfolgten Bewilligungen ist § 48 Abs. 1 HmbVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden, bei begünstigenden Verwaltungsakten allerdings nur unter den Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG. Die Rücknahmevoraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger begünstigende Verwaltungsakte erlassen (hierzu 1.). Diese waren rechtswidrig (hierzu 2.). Der Rücknahme steht kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen (hierzu 3.). Die Rücknahme war auch nicht verfristet (hierzu 4.). Die Beklagte hat das Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt (hierzu 5.).

39

1. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger begünstigende Verwaltungsakte erlassen, indem sie ihm auf seine entsprechenden Anträge hin pauschale Anerkennungsbeträge gemäß § 14 Abs. 4 FeuerwG bewilligt hat.

40

Allerdings hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass gegenüber dem Kläger keine schriftlichen (Bewilligungs-) Bescheide ergangen sind. Ebenfalls zutreffend ist es, dass es sich bei den von der Beklagten gefertigten (internen) Auszahlungsanordnungen nicht um Verwaltungsakte i.S.v. § 35 Satz 1 HmbVwVfG gehandelt hat, weil diese nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet gewesen sind. Der erkennende Senat teilt demgegenüber nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, auch in den von der Beklagten auf die jeweiligen Anträge des Klägers hin veranlassten Auszahlungen des Geldes lägen keine außenwirksamen Regelungen i.S.v. § 35 Satz 1 HmbVwVfG.

41

Der Auszahlung von Geld, auch wenn sie – wie hier – in unbarer Form durch Überweisung erfolgt, fehlt allerdings für gewöhnlich die für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes konstitutive Regelungswirkung. Denn die Behörde hat die auf die Begründung eines Anspruchs des Empfängers gerichteten Willenserklärungen regelmäßig bereits im Vorwege durch Bescheid (oder Vertrag) abgegeben. In derartigen Fällen ist die Auszahlung einer Geldleistung für den Zahlungsempfänger nach ihrem objektiven Sinngehalt gerade nicht auf eine unmittelbare und verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten gerichtet, sondern es handelt sich um eine bloße schlicht-hoheitliche Maßnahme ohne Regelungswirkung, d.h. um eine Maßnahme, die den Vollzug einer zuvor ergangenen Regelung darstellt.

42

Anders kann es aber dort sein, wo der Auszahlung keine (schriftliche oder anderweitig zum Ausdruck gebrachte) Bewilligung vorausgeht. Wird eine Leistung beantragt, und erfolgt daraufhin eine Auszahlung der Leistung, ohne dass zuvor eine ausdrückliche Bewilligung vorgenommen wurde, so kommt es in Betracht, die Zahlung nicht lediglich als einen schlicht-hoheitlichen Realakt, sondern (auch) als konkludenten Verwaltungsakt anzusehen. Denn die Zahlung schließt dann die Entscheidung ein, ob und in welcher Höhe gezahlt werden soll. Mit ihr wird gleichzeitig festgestellt, dass dem Leistungsempfänger der der Zahlung zugrunde liegende Anspruch zusteht. Dies kann jedenfalls und zumal dann gelten, wenn der Auszahlung – wie hier aufgrund der Notwendigkeit, im Antrag verschiedene Angaben zu machen, um die Berechtigung und die Höhe des Anspruchs beurteilen zu können – eine behördliche Prüfung vorausgeht und dies für den Leistungsempfänger erkennbar ist (vgl. hierzu OVG Weimar, Urt. v. 18.11.2009, 1 KO 693/07, BauR 2010, 893, juris Rn. 26; siehe auch OVG Berlin, Urt. v. 27.3.1981, 2 B 21/79, NVwZ 1982, 253, juris Ls). In derartigen Fällen muss auch der Leistungsempfänger die Auszahlung regelmäßig dahin verstehen, dass mit ihr gleichzeitig die Bekanntgabe einer auf seinen Antrag hin erfolgten Bewilligungsentscheidung verbunden ist, d.h. die konkludente Mitteilung, dass seinem Antrag stattgegeben wird (vgl. BSG, Urt. v. 25.3.2003, B 1 KR 36/01 R, BSGE 91, 39, juris Rn. 11, m.w.N. [Auszahlung von Krankengeld]; BFH, Urt. v. 1.3.1974, VI R 253/70, BFHE 111, 457, juris Rn. 7 [Erstattung von Steuern]; VG Magdeburg, Urt. v. 5.12.2012, 1 A 142, 11, juris Rn. 17 [Auszahlung von Lohnersatzleistungen]; VG München, Urt. v. 1.3.2011, M 16 K 10.6145, juris Rn. 32 ff. [Auszahlung einer Prüfervergütung]; VG Braunschweig, Urt. v. 6.3.2003, 3 A 95/01, juris Rn. 18 [Auszahlung von Sozialleistungen]; vgl. auch FG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 10 K 1551/11 Kg, juris Rn. 20 [Auszahlung von Kindergeld]; s. ferner Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 37 Rn. 20; Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 1. Januar 2017, § 37 Rn. 34; offen gelassen bei BVerwG, Urt. v. 14.7.1998, 5 C 2.97, DVBl. 1998, 1135, juris Rn. 11; anders – zu einem anders gelagerten Sachverhalt –: OVG Weimar, a.a.O.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 89; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anh. § 42 Rn. 26).

43

Nach den vorstehenden Maßgaben misst der erkennende Senat den von der Beklagten auf die jeweiligen Anträge des Klägers hin veranlassten Auszahlungen des Geldes Verwaltungsaktqualität i.S.v. § 35 Satz 1 HmbVwVfG zu. Der Kläger hat jeweils die Gewährung von pauschalen Anerkennungsbeträgen beantragt und hierbei Angaben über die Zeiträume, für die die Leistung beantragt wird, über die Höhe der beanspruchten Leistung sowie über weitere anspruchsrelevante Umstände (Beschäftigungsstatus, Krankschreibung) gemacht. Die Beklagte hat daraufhin Auszahlungen zu Gunsten des Klägers getätigt, ohne zuvor gesonderte Bewilligungsbescheide zu erlassen. Aufgrund seiner gestellten Anträge und der darin von ihm gemachten Angaben musste sich dem Kläger aufdrängen, dass nach dem objektiven Erklärungsgehalt der zu seinen Gunsten erfolgten Auszahlungen mit diesen auch entsprechende Bewilligungen seiner Anträge verbunden waren (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 14.7.1998, 5 C 2.97, DVBl. 1998, 1135, juris Rn. 11). Er selber hatte wiederholt bei der Beklagten nachgefragt, ob dort alle für die Auszahlung erforderlichen Unterlagen und Angaben vorhanden seien oder ob Weiteres nachgereicht werden müsse. Davon, dass die Beklagte die Auszahlungen nicht soz. automatisch vornahm, sondern die Anträge einer – in vielerlei Hinsicht unzutreffenden und unzureichenden (hierzu i.E. sogleich unter 2.) – Prüfung unterzog, ging demnach auch der Kläger aus. Dem kann, anders als dies der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vertreten hat, nicht entgegen gehalten werden, dass den Auszahlungen der Inhalt der damit verbundenen Regelungen und die hierbei angenommenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände nicht entnommen werden konnten. Gegenstand der Regelungen war nur die jeweilige Bewilligung der zuvor jeweils beantragten Leistung in einer bestimmten Höhe. Diese Regelungsinhalte ergaben sich aus den Auszahlungen ohne Weiteres. Die den Bewilligungsentscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Umstände sind nicht Teil der jeweiligen Regelung, sondern sie betreffen ihre – vorliegend verzichtbare (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 und 2 HmbVwVfG) – Begründung.

44

Die Gründe, die das Verwaltungsgericht zu seiner anderslautenden, die Eigenheiten des vorliegenden Einzelfalls von vornherein unbeachtet lassenden Auffassung veranlasst haben, vermögen den erkennenden Senat nicht zu überzeugen. Die Annahme, dass „die Rechtsfigur eines ´konkludenten Verwaltungsaktes` (...) mit den gesetzlichen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren nicht im Einklang“ stehe, übersieht, dass ein Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVfG nicht nur schriftlich und mündlich, sondern auch in anderer Weise – etwa durch konkludentes Verhalten – erlassen werden kann. Es überzeugt auch nicht, aus dem Vorliegen schriftlicher Anträge abzuleiten, dass eine Bewilligung dieser Anträge stets nur in schriftlicher Form habe erfolgen können. Für die Annahme, dass über schriftliche Anträge nur schriftlich entschieden werden kann, gibt es keine gesetzlichen Anknüpfungspunkte (anders – ohne nähere Begründung – aber Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 50).

45

2. Die Bewilligungen pauschaler Anerkennungsbeträge nach § 14 Abs. 4 FeuerwG waren rechtswidrig. Ein Anspruch auf Zahlung eines pauschalen Anerkennungsbetrages besteht von vornherein nicht für krankheitsbedingte Ausfallzeiten (hierzu a]). Dessen ungeachtet hatte der Kläger im gesamten vorliegend relevanten Zeitraum keinen Verdienstausfall i.S.v. § 14 Abs. 4 Satz 1 FeuerwG, der die Auszahlung pauschaler Anerkennungsbeträge hätte rechtfertigen können (hierzu b]).

46

a) Ein Anspruch auf Zahlung eines pauschalen Anerkennungsbetrages nach § 14 Abs. 4 FeuerwG besteht von vornherein nicht für krankheitsbedingte Ausfallzeiten.

47

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 FeuerwG ist Voraussetzung für die Gewährung des pauschalen Anerkennungsbetrages, dass erwerbstätige Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren einen Verdienstausfall „durch Ausübung des Dienstes im Sinne des Absatz 2 Satz 1“ erleiden. Hierunter fallen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 FeuerwG nur Einsätze, Übungen, Lehrgänge, Aus- oder Fortbildungen oder sonstige dienstliche Veranstaltungen. Berufliche Ausfallzeiten aufgrund von Krankheit – auch wenn diese mittelbar auf einem „Dienst“ i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 FeuerwG beruhen – sind demgegenüber in § 14 Abs. 2 Satz 1 FeuerwG nicht genannt, sondern sie werden in § 15 Abs. 1 Buchstabe b) FeuerwG von Dienstzeiten i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 FeuerwG unterschieden. Sie führen danach weder dazu, dass Arbeitnehmer einen Freistellungs- und Lohnfortzahlungsanspruch gegen ihre Arbeitgeber nach § 14 Abs. 2 FeuerwG haben, noch dazu, dass erwerbstätige Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren, die nicht Arbeitnehmer i.S.v. § 14 Abs. 2 FeuerwG sind, einen Anspruch auf den pauschalen Anerkennungsbetrag nach § 14 Abs. 4 FeuerwG haben.

48

Auch systematisch-teleologische Erwägungen sprechen dagegen, dass § 14 Abs. 4 FeuerwG einen Anspruch auf den pauschalen Anerkennungsbetrag im Fall krankheitsbedingter Ausfallzeiten bereitstellt. § 14 Abs. 4 FeuerwG dient dem Zweck, Benachteiligungen von erwerbstätigen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr zu vermeiden, die nicht Arbeitnehmer sind und deshalb – anders als Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr, die Arbeitnehmer sind – keinen Lohnfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber nach § 14 Abs. 2 Satz 2 FeuerwG haben. Die Vorschrift will die erwerbstätigen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, die nicht Arbeitnehmer sind, aber auch nicht gegenüber Arbeitnehmern privilegieren. Dies wäre indes die Folge, wäre § 14 Abs. 4 FeuerwG auch im Fall krankheitsbedingter Ausfallzeiten einschlägig. Wie § 15 Abs. 1 FeuerwG, der zwischen Ausfallzeiten nach § 14 Abs. 2 FeuerwG und solchen aufgrund von Arbeitsunfähigkeit unterscheidet, nämlich deutlich macht, haben Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr, die Arbeitnehmer sind, nach § 14 Abs. 2 Satz 2 FeuerwG gerade keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, die auf den Dienst in einer Freiwilligen Feuerwehr zurückzuführen ist.

49

Weitere teleologische Erwägungen stützen die vorstehende Auslegung. Die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren sind in der gesetzlichen Unfallversicherung, deren Träger die Feuerwehr-Unfallkassen sind (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB VII), pflichtversichert. Erleiden sie (in Ausübung ihres Dienstes) einen Unfall und werden sie in der Folge arbeitsunfähig, haben sie Anspruch auf Verletztengeld (§§ 45 ff. SGB VII). Dieses wird grundsätzlich für die gesamte Zeit der Arbeitsunfähigkeit gezahlt (vgl. § 46 Abs. 3 SGB VII) und orientiert sich seiner Höhe nach am Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V (vgl. § 47 SGB VII). Es handelt sich bei dem Verletztengeld danach, ebenso wie beim Krankengeld, um eine Entgeltersatzleistung, die den Ausfall von Einkommen infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgleichen soll (vgl. BSG, Urt. v. 1.3.2011, B 7 AL 26/09 R, BSGE 108, 1, juris Rn. 16). Die Existenz dieser Leistung – die der Kläger im Übrigen ebenfalls in Anspruch genommen hat – lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass eine gleichgelagerte Leistung auch auf landesrechtlicher Ebene zur Verfügung gestellt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass der (Landes- ) Gesetzgeber – ungeachtet der Frage, ob er hierfür überhaupt die Kompetenz hätte (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) – die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren insoweit doppelt absichern wollte mit der Folge, dass diese im Fall dienstunfallbedingter Ausfallzeiten in der Summe einen Zahlungsanspruch hätten, der den regulären Verdienst bei Weitem übersteigen würde.

50

b) Ungeachtet der unter a) angestellten Erwägungen hatte der Kläger im gesamten vorliegend relevanten Zeitraum keinen Verdienstausfall i.S.v. § 14 Abs. 4 Satz 1 FeuerwG, der die Auszahlung pauschaler Anerkennungsbeträge hätte rechtfertigen können.

51

Voraussetzung für die Gewährung des pauschalen Anerkennungsbetrages ist nach § 14 Abs. 4 Satz 1 FeuerwG, dass das Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, das den Anspruch geltend macht, einen Verdienstausfall erlitten hat, der im Übrigen glaubhaft zu machen ist. Einen Verdienstausfall aufgrund seiner Tätigkeit im Dienst der Freiwilligen Feuerwehr und später aufgrund seiner dienstunfallbedingten Arbeitsunfähigkeit – unterstellt, Letzteres könnte dem Grunde nach einen Anspruch auf den pauschalen Anerkennungsbetrag nach § 14 Abs. 4 FeuerwG begründen – hat der Kläger aber nicht glaubhaft gemacht, weil er gar keinen Verdienstausfall erlitten hat:

52

aa) Dies gilt zunächst für die Zeiten im Mai 2003 und im September 2003, in denen der Kläger an einem Lehrgang bzw. an einem Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr teilgenommen hat. Der Kläger war seinerzeit nicht erwerbstätig, sondern er war krankgeschrieben und bezog Krankengeld. Dass er, hätte er nicht an dem betreffenden Lehrgang (Mai 2003) bzw. an dem betreffenden Einsatz (September 2003) teilgenommen, (selbständig) erwerbstätig gewesen wäre und einen Verdienst erzielt hätte, ist mit Blick auf den durchgängigen, auch nach dem Lehrgang bzw. Einsatz jeweils ohne Unterbrechung fortgesetzten Bezug von Krankengeld nicht ersichtlich und wird auch von dem Kläger selbst nicht vorgetragen. Für seine auf den entsprechenden Antragsformularen vom 16. Mai 2003 bzw. vom 30. September 2003 eingetragenen „regelmäßigen Arbeitszeiten“ gibt es, zumal mit Blick darauf, dass der Kläger bereits seit Juli 2002 krankgeschrieben war und Krankengeld bezog, keine Grundlage.

53

bb) Für die Zeit vom 18. Januar 2004 bis zum 31. Januar 2004 hat der Kläger auch keinen Verdienstausfall erlitten. Er war in dieser Zeit abhängig beschäftigt und bezog das vereinbarte Arbeitsentgelt, und zwar auch während der Zeit seiner einsatzbedingten Verhinderung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 FeuerwG) und für die nachfolgende Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG). Auch für eine „nebenberufliche“ selbständige Tätigkeit mit der Möglichkeit zusätzlicher Einnahmen in dem vorstehend genannten Zeitraum gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. hierzu nachfolgend unter cc]), zumal der Kläger hierzu arbeitsvertraglich gar nicht berechtigt gewesen wäre, da es hierfür der schriftlichen Zustimmung des Arbeitsgebers bedurft hätte (vgl. Bl. 222 der Akte des Strafverfahrens), die nicht vorlag (vgl. hierzu das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Februar 2011, dort S. 5, 18 [Bl. 404 der Akte des Strafverfahrens]).

54

cc) Auch in der Zeit ab 1. Februar 2004 (bis zum 21. September 2005) hat der Kläger keinen Verdienstausfall erlitten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in dieser Zeit selbständig tätig gewesen wäre und einen Verdienst erzielt hätte, wäre er nicht arbeitsunfähig gewesen.

55

Der Kläger war seit Juli 2002 und bis Ende November 2003 krankgeschrieben und bezog in dieser Zeit Krankengeld. Dass er in dieser Zeit selbständig tätig gewesen ist oder auch nur Aktivitäten zur Vorbereitung einer selbständigen Tätigkeit entfaltet hat, ist nicht erkennbar und wird auch vom Kläger nicht ernsthaft behauptet (s.o. unter aa]). Anschließend war er für ca. zwei Wochen weder beschäftigt, noch bezog er anderweitige Leistungen, bevor er ab dem 9. Dezember 2003 und bis zum Beginn seiner abhängigen Beschäftigung zum 12. Januar 2004 Arbeitslosengeld bezog. Eine selbständige Tätigkeit ist auch in diesem Zeitraum nicht zu verzeichnen.

56

Der gegenteiligen Behauptung des Klägers, er sei nach dem Ende seiner Krankschreibung selbständig tätig gewesen bzw. er habe seine zukünftige selbständige Tätigkeit (für die Zeit nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses) vorbereitet, schenkt der erkennende Senat keinen Glauben. Vielmehr folgt der Senat den überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen in dem insoweit rechtkräftig gewordenen Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Februar 2011 (dort vor allem S. 6 ff., 13 ff., Bl. 392 ff., 400 ff. der Akte des Strafverfahrens). Dieses hat insbesondere belegt, dass der Kläger seine angebliche selbständige Tätigkeit und seinen hierbei erzielten Verdienst durch Vorlage von vier Rechnungen zu beweisen versucht hat, die sich allerdings als Totalfälschungen entpuppt haben. Es hat ferner festgestellt, dass es – abgesehen von den gefälschten Rechnungen – keine Hinweise oder gar Belege dafür gibt, der Kläger sei nach seiner bis November 2003 andauernden Krankschreibung selbständig tätig gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen unrichtig sind, liegen nicht vor. Auch der Kläger trägt keine neuen Gesichtspunkte vor, die die vom Landgericht getroffenen Feststellungen als zweifelhaft erscheinen ließen. Vor diesem Hintergrund kann der Senat seiner Entscheidung die Feststellungen aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Februar 2011 ohne weitere eigene Ermittlungen zugrunde legen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.9.1981, 7 B 188.81, Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 60, juris Rn. 7; VGH München, Beschl. v. 5.3.2014, 22 ZB 12.2174, GewArch 2014, 444, juris Rn. 28; siehe auch OVG Koblenz, Urt. v. 9.5.1989, 6 A 124/88, NJW 1990, 1553, juris Rn. 40).

57

War der Kläger danach bis zu seinem Dienstunfall nicht selbständig tätig, so fehlt jede Grundlage dafür, eine – durch den Dienstunfall vereitelte – selbständige Tätigkeit und entsprechende Einnahmen hieraus für die Zeit nach dem Dienstunfall anzunehmen. Die von dem Kläger in den jeweiligen Antragsformularen eingetragenen „regelmäßigen Arbeitszeiten“ und der darin angegebene angebliche Verdienstausfall entbehren erneut jeder Grundlage, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt – weder vor noch nach seinem Unfall – in dieser Weise und in entsprechendem Umfang selbständig tätig gewesen ist. Allein die Vorstellung des Betroffenen, während der „Dienstzeiten“ i.S.v. § 14 Abs. 4 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FeuerwG in einer bestimmten Weise, in einem bestimmten Umfang und mit einem fiktiv ersonnenen Verdienst beruflich tätig sein zu können, ohne dass es hierfür einen Anknüpfungspunkt in der bisherigen Erwerbsbiographie gibt, kann einen Anspruch auf den pauschalen Anerkennungsbetrag nach § 14 Abs. 4 FeuerwG weder ganz noch teilweise begründen. Denn diese Leistung dient der Kompensation eines tatsächlich erlittenen und nicht eines allenfalls theoretisch denkbaren Verdienstausfalls.

58

3. Der mit den angefochtenen Bescheiden verfügten Rücknahme steht kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen.

59

Allerdings kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVfG nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Verwaltungsakt vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 HmbVwVfG ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn – was vorliegend anzunehmen ist – der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht hat oder nicht mehr (ohne Weiteres) rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat.

60

Der Kläger kann sich indes nicht auf Vertrauen berufen. Auf Vertrauen kann sich nicht berufen, wer den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG), wer den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 HmbVwVfG), oder wer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 HmbVwVfG). Alle der in § 48 Abs. 2 Satz 3 HmbVwVfG genannten Tatbestände sind vorliegend erfüllt:

61

a) Eine arglistige Täuschung i.S.v. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG liegt dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Behörde auf Grund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.1985, 2 C 30.84, DVBl. 1986, 148, juris Rn. 24).

62

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten im Rahmen seiner Anträge wahrheitswidrig angegeben, er sei beruflich selbständig, und hierbei „regelmäßige“ Arbeitszeiten angegeben, die jeder Grundlage entbehren. Diese Angaben des Klägers haben bei der Beklagten zu der irrtümlichen Vorstellung geführt, der Kläger habe als beruflich Selbständiger Anspruch auf die Leistung nach § 14 Abs. 4 FeuerwG. Dass es für die Beklagte – und für den Kläger erkennbar – entscheidend auf die Selbständigkeit ankam, zeigt sich bereits daran, dass sich die dortigen Antragsformulare ausdrücklich an „beruflich Selbständige“ richten. Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass – worauf der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat – bei der Beklagten nicht geprüft bzw. in Frage gestellt worden ist, ob die Angabe des Klägers, beruflich selbständig zu sein, tatsächlich zutrifft. Denn dies ändert nichts daran, dass die handelnden Sachbearbeiter bei der Beklagten davon ausgegangen sind, die Angaben des Klägers zu seiner angeblichen beruflichen Selbständigkeit träfen zu. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn auch die Sachbearbeiter bei der Beklagten davon ausgegangen wären, dass der Kläger in Wahrheit nicht beruflich selbständig war, seine Angaben also unrichtig waren. Hierfür gibt es aber keine Anhaltspunkte, und namentlich das Landgericht Hamburg hat in seinem insoweit rechtskräftig gewordenen Urteil vom 10. Februar 2011 auch keine dahingehenden Feststellungen getroffen, sondern im Gegenteil festgestellt, die Sachbearbeiter bei der Beklagten hätten „der weitergehenden Behauptung des Angeklagten, er würde als beruflich Selbständiger dienstbedingten Arbeitsausfall erleiden“, vertraut, „ohne dass sie (...) die angebliche Selbständigkeit noch weiter überprüften“ (vgl. UA S. 7 [Bl. 393 der Akte des Strafverfahrens]). Einen anderen diesbezüglichen Sachverhalt hat im Übrigen auch das Amtsgericht Hamburg-St. Georg in seinem später geänderten Urteil vom 21. April 2010 nicht festgestellt, sondern den betreffenden Sachverhalt lediglich abweichend (straf-) rechtlich gewürdigt (vgl. UA S. 6 f. und 15 f. [Bl. 303 ff. der Akte des Strafverfahrens]).

63

Die Unrichtigkeit seiner Angaben war dem Kläger auch bekannt. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass er im Strafverfahren die behauptete Selbständigkeit mithilfe von Unterlagen zu belegen versucht hat, bei denen es sich um Totalfälschungen handelte. Ein bloßer Rechts- oder Subsumtionsirrtum, d.h. ein Irrtum darüber, was unter beruflicher Selbständigkeit zu verstehen ist, erscheint vor diesem Hintergrund ausgeschlossen (vgl. hierzu auch das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Februar 2011, dort S. 18 [Bl. 404 der Akte des Strafverfahrens]).

64

Es fehlt auch nicht an der nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG erforderlichen Kausalität („... durch arglistige Täuschung erwirkt“). Zwar hätte der Kläger – ungeachtet des Fehlens einer selbständigen Erwerbstätigkeit – ohnehin keinen Anspruch nach § 14 Abs. 4 FeuerwG gehabt, weil ein Anspruch auf den pauschalen Anerkennungsbetrag nicht für krankheitsbedingte Ausfallzeiten besteht (vgl. oben zu 2 a]). Indes kann die Täuschung des Klägers nicht hinweggedacht werden, ohne dass die von der Beklagten vorgenommenen Bewilligungen entfielen. Hätte der Kläger nämlich offenbart, dass er nicht beruflich selbständig war und hierdurch auch keinen entsprechenden Verdienstausfall erlitten hat, hätte die Beklagte den pauschalen Anerkennungsbetrag ungeachtet ihres Rechtsirrtums nicht bewilligt. Umgekehrt hätte die Fehlvorstellung der Beklagten, dass der pauschale Anerkennungsbetrag auch für Zeiten dienstunfallbedingter Arbeitsunfähigkeit gewährt werden kann, nicht die Bewilligungen zu Gunsten des Klägers zufolge gehabt, wenn dieser nicht angegeben hätte, beruflich Selbständiger sei.

65

b) Der Kläger hat die mit den angefochtenen Bescheiden zurückgenommenen Bewilligungen durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 HmbVwVfG. Er hat im Rahmen seiner Antragstellungen angegeben, er sei beruflich selbständig, habe – jeweils konkret bezeichnete – regelmäßige Arbeitszeiten und aufgrund seiner dienstunfallbedingten Arbeitsunfähigkeit einen Verdienstausfall erlitten. Diese Angaben waren unrichtig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter a) sowie unter 2. b) Bezug genommen. Dass der Kläger die Unrichtigkeit seiner Angaben auch kannte, spielt im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 HmbVwVfG keine Rolle, denn die Vorschrift setzt ein Verschulden nicht voraus und es kommt somit nicht darauf an, ob der Betroffene die Unrichtigkeit der in seiner Sphäre liegenden Angaben, auf die die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zurückzuführen ist, kannte oder hätte kennen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.5.1998, 9 B 1134.97, juris Rn. 5; Urt. v. 14.8.1986, 3 C 9.85, BVerwGE 74, 357, juris Rn. 29).

66

Der Kläger hat die zurückgenommenen Bewilligungen auch durch seine unrichtigen Angaben „erwirkt“. Der Grund für die Rechtswidrigkeit der Bewilligungen, die die Beklagte zur Rücknahme veranlasst haben, liegt in den falschen Angaben des Klägers. Hätte der Kläger keine unzutreffenden Angaben gemacht, hätte die Beklagte den pauschalen Anerkennungsbetrag nicht wiederholt zugunsten des Klägers bewilligt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter a) Bezug genommen.

67

c) Der Kläger kannte überdies die Rechtswidrigkeit der von der Beklagten zu seinen Gunsten vorgenommenen Bewilligungen des pauschalen Anerkennungsbetrages, § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 HmbVwVfG. Dies muss schon deshalb angenommen werden, weil er bewusst falsche Angaben gemacht hat (s.o. unter a]). Damit kann er nur den Zweck verfolgt haben, eine Leistung zu erhalten, auf die er andernfalls keinen Anspruch gehabt hätte, denn sonst hätte kein Grund bestanden, derartige Angaben zu machen. Auch der Umstand, dass der Kläger im Strafverfahren seine angebliche Selbständigkeit mithilfe von Unterlagen zu belegen versucht hat, bei denen es sich um Totalfälschungen handelte, macht deutlich, dass dem Kläger bewusst war, in Wahrheit keinen Anspruch auf den pauschalen Anerkennungsbetrag nach § 14 Abs. 4 FeuerwG gehabt zu haben.

68

4. Die Rücknahme war nicht verfristet. Abgesehen davon, dass die Jahresfrist aus § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG vorliegend wegen § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG ohnehin nicht gilt, weil der Kläger i.S.v. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG arglistig getäuscht hat, hat die Beklagte den angefochtenen Rücknahmebescheid vom 11. Januar 2008 innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG erlassen.

69

Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG beginnt erst zu laufen, wenn der Behörde sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Erforderlich ist also zunächst die Kenntnis derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ergibt. Das sind die Tatsachen, die den im Einzelfall unterlaufenen Rechtsanwendungsfehler und die Kausalität dieses Fehlers für den Inhalt des Verwaltungsakts ausmachen. Schon der Wortlaut der Vorschrift stellt allerdings klar, dass die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit für sich allein den Fristenlauf nicht auszulösen vermag, sondern hierzu die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts erheblichen Sachverhalts nötig ist. Hierzu gehören alle Tatsachen, die im Falle des § 48 Abs. 2 HmbVwVfG ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.8.2014, 4 B 1.14, BRS 82 Nr. 174, juris Rn. 11, unter Bezugnahme auf BVerwG [GS], Beschl. v. 19.12.1984, GrSen 1/84 und GrSen 2/84, BVerwGE 70, 356, juris). Bei der in § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG geregelten Rücknahmefrist handelt es sich danach nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine reine Entscheidungsfrist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 48 Rn. 156).

70

Vorliegend veranlasste erst der neuerliche Antrag des Klägers im Juni 2007 die Beklagte zu einer Überprüfung der Angelegenheit. Im Zuge dieser Überprüfung erhielt die Beklagte erstmals Kenntnis davon, dass der Kläger in den Zeiten, für die er den pauschalen Anerkennungsbetrag geltend gemacht hatte, nicht beruflich selbständig tätig gewesen war. Bereits wenige Monate später verfügte die Beklagte die angefochtene Rücknahme der in der Vergangenheit vorgenommenen Bewilligungen.

71

5. Die Beklagte hat das ihr nach § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG zukommende Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt.

72

Grundsätzlich steht die Entscheidung, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurückzunehmen, gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG im Ermessen der Behörde. Für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG allerdings ergänzend § 48 Abs. 2 HmbVwVfG. Nach § 48 Abs. 2 Satz 4 wird in den Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 HmbVwVfG – die vorliegend allesamt einschlägig sind (s.o. unter 3.) – der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Diese Regelung bezieht sich nicht nur auf die Frage, ob der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit oder nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden soll, sondern auch auf die logisch vorrangige Frage, ob er überhaupt zurückgenommen werden soll. Liegt danach kein Ausnahmefall vor, so ist die Rücknahme die Regel und sind weitergehende Ermessenserwägungen nicht anzustellen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 4 HmbVwVfG besteht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein intendiertes Ermessen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 26.11.2015, OVG 7 B 4.15, juris Rn. 29; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 48 Rn. 127b).

73

Vorliegend sind Gründe, von der Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligungen ausnahmsweise abzusehen, nicht gegeben. Für das Vorliegen eines Regelfalls spricht schon, dass nicht nur einer, sondern alle drei der vertrauensschutzbeseitigenden Tatbestände aus § 48 Abs. 2 Satz 3 HmbVwVfG erfüllt sind, darunter der Arglist-Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG. Es gibt auch keinen Grund, eine Ausnahme deshalb zu machen, weil die Beklagte selbst einem Rechtsirrtum unterlegen ist und die Bewilligungen auch ungeachtet der vorsätzlichen Falschangaben nicht hätte vornehmen dürfen. Denn dies ändert an der Kausalität der bewussten Falschangaben des Klägers für die unrichtigen Bewilligungen nichts: Hätte er nicht angegeben, beruflich selbständig zu sein, hätte die Beklagte die Bewilligungen nicht vorgenommen. Der bloße Rechtsirrtum der Beklagten hat im Übrigen kein der vorsätzlichen Täuschung durch den Kläger vergleichbares Gewicht. Der Kläger hat sich den bei der Beklagten bestehenden Rechtsirrtum zunutze gemacht, um durch bewusste Falschangaben an eine Leistung zu gelangen, auf die er keinen Anspruch hatte.

II.

74

Die in dem Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2008 und dem Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 ebenfalls enthaltene Rückforderung (zzgl. Zinsen) ist, nachdem das Verfahren insoweit abgetrennt worden ist (3 Bf 113/17), nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens.

III.

75

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

76

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

77

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO bestehen nicht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.