Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 15. März 2016 - 17 L 316/16.A
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. C. aus C1. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 2. Februar 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 824/16.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Dezember 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. Dezember 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Dezember 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Die diesbezügliche Ablehnung der Flüchtlingszuerkennung und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet gemäß § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. Anlage II zu § 29a AsylG ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil Albanien zum sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG erklärt wurde. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sowie hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Auch ein Anspruch der Antragsteller hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf einen Monat festzusetzen, ist nicht gegeben. Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 21. Dezember 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Soweit sie – ungeachtet bestehender Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal im Wesentlichen vortragen, sie hätten Angst als Angehörige der Familien S. und G. irgendwann einmal (Blut-)Racheakten durch Mitglieder der Familien R. und U. zum Opfer zu fallen, weil der Schwager des Cousins des Antragstellers zu 1), E. T. , im Jahr 2006 den T1. T2. , einen Angehörigen der Familien R. und U. , umgebracht habe, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglieder die Antragsteller sind, durch Dritte (hier: die Familien R. und U. ) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG,
11vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, juris Rn. 10; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 11 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.
12Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel – und so auch hier – nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, juris Rn. 12; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 15; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.
142. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren Angaben von Albanien aus über Italien und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG von vornherein ausgeschlossen.
153. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
16Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihnen in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
17Selbst wenn das Vorbringen der Antragsteller als wahr unterstellt wird, lassen sich daraus keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ableiten, die Antragsteller könnten im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines (Blut-)Racheaktes ausgesetzt sein.
18a. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes scheidet schon deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, den Antragstellern Schutz vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG). Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass die albanischen Sicherheitsbehörden trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig sind, vor einem solchen Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG). Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rates war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u.a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Damit hat der albanische Staat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht,
19vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 17 ff. m.w.N.; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 15. März 2016).
20Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a),
21vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 26; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 18; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 19, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 15. März 2016).
22Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (T3. , M. , L. ) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde,
23vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 28; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html (zuletzt abgerufen am 15. März 2016).
24Seitens des Ombudsmannes wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten,
25vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 30; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 18.
26Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein Schutzersuchen der Antragsteller bei der Polizei von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Etwas Abweichendes haben sie auch nicht vorgetragen. Insbesondere haben sie nicht ansatzweise dargelegt, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt um Schutz bei der Polizei nachgesucht hätten bzw. ein etwaiges Schutzersuchen erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Ganz im Gegenteil haben sie ausdrücklich angegeben, mit der Polizei und sonstigen staatlichen Stellen keine Probleme gehabt zu haben.
27Darüber hinaus ist anzumerken, dass es den Antragstellern im Rahmen der unterstellten Blutracheproblematik möglich und zumutbar wäre, das Nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen die in diesem Bereich tätig sind einzuschalten, um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen,
28vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 35 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.; Bundesamt, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 13 f.
29b. Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller – bei Wahrunterstellung ihres Vortrages – auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Die Antragsteller können sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG dadurch entziehen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt (§ 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG). Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer – vor allem südlicher – Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
30vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, juris Rn. 19; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2015 – 17 L 3729/15.A –, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.
314. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
32Die Antragsteller sind im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens fehlt es an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müssten sie sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen,
33vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, juris Rn. 21; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 17 L 114/16.A –, n.v.
345. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
35Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
36Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
37vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. März 2016 – 17 L 472/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
38Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
39vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. März 2016 – 17 L 472/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
406. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf einen Monat haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
41Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
42vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. März 2016 – 17 L 472/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.,
43Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
44vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. März 2016 – 17 L 472/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
45II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
46Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
47Mangels hinreichender Erfolgsaussichten im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
48Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Artikels 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Herkunftsstaat) ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.
(2) Sichere Herkunftsstaaten sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die in Anlage II bezeichneten Staaten.
(2a) Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre, erstmals zum 23. Oktober 2017 einen Bericht darüber vor, ob die Voraussetzungen für die Einstufung der in Anlage II bezeichneten Staaten als sichere Herkunftsstaaten weiterhin vorliegen.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage II bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Herkunftsstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:
- 1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2, - 2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2014 wird in Nr. 1. und 2. insoweit aufgehoben, als darin ein Offensichtlichkeitsurteil gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG enthalten ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00. März 1995 in Bajram Curri geborene Kläger ist ebenso wie seine Verlobte, die am 00. Januar 1996 in Burrel geborene Klägerin, albanischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens.
3Der Kläger reiste am 28. Juni 2014 auf dem Luftweg aus dem Kosovo (Prishtina) in das Bundesgebiet ein. Die Klägerin folgte ihm am 12. Juli 2014 auf demselben Wege nach.
4Die Kläger stellten am 24. Juli 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – nachfolgend: Bundesamt – einen Asylantrag, den sie bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 17. Oktober 2014 im Wesentlichen damit begründeten, dass dem Kläger ein Racheakt drohe. Der Kläger führte hierzu aus, er habe sich am 28. März 2013 gemeinsam mit mehreren Freunden und Bekannten zu einem vereinbarten Treffpunkt im Stadtviertel „L. e Q1. “ von Tirana begeben, um dort einen Streit mit zwei anderen Jugendlichen – K. S. und H. Q. – zu klären. Im Zuge der Auseinandersetzung sei er selbst von dem S. mit einer Eisenstange zwei Mal auf den Kopf geschlagen worden. Er habe sich trotzdem mit Faustschlägen zur Wehr gesetzt. Einer seiner Freunde („B. “) habe die Stange genommen und auf den Angreifer (S. ) eingeschlagen. Der H. Q. habe nur dagestanden wie betäubt. Später im Auto habe einer der Bekannten des Klägers – P. C. – gesagt, er habe den Q. an den Hals geschlagen und mit dem Messer ins Bein gestochen. Tatsächlich, so der Kläger, müsse er ihm aber ins Herz gestochen haben. Hiervon habe er, der Kläger, während der Schlägerei aber nichts mitbekommen. Der P. C. habe im Auto erzählt, dass er mit einem Messer auf den Q. eingestochen hätte. Sie hätten ihn daraufhin angeschrien, wie er das habe tun können. Anschließend hätten sie sich vom Tatort entfernt. Er selbst habe sich dann nach Hause begeben und seiner Familie von dem Vorfall erzählt. Später hätten sie in den Nachrichten gesehen, dass einer verstorben und einer verletzt gewesen sei. Hierauf habe er sich am nächsten Morgen der Polizei gestellt. Hierzu sei er zunächst ins Justizministerium gegangen. Dort hätten sich sein Vater und sein Onkel in einem Café aufgehalten. Von dort habe sein Vater die Polizei gerufen, die ihn, den Kläger, dann abgeholt habe. Er habe dann auf der Polizeidirektion seine Aussage gemacht und sei dann festgenommen worden. Er sei sodann Ende März 2013 inhaftiert und zunächst auch der Tötung in Mittäterschaft verdächtigt worden. Der C. sei zunächst flüchtig gewesen. Dessen Anwalt habe im Herbst 2013 die Tat eingeräumt. Hierauf sei Ende Dezember 2013 die Haft des Klägers in Hausarrest umgewandelt worden. Den Hausarrest habe er in der Wohnung in U. abgesessen. Die Maßnahme habe bis zum 7. April 2014 gedauert. Während seiner Haft sei die Familie Ende April 2013 durch die Familie des Getöteten bedroht worden. Auch er selbst habe von dem Bruder des Getöteten, F. Q. , über das online-Netzwerk „facebook“ am 18. Dezember 2013 und am 15. Januar 2014 Todesdrohungen erhalten. Seine Familie habe Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Anzeige sei dort jedoch nicht ernst genommen worden, weil der Vater des Opfers bei der Garde der Republik arbeite. Versöhnungsversuche seines Onkels seien seines Wissens fehlgeschlagen. Am 8. Mai 2014 sei er mit der Klägerin mit dem Bus in das Heimatdorf der Eltern bei U1. (E. ) gefahren. Dort hätten die beiden Familien Verlobung gefeiert und die Ausreise der Kläger beschlossen. Der Kläger habe sich sodann nach Prishtina begeben; die Klägerin habe noch einen Pass beschaffen müssen und sei dann ebenfalls über Prishtina ausgereist. Er stehe mit seiner Familie telefonisch in Kontakt. Von ihr habe er erfahren, dass der wahre Täter mittlerweile festgenommen sei. Trotzdem seien weiterhin Bedrohungen ausgesprochen worden. Er selbst habe 2014 noch das Abitur am B1. -W. -Gymnasium in C1. D. abgelegt.
5Die Klägerin bestätigte in ihrer Anhörung die Angaben des Klägers und führte ergänzend aus, dass sich der Kläger während des Hausarrests mehrfach bei der Polizei habe melden müssen. Sie fühle sich ebenfalls gefährdet.
6Mit Bescheid vom 28. November 2014 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen. Ferner drohte es den Klägern für den Fall der Nichtausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung die Abschiebung nach Albanien an. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, die Darstellung des Klägers von der Schlägerei sei aufgrund der dürftigen Schilderung in wesentlichen Punkten unglaubhaft und daher im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG unsubstantiiert bzw. unschlüssig.
7Dagegen haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Der Kläger macht unter Vorlage zahlreicher Unterlagen – vorwiegend Presseberichte und Gerichtsentscheidungen –, die dem Gericht in der durch eine albanische Notarin am 20. Dezember 2014 beglaubigten Übersetzung vorliegen, ergänzend geltend: Nach einem Bericht des Bundesamtes von April 2014 („Blickpunkt Albanien – Blutrache“) seien Blutrachefehden in Albanien nach wie vor gegenwärtig. Ihre Anzahl hätte sich zuletzt erhöht. Gefährdet seien nicht nur der Täter und dessen Familienangehörige, sondern auch Anstifter und Mittäter. Die albanische Polizei sei nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes nur eingeschränkt in der Lage, Schutz zu gewähren, da sie käuflich sei und nicht immer nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handele. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vertiefend vorgetragen: Er habe die Abiturprüfungen im Juni 2014 erfolgreich absolviert. Dies sei ihm dadurch möglich geworden, dass er seit dem Umzug der Familie 2011 nach U. Fernunterricht erhalten habe. Auch in der Haft und im Hausarrest sei er beschult worden. In Deutschland habe er mitbekommen, dass der wahre Täter im September 2014 von der Polizei in Fier verhaftet worden sei. Seine Eltern hätten ihm hiervon berichtet. Die Bedrohungen des Bruders des Opfers, F. Q. , über „facebook“ hätten sich nicht wiederholt. Dieser habe ihn, den Kläger, aus seinem „facebook“-Account gelöscht. Er habe den Staatsanwalt von dem „facebook“-Eintrag berichtet. Dieser habe jedoch keine Veranlassung zum Handeln gesehen, da er erst den Ausgang des Verfahrens habe abwarten wollen. Auch seine Familie, die seit Mai 2013 in ihrem Heimatdorf E. bei U1. lebe, sei seit Mai 2013 nicht mehr telefonisch bedroht worden. Allerdings habe der Mann der im Ort Puke lebenden Tante des Klägers im November 2014 einen Versöhnungsversuch unternommen. Er habe den Vater des Opfers telefonisch kontaktiert und im Hinblick auf die Verhaftung des Täters um Versöhnung ersucht. Dies habe der Vater des Opfers mit den Worten abgelehnt, dass man dem Kläger nie verzeihen werde. Die Eltern des Klägers lebten nach wie vor in E. . Dort verdiene der Vater den Lebensunterhalt mit einer Chrommine, die der Familie gehöre und zu der er regelmäßig zur Arbeit gehe. Besuche in größeren Städten meide er. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
8Die Kläger beantragen,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. November 2014 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und sie als Asylberechtigte anzuerkennen,
10hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 3. bis 5. des Bescheides des Bundesamtes vom 28. November 2014 zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen,
11weiter hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 4. und 5. des Bescheides des Bundesamtes vom 28. November 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens besteht.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Dem von den Klägern am 8. Dezember 2014 gestellten Antrag auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes (6 L 2986/14.A) hat der Einzelrichter mit Beschluss vom 23. Dezember 2014 stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Ferner hat der Einzelrichter für das Klageverfahren mit Beschluss vom 19. Februar 2015 Prozesskostenhilfe bewilligt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist zulässig (I.), jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (II.).
18I. Die Klage ist insbesondere hinsichtlich der isolierten Anfechtung der Ablehnung der Anträge der Kläger als offensichtlich unbegründet in den Ziffern 1. und 2. des Bescheides vom 28. November 2014 zulässig. Es besteht ein Rechtsschutzinteresse der Kläger an der isolierten Aufhebung des der Begründung zufolge auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG gestützten Offensichtlichkeitsausspruchs des Bundesamtes in diesem Bescheid. Die Kläger haben einen derart begrenzten Antrag zwar nicht ausdrücklich gestellt, dieser Antrag ist jedoch als „Minus“ von ihrem Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG umfasst.
19Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 3. März 2008 – 6 A 141/05 –, in juris sowie VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 27 K 7938/10.A. -
20Ein Rechtsschutzinteresse der Kläger ergibt sich aus der Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Danach darf die Ausländerbehörde grundsätzlich - von den in Satz 3 der Vorschrift geregelten Ausnahmen abgesehen - vor der Ausreise keinen Aufenthaltstitel erteilen, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Aufgrund dieser gesetzlichen Sperre für die Erteilung von Aufenthaltstiteln ergeben sich für diejenigen Ausländer, deren Asylantrag das Bundesamt nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt hat, auch insoweit aus dem angegriffenen Asylbescheid eigenständige nachteilige Rechtsfolgen, die nur mit der gerichtlichen Aufhebung des Offensichtlichkeitsurteils - soweit es auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützt wird - abgewendet werden können.
21Vgl. zur weiteren Begründung: VG Braunschweig, Urteil vom 3. März 2008 – 6 A 141/05 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 27 K 7938/10.A - und Urteil vom 14. September 2007 – 21 K 2318/07.A –, juris; Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 4. Januar 2007 – 14 A 66/06 –, juris.
22Das Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des Offensichtlichkeitsausspruches kann allerdings nur soweit reichen, wie auch die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG reicht, mithin sich nur auf eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet beziehen, die konkret auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützt ist. Maßgeblich dafür, ob der Asylantrag gerade wegen § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde, ist der Inhalt des Bundesamtsbescheides; dieser muss sich ausdrücklich auf § 30 Abs. 3 AsylVfG beziehen.
23Dies ist vorliegend der Fall. Im Bescheid vom 28. November 2014 werden die Anträge der Kläger ausdrücklich als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG abgelehnt, weil das Vorbringen insoweit als unsubstantiiert („unlogisch und unschlüssig“) zu werten sei.
24II. Die Klage ist nur teilweise begründet.
25Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. November 2014 ist überwiegend rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten; ihnen stehen zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) und auf Anerkennung als Asylberechtigte (2.) nicht zu; insoweit ist lediglich das auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützte Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes aufzuheben (3.). Die ferner geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (4.) sowie auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (5.) liegen ebenfalls nicht vor, so dass auch die Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden ist (6.), § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
261. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer ein Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr.1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2a) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2b).
27Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend ausgeschlossen, da die von den Klägern geltend gemachte „Verfolgung“ durch die Familie des Getöteten (Gijergi Q. ) nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG anknüpft. Denn die behauptete Verfolgungsfurcht beruht nicht auf der Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Überzeugung. In Betracht käme vorliegend allenfalls, die Familie des Klägers und dessen Verlobte, die Klägerin, als eine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG anzusehen, als deren „Mitglied“ die Kläger insbesondere durch den Vater und den Bruder des Opfers bedroht wären.
28Eine Gruppe gilt nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG insbesondere dann als eine „bestimmte soziale Gruppe“, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zudem muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Diese Abgrenzbarkeit muss schließlich schon vor der in Rede stehenden Verfolgung bestehen.
29Vgl. zur Richtlinie 2004/83/EG: EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-199/12, C-200/12, C-20112 –, juris (=NVwZ 2014, 132-135); OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris (= InfAulsR 2007, 256-259).
30Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Eine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG vermag sie aber nur dann darzustellen, soweit sie in der Gesellschaft des Heimatlandes des Antragstellers auch als deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener „Gruppenidentität“ wahrgenommen wird. Dies mag insbesondere in Ländern und Regionen in der Welt der Fall sein, wo ein Familienverband, ein Clan oder ein Stamm aufgrund äußerlicher Merkmale oder sonstiger Kennzeichen eine Gruppenidentität aufweist, insbesondere weil die Zugehörigkeit zur Familie, dem Clan oder dem Stamm im Lebensumfeld einen besonderen Stellenwert aufweist und identifikationsstiftend wirkt.
31Dies zugrunde gelegt, stellt die Familie des Klägers keine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG dar. Der Kläger wird – sein Vorbringen als wahr unterstellt – von den Angehörigen des Getöteten allenfalls als vermeintlicher Tatbeteiligter bedroht; nur von diesen Personen, nicht auch von (irgendwelchen) anderen Bürgerinnen und Bürgern in Albanien wird er in diesem Sinne „unterscheidend“ wahrgenommen. Dies gilt in einer Großstadt wie U. , in der der Kläger bis zuletzt lebte, erst recht. Die Unterscheidung, die auf Grund der wie auch immer gearteten Beteiligung des Klägers an der Schlägerei vom 28. März 2013 getroffen wird, entsteht schließlich erst durch die (vermeintliche) Verfolgungshandlung. Ein solcher Fall liegt aber nicht im Anwendungsbereich des in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG geschützten Rechtsguts.
32Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39 (= InfAuslR 2007, 256-259); VG Weimar, Urteil vom 31. August 2009 – 7 K 20238/07 We –, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 5 Bf 45/07. AZ –, juris Rn. 23 ff.; Sächs.OVG, Urteil vom 26. Februar 2013 – A 4 A 702/08 –, juris Rn. 45; BayVGH, Urteil vom 9. August 2010 – 11 B.0930091 –, juris Rn. 38; VG München, Urteil vom 11. Oktober 2013 – M 23 K 11.30203 –, juris Rn. 18; VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 K 14.30425 –, juris Rn. 26
332. Ein Anspruch der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Grundgesetz scheidet ebenfalls aus. Die Kläger sind nicht politisch verfolgt. Politische Verfolgung im Sinne von Art 16a Abs. 1 GG liegt vor, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Dementsprechend entfalten solche Verfolgungen Asylrelevanz, die sich auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung von Menschen beziehen.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 –, BVerfGE 80, 315-353, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, jeweils juris.
35Dies ist – wie vorstehend dargelegt – nicht der Fall.
363. Die Ablehnung des Asylantrages und des Antrages auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Kläger als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG ist indes rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG ist ein unbegründeter Antrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Anders als § 30 Abs. 1 und 2 AsylVfG, wo das Offensichtlichkeitsurteil an materielle Voraussetzungen geknüpft wird, ist die Grundlage des Offensichtlichkeitsurteils nach § 30 Abs. 3 AsylVfG die besonders schwerwiegende Verletzung von Mitwirkungspflichten. § 30 Abs. 3 AsylVfG normiert eine Sanktion für die Verletzung von Mitwirkungspflichten.
37Vgl. Marx, AsylVfG, § 30 Rn. 131, 138 f.; Gemeinschaftskommentar (GK), AsylVfG, § 30 Rn. 50.
38Das Bundesamt hat die Ablehnung der Anträge der Kläger als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG damit begründet, dass das Vorbringen als unsubstantiiert zu werten sei, da der Kläger den Hergang der Auseinandersetzung vom 28. März 2013 lediglich vage und unglaubhaft beschrieben habe.
39Bereits die Systematik des § 30 AsylVfG verbietet es, aus einem Vorbringen, das möglicherweise als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 AsylVfG zu qualifizieren ist, ohne Hinzutreten besonderer Umstände zugleich einen groben Verstoß gegen Mitwirkungspflichten im Sinne des § 30 Abs. 3 AsylVfG herzuleiten. Vielmehr bedarf es für die Qualifizierung eines Asylantrages als unsubstantiiert im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG, dass bestimmte Umstände hinzukommen und vom Bundesamt dargelegt werden, die die mit der Ablehnung der Anträge als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 AsylVfG verbundene Sanktion rechtfertigen. Dies war hier nicht der Fall. Insbesondere schilderte der Kläger in der Anhörung umfassend die Beweggründe für seine Ausreise und berichtete insoweit auch detailliert den Ablauf der Schlägerei. Dass der Kläger die Herkunft der Eisenstange, mit der auf ihn eingeschlagen worden sei, nicht erklärt habe, lässt nach Aktenlage nicht auf die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens schließen, zumal der Kläger hiernach nicht gefragt worden ist.
40Dessen ungeachtet ist – ohne dass es rechtlich darauf ankäme – die Einstufung des Begehrens als offensichtlich unbegründet im Ergebnis zutreffend. Sie rechtfertigt sich nach Maßgabe der Generalklausel des § 30 Abs. 1 AsylVfG. Danach ist der Antrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsschutz offensichtlich nicht vorliegen, was wiederum dann anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt.
41Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Februar 1993 – 2 BvR 1297/92 – juris Rdn. 15.
42Das ist hier der Fall. Den von den Klägern vorgebrachten Umständen fehlt jegliche asyl- oder flüchtlingsrechtliche Relevanz. Denn es ist, wie bereits dargelegt, nichts ansatzweise dafür ersichtlich, dass unveräußerliche persönliche und mithin asylerhebliche Merkmale bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zur Anknüpfung gezielter Rechtsverletzungen genommen würden. Die Ablehnung des Antrages drängt sich daher – wenngleich nur über § 30 Abs. 1 AsylVfG – auf.
434. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihnen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in ihrem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht (a). Zudem müssen sich die Kläger auf internen Schutz verweisen lassen, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylVfG (b). Im Übrigen fehlt es an der Voraussetzung, dass der albanische Staat erwiesenermaßen nicht schutzfähig oder -willig ist, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c Nr. 3, § 3d AsylVfG (c).
44a) Als ernsthafter Schaden gilt gemäß der hier allein näher in Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Diese Vorschrift wurde in Umsetzung von Art. 15 Buchst. b) der Richtlinie RL 2011/95/EU erlassen und orientiert sich an Art. 3 EMRK. Daher ist die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK jedenfalls im Zweifel auch für die Anwendung und Auslegung von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG verbindlich.
45Vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 22 f.
46Bei der Prüfung des subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) ist – wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylVfG) – der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nachdem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist,
47vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris Rn. 37 ff. unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 (360), und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 (344 f.); vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2009 - 10 C 21.08 -, NVwZ 2009, 1308, und vom 16. Februar 2010 - 10 C 7.09 -, juris, Rn. 21,
48finden im Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG keine Anwendung. Für das Beweismaß verwendet der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte zu der Vorschrift des Art. 3 EMRK den Begriff der tatsächlichen Gefahr ("real risk"). Danach muss der Antragsteller konkrete Gründe bezeichnen, um beurteilen zu können, ob im Fall der Abschiebung im Zielstaat ein tatsächliches Risiko besteht, einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die über die gesetzte Grenze hinausgeht. Das tatsächliche Risiko bezieht sich auf eine objektive Gefahrenlage, einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung unterworfen zu werden. Dabei differenziert der EGMR zwischen der – rechtlich unerheblichen – „bloßen Möglichkeit“ und der – beachtlichen – „ernsthaften“ bzw. „tatsächlichen Gefahr“.
49Vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi -, NVwZ 2008, 1330, Marx, a.a.O., § 4 Rn. 41.
50Dieser Maßstab der ernsthaften bzw. tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5.09 -; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, jeweils juris; VG Braunschweig, Beschluss vom 23. April 2013 – 6 B 82/13 –, juris m.w.N.
52Der EGMR vertritt mit Blick auf den objektivrechtlichen Ansatz in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Art. 3 EMRK absolut wirkt. Folglich wird die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch auf nichtstaatliche Akteure bejaht und ist vom Verhalten der betreffenden Person unabhängig.
53Vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 1996, Nr. 25964/94 – Ahmed ./. Österreich; vgl. auch Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Januar 2014 – E 7121/2013 –, abrufbar unter www.bvger.ch.
54Dies folgt nicht zuletzt gesetzessystematisch aus § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG, der auf §§ 3c bis 3e AsylVfG umfassend – also einschließlich der Vorschriften zum Schutz vor ernsthaften Schäden durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3, § 3d AsylVfG) – Bezug nimmt.
55Nach diesen Maßstäben liegen stichhaltige Gründe für die Annahme, die Kläger seien im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ausgesetzt, nicht vor.
56Das Gericht geht davon aus, dass sich die Auseinandersetzung vom 28. März 2013, in deren Verlauf der H. Q. erstochen wurde, jedenfalls im Kern so zugetragen hat wie von dem Kläger geschildert. Er hat den Vorgang sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung widerspruchsfrei und detailreich beschrieben. Insofern wird auf das Anhörungsprotokoll des Bundesamtes und das Terminsprotokoll Bezug genommen.
57Aus den Darlegungen zu den anschließenden Bedrohungen durch Mitglieder der Familie des Getöteten lässt sich die Gefahr eines ernsthaften Schadens für die Kläger indes nicht beachtlich wahrscheinlich ableiten.
58Dabei ist zunächst einzustellen, dass der Täter des Tötungsdeliktes, P. C. , unstreitig mittlerweile verhaftet worden ist. Dass sich die Verhaftung am 19. September 2014 in der Stadt G. ereignet hat und der C. deshalb mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen hat, hat der Kläger selbst bereits in der Anhörung bei dem Bundesamt angedeutet. Dies ergibt sich zusätzlich aus den zahlreichen Presseberichten und Veröffentlichungen, die im Internet allgemein zugänglich und – in Bezug auf den Täter C. – in der mündlichen Verhandlung von dem Dolmetscher übersetzt worden sind,
59Vgl. etwa http://www.noa.al/artikull/wanted-ne-fier-arrestohet-i-denuari-per-vrasje-dhe-5-te-tjere/441 037.html; https://www.youtube.com/watch?v=YGoW6xLXHI8.
60Mit der Festnahme des Täters ist ein Rachemotiv der Familie des Getöteten in Bezug auf den Kläger objektiv entfallen. Dies gilt um so mehr in Anbetracht des von dem Kläger selbst eingereichten Presseinterviews, welches der Bruder des Opfers, F. Q. , etwa sechs Monate nach der Tat – also im Herbst 2013 – geführt hatte: Er gab an, dass seine Familie „nichts anderes [möchte], außer dass der Täter des Mordes meines Bruders verhaftet wird und unsere Seelen ihre Ruhe finden“. Weiter heißt es dort: „Der Täter, der meinen Bruder getötet hat, ist noch nicht festgenommen worden. Alles was wir möchten, ist, dass die Polizei den Täter festnimmt“. Demnach war den Mitgliedern der Familie des getöteten H. Q. in erster Linie – wenn nicht gar ausschließlich – an der nunmehr vollzogenen Verhaftung des wahren Täters gelegen. Von dem seinerzeit inhaftierten Kläger war dagegen nicht ansatzweise die Rede.
61Auch kann aus dem Umstand, dass nach der aktuellen Auskunftslage nicht nur der Täter eines Tötungsdeliktes und dessen Familie, sondern auch Anstifter und Mittäter unter die Blutrache des Kanun fallen,
62vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 11,
63keine Gefahr für den Kläger abgeleitet werden. Der in dem von Klägerseite selbst vorgelegten Beschluss des Amtsgerichts U. vom 31. März 2013 (Nr. 404 Akti) ursprünglich (mit) erhobene Vorwurf der Tötung in Mittäterschaft wurde später mit Beschluss desselben Gerichts vom 24. Dezember 2013 (Nr. 2319/1) ausdrücklich fallen gelassen. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, dass nach dem Ermittlungsergebnis für den Kläger lediglich noch der Vorwurf einer „leichten vorsätzlichen Verletzung“ im Raum stehe, zu deren Sanktionierung wiederum ein Hausarrest anstelle von Gefängnishaft ausreichend sei. Der Verdacht einer Beteiligung des Klägers an dem Tötungsdelikt – sei es als Anstifter, Gehilfe oder Mittäter – ist damit auch im juristischen Sinne entfallen. Dies ist auch in dem von dem Kläger in Übersetzung eingereichten Presseartikel der Zeitung „Gazeta Shqip“ vom 9. Dezember 2013 vorab publiziert worden. Entgegen der Klagebegründung wird der Kläger darin der vorsätzlichen Tötung in Mittäterschaft gerade nicht mehr verdächtigt. In dem Presseartikel heißt es ausdrücklich: „Die Verdächtigen K1. L1. und […] werden wegen vorsätzlicher leichter Verletzung in Mittäterschaft und verschwiegener Straftat beschuldigt“. Im Hinblick darauf bedarf es einer Echtheitsüberprüfung dieser Unterlagen nicht.
64Vor diesem Hintergrund lässt sich auch aus den vorgeblichen Drohanrufen Ende April 2013, die angeblich die Familie des Klägers im Mai 2013 zum Wegzug in ihr Heimatdorf in Nordalbanien bewegt haben sollen, keine aktuelle Gefährdung der Kläger ableiten. Diese Anrufe haben sich nach Angaben des Klägers in der Folgezeit nicht mehr wiederholt. Auch die Bedrohung des Klägers über das online-Netzwerk „facebook“, die der Kläger angeblich im Dezember 2013 bzw. Januar 2014 von F. Q. erhalten hatte, ist einmalig geblieben. Vielmehr hat F. Q. den Kläger von seinem „facebook“-Zugang gelöscht. Soweit der Kläger schließlich berichtet, dass der Vater des Getöteten – ein ehemaliger Gardeoffizier, der laut einem weiteren eingereichten Pressebericht vom 30. März 2013 („Aktualitet“) zuletzt im Kommissariat Nr. 2 in U. seinen Polizeidienst versah – im November 2014 ein telefonisches Versöhnungsersuchen des Mannes der Tante des Klägers mit den Worten abgelehnt haben soll, man werde ihnen „nie verzeihen, sie sollten sich einschließen“, kann hieraus allein nicht auf eine „ernsthafte Gefahr“ für den Kläger geschlossen werden. Abgesehen davon, dass die Ablehnung einer von der Familie des Klägers angetragenen Versöhnung nicht ohne weiteres den Rückschluss auf eine unmittelbare Bedrohung für Leib oder Leben zulässt, spricht gegen eine ernsthafte Gefahr, dass die Familie des Klägers seit nunmehr fast zwei Jahren unbehelligt in ihrem Heimatdorf lebt. Namentlich der Vater des Klägers, der sich angeblich aufgrund der Drohanrufe im Mai 2013 gezwungen sah, seinen Dienst bei der Armee zu quittieren und U. zu verlassen, ist nach den Schilderungen des Klägers jedenfalls jetzt in der Lage, gemeinsam mit dem Onkel des Klägers seinen Lebensunterhalt in der familieneigenen Chrommine zu erwirtschaften. Er kann sich dort auch frei bewegen. Sollten daher die Mitglieder der verfeindeten Familie tatsächlich eine Gewalttat beabsichtigt haben, hätten sie genügend Zeit und Gelegenheit gehabt, die Angehörigen des Klägers für das vermeintlich von dem Kläger begangene Unrecht durch einen Akt der Blutrache zur Verantwortung zu ziehen. Dies gilt nach Lage der Dinge auch für den Kläger, der sich unmittelbar nach Beendigung des Hausarrests nicht nur in der Lage sah, mit dem Bus von U. in sein Heimatdorf zu reisen, sondern auch im Juni 2014 in der Stadt C1. D. seine Abiturprüfungen zu absolvieren, zu denen er durch jahrelange Fern- bzw. Ersatzbeschulung befähigt worden sein will. Hinzu kommt, dass der Kläger sich ausweislich der notariellen Bescheinigung vom 26. Juni 2014, mit der er seinen Rechtsanwälten Prozessvollmacht für seine Rechtsmittelverfahren erteilt hat, nach U. begeben und dort aufgehalten haben muss. Die Notwendigkeit, sich permanent „einzuschließen“, um einem Racheakt zu entgehen, hat folglich selbst der Kläger nicht gesehen. Insgesamt ist daher nicht feststellbar, dass die Wahrscheinlichkeit einer gegen den Kläger gerichteten Gewalttat über die bloße Möglichkeit einer Gefährdung hinausgeht. Dies gilt für die Klägerin, die insoweit keine eigenen Fluchtgründe vorgetragen, erst recht.
65b) Die Zuerkennung subsidiären Schutzes ist zudem gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylvfG ausgeschlossen, weil sich die Kläger auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Die Kläger können einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung dadurch begegnen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise dort erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3 e Abs. 1 AsylVfG. Dies ist hier der Fall. Die Kläger können aus vorstehenden Gründen durch Wohnsitznahme in dem Heimatdorf der Eltern des Klägers, möglicherweise auch in U. , wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine Gefahr für Leib oder Leben abwenden, wodurch sie keinem realen Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sind.
66c) Darüber hinaus scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, den Klägern Schutz vor einem ernsthafter Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren, § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylVfG. Den Antragsteller trifft insoweit die Darlegungslast, d.h. er muss konkrete Tatsachen und Umstände bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass er sich um Schutz bei staatlichen oder quasistaatlichen Stellen bemüht hat. Er muss die persönlichen Umstände, Verhältnisse und Erlebnisse mit Blick auf das Schutzbegehren schlüssig und hinsichtlich Ort und Zeit detailliert und vollständig darlegen.
67Vgl. VG Aachen, Urteil vom 30. Januar 2012 – 6 K 812/11.A –, juris Rn. 47; Marx, a.a.O., § 4 Rn. 35; Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: April 2011, § 60 AufenthG Rn. 141.
68Hieran fehlt es. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, seine Eltern hätten bereits erfolglos Anzeige bei der Polizei erstattet und er selbst habe sich – ebenfalls erfolglos – wegen der Bedrohung über „facebook“ „an den Staatsanwalt“ gewandt. Die diesbezüglichen Angaben des Klägers blieben jedoch trotz Nachfrage des Gerichts relativ vage und detailarm. Schriftliche Nachweise hat der Kläger hierzu nicht vorgelegt. Von daher kann nicht nachvollzogen werden, ob die Anzeigen tatsächlich erstattet wurden und wie sie gegebenenfalls von den albanischen Ermittlungsbehörden behandelt wurden.
69Dessen ungeachtet sind die albanischen Sicherheitsbehörden nach den im Internet allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig, vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren, § 3d Abs. 1 und 2 AsylVfG. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris m.w.N; BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 17 ff.; Home Office, Country Information an Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6.
71Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a).
72Vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 18, www; Österr BVerwG, 12. Juni 2014 - G309 1437794 -1/4E -Home office, S. 19.
73Zuletzt hat der Rechtsausschluss des albanischen Parlaments im Februar 2015 eine Gesetzesvorlage zur Bekämpfung der Blutrache beschlossen und dem Parlament vorgelegt. Demnach fordert das Parlament die Ermittlungsbehörden zu einer Zusammenarbeit mit der Staatspolizei und zur Untersuchung sämtlicher Blutrachefälle auf.
74Vgl. http://www.globalpost.com/dispatch/news/xinhua-news-agency/150225/albania-drafts-resolution-prevention-blood-feud („Albania drafts resolution on prevention of blood feud”)
75Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde.
76Vgl. Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6.
77Seitens des Ombudsmannes (People’s Advocate) wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten.
78Vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 18.
79Vor diesem Hintergrund kann auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Vater des Opfers ein einflussreicher Polizeibeamter ist und der albanische Staat gerade in derartigen Fällen möglicherweise nur eingeschränkt zu einer Schutzgewährung in der Lage ist,
80vgl. hierzu AA, Lagebericht vom 16. Dezember 2013 – 508-516.80/3 ALB; BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 19,
81nicht festgestellt werden, dass ein etwaiges Schutzersuchen der Kläger bei den albanischen Strafverfolgungsbehörden – einschließlich der albanischen Staatspolizei – von vorne herein aussichtslos wäre.
825. Es besteht hinsichtlich Albaniens auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von einer Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Von wem die Gewalt ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, kommt es nicht an. Allerdings genügt allein eine theoretische Möglichkeit, das Opfer von Eingriffen in die nach § 60 Abs. 7 AufenthG geschützten Rechtsgüter zu werden, nicht. Für eine Schutzgewährung ist vielmehr erforderlich, dass eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit besteht. Eine solche haben die Kläger aus vorgenannten Gründen nicht vorgetragen.
836. Damit liegen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vor, §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
84Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 15. September 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6258/15.A gegen die in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 1. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 13. Oktober 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Der Antragsteller hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren ist der Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
8Zur Begründung wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 1. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 13. Oktober 2015, denen das Gericht folgt, Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
9Darüber hinaus ist ergänzend Folgendes anzumerken:
101. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG besteht bereits deshalb nicht, weil dem Antragsteller in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG).
11Soweit er – ungeachtet der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal vorträgt, er habe Angst als Mitglied seiner Familie irgendwann einmal der Blutrache durch eine andere nicht näher spezifizierte Familie zum Opfer zu fallen, weil sein Urgroßvater im Jahr 1939 drei Familienmitglieder dieser anderen Familie erschossen habe, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglied der Antragsteller ist, durch Dritte (hier: die Familie der seinerzeitigen Opfer) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG,
12vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.
13Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel ‑ und so auch hier – nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG wahrgenommen,
14vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.
152. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Antragstellers als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen nicht vor, weil er nach seinen Angaben mit dem Bus und dem Zug von Albanien aus über Kosovo, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylVfG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG von vornherein ausgeschlossen.
163. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG.
17Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihm in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
18Das Gericht erachtet das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich der geltend gemachten Furcht vor (Blut-)Racheakten als unglaubhaft. Dies zeigt sich bereits an der Äußerung des Antragstellers, er sei lediglich nach Deutschland gekommen, weil er gehört habe, dass es für Blutrache hier Asyl gebe. Wenn er nicht in Deutschland bleiben könne, habe er halt Pech gehabt. Albanien sei nichts für ihn. Er werde dann eher nach Afrika oder China gehen, als nach Albanien zurückzukehren. Die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens zum Verfolgungsschicksal folgt zudem daraus, dass der Antragsteller ausweislich seiner Angaben mehrfach für einige Monate aus beruflichen Gründen nach Griechenland und Italien ausgereist ist, jedoch stets wieder nach Albanien zurückkehrte. Hätte er tatsächlich konkrete Racheakte durch eine andere Familie zu befürchten, hätte er sich in der Vergangenheit nicht stets wieder in sein Herkunftsland zurückbegeben. Hinzu kommt, dass der Antragsteller die Familie, deren Blutrache er befürchtet, nicht näher spezifiziert, geschweige denn zu diesem Vorgang irgendwelche Dokumente vorgelegt hat. Ferner erklärte er auf ausdrückliche Nachfrage anlässlich seiner Anhörung vor dem Bundesamt, dass er selbst nie Kontakt zu dieser Familie gehabt und diese auch nie gesehen habe. Er habe lediglich Angst, Mitgliedern dieser Familie doch irgendwann einmal zu begegnen und eventuell bedroht zu werden.
19Selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers als wahr unterstellt wird, lassen sich daraus keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ableiten, dass der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ausgesetzt sein könnte. Denn wie bereits ausgeführt kann er weder die Familie, von der etwaige (Blut-)Racheakte ausgehen sollen näher bezeichnen, noch wurde er zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit von dieser Familie bedroht.
20Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch durch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylVfG ausgeschlossen, weil sich der Antragsteller auf internen Schutz verweisen lassen muss. Der Antragsteller kann sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG dadurch entziehen, dass er sich in einem anderen Teil Albaniens niederlässt. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylVfG. Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in die Hauptstadt Tirana oder andere urbane Zentren in Albanien, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
21vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63.
224. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
23Der Antragsteller ist im Falle seiner Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens fehlt es aus den vorgenannten Gründen an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müsste er sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen.
24II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
25Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 12. Oktober 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6883/15.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 11. September 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt mit der Maßgabe, dass nach Art. 15 Abs. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I, S. 1722) insoweit nicht die Normen des bis zum Ablauf des 23. Oktober 2015 geltenden Asylverfahrensgesetzes, sondern die des nunmehr geltenden Asylgesetzes Anwendung finden (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG), den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 11. September 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Soweit sie – ungeachtet der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal im Wesentlichen vortragen, sie hätten Angst irgendwann einmal nicht näher konkretisierten Racheakten bzw. Nachstellungen durch andere Familien zum Opfer zu fallen, weil der Bruder des Antragstellers zu 1) bereits vor 15 Jahren von Mitgliedern einer dieser Familien ermordet worden sei, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglieder die Antragsteller sind, durch Dritte (hier: die anderen Familien) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG,
11vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
12Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel ‑ und so auch hier ‑ nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
142. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren Angaben von Albanien aus über Italien und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG von vornherein ausgeschlossen.
153. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
16Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihnen in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
17Auf Grundlage des Vorbringens der Antragsteller zu 1) und 2) im Rahmen ihrer Anhörung kann das Bestehen einer Blutfehde mit anderen Familien schon nicht festgestellt werden. Nach den Regeln des Kanuns sind nur Tötungen, welche als Antwort auf eine zuvor erfolgte Tötung erfolgen, Fälle der klassischen Blutrache. Eine solche Konstellation ist mit Blick auf die Tötung des Bruders des Antragstellers zu 1) vor 15 Jahren ersichtlich nicht gegeben, weil der Bruder kein Mitglied einer anderen Familie getötet hat, sondern selbst Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist. Die behauptete Bedrohung der Antragsteller durch Mitglieder diverser anderer Familien beruht demgemäß nicht auf einem Blutrachekonflikt, sondern stellt sich – die Ausführungen der Antragsteller als wahr unterstellt – als kriminelles Unrecht durch nichtstaatliche Akteure dar.
18Diesbezüglich sind die Antragsteller – selbst bei Wahrunterstellung der nicht näher konkretisierten Bedrohungen – jedoch gehalten, bei den albanischen Sicherheitsbehörden um Schutz nachzusuchen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der albanische Staat willens und in der Lage ist, vor befürchteten Übergriffen nichtstaatlicher Akteure Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen (§ 4 Abs. 3, § 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG),
19vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 64 ff.
20Die Schutzwilligkeit der albanischen Sicherheitsbehörden wird nicht zuletzt durch das Vorbringen der Antragsteller zu 1) und 2) und den von ihnen vorgelegten Unterlagen bestätigt. Aus letztgenannten Unterlagen ist zu ersehen, dass seitens der albanischen Polizei und Staatsanwaltschaft, auf entsprechende Anzeigen der Antragsteller bzw. ihrer Familienangehörigen hin, im Fall von Körperverletzungsdelikten Ermittlungen eingeleitet worden sind.
21Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch durch § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller hinsichtlich der behaupteten kriminellen Übergriffe durch nichtstaatliche Akteure auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Die Antragsteller können sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG dadurch entziehen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
22vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 ‑ 6 K 8197/14.A ‑, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
234. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
24Die Antragsteller sind im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens fehlt es an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müssten sie sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen.
25II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
26Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Gründe:
2Der am 16. November 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 7649/15.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. November 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2015 begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des ausführlichen Bescheides des Bundesamtes vom 9. November 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Der Antragsteller zu 1. trägt im Wesentlichen vor, er sei wegen eines Blutrachekonfliktes in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Sein Bruder habe in einem Nachtlokal im Kosovo den Cousin seiner Mutter im Juni 2013 umgebracht. Er sei selbst nicht bei der Tat gewesen. Der Bruder sei daraufhin vor der dortigen Polizei nach Albanien geflohen, habe sich jedoch dann im Kosovo gestellt und sei schließlich wegen der Tat fünf Monate im Kosovo im Gefängnis gewesen. Wann dass genau gewesen sei, erinnere er sich nicht. Gegen Geldzahlung sei sein Bruder vorzeitig frei gekommen. Der Onkel mütterlicherseits habe daraufhin seinen Bruder mit dem Tode bedroht, so dass dieser vor etwa vier Monaten nach Spanien geflohen sei nachdem der Antragsteller zu 1. ihn zuvor versteckt gehalten habe. Vor vier Monaten habe auch er, der Antragsteller, beschlossen, nach Italien auszureisen, er habe dort drei Schwestern und in Albanien außer Vater und Mutter keine Familie mehr. Zudem sei seine Frau, die Antragstellerin zu 2., schwanger gewesen. Er habe so nicht mehr leben können. Direkt von Angesicht zu Angesicht sei er nicht bedroht worden, er habe nur Nachrichten erhalten. Zur Polizei sei er nicht gegangen. Unterlagen über den vermeintlichen Blutrachekonflikt könne er nicht vorlegen, er habe nur solche über die Entlassung seines Bruders aus dem Gefängnis.
11Die Antragstellerin zu 2. trägt maßgeblich vor, sie habe mit einem ihrer Onkel Probleme gehabt, der sie seit ihrem 13. Lebensjahr sehr streng habe erziehen wollen. Nach Abschluss der Ausbildung zur Krankenschwester habe sie sich verlobt und sei von dem Antragsteller zu 1. schwanger geworden. Gegen diese Verbindung sei ihr Onkel gewesen, auch wegen der Konfessionsverschiedenheit zu ihrem Ehemann. Sie sei Muslimin, er Katholik. Anlässlich eines Familienfestes habe dieser Onkel auf sie geschossen. Ihr jüngster Onkel habe eine für sie bestimmte Kugel abbekommen und sei gestorben. Dies belaste sie sehr. Der Onkel sei daraufhin von der Polizei festgenommen worden und befinde sich im Gefängnis.
12Im Rahmen der Verfolgungsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wäre hier allenfalls nach dem geltend gemachten Vortrag beider Antragsteller eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Betracht zu ziehen. Die von den Antragstellern behauptete Bedrohung von ihnen und gegebenenfalls ihrer Familien durch nichtstaatliche Akteure (vor allem den Onkel mütterlicherseits / älteren Onkel) begründet jedoch nicht die Eigenschaft der „Familie“ als „soziale Gruppe“ im Sinne dieser Norm,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A ‑, n.v.
14Eine Definition des Begriffs der „sozialen Gruppe“ fehlt zwar im AsylG und ist auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Art 10 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 lässt sich indes entnehmen, dass eine Gruppe im Sinne der Verfolgungsgründe in dem betreffenden Land einen unveränderlichen Hintergrund sowie eine deutlich abgegrenzte Identität aufweisen muss, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Diese Abgrenzbarkeit muss schon vor der in Rede stehenden Verfolgung bestehen,
15vgl. zur Richtlinie 2004/83/EG: EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-199/12 u.a. –, juris Rn. 45; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 38.
16Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Gesellschaft in Albanien in der Regel nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen. Im Fall der Antragsteller ist dies nicht der Fall. Der Antragsteller zu 1. wird von den Angehörigen des Opfers, das 2013 von seinem Bruder getötet worden sein will, allenfalls als Angehöriger der Familie des „Täters“ bedroht; nur von diesen, nicht auch von (irgendwelchen) anderen Bürgerinnen und Bürgern in Albanien werden sie in diesem Sinne „unterscheidend“ wahrgenommen. Die Unterscheidung, die auf Grund der vermeintlichen Blutracheproblematik getroffen wird, entsteht somit erst durch die Verfolgungshandlung. Ein solcher Fall liegt nicht im Anwendungsbereich des in §§ 3 Abs. 1, 3b Abs. 1 AsylG geschützten Rechtsguts,
17vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 5 Bf 45/07.AZ –, juris Rn. 23ff.; Sächs.OVG, Urteil vom 26. Februar 2013 – A 4 A 702/08 –, juris Rn. 45; Bay.VGH, Urteil vom 9. August 2010 ‑ 11 B.0930091 ‑, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A ‑, n.v.
18Die Antragstellerin zu 2. wird schon nicht als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern letztlich wegen ihres individuellen Lebenswandels bedroht. Schwierigkeiten mit den albanischen Behörden haben beide Antragsteller bei ihrer Anhörung am 6. November 2015 nicht angegeben.
192. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren eigenen Angaben von Albanien aus über Italien und weitere Drittländer auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland mithilfe eines Schwagers des Antragstellers zu 1. eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung hier bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG ausgeschlossen. Ungeachtet dessen liegen auch die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Asylgrundrechts aus denselben Gründen nicht vor, die einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegenstehen.
203. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, ihnen drohte in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein ernstlich in Betracht zu ziehenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie Bestrafung.
21a) Hinsichtlich des Antragstellers zu 1. ist bereits unglaubhaft, dass eine Blutfehde mit der Familie des Onkels mütterlicherseits besteht. An den entscheidenden Stellen bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 2015 bleibt sein Vortrag substanzarm und unkonkret. So will die Ermordung seines Cousins durch den Bruder des Antragstellers zu 1. innerhalb der Familie zunächst als Selbsttötung getarnt worden sein. Nach Angaben des Antragstellers hat dies der Onkel mütterlicherseits auch geglaubt. Weshalb die Familie des Antragstellers zu 1. dann dem Onkel die Ermordung ohne Weiteres berichtet und die etwaige Konsequenz einer Blutrachefehde in Kauf genommen haben will, erschließt sich schon nicht. Weiterhin ist wenig nachvollziehbar, weshalb sich der Antragsteller zu 1. sofort nach der angeblichen Tat seines Bruders im Juni 2013 jedenfalls aber nach dessen Freilassung (hier ist der Vortrag widersprüchlich) versteckt gehalten, zugleich indes sein Ladenlokal noch bis Ende April 2015 weitergeführt haben will. Selbst wenn er „einen Manager“ für die Führung des Geschäfts gehabt hätte, ist der Vortrag, die Brüder des Onkels mütterlicherseits hätten sofort mitbekommen, wenn er aus seinem Versteck gegangen wäre und hätten ihn dann töten können, unstimmig zu seiner Einlassung, er habe sich mit seiner Mutter in seinem Lokal getroffen und habe sein Versteck mit ihr verlassen können („Ich bin mit meiner Mutter raus“). Schließlich war es ihm auch möglich unbehelligt seine Frau, die Antragstellerin zu 2., die angeblich getrennt von ihm in ihrem eigenen Haus gelebt haben will, regelmäßig zu sehen, zumal sie von dem Antragsteller zu 1. auch schwanger wurde. Die Antragstellerin zu 2. hat ihn nach ihrem eigenen Vortrag im Übrigen im Mai 2015 in Italien besucht, so dass erkennbar unglaubhaft ist, wenn der Antragsteller zu 1. angibt, er habe sich die ganze Zeit bis zu seiner Ausreise in Albanien versteckt gehalten. Angesichts der behaupteten Bedrohungssituation ist es schließlich nicht nachvollziehbar, weshalb er weder ansatzweise versucht hat, in einen anderen Landesteil Albaniens auszuweichen noch zu irgendeinem Zeitpunkt Kontakt zur Polizei zu suchen bzw. sich an ein Versöhnungskomitee oder eine sonstige Schlichtungsstelle für Blutrachefälle zu wenden. Verfolgungsversuche durch den Onkel mütterlicherseits, geschweige denn hartnäckige, werden letztlich nicht benannt. Die geschilderten Rachenachrichten bleiben unkonkret. Wenn der Antragsteller schließlich behauptet, er wolle die Familie seiner Frau nicht in den Blutrachekonflikt hineinziehen, deswegen könne er zum Teil keine weiteren Angaben machen (Antwort beim Bundesamt: „Jetzt ziehen Sie meine Frau da nicht mit rein“), übersieht er, dass Blutrache sich nach dem „Kanun“, auf den sich der Antragsteller zu 1. selbst namentlich beruft, in erster Linie gegen den Täter und dann männliche Angehörige seiner Sippe richtet, wenn dieser nicht zu fassen ist. Frauen und Kinder sind grundsätzlich ausgenommen und damit nicht nur die Antragstellerin zu 2., sondern deren ganze Familie,
22vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Mai 2015; Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 11.
23Aus dem Vortrag der Antragsteller ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, ausnahmsweise sei die Antragstellerin zu 2. einer solchen Bedrohung durch Teile der Familie ihres Ehemannes ebenfalls ausgesetzt. Es liegt daher die Annahme nahe, dass der Antragsteller zu 1. keiner persönlichen Bedrohungssituation ausgesetzt war.
24b) In der Person der Antragstellerin zu 2. liegen ebenso keine stichhaltige Gründe für die Annahme, sie sie im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ihres Onkels ausgesetzt, vor. Selbst wenn sich die von ihr geschilderte Auseinandersetzung bei der einer ihrer Onkel auf sie geschossen und statt ihrer den jüngeren Onkel getötet haben will so zugetragen hat, lässt sich die Gefahr eines ernsthaften Schadens für sie nicht beachtlich wahrscheinlich bei Rückkehr mit der gebotenen konkreten Gegenwärtigkeit ableiten. Denn ihr Onkel ist unstreitig verhaftet worden und befindet sich derzeit im Gefängnis; erweisen sich die Tatvorwürfe als wahr hat er offenkundig mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen. Ob er gegen Bestechungsgeld freikommt oder einen gedungenen Mörder gegen sie beauftragt, ist bloße Spekulation und befindet sich nur im möglichen, nicht aber beachtlich wahrscheinlichen Bereich. Auch kann aus dem Umstand, dass ihr Ehemann in einen - vom Gericht hier nicht für glaubhaft befunden - Blutrachekonflikt verwickelt sein will, keine Gefahr für die Antragstellerin zu 2. abgeleitet werden. Wie unter I. 3. a) dargelegt, richtet sich Blutrache in erster Linie gegen den Täter und dann männliche Angehörige seiner Sippe, wenn dieser nicht zu fassen ist. Anhaltspunkte für eine Abweichung hiervon sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
25c) Darüber hinaus scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, beiden Antragstellern Schutz vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren, vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG. Die albanischen Sicherheitsbehörden sind trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig, vor einem solchen Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren, vgl. § 3d Abs. 1 und 2 AsylG. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht,
26vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 - 11 A 334/14.A -, juris Rn. 8 m.w.N; Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 17ff. m.w.N.; Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
27Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a),
28vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18; Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 19, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
29Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde,
30vgl. Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
31Seitens des Ombudsmannes wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten,
32vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18.
33Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein Schutzersuchen des Antragstellers zu 1. bei der Polizei von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Etwas substantiiert Abweichendes hat er auch nicht vorgetragen, insbesondere ist nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb es ihm über zwei Jahre lang nach dem vermeintlichen Vorfall hinweg nicht möglich gewesen sein soll, selbst um Schutz bei der Polizei nachzusuchen oder, dass dieser Schutz ihm erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Die Einlassung, er könne der Polizei nicht sagen, dass er „umgebracht“ werden solle, weil sein Onkel mütterlicherseits dieses Recht einfordere, ist kein beachtlicher Grund, nicht zu den Sicherheitskräften zu gehen. Für die Schutzwilligkeit und -fähigkeit der Polizei bei innerfamiliären Konflikten spricht gerade im Übrigen der Fall der Antragstellerin zu 2. - wenngleich es sich dabei eher um kriminelles Unrecht und weniger um eine Blutracheproblematik handeln dürfte -, denn dort hat sie den Onkel der Antragstellerin verhaftet. Es gibt auch entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Anhaltspunkte, die Polizei würde bei einem religiösen privaten Konflikt (familiärer Unmut, weil die Antragsteller konfessionsverschieden geheiratet haben) nicht einschreiten. Ungeachtet dessen, dass schon allgemein keine Religionsgemeinschaft durch staatliche Maßnahmen bevorzugt oder diskriminiert wird und keine maßgeblichen religiös motivierten Konflikte existieren,
34vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 7,
35ist die Polizei ja gerade auch tatsächlich im Falle der Antragstellerin bereits eingeschritten. Weshalb dies nicht bei einem erneuten Bedrohungspotential noch einmal möglich sein sollte, verbleibt unklar.
36Lediglich am Rande wird angemerkt, dass es dem Antragsteller zu 1. im Rahmen der unterstellten Blutracheproblematik weiter möglich und zumutbar wäre, das Nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen die in diesem Bereich tätig sind einzuschalten,
37vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 13f.,
38um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen.
39d) Ungeachtet dessen ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich beide Antragsteller -selbst ihren Vortrag als wahr unterstellt - auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Sie können einer Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention zuwiderlaufenden Behandlung dadurch begegnen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise dort erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer - vor allem südlicher - Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
40vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 ‑ 6 K 8197/14.A ‑, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, n.v.
41Weshalb dies nicht möglich sein soll, legen sie nicht dar. Soweit die Antragstellerin zu 2. angibt, Albanien sei dafür zu klein, ist diese Behauptung zu pauschal und überzeugt nicht, zumal weder die Antragsteller den Versuch unternommen haben, ihren Wohnort (wohl W. in der Nähe von U. ) innerhalb Albaniens in eine andere größere Stadt zu verlegen noch greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, die Opferfamilie im Falle des Antragstellers zu 1. und der Onkel im Falle der Antragstellerin zu 2. hätten ein Interesse daran und auch entsprechende Möglichkeiten, die Antragsteller andernorts zu finden, um eine ‑ vom Gericht bereits nicht angenommene ‑ „Blut“-rache oder sonstiges kriminelles Unrecht auszuführen.
424. Schließlich liegen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote in Bezug auf Albanien vor. Für die Antragsteller besteht in Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret ist eine derartige Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr eintritt,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96, juris Rn. 13.
44Aus den vorgenannten Gründen unter I. 3. a) haben die Antragsteller keine erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit vorgetragen. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin zu 2. weiter geltend gemachte psychische Erkrankung. Sie hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 2015 vorgetragen, sie sei wegen der Geschehnisse mit ihrem Onkel alle zwei Wochen in psychologischer Behandlung in Albanien gewesen. Diese sei privat finanziert worden. Unterlagen, Atteste oder ähnliches habe sie nicht dabei.
45Die vermeintlichen psychischen Probleme der Antragstellerin wurden bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Zur Substantiierung eines Sachvortrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung zum Gegenstand hat, gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben,
46vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, juris Rn. 15.
47Ungeachtet dessen ist aber auch nicht zu erkennen, die Antragstellerin zu 2. wäre bei einer Rückkehr nach Albanien einer drohenden erheblichen Gesundheitsgefahr aufgrund der unterstellten psychischen Erkrankung ausgesetzt. Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist eine medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch Erkrankten -zumindest medikamentös- in Albanien auf rechtlich maßgeblichem Landesniveau gewährleistet und auch zugänglich. Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos über eine staatliche Krankenversicherung gesichert. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten und es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen,
48vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 2013 - zu Frage 22; s. bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003; s. zur Erreichbarkeit und Kostenübernahme von Medikamenten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6f..
49Dass die Antragstellerin zu 2. im Übrigen überhaupt zwingend auf Medikamente angewiesen wäre, lässt sich ihrem Vortrag auch nicht entnehmen. Schließlich ist nicht ersichtlich, sie könne in Albanien nicht etwaige Behandlungskosten tragen, denn bereits vor ihrer Ausreise hat sie die psychologische Behandlung aus privaten Einnahmen beglichen.
50II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
51Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
52Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2014 wird in Nr. 1. und 2. insoweit aufgehoben, als darin ein Offensichtlichkeitsurteil gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG enthalten ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00. März 1995 in Bajram Curri geborene Kläger ist ebenso wie seine Verlobte, die am 00. Januar 1996 in Burrel geborene Klägerin, albanischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens.
3Der Kläger reiste am 28. Juni 2014 auf dem Luftweg aus dem Kosovo (Prishtina) in das Bundesgebiet ein. Die Klägerin folgte ihm am 12. Juli 2014 auf demselben Wege nach.
4Die Kläger stellten am 24. Juli 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – nachfolgend: Bundesamt – einen Asylantrag, den sie bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 17. Oktober 2014 im Wesentlichen damit begründeten, dass dem Kläger ein Racheakt drohe. Der Kläger führte hierzu aus, er habe sich am 28. März 2013 gemeinsam mit mehreren Freunden und Bekannten zu einem vereinbarten Treffpunkt im Stadtviertel „L. e Q1. “ von Tirana begeben, um dort einen Streit mit zwei anderen Jugendlichen – K. S. und H. Q. – zu klären. Im Zuge der Auseinandersetzung sei er selbst von dem S. mit einer Eisenstange zwei Mal auf den Kopf geschlagen worden. Er habe sich trotzdem mit Faustschlägen zur Wehr gesetzt. Einer seiner Freunde („B. “) habe die Stange genommen und auf den Angreifer (S. ) eingeschlagen. Der H. Q. habe nur dagestanden wie betäubt. Später im Auto habe einer der Bekannten des Klägers – P. C. – gesagt, er habe den Q. an den Hals geschlagen und mit dem Messer ins Bein gestochen. Tatsächlich, so der Kläger, müsse er ihm aber ins Herz gestochen haben. Hiervon habe er, der Kläger, während der Schlägerei aber nichts mitbekommen. Der P. C. habe im Auto erzählt, dass er mit einem Messer auf den Q. eingestochen hätte. Sie hätten ihn daraufhin angeschrien, wie er das habe tun können. Anschließend hätten sie sich vom Tatort entfernt. Er selbst habe sich dann nach Hause begeben und seiner Familie von dem Vorfall erzählt. Später hätten sie in den Nachrichten gesehen, dass einer verstorben und einer verletzt gewesen sei. Hierauf habe er sich am nächsten Morgen der Polizei gestellt. Hierzu sei er zunächst ins Justizministerium gegangen. Dort hätten sich sein Vater und sein Onkel in einem Café aufgehalten. Von dort habe sein Vater die Polizei gerufen, die ihn, den Kläger, dann abgeholt habe. Er habe dann auf der Polizeidirektion seine Aussage gemacht und sei dann festgenommen worden. Er sei sodann Ende März 2013 inhaftiert und zunächst auch der Tötung in Mittäterschaft verdächtigt worden. Der C. sei zunächst flüchtig gewesen. Dessen Anwalt habe im Herbst 2013 die Tat eingeräumt. Hierauf sei Ende Dezember 2013 die Haft des Klägers in Hausarrest umgewandelt worden. Den Hausarrest habe er in der Wohnung in U. abgesessen. Die Maßnahme habe bis zum 7. April 2014 gedauert. Während seiner Haft sei die Familie Ende April 2013 durch die Familie des Getöteten bedroht worden. Auch er selbst habe von dem Bruder des Getöteten, F. Q. , über das online-Netzwerk „facebook“ am 18. Dezember 2013 und am 15. Januar 2014 Todesdrohungen erhalten. Seine Familie habe Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Anzeige sei dort jedoch nicht ernst genommen worden, weil der Vater des Opfers bei der Garde der Republik arbeite. Versöhnungsversuche seines Onkels seien seines Wissens fehlgeschlagen. Am 8. Mai 2014 sei er mit der Klägerin mit dem Bus in das Heimatdorf der Eltern bei U1. (E. ) gefahren. Dort hätten die beiden Familien Verlobung gefeiert und die Ausreise der Kläger beschlossen. Der Kläger habe sich sodann nach Prishtina begeben; die Klägerin habe noch einen Pass beschaffen müssen und sei dann ebenfalls über Prishtina ausgereist. Er stehe mit seiner Familie telefonisch in Kontakt. Von ihr habe er erfahren, dass der wahre Täter mittlerweile festgenommen sei. Trotzdem seien weiterhin Bedrohungen ausgesprochen worden. Er selbst habe 2014 noch das Abitur am B1. -W. -Gymnasium in C1. D. abgelegt.
5Die Klägerin bestätigte in ihrer Anhörung die Angaben des Klägers und führte ergänzend aus, dass sich der Kläger während des Hausarrests mehrfach bei der Polizei habe melden müssen. Sie fühle sich ebenfalls gefährdet.
6Mit Bescheid vom 28. November 2014 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen. Ferner drohte es den Klägern für den Fall der Nichtausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung die Abschiebung nach Albanien an. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, die Darstellung des Klägers von der Schlägerei sei aufgrund der dürftigen Schilderung in wesentlichen Punkten unglaubhaft und daher im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG unsubstantiiert bzw. unschlüssig.
7Dagegen haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Der Kläger macht unter Vorlage zahlreicher Unterlagen – vorwiegend Presseberichte und Gerichtsentscheidungen –, die dem Gericht in der durch eine albanische Notarin am 20. Dezember 2014 beglaubigten Übersetzung vorliegen, ergänzend geltend: Nach einem Bericht des Bundesamtes von April 2014 („Blickpunkt Albanien – Blutrache“) seien Blutrachefehden in Albanien nach wie vor gegenwärtig. Ihre Anzahl hätte sich zuletzt erhöht. Gefährdet seien nicht nur der Täter und dessen Familienangehörige, sondern auch Anstifter und Mittäter. Die albanische Polizei sei nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes nur eingeschränkt in der Lage, Schutz zu gewähren, da sie käuflich sei und nicht immer nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handele. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vertiefend vorgetragen: Er habe die Abiturprüfungen im Juni 2014 erfolgreich absolviert. Dies sei ihm dadurch möglich geworden, dass er seit dem Umzug der Familie 2011 nach U. Fernunterricht erhalten habe. Auch in der Haft und im Hausarrest sei er beschult worden. In Deutschland habe er mitbekommen, dass der wahre Täter im September 2014 von der Polizei in Fier verhaftet worden sei. Seine Eltern hätten ihm hiervon berichtet. Die Bedrohungen des Bruders des Opfers, F. Q. , über „facebook“ hätten sich nicht wiederholt. Dieser habe ihn, den Kläger, aus seinem „facebook“-Account gelöscht. Er habe den Staatsanwalt von dem „facebook“-Eintrag berichtet. Dieser habe jedoch keine Veranlassung zum Handeln gesehen, da er erst den Ausgang des Verfahrens habe abwarten wollen. Auch seine Familie, die seit Mai 2013 in ihrem Heimatdorf E. bei U1. lebe, sei seit Mai 2013 nicht mehr telefonisch bedroht worden. Allerdings habe der Mann der im Ort Puke lebenden Tante des Klägers im November 2014 einen Versöhnungsversuch unternommen. Er habe den Vater des Opfers telefonisch kontaktiert und im Hinblick auf die Verhaftung des Täters um Versöhnung ersucht. Dies habe der Vater des Opfers mit den Worten abgelehnt, dass man dem Kläger nie verzeihen werde. Die Eltern des Klägers lebten nach wie vor in E. . Dort verdiene der Vater den Lebensunterhalt mit einer Chrommine, die der Familie gehöre und zu der er regelmäßig zur Arbeit gehe. Besuche in größeren Städten meide er. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
8Die Kläger beantragen,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. November 2014 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und sie als Asylberechtigte anzuerkennen,
10hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 3. bis 5. des Bescheides des Bundesamtes vom 28. November 2014 zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen,
11weiter hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 4. und 5. des Bescheides des Bundesamtes vom 28. November 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens besteht.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Dem von den Klägern am 8. Dezember 2014 gestellten Antrag auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes (6 L 2986/14.A) hat der Einzelrichter mit Beschluss vom 23. Dezember 2014 stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Ferner hat der Einzelrichter für das Klageverfahren mit Beschluss vom 19. Februar 2015 Prozesskostenhilfe bewilligt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist zulässig (I.), jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (II.).
18I. Die Klage ist insbesondere hinsichtlich der isolierten Anfechtung der Ablehnung der Anträge der Kläger als offensichtlich unbegründet in den Ziffern 1. und 2. des Bescheides vom 28. November 2014 zulässig. Es besteht ein Rechtsschutzinteresse der Kläger an der isolierten Aufhebung des der Begründung zufolge auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG gestützten Offensichtlichkeitsausspruchs des Bundesamtes in diesem Bescheid. Die Kläger haben einen derart begrenzten Antrag zwar nicht ausdrücklich gestellt, dieser Antrag ist jedoch als „Minus“ von ihrem Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG umfasst.
19Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 3. März 2008 – 6 A 141/05 –, in juris sowie VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 27 K 7938/10.A. -
20Ein Rechtsschutzinteresse der Kläger ergibt sich aus der Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Danach darf die Ausländerbehörde grundsätzlich - von den in Satz 3 der Vorschrift geregelten Ausnahmen abgesehen - vor der Ausreise keinen Aufenthaltstitel erteilen, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Aufgrund dieser gesetzlichen Sperre für die Erteilung von Aufenthaltstiteln ergeben sich für diejenigen Ausländer, deren Asylantrag das Bundesamt nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt hat, auch insoweit aus dem angegriffenen Asylbescheid eigenständige nachteilige Rechtsfolgen, die nur mit der gerichtlichen Aufhebung des Offensichtlichkeitsurteils - soweit es auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützt wird - abgewendet werden können.
21Vgl. zur weiteren Begründung: VG Braunschweig, Urteil vom 3. März 2008 – 6 A 141/05 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 27 K 7938/10.A - und Urteil vom 14. September 2007 – 21 K 2318/07.A –, juris; Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 4. Januar 2007 – 14 A 66/06 –, juris.
22Das Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des Offensichtlichkeitsausspruches kann allerdings nur soweit reichen, wie auch die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG reicht, mithin sich nur auf eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet beziehen, die konkret auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützt ist. Maßgeblich dafür, ob der Asylantrag gerade wegen § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde, ist der Inhalt des Bundesamtsbescheides; dieser muss sich ausdrücklich auf § 30 Abs. 3 AsylVfG beziehen.
23Dies ist vorliegend der Fall. Im Bescheid vom 28. November 2014 werden die Anträge der Kläger ausdrücklich als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG abgelehnt, weil das Vorbringen insoweit als unsubstantiiert („unlogisch und unschlüssig“) zu werten sei.
24II. Die Klage ist nur teilweise begründet.
25Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. November 2014 ist überwiegend rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten; ihnen stehen zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) und auf Anerkennung als Asylberechtigte (2.) nicht zu; insoweit ist lediglich das auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützte Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes aufzuheben (3.). Die ferner geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (4.) sowie auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (5.) liegen ebenfalls nicht vor, so dass auch die Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden ist (6.), § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
261. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer ein Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr.1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2a) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2b).
27Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend ausgeschlossen, da die von den Klägern geltend gemachte „Verfolgung“ durch die Familie des Getöteten (Gijergi Q. ) nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG anknüpft. Denn die behauptete Verfolgungsfurcht beruht nicht auf der Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Überzeugung. In Betracht käme vorliegend allenfalls, die Familie des Klägers und dessen Verlobte, die Klägerin, als eine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG anzusehen, als deren „Mitglied“ die Kläger insbesondere durch den Vater und den Bruder des Opfers bedroht wären.
28Eine Gruppe gilt nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG insbesondere dann als eine „bestimmte soziale Gruppe“, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zudem muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Diese Abgrenzbarkeit muss schließlich schon vor der in Rede stehenden Verfolgung bestehen.
29Vgl. zur Richtlinie 2004/83/EG: EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-199/12, C-200/12, C-20112 –, juris (=NVwZ 2014, 132-135); OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris (= InfAulsR 2007, 256-259).
30Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Eine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG vermag sie aber nur dann darzustellen, soweit sie in der Gesellschaft des Heimatlandes des Antragstellers auch als deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener „Gruppenidentität“ wahrgenommen wird. Dies mag insbesondere in Ländern und Regionen in der Welt der Fall sein, wo ein Familienverband, ein Clan oder ein Stamm aufgrund äußerlicher Merkmale oder sonstiger Kennzeichen eine Gruppenidentität aufweist, insbesondere weil die Zugehörigkeit zur Familie, dem Clan oder dem Stamm im Lebensumfeld einen besonderen Stellenwert aufweist und identifikationsstiftend wirkt.
31Dies zugrunde gelegt, stellt die Familie des Klägers keine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG dar. Der Kläger wird – sein Vorbringen als wahr unterstellt – von den Angehörigen des Getöteten allenfalls als vermeintlicher Tatbeteiligter bedroht; nur von diesen Personen, nicht auch von (irgendwelchen) anderen Bürgerinnen und Bürgern in Albanien wird er in diesem Sinne „unterscheidend“ wahrgenommen. Dies gilt in einer Großstadt wie U. , in der der Kläger bis zuletzt lebte, erst recht. Die Unterscheidung, die auf Grund der wie auch immer gearteten Beteiligung des Klägers an der Schlägerei vom 28. März 2013 getroffen wird, entsteht schließlich erst durch die (vermeintliche) Verfolgungshandlung. Ein solcher Fall liegt aber nicht im Anwendungsbereich des in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG geschützten Rechtsguts.
32Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39 (= InfAuslR 2007, 256-259); VG Weimar, Urteil vom 31. August 2009 – 7 K 20238/07 We –, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 5 Bf 45/07. AZ –, juris Rn. 23 ff.; Sächs.OVG, Urteil vom 26. Februar 2013 – A 4 A 702/08 –, juris Rn. 45; BayVGH, Urteil vom 9. August 2010 – 11 B.0930091 –, juris Rn. 38; VG München, Urteil vom 11. Oktober 2013 – M 23 K 11.30203 –, juris Rn. 18; VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 K 14.30425 –, juris Rn. 26
332. Ein Anspruch der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Grundgesetz scheidet ebenfalls aus. Die Kläger sind nicht politisch verfolgt. Politische Verfolgung im Sinne von Art 16a Abs. 1 GG liegt vor, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Dementsprechend entfalten solche Verfolgungen Asylrelevanz, die sich auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung von Menschen beziehen.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 –, BVerfGE 80, 315-353, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, jeweils juris.
35Dies ist – wie vorstehend dargelegt – nicht der Fall.
363. Die Ablehnung des Asylantrages und des Antrages auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Kläger als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG ist indes rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG ist ein unbegründeter Antrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Anders als § 30 Abs. 1 und 2 AsylVfG, wo das Offensichtlichkeitsurteil an materielle Voraussetzungen geknüpft wird, ist die Grundlage des Offensichtlichkeitsurteils nach § 30 Abs. 3 AsylVfG die besonders schwerwiegende Verletzung von Mitwirkungspflichten. § 30 Abs. 3 AsylVfG normiert eine Sanktion für die Verletzung von Mitwirkungspflichten.
37Vgl. Marx, AsylVfG, § 30 Rn. 131, 138 f.; Gemeinschaftskommentar (GK), AsylVfG, § 30 Rn. 50.
38Das Bundesamt hat die Ablehnung der Anträge der Kläger als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG damit begründet, dass das Vorbringen als unsubstantiiert zu werten sei, da der Kläger den Hergang der Auseinandersetzung vom 28. März 2013 lediglich vage und unglaubhaft beschrieben habe.
39Bereits die Systematik des § 30 AsylVfG verbietet es, aus einem Vorbringen, das möglicherweise als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 AsylVfG zu qualifizieren ist, ohne Hinzutreten besonderer Umstände zugleich einen groben Verstoß gegen Mitwirkungspflichten im Sinne des § 30 Abs. 3 AsylVfG herzuleiten. Vielmehr bedarf es für die Qualifizierung eines Asylantrages als unsubstantiiert im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG, dass bestimmte Umstände hinzukommen und vom Bundesamt dargelegt werden, die die mit der Ablehnung der Anträge als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 AsylVfG verbundene Sanktion rechtfertigen. Dies war hier nicht der Fall. Insbesondere schilderte der Kläger in der Anhörung umfassend die Beweggründe für seine Ausreise und berichtete insoweit auch detailliert den Ablauf der Schlägerei. Dass der Kläger die Herkunft der Eisenstange, mit der auf ihn eingeschlagen worden sei, nicht erklärt habe, lässt nach Aktenlage nicht auf die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens schließen, zumal der Kläger hiernach nicht gefragt worden ist.
40Dessen ungeachtet ist – ohne dass es rechtlich darauf ankäme – die Einstufung des Begehrens als offensichtlich unbegründet im Ergebnis zutreffend. Sie rechtfertigt sich nach Maßgabe der Generalklausel des § 30 Abs. 1 AsylVfG. Danach ist der Antrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsschutz offensichtlich nicht vorliegen, was wiederum dann anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt.
41Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Februar 1993 – 2 BvR 1297/92 – juris Rdn. 15.
42Das ist hier der Fall. Den von den Klägern vorgebrachten Umständen fehlt jegliche asyl- oder flüchtlingsrechtliche Relevanz. Denn es ist, wie bereits dargelegt, nichts ansatzweise dafür ersichtlich, dass unveräußerliche persönliche und mithin asylerhebliche Merkmale bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zur Anknüpfung gezielter Rechtsverletzungen genommen würden. Die Ablehnung des Antrages drängt sich daher – wenngleich nur über § 30 Abs. 1 AsylVfG – auf.
434. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihnen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in ihrem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht (a). Zudem müssen sich die Kläger auf internen Schutz verweisen lassen, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylVfG (b). Im Übrigen fehlt es an der Voraussetzung, dass der albanische Staat erwiesenermaßen nicht schutzfähig oder -willig ist, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c Nr. 3, § 3d AsylVfG (c).
44a) Als ernsthafter Schaden gilt gemäß der hier allein näher in Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Diese Vorschrift wurde in Umsetzung von Art. 15 Buchst. b) der Richtlinie RL 2011/95/EU erlassen und orientiert sich an Art. 3 EMRK. Daher ist die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK jedenfalls im Zweifel auch für die Anwendung und Auslegung von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG verbindlich.
45Vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 22 f.
46Bei der Prüfung des subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) ist – wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylVfG) – der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nachdem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist,
47vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris Rn. 37 ff. unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 (360), und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 (344 f.); vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2009 - 10 C 21.08 -, NVwZ 2009, 1308, und vom 16. Februar 2010 - 10 C 7.09 -, juris, Rn. 21,
48finden im Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG keine Anwendung. Für das Beweismaß verwendet der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte zu der Vorschrift des Art. 3 EMRK den Begriff der tatsächlichen Gefahr ("real risk"). Danach muss der Antragsteller konkrete Gründe bezeichnen, um beurteilen zu können, ob im Fall der Abschiebung im Zielstaat ein tatsächliches Risiko besteht, einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die über die gesetzte Grenze hinausgeht. Das tatsächliche Risiko bezieht sich auf eine objektive Gefahrenlage, einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung unterworfen zu werden. Dabei differenziert der EGMR zwischen der – rechtlich unerheblichen – „bloßen Möglichkeit“ und der – beachtlichen – „ernsthaften“ bzw. „tatsächlichen Gefahr“.
49Vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi -, NVwZ 2008, 1330, Marx, a.a.O., § 4 Rn. 41.
50Dieser Maßstab der ernsthaften bzw. tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5.09 -; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, jeweils juris; VG Braunschweig, Beschluss vom 23. April 2013 – 6 B 82/13 –, juris m.w.N.
52Der EGMR vertritt mit Blick auf den objektivrechtlichen Ansatz in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Art. 3 EMRK absolut wirkt. Folglich wird die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch auf nichtstaatliche Akteure bejaht und ist vom Verhalten der betreffenden Person unabhängig.
53Vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 1996, Nr. 25964/94 – Ahmed ./. Österreich; vgl. auch Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Januar 2014 – E 7121/2013 –, abrufbar unter www.bvger.ch.
54Dies folgt nicht zuletzt gesetzessystematisch aus § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG, der auf §§ 3c bis 3e AsylVfG umfassend – also einschließlich der Vorschriften zum Schutz vor ernsthaften Schäden durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3, § 3d AsylVfG) – Bezug nimmt.
55Nach diesen Maßstäben liegen stichhaltige Gründe für die Annahme, die Kläger seien im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ausgesetzt, nicht vor.
56Das Gericht geht davon aus, dass sich die Auseinandersetzung vom 28. März 2013, in deren Verlauf der H. Q. erstochen wurde, jedenfalls im Kern so zugetragen hat wie von dem Kläger geschildert. Er hat den Vorgang sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung widerspruchsfrei und detailreich beschrieben. Insofern wird auf das Anhörungsprotokoll des Bundesamtes und das Terminsprotokoll Bezug genommen.
57Aus den Darlegungen zu den anschließenden Bedrohungen durch Mitglieder der Familie des Getöteten lässt sich die Gefahr eines ernsthaften Schadens für die Kläger indes nicht beachtlich wahrscheinlich ableiten.
58Dabei ist zunächst einzustellen, dass der Täter des Tötungsdeliktes, P. C. , unstreitig mittlerweile verhaftet worden ist. Dass sich die Verhaftung am 19. September 2014 in der Stadt G. ereignet hat und der C. deshalb mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen hat, hat der Kläger selbst bereits in der Anhörung bei dem Bundesamt angedeutet. Dies ergibt sich zusätzlich aus den zahlreichen Presseberichten und Veröffentlichungen, die im Internet allgemein zugänglich und – in Bezug auf den Täter C. – in der mündlichen Verhandlung von dem Dolmetscher übersetzt worden sind,
59Vgl. etwa http://www.noa.al/artikull/wanted-ne-fier-arrestohet-i-denuari-per-vrasje-dhe-5-te-tjere/441 037.html; https://www.youtube.com/watch?v=YGoW6xLXHI8.
60Mit der Festnahme des Täters ist ein Rachemotiv der Familie des Getöteten in Bezug auf den Kläger objektiv entfallen. Dies gilt um so mehr in Anbetracht des von dem Kläger selbst eingereichten Presseinterviews, welches der Bruder des Opfers, F. Q. , etwa sechs Monate nach der Tat – also im Herbst 2013 – geführt hatte: Er gab an, dass seine Familie „nichts anderes [möchte], außer dass der Täter des Mordes meines Bruders verhaftet wird und unsere Seelen ihre Ruhe finden“. Weiter heißt es dort: „Der Täter, der meinen Bruder getötet hat, ist noch nicht festgenommen worden. Alles was wir möchten, ist, dass die Polizei den Täter festnimmt“. Demnach war den Mitgliedern der Familie des getöteten H. Q. in erster Linie – wenn nicht gar ausschließlich – an der nunmehr vollzogenen Verhaftung des wahren Täters gelegen. Von dem seinerzeit inhaftierten Kläger war dagegen nicht ansatzweise die Rede.
61Auch kann aus dem Umstand, dass nach der aktuellen Auskunftslage nicht nur der Täter eines Tötungsdeliktes und dessen Familie, sondern auch Anstifter und Mittäter unter die Blutrache des Kanun fallen,
62vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 11,
63keine Gefahr für den Kläger abgeleitet werden. Der in dem von Klägerseite selbst vorgelegten Beschluss des Amtsgerichts U. vom 31. März 2013 (Nr. 404 Akti) ursprünglich (mit) erhobene Vorwurf der Tötung in Mittäterschaft wurde später mit Beschluss desselben Gerichts vom 24. Dezember 2013 (Nr. 2319/1) ausdrücklich fallen gelassen. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, dass nach dem Ermittlungsergebnis für den Kläger lediglich noch der Vorwurf einer „leichten vorsätzlichen Verletzung“ im Raum stehe, zu deren Sanktionierung wiederum ein Hausarrest anstelle von Gefängnishaft ausreichend sei. Der Verdacht einer Beteiligung des Klägers an dem Tötungsdelikt – sei es als Anstifter, Gehilfe oder Mittäter – ist damit auch im juristischen Sinne entfallen. Dies ist auch in dem von dem Kläger in Übersetzung eingereichten Presseartikel der Zeitung „Gazeta Shqip“ vom 9. Dezember 2013 vorab publiziert worden. Entgegen der Klagebegründung wird der Kläger darin der vorsätzlichen Tötung in Mittäterschaft gerade nicht mehr verdächtigt. In dem Presseartikel heißt es ausdrücklich: „Die Verdächtigen K1. L1. und […] werden wegen vorsätzlicher leichter Verletzung in Mittäterschaft und verschwiegener Straftat beschuldigt“. Im Hinblick darauf bedarf es einer Echtheitsüberprüfung dieser Unterlagen nicht.
64Vor diesem Hintergrund lässt sich auch aus den vorgeblichen Drohanrufen Ende April 2013, die angeblich die Familie des Klägers im Mai 2013 zum Wegzug in ihr Heimatdorf in Nordalbanien bewegt haben sollen, keine aktuelle Gefährdung der Kläger ableiten. Diese Anrufe haben sich nach Angaben des Klägers in der Folgezeit nicht mehr wiederholt. Auch die Bedrohung des Klägers über das online-Netzwerk „facebook“, die der Kläger angeblich im Dezember 2013 bzw. Januar 2014 von F. Q. erhalten hatte, ist einmalig geblieben. Vielmehr hat F. Q. den Kläger von seinem „facebook“-Zugang gelöscht. Soweit der Kläger schließlich berichtet, dass der Vater des Getöteten – ein ehemaliger Gardeoffizier, der laut einem weiteren eingereichten Pressebericht vom 30. März 2013 („Aktualitet“) zuletzt im Kommissariat Nr. 2 in U. seinen Polizeidienst versah – im November 2014 ein telefonisches Versöhnungsersuchen des Mannes der Tante des Klägers mit den Worten abgelehnt haben soll, man werde ihnen „nie verzeihen, sie sollten sich einschließen“, kann hieraus allein nicht auf eine „ernsthafte Gefahr“ für den Kläger geschlossen werden. Abgesehen davon, dass die Ablehnung einer von der Familie des Klägers angetragenen Versöhnung nicht ohne weiteres den Rückschluss auf eine unmittelbare Bedrohung für Leib oder Leben zulässt, spricht gegen eine ernsthafte Gefahr, dass die Familie des Klägers seit nunmehr fast zwei Jahren unbehelligt in ihrem Heimatdorf lebt. Namentlich der Vater des Klägers, der sich angeblich aufgrund der Drohanrufe im Mai 2013 gezwungen sah, seinen Dienst bei der Armee zu quittieren und U. zu verlassen, ist nach den Schilderungen des Klägers jedenfalls jetzt in der Lage, gemeinsam mit dem Onkel des Klägers seinen Lebensunterhalt in der familieneigenen Chrommine zu erwirtschaften. Er kann sich dort auch frei bewegen. Sollten daher die Mitglieder der verfeindeten Familie tatsächlich eine Gewalttat beabsichtigt haben, hätten sie genügend Zeit und Gelegenheit gehabt, die Angehörigen des Klägers für das vermeintlich von dem Kläger begangene Unrecht durch einen Akt der Blutrache zur Verantwortung zu ziehen. Dies gilt nach Lage der Dinge auch für den Kläger, der sich unmittelbar nach Beendigung des Hausarrests nicht nur in der Lage sah, mit dem Bus von U. in sein Heimatdorf zu reisen, sondern auch im Juni 2014 in der Stadt C1. D. seine Abiturprüfungen zu absolvieren, zu denen er durch jahrelange Fern- bzw. Ersatzbeschulung befähigt worden sein will. Hinzu kommt, dass der Kläger sich ausweislich der notariellen Bescheinigung vom 26. Juni 2014, mit der er seinen Rechtsanwälten Prozessvollmacht für seine Rechtsmittelverfahren erteilt hat, nach U. begeben und dort aufgehalten haben muss. Die Notwendigkeit, sich permanent „einzuschließen“, um einem Racheakt zu entgehen, hat folglich selbst der Kläger nicht gesehen. Insgesamt ist daher nicht feststellbar, dass die Wahrscheinlichkeit einer gegen den Kläger gerichteten Gewalttat über die bloße Möglichkeit einer Gefährdung hinausgeht. Dies gilt für die Klägerin, die insoweit keine eigenen Fluchtgründe vorgetragen, erst recht.
65b) Die Zuerkennung subsidiären Schutzes ist zudem gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylvfG ausgeschlossen, weil sich die Kläger auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Die Kläger können einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung dadurch begegnen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise dort erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3 e Abs. 1 AsylVfG. Dies ist hier der Fall. Die Kläger können aus vorstehenden Gründen durch Wohnsitznahme in dem Heimatdorf der Eltern des Klägers, möglicherweise auch in U. , wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine Gefahr für Leib oder Leben abwenden, wodurch sie keinem realen Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sind.
66c) Darüber hinaus scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, den Klägern Schutz vor einem ernsthafter Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren, § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylVfG. Den Antragsteller trifft insoweit die Darlegungslast, d.h. er muss konkrete Tatsachen und Umstände bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass er sich um Schutz bei staatlichen oder quasistaatlichen Stellen bemüht hat. Er muss die persönlichen Umstände, Verhältnisse und Erlebnisse mit Blick auf das Schutzbegehren schlüssig und hinsichtlich Ort und Zeit detailliert und vollständig darlegen.
67Vgl. VG Aachen, Urteil vom 30. Januar 2012 – 6 K 812/11.A –, juris Rn. 47; Marx, a.a.O., § 4 Rn. 35; Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: April 2011, § 60 AufenthG Rn. 141.
68Hieran fehlt es. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, seine Eltern hätten bereits erfolglos Anzeige bei der Polizei erstattet und er selbst habe sich – ebenfalls erfolglos – wegen der Bedrohung über „facebook“ „an den Staatsanwalt“ gewandt. Die diesbezüglichen Angaben des Klägers blieben jedoch trotz Nachfrage des Gerichts relativ vage und detailarm. Schriftliche Nachweise hat der Kläger hierzu nicht vorgelegt. Von daher kann nicht nachvollzogen werden, ob die Anzeigen tatsächlich erstattet wurden und wie sie gegebenenfalls von den albanischen Ermittlungsbehörden behandelt wurden.
69Dessen ungeachtet sind die albanischen Sicherheitsbehörden nach den im Internet allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig, vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren, § 3d Abs. 1 und 2 AsylVfG. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris m.w.N; BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 17 ff.; Home Office, Country Information an Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6.
71Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a).
72Vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 18, www; Österr BVerwG, 12. Juni 2014 - G309 1437794 -1/4E -Home office, S. 19.
73Zuletzt hat der Rechtsausschluss des albanischen Parlaments im Februar 2015 eine Gesetzesvorlage zur Bekämpfung der Blutrache beschlossen und dem Parlament vorgelegt. Demnach fordert das Parlament die Ermittlungsbehörden zu einer Zusammenarbeit mit der Staatspolizei und zur Untersuchung sämtlicher Blutrachefälle auf.
74Vgl. http://www.globalpost.com/dispatch/news/xinhua-news-agency/150225/albania-drafts-resolution-prevention-blood-feud („Albania drafts resolution on prevention of blood feud”)
75Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde.
76Vgl. Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6.
77Seitens des Ombudsmannes (People’s Advocate) wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten.
78Vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 18.
79Vor diesem Hintergrund kann auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Vater des Opfers ein einflussreicher Polizeibeamter ist und der albanische Staat gerade in derartigen Fällen möglicherweise nur eingeschränkt zu einer Schutzgewährung in der Lage ist,
80vgl. hierzu AA, Lagebericht vom 16. Dezember 2013 – 508-516.80/3 ALB; BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 19,
81nicht festgestellt werden, dass ein etwaiges Schutzersuchen der Kläger bei den albanischen Strafverfolgungsbehörden – einschließlich der albanischen Staatspolizei – von vorne herein aussichtslos wäre.
825. Es besteht hinsichtlich Albaniens auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von einer Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Von wem die Gewalt ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, kommt es nicht an. Allerdings genügt allein eine theoretische Möglichkeit, das Opfer von Eingriffen in die nach § 60 Abs. 7 AufenthG geschützten Rechtsgüter zu werden, nicht. Für eine Schutzgewährung ist vielmehr erforderlich, dass eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit besteht. Eine solche haben die Kläger aus vorgenannten Gründen nicht vorgetragen.
836. Damit liegen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vor, §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
84Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 15. September 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6258/15.A gegen die in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 1. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 13. Oktober 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Der Antragsteller hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren ist der Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
8Zur Begründung wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 1. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 13. Oktober 2015, denen das Gericht folgt, Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
9Darüber hinaus ist ergänzend Folgendes anzumerken:
101. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG besteht bereits deshalb nicht, weil dem Antragsteller in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG).
11Soweit er – ungeachtet der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal vorträgt, er habe Angst als Mitglied seiner Familie irgendwann einmal der Blutrache durch eine andere nicht näher spezifizierte Familie zum Opfer zu fallen, weil sein Urgroßvater im Jahr 1939 drei Familienmitglieder dieser anderen Familie erschossen habe, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglied der Antragsteller ist, durch Dritte (hier: die Familie der seinerzeitigen Opfer) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG,
12vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.
13Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel ‑ und so auch hier – nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG wahrgenommen,
14vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.
152. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Antragstellers als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen nicht vor, weil er nach seinen Angaben mit dem Bus und dem Zug von Albanien aus über Kosovo, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylVfG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG von vornherein ausgeschlossen.
163. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG.
17Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihm in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
18Das Gericht erachtet das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich der geltend gemachten Furcht vor (Blut-)Racheakten als unglaubhaft. Dies zeigt sich bereits an der Äußerung des Antragstellers, er sei lediglich nach Deutschland gekommen, weil er gehört habe, dass es für Blutrache hier Asyl gebe. Wenn er nicht in Deutschland bleiben könne, habe er halt Pech gehabt. Albanien sei nichts für ihn. Er werde dann eher nach Afrika oder China gehen, als nach Albanien zurückzukehren. Die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens zum Verfolgungsschicksal folgt zudem daraus, dass der Antragsteller ausweislich seiner Angaben mehrfach für einige Monate aus beruflichen Gründen nach Griechenland und Italien ausgereist ist, jedoch stets wieder nach Albanien zurückkehrte. Hätte er tatsächlich konkrete Racheakte durch eine andere Familie zu befürchten, hätte er sich in der Vergangenheit nicht stets wieder in sein Herkunftsland zurückbegeben. Hinzu kommt, dass der Antragsteller die Familie, deren Blutrache er befürchtet, nicht näher spezifiziert, geschweige denn zu diesem Vorgang irgendwelche Dokumente vorgelegt hat. Ferner erklärte er auf ausdrückliche Nachfrage anlässlich seiner Anhörung vor dem Bundesamt, dass er selbst nie Kontakt zu dieser Familie gehabt und diese auch nie gesehen habe. Er habe lediglich Angst, Mitgliedern dieser Familie doch irgendwann einmal zu begegnen und eventuell bedroht zu werden.
19Selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers als wahr unterstellt wird, lassen sich daraus keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ableiten, dass der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ausgesetzt sein könnte. Denn wie bereits ausgeführt kann er weder die Familie, von der etwaige (Blut-)Racheakte ausgehen sollen näher bezeichnen, noch wurde er zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit von dieser Familie bedroht.
20Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch durch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylVfG ausgeschlossen, weil sich der Antragsteller auf internen Schutz verweisen lassen muss. Der Antragsteller kann sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG dadurch entziehen, dass er sich in einem anderen Teil Albaniens niederlässt. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylVfG. Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in die Hauptstadt Tirana oder andere urbane Zentren in Albanien, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
21vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63.
224. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
23Der Antragsteller ist im Falle seiner Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens fehlt es aus den vorgenannten Gründen an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müsste er sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen.
24II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
25Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 12. Oktober 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6883/15.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 11. September 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt mit der Maßgabe, dass nach Art. 15 Abs. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I, S. 1722) insoweit nicht die Normen des bis zum Ablauf des 23. Oktober 2015 geltenden Asylverfahrensgesetzes, sondern die des nunmehr geltenden Asylgesetzes Anwendung finden (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG), den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 11. September 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Soweit sie – ungeachtet der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal im Wesentlichen vortragen, sie hätten Angst irgendwann einmal nicht näher konkretisierten Racheakten bzw. Nachstellungen durch andere Familien zum Opfer zu fallen, weil der Bruder des Antragstellers zu 1) bereits vor 15 Jahren von Mitgliedern einer dieser Familien ermordet worden sei, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglieder die Antragsteller sind, durch Dritte (hier: die anderen Familien) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG,
11vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
12Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel ‑ und so auch hier ‑ nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
142. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren Angaben von Albanien aus über Italien und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG von vornherein ausgeschlossen.
153. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
16Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihnen in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
17Auf Grundlage des Vorbringens der Antragsteller zu 1) und 2) im Rahmen ihrer Anhörung kann das Bestehen einer Blutfehde mit anderen Familien schon nicht festgestellt werden. Nach den Regeln des Kanuns sind nur Tötungen, welche als Antwort auf eine zuvor erfolgte Tötung erfolgen, Fälle der klassischen Blutrache. Eine solche Konstellation ist mit Blick auf die Tötung des Bruders des Antragstellers zu 1) vor 15 Jahren ersichtlich nicht gegeben, weil der Bruder kein Mitglied einer anderen Familie getötet hat, sondern selbst Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist. Die behauptete Bedrohung der Antragsteller durch Mitglieder diverser anderer Familien beruht demgemäß nicht auf einem Blutrachekonflikt, sondern stellt sich – die Ausführungen der Antragsteller als wahr unterstellt – als kriminelles Unrecht durch nichtstaatliche Akteure dar.
18Diesbezüglich sind die Antragsteller – selbst bei Wahrunterstellung der nicht näher konkretisierten Bedrohungen – jedoch gehalten, bei den albanischen Sicherheitsbehörden um Schutz nachzusuchen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der albanische Staat willens und in der Lage ist, vor befürchteten Übergriffen nichtstaatlicher Akteure Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen (§ 4 Abs. 3, § 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG),
19vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 64 ff.
20Die Schutzwilligkeit der albanischen Sicherheitsbehörden wird nicht zuletzt durch das Vorbringen der Antragsteller zu 1) und 2) und den von ihnen vorgelegten Unterlagen bestätigt. Aus letztgenannten Unterlagen ist zu ersehen, dass seitens der albanischen Polizei und Staatsanwaltschaft, auf entsprechende Anzeigen der Antragsteller bzw. ihrer Familienangehörigen hin, im Fall von Körperverletzungsdelikten Ermittlungen eingeleitet worden sind.
21Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch durch § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller hinsichtlich der behaupteten kriminellen Übergriffe durch nichtstaatliche Akteure auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Die Antragsteller können sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG dadurch entziehen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
22vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 ‑ 6 K 8197/14.A ‑, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
234. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
24Die Antragsteller sind im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens fehlt es an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müssten sie sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen.
25II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
26Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Gründe:
2Der am 16. November 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 7649/15.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. November 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2015 begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des ausführlichen Bescheides des Bundesamtes vom 9. November 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Der Antragsteller zu 1. trägt im Wesentlichen vor, er sei wegen eines Blutrachekonfliktes in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Sein Bruder habe in einem Nachtlokal im Kosovo den Cousin seiner Mutter im Juni 2013 umgebracht. Er sei selbst nicht bei der Tat gewesen. Der Bruder sei daraufhin vor der dortigen Polizei nach Albanien geflohen, habe sich jedoch dann im Kosovo gestellt und sei schließlich wegen der Tat fünf Monate im Kosovo im Gefängnis gewesen. Wann dass genau gewesen sei, erinnere er sich nicht. Gegen Geldzahlung sei sein Bruder vorzeitig frei gekommen. Der Onkel mütterlicherseits habe daraufhin seinen Bruder mit dem Tode bedroht, so dass dieser vor etwa vier Monaten nach Spanien geflohen sei nachdem der Antragsteller zu 1. ihn zuvor versteckt gehalten habe. Vor vier Monaten habe auch er, der Antragsteller, beschlossen, nach Italien auszureisen, er habe dort drei Schwestern und in Albanien außer Vater und Mutter keine Familie mehr. Zudem sei seine Frau, die Antragstellerin zu 2., schwanger gewesen. Er habe so nicht mehr leben können. Direkt von Angesicht zu Angesicht sei er nicht bedroht worden, er habe nur Nachrichten erhalten. Zur Polizei sei er nicht gegangen. Unterlagen über den vermeintlichen Blutrachekonflikt könne er nicht vorlegen, er habe nur solche über die Entlassung seines Bruders aus dem Gefängnis.
11Die Antragstellerin zu 2. trägt maßgeblich vor, sie habe mit einem ihrer Onkel Probleme gehabt, der sie seit ihrem 13. Lebensjahr sehr streng habe erziehen wollen. Nach Abschluss der Ausbildung zur Krankenschwester habe sie sich verlobt und sei von dem Antragsteller zu 1. schwanger geworden. Gegen diese Verbindung sei ihr Onkel gewesen, auch wegen der Konfessionsverschiedenheit zu ihrem Ehemann. Sie sei Muslimin, er Katholik. Anlässlich eines Familienfestes habe dieser Onkel auf sie geschossen. Ihr jüngster Onkel habe eine für sie bestimmte Kugel abbekommen und sei gestorben. Dies belaste sie sehr. Der Onkel sei daraufhin von der Polizei festgenommen worden und befinde sich im Gefängnis.
12Im Rahmen der Verfolgungsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wäre hier allenfalls nach dem geltend gemachten Vortrag beider Antragsteller eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Betracht zu ziehen. Die von den Antragstellern behauptete Bedrohung von ihnen und gegebenenfalls ihrer Familien durch nichtstaatliche Akteure (vor allem den Onkel mütterlicherseits / älteren Onkel) begründet jedoch nicht die Eigenschaft der „Familie“ als „soziale Gruppe“ im Sinne dieser Norm,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A ‑, n.v.
14Eine Definition des Begriffs der „sozialen Gruppe“ fehlt zwar im AsylG und ist auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Art 10 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 lässt sich indes entnehmen, dass eine Gruppe im Sinne der Verfolgungsgründe in dem betreffenden Land einen unveränderlichen Hintergrund sowie eine deutlich abgegrenzte Identität aufweisen muss, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Diese Abgrenzbarkeit muss schon vor der in Rede stehenden Verfolgung bestehen,
15vgl. zur Richtlinie 2004/83/EG: EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-199/12 u.a. –, juris Rn. 45; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 38.
16Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Gesellschaft in Albanien in der Regel nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen. Im Fall der Antragsteller ist dies nicht der Fall. Der Antragsteller zu 1. wird von den Angehörigen des Opfers, das 2013 von seinem Bruder getötet worden sein will, allenfalls als Angehöriger der Familie des „Täters“ bedroht; nur von diesen, nicht auch von (irgendwelchen) anderen Bürgerinnen und Bürgern in Albanien werden sie in diesem Sinne „unterscheidend“ wahrgenommen. Die Unterscheidung, die auf Grund der vermeintlichen Blutracheproblematik getroffen wird, entsteht somit erst durch die Verfolgungshandlung. Ein solcher Fall liegt nicht im Anwendungsbereich des in §§ 3 Abs. 1, 3b Abs. 1 AsylG geschützten Rechtsguts,
17vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 5 Bf 45/07.AZ –, juris Rn. 23ff.; Sächs.OVG, Urteil vom 26. Februar 2013 – A 4 A 702/08 –, juris Rn. 45; Bay.VGH, Urteil vom 9. August 2010 ‑ 11 B.0930091 ‑, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A ‑, n.v.
18Die Antragstellerin zu 2. wird schon nicht als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern letztlich wegen ihres individuellen Lebenswandels bedroht. Schwierigkeiten mit den albanischen Behörden haben beide Antragsteller bei ihrer Anhörung am 6. November 2015 nicht angegeben.
192. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren eigenen Angaben von Albanien aus über Italien und weitere Drittländer auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland mithilfe eines Schwagers des Antragstellers zu 1. eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung hier bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG ausgeschlossen. Ungeachtet dessen liegen auch die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Asylgrundrechts aus denselben Gründen nicht vor, die einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegenstehen.
203. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, ihnen drohte in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein ernstlich in Betracht zu ziehenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie Bestrafung.
21a) Hinsichtlich des Antragstellers zu 1. ist bereits unglaubhaft, dass eine Blutfehde mit der Familie des Onkels mütterlicherseits besteht. An den entscheidenden Stellen bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 2015 bleibt sein Vortrag substanzarm und unkonkret. So will die Ermordung seines Cousins durch den Bruder des Antragstellers zu 1. innerhalb der Familie zunächst als Selbsttötung getarnt worden sein. Nach Angaben des Antragstellers hat dies der Onkel mütterlicherseits auch geglaubt. Weshalb die Familie des Antragstellers zu 1. dann dem Onkel die Ermordung ohne Weiteres berichtet und die etwaige Konsequenz einer Blutrachefehde in Kauf genommen haben will, erschließt sich schon nicht. Weiterhin ist wenig nachvollziehbar, weshalb sich der Antragsteller zu 1. sofort nach der angeblichen Tat seines Bruders im Juni 2013 jedenfalls aber nach dessen Freilassung (hier ist der Vortrag widersprüchlich) versteckt gehalten, zugleich indes sein Ladenlokal noch bis Ende April 2015 weitergeführt haben will. Selbst wenn er „einen Manager“ für die Führung des Geschäfts gehabt hätte, ist der Vortrag, die Brüder des Onkels mütterlicherseits hätten sofort mitbekommen, wenn er aus seinem Versteck gegangen wäre und hätten ihn dann töten können, unstimmig zu seiner Einlassung, er habe sich mit seiner Mutter in seinem Lokal getroffen und habe sein Versteck mit ihr verlassen können („Ich bin mit meiner Mutter raus“). Schließlich war es ihm auch möglich unbehelligt seine Frau, die Antragstellerin zu 2., die angeblich getrennt von ihm in ihrem eigenen Haus gelebt haben will, regelmäßig zu sehen, zumal sie von dem Antragsteller zu 1. auch schwanger wurde. Die Antragstellerin zu 2. hat ihn nach ihrem eigenen Vortrag im Übrigen im Mai 2015 in Italien besucht, so dass erkennbar unglaubhaft ist, wenn der Antragsteller zu 1. angibt, er habe sich die ganze Zeit bis zu seiner Ausreise in Albanien versteckt gehalten. Angesichts der behaupteten Bedrohungssituation ist es schließlich nicht nachvollziehbar, weshalb er weder ansatzweise versucht hat, in einen anderen Landesteil Albaniens auszuweichen noch zu irgendeinem Zeitpunkt Kontakt zur Polizei zu suchen bzw. sich an ein Versöhnungskomitee oder eine sonstige Schlichtungsstelle für Blutrachefälle zu wenden. Verfolgungsversuche durch den Onkel mütterlicherseits, geschweige denn hartnäckige, werden letztlich nicht benannt. Die geschilderten Rachenachrichten bleiben unkonkret. Wenn der Antragsteller schließlich behauptet, er wolle die Familie seiner Frau nicht in den Blutrachekonflikt hineinziehen, deswegen könne er zum Teil keine weiteren Angaben machen (Antwort beim Bundesamt: „Jetzt ziehen Sie meine Frau da nicht mit rein“), übersieht er, dass Blutrache sich nach dem „Kanun“, auf den sich der Antragsteller zu 1. selbst namentlich beruft, in erster Linie gegen den Täter und dann männliche Angehörige seiner Sippe richtet, wenn dieser nicht zu fassen ist. Frauen und Kinder sind grundsätzlich ausgenommen und damit nicht nur die Antragstellerin zu 2., sondern deren ganze Familie,
22vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Mai 2015; Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 11.
23Aus dem Vortrag der Antragsteller ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, ausnahmsweise sei die Antragstellerin zu 2. einer solchen Bedrohung durch Teile der Familie ihres Ehemannes ebenfalls ausgesetzt. Es liegt daher die Annahme nahe, dass der Antragsteller zu 1. keiner persönlichen Bedrohungssituation ausgesetzt war.
24b) In der Person der Antragstellerin zu 2. liegen ebenso keine stichhaltige Gründe für die Annahme, sie sie im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ihres Onkels ausgesetzt, vor. Selbst wenn sich die von ihr geschilderte Auseinandersetzung bei der einer ihrer Onkel auf sie geschossen und statt ihrer den jüngeren Onkel getötet haben will so zugetragen hat, lässt sich die Gefahr eines ernsthaften Schadens für sie nicht beachtlich wahrscheinlich bei Rückkehr mit der gebotenen konkreten Gegenwärtigkeit ableiten. Denn ihr Onkel ist unstreitig verhaftet worden und befindet sich derzeit im Gefängnis; erweisen sich die Tatvorwürfe als wahr hat er offenkundig mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen. Ob er gegen Bestechungsgeld freikommt oder einen gedungenen Mörder gegen sie beauftragt, ist bloße Spekulation und befindet sich nur im möglichen, nicht aber beachtlich wahrscheinlichen Bereich. Auch kann aus dem Umstand, dass ihr Ehemann in einen - vom Gericht hier nicht für glaubhaft befunden - Blutrachekonflikt verwickelt sein will, keine Gefahr für die Antragstellerin zu 2. abgeleitet werden. Wie unter I. 3. a) dargelegt, richtet sich Blutrache in erster Linie gegen den Täter und dann männliche Angehörige seiner Sippe, wenn dieser nicht zu fassen ist. Anhaltspunkte für eine Abweichung hiervon sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
25c) Darüber hinaus scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, beiden Antragstellern Schutz vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren, vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG. Die albanischen Sicherheitsbehörden sind trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig, vor einem solchen Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren, vgl. § 3d Abs. 1 und 2 AsylG. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht,
26vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 - 11 A 334/14.A -, juris Rn. 8 m.w.N; Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 17ff. m.w.N.; Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
27Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a),
28vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18; Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 19, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
29Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde,
30vgl. Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
31Seitens des Ombudsmannes wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten,
32vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18.
33Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein Schutzersuchen des Antragstellers zu 1. bei der Polizei von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Etwas substantiiert Abweichendes hat er auch nicht vorgetragen, insbesondere ist nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb es ihm über zwei Jahre lang nach dem vermeintlichen Vorfall hinweg nicht möglich gewesen sein soll, selbst um Schutz bei der Polizei nachzusuchen oder, dass dieser Schutz ihm erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Die Einlassung, er könne der Polizei nicht sagen, dass er „umgebracht“ werden solle, weil sein Onkel mütterlicherseits dieses Recht einfordere, ist kein beachtlicher Grund, nicht zu den Sicherheitskräften zu gehen. Für die Schutzwilligkeit und -fähigkeit der Polizei bei innerfamiliären Konflikten spricht gerade im Übrigen der Fall der Antragstellerin zu 2. - wenngleich es sich dabei eher um kriminelles Unrecht und weniger um eine Blutracheproblematik handeln dürfte -, denn dort hat sie den Onkel der Antragstellerin verhaftet. Es gibt auch entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Anhaltspunkte, die Polizei würde bei einem religiösen privaten Konflikt (familiärer Unmut, weil die Antragsteller konfessionsverschieden geheiratet haben) nicht einschreiten. Ungeachtet dessen, dass schon allgemein keine Religionsgemeinschaft durch staatliche Maßnahmen bevorzugt oder diskriminiert wird und keine maßgeblichen religiös motivierten Konflikte existieren,
34vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 7,
35ist die Polizei ja gerade auch tatsächlich im Falle der Antragstellerin bereits eingeschritten. Weshalb dies nicht bei einem erneuten Bedrohungspotential noch einmal möglich sein sollte, verbleibt unklar.
36Lediglich am Rande wird angemerkt, dass es dem Antragsteller zu 1. im Rahmen der unterstellten Blutracheproblematik weiter möglich und zumutbar wäre, das Nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen die in diesem Bereich tätig sind einzuschalten,
37vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 13f.,
38um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen.
39d) Ungeachtet dessen ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich beide Antragsteller -selbst ihren Vortrag als wahr unterstellt - auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Sie können einer Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention zuwiderlaufenden Behandlung dadurch begegnen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise dort erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer - vor allem südlicher - Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
40vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 ‑ 6 K 8197/14.A ‑, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, n.v.
41Weshalb dies nicht möglich sein soll, legen sie nicht dar. Soweit die Antragstellerin zu 2. angibt, Albanien sei dafür zu klein, ist diese Behauptung zu pauschal und überzeugt nicht, zumal weder die Antragsteller den Versuch unternommen haben, ihren Wohnort (wohl W. in der Nähe von U. ) innerhalb Albaniens in eine andere größere Stadt zu verlegen noch greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, die Opferfamilie im Falle des Antragstellers zu 1. und der Onkel im Falle der Antragstellerin zu 2. hätten ein Interesse daran und auch entsprechende Möglichkeiten, die Antragsteller andernorts zu finden, um eine ‑ vom Gericht bereits nicht angenommene ‑ „Blut“-rache oder sonstiges kriminelles Unrecht auszuführen.
424. Schließlich liegen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote in Bezug auf Albanien vor. Für die Antragsteller besteht in Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret ist eine derartige Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr eintritt,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96, juris Rn. 13.
44Aus den vorgenannten Gründen unter I. 3. a) haben die Antragsteller keine erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit vorgetragen. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin zu 2. weiter geltend gemachte psychische Erkrankung. Sie hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 2015 vorgetragen, sie sei wegen der Geschehnisse mit ihrem Onkel alle zwei Wochen in psychologischer Behandlung in Albanien gewesen. Diese sei privat finanziert worden. Unterlagen, Atteste oder ähnliches habe sie nicht dabei.
45Die vermeintlichen psychischen Probleme der Antragstellerin wurden bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Zur Substantiierung eines Sachvortrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung zum Gegenstand hat, gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben,
46vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, juris Rn. 15.
47Ungeachtet dessen ist aber auch nicht zu erkennen, die Antragstellerin zu 2. wäre bei einer Rückkehr nach Albanien einer drohenden erheblichen Gesundheitsgefahr aufgrund der unterstellten psychischen Erkrankung ausgesetzt. Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist eine medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch Erkrankten -zumindest medikamentös- in Albanien auf rechtlich maßgeblichem Landesniveau gewährleistet und auch zugänglich. Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos über eine staatliche Krankenversicherung gesichert. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten und es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen,
48vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 2013 - zu Frage 22; s. bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003; s. zur Erreichbarkeit und Kostenübernahme von Medikamenten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6f..
49Dass die Antragstellerin zu 2. im Übrigen überhaupt zwingend auf Medikamente angewiesen wäre, lässt sich ihrem Vortrag auch nicht entnehmen. Schließlich ist nicht ersichtlich, sie könne in Albanien nicht etwaige Behandlungskosten tragen, denn bereits vor ihrer Ausreise hat sie die psychologische Behandlung aus privaten Einnahmen beglichen.
50II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
51Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
52Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) wird nicht entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt.
4Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung muss eine tatsächliche oder rechtliche Frage aufgeworfen werden, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf.
5Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 ff., und Beschlüsse vom 2. Oktober 1984 - 1 B 114.84 -, InfAuslR 1985, 130 f., sowie vom 19. Juli 2011 - 10 B 10.11, 10 PKH 10 PKH 4.11 -, juris, Rn. 3.
6Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
7Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen,
8„Handelt es sich bei polizeilichen Übergriffen in Albanien gegenüber Personen, die aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen oder Protesten festgenommen wurden, um dem Staat zurechenbare Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 1 und 2 AsylVfG oder um nicht zurechenbare Amtswalterexzesse?
9Spielt die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle bei dem Risiko, durch Polizeikräfte in menschenrechtswidriger Art und Weise behandelt zu werden?“,
10bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie lassen sich auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden und allgemein - etwa im Internet - zugänglichen aktuellen Erkenntnisquellen beantworten. Danach können die von den Klägern behaupteten polizeilichen Übergriffe auf Teilnehmer an Demonstrationen und Protesten nicht als dem albanischen Staat zurechenbare Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 1 und 2 AsylVfG qualifiziert werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der albanische Staat grundsätzlich nicht willens und in der Lage ist (vgl. § 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylVfG), vor solchen Übergriffen Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt, Fortschritte im Kampf gegen die Korruption erreicht sowie auch Maßnahmen zur Anerkennung der Rechte von Minderheiten unternommen hat. Die Lebensbedingungen, der Zugang zu Bildung, Beschäftigung und Gesundheits- sowie Sozialfürsorge von Roma müssen allerdings noch weiter verbessert werden.
11Vgl. hierzu European Commission, Albania, Progress Report, October 2014, Enlargement, S. 1; European Commission, Brussels, 8.10.2014, Commission Staff Working Document, Albania 2014 Progress Report, Enlargement Strategy and Main Challenges 2014 - 2015, u. a. S. 12 f., 49 f., 53 f., und Auswärtiges Amt, EU-Perspektive für Albanien, www.auswaertiges-amt.de.
12Mit Blick darauf kann, auch wenn nach den Feststellungen der EU-Kommission in Albanien noch weitere Reformmaßnahmen erforderlich sind, eine grundsätzlich dem albanischen Staat zurechenbare Verfolgung durch polizeiliche Übergriffe auf Demonstrationsteilnehmer oder ethnische Minderheiten wie den Roma nicht bejaht werden. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht. Soweit der von den Klägern beigebrachte Bericht des Menschenrechtskommissars des Europäischen Rats vom 16. Januar 2014
13- Commissioner for Human Rights, Straßbourg, 16 January 2014, Report by Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Following his visit to Albania from 23 to 27 September 2013 ‑
14anderes aufzeigt und etwa „an die Einhaltung der Null-Toleranz-Politik in Bezug auf die Menschenrechte erinnert, an die Einführung einer Antikorruptionspolitik und von Kontrollmechanismen, die in Übereinstimmung stehen mit den Empfehlungen des European Code of Policy Ethics“, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Der Bericht bezieht sich auf einen dem Status Albaniens als Beitrittskandidat zur Europäischen Union vorangegangenen Zeitraum und ist damit nicht nur zeitlich, sondern - wie sich aus den oben wiedergegebenen Ausführungen aus den benannten Erkenntnissen ergibt - auch inhaltlich weitestgehend überholt, sodass er jedenfalls keinen Anlass zur Klärung der von den Klägern aufgeworfenen Fragen in einem Berufungsverfahren bieten kann.
15Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, 100 ZPO 83b AsylVfG.
16Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Gründe:
2Der am 16. November 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 7649/15.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. November 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2015 begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des ausführlichen Bescheides des Bundesamtes vom 9. November 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Der Antragsteller zu 1. trägt im Wesentlichen vor, er sei wegen eines Blutrachekonfliktes in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Sein Bruder habe in einem Nachtlokal im Kosovo den Cousin seiner Mutter im Juni 2013 umgebracht. Er sei selbst nicht bei der Tat gewesen. Der Bruder sei daraufhin vor der dortigen Polizei nach Albanien geflohen, habe sich jedoch dann im Kosovo gestellt und sei schließlich wegen der Tat fünf Monate im Kosovo im Gefängnis gewesen. Wann dass genau gewesen sei, erinnere er sich nicht. Gegen Geldzahlung sei sein Bruder vorzeitig frei gekommen. Der Onkel mütterlicherseits habe daraufhin seinen Bruder mit dem Tode bedroht, so dass dieser vor etwa vier Monaten nach Spanien geflohen sei nachdem der Antragsteller zu 1. ihn zuvor versteckt gehalten habe. Vor vier Monaten habe auch er, der Antragsteller, beschlossen, nach Italien auszureisen, er habe dort drei Schwestern und in Albanien außer Vater und Mutter keine Familie mehr. Zudem sei seine Frau, die Antragstellerin zu 2., schwanger gewesen. Er habe so nicht mehr leben können. Direkt von Angesicht zu Angesicht sei er nicht bedroht worden, er habe nur Nachrichten erhalten. Zur Polizei sei er nicht gegangen. Unterlagen über den vermeintlichen Blutrachekonflikt könne er nicht vorlegen, er habe nur solche über die Entlassung seines Bruders aus dem Gefängnis.
11Die Antragstellerin zu 2. trägt maßgeblich vor, sie habe mit einem ihrer Onkel Probleme gehabt, der sie seit ihrem 13. Lebensjahr sehr streng habe erziehen wollen. Nach Abschluss der Ausbildung zur Krankenschwester habe sie sich verlobt und sei von dem Antragsteller zu 1. schwanger geworden. Gegen diese Verbindung sei ihr Onkel gewesen, auch wegen der Konfessionsverschiedenheit zu ihrem Ehemann. Sie sei Muslimin, er Katholik. Anlässlich eines Familienfestes habe dieser Onkel auf sie geschossen. Ihr jüngster Onkel habe eine für sie bestimmte Kugel abbekommen und sei gestorben. Dies belaste sie sehr. Der Onkel sei daraufhin von der Polizei festgenommen worden und befinde sich im Gefängnis.
12Im Rahmen der Verfolgungsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wäre hier allenfalls nach dem geltend gemachten Vortrag beider Antragsteller eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Betracht zu ziehen. Die von den Antragstellern behauptete Bedrohung von ihnen und gegebenenfalls ihrer Familien durch nichtstaatliche Akteure (vor allem den Onkel mütterlicherseits / älteren Onkel) begründet jedoch nicht die Eigenschaft der „Familie“ als „soziale Gruppe“ im Sinne dieser Norm,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A ‑, n.v.
14Eine Definition des Begriffs der „sozialen Gruppe“ fehlt zwar im AsylG und ist auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Art 10 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 lässt sich indes entnehmen, dass eine Gruppe im Sinne der Verfolgungsgründe in dem betreffenden Land einen unveränderlichen Hintergrund sowie eine deutlich abgegrenzte Identität aufweisen muss, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Diese Abgrenzbarkeit muss schon vor der in Rede stehenden Verfolgung bestehen,
15vgl. zur Richtlinie 2004/83/EG: EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-199/12 u.a. –, juris Rn. 45; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 38.
16Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Gesellschaft in Albanien in der Regel nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen. Im Fall der Antragsteller ist dies nicht der Fall. Der Antragsteller zu 1. wird von den Angehörigen des Opfers, das 2013 von seinem Bruder getötet worden sein will, allenfalls als Angehöriger der Familie des „Täters“ bedroht; nur von diesen, nicht auch von (irgendwelchen) anderen Bürgerinnen und Bürgern in Albanien werden sie in diesem Sinne „unterscheidend“ wahrgenommen. Die Unterscheidung, die auf Grund der vermeintlichen Blutracheproblematik getroffen wird, entsteht somit erst durch die Verfolgungshandlung. Ein solcher Fall liegt nicht im Anwendungsbereich des in §§ 3 Abs. 1, 3b Abs. 1 AsylG geschützten Rechtsguts,
17vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 5 Bf 45/07.AZ –, juris Rn. 23ff.; Sächs.OVG, Urteil vom 26. Februar 2013 – A 4 A 702/08 –, juris Rn. 45; Bay.VGH, Urteil vom 9. August 2010 ‑ 11 B.0930091 ‑, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A ‑, n.v.
18Die Antragstellerin zu 2. wird schon nicht als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern letztlich wegen ihres individuellen Lebenswandels bedroht. Schwierigkeiten mit den albanischen Behörden haben beide Antragsteller bei ihrer Anhörung am 6. November 2015 nicht angegeben.
192. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren eigenen Angaben von Albanien aus über Italien und weitere Drittländer auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland mithilfe eines Schwagers des Antragstellers zu 1. eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung hier bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG ausgeschlossen. Ungeachtet dessen liegen auch die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Asylgrundrechts aus denselben Gründen nicht vor, die einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegenstehen.
203. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, ihnen drohte in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein ernstlich in Betracht zu ziehenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie Bestrafung.
21a) Hinsichtlich des Antragstellers zu 1. ist bereits unglaubhaft, dass eine Blutfehde mit der Familie des Onkels mütterlicherseits besteht. An den entscheidenden Stellen bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 2015 bleibt sein Vortrag substanzarm und unkonkret. So will die Ermordung seines Cousins durch den Bruder des Antragstellers zu 1. innerhalb der Familie zunächst als Selbsttötung getarnt worden sein. Nach Angaben des Antragstellers hat dies der Onkel mütterlicherseits auch geglaubt. Weshalb die Familie des Antragstellers zu 1. dann dem Onkel die Ermordung ohne Weiteres berichtet und die etwaige Konsequenz einer Blutrachefehde in Kauf genommen haben will, erschließt sich schon nicht. Weiterhin ist wenig nachvollziehbar, weshalb sich der Antragsteller zu 1. sofort nach der angeblichen Tat seines Bruders im Juni 2013 jedenfalls aber nach dessen Freilassung (hier ist der Vortrag widersprüchlich) versteckt gehalten, zugleich indes sein Ladenlokal noch bis Ende April 2015 weitergeführt haben will. Selbst wenn er „einen Manager“ für die Führung des Geschäfts gehabt hätte, ist der Vortrag, die Brüder des Onkels mütterlicherseits hätten sofort mitbekommen, wenn er aus seinem Versteck gegangen wäre und hätten ihn dann töten können, unstimmig zu seiner Einlassung, er habe sich mit seiner Mutter in seinem Lokal getroffen und habe sein Versteck mit ihr verlassen können („Ich bin mit meiner Mutter raus“). Schließlich war es ihm auch möglich unbehelligt seine Frau, die Antragstellerin zu 2., die angeblich getrennt von ihm in ihrem eigenen Haus gelebt haben will, regelmäßig zu sehen, zumal sie von dem Antragsteller zu 1. auch schwanger wurde. Die Antragstellerin zu 2. hat ihn nach ihrem eigenen Vortrag im Übrigen im Mai 2015 in Italien besucht, so dass erkennbar unglaubhaft ist, wenn der Antragsteller zu 1. angibt, er habe sich die ganze Zeit bis zu seiner Ausreise in Albanien versteckt gehalten. Angesichts der behaupteten Bedrohungssituation ist es schließlich nicht nachvollziehbar, weshalb er weder ansatzweise versucht hat, in einen anderen Landesteil Albaniens auszuweichen noch zu irgendeinem Zeitpunkt Kontakt zur Polizei zu suchen bzw. sich an ein Versöhnungskomitee oder eine sonstige Schlichtungsstelle für Blutrachefälle zu wenden. Verfolgungsversuche durch den Onkel mütterlicherseits, geschweige denn hartnäckige, werden letztlich nicht benannt. Die geschilderten Rachenachrichten bleiben unkonkret. Wenn der Antragsteller schließlich behauptet, er wolle die Familie seiner Frau nicht in den Blutrachekonflikt hineinziehen, deswegen könne er zum Teil keine weiteren Angaben machen (Antwort beim Bundesamt: „Jetzt ziehen Sie meine Frau da nicht mit rein“), übersieht er, dass Blutrache sich nach dem „Kanun“, auf den sich der Antragsteller zu 1. selbst namentlich beruft, in erster Linie gegen den Täter und dann männliche Angehörige seiner Sippe richtet, wenn dieser nicht zu fassen ist. Frauen und Kinder sind grundsätzlich ausgenommen und damit nicht nur die Antragstellerin zu 2., sondern deren ganze Familie,
22vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Mai 2015; Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 11.
23Aus dem Vortrag der Antragsteller ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, ausnahmsweise sei die Antragstellerin zu 2. einer solchen Bedrohung durch Teile der Familie ihres Ehemannes ebenfalls ausgesetzt. Es liegt daher die Annahme nahe, dass der Antragsteller zu 1. keiner persönlichen Bedrohungssituation ausgesetzt war.
24b) In der Person der Antragstellerin zu 2. liegen ebenso keine stichhaltige Gründe für die Annahme, sie sie im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ihres Onkels ausgesetzt, vor. Selbst wenn sich die von ihr geschilderte Auseinandersetzung bei der einer ihrer Onkel auf sie geschossen und statt ihrer den jüngeren Onkel getötet haben will so zugetragen hat, lässt sich die Gefahr eines ernsthaften Schadens für sie nicht beachtlich wahrscheinlich bei Rückkehr mit der gebotenen konkreten Gegenwärtigkeit ableiten. Denn ihr Onkel ist unstreitig verhaftet worden und befindet sich derzeit im Gefängnis; erweisen sich die Tatvorwürfe als wahr hat er offenkundig mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen. Ob er gegen Bestechungsgeld freikommt oder einen gedungenen Mörder gegen sie beauftragt, ist bloße Spekulation und befindet sich nur im möglichen, nicht aber beachtlich wahrscheinlichen Bereich. Auch kann aus dem Umstand, dass ihr Ehemann in einen - vom Gericht hier nicht für glaubhaft befunden - Blutrachekonflikt verwickelt sein will, keine Gefahr für die Antragstellerin zu 2. abgeleitet werden. Wie unter I. 3. a) dargelegt, richtet sich Blutrache in erster Linie gegen den Täter und dann männliche Angehörige seiner Sippe, wenn dieser nicht zu fassen ist. Anhaltspunkte für eine Abweichung hiervon sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
25c) Darüber hinaus scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, beiden Antragstellern Schutz vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren, vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG. Die albanischen Sicherheitsbehörden sind trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig, vor einem solchen Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren, vgl. § 3d Abs. 1 und 2 AsylG. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht,
26vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 - 11 A 334/14.A -, juris Rn. 8 m.w.N; Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 17ff. m.w.N.; Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
27Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a),
28vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18; Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 19, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
29Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde,
30vgl. Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
31Seitens des Ombudsmannes wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten,
32vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18.
33Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein Schutzersuchen des Antragstellers zu 1. bei der Polizei von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Etwas substantiiert Abweichendes hat er auch nicht vorgetragen, insbesondere ist nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb es ihm über zwei Jahre lang nach dem vermeintlichen Vorfall hinweg nicht möglich gewesen sein soll, selbst um Schutz bei der Polizei nachzusuchen oder, dass dieser Schutz ihm erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Die Einlassung, er könne der Polizei nicht sagen, dass er „umgebracht“ werden solle, weil sein Onkel mütterlicherseits dieses Recht einfordere, ist kein beachtlicher Grund, nicht zu den Sicherheitskräften zu gehen. Für die Schutzwilligkeit und -fähigkeit der Polizei bei innerfamiliären Konflikten spricht gerade im Übrigen der Fall der Antragstellerin zu 2. - wenngleich es sich dabei eher um kriminelles Unrecht und weniger um eine Blutracheproblematik handeln dürfte -, denn dort hat sie den Onkel der Antragstellerin verhaftet. Es gibt auch entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Anhaltspunkte, die Polizei würde bei einem religiösen privaten Konflikt (familiärer Unmut, weil die Antragsteller konfessionsverschieden geheiratet haben) nicht einschreiten. Ungeachtet dessen, dass schon allgemein keine Religionsgemeinschaft durch staatliche Maßnahmen bevorzugt oder diskriminiert wird und keine maßgeblichen religiös motivierten Konflikte existieren,
34vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 7,
35ist die Polizei ja gerade auch tatsächlich im Falle der Antragstellerin bereits eingeschritten. Weshalb dies nicht bei einem erneuten Bedrohungspotential noch einmal möglich sein sollte, verbleibt unklar.
36Lediglich am Rande wird angemerkt, dass es dem Antragsteller zu 1. im Rahmen der unterstellten Blutracheproblematik weiter möglich und zumutbar wäre, das Nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen die in diesem Bereich tätig sind einzuschalten,
37vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 13f.,
38um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen.
39d) Ungeachtet dessen ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich beide Antragsteller -selbst ihren Vortrag als wahr unterstellt - auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Sie können einer Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention zuwiderlaufenden Behandlung dadurch begegnen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise dort erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer - vor allem südlicher - Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
40vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 ‑ 6 K 8197/14.A ‑, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, n.v.
41Weshalb dies nicht möglich sein soll, legen sie nicht dar. Soweit die Antragstellerin zu 2. angibt, Albanien sei dafür zu klein, ist diese Behauptung zu pauschal und überzeugt nicht, zumal weder die Antragsteller den Versuch unternommen haben, ihren Wohnort (wohl W. in der Nähe von U. ) innerhalb Albaniens in eine andere größere Stadt zu verlegen noch greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, die Opferfamilie im Falle des Antragstellers zu 1. und der Onkel im Falle der Antragstellerin zu 2. hätten ein Interesse daran und auch entsprechende Möglichkeiten, die Antragsteller andernorts zu finden, um eine ‑ vom Gericht bereits nicht angenommene ‑ „Blut“-rache oder sonstiges kriminelles Unrecht auszuführen.
424. Schließlich liegen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote in Bezug auf Albanien vor. Für die Antragsteller besteht in Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret ist eine derartige Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr eintritt,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96, juris Rn. 13.
44Aus den vorgenannten Gründen unter I. 3. a) haben die Antragsteller keine erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit vorgetragen. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin zu 2. weiter geltend gemachte psychische Erkrankung. Sie hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 2015 vorgetragen, sie sei wegen der Geschehnisse mit ihrem Onkel alle zwei Wochen in psychologischer Behandlung in Albanien gewesen. Diese sei privat finanziert worden. Unterlagen, Atteste oder ähnliches habe sie nicht dabei.
45Die vermeintlichen psychischen Probleme der Antragstellerin wurden bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Zur Substantiierung eines Sachvortrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung zum Gegenstand hat, gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben,
46vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, juris Rn. 15.
47Ungeachtet dessen ist aber auch nicht zu erkennen, die Antragstellerin zu 2. wäre bei einer Rückkehr nach Albanien einer drohenden erheblichen Gesundheitsgefahr aufgrund der unterstellten psychischen Erkrankung ausgesetzt. Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist eine medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch Erkrankten -zumindest medikamentös- in Albanien auf rechtlich maßgeblichem Landesniveau gewährleistet und auch zugänglich. Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos über eine staatliche Krankenversicherung gesichert. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten und es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen,
48vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 2013 - zu Frage 22; s. bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003; s. zur Erreichbarkeit und Kostenübernahme von Medikamenten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6f..
49Dass die Antragstellerin zu 2. im Übrigen überhaupt zwingend auf Medikamente angewiesen wäre, lässt sich ihrem Vortrag auch nicht entnehmen. Schließlich ist nicht ersichtlich, sie könne in Albanien nicht etwaige Behandlungskosten tragen, denn bereits vor ihrer Ausreise hat sie die psychologische Behandlung aus privaten Einnahmen beglichen.
50II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
51Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
52Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2014 wird in Nr. 1. und 2. insoweit aufgehoben, als darin ein Offensichtlichkeitsurteil gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG enthalten ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00. März 1995 in Bajram Curri geborene Kläger ist ebenso wie seine Verlobte, die am 00. Januar 1996 in Burrel geborene Klägerin, albanischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens.
3Der Kläger reiste am 28. Juni 2014 auf dem Luftweg aus dem Kosovo (Prishtina) in das Bundesgebiet ein. Die Klägerin folgte ihm am 12. Juli 2014 auf demselben Wege nach.
4Die Kläger stellten am 24. Juli 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – nachfolgend: Bundesamt – einen Asylantrag, den sie bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 17. Oktober 2014 im Wesentlichen damit begründeten, dass dem Kläger ein Racheakt drohe. Der Kläger führte hierzu aus, er habe sich am 28. März 2013 gemeinsam mit mehreren Freunden und Bekannten zu einem vereinbarten Treffpunkt im Stadtviertel „L. e Q1. “ von Tirana begeben, um dort einen Streit mit zwei anderen Jugendlichen – K. S. und H. Q. – zu klären. Im Zuge der Auseinandersetzung sei er selbst von dem S. mit einer Eisenstange zwei Mal auf den Kopf geschlagen worden. Er habe sich trotzdem mit Faustschlägen zur Wehr gesetzt. Einer seiner Freunde („B. “) habe die Stange genommen und auf den Angreifer (S. ) eingeschlagen. Der H. Q. habe nur dagestanden wie betäubt. Später im Auto habe einer der Bekannten des Klägers – P. C. – gesagt, er habe den Q. an den Hals geschlagen und mit dem Messer ins Bein gestochen. Tatsächlich, so der Kläger, müsse er ihm aber ins Herz gestochen haben. Hiervon habe er, der Kläger, während der Schlägerei aber nichts mitbekommen. Der P. C. habe im Auto erzählt, dass er mit einem Messer auf den Q. eingestochen hätte. Sie hätten ihn daraufhin angeschrien, wie er das habe tun können. Anschließend hätten sie sich vom Tatort entfernt. Er selbst habe sich dann nach Hause begeben und seiner Familie von dem Vorfall erzählt. Später hätten sie in den Nachrichten gesehen, dass einer verstorben und einer verletzt gewesen sei. Hierauf habe er sich am nächsten Morgen der Polizei gestellt. Hierzu sei er zunächst ins Justizministerium gegangen. Dort hätten sich sein Vater und sein Onkel in einem Café aufgehalten. Von dort habe sein Vater die Polizei gerufen, die ihn, den Kläger, dann abgeholt habe. Er habe dann auf der Polizeidirektion seine Aussage gemacht und sei dann festgenommen worden. Er sei sodann Ende März 2013 inhaftiert und zunächst auch der Tötung in Mittäterschaft verdächtigt worden. Der C. sei zunächst flüchtig gewesen. Dessen Anwalt habe im Herbst 2013 die Tat eingeräumt. Hierauf sei Ende Dezember 2013 die Haft des Klägers in Hausarrest umgewandelt worden. Den Hausarrest habe er in der Wohnung in U. abgesessen. Die Maßnahme habe bis zum 7. April 2014 gedauert. Während seiner Haft sei die Familie Ende April 2013 durch die Familie des Getöteten bedroht worden. Auch er selbst habe von dem Bruder des Getöteten, F. Q. , über das online-Netzwerk „facebook“ am 18. Dezember 2013 und am 15. Januar 2014 Todesdrohungen erhalten. Seine Familie habe Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Anzeige sei dort jedoch nicht ernst genommen worden, weil der Vater des Opfers bei der Garde der Republik arbeite. Versöhnungsversuche seines Onkels seien seines Wissens fehlgeschlagen. Am 8. Mai 2014 sei er mit der Klägerin mit dem Bus in das Heimatdorf der Eltern bei U1. (E. ) gefahren. Dort hätten die beiden Familien Verlobung gefeiert und die Ausreise der Kläger beschlossen. Der Kläger habe sich sodann nach Prishtina begeben; die Klägerin habe noch einen Pass beschaffen müssen und sei dann ebenfalls über Prishtina ausgereist. Er stehe mit seiner Familie telefonisch in Kontakt. Von ihr habe er erfahren, dass der wahre Täter mittlerweile festgenommen sei. Trotzdem seien weiterhin Bedrohungen ausgesprochen worden. Er selbst habe 2014 noch das Abitur am B1. -W. -Gymnasium in C1. D. abgelegt.
5Die Klägerin bestätigte in ihrer Anhörung die Angaben des Klägers und führte ergänzend aus, dass sich der Kläger während des Hausarrests mehrfach bei der Polizei habe melden müssen. Sie fühle sich ebenfalls gefährdet.
6Mit Bescheid vom 28. November 2014 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen. Ferner drohte es den Klägern für den Fall der Nichtausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung die Abschiebung nach Albanien an. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, die Darstellung des Klägers von der Schlägerei sei aufgrund der dürftigen Schilderung in wesentlichen Punkten unglaubhaft und daher im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG unsubstantiiert bzw. unschlüssig.
7Dagegen haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Der Kläger macht unter Vorlage zahlreicher Unterlagen – vorwiegend Presseberichte und Gerichtsentscheidungen –, die dem Gericht in der durch eine albanische Notarin am 20. Dezember 2014 beglaubigten Übersetzung vorliegen, ergänzend geltend: Nach einem Bericht des Bundesamtes von April 2014 („Blickpunkt Albanien – Blutrache“) seien Blutrachefehden in Albanien nach wie vor gegenwärtig. Ihre Anzahl hätte sich zuletzt erhöht. Gefährdet seien nicht nur der Täter und dessen Familienangehörige, sondern auch Anstifter und Mittäter. Die albanische Polizei sei nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes nur eingeschränkt in der Lage, Schutz zu gewähren, da sie käuflich sei und nicht immer nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handele. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vertiefend vorgetragen: Er habe die Abiturprüfungen im Juni 2014 erfolgreich absolviert. Dies sei ihm dadurch möglich geworden, dass er seit dem Umzug der Familie 2011 nach U. Fernunterricht erhalten habe. Auch in der Haft und im Hausarrest sei er beschult worden. In Deutschland habe er mitbekommen, dass der wahre Täter im September 2014 von der Polizei in Fier verhaftet worden sei. Seine Eltern hätten ihm hiervon berichtet. Die Bedrohungen des Bruders des Opfers, F. Q. , über „facebook“ hätten sich nicht wiederholt. Dieser habe ihn, den Kläger, aus seinem „facebook“-Account gelöscht. Er habe den Staatsanwalt von dem „facebook“-Eintrag berichtet. Dieser habe jedoch keine Veranlassung zum Handeln gesehen, da er erst den Ausgang des Verfahrens habe abwarten wollen. Auch seine Familie, die seit Mai 2013 in ihrem Heimatdorf E. bei U1. lebe, sei seit Mai 2013 nicht mehr telefonisch bedroht worden. Allerdings habe der Mann der im Ort Puke lebenden Tante des Klägers im November 2014 einen Versöhnungsversuch unternommen. Er habe den Vater des Opfers telefonisch kontaktiert und im Hinblick auf die Verhaftung des Täters um Versöhnung ersucht. Dies habe der Vater des Opfers mit den Worten abgelehnt, dass man dem Kläger nie verzeihen werde. Die Eltern des Klägers lebten nach wie vor in E. . Dort verdiene der Vater den Lebensunterhalt mit einer Chrommine, die der Familie gehöre und zu der er regelmäßig zur Arbeit gehe. Besuche in größeren Städten meide er. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
8Die Kläger beantragen,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. November 2014 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und sie als Asylberechtigte anzuerkennen,
10hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 3. bis 5. des Bescheides des Bundesamtes vom 28. November 2014 zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen,
11weiter hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 4. und 5. des Bescheides des Bundesamtes vom 28. November 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Albaniens besteht.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Dem von den Klägern am 8. Dezember 2014 gestellten Antrag auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes (6 L 2986/14.A) hat der Einzelrichter mit Beschluss vom 23. Dezember 2014 stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Ferner hat der Einzelrichter für das Klageverfahren mit Beschluss vom 19. Februar 2015 Prozesskostenhilfe bewilligt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist zulässig (I.), jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (II.).
18I. Die Klage ist insbesondere hinsichtlich der isolierten Anfechtung der Ablehnung der Anträge der Kläger als offensichtlich unbegründet in den Ziffern 1. und 2. des Bescheides vom 28. November 2014 zulässig. Es besteht ein Rechtsschutzinteresse der Kläger an der isolierten Aufhebung des der Begründung zufolge auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG gestützten Offensichtlichkeitsausspruchs des Bundesamtes in diesem Bescheid. Die Kläger haben einen derart begrenzten Antrag zwar nicht ausdrücklich gestellt, dieser Antrag ist jedoch als „Minus“ von ihrem Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG umfasst.
19Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 3. März 2008 – 6 A 141/05 –, in juris sowie VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 27 K 7938/10.A. -
20Ein Rechtsschutzinteresse der Kläger ergibt sich aus der Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Danach darf die Ausländerbehörde grundsätzlich - von den in Satz 3 der Vorschrift geregelten Ausnahmen abgesehen - vor der Ausreise keinen Aufenthaltstitel erteilen, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Aufgrund dieser gesetzlichen Sperre für die Erteilung von Aufenthaltstiteln ergeben sich für diejenigen Ausländer, deren Asylantrag das Bundesamt nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt hat, auch insoweit aus dem angegriffenen Asylbescheid eigenständige nachteilige Rechtsfolgen, die nur mit der gerichtlichen Aufhebung des Offensichtlichkeitsurteils - soweit es auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützt wird - abgewendet werden können.
21Vgl. zur weiteren Begründung: VG Braunschweig, Urteil vom 3. März 2008 – 6 A 141/05 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 27 K 7938/10.A - und Urteil vom 14. September 2007 – 21 K 2318/07.A –, juris; Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 4. Januar 2007 – 14 A 66/06 –, juris.
22Das Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des Offensichtlichkeitsausspruches kann allerdings nur soweit reichen, wie auch die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG reicht, mithin sich nur auf eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet beziehen, die konkret auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützt ist. Maßgeblich dafür, ob der Asylantrag gerade wegen § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde, ist der Inhalt des Bundesamtsbescheides; dieser muss sich ausdrücklich auf § 30 Abs. 3 AsylVfG beziehen.
23Dies ist vorliegend der Fall. Im Bescheid vom 28. November 2014 werden die Anträge der Kläger ausdrücklich als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG abgelehnt, weil das Vorbringen insoweit als unsubstantiiert („unlogisch und unschlüssig“) zu werten sei.
24II. Die Klage ist nur teilweise begründet.
25Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. November 2014 ist überwiegend rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten; ihnen stehen zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) und auf Anerkennung als Asylberechtigte (2.) nicht zu; insoweit ist lediglich das auf § 30 Abs. 3 AsylVfG gestützte Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes aufzuheben (3.). Die ferner geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (4.) sowie auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (5.) liegen ebenfalls nicht vor, so dass auch die Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden ist (6.), § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
261. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer ein Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr.1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2a) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2b).
27Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend ausgeschlossen, da die von den Klägern geltend gemachte „Verfolgung“ durch die Familie des Getöteten (Gijergi Q. ) nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG anknüpft. Denn die behauptete Verfolgungsfurcht beruht nicht auf der Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Überzeugung. In Betracht käme vorliegend allenfalls, die Familie des Klägers und dessen Verlobte, die Klägerin, als eine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG anzusehen, als deren „Mitglied“ die Kläger insbesondere durch den Vater und den Bruder des Opfers bedroht wären.
28Eine Gruppe gilt nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG insbesondere dann als eine „bestimmte soziale Gruppe“, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zudem muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Diese Abgrenzbarkeit muss schließlich schon vor der in Rede stehenden Verfolgung bestehen.
29Vgl. zur Richtlinie 2004/83/EG: EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-199/12, C-200/12, C-20112 –, juris (=NVwZ 2014, 132-135); OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris (= InfAulsR 2007, 256-259).
30Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Eine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG vermag sie aber nur dann darzustellen, soweit sie in der Gesellschaft des Heimatlandes des Antragstellers auch als deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener „Gruppenidentität“ wahrgenommen wird. Dies mag insbesondere in Ländern und Regionen in der Welt der Fall sein, wo ein Familienverband, ein Clan oder ein Stamm aufgrund äußerlicher Merkmale oder sonstiger Kennzeichen eine Gruppenidentität aufweist, insbesondere weil die Zugehörigkeit zur Familie, dem Clan oder dem Stamm im Lebensumfeld einen besonderen Stellenwert aufweist und identifikationsstiftend wirkt.
31Dies zugrunde gelegt, stellt die Familie des Klägers keine „soziale Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG dar. Der Kläger wird – sein Vorbringen als wahr unterstellt – von den Angehörigen des Getöteten allenfalls als vermeintlicher Tatbeteiligter bedroht; nur von diesen Personen, nicht auch von (irgendwelchen) anderen Bürgerinnen und Bürgern in Albanien wird er in diesem Sinne „unterscheidend“ wahrgenommen. Dies gilt in einer Großstadt wie U. , in der der Kläger bis zuletzt lebte, erst recht. Die Unterscheidung, die auf Grund der wie auch immer gearteten Beteiligung des Klägers an der Schlägerei vom 28. März 2013 getroffen wird, entsteht schließlich erst durch die (vermeintliche) Verfolgungshandlung. Ein solcher Fall liegt aber nicht im Anwendungsbereich des in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG geschützten Rechtsguts.
32Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39 (= InfAuslR 2007, 256-259); VG Weimar, Urteil vom 31. August 2009 – 7 K 20238/07 We –, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 5 Bf 45/07. AZ –, juris Rn. 23 ff.; Sächs.OVG, Urteil vom 26. Februar 2013 – A 4 A 702/08 –, juris Rn. 45; BayVGH, Urteil vom 9. August 2010 – 11 B.0930091 –, juris Rn. 38; VG München, Urteil vom 11. Oktober 2013 – M 23 K 11.30203 –, juris Rn. 18; VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 K 14.30425 –, juris Rn. 26
332. Ein Anspruch der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Grundgesetz scheidet ebenfalls aus. Die Kläger sind nicht politisch verfolgt. Politische Verfolgung im Sinne von Art 16a Abs. 1 GG liegt vor, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Dementsprechend entfalten solche Verfolgungen Asylrelevanz, die sich auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung von Menschen beziehen.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 –, BVerfGE 80, 315-353, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, jeweils juris.
35Dies ist – wie vorstehend dargelegt – nicht der Fall.
363. Die Ablehnung des Asylantrages und des Antrages auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Kläger als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG ist indes rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG ist ein unbegründeter Antrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Anders als § 30 Abs. 1 und 2 AsylVfG, wo das Offensichtlichkeitsurteil an materielle Voraussetzungen geknüpft wird, ist die Grundlage des Offensichtlichkeitsurteils nach § 30 Abs. 3 AsylVfG die besonders schwerwiegende Verletzung von Mitwirkungspflichten. § 30 Abs. 3 AsylVfG normiert eine Sanktion für die Verletzung von Mitwirkungspflichten.
37Vgl. Marx, AsylVfG, § 30 Rn. 131, 138 f.; Gemeinschaftskommentar (GK), AsylVfG, § 30 Rn. 50.
38Das Bundesamt hat die Ablehnung der Anträge der Kläger als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG damit begründet, dass das Vorbringen als unsubstantiiert zu werten sei, da der Kläger den Hergang der Auseinandersetzung vom 28. März 2013 lediglich vage und unglaubhaft beschrieben habe.
39Bereits die Systematik des § 30 AsylVfG verbietet es, aus einem Vorbringen, das möglicherweise als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 1 oder 2 AsylVfG zu qualifizieren ist, ohne Hinzutreten besonderer Umstände zugleich einen groben Verstoß gegen Mitwirkungspflichten im Sinne des § 30 Abs. 3 AsylVfG herzuleiten. Vielmehr bedarf es für die Qualifizierung eines Asylantrages als unsubstantiiert im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG, dass bestimmte Umstände hinzukommen und vom Bundesamt dargelegt werden, die die mit der Ablehnung der Anträge als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 AsylVfG verbundene Sanktion rechtfertigen. Dies war hier nicht der Fall. Insbesondere schilderte der Kläger in der Anhörung umfassend die Beweggründe für seine Ausreise und berichtete insoweit auch detailliert den Ablauf der Schlägerei. Dass der Kläger die Herkunft der Eisenstange, mit der auf ihn eingeschlagen worden sei, nicht erklärt habe, lässt nach Aktenlage nicht auf die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens schließen, zumal der Kläger hiernach nicht gefragt worden ist.
40Dessen ungeachtet ist – ohne dass es rechtlich darauf ankäme – die Einstufung des Begehrens als offensichtlich unbegründet im Ergebnis zutreffend. Sie rechtfertigt sich nach Maßgabe der Generalklausel des § 30 Abs. 1 AsylVfG. Danach ist der Antrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsschutz offensichtlich nicht vorliegen, was wiederum dann anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt.
41Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Februar 1993 – 2 BvR 1297/92 – juris Rdn. 15.
42Das ist hier der Fall. Den von den Klägern vorgebrachten Umständen fehlt jegliche asyl- oder flüchtlingsrechtliche Relevanz. Denn es ist, wie bereits dargelegt, nichts ansatzweise dafür ersichtlich, dass unveräußerliche persönliche und mithin asylerhebliche Merkmale bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zur Anknüpfung gezielter Rechtsverletzungen genommen würden. Die Ablehnung des Antrages drängt sich daher – wenngleich nur über § 30 Abs. 1 AsylVfG – auf.
434. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihnen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in ihrem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht (a). Zudem müssen sich die Kläger auf internen Schutz verweisen lassen, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylVfG (b). Im Übrigen fehlt es an der Voraussetzung, dass der albanische Staat erwiesenermaßen nicht schutzfähig oder -willig ist, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c Nr. 3, § 3d AsylVfG (c).
44a) Als ernsthafter Schaden gilt gemäß der hier allein näher in Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Diese Vorschrift wurde in Umsetzung von Art. 15 Buchst. b) der Richtlinie RL 2011/95/EU erlassen und orientiert sich an Art. 3 EMRK. Daher ist die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK jedenfalls im Zweifel auch für die Anwendung und Auslegung von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG verbindlich.
45Vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 22 f.
46Bei der Prüfung des subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) ist – wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylVfG) – der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nachdem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist,
47vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris Rn. 37 ff. unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 (360), und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 (344 f.); vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2009 - 10 C 21.08 -, NVwZ 2009, 1308, und vom 16. Februar 2010 - 10 C 7.09 -, juris, Rn. 21,
48finden im Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG keine Anwendung. Für das Beweismaß verwendet der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte zu der Vorschrift des Art. 3 EMRK den Begriff der tatsächlichen Gefahr ("real risk"). Danach muss der Antragsteller konkrete Gründe bezeichnen, um beurteilen zu können, ob im Fall der Abschiebung im Zielstaat ein tatsächliches Risiko besteht, einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die über die gesetzte Grenze hinausgeht. Das tatsächliche Risiko bezieht sich auf eine objektive Gefahrenlage, einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung unterworfen zu werden. Dabei differenziert der EGMR zwischen der – rechtlich unerheblichen – „bloßen Möglichkeit“ und der – beachtlichen – „ernsthaften“ bzw. „tatsächlichen Gefahr“.
49Vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi -, NVwZ 2008, 1330, Marx, a.a.O., § 4 Rn. 41.
50Dieser Maßstab der ernsthaften bzw. tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5.09 -; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, jeweils juris; VG Braunschweig, Beschluss vom 23. April 2013 – 6 B 82/13 –, juris m.w.N.
52Der EGMR vertritt mit Blick auf den objektivrechtlichen Ansatz in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Art. 3 EMRK absolut wirkt. Folglich wird die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auch auf nichtstaatliche Akteure bejaht und ist vom Verhalten der betreffenden Person unabhängig.
53Vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 1996, Nr. 25964/94 – Ahmed ./. Österreich; vgl. auch Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Januar 2014 – E 7121/2013 –, abrufbar unter www.bvger.ch.
54Dies folgt nicht zuletzt gesetzessystematisch aus § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG, der auf §§ 3c bis 3e AsylVfG umfassend – also einschließlich der Vorschriften zum Schutz vor ernsthaften Schäden durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3, § 3d AsylVfG) – Bezug nimmt.
55Nach diesen Maßstäben liegen stichhaltige Gründe für die Annahme, die Kläger seien im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ausgesetzt, nicht vor.
56Das Gericht geht davon aus, dass sich die Auseinandersetzung vom 28. März 2013, in deren Verlauf der H. Q. erstochen wurde, jedenfalls im Kern so zugetragen hat wie von dem Kläger geschildert. Er hat den Vorgang sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung widerspruchsfrei und detailreich beschrieben. Insofern wird auf das Anhörungsprotokoll des Bundesamtes und das Terminsprotokoll Bezug genommen.
57Aus den Darlegungen zu den anschließenden Bedrohungen durch Mitglieder der Familie des Getöteten lässt sich die Gefahr eines ernsthaften Schadens für die Kläger indes nicht beachtlich wahrscheinlich ableiten.
58Dabei ist zunächst einzustellen, dass der Täter des Tötungsdeliktes, P. C. , unstreitig mittlerweile verhaftet worden ist. Dass sich die Verhaftung am 19. September 2014 in der Stadt G. ereignet hat und der C. deshalb mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen hat, hat der Kläger selbst bereits in der Anhörung bei dem Bundesamt angedeutet. Dies ergibt sich zusätzlich aus den zahlreichen Presseberichten und Veröffentlichungen, die im Internet allgemein zugänglich und – in Bezug auf den Täter C. – in der mündlichen Verhandlung von dem Dolmetscher übersetzt worden sind,
59Vgl. etwa http://www.noa.al/artikull/wanted-ne-fier-arrestohet-i-denuari-per-vrasje-dhe-5-te-tjere/441 037.html; https://www.youtube.com/watch?v=YGoW6xLXHI8.
60Mit der Festnahme des Täters ist ein Rachemotiv der Familie des Getöteten in Bezug auf den Kläger objektiv entfallen. Dies gilt um so mehr in Anbetracht des von dem Kläger selbst eingereichten Presseinterviews, welches der Bruder des Opfers, F. Q. , etwa sechs Monate nach der Tat – also im Herbst 2013 – geführt hatte: Er gab an, dass seine Familie „nichts anderes [möchte], außer dass der Täter des Mordes meines Bruders verhaftet wird und unsere Seelen ihre Ruhe finden“. Weiter heißt es dort: „Der Täter, der meinen Bruder getötet hat, ist noch nicht festgenommen worden. Alles was wir möchten, ist, dass die Polizei den Täter festnimmt“. Demnach war den Mitgliedern der Familie des getöteten H. Q. in erster Linie – wenn nicht gar ausschließlich – an der nunmehr vollzogenen Verhaftung des wahren Täters gelegen. Von dem seinerzeit inhaftierten Kläger war dagegen nicht ansatzweise die Rede.
61Auch kann aus dem Umstand, dass nach der aktuellen Auskunftslage nicht nur der Täter eines Tötungsdeliktes und dessen Familie, sondern auch Anstifter und Mittäter unter die Blutrache des Kanun fallen,
62vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien – Blutrache, April 2014, S. 11,
63keine Gefahr für den Kläger abgeleitet werden. Der in dem von Klägerseite selbst vorgelegten Beschluss des Amtsgerichts U. vom 31. März 2013 (Nr. 404 Akti) ursprünglich (mit) erhobene Vorwurf der Tötung in Mittäterschaft wurde später mit Beschluss desselben Gerichts vom 24. Dezember 2013 (Nr. 2319/1) ausdrücklich fallen gelassen. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, dass nach dem Ermittlungsergebnis für den Kläger lediglich noch der Vorwurf einer „leichten vorsätzlichen Verletzung“ im Raum stehe, zu deren Sanktionierung wiederum ein Hausarrest anstelle von Gefängnishaft ausreichend sei. Der Verdacht einer Beteiligung des Klägers an dem Tötungsdelikt – sei es als Anstifter, Gehilfe oder Mittäter – ist damit auch im juristischen Sinne entfallen. Dies ist auch in dem von dem Kläger in Übersetzung eingereichten Presseartikel der Zeitung „Gazeta Shqip“ vom 9. Dezember 2013 vorab publiziert worden. Entgegen der Klagebegründung wird der Kläger darin der vorsätzlichen Tötung in Mittäterschaft gerade nicht mehr verdächtigt. In dem Presseartikel heißt es ausdrücklich: „Die Verdächtigen K1. L1. und […] werden wegen vorsätzlicher leichter Verletzung in Mittäterschaft und verschwiegener Straftat beschuldigt“. Im Hinblick darauf bedarf es einer Echtheitsüberprüfung dieser Unterlagen nicht.
64Vor diesem Hintergrund lässt sich auch aus den vorgeblichen Drohanrufen Ende April 2013, die angeblich die Familie des Klägers im Mai 2013 zum Wegzug in ihr Heimatdorf in Nordalbanien bewegt haben sollen, keine aktuelle Gefährdung der Kläger ableiten. Diese Anrufe haben sich nach Angaben des Klägers in der Folgezeit nicht mehr wiederholt. Auch die Bedrohung des Klägers über das online-Netzwerk „facebook“, die der Kläger angeblich im Dezember 2013 bzw. Januar 2014 von F. Q. erhalten hatte, ist einmalig geblieben. Vielmehr hat F. Q. den Kläger von seinem „facebook“-Zugang gelöscht. Soweit der Kläger schließlich berichtet, dass der Vater des Getöteten – ein ehemaliger Gardeoffizier, der laut einem weiteren eingereichten Pressebericht vom 30. März 2013 („Aktualitet“) zuletzt im Kommissariat Nr. 2 in U. seinen Polizeidienst versah – im November 2014 ein telefonisches Versöhnungsersuchen des Mannes der Tante des Klägers mit den Worten abgelehnt haben soll, man werde ihnen „nie verzeihen, sie sollten sich einschließen“, kann hieraus allein nicht auf eine „ernsthafte Gefahr“ für den Kläger geschlossen werden. Abgesehen davon, dass die Ablehnung einer von der Familie des Klägers angetragenen Versöhnung nicht ohne weiteres den Rückschluss auf eine unmittelbare Bedrohung für Leib oder Leben zulässt, spricht gegen eine ernsthafte Gefahr, dass die Familie des Klägers seit nunmehr fast zwei Jahren unbehelligt in ihrem Heimatdorf lebt. Namentlich der Vater des Klägers, der sich angeblich aufgrund der Drohanrufe im Mai 2013 gezwungen sah, seinen Dienst bei der Armee zu quittieren und U. zu verlassen, ist nach den Schilderungen des Klägers jedenfalls jetzt in der Lage, gemeinsam mit dem Onkel des Klägers seinen Lebensunterhalt in der familieneigenen Chrommine zu erwirtschaften. Er kann sich dort auch frei bewegen. Sollten daher die Mitglieder der verfeindeten Familie tatsächlich eine Gewalttat beabsichtigt haben, hätten sie genügend Zeit und Gelegenheit gehabt, die Angehörigen des Klägers für das vermeintlich von dem Kläger begangene Unrecht durch einen Akt der Blutrache zur Verantwortung zu ziehen. Dies gilt nach Lage der Dinge auch für den Kläger, der sich unmittelbar nach Beendigung des Hausarrests nicht nur in der Lage sah, mit dem Bus von U. in sein Heimatdorf zu reisen, sondern auch im Juni 2014 in der Stadt C1. D. seine Abiturprüfungen zu absolvieren, zu denen er durch jahrelange Fern- bzw. Ersatzbeschulung befähigt worden sein will. Hinzu kommt, dass der Kläger sich ausweislich der notariellen Bescheinigung vom 26. Juni 2014, mit der er seinen Rechtsanwälten Prozessvollmacht für seine Rechtsmittelverfahren erteilt hat, nach U. begeben und dort aufgehalten haben muss. Die Notwendigkeit, sich permanent „einzuschließen“, um einem Racheakt zu entgehen, hat folglich selbst der Kläger nicht gesehen. Insgesamt ist daher nicht feststellbar, dass die Wahrscheinlichkeit einer gegen den Kläger gerichteten Gewalttat über die bloße Möglichkeit einer Gefährdung hinausgeht. Dies gilt für die Klägerin, die insoweit keine eigenen Fluchtgründe vorgetragen, erst recht.
65b) Die Zuerkennung subsidiären Schutzes ist zudem gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylvfG ausgeschlossen, weil sich die Kläger auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Die Kläger können einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung dadurch begegnen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise dort erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3 e Abs. 1 AsylVfG. Dies ist hier der Fall. Die Kläger können aus vorstehenden Gründen durch Wohnsitznahme in dem Heimatdorf der Eltern des Klägers, möglicherweise auch in U. , wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine Gefahr für Leib oder Leben abwenden, wodurch sie keinem realen Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt sind.
66c) Darüber hinaus scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, den Klägern Schutz vor einem ernsthafter Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren, § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylVfG. Den Antragsteller trifft insoweit die Darlegungslast, d.h. er muss konkrete Tatsachen und Umstände bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass er sich um Schutz bei staatlichen oder quasistaatlichen Stellen bemüht hat. Er muss die persönlichen Umstände, Verhältnisse und Erlebnisse mit Blick auf das Schutzbegehren schlüssig und hinsichtlich Ort und Zeit detailliert und vollständig darlegen.
67Vgl. VG Aachen, Urteil vom 30. Januar 2012 – 6 K 812/11.A –, juris Rn. 47; Marx, a.a.O., § 4 Rn. 35; Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: April 2011, § 60 AufenthG Rn. 141.
68Hieran fehlt es. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, seine Eltern hätten bereits erfolglos Anzeige bei der Polizei erstattet und er selbst habe sich – ebenfalls erfolglos – wegen der Bedrohung über „facebook“ „an den Staatsanwalt“ gewandt. Die diesbezüglichen Angaben des Klägers blieben jedoch trotz Nachfrage des Gerichts relativ vage und detailarm. Schriftliche Nachweise hat der Kläger hierzu nicht vorgelegt. Von daher kann nicht nachvollzogen werden, ob die Anzeigen tatsächlich erstattet wurden und wie sie gegebenenfalls von den albanischen Ermittlungsbehörden behandelt wurden.
69Dessen ungeachtet sind die albanischen Sicherheitsbehörden nach den im Internet allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig, vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren, § 3d Abs. 1 und 2 AsylVfG. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris m.w.N; BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 17 ff.; Home Office, Country Information an Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6.
71Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a).
72Vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 18, www; Österr BVerwG, 12. Juni 2014 - G309 1437794 -1/4E -Home office, S. 19.
73Zuletzt hat der Rechtsausschluss des albanischen Parlaments im Februar 2015 eine Gesetzesvorlage zur Bekämpfung der Blutrache beschlossen und dem Parlament vorgelegt. Demnach fordert das Parlament die Ermittlungsbehörden zu einer Zusammenarbeit mit der Staatspolizei und zur Untersuchung sämtlicher Blutrachefälle auf.
74Vgl. http://www.globalpost.com/dispatch/news/xinhua-news-agency/150225/albania-drafts-resolution-prevention-blood-feud („Albania drafts resolution on prevention of blood feud”)
75Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde.
76Vgl. Home Office, Country Information and Guidance – Albania: Blood feuds, 2014, S. 6.
77Seitens des Ombudsmannes (People’s Advocate) wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten.
78Vgl. BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 18.
79Vor diesem Hintergrund kann auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Vater des Opfers ein einflussreicher Polizeibeamter ist und der albanische Staat gerade in derartigen Fällen möglicherweise nur eingeschränkt zu einer Schutzgewährung in der Lage ist,
80vgl. hierzu AA, Lagebericht vom 16. Dezember 2013 – 508-516.80/3 ALB; BAMF, Blickpunkt Albanien - Blutrache, S. 19,
81nicht festgestellt werden, dass ein etwaiges Schutzersuchen der Kläger bei den albanischen Strafverfolgungsbehörden – einschließlich der albanischen Staatspolizei – von vorne herein aussichtslos wäre.
825. Es besteht hinsichtlich Albaniens auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von einer Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Von wem die Gewalt ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, kommt es nicht an. Allerdings genügt allein eine theoretische Möglichkeit, das Opfer von Eingriffen in die nach § 60 Abs. 7 AufenthG geschützten Rechtsgüter zu werden, nicht. Für eine Schutzgewährung ist vielmehr erforderlich, dass eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit besteht. Eine solche haben die Kläger aus vorgenannten Gründen nicht vorgetragen.
836. Damit liegen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vor, §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
84Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 15. September 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6258/15.A gegen die in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 1. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 13. Oktober 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Der Antragsteller hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren ist der Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
8Zur Begründung wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 1. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 13. Oktober 2015, denen das Gericht folgt, Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
9Darüber hinaus ist ergänzend Folgendes anzumerken:
101. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG besteht bereits deshalb nicht, weil dem Antragsteller in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG).
11Soweit er – ungeachtet der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal vorträgt, er habe Angst als Mitglied seiner Familie irgendwann einmal der Blutrache durch eine andere nicht näher spezifizierte Familie zum Opfer zu fallen, weil sein Urgroßvater im Jahr 1939 drei Familienmitglieder dieser anderen Familie erschossen habe, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglied der Antragsteller ist, durch Dritte (hier: die Familie der seinerzeitigen Opfer) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG,
12vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.
13Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel ‑ und so auch hier – nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG wahrgenommen,
14vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.
152. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Antragstellers als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen nicht vor, weil er nach seinen Angaben mit dem Bus und dem Zug von Albanien aus über Kosovo, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylVfG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG von vornherein ausgeschlossen.
163. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG.
17Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihm in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
18Das Gericht erachtet das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich der geltend gemachten Furcht vor (Blut-)Racheakten als unglaubhaft. Dies zeigt sich bereits an der Äußerung des Antragstellers, er sei lediglich nach Deutschland gekommen, weil er gehört habe, dass es für Blutrache hier Asyl gebe. Wenn er nicht in Deutschland bleiben könne, habe er halt Pech gehabt. Albanien sei nichts für ihn. Er werde dann eher nach Afrika oder China gehen, als nach Albanien zurückzukehren. Die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens zum Verfolgungsschicksal folgt zudem daraus, dass der Antragsteller ausweislich seiner Angaben mehrfach für einige Monate aus beruflichen Gründen nach Griechenland und Italien ausgereist ist, jedoch stets wieder nach Albanien zurückkehrte. Hätte er tatsächlich konkrete Racheakte durch eine andere Familie zu befürchten, hätte er sich in der Vergangenheit nicht stets wieder in sein Herkunftsland zurückbegeben. Hinzu kommt, dass der Antragsteller die Familie, deren Blutrache er befürchtet, nicht näher spezifiziert, geschweige denn zu diesem Vorgang irgendwelche Dokumente vorgelegt hat. Ferner erklärte er auf ausdrückliche Nachfrage anlässlich seiner Anhörung vor dem Bundesamt, dass er selbst nie Kontakt zu dieser Familie gehabt und diese auch nie gesehen habe. Er habe lediglich Angst, Mitgliedern dieser Familie doch irgendwann einmal zu begegnen und eventuell bedroht zu werden.
19Selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers als wahr unterstellt wird, lassen sich daraus keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ableiten, dass der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ausgesetzt sein könnte. Denn wie bereits ausgeführt kann er weder die Familie, von der etwaige (Blut-)Racheakte ausgehen sollen näher bezeichnen, noch wurde er zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit von dieser Familie bedroht.
20Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch durch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylVfG ausgeschlossen, weil sich der Antragsteller auf internen Schutz verweisen lassen muss. Der Antragsteller kann sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG dadurch entziehen, dass er sich in einem anderen Teil Albaniens niederlässt. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylVfG. Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in die Hauptstadt Tirana oder andere urbane Zentren in Albanien, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
21vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63.
224. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
23Der Antragsteller ist im Falle seiner Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens fehlt es aus den vorgenannten Gründen an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müsste er sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen.
24II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
25Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 12. Oktober 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6883/15.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 11. September 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt mit der Maßgabe, dass nach Art. 15 Abs. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I, S. 1722) insoweit nicht die Normen des bis zum Ablauf des 23. Oktober 2015 geltenden Asylverfahrensgesetzes, sondern die des nunmehr geltenden Asylgesetzes Anwendung finden (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG), den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 11. September 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Soweit sie – ungeachtet der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal im Wesentlichen vortragen, sie hätten Angst irgendwann einmal nicht näher konkretisierten Racheakten bzw. Nachstellungen durch andere Familien zum Opfer zu fallen, weil der Bruder des Antragstellers zu 1) bereits vor 15 Jahren von Mitgliedern einer dieser Familien ermordet worden sei, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglieder die Antragsteller sind, durch Dritte (hier: die anderen Familien) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG,
11vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
12Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel ‑ und so auch hier ‑ nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
142. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren Angaben von Albanien aus über Italien und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG von vornherein ausgeschlossen.
153. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
16Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihnen in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
17Auf Grundlage des Vorbringens der Antragsteller zu 1) und 2) im Rahmen ihrer Anhörung kann das Bestehen einer Blutfehde mit anderen Familien schon nicht festgestellt werden. Nach den Regeln des Kanuns sind nur Tötungen, welche als Antwort auf eine zuvor erfolgte Tötung erfolgen, Fälle der klassischen Blutrache. Eine solche Konstellation ist mit Blick auf die Tötung des Bruders des Antragstellers zu 1) vor 15 Jahren ersichtlich nicht gegeben, weil der Bruder kein Mitglied einer anderen Familie getötet hat, sondern selbst Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist. Die behauptete Bedrohung der Antragsteller durch Mitglieder diverser anderer Familien beruht demgemäß nicht auf einem Blutrachekonflikt, sondern stellt sich – die Ausführungen der Antragsteller als wahr unterstellt – als kriminelles Unrecht durch nichtstaatliche Akteure dar.
18Diesbezüglich sind die Antragsteller – selbst bei Wahrunterstellung der nicht näher konkretisierten Bedrohungen – jedoch gehalten, bei den albanischen Sicherheitsbehörden um Schutz nachzusuchen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der albanische Staat willens und in der Lage ist, vor befürchteten Übergriffen nichtstaatlicher Akteure Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen (§ 4 Abs. 3, § 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG),
19vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 64 ff.
20Die Schutzwilligkeit der albanischen Sicherheitsbehörden wird nicht zuletzt durch das Vorbringen der Antragsteller zu 1) und 2) und den von ihnen vorgelegten Unterlagen bestätigt. Aus letztgenannten Unterlagen ist zu ersehen, dass seitens der albanischen Polizei und Staatsanwaltschaft, auf entsprechende Anzeigen der Antragsteller bzw. ihrer Familienangehörigen hin, im Fall von Körperverletzungsdelikten Ermittlungen eingeleitet worden sind.
21Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch durch § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller hinsichtlich der behaupteten kriminellen Übergriffe durch nichtstaatliche Akteure auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Die Antragsteller können sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG dadurch entziehen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
22vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 ‑ 6 K 8197/14.A ‑, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
234. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
24Die Antragsteller sind im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens fehlt es an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müssten sie sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen.
25II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
26Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Gründe:
2Der am 16. November 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 7649/15.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. November 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2015 begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des ausführlichen Bescheides des Bundesamtes vom 9. November 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Der Antragsteller zu 1. trägt im Wesentlichen vor, er sei wegen eines Blutrachekonfliktes in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Sein Bruder habe in einem Nachtlokal im Kosovo den Cousin seiner Mutter im Juni 2013 umgebracht. Er sei selbst nicht bei der Tat gewesen. Der Bruder sei daraufhin vor der dortigen Polizei nach Albanien geflohen, habe sich jedoch dann im Kosovo gestellt und sei schließlich wegen der Tat fünf Monate im Kosovo im Gefängnis gewesen. Wann dass genau gewesen sei, erinnere er sich nicht. Gegen Geldzahlung sei sein Bruder vorzeitig frei gekommen. Der Onkel mütterlicherseits habe daraufhin seinen Bruder mit dem Tode bedroht, so dass dieser vor etwa vier Monaten nach Spanien geflohen sei nachdem der Antragsteller zu 1. ihn zuvor versteckt gehalten habe. Vor vier Monaten habe auch er, der Antragsteller, beschlossen, nach Italien auszureisen, er habe dort drei Schwestern und in Albanien außer Vater und Mutter keine Familie mehr. Zudem sei seine Frau, die Antragstellerin zu 2., schwanger gewesen. Er habe so nicht mehr leben können. Direkt von Angesicht zu Angesicht sei er nicht bedroht worden, er habe nur Nachrichten erhalten. Zur Polizei sei er nicht gegangen. Unterlagen über den vermeintlichen Blutrachekonflikt könne er nicht vorlegen, er habe nur solche über die Entlassung seines Bruders aus dem Gefängnis.
11Die Antragstellerin zu 2. trägt maßgeblich vor, sie habe mit einem ihrer Onkel Probleme gehabt, der sie seit ihrem 13. Lebensjahr sehr streng habe erziehen wollen. Nach Abschluss der Ausbildung zur Krankenschwester habe sie sich verlobt und sei von dem Antragsteller zu 1. schwanger geworden. Gegen diese Verbindung sei ihr Onkel gewesen, auch wegen der Konfessionsverschiedenheit zu ihrem Ehemann. Sie sei Muslimin, er Katholik. Anlässlich eines Familienfestes habe dieser Onkel auf sie geschossen. Ihr jüngster Onkel habe eine für sie bestimmte Kugel abbekommen und sei gestorben. Dies belaste sie sehr. Der Onkel sei daraufhin von der Polizei festgenommen worden und befinde sich im Gefängnis.
12Im Rahmen der Verfolgungsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wäre hier allenfalls nach dem geltend gemachten Vortrag beider Antragsteller eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Betracht zu ziehen. Die von den Antragstellern behauptete Bedrohung von ihnen und gegebenenfalls ihrer Familien durch nichtstaatliche Akteure (vor allem den Onkel mütterlicherseits / älteren Onkel) begründet jedoch nicht die Eigenschaft der „Familie“ als „soziale Gruppe“ im Sinne dieser Norm,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A ‑, n.v.
14Eine Definition des Begriffs der „sozialen Gruppe“ fehlt zwar im AsylG und ist auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Art 10 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 lässt sich indes entnehmen, dass eine Gruppe im Sinne der Verfolgungsgründe in dem betreffenden Land einen unveränderlichen Hintergrund sowie eine deutlich abgegrenzte Identität aufweisen muss, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Diese Abgrenzbarkeit muss schon vor der in Rede stehenden Verfolgung bestehen,
15vgl. zur Richtlinie 2004/83/EG: EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-199/12 u.a. –, juris Rn. 45; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 38.
16Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Gesellschaft in Albanien in der Regel nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen. Im Fall der Antragsteller ist dies nicht der Fall. Der Antragsteller zu 1. wird von den Angehörigen des Opfers, das 2013 von seinem Bruder getötet worden sein will, allenfalls als Angehöriger der Familie des „Täters“ bedroht; nur von diesen, nicht auch von (irgendwelchen) anderen Bürgerinnen und Bürgern in Albanien werden sie in diesem Sinne „unterscheidend“ wahrgenommen. Die Unterscheidung, die auf Grund der vermeintlichen Blutracheproblematik getroffen wird, entsteht somit erst durch die Verfolgungshandlung. Ein solcher Fall liegt nicht im Anwendungsbereich des in §§ 3 Abs. 1, 3b Abs. 1 AsylG geschützten Rechtsguts,
17vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 5 Bf 45/07.AZ –, juris Rn. 23ff.; Sächs.OVG, Urteil vom 26. Februar 2013 – A 4 A 702/08 –, juris Rn. 45; Bay.VGH, Urteil vom 9. August 2010 ‑ 11 B.0930091 ‑, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 ‑ 17 L 3382/15.A ‑, n.v.
18Die Antragstellerin zu 2. wird schon nicht als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern letztlich wegen ihres individuellen Lebenswandels bedroht. Schwierigkeiten mit den albanischen Behörden haben beide Antragsteller bei ihrer Anhörung am 6. November 2015 nicht angegeben.
192. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren eigenen Angaben von Albanien aus über Italien und weitere Drittländer auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland mithilfe eines Schwagers des Antragstellers zu 1. eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung hier bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG ausgeschlossen. Ungeachtet dessen liegen auch die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung des Asylgrundrechts aus denselben Gründen nicht vor, die einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegenstehen.
203. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, ihnen drohte in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein ernstlich in Betracht zu ziehenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie Bestrafung.
21a) Hinsichtlich des Antragstellers zu 1. ist bereits unglaubhaft, dass eine Blutfehde mit der Familie des Onkels mütterlicherseits besteht. An den entscheidenden Stellen bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 2015 bleibt sein Vortrag substanzarm und unkonkret. So will die Ermordung seines Cousins durch den Bruder des Antragstellers zu 1. innerhalb der Familie zunächst als Selbsttötung getarnt worden sein. Nach Angaben des Antragstellers hat dies der Onkel mütterlicherseits auch geglaubt. Weshalb die Familie des Antragstellers zu 1. dann dem Onkel die Ermordung ohne Weiteres berichtet und die etwaige Konsequenz einer Blutrachefehde in Kauf genommen haben will, erschließt sich schon nicht. Weiterhin ist wenig nachvollziehbar, weshalb sich der Antragsteller zu 1. sofort nach der angeblichen Tat seines Bruders im Juni 2013 jedenfalls aber nach dessen Freilassung (hier ist der Vortrag widersprüchlich) versteckt gehalten, zugleich indes sein Ladenlokal noch bis Ende April 2015 weitergeführt haben will. Selbst wenn er „einen Manager“ für die Führung des Geschäfts gehabt hätte, ist der Vortrag, die Brüder des Onkels mütterlicherseits hätten sofort mitbekommen, wenn er aus seinem Versteck gegangen wäre und hätten ihn dann töten können, unstimmig zu seiner Einlassung, er habe sich mit seiner Mutter in seinem Lokal getroffen und habe sein Versteck mit ihr verlassen können („Ich bin mit meiner Mutter raus“). Schließlich war es ihm auch möglich unbehelligt seine Frau, die Antragstellerin zu 2., die angeblich getrennt von ihm in ihrem eigenen Haus gelebt haben will, regelmäßig zu sehen, zumal sie von dem Antragsteller zu 1. auch schwanger wurde. Die Antragstellerin zu 2. hat ihn nach ihrem eigenen Vortrag im Übrigen im Mai 2015 in Italien besucht, so dass erkennbar unglaubhaft ist, wenn der Antragsteller zu 1. angibt, er habe sich die ganze Zeit bis zu seiner Ausreise in Albanien versteckt gehalten. Angesichts der behaupteten Bedrohungssituation ist es schließlich nicht nachvollziehbar, weshalb er weder ansatzweise versucht hat, in einen anderen Landesteil Albaniens auszuweichen noch zu irgendeinem Zeitpunkt Kontakt zur Polizei zu suchen bzw. sich an ein Versöhnungskomitee oder eine sonstige Schlichtungsstelle für Blutrachefälle zu wenden. Verfolgungsversuche durch den Onkel mütterlicherseits, geschweige denn hartnäckige, werden letztlich nicht benannt. Die geschilderten Rachenachrichten bleiben unkonkret. Wenn der Antragsteller schließlich behauptet, er wolle die Familie seiner Frau nicht in den Blutrachekonflikt hineinziehen, deswegen könne er zum Teil keine weiteren Angaben machen (Antwort beim Bundesamt: „Jetzt ziehen Sie meine Frau da nicht mit rein“), übersieht er, dass Blutrache sich nach dem „Kanun“, auf den sich der Antragsteller zu 1. selbst namentlich beruft, in erster Linie gegen den Täter und dann männliche Angehörige seiner Sippe richtet, wenn dieser nicht zu fassen ist. Frauen und Kinder sind grundsätzlich ausgenommen und damit nicht nur die Antragstellerin zu 2., sondern deren ganze Familie,
22vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Mai 2015; Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 11.
23Aus dem Vortrag der Antragsteller ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, ausnahmsweise sei die Antragstellerin zu 2. einer solchen Bedrohung durch Teile der Familie ihres Ehemannes ebenfalls ausgesetzt. Es liegt daher die Annahme nahe, dass der Antragsteller zu 1. keiner persönlichen Bedrohungssituation ausgesetzt war.
24b) In der Person der Antragstellerin zu 2. liegen ebenso keine stichhaltige Gründe für die Annahme, sie sie im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ihres Onkels ausgesetzt, vor. Selbst wenn sich die von ihr geschilderte Auseinandersetzung bei der einer ihrer Onkel auf sie geschossen und statt ihrer den jüngeren Onkel getötet haben will so zugetragen hat, lässt sich die Gefahr eines ernsthaften Schadens für sie nicht beachtlich wahrscheinlich bei Rückkehr mit der gebotenen konkreten Gegenwärtigkeit ableiten. Denn ihr Onkel ist unstreitig verhaftet worden und befindet sich derzeit im Gefängnis; erweisen sich die Tatvorwürfe als wahr hat er offenkundig mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen. Ob er gegen Bestechungsgeld freikommt oder einen gedungenen Mörder gegen sie beauftragt, ist bloße Spekulation und befindet sich nur im möglichen, nicht aber beachtlich wahrscheinlichen Bereich. Auch kann aus dem Umstand, dass ihr Ehemann in einen - vom Gericht hier nicht für glaubhaft befunden - Blutrachekonflikt verwickelt sein will, keine Gefahr für die Antragstellerin zu 2. abgeleitet werden. Wie unter I. 3. a) dargelegt, richtet sich Blutrache in erster Linie gegen den Täter und dann männliche Angehörige seiner Sippe, wenn dieser nicht zu fassen ist. Anhaltspunkte für eine Abweichung hiervon sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
25c) Darüber hinaus scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch deshalb aus, weil nicht erwiesenermaßen feststeht, dass die albanischen Sicherheitsbehörden nicht willens oder in der Lage sind, beiden Antragstellern Schutz vor einem ernsthaften Schaden durch nichtstaatliche Akteure zu gewähren, vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG. Die albanischen Sicherheitsbehörden sind trotz nach wie vor bestehender Defizite generell fähig und willig, vor einem solchen Schaden durch nichtstaatliche Akteure Schutz zu gewähren, vgl. § 3d Abs. 1 und 2 AsylG. Im Juni 2014 wurde Albanien der Status des Beitrittskandidaten zur Europäischen Union verliehen. Die Entscheidung des Europäischen Rats war Anerkennung der von Albanien unternommenen Reformmaßnahmen und gleichzeitig eine Ermutigung, notwendige Reformen weiter voranzutreiben. Aus den sich auf den Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 beziehenden Fortschrittsberichten der EU-Kommission ergibt sich, dass Albanien, auch wenn in vielen Bereichen noch Mängel festzustellen sind, u. a. Reformmaßnahmen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung umgesetzt und Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und die organisierte Kriminalität erreicht hat. Denn der albanische Staat hat Reformwillen nicht nur gezeigt, sondern auch Reformen, gerade im Bereich der Justiz und Verwaltung, nachweisbar auf den Weg gebracht,
26vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2015 - 11 A 334/14.A -, juris Rn. 8 m.w.N; Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 17ff. m.w.N.; Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
27Diese Anstrengungen erstrecken sich nicht zuletzt unter dem Eindruck gestiegener Asylbewerberzahlen in Europa auch auf das Phänomen der Blutrache, die der albanische Staat verstärkt bekämpft. Der albanische Staat hat spezielle Rechtsvorschriften erlassen bzw. auf den Weg gebracht. So wurde im Zuge der Novellierung des albanischen Strafgesetzbuchs im Jahre 2012 die vorsätzliche Tötung im Kontext mit Blutrache oder Blutfehde mit nunmehr nicht weniger als dreißig Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert (Art. 78a). Selbst die Androhung von Blutrache wird mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung bis zu drei Jahren bestraft (Art. 83a),
28vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18; Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 19, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
29Die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen haben sich in ihrer Wirksamkeit verbessert. Gerade in Städten Nordalbaniens (Shkoder, Lezhe, Kukes) findet eine aktive Arbeit der Ermittlungsbehörden gegen Blutrache statt. Die Regierung hat die Ermittlungsbehörden zur Strafverfolgung von Blutrachefällen angewiesen, so dass im Jahre 2014 eine Reihe von Tätern angeklagt wurde,
30vgl. Home Office, Country Information and Guidance - Albania: Blood feuds, 2014, S. 6, http://www.refworld.org/docid/53b698e74.html, aufger. am 20. November 2015.
31Seitens des Ombudsmannes wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, staatliche Institutionen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auf sein Bestreben wurde eine Task-Force für die Verfolgung und Untersuchung von Fällen eingerichtet, in denen die Behörden nicht ausreichend eingegriffen hatten,
32vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 18.
33Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein Schutzersuchen des Antragstellers zu 1. bei der Polizei von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Etwas substantiiert Abweichendes hat er auch nicht vorgetragen, insbesondere ist nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb es ihm über zwei Jahre lang nach dem vermeintlichen Vorfall hinweg nicht möglich gewesen sein soll, selbst um Schutz bei der Polizei nachzusuchen oder, dass dieser Schutz ihm erwiesenermaßen verweigert worden wäre. Die Einlassung, er könne der Polizei nicht sagen, dass er „umgebracht“ werden solle, weil sein Onkel mütterlicherseits dieses Recht einfordere, ist kein beachtlicher Grund, nicht zu den Sicherheitskräften zu gehen. Für die Schutzwilligkeit und -fähigkeit der Polizei bei innerfamiliären Konflikten spricht gerade im Übrigen der Fall der Antragstellerin zu 2. - wenngleich es sich dabei eher um kriminelles Unrecht und weniger um eine Blutracheproblematik handeln dürfte -, denn dort hat sie den Onkel der Antragstellerin verhaftet. Es gibt auch entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Anhaltspunkte, die Polizei würde bei einem religiösen privaten Konflikt (familiärer Unmut, weil die Antragsteller konfessionsverschieden geheiratet haben) nicht einschreiten. Ungeachtet dessen, dass schon allgemein keine Religionsgemeinschaft durch staatliche Maßnahmen bevorzugt oder diskriminiert wird und keine maßgeblichen religiös motivierten Konflikte existieren,
34vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 7,
35ist die Polizei ja gerade auch tatsächlich im Falle der Antragstellerin bereits eingeschritten. Weshalb dies nicht bei einem erneuten Bedrohungspotential noch einmal möglich sein sollte, verbleibt unklar.
36Lediglich am Rande wird angemerkt, dass es dem Antragsteller zu 1. im Rahmen der unterstellten Blutracheproblematik weiter möglich und zumutbar wäre, das Nationale Versöhnungskomitee oder andere Stellen die in diesem Bereich tätig sind einzuschalten,
37vgl. Bundesamt, Blickpunkt Albanien - Blutrache, April 2014, S. 13f.,
38um eine Versöhnung oder Einigung herbeizuführen.
39d) Ungeachtet dessen ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich beide Antragsteller -selbst ihren Vortrag als wahr unterstellt - auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Sie können einer Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention zuwiderlaufenden Behandlung dadurch begegnen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise dort erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer - vor allem südlicher - Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
40vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 ‑ 6 K 8197/14.A ‑, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 17 L 3382/15.A –, n.v.
41Weshalb dies nicht möglich sein soll, legen sie nicht dar. Soweit die Antragstellerin zu 2. angibt, Albanien sei dafür zu klein, ist diese Behauptung zu pauschal und überzeugt nicht, zumal weder die Antragsteller den Versuch unternommen haben, ihren Wohnort (wohl W. in der Nähe von U. ) innerhalb Albaniens in eine andere größere Stadt zu verlegen noch greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, die Opferfamilie im Falle des Antragstellers zu 1. und der Onkel im Falle der Antragstellerin zu 2. hätten ein Interesse daran und auch entsprechende Möglichkeiten, die Antragsteller andernorts zu finden, um eine ‑ vom Gericht bereits nicht angenommene ‑ „Blut“-rache oder sonstiges kriminelles Unrecht auszuführen.
424. Schließlich liegen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote in Bezug auf Albanien vor. Für die Antragsteller besteht in Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret ist eine derartige Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr eintritt,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96, juris Rn. 13.
44Aus den vorgenannten Gründen unter I. 3. a) haben die Antragsteller keine erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit vorgetragen. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin zu 2. weiter geltend gemachte psychische Erkrankung. Sie hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 2015 vorgetragen, sie sei wegen der Geschehnisse mit ihrem Onkel alle zwei Wochen in psychologischer Behandlung in Albanien gewesen. Diese sei privat finanziert worden. Unterlagen, Atteste oder ähnliches habe sie nicht dabei.
45Die vermeintlichen psychischen Probleme der Antragstellerin wurden bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Zur Substantiierung eines Sachvortrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung zum Gegenstand hat, gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben,
46vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, juris Rn. 15.
47Ungeachtet dessen ist aber auch nicht zu erkennen, die Antragstellerin zu 2. wäre bei einer Rückkehr nach Albanien einer drohenden erheblichen Gesundheitsgefahr aufgrund der unterstellten psychischen Erkrankung ausgesetzt. Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist eine medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch Erkrankten -zumindest medikamentös- in Albanien auf rechtlich maßgeblichem Landesniveau gewährleistet und auch zugänglich. Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos über eine staatliche Krankenversicherung gesichert. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten und es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen,
48vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 29. März 2013 - zu Frage 22; s. bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003; s. zur Erreichbarkeit und Kostenübernahme von Medikamenten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 6f..
49Dass die Antragstellerin zu 2. im Übrigen überhaupt zwingend auf Medikamente angewiesen wäre, lässt sich ihrem Vortrag auch nicht entnehmen. Schließlich ist nicht ersichtlich, sie könne in Albanien nicht etwaige Behandlungskosten tragen, denn bereits vor ihrer Ausreise hat sie die psychologische Behandlung aus privaten Einnahmen beglichen.
50II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
51Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
52Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 15. September 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6258/15.A gegen die in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 1. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 13. Oktober 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Der Antragsteller hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren ist der Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
8Zur Begründung wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 1. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 13. Oktober 2015, denen das Gericht folgt, Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
9Darüber hinaus ist ergänzend Folgendes anzumerken:
101. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG besteht bereits deshalb nicht, weil dem Antragsteller in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG).
11Soweit er – ungeachtet der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal vorträgt, er habe Angst als Mitglied seiner Familie irgendwann einmal der Blutrache durch eine andere nicht näher spezifizierte Familie zum Opfer zu fallen, weil sein Urgroßvater im Jahr 1939 drei Familienmitglieder dieser anderen Familie erschossen habe, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglied der Antragsteller ist, durch Dritte (hier: die Familie der seinerzeitigen Opfer) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG,
12vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.
13Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel ‑ und so auch hier – nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG wahrgenommen,
14vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.
152. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Antragstellers als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen nicht vor, weil er nach seinen Angaben mit dem Bus und dem Zug von Albanien aus über Kosovo, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylVfG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG von vornherein ausgeschlossen.
163. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG.
17Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihm in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
18Das Gericht erachtet das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich der geltend gemachten Furcht vor (Blut-)Racheakten als unglaubhaft. Dies zeigt sich bereits an der Äußerung des Antragstellers, er sei lediglich nach Deutschland gekommen, weil er gehört habe, dass es für Blutrache hier Asyl gebe. Wenn er nicht in Deutschland bleiben könne, habe er halt Pech gehabt. Albanien sei nichts für ihn. Er werde dann eher nach Afrika oder China gehen, als nach Albanien zurückzukehren. Die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens zum Verfolgungsschicksal folgt zudem daraus, dass der Antragsteller ausweislich seiner Angaben mehrfach für einige Monate aus beruflichen Gründen nach Griechenland und Italien ausgereist ist, jedoch stets wieder nach Albanien zurückkehrte. Hätte er tatsächlich konkrete Racheakte durch eine andere Familie zu befürchten, hätte er sich in der Vergangenheit nicht stets wieder in sein Herkunftsland zurückbegeben. Hinzu kommt, dass der Antragsteller die Familie, deren Blutrache er befürchtet, nicht näher spezifiziert, geschweige denn zu diesem Vorgang irgendwelche Dokumente vorgelegt hat. Ferner erklärte er auf ausdrückliche Nachfrage anlässlich seiner Anhörung vor dem Bundesamt, dass er selbst nie Kontakt zu dieser Familie gehabt und diese auch nie gesehen habe. Er habe lediglich Angst, Mitgliedern dieser Familie doch irgendwann einmal zu begegnen und eventuell bedroht zu werden.
19Selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers als wahr unterstellt wird, lassen sich daraus keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ableiten, dass der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nach Albanien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen Behandlung in Gestalt eines Racheaktes ausgesetzt sein könnte. Denn wie bereits ausgeführt kann er weder die Familie, von der etwaige (Blut-)Racheakte ausgehen sollen näher bezeichnen, noch wurde er zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit von dieser Familie bedroht.
20Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch durch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylVfG ausgeschlossen, weil sich der Antragsteller auf internen Schutz verweisen lassen muss. Der Antragsteller kann sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG dadurch entziehen, dass er sich in einem anderen Teil Albaniens niederlässt. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylVfG. Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in die Hauptstadt Tirana oder andere urbane Zentren in Albanien, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
21vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 63.
224. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
23Der Antragsteller ist im Falle seiner Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung seines Vorbringens fehlt es aus den vorgenannten Gründen an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müsste er sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen.
24II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
25Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Der am 12. Oktober 2015 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 6883/15.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. September 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 11. September 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller in Albanien einer asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung offensichtlich nicht ausgesetzt. Des Weiteren besteht kein Anspruch hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt mit der Maßgabe, dass nach Art. 15 Abs. 1 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I, S. 1722) insoweit nicht die Normen des bis zum Ablauf des 23. Oktober 2015 geltenden Asylverfahrensgesetzes, sondern die des nunmehr geltenden Asylgesetzes Anwendung finden (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG), den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 11. September 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG besteht bereits deshalb nicht, weil den Antragstellern in Albanien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
10Soweit sie – ungeachtet der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens – zum Verfolgungsschicksal im Wesentlichen vortragen, sie hätten Angst irgendwann einmal nicht näher konkretisierten Racheakten bzw. Nachstellungen durch andere Familien zum Opfer zu fallen, weil der Bruder des Antragstellers zu 1) bereits vor 15 Jahren von Mitgliedern einer dieser Familien ermordet worden sei, knüpft die behauptete Verfolgung schon nicht an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Die Bedrohung einer Familie, deren Mitglieder die Antragsteller sind, durch Dritte (hier: die anderen Familien) begründet nicht die Eigenschaft der Familie als „soziale Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG,
11vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 36 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 25 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
12Zwar ist davon auszugehen, dass eine Familie durch die alle Mitglieder verbindende Verwandtschaft ein unveränderbares Merkmal teilt. Allerdings wird eine Familie in der Regel ‑ und so auch hier ‑ nicht als von der übrigen Gesellschaft deutlich abgrenzbare Gruppe mit eigener („Gruppen“-)Identität im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wahrgenommen,
13vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Januar 2006 – 1 LB 22/05 –, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 28 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
142. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil sie nach ihren Angaben von Albanien aus über Italien und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylG von vornherein ausgeschlossen.
153. Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
16Sie haben keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, das ihnen in Albanien ein ernsthafter Schaden gemäß des hier allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
17Auf Grundlage des Vorbringens der Antragsteller zu 1) und 2) im Rahmen ihrer Anhörung kann das Bestehen einer Blutfehde mit anderen Familien schon nicht festgestellt werden. Nach den Regeln des Kanuns sind nur Tötungen, welche als Antwort auf eine zuvor erfolgte Tötung erfolgen, Fälle der klassischen Blutrache. Eine solche Konstellation ist mit Blick auf die Tötung des Bruders des Antragstellers zu 1) vor 15 Jahren ersichtlich nicht gegeben, weil der Bruder kein Mitglied einer anderen Familie getötet hat, sondern selbst Opfer eines Tötungsdeliktes geworden ist. Die behauptete Bedrohung der Antragsteller durch Mitglieder diverser anderer Familien beruht demgemäß nicht auf einem Blutrachekonflikt, sondern stellt sich – die Ausführungen der Antragsteller als wahr unterstellt – als kriminelles Unrecht durch nichtstaatliche Akteure dar.
18Diesbezüglich sind die Antragsteller – selbst bei Wahrunterstellung der nicht näher konkretisierten Bedrohungen – jedoch gehalten, bei den albanischen Sicherheitsbehörden um Schutz nachzusuchen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der albanische Staat willens und in der Lage ist, vor befürchteten Übergriffen nichtstaatlicher Akteure Schutz zu bieten bzw. dagegen einzuschreiten oder solchen vorzubeugen (§ 4 Abs. 3, § 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG),
19vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 11 A 334/14.A –, juris Rn. 8 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A –, juris Rn. 64 ff.
20Die Schutzwilligkeit der albanischen Sicherheitsbehörden wird nicht zuletzt durch das Vorbringen der Antragsteller zu 1) und 2) und den von ihnen vorgelegten Unterlagen bestätigt. Aus letztgenannten Unterlagen ist zu ersehen, dass seitens der albanischen Polizei und Staatsanwaltschaft, auf entsprechende Anzeigen der Antragsteller bzw. ihrer Familienangehörigen hin, im Fall von Körperverletzungsdelikten Ermittlungen eingeleitet worden sind.
21Dessen ungeachtet ist die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch durch § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG ausgeschlossen, weil sich die Antragsteller hinsichtlich der behaupteten kriminellen Übergriffe durch nichtstaatliche Akteure auf internen Schutz verweisen lassen müssen. Die Antragsteller können sich einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG dadurch entziehen, dass sie sich in einem anderen Teil Albaniens niederlassen. Eine innerstaatliche Wohnsitzalternative ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn für eine Person in einem Teil ihres Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und sie sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlässt, § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG. Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller können jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden,
22vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 11; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 ‑ 6 K 8197/14.A ‑, juris Rn. 63; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 17 L 3111/15.A –, n.v.
234. Schließlich bestehen in Bezug auf Albanien keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
24Die Antragsteller sind im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien insbesondere keiner erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt. Selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens fehlt es an einer für eine Schutzgewährung erforderlichen, einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation. Jedenfalls müssten sie sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen.
25II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
26Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Artikels 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Herkunftsstaat) ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.
(2) Sichere Herkunftsstaaten sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die in Anlage II bezeichneten Staaten.
(2a) Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre, erstmals zum 23. Oktober 2017 einen Bericht darüber vor, ob die Voraussetzungen für die Einstufung der in Anlage II bezeichneten Staaten als sichere Herkunftsstaaten weiterhin vorliegen.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage II bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Herkunftsstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. I. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 16. Februar 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 1443/16.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 28. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Die diesbezügliche Ablehnung der Flüchtlingszuerkennung und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet gemäß § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. Anlage II zu § 29a AsylG ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil Albanien zum sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG erklärt wurde. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sowie hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Auch ein Anspruch der Antragsteller hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen, ist nicht gegeben. Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Es besteht für die Antragsteller in Bezug auf Albanien kein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
10a. Soweit die Antragstellerin zu 1) geltend macht, sie sei in Albanien an der Brust operiert worden und die dortigen Ärzte seien uneins darüber gewesen, ob auch die andere Brust noch operiert werden müsse, kann aufgrund dieses Vorbringens keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Antragstellerin zu 1) aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1) schon nicht aufgezeigt hat, aufgrund welcher Erkrankung die Operation an ihrer Brust erfolgte, fehlt es zudem an der Darlegung und Glaubhaftmachung eines konkreten Krankheitsbildes durch ein aussagekräftiges fachärztliches Attest. Es ist daher nicht ansatzweise ersichtlich, dass sich die behauptete –nicht näher dargelegte – Erkrankung der Antragstellerin zu 1) bei einer Rückführung nach Albanien aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt.
11b. Auch für den Antragsteller zu 2) besteht unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen des Universitätskrankenhauses „N. U. “ in U1. vom 8. Juli 2011, 3. Mai 2013, 18. Mai 2013, 18. Juli 2013, 24. Juli 2013, 9. Oktober 2013 und 21. August 2014 im Falle seiner Rückkehr nach Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
12Den vorzitierten ärztlichen Unterlagen ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass beim Antragsteller zu 2) im Jahr 2013 ein Gehirntumor (pilozytisches Astrozytom) diagnostiziert worden ist, welcher am 26. April 2013 im Universitätskrankenhaus „N. U. “ in U1. operativ vollständig entfernt wurde. Der postoperative Verlauf wird ärztlicherseits als „gut“ beschrieben. Ausweislich des medizinischen Attestes des Universitätskrankenhauses „N. U. “ in U1. (Neuroradiologie / Magnetresonanztomographie) wurde anlässlich einer am 21. August 2014 durchgeführten MRT-Untersuchung des Kopfes und der Wirbelsäule des Antragstellers zu 2) u.a. festgestellt, dass kein Anhalt für ein Rezidiv bestehe. Nach den Angaben der Antragstellerin zu 1) im Verwaltungsverfahren seien die Ärzte in Albanien der Auffassung gewesen, dass es dem Antragsteller zu 2) nunmehr gut gehe. Eine medikamentöse Behandlung sei zuletzt nicht mehr erforderlich gewesen. Derzeit leide der Antragsteller zu 2) – ausweislich der Angaben der Antragstellerin zu 1) – noch an Kopfschmerzen, verschwommenem Sehen, Schmerzen im Knie und Appetitlosigkeit. Sie – die Antragstellerin zu 1) – glaube daher, der Antragsteller zu 2) sei noch nicht vollständig genesen.
13Unter Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Unterlagen und des Vorbringens der Antragstellerin zu 1) ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller zu 2) bei einer Rückführung nach Albanien infolge des postoperativen Zustandes nach vollständiger Resektion des Gehirntumors (pilozytisches Astrozytom) am 26. April 2013 aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht. Insbesondere eine zielstaatsbezogene Verschlimmerung des Krankheitsbildes ist – nachdem ärztlicherseits kein Anhalt für ein Rezidiv besteht und der postoperative Zustand des Antragstellers zu 2) als gut bezeichnet wird – weder ersichtlich noch dargetan. Zwar können die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bereits dann erfüllt sein, wenn sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers im Zielstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort faktisch unzureichend sind. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist in diesen Fällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. das eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung muss jedoch zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lassen. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
14vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
15Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer keine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern ihn allein vor gravierenden Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren,
16vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. September 2006 – 13 A 1740/05.A –, juris Rn. 31.
17Dies zugrunde gelegt, ist eine alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat eintretende wesentliche oder sogar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers zu 2) angesichts der aktuell noch bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen, Schmerzen im Knie, Appetitlosigkeit) nicht feststellbar. Dessen ungeachtet ist eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes allein deshalb nicht zu erwarten, weil eine zukünftig möglicherweise erforderlich werdende, postoperative ärztliche und/oder medikamentöse Behandlung/Nachsorge nach der derzeitigen Erkenntnislage auch in Albanien erfolgen kann,
18vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015– 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 18.
19Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten,
20vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015– 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 20.
21Die vorbeschriebene Erkenntnislage zur medizinischen Versorgung in Albanien wird durch die tatsächlichen Erfahrungen der Antragsteller bestätigt. Denn nach ihren Angaben wurde die schwere Tumorerkrankung des Antragstellers zu 2) im Universitätskrankenhaus „N. U. “ in U1. in der Vergangenheit erfolgreich behandelt.
222. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
23Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
24Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
25vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
26Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
27vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
283. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
29Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
30vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.,
31Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
32vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
33Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat die Verwaltungspraxis diverser Ausländerbehörden, Abschiebungen vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer ohne vorherige Ankündigung durchzuführen, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG.
34II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
35Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
36Mangels hinreichender Erfolgsaussichten im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
2Aufgrund der Anhörung der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
3Die Klage vom 11. Januar 2016 mit den sinngemäßen Anträgen,
4die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen und sie gemäß Art. 16a Abs. 1 GG als Asylberechtigte anzuerkennen,
5hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 3.) bis 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, den Klägern subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
6hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 4.) bis 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen,
7das in Ziffer 6.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 auf 10 Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG aufzuheben,
8die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen,
9hat keinen Erfolg.
10I. Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
11Der Bescheid des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
12Die Kläger haben in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Des Weiteren besteht kein Anspruch der Kläger hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen.
13Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Darüber hinaus wird auf die – auch unter dem Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens fortgeltenden – Erwägungen des unanfechtbaren Beschlusses vom 5. Februar 2016 im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen,
14vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 17 L 66/16.A –,
15die sich das erkennende Gericht uneingeschränkt zu eigen macht. Beachtliche Änderungen der Sach- und Rechtslage sind weder ersichtlich noch dargetan.
16Ergänzend ist lediglich Folgendes anzumerken:
171. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Kläger gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
18Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
19Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Kläger, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
20vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
21Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Kläger, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
22vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
232. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
24Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
25vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 ‑ 17 K 6883/15.A ‑, n.v.,
26Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Beklagte hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Kläger berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
27vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
28II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
30Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Die am 1. Februar 2016 wörtlich gestellten Anträge,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 712/16.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. Januar 2016 unter Ziffer 5. enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen und
4das Bundesamt im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache 17 K 712/16.A zu verpflichten, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Tage ab dem Tag der Abschiebung zu befristen,
5haben keinen Erfolg.
6I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet.
7Gem. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) darf die Aussetzung der Abschiebung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angegriffene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält,
8vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99.
9Daran fehlt es hier. An dem Bescheid des Bundesamtes vom 13. Januar 2016 bestehen keine solchen Zweifel. Die Antragsteller haben in dem für die tatsächliche und rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG, auf Asylanerkennung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG), Zuerkennung subsidiären Schutzes i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG, Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder Festsetzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Tage. Auch die Ablehnung der Anträge als offensichtlich unbegründet gem. § 29a Abs. 1 AsylG, die Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung gem. §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG und die Festsetzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG sind gerechtfertigt. Die Antragsteller stammen aus Albanien, einem sicheren Herkunftsstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29 a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II zum AsylG. Tatsachen oder Beweismittel dafür, dass den Antragstellern abweichend von der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat politische Verfolgung droht, wurden weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen oder beigebracht. Zur Begründung wird auf die tragenden Feststellungen und die im Wesentlichen zutreffende Begründung des Bescheides verwiesen, denen das Gericht folgt und deshalb von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absieht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
10Lediglich ergänzend wird Folgendes angemerkt:
111. Aus den gesundheitlichen Problemen des Antragstellers zu 3. ergibt sich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
12Maßgeblich hierfür ist, ob dem Ausländer im Falle seiner Rückkehr nach Albanien eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands in Folge dort unzureichender Behandlungsmöglichkeiten drohte, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
13vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
14Von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustands kann hingegen nicht schon dann gesprochen werden, wenn "lediglich" eine Heilung eines gegebenen Krankheitszustands des Ausländers im Abschiebungszielland nicht zu erwarten ist. Der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer keine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern ihn allein vor gravierenden Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren,
15vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. September 2006 – 13 A 1740/05.A –, juris Rn. 31.
16Der Asylbewerber muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs‑, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
17vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 17 K 2897/14.A –, juris Rn. 91 f.
18Hiervon ausgehend droht dem Antragsteller zu 3. bei einer Rückkehr nach Albanien keine Verschlechterung seines Gesundheitszustands i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ist eine medizinische Versorgung in Albanien in staatlichen Krankenhäusern grundsätzlich kostenlos gewährleistet, sind die Ärzte im Regelfall gut ausgebildet und kompliziertere Behandlungen zumindest in Tirana möglich,
19vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13.
20Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden,
21vgl. Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.
22Die Versorgung mit Medikamenten ist in Albanien grundsätzlich gewährleistet, insbesondere gängige Medikamente können aus der Europäischen Union importiert werden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten,
23vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 f.
24Behinderte haben ferner für über die medizinische Behandlung hinausgehende Leistungen einen rechtlichen Anspruch darauf, ihre Kosten (teilweise) erstattet zu bekommen und auf bestimmte Invalidenleistungen,
25vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 26. Juni 2014 und vom 29. März 2013; Auskunft IOM vom 30. Juli 2014; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003.
26Der Antragsteller zu 3. gehört als behindertes, minderjähriges Kind zu den vorgenannten vollständig versicherten Personengruppen und hat einen rechtlichen Anspruch auf Invalidenleistungen. Die Antragsteller zu 1. und 2. räumten in Ihrer Anhörung selbst ein, der Antragsteller zu 3. sei in Albanien von zwei verschiedenen Kliniken medikamentös behandelt worden. Hierüber legten sie Bescheinigungen des Universitätsklinikzentrums „Mutter U. “ in Tirana vom 6. Juni 2014 und vom Gesundheitszentrum Kamez vom 29. Mai 2014 vor, in denen eine neuropsychische Entwicklungsverzögerung, spastische zerebrale Lähmung, schwere geistige Behinderung, spastische Paraplegie sowie eine generalisierte Epilepsie diagnostiziert sowie bestätigt wird, dass eine systematische Behandlung mit Medikamenten seit dem Jahr 2011 stattgefunden hat. Diese Diagnosen decken sich im Wesentlichen mit den in Deutschland gestellten Diagnosen. In den Berichten des Kinderneurologischen Zentrums vom 9. Februar 2016 werden eine geistige Behinderung, bilaterale dystone Cerebralparese sowie eine symptomatisch fokale Epilepsie diagnostiziert. Auch erfolgt in Deutschland derzeit im Wesentlichen eine medikamentöse Behandlung, allerdings mit anderen Medikamenten als in Albanien. Dafür, dass eine solche Behandlung in Albanien mit denselben oder vergleichbaren Medikamenten nicht fortgeführt werden könnte, bestehen keine Anhaltspunkte. Speziell Epilepsie kann in Albanien auch bei Kindern hinreichend auf entsprechendem Landesniveau behandelt werden: es gibt verfügbare einschlägige Medikamente; Wartelisten für eine Behandlung existieren nicht; ein Rückkehrer kann zunächst den Hausarzt konsultieren, der dann eine Überweisung an einen Neurologen ausstellt; der Neurologe muss nicht von der Familie bezahlt werden,
27vgl. Auskunft IOM vom 20. Juni 2014; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 8. März 2006.
28Im Hinblick auf die geistige Behinderung sowie die spastische Cerebralparese, gibt es staatliche und nichtstaatliche Einrichtungen mit physiotherapeutischen Fördermöglichkeiten und Therapiezentren sowie öffentliche Schulen für geistig behinderte Kinder,
29vgl. Auskunft IOM vom 30. Juli 2014.
30Die von dem Antragsteller zu 1. an der Behandlung seines Sohnes in Albanien geäußerten Zweifel sind insofern unsubstantiiert. Aus dem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich gerade kein Anspruch auf eine im Vergleich zum Überstellungsland bessere Behandlung in der Bundesrepublik Deutschland.
31Zutreffend ist schließlich, dass in Albanien in der Praxis für medizinische Behandlungen und Medikamente gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen geleistet werden müssen,
32vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 5.
33Dass die finanziellen Mittel für solche Zuzahlungen notfalls aufgebracht werden könnten, ergibt sich jedoch schon daraus, dass die Antragstellerin zu 2. von monatlichen Leistungen in Höhe von ca. 20 Euro berichtet, die dem genannten monatlichen Betrag von ca. 20 Euro für die Beschaffung von Medikamenten entsprechen. Zudem berichtet der Antragsteller zu 1. davon, dass er gelegentlich arbeite und seine Mutter, die mit ihnen in einer Wohnung wohne, monatlich ca. 100 Euro Rente beziehe. Außerdem räumt der Antragsteller zu 1. ein, dass Zuzahlungen für die Behandlungen des Antragstellers zu 3. nur bei einer Behandlung durch Privatärzte anfielen. Selbst wenn die Antragsteller die zur Behandlung des Antragstellers zu 3. eventuell in der Praxis erforderlichen Zuzahlungen in Zukunft nicht aufbringen könnten, führte auch dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Da dem Antragsteller zu 3. die daraus resultierende Beeinträchtigung nicht individuell drohte, bliebe ihm die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt. Hierin liegt eine Gefahr, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte,
34vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60.
352. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller nach § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und auf 10 Monate zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO).
36Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ordnungsgemäß angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
37vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38.
38Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 4 und 5 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat hier dieses ihm zustehende Ermessen mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen.
393. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG gegen die Antragsteller auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist ebenso nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch wurden sie sonst vorgetragen. Ermessensfehler hinsichtlich der Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller zu berücksichtigende schutzwürdige Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben. Dies ist – auch unter Verweis auf die Ausführungen unter I. 2. – nicht zu beanstanden.
40II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist – ungeachtet der Frage, ob hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis besteht (Vorwegnahme der Hauptsache) – jedenfalls unbegründet. Nach § 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der zu Grunde liegende materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) dargelegt und glaubhaft gemacht sind. Nach den Ausführungen unter I. 3. fehlt es bereits an einem entsprechenden Anordnungsanspruch.
41III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
42Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
43Der Beschluss ist gem. § 80 AsylG unanfechtbar.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. I. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 16. Februar 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 1443/16.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 28. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Die diesbezügliche Ablehnung der Flüchtlingszuerkennung und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet gemäß § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. Anlage II zu § 29a AsylG ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil Albanien zum sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG erklärt wurde. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sowie hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Auch ein Anspruch der Antragsteller hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen, ist nicht gegeben. Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Es besteht für die Antragsteller in Bezug auf Albanien kein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
10a. Soweit die Antragstellerin zu 1) geltend macht, sie sei in Albanien an der Brust operiert worden und die dortigen Ärzte seien uneins darüber gewesen, ob auch die andere Brust noch operiert werden müsse, kann aufgrund dieses Vorbringens keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Antragstellerin zu 1) aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1) schon nicht aufgezeigt hat, aufgrund welcher Erkrankung die Operation an ihrer Brust erfolgte, fehlt es zudem an der Darlegung und Glaubhaftmachung eines konkreten Krankheitsbildes durch ein aussagekräftiges fachärztliches Attest. Es ist daher nicht ansatzweise ersichtlich, dass sich die behauptete –nicht näher dargelegte – Erkrankung der Antragstellerin zu 1) bei einer Rückführung nach Albanien aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt.
11b. Auch für den Antragsteller zu 2) besteht unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen des Universitätskrankenhauses „N. U. “ in U1. vom 8. Juli 2011, 3. Mai 2013, 18. Mai 2013, 18. Juli 2013, 24. Juli 2013, 9. Oktober 2013 und 21. August 2014 im Falle seiner Rückkehr nach Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
12Den vorzitierten ärztlichen Unterlagen ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass beim Antragsteller zu 2) im Jahr 2013 ein Gehirntumor (pilozytisches Astrozytom) diagnostiziert worden ist, welcher am 26. April 2013 im Universitätskrankenhaus „N. U. “ in U1. operativ vollständig entfernt wurde. Der postoperative Verlauf wird ärztlicherseits als „gut“ beschrieben. Ausweislich des medizinischen Attestes des Universitätskrankenhauses „N. U. “ in U1. (Neuroradiologie / Magnetresonanztomographie) wurde anlässlich einer am 21. August 2014 durchgeführten MRT-Untersuchung des Kopfes und der Wirbelsäule des Antragstellers zu 2) u.a. festgestellt, dass kein Anhalt für ein Rezidiv bestehe. Nach den Angaben der Antragstellerin zu 1) im Verwaltungsverfahren seien die Ärzte in Albanien der Auffassung gewesen, dass es dem Antragsteller zu 2) nunmehr gut gehe. Eine medikamentöse Behandlung sei zuletzt nicht mehr erforderlich gewesen. Derzeit leide der Antragsteller zu 2) – ausweislich der Angaben der Antragstellerin zu 1) – noch an Kopfschmerzen, verschwommenem Sehen, Schmerzen im Knie und Appetitlosigkeit. Sie – die Antragstellerin zu 1) – glaube daher, der Antragsteller zu 2) sei noch nicht vollständig genesen.
13Unter Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Unterlagen und des Vorbringens der Antragstellerin zu 1) ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller zu 2) bei einer Rückführung nach Albanien infolge des postoperativen Zustandes nach vollständiger Resektion des Gehirntumors (pilozytisches Astrozytom) am 26. April 2013 aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht. Insbesondere eine zielstaatsbezogene Verschlimmerung des Krankheitsbildes ist – nachdem ärztlicherseits kein Anhalt für ein Rezidiv besteht und der postoperative Zustand des Antragstellers zu 2) als gut bezeichnet wird – weder ersichtlich noch dargetan. Zwar können die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bereits dann erfüllt sein, wenn sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers im Zielstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort faktisch unzureichend sind. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist in diesen Fällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. das eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung muss jedoch zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lassen. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
14vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
15Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer keine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern ihn allein vor gravierenden Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren,
16vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. September 2006 – 13 A 1740/05.A –, juris Rn. 31.
17Dies zugrunde gelegt, ist eine alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat eintretende wesentliche oder sogar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers zu 2) angesichts der aktuell noch bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen, Schmerzen im Knie, Appetitlosigkeit) nicht feststellbar. Dessen ungeachtet ist eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes allein deshalb nicht zu erwarten, weil eine zukünftig möglicherweise erforderlich werdende, postoperative ärztliche und/oder medikamentöse Behandlung/Nachsorge nach der derzeitigen Erkenntnislage auch in Albanien erfolgen kann,
18vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015– 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 18.
19Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten,
20vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015– 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 20.
21Die vorbeschriebene Erkenntnislage zur medizinischen Versorgung in Albanien wird durch die tatsächlichen Erfahrungen der Antragsteller bestätigt. Denn nach ihren Angaben wurde die schwere Tumorerkrankung des Antragstellers zu 2) im Universitätskrankenhaus „N. U. “ in U1. in der Vergangenheit erfolgreich behandelt.
222. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
23Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
24Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
25vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
26Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
27vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
283. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
29Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
30vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.,
31Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
32vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
33Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat die Verwaltungspraxis diverser Ausländerbehörden, Abschiebungen vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer ohne vorherige Ankündigung durchzuführen, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG.
34II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
35Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
36Mangels hinreichender Erfolgsaussichten im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
2Aufgrund der Anhörung der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
3Die Klage vom 11. Januar 2016 mit den sinngemäßen Anträgen,
4die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen und sie gemäß Art. 16a Abs. 1 GG als Asylberechtigte anzuerkennen,
5hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 3.) bis 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, den Klägern subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
6hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 4.) bis 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen,
7das in Ziffer 6.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 auf 10 Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG aufzuheben,
8die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen,
9hat keinen Erfolg.
10I. Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
11Der Bescheid des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
12Die Kläger haben in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Des Weiteren besteht kein Anspruch der Kläger hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen.
13Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Darüber hinaus wird auf die – auch unter dem Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens fortgeltenden – Erwägungen des unanfechtbaren Beschlusses vom 5. Februar 2016 im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen,
14vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 17 L 66/16.A –,
15die sich das erkennende Gericht uneingeschränkt zu eigen macht. Beachtliche Änderungen der Sach- und Rechtslage sind weder ersichtlich noch dargetan.
16Ergänzend ist lediglich Folgendes anzumerken:
171. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Kläger gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
18Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
19Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Kläger, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
20vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
21Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Kläger, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
22vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
232. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
24Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
25vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 ‑ 17 K 6883/15.A ‑, n.v.,
26Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Beklagte hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Kläger berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
27vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
28II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
30Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. I. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 16. Februar 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 1443/16.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 28. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Die diesbezügliche Ablehnung der Flüchtlingszuerkennung und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet gemäß § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. Anlage II zu § 29a AsylG ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil Albanien zum sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG erklärt wurde. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sowie hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Auch ein Anspruch der Antragsteller hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen, ist nicht gegeben. Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Es besteht für die Antragsteller in Bezug auf Albanien kein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
10a. Soweit die Antragstellerin zu 1) geltend macht, sie sei in Albanien an der Brust operiert worden und die dortigen Ärzte seien uneins darüber gewesen, ob auch die andere Brust noch operiert werden müsse, kann aufgrund dieses Vorbringens keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Antragstellerin zu 1) aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1) schon nicht aufgezeigt hat, aufgrund welcher Erkrankung die Operation an ihrer Brust erfolgte, fehlt es zudem an der Darlegung und Glaubhaftmachung eines konkreten Krankheitsbildes durch ein aussagekräftiges fachärztliches Attest. Es ist daher nicht ansatzweise ersichtlich, dass sich die behauptete –nicht näher dargelegte – Erkrankung der Antragstellerin zu 1) bei einer Rückführung nach Albanien aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt.
11b. Auch für den Antragsteller zu 2) besteht unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen des Universitätskrankenhauses „N. U. “ in U1. vom 8. Juli 2011, 3. Mai 2013, 18. Mai 2013, 18. Juli 2013, 24. Juli 2013, 9. Oktober 2013 und 21. August 2014 im Falle seiner Rückkehr nach Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
12Den vorzitierten ärztlichen Unterlagen ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass beim Antragsteller zu 2) im Jahr 2013 ein Gehirntumor (pilozytisches Astrozytom) diagnostiziert worden ist, welcher am 26. April 2013 im Universitätskrankenhaus „N. U. “ in U1. operativ vollständig entfernt wurde. Der postoperative Verlauf wird ärztlicherseits als „gut“ beschrieben. Ausweislich des medizinischen Attestes des Universitätskrankenhauses „N. U. “ in U1. (Neuroradiologie / Magnetresonanztomographie) wurde anlässlich einer am 21. August 2014 durchgeführten MRT-Untersuchung des Kopfes und der Wirbelsäule des Antragstellers zu 2) u.a. festgestellt, dass kein Anhalt für ein Rezidiv bestehe. Nach den Angaben der Antragstellerin zu 1) im Verwaltungsverfahren seien die Ärzte in Albanien der Auffassung gewesen, dass es dem Antragsteller zu 2) nunmehr gut gehe. Eine medikamentöse Behandlung sei zuletzt nicht mehr erforderlich gewesen. Derzeit leide der Antragsteller zu 2) – ausweislich der Angaben der Antragstellerin zu 1) – noch an Kopfschmerzen, verschwommenem Sehen, Schmerzen im Knie und Appetitlosigkeit. Sie – die Antragstellerin zu 1) – glaube daher, der Antragsteller zu 2) sei noch nicht vollständig genesen.
13Unter Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Unterlagen und des Vorbringens der Antragstellerin zu 1) ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller zu 2) bei einer Rückführung nach Albanien infolge des postoperativen Zustandes nach vollständiger Resektion des Gehirntumors (pilozytisches Astrozytom) am 26. April 2013 aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht. Insbesondere eine zielstaatsbezogene Verschlimmerung des Krankheitsbildes ist – nachdem ärztlicherseits kein Anhalt für ein Rezidiv besteht und der postoperative Zustand des Antragstellers zu 2) als gut bezeichnet wird – weder ersichtlich noch dargetan. Zwar können die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bereits dann erfüllt sein, wenn sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers im Zielstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort faktisch unzureichend sind. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist in diesen Fällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. das eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung muss jedoch zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lassen. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
14vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
15Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer keine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern ihn allein vor gravierenden Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren,
16vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. September 2006 – 13 A 1740/05.A –, juris Rn. 31.
17Dies zugrunde gelegt, ist eine alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat eintretende wesentliche oder sogar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers zu 2) angesichts der aktuell noch bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen, Schmerzen im Knie, Appetitlosigkeit) nicht feststellbar. Dessen ungeachtet ist eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes allein deshalb nicht zu erwarten, weil eine zukünftig möglicherweise erforderlich werdende, postoperative ärztliche und/oder medikamentöse Behandlung/Nachsorge nach der derzeitigen Erkenntnislage auch in Albanien erfolgen kann,
18vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015– 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 18.
19Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten,
20vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015– 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 20.
21Die vorbeschriebene Erkenntnislage zur medizinischen Versorgung in Albanien wird durch die tatsächlichen Erfahrungen der Antragsteller bestätigt. Denn nach ihren Angaben wurde die schwere Tumorerkrankung des Antragstellers zu 2) im Universitätskrankenhaus „N. U. “ in U1. in der Vergangenheit erfolgreich behandelt.
222. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
23Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
24Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
25vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
26Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
27vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
283. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
29Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
30vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.,
31Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
32vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
33Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat die Verwaltungspraxis diverser Ausländerbehörden, Abschiebungen vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer ohne vorherige Ankündigung durchzuführen, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG.
34II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
35Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
36Mangels hinreichender Erfolgsaussichten im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
2Aufgrund der Anhörung der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
3Die Klage vom 11. Januar 2016 mit den sinngemäßen Anträgen,
4die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen und sie gemäß Art. 16a Abs. 1 GG als Asylberechtigte anzuerkennen,
5hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 3.) bis 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, den Klägern subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
6hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 4.) bis 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen,
7das in Ziffer 6.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 auf 10 Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG aufzuheben,
8die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen,
9hat keinen Erfolg.
10I. Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
11Der Bescheid des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
12Die Kläger haben in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Des Weiteren besteht kein Anspruch der Kläger hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen.
13Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Darüber hinaus wird auf die – auch unter dem Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens fortgeltenden – Erwägungen des unanfechtbaren Beschlusses vom 5. Februar 2016 im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen,
14vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 17 L 66/16.A –,
15die sich das erkennende Gericht uneingeschränkt zu eigen macht. Beachtliche Änderungen der Sach- und Rechtslage sind weder ersichtlich noch dargetan.
16Ergänzend ist lediglich Folgendes anzumerken:
171. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Kläger gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
18Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
19Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Kläger, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
20vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
21Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Kläger, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
22vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
232. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
24Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
25vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 ‑ 17 K 6883/15.A ‑, n.v.,
26Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Beklagte hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Kläger berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
27vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
28II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
30Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Gegen Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz findet kein Widerspruch statt.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. I. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 16. Februar 2016 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 1443/16.A gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5I. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
6Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 28. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 begegnet keinen rechtlichen Bedenken im vorgenannten Sinne.
7Die Antragsteller haben in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG. Die diesbezügliche Ablehnung der Flüchtlingszuerkennung und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet gemäß § 29a Abs. 1 und 2 AsylG i.V.m. Anlage II zu § 29a AsylG ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil Albanien zum sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG erklärt wurde. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sowie hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Auch ein Anspruch der Antragsteller hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen, ist nicht gegeben. Beachtliche Anhaltspunkte, der Klage entgegen der in § 75 Abs. 1 AsylG getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
8Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 28. Januar 2016 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe – mit Ausnahme der folgenden ergänzenden Ausführungen – ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
91. Es besteht für die Antragsteller in Bezug auf Albanien kein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
10a. Soweit die Antragstellerin zu 1) geltend macht, sie sei in Albanien an der Brust operiert worden und die dortigen Ärzte seien uneins darüber gewesen, ob auch die andere Brust noch operiert werden müsse, kann aufgrund dieses Vorbringens keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Antragstellerin zu 1) aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1) schon nicht aufgezeigt hat, aufgrund welcher Erkrankung die Operation an ihrer Brust erfolgte, fehlt es zudem an der Darlegung und Glaubhaftmachung eines konkreten Krankheitsbildes durch ein aussagekräftiges fachärztliches Attest. Es ist daher nicht ansatzweise ersichtlich, dass sich die behauptete –nicht näher dargelegte – Erkrankung der Antragstellerin zu 1) bei einer Rückführung nach Albanien aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt.
11b. Auch für den Antragsteller zu 2) besteht unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen des Universitätskrankenhauses „N. U. “ in U1. vom 8. Juli 2011, 3. Mai 2013, 18. Mai 2013, 18. Juli 2013, 24. Juli 2013, 9. Oktober 2013 und 21. August 2014 im Falle seiner Rückkehr nach Albanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
12Den vorzitierten ärztlichen Unterlagen ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass beim Antragsteller zu 2) im Jahr 2013 ein Gehirntumor (pilozytisches Astrozytom) diagnostiziert worden ist, welcher am 26. April 2013 im Universitätskrankenhaus „N. U. “ in U1. operativ vollständig entfernt wurde. Der postoperative Verlauf wird ärztlicherseits als „gut“ beschrieben. Ausweislich des medizinischen Attestes des Universitätskrankenhauses „N. U. “ in U1. (Neuroradiologie / Magnetresonanztomographie) wurde anlässlich einer am 21. August 2014 durchgeführten MRT-Untersuchung des Kopfes und der Wirbelsäule des Antragstellers zu 2) u.a. festgestellt, dass kein Anhalt für ein Rezidiv bestehe. Nach den Angaben der Antragstellerin zu 1) im Verwaltungsverfahren seien die Ärzte in Albanien der Auffassung gewesen, dass es dem Antragsteller zu 2) nunmehr gut gehe. Eine medikamentöse Behandlung sei zuletzt nicht mehr erforderlich gewesen. Derzeit leide der Antragsteller zu 2) – ausweislich der Angaben der Antragstellerin zu 1) – noch an Kopfschmerzen, verschwommenem Sehen, Schmerzen im Knie und Appetitlosigkeit. Sie – die Antragstellerin zu 1) – glaube daher, der Antragsteller zu 2) sei noch nicht vollständig genesen.
13Unter Berücksichtigung der vorgelegten ärztlichen Unterlagen und des Vorbringens der Antragstellerin zu 1) ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller zu 2) bei einer Rückführung nach Albanien infolge des postoperativen Zustandes nach vollständiger Resektion des Gehirntumors (pilozytisches Astrozytom) am 26. April 2013 aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben droht. Insbesondere eine zielstaatsbezogene Verschlimmerung des Krankheitsbildes ist – nachdem ärztlicherseits kein Anhalt für ein Rezidiv besteht und der postoperative Zustand des Antragstellers zu 2) als gut bezeichnet wird – weder ersichtlich noch dargetan. Zwar können die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bereits dann erfüllt sein, wenn sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers im Zielstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort faktisch unzureichend sind. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist in diesen Fällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. das eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung muss jedoch zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lassen. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
14vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
15Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer keine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern ihn allein vor gravierenden Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren,
16vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. September 2006 – 13 A 1740/05.A –, juris Rn. 31.
17Dies zugrunde gelegt, ist eine alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat eintretende wesentliche oder sogar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers zu 2) angesichts der aktuell noch bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen, Schmerzen im Knie, Appetitlosigkeit) nicht feststellbar. Dessen ungeachtet ist eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes allein deshalb nicht zu erwarten, weil eine zukünftig möglicherweise erforderlich werdende, postoperative ärztliche und/oder medikamentöse Behandlung/Nachsorge nach der derzeitigen Erkenntnislage auch in Albanien erfolgen kann,
18vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung, Blutrache, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015– 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 18.
19Hiernach kann die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos in Anspruch genommen werden. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste vorhandene Generikum bei Standard-Medikamenten. Sofern nicht sämtliche Kosten übernommen werden, sind vom Patienten gegebenenfalls Zuzahlungen zu leisten,
20vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10. Juni 2015 (Stand: Mai 2015), S. 13; Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2015– 17 L 3327/15.A –, juris Rn. 20.
21Die vorbeschriebene Erkenntnislage zur medizinischen Versorgung in Albanien wird durch die tatsächlichen Erfahrungen der Antragsteller bestätigt. Denn nach ihren Angaben wurde die schwere Tumorerkrankung des Antragstellers zu 2) im Universitätskrankenhaus „N. U. “ in U1. in der Vergangenheit erfolgreich behandelt.
222. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
23Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
24Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
25vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
26Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
27vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
283. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
29Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
30vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.,
31Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
32vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 – 17 K 176/16.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
33Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat die Verwaltungspraxis diverser Ausländerbehörden, Abschiebungen vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer ohne vorherige Ankündigung durchzuführen, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG.
34II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
35Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
36Mangels hinreichender Erfolgsaussichten im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
2Aufgrund der Anhörung der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
3Die Klage vom 11. Januar 2016 mit den sinngemäßen Anträgen,
4die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen und sie gemäß Art. 16a Abs. 1 GG als Asylberechtigte anzuerkennen,
5hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 3.) bis 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, den Klägern subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
6hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 4.) bis 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen,
7das in Ziffer 6.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 auf 10 Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG aufzuheben,
8die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 7.) des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 zu verpflichten, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen,
9hat keinen Erfolg.
10I. Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
11Der Bescheid des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
12Die Kläger haben in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Des Weiteren besteht kein Anspruch der Kläger hinsichtlich der Aufhebung des auf 10 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie darauf, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage festzusetzen.
13Das Gericht folgt den tragenden Feststellungen und der im Wesentlichen zutreffenden Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 22. Dezember 2015 und sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Darüber hinaus wird auf die – auch unter dem Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens fortgeltenden – Erwägungen des unanfechtbaren Beschlusses vom 5. Februar 2016 im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen,
14vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 17 L 66/16.A –,
15die sich das erkennende Gericht uneingeschränkt zu eigen macht. Beachtliche Änderungen der Sach- und Rechtslage sind weder ersichtlich noch dargetan.
16Ergänzend ist lediglich Folgendes anzumerken:
171. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Kläger gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und dieses auf 10 Monate zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
18Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO.
19Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Kläger, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
20vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
21Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 5 und 6 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat dieses ihm zustehende Ermessen hier mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Kläger, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen,
22vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
232. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen gleichfalls keine rechtlichen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch dargetan.
24Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten,
25vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 36; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 ‑ 17 K 6883/15.A ‑, n.v.,
26Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Die Beklagte hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Kläger berücksichtigungsfähige einzelfallbezogene Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben,
27vgl. hierzu VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2016 – 17 K 6883/15.A –, n.v.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2016 – 17 L 276/16.A –, n.v.
28II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
30Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragsteller.
1
Gründe:
2Die am 1. Februar 2016 wörtlich gestellten Anträge,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 712/16.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. Januar 2016 unter Ziffer 5. enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen und
4das Bundesamt im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache 17 K 712/16.A zu verpflichten, die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Tage ab dem Tag der Abschiebung zu befristen,
5haben keinen Erfolg.
6I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet.
7Gem. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) darf die Aussetzung der Abschiebung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angegriffene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält,
8vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99.
9Daran fehlt es hier. An dem Bescheid des Bundesamtes vom 13. Januar 2016 bestehen keine solchen Zweifel. Die Antragsteller haben in dem für die tatsächliche und rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG, auf Asylanerkennung i.S.v. Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG), Zuerkennung subsidiären Schutzes i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG, Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder Festsetzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Tage. Auch die Ablehnung der Anträge als offensichtlich unbegründet gem. § 29a Abs. 1 AsylG, die Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung gem. §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG und die Festsetzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG sind gerechtfertigt. Die Antragsteller stammen aus Albanien, einem sicheren Herkunftsstaat i.S.v. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29 a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II zum AsylG. Tatsachen oder Beweismittel dafür, dass den Antragstellern abweichend von der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat politische Verfolgung droht, wurden weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen oder beigebracht. Zur Begründung wird auf die tragenden Feststellungen und die im Wesentlichen zutreffende Begründung des Bescheides verwiesen, denen das Gericht folgt und deshalb von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absieht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
10Lediglich ergänzend wird Folgendes angemerkt:
111. Aus den gesundheitlichen Problemen des Antragstellers zu 3. ergibt sich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
12Maßgeblich hierfür ist, ob dem Ausländer im Falle seiner Rückkehr nach Albanien eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands in Folge dort unzureichender Behandlungsmöglichkeiten drohte, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
13vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 – 10 B 13.11, 10 B 1310 B 13.11, 10 PKH 10 PKH 11.11 –, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, juris Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 1 B 118.05 –, juris Rn. 4.
14Von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustands kann hingegen nicht schon dann gesprochen werden, wenn "lediglich" eine Heilung eines gegebenen Krankheitszustands des Ausländers im Abschiebungszielland nicht zu erwarten ist. Der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer keine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern ihn allein vor gravierenden Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren,
15vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. September 2006 – 13 A 1740/05.A –, juris Rn. 31.
16Der Asylbewerber muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs‑, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
17vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 17 K 2897/14.A –, juris Rn. 91 f.
18Hiervon ausgehend droht dem Antragsteller zu 3. bei einer Rückkehr nach Albanien keine Verschlechterung seines Gesundheitszustands i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ist eine medizinische Versorgung in Albanien in staatlichen Krankenhäusern grundsätzlich kostenlos gewährleistet, sind die Ärzte im Regelfall gut ausgebildet und kompliziertere Behandlungen zumindest in Tirana möglich,
19vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13.
20Das staatliche Institut für Gesundheitsversicherungen (sog. Health Insurance Institute) trägt in Albanien die Kosten für primäre Gesundheitsversorgung und erstattet die Kosten für gewisse Medikamente zurück. Vollständig versicherte Personengruppen sind Pensionierte, Arbeitslose, Studierende, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Ebenfalls abgedeckt sind Personen, die an Krebs, Tuberkulose oder Multiple Sklerose erkrankt sind, eine Nierentransplantation benötigen oder an durch chronisches Nierenversagen induzierte Anämie oder Thalassämie leiden,
21vgl. Bundesasylamt Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Albanien, Stand: August 2013, S. 18 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 ff.
22Die Versorgung mit Medikamenten ist in Albanien grundsätzlich gewährleistet, insbesondere gängige Medikamente können aus der Europäischen Union importiert werden. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten,
23vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 4 f.
24Behinderte haben ferner für über die medizinische Behandlung hinausgehende Leistungen einen rechtlichen Anspruch darauf, ihre Kosten (teilweise) erstattet zu bekommen und auf bestimmte Invalidenleistungen,
25vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 26. Juni 2014 und vom 29. März 2013; Auskunft IOM vom 30. Juli 2014; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 3. September 2003.
26Der Antragsteller zu 3. gehört als behindertes, minderjähriges Kind zu den vorgenannten vollständig versicherten Personengruppen und hat einen rechtlichen Anspruch auf Invalidenleistungen. Die Antragsteller zu 1. und 2. räumten in Ihrer Anhörung selbst ein, der Antragsteller zu 3. sei in Albanien von zwei verschiedenen Kliniken medikamentös behandelt worden. Hierüber legten sie Bescheinigungen des Universitätsklinikzentrums „Mutter U. “ in Tirana vom 6. Juni 2014 und vom Gesundheitszentrum Kamez vom 29. Mai 2014 vor, in denen eine neuropsychische Entwicklungsverzögerung, spastische zerebrale Lähmung, schwere geistige Behinderung, spastische Paraplegie sowie eine generalisierte Epilepsie diagnostiziert sowie bestätigt wird, dass eine systematische Behandlung mit Medikamenten seit dem Jahr 2011 stattgefunden hat. Diese Diagnosen decken sich im Wesentlichen mit den in Deutschland gestellten Diagnosen. In den Berichten des Kinderneurologischen Zentrums vom 9. Februar 2016 werden eine geistige Behinderung, bilaterale dystone Cerebralparese sowie eine symptomatisch fokale Epilepsie diagnostiziert. Auch erfolgt in Deutschland derzeit im Wesentlichen eine medikamentöse Behandlung, allerdings mit anderen Medikamenten als in Albanien. Dafür, dass eine solche Behandlung in Albanien mit denselben oder vergleichbaren Medikamenten nicht fortgeführt werden könnte, bestehen keine Anhaltspunkte. Speziell Epilepsie kann in Albanien auch bei Kindern hinreichend auf entsprechendem Landesniveau behandelt werden: es gibt verfügbare einschlägige Medikamente; Wartelisten für eine Behandlung existieren nicht; ein Rückkehrer kann zunächst den Hausarzt konsultieren, der dann eine Überweisung an einen Neurologen ausstellt; der Neurologe muss nicht von der Familie bezahlt werden,
27vgl. Auskunft IOM vom 20. Juni 2014; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 8. März 2006.
28Im Hinblick auf die geistige Behinderung sowie die spastische Cerebralparese, gibt es staatliche und nichtstaatliche Einrichtungen mit physiotherapeutischen Fördermöglichkeiten und Therapiezentren sowie öffentliche Schulen für geistig behinderte Kinder,
29vgl. Auskunft IOM vom 30. Juli 2014.
30Die von dem Antragsteller zu 1. an der Behandlung seines Sohnes in Albanien geäußerten Zweifel sind insofern unsubstantiiert. Aus dem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich gerade kein Anspruch auf eine im Vergleich zum Überstellungsland bessere Behandlung in der Bundesrepublik Deutschland.
31Zutreffend ist schließlich, dass in Albanien in der Praxis für medizinische Behandlungen und Medikamente gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen geleistet werden müssen,
32vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH- Länderanalyse, Stand: 13. Februar 2013, S. 5.
33Dass die finanziellen Mittel für solche Zuzahlungen notfalls aufgebracht werden könnten, ergibt sich jedoch schon daraus, dass die Antragstellerin zu 2. von monatlichen Leistungen in Höhe von ca. 20 Euro berichtet, die dem genannten monatlichen Betrag von ca. 20 Euro für die Beschaffung von Medikamenten entsprechen. Zudem berichtet der Antragsteller zu 1. davon, dass er gelegentlich arbeite und seine Mutter, die mit ihnen in einer Wohnung wohne, monatlich ca. 100 Euro Rente beziehe. Außerdem räumt der Antragsteller zu 1. ein, dass Zuzahlungen für die Behandlungen des Antragstellers zu 3. nur bei einer Behandlung durch Privatärzte anfielen. Selbst wenn die Antragsteller die zur Behandlung des Antragstellers zu 3. eventuell in der Praxis erforderlichen Zuzahlungen in Zukunft nicht aufbringen könnten, führte auch dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Da dem Antragsteller zu 3. die daraus resultierende Beeinträchtigung nicht individuell drohte, bliebe ihm die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt. Hierin liegt eine Gefahr, die allgemein für eine Bevölkerungsgruppe – nämlich der Gruppe der nahezu oder gänzlich mittellosen Kranken, die die Kosten für die mögliche und erforderliche medizinische Behandlung mangels Finanzkraft nicht aufbringen können – in Albanien drohte,
34vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 17 K 3135/14.A –, juris Rn. 60.
352. Die Entscheidung, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen die Antragsteller nach § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen und auf 10 Monate zu befristen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen einen Ausländer anordnen, dessen Asylantrag – wie hier – nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dem Bundesamt steht hierbei hinsichtlich der Anordnung und der Länge der Befristung ein Ermessen zu. Die gerichtliche Prüfungsdichte ist insoweit darauf beschränkt, ob die Grenzen des gesetzlichen Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO).
36Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ordnungsgemäß angeordnet werden soll, ist kein Ermessensfehler ersichtlich. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid die Gründe für seine Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG genannt und damit das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Anordnung erkannt. Es hat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, Anhaltspunkte für schutzwürdige Belange der Antragsteller, die gegen eine solche Anordnung sprechen könnten, lägen nicht vor. Dass das Bundesamt regelmäßig sämtliche Ausländer, die den Tatbestand des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt und nur bei Vorliegen schutzwürdiger Belange hiervon absieht, steht einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht entgegen. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem Zweck der Regelung, die für die Durchführung von Asylverfahren vorhandenen Kapazitäten zugunsten wirklich schutzbedürftiger Personen zu nutzen und aufgrund des mit der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots verbundenen generalpräventiven Effektes einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken,
37vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38.
38Auch die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots von 10 Monaten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu befristen. In § 11 Abs. 7 Satz 4 und 5 AufenthG sind als Höchstfristen ein Jahr für Erstfälle und drei Jahre in den übrigen Fällen normiert. Das Bundesamt hat hier dieses ihm zustehende Ermessen mit der Festsetzung einer unterhalb der Höchstfrist liegenden Länge erkannt. Da die gewählten 10 Monate unterhalb der Höchstfrist liegen und schutzwürdige Belange der Antragsteller, die im konkreten Einzelfall hätten berücksichtigt werden müssen, weder ersichtlich sind noch sonst vorgetragen wurden, sind diesbezügliche Ermessensfehler nicht ersichtlich. In einem solchen Fall ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht erforderlich, den Ausschluss sämtlicher anderer Zeiträume unterhalb der Höchstgrenze im Bescheid zu begründen.
393. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG gegen die Antragsteller auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist ebenso nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger einen Anspruch auf Festsetzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Tage haben, sind weder ersichtlich noch wurden sie sonst vorgetragen. Ermessensfehler hinsichtlich der Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert, nachdem die Antragsteller zu berücksichtigende schutzwürdige Belange hinsichtlich der Bemessung dieser Frist nicht vorgetragen haben. Dies ist – auch unter Verweis auf die Ausführungen unter I. 2. – nicht zu beanstanden.
40II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist – ungeachtet der Frage, ob hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis besteht (Vorwegnahme der Hauptsache) – jedenfalls unbegründet. Nach § 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der zu Grunde liegende materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) dargelegt und glaubhaft gemacht sind. Nach den Ausführungen unter I. 3. fehlt es bereits an einem entsprechenden Anordnungsanspruch.
41III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
42Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
43Der Beschluss ist gem. § 80 AsylG unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.
(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.
(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.