Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 20. Juni 2018 - 3 A 1365/16 HGW

bei uns veröffentlicht am20.06.2018

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Forderungen aus den Bescheiden des Amtsvorstehers des Beklagten jeweils vom 18. Juni 2012 sowie aus dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Burg Stargard vom 18. Juni 2012 nicht mehr gegen den Kläger vollstreckbar sind.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Vollstreckbarkeit von Abgabenbescheiden.

2

Der Amtsvorsteher des Beklagten setzte mit Gebühren- und Auslagenerstattungsbescheiden jeweils vom 18. Juni 2012 gegen den Kläger Gebühren und Auslagen für einen Einsatz von Feuerwehren der Gemeinden Cammin, Holldorf, Pragsdorf und Lindetal vom 30. April 2012 in Höhe von 2.702,00 Euro, 14.874,00 Euro, 6.505,00 Euro und 22.440,00 Euro fest. Mit Bescheid ebenfalls vom 18. Juni 2012 setzte der Bürgermeister der Stadt Burg Stargard gegen den Kläger für einen Einsatz der Feuerwehr Burg Stargard vom 30. April 2012 Gebühren- und Auslagen in Höhe von 88.792,85 Euro fest. Die Bescheide wurden nicht angefochten. Am 3. Juli 2013 erließ der County Court at Ipswich (Großbritannien) einen Bankrottbeschluss gegen den Kläger und eröffnete das Insolvenzverfahren. Mit Entlassungsurkunde vom 5. Dezember 2014 bescheinigte dasselbe Gericht, dass der Kläger am 3. Juli 2014 aus dem Bankrott entlassen wurde. Mit Schreiben vom 22. September 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er die in Großbritannien erteilte Restschuldbefreiung nicht anerkenne und die Vollstreckung der näher bezeichneten Forderungen weiter durchführen werde. Mit Schreiben vom 18. Januar 2016 wiederholte der Beklagte gegenüber dem Kläger seine Ausführungen, dass er die Restschuldbefreiung nicht anerkenne und die Forderungen weiterhin durchsetzbar seien.

3

Der Kläger hat am 27. Januar 2016 Klage zum Landgericht C-Stadt erhoben, das mit Beschluss vom 6. Juni 2016 - 2 O 37/16 - den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen hat.

4

Der Kläger ist der Auffassung, dass mit Erlangung der Restschuldbefreiung nach englischem Recht am 3. Juli 2014 die Forderungen aus den Gebühren- und Auslagenerstattungsbescheiden vom 18. Juni 2012 nicht mehr gegen ihn durchsetzbar seien, da die Restschuldbefreiung auch die von dem Beklagten geltend gemachten Forderungen erfasse.

5

Der Kläger beantragt,

6

festzustellen, dass die von dem Beklagten gegen den Kläger erhobenen Forderungen aus den Bescheiden in Höhe von 2.702,00 Euro, in Höhe von 14.874,00 Euro, in Höhe von 6.505,00 Euro, in Höhe von 22.440,00 Euro sowie in Höhe von 88.792,85 Euro nicht mehr durchsetzbar sind.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er ist der Auffassung, die Klage richte sich gegen den falschen Beklagten. Da es sich um Forderungen der Gemeinden handele, sei der Beklagte nicht passivlegitimiert. Ferner sei die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung nach Art. 26 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 nicht anzuerkennen. Der Kläger habe seinen Wohnsitz lediglich formal nach Ipswich in Großbritannien verlegt. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe er seinen Wohnsitz weiterhin in C-Stadt gehabt. Wenn die Eröffnungsentscheidung auf bewusst wahrheitswidrigen Angaben und einem lediglich simulierten Wohnsitz in dem anderen Mitgliedstaat beruhe, liege ein Verstoß gegen den ordre-public vor. Außerdem erfasse die erlangte Restschuldbefreiung die betroffenen Forderungen nicht.

10

Das Gericht hat mit Beschluss vom 2. März 2017 zu der Frage der Wirkungen der Restschuldbefreiung Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, welches am 13. Februar 2018 eine entsprechende Rechtsauskunft erteilt hat.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

12

Die Klage hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

13

1. Die als Feststellungsklage erhobene Klage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

14

a) Bei der Einwendung, eine Forderung sei wegen einer dem Schuldner erteilten Restschuldbefreiung, nicht mehr gegen ihn vollstreckbar, handelt es sich um eine materiell-rechtliche Einwendung, die im Grundsatz mit der Vollstreckungsgegenklage, § 767 Zivilprozessordnung (ZPO), geltend zu machen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 25.09.2008 - IX ZB 205/06 -, juris Rn. 11). Will der Kläger, wie hier, diese Einwendung gegen einen unanfechtbar gewordenen Abgabenbescheid vorbringen, ist statthafter Rechtsbehelf die Feststellungsklage (vgl. m.w.N. VG Greifswald, Urt. v. 25.04. 2017 - 3 A 2377/16 HGW -, juris Rn. 17). Die (fortbestehende) Vollstreckbarkeit der in Rede stehenden Abgabenbescheide stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.

15

b) Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO). Der Beklagte berühmt sich hier der Durchsetzbarkeit der Abgabenforderungen aus den Bescheiden vom 18. Juni 2012. Er hat dem Kläger mit Schreiben vom 22. September 2015 mitgeteilt, die Vollstreckung weiter durchzuführen, und mit Schreiben vom 18. Januar 2016 ausgeführt, dass er das Vorliegen einer der Vollstreckung entgegenstehenden Restschuldbefreiung nicht anerkenne. Dass sich an dieser Haltung zwischenzeitlich etwas geändert hat, ist nicht ersichtlich.

16

c) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht hier auch nicht deren aus § 43 Abs. 2 VwGO folgende Subsidiarität entgegen. Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 VwGO, der zufolge die Feststellung eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, ist ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden. Wo eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht droht, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1997 - 1 C 2/95 -, juris Rn. 25). Der Kläger macht hier den nachträglich entstandenen Einwand der am 3. Juli 2014 erlangten Restschuldbefreiung geltend. Diesen Einwand hätte er im Rahmen der Anfechtung der Bescheide vom 18. Juni 2012 noch gar nicht geltend machen können, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Eine Umgehung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Gestaltungsklagen liegt deshalb nicht vor. Darüber hinaus ist der Kläger nicht auf die Anfechtung von Vollstreckungsmaßnahmen zu verweisen. Ein solcher Verweis würde den Kläger in die Gefahr einer unabsehbaren Vielzahl von Verfahren gegen Vollstreckungsmaßnahmen bringen. Damit kann ihm effektiver Rechtsschutz nicht gewährt werden. Schließlich würde - anders als mit der hier erhobenen Feststellungsklage - die Frage der Undurchsetzbarkeit der streitigen Forderungen keiner umfänglichen und abschließenden Klärung zugeführt, was aber gerade das Rechtschutzziel des Klägers ist. Sie wäre stets nur Vorfrage bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen.

17

d) Die Klage richtet sich, anders als der Beklagte meint, gegen den richtigen Beklagten. Aus § 43 Abs. 1 VwGO, wonach Gegenstand der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist, folgt, dass die Feststellungsklage gegen den sachlichen Streitgegner, also denjenigen zu richten ist, demgegenüber das Rechtsverhältnisses besteht oder eben nicht besteht (vgl. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 43 Rn. 15 sowie Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2014, § 43 Rn. 28). Zwar trifft es hier zu, dass es sich bei den betroffenen Abgabenforderungen um solche der amtsangehörigen Gemeinden Cammin, Holldorf, Pragsdorf, Lindetal und Burg Stargard handelt. Jedoch begehrt der Kläger die Feststellung, dass diese Abgabenforderungen nicht mehr gegen ihn vollstreckbar sind, sodass streitig nicht der Abgabenanspruch als solcher, sondern ein Vollstreckungsrechtverhältnis ist, das zum Rechtsträger der Vollstreckungsbehörde entsteht. Nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V) in Verbindung mit § 1 Nr. 5 Vollstreckungszuständigkeits- und -kostenlandesverordnung (VollstrZustKLVO M-V) sind die Amtsvorsteher die für die Vollstreckung von öffentlich-rechtlichen Geldforderungen der amtsangehörigen Gemeinden zuständigen Vollstreckungsbehörden. Alle Gemeinden, deren Abgabenforderungen hier betroffen sind, sind Mitglieder des beklagten Amtes Stargarder Land. Das zwischen den Beteiligten streitige Rechtsverhältnis - Vollstreckbarkeit von Abgabenforderungen - entsteht deshalb zwischen dem Kläger und dem beklagten Amt. Ein Fall von § 14 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsstrukturgesetzes, wonach Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gegen die Behörde zu richten sind, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, liegt hier wegen der erhobenen Feststellungsklage ebenfalls nicht vor.

18

2. Die Klage ist begründet. Die Vollstreckung der in den bestandskräftigen Bescheiden vom 18. Juni 2012 festgesetzten Abgabenforderungen ist gegen den Kläger nicht mehr zulässig.

19

a) Nach § 111 Abs. 1 VwVfG M-V in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) und § 257 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ist die Vollstreckung aus einem auf die Zahlung einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung gerichtet Verwaltungsakt einzustellen oder zu beschränken, wenn die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 AO weggefallen sind. Die mit der Folge, dass von ihr erfasste Forderungen gegen den Schuldner nicht mehr erzwungen werden können, erteilte Restschuldbefreiung stellt ein der Vollstreckung entgegenstehendes Vollstreckungshindernis dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.2015 - 3 C 8/14 -, juris Rn. 12; VGH München, Beschl. v. 29.08.2014 - 4 CE 14.1502 -, juris Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02.04.2014 - OVG 6 B 16.12 -, juris Rn. 15; Neumann in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 138. Lieferung, § 251 AO, juris Rn. 213; Werth in: Klein, Abgabenordnung, 13. Aufl. 2016, § 251 Rn. 43; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 251 AO Rn. 120).

20

b) Dies zugrunde gelegt, steht der gegen den Kläger gerichteten Vollstreckung aus den Bescheiden vom 18. Juni 2012 hier die am 3. Juli 2014 vor dem County Court at Ipswich erlangte discharge (Restschuldbefreiung) entgegen.

21

Dass der Kläger die Restschuldbefreiung in der von ihm dargelegten Weise erlangt hat, ist durch das vorgelegte Certificate of Discharge (Entlassungsurkunde) belegt. Der Beklagte zieht die Erlangung der Restschuldbefreiung mit keinem Wort in Zweifel, sondern bestreitet lediglich deren Anerkennung im Inland. Das Gericht hat ebenfalls keinerlei Anlass, an der Erlangung der Restschuldbefreiung zu zweifeln.

22

Die vom Kläger erlangte Restschuldbefreiung ist im Inland anzuerkennen (aa) und erfasst die hier in Rede stehenden Abgabenforderungen aus den Bescheiden vom 18. Juni 2012 (bb).

23

aa) Die vom Kläger erlangte Restschuldbefreiung ist entgegen der Auffassung des Beklagten im Inland anzuerkennen.

24

(1) Rechtsgrundlage dafür ist Art. 19 Abs. 1 Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren. Diese Verordnung ist anzuwenden, da sie im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gilt. Sie hebt die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 auf (Art. 91) und ist nach ihrem Art. 92 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, in Kraft getreten. Die Veröffentlichung erfolgte am 5. Juni 2015.

25

(2) Nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EU) 2015/848 wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Gemäß Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EU) 2015/848 werden auch die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 19 anerkannt wird, sowie ein von diesem Gericht bestätigter Vergleich ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt.

26

Für Art. 16 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1346/2000 [entspricht Art. 19 Abs. 1 VO (EU) 2015/848] ist geklärt, dass die Vorschrift nicht dahin zu verstehen ist, dass im Anerkennungsstaat zu prüfen ist, ob das Gericht des Mitgliedsstaates für die Verfahrenseröffnung zuständig war (vgl. m.w.N. BGH, Urt. v. 10.09.2015 - IX ZR 304/13 -, juris Rn. 8). Das gilt auch für die Anerkennung der zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen im Sinne des Art. 25 Abs. 1 VO (EG) 1346/2000 [entspricht Art. 32 Abs. 1 VO (EU) 2015/848], vgl. m.w.N. BGH a.a.O. Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, verbietet eine Prüfung der Entscheidungen durch die Gerichte des Anerkennungstaates und verlangt vielmehr, dass die Gerichte die Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anerkennen, ohne die vom eröffnenden Gericht hinsichtlich seiner Zuständigkeit angestellte Beurteilung überprüfen zu können.

27

Nach Auffassung des Gerichts gelten diese Erwägungen gleichermaßen für die hier anzuwendenden Vorschriften der VO (EU) 2015/848. Sie finden Ausdruck in Erwägungsgrund 65 zur VO (EU) 2015/848, wonach die Anerkennung der Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten sich auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens stützen sollte und die Gründe für eine Nichtanerkennung auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt sein sollten. Erwägungsgrund 65 letzter Halbsatz zur VO (EU) 2015/848 spricht zudem aus, dass die Mitgliedstaaten die Entscheidung des eröffnenden Gerichts keiner Überprüfung unterziehen dürfen. Neben den insoweit eindeutigen Erwägungsgründen hat der Verordnungsgesetzgeber in Art. 91 UAbs. 2 VO (EU) 2015/848 in Verbindung mit Anlage D zu der Verordnung klargestellt, welche Verordnungsvorschriften denjenigen der VO (EG) 1346/2000 entsprechen. Es besteht keinerlei Anhalt, dass die einander entsprechenden Vorschriften in Art. 16 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1346/2000 und Art. 19 Abs. 1 VO (EU) 2015/848 nunmehr in einem abweichenden Sinne zu verstehen sein sollten.

28

(3) Dies zugrunde gelegt, sind die Eröffnungsentscheidung des County Court of Ipswich 3. Juli 2013, an deren Wirksamkeit keinerlei Zweifel bestehen, und die ihr nachfolgenden Insolvenzentscheidungen im Inland anzuerkennen. Eine Überprüfung der Eröffnungsentscheidung im Hinblick auf die von dem County Court angenommene internationale Zuständigkeit kommt indessen nicht in Betracht. Es ist dem Gericht versagt, die von dem ausländischen Gericht getroffene Entscheidung einer erneuten Rechtmäßigkeitsprüfung zu unterziehen. Dies liefe dem Instrument der Anerkennung entgegen und ließe sich mit dem erklärten Regelungsziel der VO (EU) 2015/848, Nichtanerkennungen auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken, nicht vereinbaren. Die insoweit vom Landgericht C-Stadt in dem vom Beklagten angeführten Urteil vom 3. Juni 2015 (- 1 S 129/14 -) vertretene - anderslautende - Auffassung und die dort angelegten Maßstäben dürfte sich vor diesem Hintergrund als überholt erweisen.

29

Ob von dem Grundsatz, dass die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gericht nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 in Verbindung mit Art. 3 VO (EU) 2015/848 nicht durch das nationale Gericht zu prüfen ist, eine Ausnahme für den Fall des sich offensichtlich aufdrängenden Mangels in der internationalen Zuständigkeit zuzulassen ist, muss hier nicht entschieden werden. Ein Fall sich offensichtlich aufdrängender Mangelhaftigkeit liegt hier nicht vor. Aus dem Vortrag des Beklagten, der Kläger sei auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Großbritannien noch regelmäßig in dem Haus seiner Ehefrau in C-Stadt gesehen worden und habe in Großbritannien wiederholt seinen Wohnsitz gewechselt, drängt sich die Fehlerhaftigkeit der vom County Court at Ipswich angenommene internationale Zuständigkeit nicht offensichtlich auf. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil der nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 VO (EU) 2015/848 maßgebliche Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu bestimmen ist [vgl. zu Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 1346/2000: EuGH, Urt. v. 17.01.2006 - C-1/04 -, juris Rn. 29], wozu der Beklagte nichts ausführt.

30

(4) Der dem Kläger erteilten Restschuldbefreiung ist die Anerkennung schließlich nicht wegen Art. 33 VO (EU) 2015/848 zu versagen.

31

Nach dieser Vorschrift kann sich jeder Mitgliedstaat weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen oder eine in einem solchen Verfahren ergangene Entscheidung zu vollstrecken, soweit diese Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist.

32

Diese sogenannte ordre-public-Klausel kann nur in Ausnahmefällen einschlägig sein, da sie ein Hindernis für die Verwirklichung eines der grundlegenden Ziele der Verordnung bildet, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes durch effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren zu gewährleisten, vgl. zur VO (EG) 1346/2000 EuGH, Urt. v. 21.01.2010 - C-444/07 -, juris Rn. 34. Es muss sich bei dem mit der Anerkennung der ausländischen Entscheidung verbundenen Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Anerkennungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (vgl. BGH a.a.O., Rn. 10). Ein Verstoß gegen den nationalen ordre-public liegt nicht schon dann vor, wenn das mitgliedstaatliche Gericht einen in seinem Zuständigkeitsbereich allein zur Erlangung der Restschuldbefreiung begründeten Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners anerkennt oder es - von Willkürentscheidungen abgesehen - fehlerhaft zur Annahme seiner internationalen Zuständigkeit gelangt ist (vgl. BGH a.a.O., Rn. 12 f.)

33

Im hier zu entscheidenden Fall hat das Gericht keinen Anlass, der von dem Kläger erlangten Restschuldbefreiung die Anerkennung im Inland wegen eines Verstoßes gegen den nationalen ordre-public im Sinne von Art. 33 VO (EU) 2015/848 zu versagen. Den Darlegungen des Beklagten ist ein solcher Verstoß nicht zu entnehmen. Selbst wenn man den tatsächlichen Vortrag des Beklagten, der Kläger habe im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem County Court at Ipswich seinen Wohnsitz im Inland gehabt und in Großbritannien häufig seinen Wohnsitz gewechselt, für wahr hält, begründet er einen solchen Verstoß nicht. Zum einen ist damit noch nicht einmal gesagt, dass die Annahme des County Court at Ipswich, es sei nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 der damals noch geltenden VO (EG) 1346/2000 international zuständig, sich als rechtsfehlerhaft erweist. Der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ist, wie bereits dargelegt, in diesem Zusammenhang nicht relevant. Wenn der Kläger seinen Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Großbritannien hatte, ist dies nicht entscheidend. Zum anderen folgt aus der bloßen rechtsfehlerhaften Bejahung der internationalen Zuständigkeit durch den County Court at Ipswich allenfalls die Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Eine die Grenzen der Willkür überschreitende Entscheidung liegt damit noch nicht vor. Sinn und Zweck des ordre-public-Vorbehaltes ist es nicht, gewissermaßen durch die Hintertür, eine vom übrigen Verordnungsrecht ausgeschlossene inhaltliche Prüfung der Entscheidung des ausländischen Gerichts zu ermöglichen. Die Vorschrift dient einzig der - nur ausnahmsweise zulässigen - Korrektur von für das nationale Recht nicht hinnehmbaren außergewöhnlichen Rechtsverwerfungen.

34

Der Einwand des Beklagten, die Eröffnungsentscheidung beruhe auf bewusst wahrheitswidrigen Angaben des Klägers, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Beklagte hat schon nicht konkret dargelegt, worin die bewusst wahrheitswidrigen Angaben des Klägers liegen sollen und dass dieser den County Court at Ipswich über seinen Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses getäuscht hat. Aus dem Vortrag, dass sich der Kläger im Zeitraum der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wiederholt im Haus seiner Frau in W. aufgehalten habe, folgt weder das eine noch das andere. Darüber hinaus ist der Einwand der durch Täuschung erlangten Eröffnungsentscheidung als solcher nicht geeignet, einen Verstoß gegen den nationalen ordre-public zu begründen. Denn die Erlangung einer Eröffnungsentscheidung infolge Täuschung des Gerichts muss - soweit möglich - durch Einlegung eines Rechtsbehelfs im Eröffnungsstaat geltend gemacht werden (vgl. m.w.N. BGH a.a.O., Rn. 20). Aus Sicht des Gerichts hat für den Beklagten dieser Weg auch offen gestanden, denn Art. 5 Abs. 1 VO (EU) 2015/848 gewährt dem Schuldner und dem Gläubiger die Möglichkeit, die Entscheidung zur Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens vor Gericht aus Gründen der internationalen Zuständigkeit anzufechten. Art. 5 Abs. 2 VO (EU) 2015/848 lässt darüber hinaus die Anfechtung der Eröffnungsentscheidung aus anderen Gründen zu, wenn das nationale Recht (des Eröffnungsstaates) dies vorsieht. Art. 6 Abs. 1 VO (EU) 2015/848 weist die Zuständigkeit für solche Rechtsbehelfe den Gerichten des Mitgliedstaates der Verfahrenseröffnung zu. Sec. 282 (1) (a) Insolvency Act 1986 sieht indessen die Annullierung des Eröffnungsbeschlusses vor, wenn dieser aus Gründen, die bei dessen Erlass schon vorlagen, nicht hätte ergehen dürfen. Es wäre also Sache des Beklagten gewesen, sich - gegebenenfalls auch jetzt noch - unmittelbar gegen die Eröffnungsentscheidung zu wenden. Dass dem Beklagten hier die Inanspruchnahme von Rechtsschutz gegen die Eröffnungsentscheidung in Großbritannien nicht möglich gewesen ist, behauptet dieser nicht einmal. Vielmehr hat er in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihm dieses Vorgehen durchaus bekannt gewesen sei, er wegen der damit verbundenen Kosten aber davon Abstand genommen habe.

35

bb) Die danach im Inland anzuerkennende Restschuldbefreiung erfasst die Forderungen aus den Bescheiden vom 18. Juni 2012.

36

Die Wirkungen einer im Ausland erteilten Restschuldbefreiung bestimmen sich nicht nach §§ 286 ff. Insolvenzordnung (InsO), sondern ausschließlich nach dem Recht des Staates in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Nach Art. 20 Abs. 1 VO (EU) 2015/848 entfaltet die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 1 VO (EU) 2015/848 in jedem anderen Mitgliedstaat, ohne dass es hierfür irgendwelcher Förmlichkeiten bedürfte, die Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt und solange in diesem anderen Mitgliedstaat kein Verfahren nach Art. 3 Abs. 2 VO (EU) 2015/848 eröffnet ist. Die Vorschrift erstreckt sich nicht nur auf die Eröffnungsentscheidung, sondern auf alle Entscheidungen im Zusammenhang mit diesem Hauptinsolvenzverfahren, vgl. zu Art. 17 Abs. 1 VO (EG) 1346/2000: EuGH, Urt. v. 21.01.2010 - C-444/07 -, juris Rn. 47.

37

Dass hier eine abweichende Verordnungsbestimmung gegeben ist oder im Inland ein Verfahren nach Art. 3 Abs. 2 VO (EU) 2015/848 eröffnet worden ist, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Die Rechtswirkungen, die die von dem Kläger erlangte Restschuldbefreiung im Inland entfaltet, bestimmen sich deshalb nach dem nationalen Recht Großbritanniens, also dem Insolvency Act 1986.

38

Das Gericht hat sich im Rahmen der Sachverhaltsermittlung, §§ 86 Abs. 1 Satz 1, 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 293 Zivilprozessordnung (ZPO), die Kenntnis des für seine Entscheidung maßgebenden ausländischen Rechts zu verschaffen. Es darf sich aber nicht darauf beschränken, den einschlägigen Gesetzestext zu ermitteln. Es muss auch dessen Anwendung in der ausländischen Rechtspraxis berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.03.1989 - 1 B 43/89 -, juris Rn. 6).

39

Das Gericht schöpft seine Erkenntnisse zu den Wirkungen der von dem Kläger unter dem Insolvency Act 1986 erlangten Restschuldbefreiung aus der auf Grund des Beschlusses vom 2. März 2017 eingeholten Rechtsauskunft des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht vom 13. Februar 2018. Danach bewirkt die ein Jahr nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (in der Regel) ohne richterliche Entscheidung eintretende Restschuldbefreiung nach sec. 281 (1) Insolvency Act 1986, dass der Schuldner von seinen Schulden befreit wird und nicht mehr persönlich haftet. Die Restschuldbefreiung entlastet den Schuldner nach sec. 382 (1) Insolvency Act 1986 von allen Schulden, die bei Beginn des Insolvenzverfahrens bestanden. Sec. 281 (4) Insolvency Act 1986 sieht eine Ausnahme von der Befreiungswirkung für sogenannte „fines“, also Geldstrafen, vor. Der Begriff wird in der britischen Rechtspraxis dahin verstanden, dass er Geldstrafen meint, die in einem strafgerichtlichen Verfahren Ergebnis einer Verurteilung sind. Ferner nimmt die Vorschrift Forderungen von der Entlastung aus, die auf einer „liability under a recognisance“ beruhen. Auch wenn der Begriff in der britischen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist, ist er nach der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur als Erklärung zu verstehen, mit der eine Verpflichtung vor einer amtlichen Stelle formell anerkannt und amtlich registriert wird. Sec. 281 (6) Insolvency Act 1986 nimmt von der Entlastungswirkung schließlich Forderungen aus, die auf Grund besonderer Rechtsvorschriften nicht im Insolvenzverfahren angemeldet werden dürfen („non-provable debts“).

40

Nach diesen Maßgaben ist der Kläger von den gegen ihn mit den Bescheiden vom 18. Juni 2012 festgesetzten Abgabenforderungen durch die Erlangung der Restschuldbefreiung am 3. Juli 2013 befreit. Bei den Abgabenforderungen handelt es sich um Schulden des Klägers, denen er bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3. Juli 2013 ausgesetzt gewesen ist. Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Ausnahmen liegen hier nicht vor. Der Charakter der in Rede stehenden Schuld in dem Sinne, ob es sich etwas um eine Strafe oder ein Entgelt handelt, bestimmt sich nicht nach dem Insolvenzrecht, sondern nach dem die Schuld begründenden Fachrecht, sodass das einschlägige nationale Recht anzuwenden ist. § 26 Abs. 2 Satz 1 Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz (BrSchG M-V) a.F. (§ 25 Abs. 2 Satz 1 BrSchG M-V n.F.) gewährt dem Aufgabenträger in den dort und in Satz 2 der Norm genannten Fällen einen Aufwendungserstattungsanspruch für die tatsächlich angefallenen Kosten eines konkreten Feuerwehreinsatzes beziehungsweise ist auf den Ausgleich der durch den einzelnen Einsatz der Feuerwehr verursachten Kosten beschränkt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 30.11.2011 - 1 L 93/08 -, juris Rn. 35). An dem Charakter als Aufwendungserstattungsanspruch ändert es entgegen der Auffassung des Beklagten nichts, dass eine Heranziehung die grob fahrlässige Brandverursachung oder die Verantwortlichkeit als Betreiber einer technischen oder baulichen Anlage mit besonderem Gefahrenpotential voraussetze. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen wandeln den Aufwendungserstattungsanspruch nicht in eine Strafe, die ohnehin noch immer nicht Ergebnis einer Verurteilung in einem Strafverfahren wäre, wie es sec. 281 (4) Insolvency Act 1984 voraussetzt, sondern stellen lediglich die Ausnahme zu der nach § 26 Abs. 1 BrSchG M-V a.F. (§ 25 Abs. 1 BrSchG M-V n.F.) geltenden Regel, dass Brandschutz und die Technische Hilfeleistung als Aufgaben der Gemeinde (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BrSchG M-V) unentgeltlich sind, dar. Bei den festgesetzten Gebühren und Auslagen handelt es sich deshalb nicht um eine „fine“ im Sinne von sec. 281 (4) Insolvency Act 1986. Sie beruhen zudem nicht auf einer Verpflichtungserklärung des Schuldners gegenüber einer amtlichen Stelle, sondern sind durch Abgabenbescheid, also Verwaltungsakt, festzusetzen, § 12 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO, und festgesetzt. Sie sind daher nicht als „reliability under a recognisance“ von der Befreiungswirkung ausgeschossen. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die streitigen Forderungen auf Grund einer Rechtsvorschrift von der Anmeldung zum Insolvenzverfahren ausgeschlossen sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Abgabenforderungen wegen eines Zusammenhangs mit einem Betrug von den Wirkungen der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sein sollen, sec. 281 (3) Insolvency Act 1986, ergeben sich, anders als der Beklagte meint, für das Gericht nicht.

II.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Gründe, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 20. Juni 2018 - 3 A 1365/16 HGW

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 20. Juni 2018 - 3 A 1365/16 HGW

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 20. Juni 2018 - 3 A 1365/16 HGW zitiert 19 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Zivilprozessordnung - ZPO | § 767 Vollstreckungsabwehrklage


(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen. (2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf

Abgabenordnung - AO 1977 | § 155 Steuerfestsetzung


(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 293 Fremdes Recht; Gewohnheitsrecht; Statuten


Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Abgabenordnung - AO 1977 | § 257 Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung


(1) Die Vollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken, sobald1.die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 weggefallen sind,2.der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird,3.der Anspruch auf die Leistung erloschen ist,

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 20. Juni 2018 - 3 A 1365/16 HGW zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 20. Juni 2018 - 3 A 1365/16 HGW zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2008 - IX ZB 205/06

bei uns veröffentlicht am 25.09.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 205/06 vom 25. September 2008 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 301; ZPO §§ 766, 767, 775 Der Einwand des Schuldners, aus einem gegen ihn ergangene

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2014 - 4 CE 14.1502

bei uns veröffentlicht am 29.08.2014

Tenor I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juni 2014 wird abgeändert. Die Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid der Beschwerdeführerin vom 12. Juli 2010 wird, soweit es sich nicht um vor dem 21. Oktob

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 25. Apr. 2017 - 3 A 2377/16 HGW

bei uns veröffentlicht am 25.04.2017

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass die Abwassergebührenforderung aus dem Bescheid des Beklagten vom 9. November 2007 (46026-8942) nicht mehr gegen den Kläger vollstreckbar ist, soweit sie 1.478,02 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Klage ab

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Sept. 2015 - IX ZR 304/13

bei uns veröffentlicht am 10.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 304/13 Verkündet am: 10. September 2015 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja EuInsVO vom 29. M

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 26. Feb. 2015 - 3 C 8/14

bei uns veröffentlicht am 26.02.2015

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rückforderung einer Subvention von der dem Kläger erteilten Restschuldbefreiung erfasst wird.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Nov. 2011 - 1 L 93/08

bei uns veröffentlicht am 30.11.2011

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vo

Referenzen

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

11
cc) Die Restschuldbefreiung führt zur Entstehung einer unvollkommenen Verbindlichkeit, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar ist (Begründung zu § 250 RegE-InsO BT-Drucks. 12/2445, S. 195; AG Saarbrücken ZInsO 2002, 151, 152; Braun/Lang, InsO 3. Aufl. § 301 Rn. 1; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 301 Rn. 18; HK-InsO/Landfermann, § 301 Rn. 1; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 301 Rn. 1; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 301 Rn. 18; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 301 Rn. 10; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl. § 17 Rn. 191). Diese Umgestaltung der Forderung bewirkt einen materiell-rechtlichen Einwand, der nur mit der Vollstreckungsgegenklage verfolgt werden kann. Die Beurteilung der Frage, ob diese Wirkung eingetreten ist, obliegt im Streitfall nicht dem Vollstreckungsgericht, sondern dem Prozessgericht. Entgegen der Auffassung von Streck (HmbKomm-InsO/Streck, aaO) kann deshalb keine Zulässigkeit der Vollstreckungserinnerung aus pragmatischen Gründen angenommen werden.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Abwassergebührenforderung aus dem Bescheid des Beklagten vom 9. November 2007 (46026-8942) nicht mehr gegen den Kläger vollstreckbar ist, soweit sie 1.478,02 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 38 Prozent, der Beklagte trägt sie zu 62 Prozent.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Vollstreckbarkeit einer bestandskräftig festgesetzten Abwassergebührenforderung.

2

Das Amtsgericht Neubrandenburg eröffnete mit Beschluss vom 15. Juni 2006 (Az.: 12 IN 142/06) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 9. November 2007 (46026-8942) gegenüber dem Kläger für das Grundstück F. Landstraße 8 in A-Stadt Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 3.838,44 Euro im Einzelnen wie folgt fest:

3

Erhebungszeitraum

festgesetzte Gebühr

13. November 2004 bis 31. Dezember 2004

 221,98 Euro

1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005

1.560,04 Euro

1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006

1.279,48 Euro

1. Januar 2007 bis 28. Oktober 2007

 776,94 Euro

4

Wegen des Bescheides sprach der Kläger am 26. November 2007 bei den Stadtwerken A-Stadt vor. Mit Beschluss vom 28. November 2012 (Az.: 12 IN 142/06) erteilte das Amtsgericht Neubrandenburg dem Kläger die Restschuldbefreiung. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung der mit dem Bescheid vom 9. November 2007 festgesetzten Gebühren und weiterer Nebenforderungen auf und lud ihn zur Abgabe der Vermögensauskunft. Den gegen den Bescheid vom 9. November 2007 am 14. November 2016 erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2016 mit der Begründung zurück, dass der Widerspruch erst nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist erhoben worden sei.

5

Am 23. Dezember 2016 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2016 erhoben, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage beantragt. Der Kläger ist der Auffassung, ihm sei der Gebührenbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, da er bei dessen Erlass nicht mehr unter der im Bescheid angegebenen Adresse gewohnt habe. Wegen des durchgeführten Insolvenzverfahren und der erteilten Restschuldbefreiung schulde der Kläger die Gebühren nicht mehr. Außerdem sei er nicht Gebührenschuldner; das sei ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter beziehungsweise ab dem Verkauf des Grundstückes die Käuferin. Jedenfalls seien aber die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Gebühren - für das Jahr 2006 anteilig bis zum Tage der Verfahrenseröffnung - nicht mehr durchsetzbar.

6

Der Kläger beantragt nunmehr,

7

festzustellen, dass der Kläger aus dem Abwassergebührenbescheid vom 9. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2016 keine Leistung schuldet.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, die Feststellungsklage sei unzulässig, da der Kläger zur Wahrung seiner Rechte auf die Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen sei. Die begehrte Feststellung könne nicht beansprucht werden, weil der Gebührenbescheid bestandskräftig geworden sei und der Kläger die festgesetzten Gebühren auch bei Rechtswidrigkeit des Bescheides schulde. Mit Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 9. November 2007 sei der Kläger wegen der eingetretenen Bestandskraft ausgeschlossen.

11

Den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hat das Gericht mit Beschluss vom 17. Januar 2017 (- 3 B 2378/16 HGW -) abgelehnt. Mit Beschluss vom 25. April 2017 hat es den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens - 3 B 2378/16 HGW - sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

13

Der Rechtsstreit kann ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierzu mit Schriftsätzen vom 3. Februar 2017 und 27. März 2017 ihr Einverständnis erklärt haben, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II.

14

1. Das Gericht legt den Klageantrag im Hinblick auf das von dem Kläger formulierte Klageziel sachdienlich (§ 88 VwGO) dahingehend aus, dass er auf die Feststellung gerichtet ist, dass der Beklagte aus dem Gebührenbescheid vom 9. November 2007 nicht mehr gegen den Kläger vollstrecken kann.

15

2. Die dahin ausgelegte Klage ist zulässig und teilweise begründet.

16

a) Die erhobene Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

17

Bei der Einwendung, eine Forderung sei wegen einer dem Schuldner erteilten Restschuldbefreiung, § 286 Insolvenzordnung (InsO), nicht mehr gegen diesen vollstreckbar handelt es sich um eine materiell-rechtliche Einwendung, die im Grundsatz mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Zivilprozessordnung - ZPO) gelten zu machen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 25.09.2008 - IX ZB 205/06 -, juris Rn. 11). Will der Kläger, wie hier, diese Einwendung gegen einen unanfechtbar gewordenen Abgabenbescheid vorbringen, ist statthafter Rechtsbehelf die Feststellungsklage (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.05.1967 - VII C 69.65 -, juris Rn. 21 sowie m.w.N. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.05.2011 - OVG 10 B 7.10 -, juris Rn. 15). Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht hier - so aber der Beklagte - nicht die Subsidiarität deren aus § 43 Abs. 2 VwGO folgende Subsidiarität entgegen. Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 VwGO, der zufolge die Feststellung eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, ist ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden. Wo eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht droht, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1997 - 1 C 2/95 -, juris Rn. 25). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger macht den nachträglich entstandenen Einwand einer ihm erteilten Restschuldbefreiung geltend. Diesen hätte er im Rahmen der Anfechtung des Bescheides vom 9. November 2007 noch gar nicht geltend machen können, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Eine Umgehung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Gestaltungsklagen droht schon deshalb im vorliegenden Fall nicht. Darüber hinaus ist es dem Kläger nicht zumutbar, sich auf die Anfechtung von Vollstreckungsmaßnahmen verweisen zu lassen. Das würde den Kläger in die Gefahr einer unabsehbaren Vielzahl von Verfahren gegen Vollstreckungsmaßnahmen bringen; damit kann ihm effektiver Rechtsschutz nicht gewehrt werden. Zudem würde - anders als mit der hier erhobenen Feststellungsklage - die Frage der Undurchsetzbarkeit der Gebührenforderung keiner umfänglichen und abschließenden Klärung zugeführt. Sie wäre stets nur Vorfrage bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen. Der Kläger hat schließlich ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO). Der Beklagte berühmt sich hier der Durchsetzbarkeit der Forderung aus seinem Bescheid vom 9. November 2007 und hat den Kläger zuletzt mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 zur Zahlung aufgefordert und ihn zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen.

18

b) Die Klage ist begründet, soweit der Kläger festzustellen begehrt, dass die Gebührenforderung aus dem Bescheid des Beklagten vom 9. November 2007, nicht mehr gegen ihn vollstreckbar ist, soweit sie vor dem 15. Juni 2006 begründet worden sind. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

19

aa) Die Feststellung beruht auf § 111 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) und § 251 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO).

20

bb) Nach diesen Vorschriften ist ein Verwaltungsakt, der auf die Zahlung einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung gerichtet ist, vollstreckbar, wenn nicht seine Vollziehung ausgesetzt ist oder die Vollziehung durch eines Rechtsbehelfs gehemmt ist, wobei die Vorschriften der Insolvenzordnung unberührt bleiben. Der auf die Zahlung einer Abwassergebühr, also einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung, gerichtete Bescheid des Beklagten vom 9. November 2007 ist hiernach vollziehbar. Die Vollziehung ist nicht ausgesetzt. Der Bescheid ist zudem mit fruchtlosem Ablauf der Widerspruchsfrist bestandskräftig geworden, sodass ein gegen ihn erhobener Rechtsbehelf die Vollziehbarkeit nicht (mehr) hemmt. Der am 14. November 2016 erhobene Widerspruch steht dem genauso wenig entgegen, wie die vorliegende Klage. Denn der Widerspruch wurde, was selbst der Kläger bei Erhebung desselben eingeräumt hat, verspätet und erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist erhoben. Dass der Bescheid dem Kläger mit der Folge des Laufs der Widerspruchsfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bekanntgegeben worden ist, ergibt sich ohne Weiteres aus den Verwaltungsvorgängen, bei denen sich eine Schreiben der Stadtwerke A-Stadt befindet, wonach der Kläger am 28. November 2007 wegen des hier in Rede stehenden Bescheides am 26. November 2007 bei diesen vorgesprochen hat. Auf die Ausführungen in dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - 3 B 2378/16 HGW - vom 17. Januar 2017 wird Bezug genommen.

21

cc) Allerdings ist die Vollstreckung des Gebührenbescheides gegen den Kläger hier gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 AO gehindert, weil der Kläger durch die ihm erteilte Restschuldbefreiung von den bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Forderungen befreit ist (§ 286 InsO).

22

Die Erteilung der Restschuldbefreiung steht der Geltendmachung - mithin Vollstreckung - der Abgabenforderung entgegen (vgl. Neumann in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 130. Lieferung, § 251 AO, juris Rn. 213; Werth in: Klein, Abgabenordnung, § 251 Rn. 43). Erfasst sind dabei allerdings nur die Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten waren (§§ 286, 38 InsO). Forderungen aus einem Abgabeschuldverhältnis sind in diesem Sinne begründet, wenn der Abgabentatbestand vollständig verwirklicht ist (vgl. Bäuerle in: Braun, InsO, 7. Aufl. 2017, § 38 Rn. 31). Von einer Restschuldbefreiung erfasst werden deshalb nur Forderungen, deren Tatbestand bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt war, ohne dass es auf die Entstehung der Abgabe oder deren Fälligkeit ankommt (vgl. OVG Weimar, Beschl. v. 27.09.2006 - 4 EO 1283/04 -, juris Rn. 7 sowie VG Halle, Urt. v. 18.10.2012 - 4 A 74/12 -, juris Rn. 36). Das entspricht dem Sinn und Zweck des Insolvenzrechts, dem Insolvenzverfahren all jene Forderungen zuzuführen, die auf einem Verhalten des Insolvenzschuldners vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, und dem Insolvenzschuldner mit der Befreiung von diesen Forderungen einen neuen Start zu ermöglichen (§ 1 Satz 2 InsO). Einfluss hat der Insolvenzschuldner aber regelmäßig nur auf die Erfüllung des Abgabentatbestandes, nicht aber auf die - nur bei der vorangehenden Erfüllung des Abgabentatbestandes relevante - Entstehung der Abgabenschuld und die Fälligkeit derselben.

23

Dies zugrunde gelegt, handelt es sich bei den Gebührenforderungen für die Abrechnungszeiträume 13. November 2004 bis 31. Dezember 2004 und 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 um Insolvenzforderungen. Beide Abrechnungszeiträume liegen jeweils vollständig vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers durch Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 15. Juni 2006. Der Abgabentatbestand - Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zentrale öffentliche Abwasserentsorgung (§ 2 Abwassergebührensatzung der Stadt A-Stadt - AGS) - ist jeweils bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig erfüllt gewesen. Von diesen Forderungen ist der Kläger deshalb befreit.

24

Zu differenzieren ist allerdings hinsichtlich des Abrechnungszeitraumes 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006. Ausgehend von den soeben dargestellten Maßstäben ist die Gebühr für diesen Abrechnungszeitraum von der dem Kläger erteilten Restschuldbefreiung erfasst, soweit der sie begründende Tatbestand - Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zentrale öffentliche Abwasserentsorgung - vor Ergehen des Eröffnungsbeschlusses am 15. Juni 2006 erfüllt wurde. Dies gilt, obwohl die Gebührenschuld erst am Ende des Kalenderjahres entsteht (§ 8 Abs. 1 AGS). Denn diese Vorschrift regelt nicht den vom Kläger durch sein Verhalten zu erfüllenden Abgabentatbestand. Sie betrifft lediglich das Entstehen der konkreten Gebührenschuld. Auf diese kommt es für die Frage, wann ein Anspruch im Sinne von § 38 Abs. 1 InsO begründet ist, aber gerade nicht an. Daraus folgt, dass der Kläger auch von den Forderungen für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 15. Juni 2006 befreit ist.

25

Die Erteilung der Restschuldbefreiung ist schließlich nicht widerrufen worden (§ 303 InsO). Derartiges ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

26

dd) Mit seiner Einwendung, wegen des Eintritts der Bestandskraft des Bescheides vom 9. November 2007 sei die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht beachtlich, kann der Beklagte nicht durchdringen. Die eingetretene Bestandskraft mag den Beklagten zur Vollstreckung berechtigten, führt aber nicht zum Ausschluss - insbesondere nachträglich eingetretener - gesetzlich bestimmter Vollstreckungshindernisse.

27

Hingegen ist die vom Beklagten angeführte Bestandskraft hier in dem Maße von Bedeutung, als dass sie der Einwendung des Klägers, er sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehungsweise ab der Veräußerung des Hausgrundstückes nicht mehr Gebührenschuldner gewesen, entgegensteht. Diese Einwendungen führen allenfalls zur Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheides. Diese ist für die Vollstreckbarkeit aber nicht maßgeblich (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 16.12.2004 - 1 C 30/03 -, juris Rn. 15). Hinweise darauf, dass der in Rede stehende Bescheid nicht wirksam ist, hat das Gericht nicht. Er ist nicht nichtig [§ 12 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) in Verbindung mit § 125 Abs. 1 AO] und er ist dem Kläger, was bereits dargelegt wurde, bekanntgegeben worden (§ 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit § 124 Abs. 1 Satz 1 AO). In dem Umfang, wie die Gebührenforderung auf der Verwirklichung eines Abgabentatbestandes nach dem 15. Juni 2006 beruht, sind Gründe, die der Vollstreckung entgegenstehen, nicht gegeben.

28

ee) Nach alledem ist der Beklagte aus seinem Bescheid vom 9. November 2007 nur noch zur Vollstreckung von einem Betrag in Höhe von 1.478,02 Euro berechtigt. Das umfasst die Gebühren für den Zeitraum nach dem 15. Juni 2006 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von 701,08 Euro sowie für den Abrechnungszeitraum 1. Januar 2007 bis 28. Oktober 2007 in Höhe von 776,94 Euro. Das geht Gericht dabei davon aus, dass die Inanspruchnahme der zentralen Abwasserentsorgung im Abrechnungszeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 gleichmäßig erfolgte. Etwas anderes ist weder von den Beteiligten vorgetragen noch durch entsprechende (Zwischen)-Ablesewerte belegt. Deshalb kann die nur für das Gesamtjahr 2006 bestimmte Gebühr anteilig nach Tagen für den Zeitraum bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 15. Juni 2006 berechnet werden. Soweit der in Rede stehende Bescheid darüber hinaus Gebühren festsetzt, sind diese nicht mehr gegen den Kläger vollstreckbar.

III.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; sie entspricht den jeweiligen Unterliegensanteilen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Gründe, die die Zulassung der Berufung gebieten (§ 124a Abs. Abs. 1 Satz 1 VwGO), liegen nicht vor.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Die Vollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken, sobald

1.
die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 weggefallen sind,
2.
der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird,
3.
der Anspruch auf die Leistung erloschen ist,
4.
die Leistung gestundet worden ist.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 sind bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. Ist der Verwaltungsakt durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden, so gilt dies nur, soweit die Entscheidung unanfechtbar geworden ist und nicht auf Grund der Entscheidung ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen ist. Im Übrigen bleiben die Vollstreckungsmaßnahmen bestehen, soweit nicht ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet worden ist.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rückforderung einer Subvention von der dem Kläger erteilten Restschuldbefreiung erfasst wird.

2

Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Zuwendungsbescheid vom 27. Februar 1998 eine Finanzierungshilfe aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" über - umgerechnet - 23 519,43 € zur Errichtung einer Betriebsstätte und zur Schaffung eines Dauerarbeitsplatzes, der für einen Zeitraum von fünf Jahren nach Abschluss des Investitionsvorhabens nachzuweisen war. In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass die Bewilligung widerrufen werde und ausgezahlte Mittel zurückgefordert würden, wenn der Dauerarbeitsplatz nicht für mindestens den genannten Zeitraum vorhanden sei. Zur Verwirklichung des Vorhabens beschaffte sich der Kläger bis in den Herbst 1998 hinein verschiedene Investitionsgüter (letzte Rechnung: 17. November 1998).

3

Im März, spätestens aber im Mai 2003 stellte der Kläger den Geschäftsbetrieb ein. Das Amtsgericht Hanau eröffnete am 25. Februar 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers.

4

Mit Bescheid vom 19. August 2005 widerrief der Beklagte den Zuwendungsbescheid und forderte den Kläger zur Rückzahlung der ausgezahlten Mittel auf. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Kläger die Schaffung eines Dauerarbeitsplatzes nicht nachgewiesen habe und er daher davon ausgehen müsse, dass diese Fördervoraussetzung nicht erfüllt sei. Der Bescheid wurde am 31. Mai 2006 zugestellt, worauf der Kläger unter Verweis auf das Insolvenzverfahren Widerspruch erhob, der mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2006 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde unter anderem aus, das Investitionsvorhaben sei am 17. November 1998 abgeschlossen worden. Der Kläger habe seine selbstständige Tätigkeit bereits im März 2003 und damit innerhalb des Überwachungszeitraums eingestellt, so dass die Fördervoraussetzungen nicht erfüllt seien.

5

Das Amtsgericht Hanau erteilte dem Kläger nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode mit Beschluss vom 30. März 2010 Restschuldbefreiung gemäß § 300 der Insolvenzordnung (InsO). Parallel dazu forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung zur Zahlung der Rückforderungssumme auf und leitete nachfolgend die Vollstreckung ein.

6

Der hierauf erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben und festgestellt, dass die Vollstreckung aus dem Rückforderungsbescheid unzulässig sei. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und dazu ausgeführt: Die Vollstreckung der mit Bescheid vom 19. August 2005 titulierten Forderung sei dem Beklagten dauerhaft verwehrt, denn sie werde von der Restschuldbefreiung erfasst. Der Beklagte sei Insolvenzgläubiger, weil die Rückforderung einen Vermögensanspruch betreffe, der bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet gewesen sei. Hierfür genüge, dass der Gläubiger eine gesicherte haftungsrechtliche Anwartschaft erlangt habe. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch entstehe zwar erst mit Aufhebung des Zuwendungsbescheides, weil dieser Rechtsgrund des Behaltendürfens der Subvention sei. Insolvenzrechtlich sei jedoch regelmäßig ausreichend, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf des Zuwendungsbescheids gegeben, das Rückforderungs- oder Widerrufsermessen intendiert und damit die Rückforderung vorprogrammiert seien. Das sei hier der Fall, nachdem das Geschäft deutlich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben worden sei. Umstände, die dazu hätten führen können, das intendierte Ermessen abweichend auszuüben, seien nicht ersichtlich. Auf die Aufhebung des Zuwendungsbescheids sei nicht abzustellen. Anderenfalls stünde im Gutdünken der Behörde, das Insolvenzverfahren zu umgehen, obwohl der Gesetzgeber staatliche Privilegien habe weitgehend abschaffen wollen. Die Insolvenzordnung überlagere insoweit die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens. Die Rückforderung sei auch nicht mit einer Vorausleistungsforderung nach § 133 Abs. 3 BauGB vergleichbar. Ohne Bedeutung sei, dass der Beklagte von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Kenntnis gehabt und seine Forderung deshalb nicht angemeldet habe. Hierauf komme es nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung nicht an, was auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung könne jedermann von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis erlangen und müsse mit einer Restschuldbefreiung rechnen. Das gelte für den Beklagten besonders, nachdem der Kläger auf die Aufforderung nicht reagiert habe, Verwendungsnachweise vorzulegen.

7

Zur Begründung seiner Revision macht der Beklagte geltend, Voraussetzung der Rückforderung der Finanzierungshilfe sei die Aufhebung des Zuwendungsbescheides. Vorher sei ein Rückforderungsanspruch auch insolvenzrechtlich nicht begründet. Wann eine öffentlich-rechtliche Forderung im Sinne von § 38 InsO begründet sei, richte sich nach den Besonderheiten des Fachrechts. Von einem hinreichenden Schuldrechtsorganismus im Sinne einer gesicherten Anwartschaft könne hier erst gesprochen werden, wenn das Widerrufsermessen ausgeübt worden sei. Das mögliche Vorliegen eines fiktiven Widerrufstatbestands, von dessen Existenz die Behörde nicht wissen und zu dem sie folglich die erforderliche Ermessensentscheidung nicht treffen könne, genüge nicht. Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn die Ausübung des Ermessens intendiert sei. Beim Widerruf von Subventionsbescheiden sei ein Mindestmaß an Sachverhaltsaufklärung geboten, um überhaupt von einem Regelfall des intendierten Ermessens ausgehen zu können. Ein Rückforderungsanspruch sei deshalb frühestens begründet, wenn ein Widerrufsbescheid begründet sei. Das sei der Fall, wenn die Widerrufsvoraussetzungen gegeben seien, dies der Behörde bekannt sei und sie ihr Ermessen ausgeübt habe. Dabei dürfe die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht verkürzt werden. Ihm, dem Beklagten, sei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt geworden, dass der Kläger seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen sei. Gleiches gelte für den Widerrufsgrund der Zweckverfehlung, weil zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Sachverhalt nicht aufgeklärt gewesen sei. Zudem stütze sich das Berufungsgericht fälschlicherweise auf den Widerrufsgrund der Zweckverfehlung, denn diesen habe er gar nicht geltend gemacht. Vielmehr beruhe der Widerrufsbescheid darauf, dass der Kläger seine Mitteilungspflichten verletzt habe. Das Berufungsgericht tausche damit in unzulässiger Weise den Widerrufsgrund aus und komme nur so zur Annahme intendierten Ermessens. Die Auslegung von § 38 InsO durch das Berufungsgericht sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil anderenfalls die öffentliche Hand das Regime der Insolvenzordnung umgehen könne. Sie führe vielmehr dazu, dass sich Zuwendungsempfänger berechtigten Rückforderungen entziehen könnten. Auch schneide sie der Behörde Handlungsspielräume ab, die der Verwirklichung der Förderzwecke dienten.

8

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. Er verweist darauf, dass das Ermessen Rechtsfolge eines Widerrufstatbestands sei. Öffentlich-rechtliche Rückforderungen bezögen sich praktisch durchweg auf Leistungen, die auf Bewilligungsbescheiden beruhten. Die Insolvenzordnung könne umgangen werden, folge man der Argumentation des Beklagten.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses ist mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz der Auffassung, dass eine öffentlich-rechtliche Forderung, die auf der Rückforderung einer Subvention wegen Zweckverfehlung beruht, insolvenzrechtlich bereits dann begründet sei, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf des Zuwendungsbescheides gegeben seien. Ausreichend sei, dass von der Forderung ihrem Rechtsgrunde nach so viele Merkmale verwirklicht seien, dass der Gläubiger eine gesicherte Anwartschaft habe, der Schuldner ihr Entstehen also nicht mehr einseitig verhindern könne. Das Berufungsgericht habe zutreffend darauf abgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rückabwicklung der Subvention vorgelegen hätten, es hingegen nicht erforderlich sei, dass das vorgesehene Ermessen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt worden sei. Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens dürften nicht zur Disposition eines Gläubigers stehen. Nicht maßgeblich sei, ob der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt habe oder diese Tatsachen für ihn erkennbar gewesen seien. Spätestens mit der Bekanntmachung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte der Beklagte prüfen müssen, ob der Tatbestand der Zweckverfehlung erfüllt sei und eine Beteiligung am Verfahren in Betracht komme.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Vollstreckung des Rückforderungsanspruchs aus dem Bescheid vom 19. August 2005 steht die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung entgegen, da der Anspruch bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war und die Restschuldbefreiung damit auch gegenüber dem Beklagten wirkt.

11

Das Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung (InsO) vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 31. August 2013, BGBl. I S. 3533) dient der gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger des Insolvenzschuldners, die einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen ihn haben (Insolvenzgläubiger, § 1 Satz 1 und § 38 InsO). Es erfasst neben privatrechtlichen Ansprüchen auch Steuerforderungen, öffentliche Abgaben und sonstige öffentlich-rechtliche Forderungen, wie sich etwa aus § 55 Abs. 4 und § 185 InsO ableiten lässt und daraus folgt, dass der Gesetzgeber für diese Ansprüche jenseits der Insolvenzordnung keine insolvenzrechtlichen Sondervorschriften getroffen hat (zur Gesamtvollstreckungsordnung: BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 21.02 - Buchholz 316 § 35 VwVfG Nr. 54 S. 3). Das führt unter anderem dazu, dass die Träger der öffentlichen Verwaltung ihre Insolvenzforderungen nur nach Maßgabe der Insolvenzordnung geltend machen können (§ 87 InsO); damit ist der Erlass eines Leistungsbescheids während des Insolvenzverfahrens grundsätzlich unzulässig (BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 21.02 - Buchholz 316 § 35 VwVfG Nr. 54 S. 3 m.w.N., Beschlüsse vom 27. Mai 1997 - 3 B 151.96 - Buchholz 401.0 § 251 AO Nr. 1 und - 3 B 152.96 - Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 32; auch für die Aufhebung der Bewilligung einer Investitionszulage und Nichtigkeit annehmend: BFH, Urteile vom 16. April 2013 - VII R 44/12 - BFHE 241, 291 Rn. 17 ff., 21, vom 31. Januar 2012 - I S 15/11 - BFH/NV 2012, 989 Rn. 8 und vom 24. August 2004 - VIII R 14/02 - BFHE 207, 10 <15> m.w.N.). Das ist hier allerdings ohne Bedeutung, weil das Insolvenzverfahren - wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt - jedenfalls vor Zustellung des Widerrufs- und Rückforderungsbescheids vom 19. August 2005 sowie Erlass des Widerspruchsbescheids aufgehoben worden war.

12

Die dem Kläger gemäß § 300 InsO erteilte Restschuldbefreiung hat zur Folge, dass die Forderungen der Insolvenzgläubiger nicht mehr erzwingbar sind und sich in unvollkommene Verbindlichkeiten wandeln (§ 301 Abs. 3 InsO). Entsprechend steht sie der Vollstreckung des Rückforderungsanspruchs aus dem Widerrufs- und Rückforderungsbescheid entgegen (§ 257 Abs. 1 AO i.V.m. § 5a BlnVwVfG und § 5 Abs. 1 VwVG). Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der erst mit dem Bescheid gemäß § 49a Abs. 1 VwVfG entstandene und festgesetzte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne von § 38 InsO begründet war und der Beklagte damit Insolvenzgläubiger ist.

13

Der Begriff des "begründeten" Vermögensanspruchs dient dazu, die als Insolvenzforderungen vom Insolvenzverfahren erfassten Verbindlichkeiten gegenüber nicht berücksichtigungsfähigen Rechtspositionen, Neuschulden und insbesondere Masseverbindlichkeiten abzugrenzen. Die Restschuldbefreiung knüpft hieran an, denn sie wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger (§ 301 Abs. 1 Satz 1 InsO). Unter welchen Voraussetzungen ein Vermögensanspruch im Sinne von § 38 InsO begründet ist, ist insolvenzrechtlich zu bestimmen (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Oktober 2005 - VII B 309/04 - BFH/NV 2006, 369 - juris Rn. 6 und BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 - 7 C 22.03 - BVerwGE 122, 75 <79>). Auf der Grundlage des einschlägigen öffentlichen Rechts ist nur zu beantworten, ob bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens diese Voraussetzungen erfüllt waren.

14

Begründet ist ein Anspruch nicht erst dann, wenn er bereits entstanden ist. Auch ein Anspruch, der noch nicht fällig (betagt) ist oder dessen Entstehung vom Eintritt einer zeitlichen Voraussetzung abhängen soll (befristeter Anspruch) und selbst ein Anspruch, der erst mit dem Eintritt einer Bedingung entsteht, ist gemäß §§ 41, 42, 191 InsO bereits begründet. Allerdings soll es der Gemeinschuldner nicht in der Hand haben, die Schuldenmasse zu vermehren. Ein Anspruch, der vom Eintritt einer Bedingung abhängt, die allein im Willen des Gemeinschuldners steht, ist daher vor Bedingungseintritt nicht begründet (§ 81 Abs. 1 Satz 1 InsO; vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 88; Lüdtke, in: ‌ HK-InsO, 5. Aufl. 2015, § 38 Rn. 33). Umgekehrt gilt, dass ein Anspruch nicht erst dann begründet ist, wenn ein für seine Entstehung notwendiges Gestaltungsrecht durch den Gläubiger ausgeübt wurde, etwa eine Kündigung ausgesprochen ist (BGH, Urteile vom 18. April 2002 - IX ZR 161/01 - BGHZ 150, 305 <312> und vom 6. November 1978 - VIII ZR 179/77 - BGHZ 72, 263 <266>; zur Insolvenzanfechtung vgl. BFH, Beschluss vom 1. April 2008 - X B 201/07 - ZIP 2008, 1780 Rn. 16 f.). Aufschiebend bedingte Forderungen, die in diesem Sinne eine haftungsrechtliche Anwartschaft des Gläubigers begründen, sind als Insolvenzforderungen zu berücksichtigen (vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 87; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rn. 33). Allgemein gilt, dass ein Anspruch begründet ist, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt ist. Das Schuldverhältnis - der so genannte Schuldrechtsorganismus, der die Grundlagen des Anspruchs bildet - muss bestanden haben, auch wenn sich hieraus der Anspruch erst später ergibt (BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - IX ZB 129/03 - ZInsO 2005, 537 <538> m.w.N.; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rn. 26; Ehricke, in: MüKoInsO, 3. Aufl. 2013, § 38 Rn. 16; Bornemann, in: FK-InsO, 7. Aufl. 2013, § 38 Rn. 14; Lüdtke, in: HK-InsO, 5. Aufl. 2015, § 38 Rn. 30). Mit anderen Worten muss der Rechtsgrund seiner Entstehung bereits gelegt sein (BFH, Urteil vom 11. November 1993 - XI R 73/92 - ZIP 1994, 1286 <1287> und Beschluss vom 1. April 2008 - X B 201/07 - ZIP 2008, 1780 Rn. 17).

15

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des § 49a VwVfG entsteht, wenn der Verwaltungsakt, der der Leistung zugrunde liegt, mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden und damit der Rechtsgrund der Leistung beseitigt ist (§ 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG; BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 1997 - 3 B 152.96 - Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 32). Das geschah hier erst nach der Insolvenzeröffnung mit Zustellung des Widerrufsbescheids am 31. Mai 2006. Der Anspruch war bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht deshalb entstanden, weil der Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgte. Die Notwendigkeit, im Insolvenzverfahren die Insolvenzgläubiger bestimmen zu können, schließt es aus, die Rückwirkung des Widerrufs zu berücksichtigen. Ebenso wenig lässt sich die Annahme eines begründeten Anspruchs allein darauf stützen, dass der Widerrufsgrund der Zweckverfehlung zum Tatbestand und das Ermessen zur Rechtsfolge des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG gehört. Denn der Erstattungsanspruch gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG setzt den Widerruf und damit sowohl einen Widerrufsgrund als auch die Ermessensausübung für seine Entstehung voraus.

16

Obwohl der Erstattungsanspruch somit seinerzeit noch nicht entstanden war, war er dennoch bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, weil auf der Grundlage des mit dem Zuwendungsbescheid vom 27. Februar 1998 entstandenen Rechtsverhältnisses der Widerrufsgrund der Zweckverfehlung gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG mit der vorzeitigen Geschäftsaufgabe gegeben war und damit die den Erstattungsanspruch materiell begründenden Umstände eingetreten waren. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Widerrufsgrund der Zweckverfehlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegeben war, nachdem die Zuwendung zu dem Zweck der Schaffung eines mindestens fünf Jahre währenden Dauerarbeitsplatzes bewilligt worden war, der Geschäftsbetrieb aber spätestens im Mai 2003 eingestellt und damit die notwendige Dauerhaftigkeit des geschaffenen Arbeitsplatzes nicht erreicht worden war. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

17

Die Regelung zum Widerruf eines Verwaltungsakts wegen Zweckverfehlung gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG geht auf § 44a BHO zurück und beruht auf der Aussage, dass die Rückforderung von Haushaltsmitteln in Fällen der Zweckverfehlung möglich sein müsse (BT-Drs. 13/1534 S. 5). In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass wegen des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Zuwendungen, die ihren Zweck verfehlen, im Regelfall das Widerrufsermessen nur durch Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden kann (Urteil vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <58>). Dem liegt zugrunde, dass der Erstattungsanspruch materiell von der Zweckverfehlung getragen wird und keiner weiteren rechtfertigenden Umstände bedarf. Das auf dieser Grundlage auszuübende Ermessen ermöglicht es, im Einzelfall vom Widerruf und damit der Rückforderung abzusehen, und hat somit eine potentiell rechtsvernichtende Funktion. Jenseits der rechtlichen Bindungen des Ermessens liegt es auch nicht mehr in der Hand des Gläubigers, den Widerruf zu verhindern. Es kommt daher nicht darauf an, dass das Ermessen ausgeübt wurde, um den Erstattungsanspruch im Sinne von § 38 InsO zu begründen. Dementsprechend hängt die Begründung des Anspruchs auch nicht von einem wirksamen Widerrufsbescheid ab. Ob jenseits des vom Berufungsgericht herangezogenen Widerrufsgrunds weitere Widerrufsgründe vorgelegen haben und inwieweit der Beklagte seinen Widerruf auf diese Gründe gestützt hat, ist danach nicht weiter erheblich.

18

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist damit aber auch ohne Bedeutung, ob die Ermessensausübung im Einzelfall intendiert ist. Abgesehen von der Problematik des für eine hypothetische Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkts und Sachverhalts betrifft das intendierte Ermessen allein die Frage, welche Anforderungen an die Ermessensentscheidung zu stellen sind. Entscheidend ist jedoch, dass das Ermessen des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG lediglich ermöglicht, vom Widerruf abzusehen, der Widerruf jedoch seinen ihn tragenden Grund im tatbestandlichen Vorliegen des Widerrufsgrunds der Zweckverfehlung findet.

19

Dies unterscheidet den Widerruf eines Zuwendungsbescheides zugleich von Vorausleistungsansprüchen auf den Erschließungsbeitrag, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat. Dass die Voraussetzungen vorliegen, die nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB dazu ermächtigen, Vorausleistungen zu verlangen, genügt nicht, um bereits ein konkretes Schuldverhältnis zwischen Gemeinde und potentiell Beitragspflichtigem zu begründen. Die vom Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 26. Januar 2010 getroffene Aussage, dass eine Vorausleistungsforderung erst mit einem Vorausleistungsbescheid begründet worden dein dürfte (OVG 9 S 1.09 - NVwZ-RR 2010, 494), lässt sich daher - anders als teilweise angenommen (vgl. Bäuerle, in: Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, § 38 Rn. 5; Ehricke, in: MüKoInsO, 3. Aufl. 2013, § 38 Rn. 17 a.E.) - nicht ohne Weiteres verallgemeinern und nicht auf den hier in Rede stehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch übertragen.

20

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass es auf die Kenntnisse des Beklagten nicht ankommt.

21

Die Kenntnis des Widerrufsgrunds ist nicht notwendig, damit ein Erstattungsanspruch im Sinne von § 38 InsO begründet ist. Das folgt allerdings nicht schon aus der Reichweite der Restschuldbefreiung. Sie erfasst Forderungen zwar auch dann, wenn sie nicht angemeldet wurden (§ 301 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das kann aber auch andere Ursachen als die fehlende Kenntnis von den Widerrufsvoraussetzungen haben. Darüber hinaus trifft es zu, dass der Erstattungsanspruch erst entsteht, wenn der Zuwendungsbescheid widerrufen ist, was die Kenntnis des Widerrufsgrunds voraussetzt. Die verwaltungsverfahrensrechtliche Notwendigkeit des Widerrufs rechtfertigt es jedoch nicht, anders als für den entsprechenden zivilrechtlichen Kondiktionsanspruch der ungerechtfertigten Bereicherung wegen Nichterreichen des bezweckten Erfolgs, den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erst mit der Kenntnis des Widerrufsgrunds als begründet zu erachten und damit im Ergebnis zu privilegieren. Dafür bietet die Insolvenzordnung keine Grundlage. Auch allgemein gilt, dass der anspruchsbegründende Sachverhalt vorliegen muss, Kenntnis hiervon aber nicht erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund ist auch die Entscheidungsfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG ohne Bedeutung, ganz abgesehen davon, dass im Insolvenzverfahren die speziellen Vorschriften der Insolvenzordnung für die Geltendmachung von Insolvenzforderungen maßgeblich sind.

22

Damit kommt es auch für die Restschuldbefreiung, die mit Ausnahme der in § 302 InsO genannten Verbindlichkeiten alle Insolvenzforderungen erfasst (§ 301 Abs. 1 Satz 1 InsO), nicht auf die Kenntnis der eine Insolvenzforderung begründenden Umstände an. Ebenso wenig hängt die Wirkung der Restschuldbefreiung von der Kenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat und von dem Beklagten nicht weiter infrage gestellt wird. Jenseits des Schutzes, den § 826 BGB in den Fällen gewährt, in denen der Insolvenzschuldner einen Anspruch eines Gläubigers bewusst zur Erreichung der Restschuldbefreiung verschweigt, hat der Gesetzgeber dem Interesse der Rechtssicherheit einer umfassenden Restschuldbefreiung Vorrang gegenüber Erwägungen der materiellen Gerechtigkeit gegeben (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - IX ZR 24/10 - WM 2011, 271 Rn. 19 ff.). Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht, zumal der Beklagte eigenständig in der Lage gewesen wäre, nicht nur von der Bekanntmachung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch vom Vorliegen des Widerrufsgrunds Kenntnis zu erlangen.

23

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger nach dem Zuwendungsbescheid und dessen allgemeinen Nebenbestimmungen verpflichtet war, einen Insolvenzantrag und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unverzüglich mitzuteilen. Auch wenn sich aus einer Pflichtverletzung im Subventionsverhältnis ein Schadensersatzanspruch ergeben kann, wäre ein solcher Anspruch hier lediglich eine Insolvenzforderung, für die die Restschuldbefreiung gelten würde. Eine Ausnahme hiervon sieht die Insolvenzordnung lediglich für Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vor (§ 302 Nr. 1 InsO), die entsprechend angemeldet wurden (§ 174 Abs. 2 InsO). Abgesehen davon, dass es hier nicht um die Befreiung von einem solchen Schadensersatzanspruch geht, kennt die Insolvenzordnung als Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung zudem lediglich die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Einwand des Beklagten, er habe im Rahmen des Insolvenzverfahrens keine Möglichkeit mehr, die Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs förderpolitisch zu steuern. Er trifft bereits tatsächlich nicht zu, denn es bleibt in der Hand des Beklagten, die Forderung anzumelden und im weiteren Verfahren geltend zu machen.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Juni 2014 wird abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid der Beschwerdeführerin vom 12. Juli 2010 wird, soweit es sich nicht um vor dem 21. Oktober 2011 erlangte dingliche Sicherheiten handelt, vorläufig bis zur Entscheidung über das Hauptsacheverfahren (Az. RO 4 K 14.979) für unzulässig erklärt.

II.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV.

Der Streitwert wird in Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses für beide Instanzen auf je 7.376 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2010, mit dem sie als Komplementärin der J. KG als Haftende für die von der KG nicht beglichenen Gewerbesteuern in Anspruch genommen worden war.

Sie trägt dazu vor, ihr sei nach einem in Großbritannien durchgeführten Insolvenzverfahren mit Beschluss des englischen High Court of Justice, Insolvenzgericht, vom 21. Oktober 2011 die Restschuldbefreiung erteilt worden. Diese entfalte auch gegenüber dem Anspruch der Antragsgegnerin aus dem Haftungsbescheid vom 12. Juli 2010 Wirkung, so dass die zeitlich später in Form eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Antragsgegnerin vom 29. April 2014 bzw. 13. Mai 2014 durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahme bezüglich eines möglichen Auszahlungsanspruchs der Antragstellerin gegenüber der Landesjustizkasse Bamberg aus einer Hinterlegung in Höhe von 1.200 Euro unzulässig sei.

Ihren Antrag nach § 123 VwGO, die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin aus dem vorgenannten Haftungsbescheid einstweilen für unzulässig zu erklären, deutete das Verwaltungsgericht Regensburg in einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des nach Aktenlage am 25. August 2010 gegen den Haftungsbescheid eingelegten, noch nicht verbeschiedenen Widerspruchs mit Wirkung vom 21. Oktober 2011 um, gab dem so ausgelegten Antrag mit Beschluss vom 17. Juni 2014 statt und setzte den Streitwert auf die Hälfte der im Haftungsbescheid bezifferten Geldforderung in Höhe von 118.010 Euro, d. h. auf 59.005 Euro fest.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin unter dem 2. Juli 2014 Beschwerde erhoben. Die vom Verwaltungsgericht entgegen dem ausdrücklichen Willen der Antragstellerin vorgenommene Umdeutung des Rechtsschutzziels der Antragstellerin sei unzulässig. Diese wende sich im vorliegenden Verfahren ausdrücklich nicht gegen den Haftungsbescheid als solchen, sondern nur gegen die Vollstreckung hieraus, soweit eine solche nach Erteilung der Restschuldbefreiung erfolge. Die Antragsauslegung des Verwaltungsgerichts sprenge alle von der Verwaltungsgerichtsordnung gezogenen Grenzen. Im Übrigen werde ein Haftungsbescheid, der - wie vorliegend - rechtmäßig erlassen worden sei, nicht durch eine später erteilte Restschuldbefreiung rechtswidrig. Insoweit sei eher zu überlegen, dass die Vollstreckung aus dem rechtmäßigen Haftungsbescheid möglicherweise ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zulässig sein sollte. Über diesen - tatsächlich so gestellten - Antrag habe das Verwaltungsgericht jedoch nicht entschieden. Dieser Antrag sei abzulehnen.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen zwar die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im erfolgten Umfang. Letztendlich ist aber dem einstweiligen Rechtsschutzantrag der Antragstellerin stattzugeben, so dass die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdeziel, den Antrag der Antragstellerin abzulehnen, nicht durchdringt.

1. Der Antragsgegnerin ist allerdings darin beizupflichten, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene „Interpretation“ des Eilantrags weder geboten noch zulässig war. Gemäß § 88 VwGO ist das Gericht an das erkennbare Rechtsschutzziel gebunden. Wesentlich ist dafür der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 88 Rn. 2). Zwar darf die Auslegung auch bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt vom Antragswortlaut abweichen; andererseits legitimiert § 88 VwGO den Richter nicht, „den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie - nach Meinung des Richters - zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (Kopp/Schenke, a. a. O., § 88 Rn. 3 m. w. N.). Dabei ist bei einem von einem Rechtsanwalt gestellten Antrag in der Regel ein strengerer Maßstab anzuwenden; die Umdeutung von Anträgen ist hier nur ausnahmsweise möglich.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend ein Verstoß gegen § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO.

Mag das Rechtsschutzziel der Antragstellerin in dem Antragsschriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 21. Mai 2014 möglicherweise noch nicht in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen sein, so haben die Bevollmächtigten dies in ihrem Schreiben vom 5. Juni 2014 jedenfalls klargestellt: Mit dem ausdrücklich als Antrag nach § 123 VwGO bezeichneten vorläufigen Rechtsmittel wendet sich die Antragstellerin gegen die nach Erteilung der Restschuldbefreiung (21.10.2011) von der Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid vom 12. Juli 2010 mit der Begründung, die Restschuldbefreiung stehe einer - weiteren - Durchsetzung des (vermeintlich) titulierten Anspruchs der Antragsgegnerin entgegen. Die bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung bereits erfolgten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Eintragungen von Zwangssicherungshypotheken) würden - wie die Antragstellerbevollmächtigten ausdrücklich darlegen - durch die Restschuldbefreiung nicht tangiert und seien nicht Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Dementsprechend beziffern die Bevollmächtigten der Antragstellerin deren derzeitiges Rechtsschutzinteresse auf 1.200 Euro, nachdem sich die beanstandete Zwangsvollstreckungsmaßnahme der Antragsgegnerin nach dem Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung bisher auf diesen Betrag beschränkt hat (vgl. S. 5 des Schriftsatzes vom 5. Juni 2014).

Die Antragstellerin wendet sich somit erkennbar und ausdrücklich ausschließlich gegen die nach Erteilung der Restschuldbefreiung betriebene bzw. noch zu befürchtende Vollstreckung aus dem Haftungsbescheid.

Zwar hätte sich die Antragstellerin gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 29. April 2014 auch im Wege der Anfechtungsklage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Wehr setzen können, da dieser eine Maßnahme der Vollstreckung mit Verwaltungsaktqualität darstellt.

Der Antragstellerin geht es aber erkennbar nicht darum, nur diese konkrete Vollstreckungshandlung der Antragsgegnerin und damit lediglich einen einzelnen Vollstreckungsverwaltungsakt anzugreifen. Vielmehr wendet sie sich gegen die Vollstreckung ab dem 21. Oktober 2011 schlechthin. Statthafter Rechtsbehelf für ein solches Begehren ist in der Hauptsache die (vorbeugende) Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO (vgl. dazu OVG LSA, B. v. 3.4.2007 - 2 M 53/07 - juris Rn. 4 m. w. N.; VGH BW, U. v. 24.2.92 - 5 S 2520/91 - juris Rn. 27; B. v. 16.11.2011 -3 S 1317/11 - juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg, U. v. 2.4.2014 - OVG 6 B 16.12 - juris Rn. 14) und im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO. Dem Rückgriff auf die Vollstreckungsabwehrklage in entsprechender Anwendung von § 767 ZPO steht der durch § 173 VwGO normierte Vorrang der Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung entgegen (vgl. VGH BW, U. v. 24.2.1992, a. a. O. m. w. N.).

Das Begehren der Antragstellerin ist vorliegend darauf gerichtet, die weitere Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid insgesamt vorläufig einzustellen. Vor diesem Hintergrund ist weder eine Auslegung noch eine Umdeutung des Antrags erforderlich.

2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO liegen vor, so dass die Beschwerde der Antragsgegnerin in der Sache keinen Erfolg haben kann.

Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin ohne Beachtung der zwischenzeitlich erfolgten und von der Antragstellerin geltend gemachten Erteilung der Restschuldbefreiung die - weitere - Vollstreckung des Haftungsbescheides vom 12. Juli 2010 betreibt, indem sie mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 29. April 2014 eine weitere konkrete Vollstreckungsmaßnahme ergriffen und damit deutlich gemacht hat, dass sie von der weiteren Vollstreckbarkeit ihrer Forderung ausgeht.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Zwar hat die Erteilung der Restschuldbefreiung, wie die Antragsgegnerin richtig ausführt, keinen Einfluss auf Rechtmäßigkeit oder Bestand des bereits zuvor ergangenen Haftungsbescheides.

Die Antragstellerin hat aber einen Anspruch auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung hinreichend glaubhaft gemacht. Denn die von ihr vorgelegten notariell beglaubigten Abschriften der Entlastungsbescheinigung (certificate of discharge) des High Court of Justice - bankruptcy court - London vom 22. Dezember 2011 lassen es zumindest im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in ausreichender Weise als wahrscheinlich erscheinen, dass eine Restschuldbefreiung ab dem 21. Oktober 2011 als dauerhaftes Vollstreckungshindernis vorliegt und damit einer - weiteren - Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid vom 12. Juli 2010 entgegensteht. Ob den vorgelegten Unterlagen diese Rechtswirkung tatsächlich zukommt (ablehnend LG Berlin, U. v. 10.1.2013 - 12 O 317/11 - juris Rn. 28ff.

m. w. N.), wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Dabei wird, erforderlichenfalls unter Einholung eines Sachverständigengutachtens, der Frage nachzugehen sein, wie das Insolvenzverfahren in England abläuft, welche Forderungen Gegenstand dieses Verfahrens waren und ob der „discharge from her Bankruptcy“ des High Court of Justice in London vom 21. Oktober 2011 tatsächlich die vollständige Entschuldungswirkung hat, die die Antragstellerin ihm beimessen will.

Eine Restschuldbefreiung (auch durch Beschluss eines ausländischen Insolvenzgerichts) führt zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zum Erlöschen der von ihr erfassten Ansprüche, jedoch zu deren Umgestaltung, d. h. zur Entstehung einer sogenannten unvollkommenen Verbindlichkeit, die weiterhin zwar erfüllbar, aber nicht (weiter) erzwingbar ist (vgl. dazu BGH, B. v. 25.9.2008 -IX ZB 205/06 - juris Rn. 11 m. w. N., ebenfalls zu einer Erteilung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des High Court of Justice in London). Diese Umgestaltung der Forderung bewirkt einen materiell-rechtlichen Einwand, der vorliegend im Rahmen einer (vorbeugenden) Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO verfolgt werden kann (s. o.).

Die Beitreibung der im Haftungsbescheid vom 12. Juli 2010 festgesetzten Summe wäre damit - unabhängig von der hier nicht zu entscheidenden Frage, ob der Bescheid der Antragstellerin ordnungsgemäß zugestellt worden ist oder nicht -jedenfalls dann, wenn die Forderung der Antragsgegnerin aus dem Haftungsbescheid von der Entschuldungswirkung des „discharge from bankruptcy“ erfasst wäre, nicht mehr zulässig, weil der Antragsgegnerin dann die (weitere) Zwangsvollstreckung aus diesem Bescheid dauerhaft verwehrt wäre (vgl. auch OVG Berlin-Bbg, v. 2.4.2014, a. a. O., Rn. 15).

Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den Umständen der Zustellung des Haftungsbescheides sind im vorliegenden Verfahren somit nicht entscheidungserheblich. Die bereits vor Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgte Eintragung der Zwangshypotheken ist ausdrücklich nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs (1/16 des Betrages der der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Forderung).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

8
Die Formulierung des Art. 16 Abs. 1 EuInsVO ("durch ein nach Art. 3 zuständiges Gericht") ist nicht dahingehend zu verstehen, dass im Anerkennungs- staat zu prüfen ist, ob das Gericht für die Verfahrenseröffnung zuständig war. Dies verbietet der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. die 22. Begründungserwägung zur EuInsVO). Dieser verlangt, dass die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten die Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anerkennen, ohne die vom ersten Gericht hinsichtlich seiner Zuständigkeit angestellte Beurteilung überprüfen zu können (EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, C-341/04, Eurofood IFSC Ltd, Slg. 2006, I-3813 Rn. 38 ff; vom 21. Januar 2010, C-444/07, MG Probud Gdynia sp. z o.o., Slg. 2010, I-00417 Rn. 29). Dies gilt auch für die Anerkennung der zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen im Sinne des Art. 25 Abs. 1 EuInsVO (EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010, aaO Rn. 30 ff).

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Feuerwehrgebühren.

2

Der Kläger betreibt ein Fuhrunternehmen. In den Abendstunden des 10. Januar 2005 befuhr einer seiner Mitarbeiter mit einem mit Getreideschrot beladenen Sattelzug die Bundesstraße 196 in Zirkow, OT Serams, in Richtung Sellin. Beim Abbiegen in einer Buswendeschleife rutschte der Auflieger in den Graben.

3

Bei der Bergung des Fahrzeugs kamen u. a. Fahrzeuge, Gerätschaften und Personal der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Lancken-Granitz (FFW Lancken-Granitz) sowie – im Rahmen der Nachbarschaftshilfe – der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Ostseebad Binz (FFW Binz) zum Einsatz.

4

Mit Bescheid über den Kostenersatz und die Gebührenerhebung für Hilfe- und Dienstleistungen der Feuerwehr vom 09. Mai 2005 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für den Einsatz eine Gebühr in Höhe von insgesamt 8.584,97 EUR fest. Dabei entfielen auf den Einsatz der FFW Lancken-Granitz 1.330,75 EUR, auf den der FFW Binz 7.254,22 EUR. Der Einsatz sei gemäß § 26 Brandschutzgesetz kostenpflichtig. Die Kosten ergäben sich aus den Gebührensatzungen der FFW Lancken-Granitz und der FFW Binz. Der Einsatz der FFW Binz sei im Rahmen der kostenpflichtigen Amtshilfe erfolgt. Dem Bescheid war als Anlage die „Kostenaufstellung“ der Gemeinde Binz als Bestandteil des Bescheides beigefügt. Insoweit war zuvor der hinsichtlich des Einsatzes der FFW Binz festgesetzte Kostenanteil mit entsprechendem Betrag vom Bürgermeister der Gemeinde Ostseebad Binz gegenüber der Gemeinde Lancken-Granitz mit Bescheid vom 03. Mai 2005 geltend gemacht worden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der bei der Gerichtsakte befindlichen Bescheide vom 03. und 09. Mai 2005 verwiesen. Die in der Gebührensatzung für die Dienstleistung der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Lancken-Granitz (FwGS L-G) vom 14. April 2003 und in der Satzung über die Erhebung von Gebühren für Dienstleistungen der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Ostseebad Binz (FwGS Binz) vom 26. August 2008 jeweils in einem Gebührenverzeichnis normierten Gebührensätze beruhen in beiden Fällen auf Kalkulationen, die die entsprechenden Kosten für die jeweiligen Gerätschaften etc. auf die Zahl der jeweiligen – kostenpflichtigen und nicht kostenpflichtigen – Jahres-Einsatzstunden umgelegt haben. Für die weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen (Beiakten B und C) vorhandenen Kalkulationen verwiesen. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2005 zurück.

5

Am 21. September 2005 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Greifswald Anfechtungsklage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Feuerwehrgebührensatzungen der Gemeinden Lancken-Granitz und Ostseebad Binz seien jeweils mangels ordnungsgemäßer Gebührenkalkulation unwirksam. Es dürften nicht die betriebswirtschaftlich ermittelten Jahreskosten, sondern nur die Kosten des konkreten Einsatzes berücksichtigt werden. Der angegriffene Gebührenbescheid sei wegen eines Missverhältnisses von Leistung und Gebühr unverhältnismäßig.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 09. Mai 2005 – 37205/14-02/05 – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 29. August 2005 aufzuheben.

8

Der Beklagte hat den angegriffenen Bescheid verteidigt und beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Nach entsprechendem Übertragungsbeschluss hat das Verwaltungsgericht durch den Einzelrichter mit dem angefochtenen Urteil vom 11. März 2008 den Bescheid des Beklagten vom 09. Mai 2005 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 29. August 2005 aufgehoben und dabei die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet, der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Er könne – was die Kosten der FFW Lancken-Granitz angehe – weder auf die Gebührensatzung für die Dienstleistung der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Lancken-Granitz vom 14. April 2003 noch auf die Bestimmungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB) bzw. § 70a i.V.m. § 114 SOG M-V gestützt werden. Dies gelte auch für die Kosten der FFW Binz. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V dürften Abgaben nur aufgrund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Die Feuerwehrgebührensatzung der Gemeinde Lancken-Granitz weise jedoch mangels ordnungsgemäßer Gebührenkalkulation keine wirksamen Gebührensätze auf. Die Satzung sei damit unvollständig im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V und damit insgesamt unwirksam. Die den Gebührensätzen zugrunde liegende Gebührenkalkulation verstoße gegen § 26 Abs. 2 Satz 1 Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz M-V (BrSchG). Nach dieser Vorschrift seien für andere, d.h. entgeltliche Einsätze und Leistungen der öffentlichen Feuerwehr die Kosten nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen oder nach örtlichen Gebührenvorschriften zu erstatten. Bei der Ermittlung dieser Kosten habe die Gemeinde grundsätzlich die Wahl zwischen den beiden in § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG normierten Möglichkeiten. Allerdings seien von § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG nur die durch den konkreten Feuerwehreinsatz bedingten Kosten gemeint. Dabei seien zwei Kostengruppen zu unterscheiden, einerseits Kosten, die Folgen konkreter Feuerwehreinsätze seien, und andererseits Kosten, die unabhängig von den Einsätzen anfielen. Bei der zweiten Kostengruppe handele es sich um sogenannte Vorhaltekosten für die Sachgüter, die gleichmäßig das ganze Jahr anfielen, unabhängig davon, ob es zu Pflichteinsätzen komme oder nicht. Auch diese Kosten seien für den Zeitraum, in dem kostenerstattungsfähige Einsätze gefahren würden, durch den Einsatz verursacht und damit grundsätzlich erstattungsfähig. Bei der Ermittlung der Vorhaltekosten sei aber zu berücksichtigen, dass § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG einen eigenständigen Kostenerstattungsanspruch enthalte. Damit sei ein vollständiger Rückgriff auf die Bestimmungen für die Kalkulation einer Benutzungsgebühr in § 6 KAG M-V ausgeschlossen. Insoweit sei jedenfalls der Ansatz der Maßstabseinheiten der Gebührenkalkulation in Ansehung der Vorhaltekosten fehlerhaft. Es liege ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Abgabengerechtigkeit vor. Denn die Kosten für Fahrzeuge und Gerätschaften der FFW Lancken-Granitz würden auf die Jahres-Einsatzstunden der jeweiligen Fahrzeuge und Gerätschaften umgelegt. Dies sei unzulässig, denn dabei werde nicht berücksichtigt, dass die Gemeinde nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. a BrSchG verpflichtet sei, den abwehrenden Brandschutz und die technische Hilfeleistung in ihrem Gebiet sicher zu stellen und dabei insbesondere eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige öffentliche Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten, zu unterhalten und einzusetzen. Diese Verpflichtung bestehe ganzjährig, auch wenn die Fahrzeuge und Gerätschaften (glücklicherweise) nur relativ selten zum Einsatz kommen müssten. Maßstab könnten daher nicht die Jahres-Einsatzstunden, sondern nur die Jahresstunden sein. Damit habe die Aufteilung der Vorhaltekosten nach dem Verhältnis der Jahresstunden zur einzelnen Einsatzstunde im Verhältnis 1 : (24 x 365) zu erfolgen; eine Umlegung dieser Kosten nur auf sämtliche Einsatzstunden sei unzulässig. Das Gericht verkenne dabei nicht, dass die Befolgung dieser Maßgaben zu einer erheblichen Absenkung des Gebührenaufkommens bei der Feuerwehrgebühr führe. Doch nur diese Berechnungsweise führe zu einer gerechten Abrechnung der Kosten, die der Leistungsstärke und den tatsächlich anfallende Betriebskosten der jeweiligen Fahrzeuge gerecht werde. Denn die Höhe des Stundentarifes eines Fahrzeugs dürfe nicht von der Häufigkeit seines Einsatzes abhängen, sondern müsse entscheidend auf den durch den Einsatz konkret entstehenden Kosten basieren. Ansonsten könne es zu dem unbilligen Ergebnis kommen, dass der Stundentarif für ein größeres und teureres Fahrzeug niedriger sein könne als für ein leistungsschwächeres, das nur wenige Male im Jahr eingesetzt werde. Das Risiko, wie häufig ein Feuerwehrfahrzeug zum Einsatz komme, könne nicht auf die Personengruppen abgewälzt werden, für die in § 26 Abs. 2 BrSchG nur ausnahmsweise eine Kostenerstattungspflicht vorgesehen sei. In Ansehung der Kosten der FFW Lancken-Granitz könne der Bescheid auch nicht als Bescheid über einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 BGB teilweise aufrechterhalten werden. Dies sei bereits deshalb nicht möglich, weil es jedenfalls an der Ermächtigung des Beklagten fehle, den Anspruch durch Verwaltungsakt festzusetzen. Eine Umdeutung in einen Bescheid über die Kosten einer unmittelbaren Ausführung gemäß § 70a i.V.m. § 114 SOG M-V scheide ebenfalls aus. Denn nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG bestehe in Ansehung des Kostenerstattungsanspruchs ein Wahlrecht der Gemeinde. Dieses Wahlrecht habe die Gemeinde Lancken-Granitz mit dem Erlass der Feuerwehrgebührensatzung dergestalt ausgeübt, dass die Kostenerstattung auf satzungsrechtlicher Grundlage im Sinne der zweiten Variante der Vorschrift erfolgen solle. Hierbei handele es sich um eine Art „Regimeentscheidung“, die einen Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundlagen nicht nur bei Wirksamkeit der Gebührensatzung, sondern auch dann ausschließe, wenn sich die Gebührensatzung als unwirksam erweise.

11

In Ansehung der Kosten der FFW Binz scheide ein Rückgriff auf das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag aus den bereits erwähnten Gründen ebenfalls aus. Zweifelhaft sei jedoch, ob die Bestimmungen der §§ 70a i.V.m. § 114 SOG M-V herangezogen werden könnten. Dies bedürfe aber keiner Vertiefung. Denn es bestehe kein Kostenerstattungsanspruch der Gemeinde Ostseebad Binz gegen die Gemeinde Lancken-Granitz, der auf den Kläger abgewälzt werden könnte. Zum einen sei die Feuerwehrgebührensatzung der Gemeinde Ostseebad Binz vom 26. August 2008 ebenfalls unwirksam. Die Kalkulation des Gebührentarifs leide an dem gleichen Fehler wie die Kalkulation des Gebührentarifs der Feuerwehrgebührensatzung Lancken-Granitz. Auch sie verteile die Vorhaltekosten unzulässig auf die Einsatzstunden der Fahrzeuge und Gerätschaften. Zum anderen komme – bei unterstellter Wirksamkeit der Satzung – ein Erstattungsanspruch der Gemeinde Ostseebad Binz gegen die Gemeinde Lancken-Granitz nur im Umfang des § 4 Abs. 2 FwGS in Betracht. Die danach erstattungsfähigen Kosten seien aber in dem Bescheid vom 03. Mai 2005 nicht angegeben. Stattdessen würden die Gebührensätze für die eingesetzten Löschfahrzeuge, Sonderfahrzeuge, sonstigen Fahrzeuge und der Personalaufwand abgerechnet. Die Gebührensätze umfassten jedoch vornehmlich Vorhaltekosten, die nach § 4 Abs. 2 FwGS Binz im Verhältnis der Gemeinden gerade nicht erstattungsfähig seien. Etwas anderes folge schließlich nicht aus dem Umstand, dass die Gemeinde Ostseebad Binz ihren vermeintlichen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Gemeinde Lancken-Granitz mit wohl bestandskräftigem Bescheid vom 03. Mai 2005 festgesetzt und damit eine eigenständige Anspruchsgrundlage geschaffen habe. Denn dieser Bescheid sei auch dann offensichtlich rechtswidrig, wenn man die Wirksamkeit der Feuerwehrgebührensatzung Binz unterstelle, weil nach § 4 Abs. 2 FwGS Binz Vorhaltekosten zwischen den Gemeinden nicht und die Kosten des konkreten Einsatzes nur insoweit erstattungsfähig seien, als sie den Betrag von 1.000,00 EUR überstiegen. Es wäre daher die Sache des Beklagten gewesen, gegen den Bescheid Widerspruch einzulegen und seine Aufhebung herbeizuführen. Unterlasse er dies, könne er sich nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Rechtsgedanken aus §§ 242 und 254 Abs. 1 BGB gegenüber dem Kläger nicht darauf berufen, selbst zur Kostenerstattung herangezogen worden zu sein. Die Berufung sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

12

Das Urteil ist dem Beklagten am 18. März 2008 zugestellt worden. Er hat am 18. April 2008 dagegen Berufung eingelegt. Mit am 09. Mai 2008 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat er beantragt, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Mai 2008 zu verlängern, was antragsgemäß geschehen ist. Am 29. Mai 2008 hat er nochmals die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. Juni 2008 beantragt. Nach entsprechender Verlängerung hat er mit am 13. Juni 2008 eingegangenem Schriftsatz seine Berufung begründet.

13

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben, der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtmäßig, die Feuerwehrgebührensatzungen der Gemeinden Lancken-Granitz und Ostseebad Binz seien nicht aufgrund fehlerhafter Kalkulationen unwirksam. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts verkenne, dass schon theoretisch eine Nutzung sämtlicher Einsatzgeräte gleichzeitig zu jeder Jahresstunde aus verschiedenen Gründen gar nicht denkbar sei. So müssten z. B. notwendige Übungszeiten, Wartungszeiten, etc. ebenso berücksichtigt werden wie die Tatsache, dass eine freiwillige Feuerwehr einer kleinen Gemeinde nicht über die Personalressourcen verfüge, um Einsätze „rund um die Uhr“ zu gewährleisten. Dies würde jedoch die Berechnungsmethode nach Jahreszeitstunden denknotwendig voraussetzen. Zudem werde der Tatsache, dass die Geräte und Fahrzeuge im Rahmen des Gebrauchs durch eine kleine freiwillige Feuerwehr wesentlich seltener zum Einsatz kämen, als dies bei einer in ständiger Bereitschaft stehenden Berufsfeuerwehr der Fall sei, bereits durch eine vergleichsweise längere Nutzungs- und Abschreibedauer der Geräte Rechnung getragen. Dadurch verringerten sich folglich die jährliche Abschreibesumme und mithin die Kosten einer Einsatzstunde. Das Aufgabengebiet der Freiwilligen Feuerwehr umfasse gerade nicht ausschließlich kostenfreie Einsätze, sondern eben auch solche, die (auch) den privaten Interesse dienten und kostenerstattungspflichtig seien. Auch dafür müsse eine freiwillige Feuerwehr hinreichend ausgerüstet sein, insbesondere in Gebieten, in denen private Unternehmen, die über ähnliche notwendige Technik verfügten, nur dünn angesiedelt seien. Für diese Einsätze müssten nach alledem aber auch die realistischen Kosten des Einsatzes geltend gemacht werden können. Eine Berechnung, bei der nicht die konkreten Jahres-Einsatzstunden eines Gerätes, sondern die Jahreszeitstunden zugrunde gelegt würden, würde dazu führen, dass es für den Bürger wesentlich kostengünstiger wäre, bei privatem Interesse am Einsatz der Geräte einen Feuerwehreinsatz auszulösen, als ein privates Unternehmen zu beauftragen. Dies könne die Effektivität des Brandschutzes gefährden. Eine Kostenkalkulation, die die Erfahrungswerte der konkret ermittelten durchschnittlichen Jahres-Einsatzstunden jedes individuellen Gerätes zugrunde lege, sei realitätsnah und ohne Willkür. Aufgrund derselben Erfahrungswerte würde auch über die Anschaffung neuer Geräte und deren Abschreibungsdauer entschieden. Ausschließlich eine diese Punkte berücksichtigende Kalkulation könne den individuellen Gegebenheiten im jeweiligen Einsatzgebiet einer Feuerwehr Rechnung tragen. Inwieweit ein Rückgriff auf die Bestimmungen für die Kalkulation einer Benutzungsgebühr gemäß § 6 KAG M-V ausgeschlossen sein solle, weil dies dem Charakter des Erstattungsanspruchs nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG widerspräche, erschließe sich nicht. Hilfsweise komme eine Umdeutung der geltend gemachten Kosten in solche einer unmittelbaren Ausführung nach § 70a i.V.m. § 114 SOG M-V in Betracht. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BrSchG bestehe für die Gemeinde ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen oder nach einer örtlichen Gebührenordnung. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass dabei keine Wahl im Sinne einer bindenden Regimeentscheidung zwischen einer Geltendmachung der Kosten auf privatrechtlichem oder öffentlich-rechtlichem Wege getroffen werden müsse. Eine bewusste Entscheidung, als Rechtsgrundlage allgemeine öffentlich-rechtliche Vorschriften auszuschließen, habe die Gemeindevertretung dabei nicht getroffen und dies für den Fall einer Satzungsunwirksamkeit auch nicht gewollt. Aus der Sicht des Bescheidadressaten mache es „verfahrenstechnisch“ keinen Unterschied, auf welche öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlage sich der Bescheid stütze.

14

Auch die Kosten der FFW Binz seien folglich zu Recht festgesetzt worden. Dass die Gemeinde Lancken-Granitz in ihrer Satzung eine Kostenerstattung lediglich für die „aktive“, nicht aber die „passive“ Löschhilfe geregelt habe, lasse nicht den Schluss zu, dass eine Abwälzung der Kosten der „passiven“ Löschhilfe nicht gewollt sei. In § 5 FwGS L-G werde gerade geregelt, dass Kostenschuldner bei nachbarschaftlicher Löschhilfe – die auch andere technische Hilfeleistung mit umfasse – die anfordernde Gemeinde sei. Es sei demnach an der Hilfe stellenden Gemeinde, die bei ihr angefallenen Kosten auf Grundlage ihrer eigenen Satzung und der entsprechenden Gebührenkalkulation bzw. nach allgemeinen Vorschriften zu beziffern. Es sei gerade nicht anzunehmen, dass eine anfordernde Gemeinde anschließend auf den entsprechenden Kosten „sitzen bleiben“ und diese nicht ihrerseits auf den ursprünglichen Kostenschuldner umwälzen wolle. Eine Geltendmachung nach § 70a i.V.m. § 114 SOG M-V gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG sei somit möglich. Die von der Gemeinde Ostseebad Binz geltend gemachten Gebührenposten der Löschhilfe seien auch von § 4 Abs. 2 FwGS Binz umfasst. Selbst für den Fall, dass die Aufzählung in § 4 Abs. 2 FwGS als abschließend angesehen würde, seien doch die Gebührensätze für die eingesetzten Löschfahrzeuge und anderen Gerätschaften als Betriebsmittel mit umfasst. Die Kostenberechnung für den Einsatz der Betriebsmittel erfolge dann richtigerweise auf der Grundlage der in dieser Gemeinde festgeschriebenen Gebührensätze, auch gegenüber einer anderen Gemeinde. Dabei schließe § 4 Abs. 2 FwGS auch die Geltendmachung von Vorhaltekosten nicht aus. Es könne für den Verursacher des kostenerstattungspflichtigen Einsatzes im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob er selbst für einen notwendigen Einsatz die Feuerwehren zweier Gemeinden beauftrage, oder eine Feuerwehr die andere bei der Erledigung der notwendigen Hilfeleistungen um Unterstützung gebeten habe.

15

Der Beklagte beantragt,

16

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. März 2008 die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Der Kläger trägt vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei nicht zu beanstanden. Der Beklagte verkenne, dass insbesondere unter Berücksichtigung der für einzelne Gerätschaften sicherlich geringen Einsatzzeit im Laufe eines Jahres gerade für den Fall, in dem ein solches Gerät im Rahmen eines erstattungspflichtigen Einsatzes Verwendung finde, der Gebührenschuldner in einer Höhe in Anspruch genommen werde, die in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Abnutzung des Gerätes durch den Einsatz und zu den daraus resultierenden Kosten stehe. Ein Gebührenschuldner, der unglücklicherweise für den ihn betreffenden Einsatz ein bestimmtes Gerät benötige, welches ansonsten über das Jahr nicht zum Einsatz komme, müsse dann den größten Anteil an den Vorhaltekosten tragen. Angesichts § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. a) BrSchG sei jedoch die Heranziehung eines Gebührenpflichtigen in der hier vorliegenden Höhe nicht nur unbillig, sondern aufgrund des Verstoßes gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verfassungswidrig. Im Hinblick auf die Kosten der FFW Binz argumentiere der Beklagte, dass für die Kostenberechnung der eingesetzten Betriebsmittel richtigerweise die von der Gemeinde aufgrund der entsprechenden Kalkulation ermittelten Gebührensätze auch gegenüber der anfordernden Gemeinde gelten sollten. Dies sei in Ansehung des § 4 Abs. 2 FwGS Binz nicht nachvollziehbar. Es wäre unbillig, den Kostenschuldner wegen der Tatsache, dass die von ihm beauftragte Feuerwehr nicht über die technischen Hilfsmittel verfüge, um eine geforderte Hilfeleistung zu erbringen, ausgerechnet auch für die Gebühren der angeforderten Hilfe einschließlich der darin enthaltenen anteiligen Vorhaltekosten in Anspruch zu nehmen. Im Hinblick auf die Frage der Regimeentscheidung mache es für den Adressaten einen Unterschied, ob er sich gegen eine Gebührensatzung oder gegen allgemeine öffentlich-rechtliche Vorschriften zu wenden hätte. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit für den Bürger habe sich die Gemeinde im Vorfeld mit den Möglichkeiten der Gebührenerhebung auseinanderzusetzen und sich für eine Variante zu entscheiden. Nichts anderes schreibe § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG vor.

20

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge und die beigezogene Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Greifswald Az. 3 B 1970/05, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, sowie auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

22

Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Berufung vom Verwaltungsgericht durch den Einzelrichter wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden ist. Auch wenn die Zulassung der Berufung durch den Einzelrichter wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache mit Blick auf die Systematik der §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO und den relativ kurz vor der erstmaligen Ladung zur mündlichen Verhandlung liegenden Zeitpunkt des Übertragungsbeschlusses Fragen aufwerfen mag, ist jedenfalls das Oberverwaltungsgericht § 124a Abs. 1 Satz 2 VwGO an die Zulassung gebunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.03.2005 – 6 C 8.04 –, juris; Urt. v. 28.09.2004 – 1 C 10.03 –, BVerwGE 122, 94 – zitiert nach juris; Urt. v. 29.07.2004 – 5 C 65.03 –, BVerwGE 121, 292, 294 ff.).

23

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet, der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

24

Das Verwaltungsgericht hat seinem Urteil zutreffend zugrunde gelegt, dass der angefochtene Bescheid über den Kostenersatz und die Gebührenerhebung für Hilfe- und Dienstleistungen der Feuerwehr vom 09. Mai 2005 rechtwidrig ist, weil er hinsichtlich der Kosten der FFW Lancken-Granitz weder auf die Gebührensatzung für die Dienstleistung der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Lancken-Granitz (FwGS L-G) vom 14. April 2003 noch auf die Bestimmungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB) bzw. auf § 70a i.V.m. § 114 SOG M-V gestützt werden kann (1.) und es auch der Festsetzung der Kosten der FFW Binz an einer wirksamen Rechtsgrundlage ermangelt (2.).

25

1. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich zunächst als rechtswidrig, soweit in ihm Kosten der FFW Lancken-Granitz in Höhe von 1.330,75 EUR festgesetzt worden sind. Hierfür existiert keine – wirksame – Rechtsgrundlage.

26

a) Die Feuerwehrgebührensatzung der Gemeinde Lancken-Granitz vom 14. April 2003, auf die der Bescheid in Ansehung der Kosten der FFW Lancken-Granitz gestützt ist, kommt als wirksame Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Mangels ordnungsgemäßer Kalkulation enthält sie keine rechtmäßige Festsetzung des Abgabensatzes und ist infolgedessen unwirksam.

27

Die grundsätzliche Ermächtigung für die Gemeinde Lancken-Granitz, eine Feuerwehrgebührensatzung erlassen zu dürfen, folgt aus § 26 Abs. 2 Satz 1 Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz M-V (BrSchG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 03. Mai 2002 (GVOBl. M-V, S. 254; zuletzt geändert durch Gesetz v. 17.03.2009, GVOBl. M-V, S. 282). Für andere (als die in Abs. 1 genannten) Einsätze und Leistungen der öffentlichen Feuerwehren sind auf dieser Grundlage die Kosten nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen oder nach örtlichen Gebührenregelungen zu erstatten.

28

Bei der Feuerwehrgebührensatzung der Gemeinde Lancken-Granitz vom 14. April 2003 handelt es sich ohne Weiteres um eine solche örtliche Gebührenregelung, die allerdings rechtmäßig bzw. wirksam sein müsste, um auf ihrer Grundlage die entsprechenden Gebühren erheben zu dürfen.

29

Da die Gemeinden nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BrSchG den abwehrenden Brandschutz und die Technische Hilfeleistung in ihrem Gebiet als Aufgaben des eigenen Wirkungskreises sicherzustellen haben, handelt es sich bei den gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG als Kostenersatz zu erhebenden Feuerwehrgebühren um andere Abgaben, die von den in den Absätzen 1 und 2 genannten kommunalen Körperschaften im Bereich der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V aufgrund anderer Gesetze erhoben werden. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V gilt das KAG M-V folglich auch für Feuerwehrgebühren, die aufgrund örtlicher Gebührenregelungen erhoben werden, allerdings nur, soweit in den anderen Gesetzen keine eigenen Regelungen enthalten sind (Satz 2). § 1 Abs. 3 KAG a. F. regelte in gleicher Weise, dass das vormalige Kommunalabgabengesetz auch für Steuern, Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben, die von den Abgabenberechtigten aufgrund anderer Gesetze erhoben werden, soweit in diesen keine eigenen Regelungen enthalten sind, galt. Mit Blick auf die inhaltlich übereinstimmenden Vorschriften des § 1 Abs. 3 KAG a. F. bzw. § 1 Abs. 4 KAG M-V bedarf es keiner näheren Betrachtung, welche der beiden Bestimmungen letztlich vorliegend maßgebend ist.

30

Demnach dürfen Feuerwehrgebühren gemäß § 2 Abs. 1 KAG/KAG M-V nur auf Grund einer Satzung erhoben werden. Dies entspricht der Regelungsalternative in § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG, wonach – soll oder kann keine Erstattung nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen erfolgen – Kosten für andere (als die in Abs. 1 genannten) Einsätze und Leistungen der öffentlichen Feuerwehren (nur) nach örtlichen Gebührenregelungen – also insbesondere Satzungen – zu erstatten sind. Daraus folgt zugleich, dass die als Rechtsgrundlage herangezogene Satzung wirksam sein muss.

31

Da die Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG/KAG M-V u. a. den Satz der Abgabe angeben muss, führt das Fehlen der entsprechenden – wirksamen – Angabe zur Unwirksamkeit der Satzung. Die Festsetzung des Abgabensatzes bzw. die Ermittlung der Höhe desselben bedarf einer ordnungsgemäßen Kalkulation. Die Festsetzung ist unwirksam bzw. es fehlt an einer Mindestvoraussetzung für die Wirksamkeit der Satzung, wenn die Kalkulation bzw. Ermittlung der Höhe des Abgabensatzes in für die Abgabenhöhe wesentlicher Weise, insbesondere erheblich methodisch fehlerhaft ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, LKV 2005, 75; Beschl. v. 25.01.2010 – 1 L 19/08 –).

32

Die Kalkulation der Gebührensätze in der Feuerwehrgebührensatzung Lancken-Granitz ist in erheblicher Weise methodisch fehlerhaft, die Festsetzung der Gebührensätze in ihrem Gebührenverzeichnis und damit die Satzung insgesamt folglich unwirksam.

33

Hinsichtlich der Kalkulation der Gebührensätze in dieser Satzung ist in den Blick zu nehmen, dass die Kosten der Fahrzeuge und ebenso die Kosten für verschiedene Geräte der Feuerwehr, wie sie im Gebührenverzeichnis (vgl. § 4 Abs. 1 FwGS L-G) als „Lösch- und Hilfeleistungsgeräte“ aufgelistet sind (seitens der Feuerwehr Lancken-Granitz sind konkret das Löschfahrzeug TSF-W und das Notstromaggregat zum Einsatz gekommen), auf die jeweiligen jährlichen Einsatzstunden des betreffenden Fahrzeugs bzw. Geräts umgelegt werden. Dabei variiert die Zahl der jeweils maßgeblichen Einsatzstunden erheblich: Einerseits weist die Kalkulation etwa für die Tragkraftspritze 30 Einsatzstunden aus, andererseits z. B. für einen Trennschleifer nur fünf Einsatzstunden. Diesen Berechnungsmodus hat das Verwaltungsgericht – ebenso das Verwaltungsgericht Schwerin in einem vergleichbaren Fall (Urt. v. 13.08.2009 – 4 A 277/07 –, juris) – zutreffend als rechtswidrig bewertet.

34

Das Verwaltungsgericht verweist zunächst darauf, dass § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG der Gemeinde die Möglichkeit gebe, zwischen den beiden dort genannten Möglichkeiten der Kostenerstattung eines entgeltpflichtigen Feuerwehreinsatzes zu wählen. Im ersteren Fall – Kostenerstattung nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen – seien die durch den Feuerwehreinsatz entstandenen Kosten im Einzelnen zu ermitteln und konkret zu berechnen, im letzteren Fall – Kostenerstattung nach örtlichen Gebührenregelungen – könne die Gemeinde in einer Satzung Pauschalbeträge festlegen, die sich allerdings der Höhe nach in etwa an den tatsächlichen Kosten messen lassen müssten. Eine solche Wahlmöglichkeit setzte freilich voraus, dass überhaupt allgemeine gesetzliche Bestimmungen existieren, die die Erstattung der Kosten eines entgeltpflichtigen Feuerwehreinsatzes regeln. Soweit das Verwaltungsgericht hier ausdrücklich die §§ 70a, 114 SOG M-V heranzieht, vermag der Senat hierin keine solchen allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu erkennen, die vorliegend als Rechtsgrundlage einer Kostenerstattung für den Einsatz der FFW Lancken-Granitz in Betracht kämen. Die zuständige oberste Landesbehörde hat keine entsprechende Rechtsverordnung erlassen (vgl. § 114 Abs. 2 Satz 1 SOG M-V). Hinsichtlich der Anwendung des Verwaltungskostengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 04. Oktober 1991 (GVOBl. M-V, S. 366; vgl. § 114 Abs. 2 Satz 2 SOG M-V) ist auf dessen § 1 Abs. 2 Nr. 1 zu verweisen, der u. a. bestimmt, dass dieses Gesetz nicht für die Kosten in Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden gilt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BrschG haben die Gemeinden jedoch den abwehrenden Brandschutz und die Technische Hilfeleistung gerade als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises sicherzustellen. Darüber hinaus sind nach Maßgabe des Verwaltungskostengesetzes die Gebührensätze sowohl für Verwaltungs- als auch für Benutzungsgebühren durch Verordnung zu bestimmen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1, § 23 Abs. 1 VwKostG M-V). Eine solche Verordnung fehlt in Ansehung der Kosten eines entgeltpflichtigen Feuerwehreinsatzes; insbesondere ist die Kostenverordnung über Kosten im Geschäftsbereich des Innenministeriums vom 18. August 2004 (GVOBl. M-V, S. 446) nicht einschlägig (vgl. § 1 KostVO IM M-V) bzw. enthält diese keinen Kostentarif für entgeltpflichtige Feuerwehreinsätze.

35

Dem Verwaltungsgericht ist allerdings im Ergebnis darin zu folgen, dass § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG dem Aufgabenträger in den dort – und in Satz 2 der Norm – genannten Fällen einen Aufwendungserstattungsanspruch für die tatsächlich angefallenen Kosten eines konkreten Feuerwehreinsatzes gewährt bzw. auf den Ausgleich der durch den einzelnen Einsatz der Feuerwehr verursachten Kosten beschränkt ist. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, demzufolge „Kosten für Einsätze zu erstatten sind“, nicht jedoch Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung Feuerwehr erhoben werden, die die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung – unabhängig vom konkreten Einsatz – wie Benutzungsgebühren decken sollen, wobei Kosten die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten wären (vgl. § 6 Abs.1, 2 KAG/KAG M-V). Entsprechend lautet die Überschrift der Vorschrift „Kostenersatz“ (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 22.06.2011 – 11 A 2434/10 –, juris Rn. 19, zum niedersächsischen Recht).

36

Vor diesem Hintergrund bedarf es einer differenzierten Betrachtung, um welche Art von Kosten, die in die Kalkulation des Abgabensatzes einfließen sollen, es sich handelt und wie diese methodisch ordnungsgemäß berücksichtigt werden können, damit der Aufwendungserstattungsanspruch im Ergebnis auf die tatsächlich angefallenen Kosten eines konkreten Feuerwehreinsatzes beschränkt bleibt.

37

Nach § 25 Abs. 1 BrSchG haben u. a. die Gemeinden die Kosten für die ihnen nach dem Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz M-V obliegenden Aufgaben zu tragen. Dabei sind zwei Kostengruppen zu unterscheiden: Zum einen sind Kosten zu verzeichnen, die unmittelbar Folge konkreter Feuerwehreinsätze sind, also die tatsächlich bei einem konkreten Feuerwehreinsatz angefallenen Personal- und Sachkosten wie Kraftstoffverbrauch, Reinigung, Entsorgung und Ersatz für verbrauchtes Material bzw. beschädigte oder unbrauchbar gewordene Geräte usw. Die andere Kostengruppe bilden die Kosten, die unabhängig von konkreten Feuerwehreinsätzen "generell" anfallen, die folglich als so genannte Vorhaltekosten für die Sachgüter entstehen und die gleichmäßig das ganze Jahr anfallen, um die öffentliche Einrichtung "Feuerwehr" vorzuhalten, also z. B. das Feuerwehr(geräte)haus. Auch diese Kosten sind für den Zeitraum, in dem kostenerstattungsfähige Einsätze gefahren werden, durch den Einsatz verursacht und damit grundsätzlich erstattungsfähig (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 13.08.2009 – 4 A 277/07 –, juris; Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2011, § 6 Anm. 20).

38

Eine weitergehende, über den Zeitraum, in dem kostenerstattungsfähige Einsätze gefahren werden, hinausgehende Beteiligung an den durch das ständige Vorhalten der Feuerwehreinrichtung bedingten Kosten scheidet dagegen aus. Der auf den konkreten Feuerwehreinsatz bezogene Kostenersatz stellt, auch wenn er in Gebührenform auf der Grundlage einer Gebührenregelung geltend gemacht wird, keine Benutzungsgebühr im Sinne des § 6 KAG/KAG M-V dar, bei der auch eine Beteiligung an den durch das ständige Vorhalten der Einrichtung verursachten Kosten stattfindet. Vorhaltekosten können bei der Abrechnung der Kosten eines Feuerwehreinsatzes nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie zum Werteverbrauch zählen, der konkret mit der Leistungserbringung des einzelnen Feuerwehreinsatzes verbunden ist. Als Teil der durch den konkreten Leistungsverbrauch während des Feuerwehreinsatzes verursachten "verbrauchsabhängigen" Kosten ist also nur der Anteil der Vorhaltekosten ansatzfähig, der auf die konkrete Leistungserbringung entfällt. Die durch § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG eröffnete Alternative zwischen Kostenerstattung "nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen" und Kostenerstattung "nach örtlichen Gebührenregelungen" bedeutet nicht etwa, dass sich die auf der Grundlage einer Gebührenregelung bzw. -satzung erhobene Feuerwehrgebühr als Benutzungsgebühr im Sinne des § 6 KAG/KAG M-V darstellen würde. Das Gesetz ermächtigt die Gemeinden mit der genannten Alternative lediglich dazu, ihre nach den gesetzlichen Bestimmungen des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes M-V begründeten Kostenerstattungsansprüche im Rahmen ihrer Satzungsgewalt als eigenständigen öffentlich-rechtlichen Anspruch in einer Gebührensatzung zu konkretisieren. Das aber ändert nichts an der grundsätzlichen Beschränkung auf Kostenersatz im Sinne der Kosten, die konkret auf den jeweiligen Feuerwehreinsatz entfallen (vgl. zum Ganzen VGH Kassel, Beschl. v. 22.07.2008 – 5 B 6/08 –, juris Rn. 4; VGH Mannheim, Beschl. v. 16.11.2010 – 1 S 2401/09 –, juris; VGH München, Urt. v. 18.07.2008 – 4 B 06.1839 –, BayVBl. 2009, 149 – zitiert nach juris).

39

Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 3 KAG bzw. § 1 Abs. 4 KAG M-V auch für die Erhebung sonstiger bzw. anderer Abgaben eine Geltung des KAG/KAG M-V vorschreiben, folgt nichts Abweichendes. Beide Bestimmungen stehen ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass in den anderen Gesetzen keine anderen Regelungen getroffen sind. Im vorstehenden Sinne sind jedoch insbesondere gegenüber § 6 KAG/KAG M-V im Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz M-V andere Regelungen getroffen worden. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht insoweit darauf hingewiesen, dass die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes über § 1 Abs. 3 KAG bzw. § 1 Abs. 4 KAG M-V nur insoweit anwendbar sind, als diese dem Charakter dieses Erstattungsanspruchs nicht widersprechen (vgl. ebenso OVG Koblenz, Urt. v. 18.11.2004 – 12 A 11382/04 –, KStZ 2006, 152, 153 – zitiert nach juris). Die Gemeinde hat als örtlicher Aufgabenträger nach den grundlegenden Regelungen der §§ 2 Abs. 1, 25 Abs. 1 und 26 Abs. 1 BrSchG die Kosten der Einsätze ihrer Feuerwehr zu tragen. Ausnahmen hiervon sind in § 26 Abs. 2 BrSchG ausdrücklich normiert. Für Dritte ist der Einsatz der Feuerwehr nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen kostenpflichtig. Aus dieser selektiven Regelung von Erstattungsansprüchen, die jeweils eine besondere Zurechnung des Einsatzes oder der Erforderlichkeit der Vorhaltung bzw. Übung mit der Kostenerstattungspflicht verbinden, folgt die Finanzierung der allgemeinen Vorhaltung der Feuerwehr aus Mitteln des Aufgabenträgers (vgl. OVG Koblenz, a. a. O.).

40

Die Gemeinde Lancken-Granitz hätte demnach nicht, wie aus der Beschlussvorlage zur Gebührensatzung ersichtlich, bei der Festlegung der Gebührensätze für die von ihrer Freiwilligen Feuerwehr erbrachten Leistungen eine Kalkulation wie für Benutzungsgebühren im Sinne des § 6 KAG vornehmen dürfen. Ebenso ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass die Kosten für Fahrzeuge und Gerätschaften der FFW Lancken-Granitz in der Kalkulation unzulässig auf die Jahres-Einsatzstunden der jeweiligen Fahrzeuge und Gerätschaften umgelegt worden sind. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass die Gemeinde nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. a BrSchG verpflichtet ist, den abwehrenden Brandschutz und die Technische Hilfeleistung in ihrem Gebiet sicher zu stellen und dabei insbesondere eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige öffentliche Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten, zu unterhalten und einzusetzen. Diese Verpflichtung besteht ganzjährig, auch wenn die Fahrzeuge und Gerätschaften nicht ständig bzw. nur relativ selten zum Einsatz kommen müssen. Die Kosten der Vorhaltung der Fahrzeuge und Gerätschaften einer Freiwilligen Feuerwehr können deshalb nicht vollständig auf die vergleichsweise geringe Zahl ihrer Jahres-Einsatzstunden umgelegt werden. Eine solche Berechnungsmethode berücksichtigte nicht, dass das Vorhalten einer leistungsfähigen öffentlichen Feuerwehr auch außerhalb der konkreten Einsatzstunden einen Wert bzw. Nutzen beinhaltet, der der Allgemeinheit zugute kommt und der von großem öffentlichem Interesse ist. Der Vorteil einer jederzeit einsatz- und leistungsfähigen Feuerwehr bzw. die jederzeit eröffnete Möglichkeit, die Feuerwehr einzusetzen, besteht nicht nur in dem vergleichsweise kurzen Zeitraum der Einsatzphasen, sondern permanent über das gesamte Jahr. Folglich kann er auch hinsichtlich der Vorhaltekosten nicht nur auf diesen beschränkten Zeitraum umgelegt werden. Dies zeigt auch folgende Überlegung: Wäre im Idealfall z. B. der vorbeugende Brandschutz (vgl. § 1 Abs. 1 BrSchG) in einem Jahr so erfolgreich, dass in einer Gemeinde kein Einsatz des abwehrenden Brandschutzes notwendig und auch keine Technische Hilfeleistung erforderlich wird, so könnten auf der Grundlage der Kalkulationsmethode der Satzung rechnerisch mangels Einsatzzeiten keinerlei Vorhaltekosten auf konkrete Einsatzstunden umgelegt werden. Sämtliche Vorhaltekosten wären dann von der Allgemeinheit zu tragen. Dies wäre auch sachgerecht bzw. „vorteilsgerecht“, da das Wesen der öffentlichen Einrichtung Feuerwehr darin liegt, dass ihre Vorhaltung zwar einerseits für Brandfälle und Fälle der Technischen Hilfeleistung notwendig ist, sie andererseits im Idealfall aber nie zum Einsatz kommen muss. Der Umstand, dass es abweichend von diesem Idealfall zu Einsätzen kommt, rechtfertigt es dann nicht, die gesamten Vorhaltekosten auf die wenigen – im Umfang zufälligen – Einsatzstunden umzulegen und so den für die Allgemeinheit bestehenden Vorteil bzw. Nutzen auf Kosten weniger – in erheblichem Umfang – zu privatisieren.

41

Demnach können die Vorhaltekosten entsprechend der Vorteilslage und methodisch systemgerecht nur dergestalt in die Kalkulation der Gebührensätze eingehen, dass diese die das ganze Jahr über bestehende Vorteilslage zu Gunsten der Allgemeinheit bzw. den Umstand der weit überwiegend im öffentlichen Interesse verursachten Vorhaltekosten entsprechend berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht hat in Anknüpfung an verbreitete Rechtsprechung angenommen, dass die Vorhaltekosten deshalb nach dem Verhältnis der Jahresstunden zur einzelnen Einsatzstunde im Verhältnis 1 : (24 x 365) aufgeteilt werden müssten und wegen der Besonderheiten der öffentlichen Einrichtung "Feuerwehr" mit ihren für den Bürger teils unentgeltlichen (und damit allein aus den Mitteln des Aufgabenträgers zu finanzierenden) und teils kostenerstattungspflichtigen Hilfeeinsätzen eine über den Anteil der Einsatzzeit an der jährlichen Zeit der Vorhaltung dieser öffentlichen Einrichtung hinausgehende Abwälzung der Vorhaltekosten, wie sie für normale Benutzungsgebühren bei Anwendung des Kostendeckungsgrundsatzes gelten würde, ausgeschlossen sei (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 16.11.2010 – 1 S 2401/09 –, juris; VGH Kassel, Beschl. v. 22.07.2008 – 5 B 6/08 –, juris Rn. 5; Urt. v. 22.08.2007 – 5 UE 1734/06 –, KStZ 2008, 36 – zitiert nach juris; OVG Koblenz, Urt. v. 18.11.2004 – 12 A 11382/04 –, KStZ 2006, 152 – zitiert nach juris; OVG Münster, Urt. v. 13.10.1994 – 9 A 780/93 –, OVGE 44, 184 – zitiert nach juris; VG Schwerin, Urt. v. 13.08.2009 – 4 A 277/07 –, juris; VG Göttingen, Urt. v. 09.04.2008 – 1 A 301/06 –, juris, Rn. 15 ff.; Siemers, a. a. O., § 6 Anm. 20). Ob dies die einzig denkbare Methode zur Abbildung der beschriebenen Vorteilslage ist, kann vorliegend offen blieben (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 16.11.2010 – 1 S 2401/09 –, juris, zur sog. „Handwerkerlösung“ nach Maßgabe von § 34 Abs. 5 Satz 4 Feuerwehrgesetz B-W und der insoweit in Bezug genommenen Gesetzesbegründung, wonach als Berechnungsgrundlage die Nutzungszeit im gewerblichen Bereich herangezogen werden soll und insoweit von ca. 2.000 Jahresstunden <50 Wochen zu je 40 Stunden> auszugehen wäre). Jedenfalls ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass diese Berechnungsweise der Leistungsstärke und den tatsächlich anfallenden Betriebskosten der jeweiligen Fahrzeuge bzw. Werkzeuge gerecht wird. Die Befürchtung des Beklagten, wegen der niedrigen Höhe der dann auf die Einsatzstunde umlegbaren Vorhaltekosten sei ein Missbrauch der Feuerwehren zu befürchten, erscheint schon deshalb nicht überzeugend, weil anstelle der bisherigen vornehmlichen Geltendmachung von Vorhaltekosten jedenfalls die Kosten des konkreten Einsatzes zu erstatten wären. Die Höhe des Stundentarifes eines Fahrzeugs/Werkzeugs kann nicht von der Häufigkeit seines Einsatzes abhängen, sondern muss entscheidend auf den durch den Einsatz konkret entstehenden Kosten basieren. Ansonsten kann es zu dem unbilligen Ergebnis kommen, dass z. B. der Stundentarif für ein größeres und teureres Fahrzeug niedriger als für ein leistungsschwächeres ist, das nur wenige Male im Jahr eingesetzt wird. Das Risiko, wie häufig ein Feuerwehrfahrzeug zum Einsatz kommt, kann jedoch nicht auf die Personengruppen abgewälzt werden, für die der Gesetzgeber in § 26 Abs. 2 BrSchG nur ausnahmsweise eine Kostenerstattungspflicht für Feuerwehreinsätze vorgesehen hat. Dies verdeutlicht auch folgender theoretisch denkbarer Fall: Wenn hypothetisch z. B. für das Feuerwehrfahrzeug TSF-W der Feuerwehr Lancken-Granitz ausgehend von seinen Einsatzzeiten in den vorangegangenen Jahren als Grundlage der Kalkulation nur eine Einsatzstunde anzusetzen wäre, dann würde die Stundengebühr nach der Kalkulationsmethode der Gemeinde 7.434,53 EUR betragen, bei hundert Einsatzstunden aber nur 74,35 EUR. Obwohl sich an der in dem Zeitintervall von einer Stunde durch den Kostenschuldner in Anspruch genommenen Technischen Hilfeleistung und der durch sie in Ansehung der Vorhaltekosten konkret verursachten Kosten nichts ändert, käme es zu extrem unterschiedlichen Gebühren; der gleiche Sachverhalt würde in nicht mehr hinnehmbarer Weise bzw. wesentlich ungleich behandelt (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 16.11.2010 – 1 S 2401/09 –, juris). Je weniger Einsatzstunden Grundlage der Kalkulation sind, umso größer bzw. konkreter wird auch die Gefahr der Kostenüberdeckung – das Verbot der Kostenüberdeckung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KAG/KAG M-V gilt auch für die Erhebung von Kostenersatz bzw. ist dem Begriff des Kostenersatzes immanent – in einer Größenordnung, die nicht mehr vernachlässigbar wäre und so die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge hätte: Denn wenn in dem Jahr, das dem Zeitraum folgte, der maßgeblich für die Annahme nur einer Einsatzstunde als Grundlage der Kalkulation war, z. B. zufällig 20 kostenpflichtige Einsatzstunden zu verzeichnen wären, käme es für das betreffende Fahrzeug der Feuerwehr Lancken-Granitz zu Gebühreneinnahmen von 148.690,60 EUR. Das überträfe sogar die tatsächlichen Anschaffungskosten von 95.169,92 EUR bei weitem, erst recht den diesbezüglichen Eigenanteil der Gemeinde von 12.340,64 EUR. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass neben der Abschreibung zusätzliche Kosten von 3.627,73 EUR zu berücksichtigen wären. Zudem sieht die Kalkulation eine kalkulatorische Abschreibung des Fahrzeugs über 25 Jahre vor, die in die Berechnung der Gebühr mit einem Kostenanteil von 3.806,80 EUR eingegangen ist, auf eine Einsatzstunde umgerechnet mit 190,34 EUR. Käme es nun infolge z. B. eines Großeinsatzes oder einer deutlichen Erhöhung der kostenpflichtigen Gesamteinsatzstunden, würde der Betrag der jährlichen Abschreibung rasch überschritten. Dass dies keine theoretische Überlegung ist, zeigt der Umstand, dass die Gebühr in Höhe von 41,86 EUR für den Einsatz des Stromerzeugers bzw. des Notstromaggregats mit zehn Einsatzstunden kalkuliert ist, allein für die streitgegenständliche Hilfeleistung aber bereits eine Einsatzdauer von sieben Stunden abgerechnet wurde. Es bleiben also nur drei Einsatzstunden „Luft nach oben“, bis es hier zu einer Überdeckung jedenfalls im Hinblick auf die jährliche Abschreibung käme.

42

Nach alledem ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Gebührensatz nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 FwGS L-G i. V. m. dem Gebührenverzeichnis betreffend Löschfahrzeuge und Lösch- und Hilfeleistungsgeräte sei wegen einer methodisch fehlerhaften Kalkulation rechtswidrig bzw. unwirksam, folglich fehle es an einer Mindestvoraussetzung für die Wirksamkeit der Feuerwehrgebührensatzung der Gemeinde Lancken-Granitz, nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für den hinsichtlich des Personaleinsatzes festgesetzten Gebührensatz, da dieser in gleicher Weise kalkuliert worden ist.

43

Ob darüber hinaus die Regelung des § 6 Abs. 2 FwGS L-G, wonach als Mindestsatz die Gebühr für eine Stunde in Rechnung gestellt wird (Satz 1) und für jede weitere angefangene Stunde die Gebühr für eine Stunde erhoben wird (Satz 2), gegen das Gebot der Leistungsproportionalität verstößt bzw. nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15.09.2010 – 9 A 1582/08 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.02.2011 – OVG 1 B 73.09 –, NVwZ-RR 2011, 629 – zitiert nach juris; Urt. v. 10.02.2011 – OVG 1 B 72.09 –, juris; VG Berlin, Urt. v. 11.11.2009 – 1 A 244.08 –, LKV 2010, 91 – zitiert nach juris), kann danach vorliegend offen bleiben. Gleiches gilt für die vom Verwaltungsgericht kritisierte Abschreibung der Kosten des Löschfahrzeugs.

44

b) Soweit das Verwaltungsgericht einen Aufwendungsersatzanspruch des Beklagten aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB) ebenso wie die Möglichkeit einer Umdeutung des streitgegenständlichen Bescheides in einen solchen gemäß §§ 70a, 114 SOG M-V verneint hat, sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts (§ 130b Satz 2 VwGO). Hinsichtlich der Frage einer Umdeutung in einen Bescheid auf der Grundlage der §§ 70a, 114 SOG M-V greifen zudem die vorstehenden Erwägungen zur Frage, ob diese als allgemeine Bestimmungen i. S. v. § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG in Betracht kommen.

45

2. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich ebenfalls als rechtswidrig, soweit in ihm Kosten der FFW Binz in Höhe von 7.254,22 EUR festgesetzt worden sind, hinsichtlich derer auf die „Kostenaufstellung der Gemeinde Binz“ – gemeint ist deren Bescheid vom 03. Mai 2005 – als Anlage verwiesen wird, die als Bestandteil des Bescheides benannt wird. Auch insoweit kann er nicht auf eine wirksame Rechtsgrundlage gestützt werden.

46

Diese Kostenfestsetzung ist schon deshalb rechtswidrig, weil die insoweit zugrunde liegende Satzung über die Erhebung von Gebühren für Dienstleistungen der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Ostseebad Binz vom 26. August 2003 hinsichtlich der der Festsetzung des Abgabensatzes (§ 4 Abs. 1 i. V. m. dem „Gebührentarif zur Satzung über Gebühren für Dienstleistungen der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Ostseebad Binz“) zugrunde liegenden „Kalkulation zur Satzung über Gebühren für Dienstleistungen der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde Ostseebad Binz“ an den gleichen Mängeln leidet wie die Feuerwehrgebührensatzung der Gemeinde Lancken-Granitz: Sie legt ebenfalls die Vorhaltekosten auf Jahres-Einsatzstunden um. Aus diesem Grund ist auch diese Satzung unwirksam. Folglich kann wiederum offen bleiben, ob hinsichtlich der in der Satzung ebenfalls vorgesehenen Abrechnung nach angefangenen Stunden (vgl. § 6 Abs. 6 FwGS Binz) rechtliche Bedenken bestehen. Insoweit besteht schon auf der Grundlage der Satzung der Gemeinde Ostseebad Binz kein rechtmäßiger Kostenerstattungsanspruch der Gemeinde Ostseebad Binz gegen die Gemeinde Lancken-Granitz, der rechtmäßig auf den Kläger abgewälzt werden könnte.

47

Hinsichtlich eines Anspruchs der Gemeinde Ostseebad Binz aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder gestützt auf die §§ 70a, 114 SOG M-V gelten die vorstehenden Erwägungen in gleicher Weise. Zudem ist unabhängig von diesen Erwägungen keine Rechtsgrundlage ersichtlich, auf deren Grundlage der Beklagte berechtigt wäre, gegenüber dem Kläger neben den Einsatzkosten der FFW Lancken-Granitz auch die Einsatzkosten der FFW Binz festzusetzen. Die gebührenpflichtigen Dienstleistungen werden dem Grunde nach in § 3 FwGS L-G definiert, die Norm stellt aber keine solche Rechtsgrundlage bereit. Dies gilt auch mit Blick auf § 3 Abs. 3 FwGS L-G, der für andere Leistungen, insbesondere in Fällen der Hilfeleistungen und Sicherheitswachen vorsieht, dass Kosten nach dem Gebührenverzeichnis erhoben werden. Dem Gebührenverzeichnis lässt sich jedoch ebenso wenig eine Vorschrift betreffend die Erstattung der Kosten der von der FFW einer anderen Gemeinde erbrachten Hilfeleistung entnehmen. § 4 Abs. 1 FwGS L-G betrifft lediglich die Höhe der Gebühr, die normsystematisch in einer anderen Satzungsbestimmung dem Grunde nach festgelegt sein muss. § 4 Abs. 2 FwGS L-G bestimmt zwar, dass für nachbarschaftliche Löschhilfe gemäß § 2 Abs. 3 BrSchG die entstandenen Kosten (Betriebsmittel, Sonderlöschmittel, Verdienstausfall, einschließlich Versicherungsanteile zur Sozialversicherung sowie der Aufwand für Verpflegung und Erfrischung des Personals) zu erstatten sind, sofern sie 1.000,00 EUR übersteigen. In § 4 Abs. 2 FwGS L-G findet sich damit aber lediglich eine Bestimmung zur Kostenerstattung in Fällen nachbarschaftlicher Löschhilfe gemäß § 2 Abs. 3 BrSchG, die von der FFW Lancken-Granitz erbracht worden ist („aktive“ Löschhilfe), nicht jedoch für die Fälle der Erbringung nachbarschaftlicher Löschhilfe durch die Feuerwehren anderer Gemeinden („passive“ Löschhilfe). Folgerichtig bestimmt § 5 Abs. 3 FwGS L-G (ebenso wie im Übrigen § 5 Nr. 3 FwGS Binz), dass bei nachbarschaftlicher Löschhilfe oder nachbarlicher Hilfeleistung die anfordernde Gemeinde Schuldner ist, und bezeichnet gerade keinen Schuldner für den Fall, dass die Gemeinde Lancken-Granitz ihrerseits im Fall der „passiven“ nachbarlichen Hilfeleistung einem Erstattungsanspruch der helfenden Gemeinde ausgesetzt ist. Um den letztgenannten Fall handelt es sich jedoch bei dem Einsatz der FFW Binz, für den mit dem streitgegenständlichen Bescheid Kostenersatz auf der Grundlage der Feuerwehrgebührensatzung der Gemeinde Ostseebad Binz beansprucht wird.

48

§ 8 VwVfG M-V enthält ebenfalls keine Rechtsgrundlage für die Geltendmachung von Kosten der ersuchten Behörde gegenüber dem Bürger durch die ersuchende Behörde. § 8 Abs. 2 VwVfG M-V regelt lediglich den Fall, in dem der Bürger unmittelbar gegenüber der ersuchten Behörde kostenpflichtig wird, und weist den entsprechenden Kostenerstattungsanspruch dieser Behörde zu (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfg, 12. Aufl., § 8 Rn. 11). Daraus folgt, dass dann nur die ersuchte Behörde selbst auch berechtigt ist, die Kosten vom Betroffenen zu verlangen; die ersuchende Behörde macht diese Kosten der ersuchten Behörde also gerade nicht geltend.

49

Unabhängig davon enthält § 2 Abs. 3 BrSchG eine § 8 VwVfG M-V verdrängende speziellere Bestimmung. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 BrSchG hat die andere – um Hilfe nachsuchende – Gemeinde der helfenden Gemeinde auf Antrag die Kosten zu erstatten, wenn die Nachbarschaftshilfe in mehr als 15 Kilometer Entfernung (Luftlinie von der Gemeindegrenze) geleistet wird. Auch nach dieser Bestimmung besteht zunächst weder eine Grundlage dafür, dass der Beklagte die Kosten der Nachbarschaftshilfe durch die FFW Binz beim Kläger liquidieren kann, noch dafür, dass die Gemeinde Ostseebad Binz berechtigt wäre, unmittelbar bei ihm die Einsatzkosten ihrer Feuerwehr geltend zu machen.

50

Darüber hinaus folgt aus dieser gesetzlichen Bestimmung zweierlei: Zum einen kann die helfende Gemeinde ihre Kosten gegenüber der anderen Gemeinde nur mit einem entsprechenden „Antrag“ geltend machen, also nicht durch entsprechenden Bescheid. Der Wortlaut der Vorschrift lässt kein anderes Verständnis zu. Auch der Vergleich mit der in der Struktur ähnlichen Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V unterstreicht dies, da diese im Unterschied zu § 2 Abs. 3 Satz 2 BrSchG von einer „Anforderung“ durch die ersuchte Behörde spricht. Folglich durfte die Gemeinde Ostseebad Binz ihre Kosten gegenüber der Gemeinde Lancken-Granitz nicht durch Bescheid festsetzen, sondern hätte die Kostenerstattung bei letzterer beantragen müssen. Zum anderen wird der Kostenerstattungsanspruch beschränkt auf die Fälle, in denen die Nachbarschaftshilfe in mehr als 15 Kilometer Entfernung (Luftlinie von der Gemeindegrenze) geleistet wird. Die gesetzliche Bestimmung schließt nach ihrem klaren Wortlaut einen Kostenerstattungsanspruch unterhalb dieser Entfernung aus. Da die streitgegenständliche Hilfeleistung der FFW Binz ohne Zweifel in einer Entfernung erbracht worden ist, die weniger als 15 Kilometer beträgt, folgt daraus, dass ein Erstattungsanspruch gegenüber der Gemeinde Lancken-Granitz nicht besteht. Die Geltendmachung der betreffenden Kosten durch den Beklagten ist folglich auch aus diesem Grunde rechtswidrig. Dahinstehen kann infolgedessen, ob der Bescheid der Gemeinde Ostseebad Binz vom 03. Mai 2005 auch deshalb rechtswidrig ist, weil er Kosten ausschließlich nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 FwGS Binz i. V. m. dem Gebührenverzeichnis aufführt und die Bestimmung des § 4 Abs. 2 FwGS Binz, die der Regelung in § 4 Abs. 2 FwGS L-G entspricht, unbeachtet lässt. Der Senat merkt insoweit lediglich an, dass durchaus ein Normverständnis dahingehend nahe liegt, demzufolge Abs. 2 der Vorschrift im Verhältnis der Spezialität zu Abs. 1 steht. Wenn demgegenüber in der mündlichen Verhandlung von dem anwesenden Mitarbeiter der Gemeinde Ostseebad Binz ausgeführt wurde, die Kosten nach § 4 Abs. 2 FwGS Binz würden zusätzlich zu denjenigen nach Abs. 1 erhoben, hat dies zum einen schon keinen Niederschlag im Bescheid vom 03. Mai 2005 gefunden. Hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen. Zum anderen enthält der Gebührentarif auch eine Gebührenstelle „Gebühren für Personal“, hinsichtlich deren Berechnung § 6 Abs. 2 Nr. 2 FwGS Binz insbesondere bestimmt, dass der entstandene Verdienstausfall zuzüglich Versicherungsanteil zur Sozialversicherung zugrunde gelegt wird. Diese Kostenposition wird jedoch auch in § 4 Abs. 2 FwGS Binz ausdrücklich erwähnt, so dass die vorstehend wiedergegebene Rechtsauffassung eine unzulässige Doppelerstattung der entsprechenden Kosten nach sich zöge.

51

Schließlich ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin zu folgen, dass der von der Gemeinde Ostseebad Binz erlassene Bescheid vom 03. Mai 2005 ebenfalls keine Festsetzung der Kosten der FFW Binz seitens des Beklagten gegenüber dem Kläger rechtfertigt. Dies folgt zum einen bereits aus dem schon erörterten Gesichtspunkt, dass es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage mangelt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bescheid im Verhältnis zur Gemeinde Lancken-Granitz möglicherweise bestandskräftig geworden ist. Zum anderen ist der Kläger nicht unmittelbarer Adressat dieses Bescheides, so dass die im Verhältnis zwischen der Gemeinde Ostseebad Binz und der Gemeinde Lancken-Granitz ggf. eingetretene Bestandskraft nicht in dem Sinne zu seinen Lasten gehen kann, dass der Beklagte einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch ohne rechtliche Überprüfung gegen den Kläger durchsetzen dürfte. Anderenfalls wäre der Kläger in Widerspruch zu Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG rechtsschutzlos gestellt bzw. davon abhängig, dass die Gemeinde Lancken-Granitz sich gegen den nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen offensichtlich rechtswidrigen Bescheid der Gemeinde Ostseebad Binz zur Wehr setzte. Hilfsweise wäre jedenfalls dem Verwaltungsgericht in der Erwägung zu folgen, dass es Sache des Beklagten gewesen wäre, gegen den Bescheid der Gemeinde Ostseebad Binz Widerspruch einzulegen und seine Aufhebung herbeizuführen; wenn er dies unterlasse, könne er sich nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Rechtsgedanken aus §§ 242 und 254 Abs. 1 BGB gegenüber dem Kläger nicht darauf berufen, selbst zur Kostenerstattung herangezogen worden zu sein.

52

Auf die Frage der Angemessenheit des Feuerwehreinsatzes kommt es nach alledem nicht mehr an.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

54

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

55

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.