Sozialgericht Aachen Urteil, 24. Juni 2014 - S 20 SO 8/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für die Zeit von November 2010 bis Juni 2014 erbrachten Aufwendungen für die Vollzeitpflege des Kindes T.N.C. in einer Pflegefamilie in Höhe von 53.577,00 EUR zu erstatten. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 53.577,00 EUR festgesetzt.
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Tatbestand:
2Die Klägerin als Jugendhilfeträger begehrt von der Beklagten als örtlichem Träger der Sozialhilfe Erstattung der Kosten, die seit 01.11.2010 für die Unterbringung eines geistig und körperlich behinderten Kindes in einer Pflegefamilie angefallen sind, konkret bis Juni 2014: 53.577,00 EUR.
3Die am 00.00.0000 geborene T.N.C. (im Folgenden: Hilfeempfängerin/HE) ist körperlich und geistig behindert, erheblich pflegebedürftig mit entsprechenden Leistungen der Pflegekasse nach Pflegestufe I und als Schwerbehinderte anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen G, B, H). Sie leidet u.a. an einer beidseitigen Schwerhörigkeit, die durch Hörgeräte nur unvollständig ausgeglichen ist, einem Sehfehler, einem Dyspraxiesyndrom und einer starken kognitiven Entwicklungsverzögerung. Im Januar 2010 wurde bei ihr ein Intelligenzquotient (IQ) von 47 festgestellt.
4Im Januar 2008 wurde den leiblichen Eltern der HE wegen Gefährdung des Kindeswohls die elterliche Sorge entzogen und auf das Jugendamt der Beigeladenen als Vormund übertragen (Beschlüsse des Amtsgerichts Aachen vom 27.01.2008 und 03.04.2009 – 220 F 40/08 EASO). Der Grund hierfür waren eine festgestellte Erziehungsunfähigkeit des – wegen Kindesmisshandlung bereits vorbestraften – Vaters und zahlreiche Defizite der Erziehungskompetenz der Mutter.
5Seit dem 29.01.2008 ist die HE in einer Pflegefamilie untergebracht. Sie wird über Tag und Nacht im Haushalt ihrer Pflegeeltern versorgt; die Pflegemutter ist ausgebildete Erzieherin. Die Pflegeeltern haben keine Erlaubnis nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII); sie bedürfen einer solchen Erlaubnis nicht, weil sie Kinder im Rahmen von Hilfe zur Erziehung/Eingliederungshilfe aufgrund einer Vermittlung durch das Jugendamt über Tag und Nacht aufgenommen haben (§ 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII). Der Verbleib in der Pflegefamilie ist auf Dauer angelegt. Von den Jugendhilfeträgern wurde und wird Hilfe zur Erziehung durch Unterbringung in einer Erziehungsstelle in Vollzeitpflege gem. §§ 27, 33 SGB VIII erbracht. Seit 29.01.2008 von der Beigeladenen, seit 29.01.2010 aufgrund Zuständigkeitswechsels nach § 86 Abs. 6 SGB VIII von der Klägerin. Nach dem Kindergarten besucht die HE inzwischen die Schule für geistig Behinderte in I ...
6Mit Schreiben vom 18.10.2012 beantragte die Klägerin sowohl gegenüber dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) als auch gegenüber der Beklagten u.a. die Erstattung ihrer seit 01.11.2010 angefallenen Kosten für die Betreuung der HE in einer Pflegefamilie.
7Am 03.11.2010 lehnte der LVR den Antrag mangels Zuständigkeit ab. Er verwies darauf, die Betreuung in Pflegefamilien gem. § 54 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sei keine vollstationäre, sondern eine ambulante Leistung, für die der örtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig sei.
8Mit Schreiben vom 24.06.2011 und 31.10.2012 lehnte auch die Beklagte den Kostenerstattungsantrag ab. Sie nahm auf einen Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 12.07.2010 und ein Rundschreiben des Landkreistages NRW vom 14.10.2010 Bezug; in diesen sei klar gestellt worden, dass der neue Tatbestand des § 54 Abs. 3 SGB XII keine Auswirkungen auf das geltende Recht der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII habe. Soweit Hilfe zur Erziehung notwendig sei, sei diese für alle Kinder und Jugendlichen – unabhängig davon, ob sie behindert seien und welche Art der Behinderung vorliegen – nach dem SGB VIII zu gewähren.
9Am 11.06.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie verweist auf die Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Danach gingen Leistungen der Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen nach dem SGB XII solchen nach dem SGB VIII vor; der Schwerpunkt des Hilfebedarfs und –zwecks sei unerheblich; es komme allein auf den durch die Leistung zu deckenden Bedarf an. Die HE erhalte in der Pflegefamilie sowohl typische Leistungen nach Jugendhilferecht als auch nach Sozialhilferecht. Die permanenten, eine übliche Kinderbetreuung deutlich übersteigenden Hilfeleistungen gingen nicht allein auf die Erziehungsungeeignetheit der leiblichen Eltern zurück, sondern gründeten auch auf der merklichen körperlichen und geistigen Behinderung. Die HE sei schwer beeinträchtigt ("hilflos", Merkzeichen "H"), könne noch mit neun Jahren niemals alleine gelassen werden, benötige für alltägliche Verrichtungen Hilfestellungen, verfüge nur über einen geringen Wortschatz, könne nur von engsten Familienmitgliedern verstanden werden, sei nach wie vor nachts nicht trocken und besuche eine Schule für geistig Behinderte. Angesichts der Schwere der Behinderung stellten die Leistungen der Betreuung in der Pflegefamilie zumindest auch solche der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII dar; es genüge, dass zumindest nicht ausgeschlossen sei, dass die körperliche und/oder geistige Behinderung für die konkrete Maßnahme irgendwie bedeutsam sei. Die Klägerin hat eine Aufstellung der Pflegemutter vom 08.11.2013 über den Bedarf der HE und die Maßnahmen in der Pflegefamilie vorgelegt, desweiteren eine Stellungnahme der für die Pflegeeltern zuständigen Erziehungsstellenberaterin vom 08.04.2014. Sie hat ihre Aufwendungen, die sie von November 2010 bis Juni 2014 für den notwendigen Unterhalt der HE (Sachaufwand, Pflege und Erziehung), für einmalige Beihilfen (Weihnachts- und Ferienbeihilfen) sowie für Beratung und Unterstützung der Pflegeeltern erbracht hat, unter Abzug eines Kindergeldanteils mit 53.577,00 EUR beziffert.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, ihr die für die Zeit von November 2010 bis Juni 2014 erbrachten Aufwendungen für die Vollzeitpflege des Kindes T.N.C. in einer Pflegefamilie in Höhe von 53.577,00 EUR zu erstatten.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie erkennt an, dass die HE zum Personenkreis der geistig und körperlich behinderten Menschen, die grundsätzlich Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, gehört, dass ein behinderungsbedingter Eingliederungshilfebedarf nach dem SGB XII besteht und dass dieser auch von der Pflegefamilie gedeckt wird. Sie meint jedoch, dass die weitere Voraussetzung des § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht erfüllt sei: es sei weder festgestellt noch nachgewiesen, dass die Betreuung in der Pflegefamilie ursächlich für die Vermeidung eines Aufenthalts in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe (gewesen) sei und in einer solchen Einrichtung befriedigt werden könne. Wenn in der Herkunftsfamilie nicht erheblich erzieherische Defizite vorgeherrscht hätten, wäre ein Verbleib in der Herkunftsfamilie durchaus üblich und angebracht gewesen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass im Fall einer Eingliederungshilfeleistung nach Sozialhilferecht das Kindergeld vorrangig auf den materiellen Aufwand anzurechnen sei. Diese Aufwendungen für den Lebensunterhalt, ebenso die einmaligen Beihilfen und die Aufwendungen für Beratung und Unterstützung (Supervisionen) der Pflegepersonen seien jedoch keine Leistungen der Eingliederungshilfe. Dementsprechend sei der Kostenerstattungsanspruch, falls er dem Grunde nach bestehe, zu mindern. Die Beklagte errechnet einen allenfalls in Betracht kommenden Erstattungsbetrag für die Zeit von November 2010 bis Juni 2014 in Höhe von 18.000,00 EUR.
15Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag; sie schließt sich der Rechtsauffassung der Klägerin an.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die HE betreffenden Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist zulässig.
19Es handelt sich um eine statthafte (echte) Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin und die Beklagte stehen zueinander in einem Gleichordnungsverhältnis; ein Vorverfahren ist nicht notwendig und auch nicht durchgeführt worden.
20Die Klage ist auch begründet.
211. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung ihrer seit dem 01.11.2010 nach dem SGB VIII erbrachten Leistungen der Jugendhilfe für die HE ergibt sich nicht aus § 102 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), da die Klägerin die Leistungen nicht vorläufig erbracht hat. Nach dem insoweit allein als Grundlage einer gesetzlichen Vorleistungspflicht in Betracht kommenden § 43 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) kann, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen; er hat vorläufige Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt. Die Vorschrift setzt einen negativen Kompetenzkonflikt voraus, der nicht besteht, wenn beide Leistungsträger gegenüber dem Hilfeempfänger gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet sind (BVerwG, Urteil vom 02.03.2006 – 5 C 15/05; Urteil vom 09.02.2012 – 5 C 3/11). Bei konkurrierenden Leistungsansprüchen aus den Gebieten der Jugendhilfe und der Sozialhilfe sind deren Träger dem Berechtigten gleichermaßen nicht nur vorläufig zu Leistungen verpflichtet (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 – 5 C 26/98; Urteil vom 02.03.2006 – 5 C 15/05; Urteil vom 09.02.2012 – 5 C 3/11). Derartige miteinander konkurrierende Leistungsansprüche der HE waren (und sind) hier gegeben. Die HE hat im Rahmen der Betreuung in der Pflegefamilie jedenfalls seit 01.11.2010 einerseits einen Anspruch gegenüber der Klägerin auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gem. §§ 27, 33, 39 SGB VIII (a), andererseits ein Anspruch gegenüber der Beklagten auf Eingliederungshilfe gem. §§ 53, 54 Abs. 3 SGB XII (b).
22a) Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII besteht bei der Erziehung eines Kindes Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII erbracht. Art und Umfang richten sich nach dem erzieherischen Bedarf des Kindes; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes einbezogen werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII). § 33 SGB VIII eröffnet die Möglichkeit der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie.
23Da der leibliche Vater der HE erziehungsunfähig ist, die leibliche Mutter der HE zahlreiche Defizite der Erziehungskompetenz aufweist und die elterliche Sorge den leiblichen Eltern wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen und auf das Jugendamt übertragen worden ist, war die angemessene Versorgung und Erziehung in der Herkunftsfamilie nicht gewährleistet. Drei ältere Geschwister der HE waren bereits von den leiblichen Eltern getrennt untergebracht, der älteste (schwer geistig behinderte) Bruder in einer vollstationären Behinderteneinrichtung, die beiden anderen Brüder in Pflegefamilien. Die Unterbringung der HE in einer Pflegefamilie war daher eine zur Sicherstellung der dem Kindeswohl entsprechenden Erziehung geeignete und zweckmäßige jugendhilferechtliche Maßnahme. Dies wird auch von der Beklagten nicht bestritten.
24b) Der Anspruch der HE auf Eingliederungshilfe für behinderte Menschen findet seine Grundlage in §§ 53, 54 Abs. 3 SGB XII. Die HE ist aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt; sie gehört deshalb zum Kreis der Personen, die Anspruch auf Eingliederungshilfe haben. Sie erhält gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach den Besonderheiten des Einzelfalles insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört u.a. insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Neben den Leistungen nach § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26, 33, 41 und 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und nach § 54 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 SGB XII ist gem. § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB XII die "Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie" eine eigenständige Leistung der Eingliederungshilfe, soweit eine geeignete Pflegeperson Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann. Mit diesem neuen mit Wirkung ab 05.08.2009 durch Art. 1 des "Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus" vom 30.07.2009 (BGBl. I S. 2495) eingeführten und aufgrund Art. 2 des Kinder- und Jugendhilfevereinfachungsgesetzes vom 29.08.2013 (BGBl. I S. 3464) vorläufig bis 31.12.2018 geltenden neuen Leistungstatbestand "Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie" wird nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sichergestellt, dass Leistungen der Eingliederungshilfe auch für die Betreuung körperlich und geistig behinderten Kinder und Jugendlichen in einer Pflegefamilie als – bevorzugte – Alternative zur Betreuung in vollstationären Einrichtungen gewährt werden (BT-Drucksache 16/13417, S. 6).
25Die Teilhabeleistung der Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie lässt erwarten, dass gerade im Fall der HE nach Art und Schwere ihrer körperlichen und geistigen Behinderungen Aussicht bestand (und besteht), deren Folgen zu mildern und ihr so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die HE ist nicht nur geistig (IQ von 47), sondern auch körperlich (Hör- und Sehminderung) behindert. Aufgrund der schriftlichen Darstellung der Pflegemutter vom 08.11.2013 und der Aussagen der Pflegeeltern als Zeugen in der mündlichen Verhandlung ist für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend belegt, dass die Unterbringung der HE eine geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Neben Hilfen bei den Verrichtungen der Grundpflege, für die sie Pflegegeld der Pflegestufe I nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) erhält, wird die HE in der Zeit, in der sie zuhause ist, permanent betreut. Montags bis donnerstags ist sie von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr, freitags von 08.00 Uhr bis 12.45 Uhr in der Schule für geistig Behinderte. In der übrigen Zeit ist sie im Pflegefamilienverband. Sie bedarf und erhält intensive Betreuung und Aufsicht. Sie kann nie allein gelassen werden. Sie hatte und hat erhebliche Defizite in den Bereichen Sprache, Verständigung, Kommunikation, Sozialverhalten, Selbstständigkeit, Feinmotorik und anderen mehr. Sie erhält in diesen Bereichen vielfältige und zeitintensive Betreuung, besonders durch die aufgrund ihrer Ausbildung als Erzieherin dazu fachlich besonders qualifizierte Pflegemutter. Ausweislich der Stellungnahme der Erziehungsstellenberaterin vom 08.04.2014 unterstützen die Pflegeeltern z.B. die Teilhabe der HE an einer Kindergruppe in einem Jugendheim; sie besuchen mit ihr kindgerechte kulturelle Angebote und gehen regelmäßig einmal pro Woche mit ihr schwimmen. Darüber hinaus haben die Pflegeeltern zur Verständigung mit der HE den Umgang mit einem so genannten "Talker" erlernt; mit Hilfe dieses Gerätes, auf das Sätze, Fragen, Wünsche aufgesprochen und durch die HE abgerufen werden können, kann sich diese sowohl in der Schule als auch zuhause ausdrücken. Die Kommunikation erfolge durch ein Gemisch der Lautsprache, des Talkers und Gebärden. Aufgrund des Dyspraxiesyndroms fällt der HE die Koordination ihrer Bewegungen sehr schwer; sie erhielt deshalb bereits Krankengymnastik. Da die Erkrankung nicht geheilt werden kann, sind auch hier tägliche Übungen im Alltag notwendig. Die Pflegeeltern sorgen für viel Bewegung und bauen alltägliche Übungen wie z.B. Schleife binden, immer wieder ein. Die Behinderung der HE stellt erhöhte Anforderungen insbesondere an die Pflegeeltern, die durch ihre Betreuung einen weit höheren Aufwand haben als mit einem nicht behinderten Kind. Gerade das Leben in der Familiengemeinschaft ermöglicht der HE, auch in anderen sozialen Bezügen zurecht zu kommen und sich so nach und nach in die Gesellschaft einzugliedern.
26Auch die weiteren Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs nach § 54 Abs. 3 SGB XII waren (und sind) jedenfalls seit 01.11.2010 erfüllt.
27Durch die Betreuung in der Pflegefamilie wurde und wird der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden. Wegen der Erziehungsunfähigkeit bzw. den Erziehungsdefiziten war und ist eine Rückkehr zu den Eltern nicht möglich. Von der Beklagten wird lediglich behauptet, ist aber durch nichts untermauert und auch nicht ersichtlich, dass die HE außerhalb der Pflegefamilie nicht vollstationär in einer Einrichtung der Behindertenhilfe unterzubringen wäre. Im Gegenteil: Auf ausdrückliches Befragen hat die Pflegemutter in der mündlichen Verhandlung überzeugend erklärt, dass die vollstationäre Unterbringung der HE in einem Heim die einzige Alternative wäre, wenn sie nicht in der Pflegefamilie untergebracht wäre. Die Pflegemutter hat auch begründet, dass die alternative Unterbringung nur in einem Heim für Behinderte denkbar wäre. Die HE habe mit gleichaltrigen gesunden Kindern wenig gemein; sie käme mit ihnen in einem Heim für gesunde Kinder nicht zurecht; dies liege in ihrer erheblichen geistigen und körperlichen Behinderung begründet. Wenn die HE nicht in der Pflegefamilie wäre, müsste sie – so die Pflegemutter – in einem Heim für geistig Behinderte untergebracht werden. Das Gesetz verlangt in § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in dieser Hinsicht lediglich, dass der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden (oder beendet) werden kann. Es genügt also, dass aufgrund einer Prognose die Möglichkeit besteht, dass durch die Pflege in der Familie der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung "abstrakt" verhindert oder vermieden wird (vgl. hierzu auch: VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 09.04.2014 – B 3 K 13.766). Daran, dass diese Vermeidungsmöglichkeit im Fall der HE bestanden hat und besteht, gibt es für die Kammer aufgrund der ihr bekannt gewordenen Umstände über die erheblichen Behinderungen der HE keine ernsthaften Zweifel.
28Auch das Erfordernis einer Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII (vgl. § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB XII) ist erfüllt. Zwar sind die Pflegeeltern, speziell die hauptsächlich die HE betreuende Pflegemutter nicht im Besitz einer (förmlichen) Pflegeerlaubnis nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Der Grund dafür ist jedoch, dass sie einer solchen Erlaubnis nicht bedürfen, weil sie die HE im Rahmen der Hilfe zur Erziehung bzw. von Eingliederungshilfe aufgrund einer Vermittlung des Jugendamtes über Tag und Nacht aufgenommen haben (§ 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII). Dadurch haben sie die für eine (förmliche) Erlaubnis notwendige Qualifikation nachgewiesen. Im Übrigen haben sie die Ausbildung für Erziehungsstellen und diverse Fortbildungen erhalten. Damit ist dem Erfordernis des § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB XII genügt.
29Sachlich zuständig für die Leistung der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 3 SGB XII zugunsten der minderjährigen HE ist die Beklagte als örtlicher Träger der Sozialhilfe. Bei der Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie handelt es sich weder um eine stationäre noch eine teilstationäre Leistung in einer Einrichtung (vgl. § 97 SGB XII i.V.m. dem Nordrhein-Westfälischen Landesausführungsgesetz zum SGB XII und § 2 Nr. 1 der Ausführungsverordnung-NRW zum SGB XII).
302. Bestanden (und bestehen) somit Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander, hier: der Klägerin nach dem SGB VIII und der Beklagten nach dem SGB XII, so ergibt sich der Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten aus § 104 Abs. 1 SGB X. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger soziale Leistungen erbracht hat, grundsätzlich der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre. Die Leistungspflichten nach dem SGB VIII und nach dem SGB XII stehen in einem Konkurrenzverhältnis dergestalt, dass die Leistungen nach dem Jugendhilferecht des SGB VIII den Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII nachrangig sind. Dies folgt aus § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII. Dieser kehrt die Regel des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, dass die Leistungen nach dem SGB VIII den Leistungen nach dem SGB XII vorgehen, um und bestimmt, dass Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die – wie die HE – körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach dem SGB VIII vorgehen.
31a) Die Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII setzt – ungeschrieben – voraus, dass die Leistungen der Jugendhilfe und der Sozialhilfe gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 – 5 C 26/98, Urteil vom 02.03.2006 – 5 C 15/05, Urteil vom 13.06.2013 – 5 C 30/12; LSG NRW, Urteil vom 28.01.2013 – L 20 SO 170/11, Urteil vom 14.02.2011 – L 20 SO 110/08). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialhilfeleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 – 5 C 30/12 m.w.N.). Er setzt nicht voraus, dass der Anspruch auf Eingliederungshilfe gerade wegen der körperlichen und/oder geistigen Behinderung besteht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass der Schwerpunkt des Hilfebedarfs bzw. –zwecks im Bereich einer dieser Behinderungen liegt oder eine von ihnen für die konkrete Maßnahme ursächlich ist (BVerwG, Urteil vom 09.02.2012 – 5 C 3/11; LSG NRW, Urteil vom 10.10.2012 – L 12 SO 621/10 m.w.N.).
32Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege nach dem SGB VIII und die Eingliederungshilfe in Form der Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nach dem SGB XII sind nach ihrem Zweck gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den nachrangig verpflichteten Träger zugleich die Leistungspflicht des vorrangig verpflichteten Trägers erfüllt hat. Dies ist hier der Fall. Die Unterbringung und Betreuung der HE in der Pflegefamilie war im streitbefangenen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den verschiedenen Behinderungen und Defiziten des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet. Die Pflegeeltern haben nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt, sondern sind – wie oben ausgeführt – auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen der HE eingegangen.
33b) Der Gleichartigkeit der Leistungen widerspricht nicht, dass im Sozialhilferecht – anders als im Jugendhilferecht in § 39 (oder auch § 37) SGB VIII – der Umfang der eingliederungsrechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert ist. Diese Regelungslücke stellt sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe, speziell der Hilfe für die Betreuung in Pflegefamilien gem. § 54 Abs. 3 SGB XII, entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. Der entsprechenden Anwendung des § 39 SGB VIII auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe gem. § 54 Abs. 3 SGB XII steht nicht entgegen, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 – 5 C 30/12).
34c) Die planwidrige durch analoge Anwendung des § 39 SGB VIII zu schließende Lücke gilt nicht nur in Bezug auf die fehlende Regelung der Pflege und Erziehung (BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 – 5 C 30/12), sondern auch hinsichtlich der – vom BVerwG (a.a.O.) nicht entschiedenen – Aufwendungen für den Lebensunterhalt, das ist der Sachaufwand bzw. materielle Aufwand (VG Oldenburg, Urteil vom 28.02.2014 – 13 A 4895/12). Den insoweit differenzierenden Urteilen des BVerwG vom 02.03.2006 (5 C 15/05) und des OVG NRW vom 03.09.2012 (12 A 1514/10) lag eine Rechtslage zugrunde, die es heute nicht mehr gibt. Erst seit 05.08.2009 sieht der neue § 54 Abs. 3 SGB XII vor, dass Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie auch Eingliederungshilfe ist. Diese Vorschrift gilt nicht nur für Neufälle, in denen die Hilfe erst nach dem 04.08.2009 einsetzt, sondern auch für schon vor dem 05.08.2009 begonnene und weiter laufende Hilfefälle, allerdings erst mit Wirkung ab dem 05.08.2009 (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 04.12.2012 – L 8 SO 20/09). § 54 Abs. 3 SGB XII ist eine weitgefasste Anspruchsnorm, aufgrund deren der Träger der Sozialhilfe zu allen Leistungen verpflichtet ist, deren das behinderte Kind bzw. der Jugendliche im Rahmen der Betreuung in einer Pflegefamilie bedarf (VG Oldenburg, Urteil vom 28.02.2014 – 13 A 4895/12; ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 04.12.2012 – L 8 SO 20/09; SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 29.08.2013 – S 30 SO 179/12). Eine Aufspaltung der verschiedenen Kostenpositionen auf mehrere verschiedene Leistungsträger entspräche nicht der Interessenlage.
35aa) § 39 SGB VIII bestimmt in Abs. 1, dass bei u.a. Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII) auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen sicherzustellen ist; dieser umfasst die Kosten für den Sachaufwand (materielle Aufwendungen) sowie die Kosten für die Pflege und Erziehung des Kindes. § 39 Abs. 3 SGB VIII ermöglicht die Gewährung einmaliger Beihilfe oder Zuschüsse (wie z.B. Weihnachts- und Ferienbeihilfen); in den Abs. 4 und 5 findet sich die Rechtsgrundlage für die landes- bzw. kommunalrechtlich festzusetzenden Pauschalbeträge; Abs. 6 bestimmt, in welchem Umfang der bei der Pflegeperson berücksichtigte Familienleistungsausgleich nach § 31 Einkommensteuergesetz (Kindergeld) anzurechnen ist. Eine entsprechende Anwendung des § 39 SGB VIII auf den Anspruch nach § 54 Abs. 3 SGB XII nur hinsichtlich der Kosten für die Pflege und Erziehung des Kindes und nicht auch bezüglich der anderen Kostenpostionen würde dazu führen, dass sich die Personensorgeberechtigten/Pflegeeltern bei der Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie grundsätzlich mit zwei Leistungsträgern, möglicherweise – bei einer Delegation von Leistungspflichten des örtlichen Trägers der Sozialhilfe auf die untergeordneten Kommunen – sogar drei Leistungsträgern auseinandersetzen müssten. Wären die Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von "Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie" gem. § 54 Abs. 3 SGB XII niedriger als die (gleichartigen) Leistungen nach dem SGB VIII, läge es nahe, dass die Hilfesuchenden zuerst und ausschließlich Leistungen nach dem SGB VIII bei dem – ggf. nachrangig verpflichteten – Jugendhilfeträger beantragen. Denn solange die beantragte Hilfe aussteht, können die Hilfesuchenden frei entscheiden, welche Leistungen und welchen Leistungsträger sie in Anspruch nehmen (VG Oldenburg, Urteil vom 27.05.2014 – 13 A 476/13 m.w.N.). Eine solche – verständliche – Vorgehensweise widerspräche aber dem Zweck des Gesetzes.
36bb) Die Regelungslücke hinsichtlich des Umfangs der Eingliederungshilfeleistungen gem. § 54 Abs. 3 SGB XII ist daher insgesamt durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelungen des § 39 SGB VIII zu schließen (ebenso: VG Oldenburg, Urteil vom 28.02.2014 – 13 A 4895/12). Da die finanzielle Sicherstellung des Lebensunterhalts des Kindes außerhalb des Elternhauses keine selbstständige Aufgabe der Jugendhilfe, sondern eine Annexleistung im Rahmen der Hilfe zur Erziehung bei Vollzeitpflege ist (BVerwG, Beschluss vom 24.09.2007 – 5 B 154/07), teilt der Unterhaltsanspruch das Schicksal des Hauptanspruchs. Da der Gesetzgeber bei der Einführung des § 54 Abs. 3 SGB XII nicht geregelt hat, welche Haupt- oder Nebenleistungen Bestandteil der neuen Eingliederungshilfeleistung sind, führt der analoge Rückgriff auf § 39 SGB VIII dazu, dass der Anspruch nach § 54 Abs. 3 SGB XII auch die Kosten für den Lebensunterhalt und die einmaligen Beihilfen erfasst (so auch: SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 29.08.2013 – S 30 SO 179/12). Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichstellung der Hilfen für die Betreuung von seelisch und geistig/körperlich behinderten Kindern in Pflegefamilien (vgl. BT-Drucksache 16/13417, S. 6) wird nur erreicht, wenn auch die Eingliederungshilfe mit allen erforderlichen Leistungen "aus einer Hand" gewährt wird.
37cc) Darüber hinaus gehört zu den Leistungen der Eingliederungshilfe des § 54 Abs. 3 SGB XII in analoger Anwendung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auch die Beratung und Unterstützung der Pflegepersonen (z.B. Supervision). Denn wenn ein Anspruch auf Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe besteht, umfasst dieser als vollumfänglicher Leistungsanspruch naheliegenderweise auch die notwendige Beratung und Unterstützung der Pflegepersonen (vgl. insoweit das Gutachten G 2/13 des "Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V." vom 18.12.2013 unter Ziffer 5).
38dd) Diese Auslegung im Sinne einer analogen Anwendung der nach Jugendhilferecht zu gewährenden Leistungen auf den Eingliederungshilfeanspruch nach § 54 Abs. 3 SGB XII wird auch der Regelung des § 104 Abs. 3 SGB X gerecht. Nach dieser Vorschrift richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften, hier also nach den für die Beklagte geltenden Sozialhilferegelungen. Da solche aber – wie dargelegt – für die neue Eingliederungshilfeleistung "Hilfe für die Betreuung in Pflegefamilien" nach § 54 Abs. 3 SGB XII fehlen und die Regelungslücke durch analoge Anwendung der Jugendhilfevorschriften zu schließen ist, entspricht der Umfang des Erstattungsanspruchs der Klägerin dem Umfang der von ihr erbrachten Aufwendungen. Dementsprechend richtet sich auch die Anrechnung von Kindergeld (vgl. § 39 Abs. 6 SGB VIII) und Pflegegeld (nach dem SGB XI) nach den Bestimmungen und Maßstäben des SGB VIII.
39d) Der Bezug von monatlichem Pflegegeld gem. § 37 SGB XI nach der Pflegestufe I in Höhe von 225,00 EUR bis Dezember 2011, 235,00 EUR von Januar bis Dezember 2012 und 305,00 EUR ab Januar 2013 mindert die Leistungen zur Pflege und Erziehung nach § 39 Abs. 1 und 4 SGB VIII im Fall der HE nicht. Der Pflegebegriff des SGB XI ist ein anderer als der des SGB VIII. Das Pflegegeld nach dem SGB XI deckt einen anderen Bedarf als den Pflege- und Erziehungsbedarf nach dem SGB VIII (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.05.2013 – 6 B 31/12; VGH München, Beschluss vom 30.10.2013 – 12 ZB 11.782). Die Leistungen der Pflegeversicherung haben keinen abschließenden Charakter. Mit ihnen wird keine Vollversorgung des Pflegebedürftigen erreicht, da die soziale Pflegeversicherung (nur) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen in den Bereichen Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) und hauswirtschaftlicher Versorgung darstellt (VGH München, Beschluss vom 30.10.2013 – 12 ZB 11.782). Bei der HE bestand ausweislich des Pflegegutachtens vom 22.08.2007 damals ein Grundpflegebedarf von 66 Minuten pro Tag; dadurch waren Leistungen nach Pflegestufe I begründet. Nach den nachvollziehbaren schriftlichen Darlegungen der Pflegeeltern und ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung tritt dieser Pflegeaufwand nach dem SGB XI hinter dem erzieherischen Pflegeaufwand nach dem SGB VIII weit zurück. Die bei der HE bestehenden geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen begründen einen über den Normalfall hinausgehenden Sonderbedarf nach dem SGB VIII insbesondere deshalb, weil auf Seiten der Pflegeeltern ein erheblicher erzieherischer und eingliederungshelfender Mehraufwand sowohl in zeitlicher als auch in emotionaler Hinsicht besteht. Dem wird (allein) durch das erhöhte Pflegegeld nach § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII Rechnung getragen, während das Pflegegeld nach dem SGB XI den darüber hinaus gehenden Pflegebedarf – kaum angemessen – deckt.
40Gem. §§ 37 Abs. 2, 39 SGB VIII und dem aufgrund von § 39 Abs. 5 SGB VIII für Nordrhein-Westfalen erlassenen Runderlass des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit vom 10.10.2000 (SMBl. NRW 2160), geändert für die Zeit ab 01.01.2009 durch Runderlass vom 06.02.2009, ab 01.05.2012 durch Runderlass vom 11.04.2012, ab 01.09.2013 durch Runderlass vom 13.08.2013 und ab 01.01.2014 durch Runderlass vom 28.11.2013, in Verbindung mit der Anlage 2 der "Richtlinien über die finanzielle Ausgestaltung von Leistungen und anderen Aufgaben der Jugendhilfe" der Klägerin hat diese im streitbefangenen Zeitraum für die Betreuung der HE in der Pflegefamilie rechtmäßig Aufwendungen (1) für den notwendigen Unterhalt (§ 39 Abs. 1 SGB VIII) - für den Sachaufwand (materielle Aufwendungen) für die (Vollzeit-)Pflege und Erziehung in Höhe des 3-fachen des durch ministeriellen Runderlass festgesetzten Pauschalbetrages abzüglich des anteiligen Betrages (Kindergeld) gem. § 39 Abs. 6 SGB VIII (2) für einmalige Beihilfen (§ 39 Abs. 3 SGB VIII) (3) für Betreuung und Beratung (§ 37 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII) erbracht.
41Im streitigen Zeitraum von November 2010 bis Juni 2012 betrugen die entsprechenden Kosten (1) für den notwendigen Unterhalt 50.117,00 EUR - Sachaufwand (Materielle Aufwendungen) von 11/2010 bis 11/2011 monatlich 458,00 EUR (x 13) 5.954,00 EUR von 12/2011 bis 04/2012 monatlich 525,00 EUR (x 5) 2.625 00 EUR von 05/2012 bis 08/2013 monatlich 535,00 EUR (x 16) 8.560,00 EUR von 09/2013 bis 12/2013 monatlich 547,00 EUR (x 4) 2.188,00 EUR von 01/2014 bis 06/2014 monatlich 559,00 EUR (x 6) 3.354,00 EUR - Pflege und Erziehung (3-facher Satz) von 11/2010 bis 04/2012 monatlich 657,00 EUR (x 18) 11.826,00 EUR von 05/2012 bis 04/2013 monatlich 669,00 EUR (x 16) 10.704,00 EUR von 09/2013 bis 12/2013 monatlich 684,00 EUR (x 4) 2.736,00 EUR von 01/2014 bis 06/2014 monatlich 699,00 EUR (x 6) 4.194,00 EUR abzüglich anteiligem Kindergeld (1/4) monatlich 46,00 EUR (x 44) - 2.024,00 EUR 50.117,00 EUR
42(2) für einmalige Bedarfe 528,00 EUR - Weihnachtsbeihilfe 2010 33,00 EUR - Weihnachtsbeihilfe 2011 35,00 EUR - Weihnachtsbeihilfe 2012 35,00 EUR - Weihnachtsbeihilfe 2013 35,00 EUR - Ferienbeihilfe 2011 130,00 EUR - Ferienbeihilfe 2012 130,00 EUR - Ferienbeihilfe 2013 130,00 EUR 528,00 EUR
43(3) für Beratung und Unterstützung 2.932,00 EUR - in 2011 650,00 EUR - in 2012 520,00 EUR - in 2013 1.330,00 EUR - in 2014 432,00 EUR 2.932,00 EUR
44Summe (1) bis (3) 53.577,00 EUR
45Diese Kosten hat die Beklagte der Klägerin zu erstatten.
463. Abschließend weist die Kammer auf Folgendes hin: Die Einführung des § 54 Abs. 3 SGB XII ist keineswegs mit der Intention erfolgt, alle Fälle von Kindern mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung, die in Pflegefamilien betreut werden, in die Zuständigkeit der Sozialhilfeträger zu überführen. Diese Auffassung unterstellt die Beklagte allerdings ihren regionsangehörigen Jugendhilfeträgern (vgl. Schreiben der Beklagten an den Landkreistag vom 28.12.2011). Nur dann, wenn – wie im vorliegenden Fall der HE – ein sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfebedarf eines geistig und/oder körperlich behinderten Kindes gem. § 54 Abs. 3 SSGB XII tatsächlich besteht und die weiteren Leistungsvoraussetzungen dieses neuen Leistungstatbestandes erfüllt sind, begründet die Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine vorrangige Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers zur "Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie" als Eingliederungshilfe. Dass dieser sozialhilferechtliche Eingliederungshilfebedarf sehr häufig vorkommen kann und bei geistig und/oder körperlich behinderten Kindern der vorrangige Anspruch nach § 54 Abs. 3 SGB XII eher die Regel als die Ausnahme ist, liegt allerdings auf der Hand und entspricht dann aber auch durchaus der Absicht des Gesetzgebers. Denn in der Gesetzesbegründung zu § 54 Abs. 3 SGB XII heißt es (BT-Drucksache 16/13417, S. 6):"Der neue Leistungstatbestand "Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie" stellt sicher, dass Leistungen der Eingliederungshilfe auch für die Betreuung körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher in einer Pflegefamilie gewährt werden. Damit wird erreicht, dass auch diese Möglichkeit als Alternative zur vollstationären Betreuung in Anspruch genommen wird, wenn dies dem Wohle des Kindes dient. Außerdem wird eine Gleichbehandlung mit seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen erreicht." Der Gesetzgeber hat erkannt, dass das SGB XII – anders als das SGB VIII – keine Regelung über die Vollzeitpflege in Pflegefamilien enthalten hatte. Dies führte in der Praxis dazu, "dass seelisch behinderte Kinder oftmals in Pflegefamilien aufgenommen werden, während körperlich und geistig behinderte Kinder in der Regel in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe betreut werden." (BT-Drucksache 16/13417, S. 6). Diesen Missstand wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen Leistungstatbestandes der Eingliederungshilfe in Form der "Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie" zugunsten der geistig und/oder körperlich behinderten Kinder beseitigen.
474. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
485. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
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Urteil einreichenSozialgericht Aachen Urteil, 24. Juni 2014 - S 20 SO 8/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Wer ein Kind oder einen Jugendlichen über Tag und Nacht in seinem Haushalt aufnehmen will (Pflegeperson), bedarf der Erlaubnis. Einer Erlaubnis bedarf nicht, wer ein Kind oder einen Jugendlichen
- 1.
im Rahmen von Hilfe zur Erziehung oder von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche auf Grund einer Vermittlung durch das Jugendamt, - 2.
als Vormund oder Pfleger im Rahmen seines Wirkungskreises, - 3.
als Verwandter oder Verschwägerter bis zum dritten Grad, - 4.
bis zur Dauer von acht Wochen, - 5.
im Rahmen eines Schüler- oder Jugendaustausches, - 6.
in Adoptionspflege (§ 1744 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle nicht gewährleistet ist. § 72a Absatz 1 und 5 gilt entsprechend.
(3) Das Jugendamt soll den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend an Ort und Stelle überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen. Ist das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle gefährdet und ist die Pflegeperson nicht bereit oder in der Lage, die Gefährdung abzuwenden, so ist die Erlaubnis zurückzunehmen oder zu widerrufen.
(4) Wer ein Kind oder einen Jugendlichen in erlaubnispflichtige Familienpflege aufgenommen hat, hat das Jugendamt über wichtige Ereignisse zu unterrichten, die das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen betreffen.
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.
(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.
(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.
(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.
(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.
(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.
(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.
(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.
(2) Für die Leistungen nach Absatz 1 gilt § 42 Abs. 2 und 3 entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger steht nur dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger zu.
(3) (weggefallen)
Tatbestand
- 1
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Der klagende Landkreis begehrt als Jugendhilfeträger von dem beklagten Landschaftsverband als Sozialhilfeträger Erstattung der Kosten, die er in der Zeit vom 2. Mai 2001 bis zum 27. Dezember 2004 für die vollstationäre Unterbringung eines seelisch und geistig behinderten Hilfeempfängers in einer Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung aufgewendet hat.
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Der am 27. Oktober 1983 geborene Hilfeempfänger wurde ab Februar 1992 im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in einer Wohngruppe der Kinder-, Jugend- und Familiendienste des Diakonischen Werkes untergebracht.
- 3
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Am 2. Mai 2001 zog der Hilfeempfänger in eine Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Er beantragte durch das zu seinem Vormund bestellte Jugendamt der Stadt M. zunächst bei dem Beklagten, die Unterbringungskosten im Rahmen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe zu übernehmen. Dies lehnte der Beklagte ab, weil der Schwerpunkt der Betreuung ungeachtet der geistigen Behinderung des Hilfeempfängers auch zukünftig im Bereich der seelischen Behinderung liege, für die der Kläger als Jugendhilfeträger vorrangig leistungspflichtig sei. Mit Rücksicht darauf wandte sich der Hilfeempfänger durch seinen zwischenzeitlich bestellten Betreuer an den Kläger, der die Gewährung von Jugendhilfe mit der Begründung verweigerte, dass die stationäre Unterbringung wegen der geistigen Behinderung des Hilfeempfängers notwendig sei.
- 4
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Mitte Oktober 2002 wurde der Kläger vom Verwaltungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Hilfeempfänger Hilfeleistungen durch Übernahme der in der Vergangenheit angefallenen und zukünftig anfallenden Kosten seiner Betreuung zu gewähren. Daraufhin bewilligte der Kläger mit Bescheid vom 13. Dezember 2002 vorläufige Leistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I.
- 5
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Der Kläger verlangte von dem Beklagten Kostenerstattung. Damit hatte er außergerichtlich und erstinstanzlich keinen Erfolg.
- 6
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Das Oberverwaltungsgericht hat dem Begehren des Klägers stattgegeben und den Beklagten zur Kostenerstattung verpflichtet. Anspruchsgrundlage sei § 102 Abs. 1 SGB X, da der Kläger seine Leistungen nach außen hin nur vorläufig erbracht habe. Zum einen bestehe - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen habe - eine Leistungspflicht des Klägers nach den Bestimmungen über die jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe wegen seelischer Behinderung sowie zur Gewährung von Erziehungshilfe. Zum anderen sei der Beklagte zur Leistung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen verpflichtet. Dabei könne offenbleiben, ob dieser Anspruch gerade wegen der geistigen Behinderung bestehe. Nach der Vorrang-Nachrang-Regelung des § 10 Abs. 2 SGB VIII in der Fassung vom 8. Dezember 1998 - SGB VIII 1998 - sei der Beklagte als Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig. In den Fällen der Mehrfachbehinderung sei bei der Prüfung der vor- und nachrangigen Leistungspflicht allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen und nicht auf eine Hauptursache, Haupthilfe oder einen Schwerpunkt des Bedarfs oder Leistungszwecks abzustellen. Die Art der Leistung werde auch von dem Phänotyp der Einrichtung, in der sie erbracht werde und bei der es sich hier um eine solche für geistig behinderte Menschen handele, indiziert. Es sei nicht erforderlich, dass die geistige Behinderung bei isolierter Betrachtung, also einem Hinwegdenken des erzieherischen Defizits und/oder der seelischen Behinderung, für die in Rede stehende Maßnahme der stationären Unterbringung schon für sich genommen kausal gewesen sei. Ausreichend sei vielmehr, dass sich die Hilfemaßnahme (auch) als Eingliederungshilfe für einen geistig Behinderten verstehen lasse. Das sei hier der Fall. Das Störungsbild des Hilfeempfängers - neurotische Fehlhaltungen und Entwicklungsrückstände - werde auch mit einer geistigen Behinderung in kausalen Zusammenhang gebracht. Die Erbringung der erforderlichen Leistungen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe für den geistig behinderten Hilfeempfänger sei aufgrund der Umstände des Einzelfalls tatsächlich nur im Rahmen der vollstationären Unterbringung möglich gewesen. Der Vorrang der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe setze auch nicht voraus, dass bei dem Hilfeempfänger eine wesentliche geistige Behinderung vorliege.
- 7
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Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er rügt insbesondere eine Verletzung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998.
- 8
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht einen Kostenerstattungsanspruch auf der Grundlage des § 102 Abs. 1 SGB X unter Hinweis darauf bejaht, dass der Kläger die Kosten der stationären Unterbringung und Betreuung des Hilfeempfängers nach außen hin erkennbar nur vorläufig erbracht habe (1.). Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X zu (2.).
- 11
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1. Der Kläger kann von dem Beklagten die Erstattung der geltend gemachten Kosten nicht nach § 102 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB I beanspruchen.
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Nach § 102 Abs. 1 SGB X ist, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Der Kläger hat jedoch Sozialleistungen nicht vorläufig im Sinne des § 102 Abs. 1 SGB X erbracht, weil die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 SGB I - der allein als Grundlage der gesetzlichen Vorleistungspflicht in Betracht kommt - nicht vorlagen.
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Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen. Nach Satz 2 Halbs. 1 hat der zuerst angegangene Leistungsträger Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt.
- 14
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1.1 Eine vorläufige Leistungsverpflichtung des Klägers im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB I ergibt sich - entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts - nicht daraus, dass dieser die Unterbringungskosten im Leistungsverhältnis zum Hilfeempfänger ausweislich des Bescheides vom 13. Dezember 2002 (formal) als vorläufige Leistung nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I übernommen hat.
- 15
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Der Erstattungsanspruch aus § 102 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB I ist rechtlich unabhängig von dem Leistungsanspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger. Ein an den Berechtigten gerichteter bestandskräftiger (stattgebender) Leistungsbescheid entfaltet keine Tatbestands- oder Bindungswirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis zwischen den Kostenträgern. Vielmehr ist im Erstattungsverfahren selbstständig zu prüfen, ob der Leistungsträger, der Kostenerstattung begehrt, nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften materiellrechtlich eine vorläufige Leistung im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB I erbracht hat (stRspr, z.B. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 5 C 6.02 - BVerwGE 118, 52 <57 f.> = Buchholz 435.12 § 102 SGB X Nr. 3 S. 4 m.w.N.).
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1.2 Nach der somit maßgeblichen materiellen Rechtslage lagen die Voraussetzungen einer vorläufigen Leistung des Klägers im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht vor. Für eine derartige Leistung muss ein Anspruch auf Sozialleistungen gegen einen Leistungsträger bestehen, zwischen mehreren Leistungsträgern aber streitig sein, wer zur Leistung verpflichtet ist. Die Vorschrift setzt damit einen negativen Kompetenzkonflikt voraus, der nicht besteht, wenn beide Leistungsträger gegenüber dem Hilfeempfänger gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2 jeweils Rn.16). Das ist hier aber der Fall.
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Bei konkurrierenden Leistungsansprüchen aus den Gebieten der Jugendhilfe und der Sozialhilfe sind der Träger der Jugendhilfe und der Träger der Sozialhilfe, solange die benötigte Hilfe aussteht, dem Berechtigten gleichermaßen nicht nur vorläufig zu Leistungen verpflichtet (stRspr, z.B. Urteile vom 2. März 2006 a.a.O. und vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <330> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 4). Derartige Leistungsansprüche waren hier gegeben. Der Vormund des Hilfeempfängers bzw. der Hilfeempfänger besaßen für den streitigen Zeitraum im Hinblick auf die stationäre Unterbringung und Betreuung sowohl einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung bzw. deren Fortsetzung als Hilfe für junge Volljährige (a) sowie auf Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche bzw. deren Fortsetzung als Hilfe für junge Volljährige (b) gegen den Kläger als Träger der Jugendhilfe als auch einen Anspruch auf Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gegen den Beklagten als Träger der Sozialhilfe (c).
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a) Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Nach § 34 Satz 1 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder einer sonstigen betreuten Wohnform Jugendliche durch Verbindung von Alltagsleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Jugendlichen eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbstständiges Leben vorbereiten. Nach § 41 Abs. 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen in der Regel bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzungen auf der Grundlage der sich von ihm zu eigen gemachten tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
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Der Hilfeempfänger war bei dem Wechsel von der Wohngruppe der Kinder-, Jugend- und Familiendienste des Diakonischen Werkes in die Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung nach wie vor nicht altersgerecht entwickelt, sondern wies einen ausgeprägten Entwicklungsrückstand von mehreren Jahren auf. Er litt an einer hochchronifizierten milieureaktiven neurotischen Fehlentwicklung, die gekennzeichnet war durch Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen mit aggressiven Durchbrüchen und Übergriffen sowie ausgeprägten Schwierigkeiten in der Kontaktgestaltung mit hohen Ängsten und Unsicherheiten. Zur Gewährleistung einer seinem Wohl entsprechenden Erziehung war es daher notwendig, die erzieherische Hilfeleistung in Form der stationären Unterbringung in einer betreuten Wohnform fortzusetzen, und zwar insbesondere auch über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus. Letzteres war angesichts der vom Hilfeempfänger gezeigten kontinuierlichen Entwicklungsschritte geboten, aufgrund deren zu erwarten war, dass er - was für die Gewährung der Hilfe über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus ausreichend ist (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 327 f. bzw. S. 2 f.) - auch weiterhin Fortschritte in seiner Persönlichkeitsentwicklung und Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensführung machen würde.
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b) Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) haben Kinder und Jugendliche, die seelisch behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Anspruch auf Eingliederungshilfe. Seit der am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Gesetzesfassung vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) steht Kindern und Jugendlichen gemäß § 35a Abs. 1 SGB VIII ein Anspruch auf Eingliederungshilfe zu, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne des Sozialgesetzbuches Achtes Buch sind Kinder und Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII in der seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Fassung vom 8. September 2005
). Schließlich soll seelisch behinderten jungen Menschen gemäß § 41 Abs. 1 SGB VIII ab dem Eintritt der Volljährigkeit bis in der Regel zur Vollendung des 21. Lebensjahres Hilfe in der Ausgestaltung der Eingliederungshilfe (§ 41 Abs. 2 SGB VIII) (weiter)gewährt werden, wenn und solange diese Hilfe aufgrund ihrer individuellen Situation notwendig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht dahin erkannt, dass diese Anspruchsvoraussetzungen ebenfalls erfüllt sind. Auch dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
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Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, das sich insoweit wiederum die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht hat, wich die seelische Gesundheit des Hilfeempfängers infolge seiner hochchronifizierten milieureaktiven neurotischen Fehlentwicklung länger als sechs Monate von dem für sein Alter typischen Zustand ab und der Hilfeempfänger war angesichts der Intensität und Dauer der Störung von einer Beeinträchtigung seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zumindest bedroht. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass die (weitere) stationäre Unterbringung in einer betreuten Einrichtung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB VIII 1998 bzw. § 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII 2001 bedarfsgerecht war.
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c) Der Anspruch des Hilfeempfängers auf Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gegen den Beklagten als Träger der Sozialhilfe findet für die Zeit vom 2. Mai bis zum 30. Juni 2001 seine Rechtsgrundlage in § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der Fassung vom 23. März 1994 (BGBl I S. 646) und für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 27. Dezember 2004 in § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der Fassung vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046). Danach ist Eingliederungshilfe Personen zu gewähren, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch behindert sind bzw. die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Demnach ist für die rechtliche Einstufung als wesentliche Behinderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1994 bzw. 2001 der Umfang der Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit entscheidend. Eine Behinderung stellt nur dann eine wesentliche Behinderung im Sinne der Bestimmungen über die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe dar, wenn sie zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Teilhabefähigkeit führt. Dabei entspricht der Umfang, in dem die Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt ist, nicht notwendig dem Ausmaß, in dem die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Eingliederungshilfe ist aber nur zu gewähren, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, die Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zählen auch vollstationäre Unterbringungen (Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 6.11 - NVwZ-RR 2012, 67 Rn. 10). Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Rechtsanspruchs auf Eingliederungshilfe nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1994 bzw. 2001 gegeben sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Nach dessen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen bestand bei dem Hilfeempfänger - abgesehen von der seelischen Behinderung - auch eine geistige Behinderung. Dass auch die geistige Fähigkeit des Hilfeempfängers mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abwich, wird auch von dem Beklagten - wie dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung erklärte - nicht bestritten. Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf die beim Hilfeempfänger durchgeführten Intelligenztests, deren Ergebnisse im Bereich der leichten Behinderung lagen, geltend macht, es habe keine wesentliche Behinderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1994 bzw. 2001 vorgelegen, widerspricht dies den tatrichterlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts. Dieses hat festgestellt, dass der Hilfeempfänger unzweifelhaft wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben eingeschränkt war (BA S. 10). An diese Feststellung ist der Senat - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Das Oberverwaltungsgericht war nicht gehalten festzustellen, ob die wesentliche Teilhabeeinschränkung auf die geistige oder die seelische Behinderung oder auf beide Defizite zurückzuführen war. Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1994 bzw. 2001 sind erfüllt, wenn eine solche Einschränkung besteht, für die als Ursache nur Störungen auf den in der Bestimmung genannten drei Gebieten in Betracht kommt.
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Ausgehend von den ebenfalls bindend festgestellten kontinuierlichen positiven Entwicklungsfortschritten des Hilfeempfängers bestand ferner die erforderliche Aussicht, dass die in § 39 Abs. 3 BSHG 1994 bzw. 2001 umschriebene Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden konnte. Insbesondere konnte die Teilhabe des Hilfeempfängers am Leben in der Gemeinschaft erleichtert und ihm die Ausübung einer angemessenen Tätigkeit ermöglicht werden. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die vollstationäre Unterbringung des Hilfeempfängers in der konkreten Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in dem entscheidungserheblichen Zeitraum erforderlich war (BA S. 15), ohne dass der Beklagte hiergegen Revisionsgründe vorgebracht hätte. Der Senat ist deshalb - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch hieran gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).
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2. Der Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten ergibt sich aus § 104 Abs. 1 SGB X.
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Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, grundsätzlich der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre. Ein entsprechender Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen setzt damit voraus, dass Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen nachgehen muss (stRspr, zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 7 m.w.N.). Hier waren zwei miteinander konkurrierende, auf dieselbe Leistung gerichtete Leistungspflichten unterschiedlicher Sozialleistungsträger gegeben (2.1). Die Leistungsverpflichtung des Klägers ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII in der Fassung vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) nachrangig (2.2).
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2.1 Für den streitigen Zeitraum bestanden - wie unter 1.2 dargelegt - sowohl gegen den Kläger als auch gegen den Beklagten ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die vollstationäre Unterbringung und Betreuung des Hilfeempfängers in der Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.
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2.2 Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998, der inhaltlich § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII in der geltenden Fassung vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S. 3057) entspricht, gehen Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch (Jugendhilfe) vor. Die vorrangige Leistungsverpflichtung des Beklagten als Träger der Eingliederungshilfe gegenüber dem Kläger als Träger der Jugendhilfe ist daher nur zu bejahen, soweit es um Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung geht. Das ist hier - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - der Fall.
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a) Der Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 steht nicht entgegen, dass das Oberverwaltungsgericht offengelassen hat, ob der festgestellte Anspruch auf stationäre Unterbringung und Betreuung nach den Vorschriften über die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe gerade wegen der geistigen Behinderung des Hilfeempfängers bestand.
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Für die Anwendung der Vorrangregelung genügt die Feststellung, dass es sich bei den konkurrierenden Leistungen um solche der in § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 bezeichneten Art ("Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind", "Leistungen nach diesem Buch") handelt. Die Vorschrift regelt unmittelbar nur das Konkurrenz- bzw. Rangverhältnis konkurrierender Leistungsansprüche der Jugendhilfe und der Sozialhilfe. Sie dient dazu, den vorrangig in der Pflicht stehenden Leistungsträger zu ermitteln, d.h. den primär leistungspflichtigen Schuldner zu bestimmen (Urteil vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 17). Dementsprechend setzt § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 zwar das Bestehen konkurrierender Leistungsansprüche voraus. Denn nur das Nebeneinander inhaltsgleicher oder gleichartiger Ansprüchen gegen unterschiedliche Leistungsträger macht eine Entscheidung darüber erforderlich, wer von ihnen letztlich die Kosten der gewährten Hilfe zu tragen hat (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 329 f. bzw. S. 4). Die Prüfung und Feststellung, ob derartige Ansprüche gegeben sind, unterfällt aber nicht dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998, sondern ist diesem vorgelagert. Hier steht - wie aufgezeigt - fest, dass der Hilfeempfänger (auch) einen Anspruch gegenüber dem Träger der Sozialhilfe hatte und (auch) geistig behindert war. Der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 ist deshalb eröffnet.
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b) § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 ist auch nicht dahin einschränkend auszulegen, dass bei einer sog. Mehrfachbehinderung eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, nur anzunehmen ist, wenn der Schwerpunkt des Bedarfs oder des Leistungszwecks oder -ziels in der körperlichen und/oder geistigen Behinderung des Berechtigten liegen. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass die vorrangige Leistung nicht mit Hilfe dieses materiellen Kriteriums zu bestimmen ist, wenn für ein und denselben zur Hilfebedürftigkeit führenden Lebenssachverhalt zum einen wegen des erzieherischen Bedarfs die Gewährung von Hilfe zur Erziehung und zum anderen wegen einer geistigen Behinderung ein Anspruch auf sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe in Betracht kommen (Urteile vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 jeweils Rn. 33 und vom 19. Oktober 2011 a.a.O.). Die Vorrangregelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 stellt vielmehr allein auf die Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialhilfeleistung ab. Ist diese - wie hier - eine Maßnahme der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe für junge Menschen, ist sie vorrangig. Dafür spricht bereits der unmissverständliche Gesetzeswortlaut, nach dem allein das formale Kriterium der Gleichartigkeit der Leistungspflichten maßgeblich ist. Ferner trägt dies dem Gesetzeszweck Rechnung. Die Vorrangregelung soll eine bedarfsgerechte Hilfegewährung für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung sicherstellen. Angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich in diesem Bereich namentlich in Fällen einer Mehrfachbehinderung oder entwicklungsbedingter Besonderheiten ergeben können, ist deshalb gerade nicht auf eine Grenzziehung nach Maßgabe des Schwerpunkts des Bedarfs oder des Leistungszwecks oder -ziels abzustellen. Vielmehr ist nur zu fragen, ob im Außenverhältnis (zum Hilfeempfänger) ein Anspruch auf beide Leistungen besteht und sich diese ganz oder teilweise decken oder überschneiden. Im Falle sich überschneidender Zuständigkeiten für die Leistung sind dann - im Interesse des Hilfeempfängers, der hierdurch keinen Nachteil erleiden soll - beide Hilfeträger leistungsverpflichtet. Der Nachrang kann dann gegebenenfalls nur über eine Kostenerstattung zwischen den verschiedenen Sozialleistungsträgern hergestellt werden (Urteil vom 22. Oktober 2009 a.a.O.). Schließlich dient die Anknüpfung an die formalen Kriterien der Art und Gleichartigkeit der Leistungspflichten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der vorrangig zuständige Leistungsträger lässt sich nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit anhand des materiellen Kriteriums des Bedarfs oder des Leistungszwecks oder -ziels ermitteln, da sich je nach der Betrachtungsweise und Lebenssituation unterschiedliche Schwerpunkte des Bedarfs oder der Leistung ergeben können (Urteil vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).
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An diesen Erwägungen, die für die hier in Rede stehende Mehrfachbehinderung ebenfalls Geltung beanspruchen, hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Das Vorbringen des Beklagten enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.
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c) Aus den gleichen Gründen kann § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 erst recht nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass die körperliche und/oder geistige Behinderung für die Maßnahme der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz ursächlich im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel gewesen oder - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - insoweit "das Erfordernis einer Kausalität schlechthin" (BA S. 13) erfüllt sein muss.
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d) Es kann hier dahinstehen, ob der Vorrang der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 jedenfalls dann entfällt, wenn zwischen der körperlichen und/oder geistigen Behinderung und der zu gewährenden sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe kein rechtlicher Zusammenhang gegeben ist. Zwar könnte der Vorrang der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe - positiv gefasst - voraussetzen, dass die konkret gewährte Maßnahme zumindest auch auf den Hilfebedarf wegen körperlicher und/oder geistiger Behinderung eingeht (vgl. Meysen, in: FK-SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 10 Rn. 45; Wiesner, in: ders.
, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 10 Rn. 38) oder - negativ formuliert - verlangen, dass zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass die körperliche und/oder geistige Behinderung für die konkrete Maßnahme irgendwie bedeutsam war. Ob eine solche Konnexität von § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 gefordert wird, bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung, weil sie auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in jedem Fall zu bejahen ist. Denn daraus ergibt sich, dass die geistige Behinderung des Hilfeempfängers für die Entscheidung über die Gewährung sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfe von Bedeutung war und auch auf den dadurch bedingten Hilfebedarf eingegangen wurde.
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e) Die für die Anwendung der Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 erforderliche Kongruenz der Leistungspflichten liegt vor. Die vollstationäre Unterbringung ist sowohl Leistungsgegenstand der Jugendhilfeleistungen als auch Inhalt der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe. Beide Leistungspflichten sind hier nicht nur teilweise, sondern vollständig deckungsgleich. Die jugendhilferechtliche Unterbringung umfasst nach § 39 SGB VIII nicht nur die pädagogische Betreuung, sondern auch den laufenden Unterhalt. Nichts anderes gilt für die vollstationäre Unterbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe, die ebenfalls nach § 93a Abs. 2 BSHG 1996 (= § 76 Abs. 2 SGB XII) Unterkunft und Verpflegung einschließen (Urteile vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 16 und vom 2. März 2006 a.a.O. Rn. 9).
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Da es für das Erfordernis der vollständigen oder mindestens teilweisen Deckungsgleichheit der Leistungspflichten nicht darauf ankommt, ob der junge Mensch für beide Leistungen anspruchsberechtigt ist (Urteil vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 17), ist es unschädlich, dass jedenfalls der jugendhilferechtliche Anspruch auf Hilfe zur Erziehung bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Hilfeempfängers dessen Vormund zustand.
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.
(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.
(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.
(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,
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welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden, - 2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern, - 3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens, - 4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist, - 5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden, - 6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden, - 7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13, - 8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind, - 9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie - 10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.
(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.
(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.
(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.
(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.
(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.
(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.
(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.
Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.
(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 erfassen
- 1.
die Anzahl der gestellten Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe differenziert nach Leistungsgruppen im Sinne von § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5, - 2.
die Anzahl der Weiterleitungen nach § 14 Absatz 1 Satz 2, - 3.
in wie vielen Fällen - a)
die Zweiwochenfrist nach § 14 Absatz 1 Satz 1, - b)
die Dreiwochenfrist nach § 14 Absatz 2 Satz 2 sowie - c)
die Zweiwochenfrist nach § 14 Absatz 2 Satz 3
- 4.
die durchschnittliche Zeitdauer zwischen Erteilung des Gutachtenauftrages in Fällen des § 14 Absatz 2 Satz 3 und der Vorlage des Gutachtens, - 5.
die durchschnittliche Zeitdauer zwischen Antragseingang beim leistenden Rehabilitationsträger und der Entscheidung nach den Merkmalen der Erledigung und der Bewilligung, - 6.
die Anzahl der Ablehnungen von Anträgen sowie der nicht vollständigen Bewilligung der beantragten Leistungen, - 7.
die durchschnittliche Zeitdauer zwischen dem Datum des Bewilligungsbescheides und dem Beginn der Leistungen mit und ohne Teilhabeplanung nach § 19, wobei in den Fällen, in denen die Leistung von einem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 erbracht wurde, das Merkmal „mit und ohne Teilhabeplanung nach § 19“ nicht zu erfassen ist, - 8.
die Anzahl der trägerübergreifenden Teilhabeplanungen und Teilhabeplankonferenzen, - 9.
die Anzahl der nachträglichen Änderungen und Fortschreibungen der Teilhabepläne einschließlich der durchschnittlichen Geltungsdauer des Teilhabeplanes, - 10.
die Anzahl der Erstattungsverfahren nach § 16 Absatz 2 Satz 2, - 11.
die Anzahl der beantragten und bewilligten Leistungen in Form des Persönlichen Budgets, - 12.
die Anzahl der beantragten und bewilligten Leistungen in Form des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets, - 13.
die Anzahl der Mitteilungen nach § 18 Absatz 1, - 14.
die Anzahl der Anträge auf Erstattung nach § 18 nach den Merkmalen „Bewilligung“ oder „Ablehnung“, - 15.
die Anzahl der Rechtsbehelfe sowie der erfolgreichen Rechtsbehelfe aus Sicht der Leistungsberechtigten jeweils nach den Merkmalen „Widerspruch“ und „Klage“, - 16.
die Anzahl der Leistungsberechtigten, die sechs Monate nach dem Ende der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben, soweit die Maßnahme von einem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 7 erbracht wurde.
(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 melden jährlich die im Berichtsjahr nach Absatz 1 erfassten Angaben an ihre Spitzenverbände, die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 6 und 7 jeweils über ihre obersten Landesjugend- und Sozialbehörden, zur Weiterleitung an die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation in einem mit ihr technisch abgestimmten Datenformat. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation wertet die Angaben unter Beteiligung der Rehabilitationsträger aus und erstellt jährlich eine gemeinsame Übersicht. Die Erfassung der Angaben soll mit dem 1. Januar 2018 beginnen und ein Kalenderjahr umfassen. Der erste Bericht ist 2019 zu veröffentlichen.
(3) Der Bund erstattet der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation die notwendigen Aufwendungen für folgende Tätigkeiten:
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
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über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Wer ein Kind oder einen Jugendlichen über Tag und Nacht in seinem Haushalt aufnehmen will (Pflegeperson), bedarf der Erlaubnis. Einer Erlaubnis bedarf nicht, wer ein Kind oder einen Jugendlichen
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im Rahmen von Hilfe zur Erziehung oder von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche auf Grund einer Vermittlung durch das Jugendamt, - 2.
als Vormund oder Pfleger im Rahmen seines Wirkungskreises, - 3.
als Verwandter oder Verschwägerter bis zum dritten Grad, - 4.
bis zur Dauer von acht Wochen, - 5.
im Rahmen eines Schüler- oder Jugendaustausches, - 6.
in Adoptionspflege (§ 1744 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle nicht gewährleistet ist. § 72a Absatz 1 und 5 gilt entsprechend.
(3) Das Jugendamt soll den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend an Ort und Stelle überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen. Ist das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle gefährdet und ist die Pflegeperson nicht bereit oder in der Lage, die Gefährdung abzuwenden, so ist die Erlaubnis zurückzunehmen oder zu widerrufen.
(4) Wer ein Kind oder einen Jugendlichen in erlaubnispflichtige Familienpflege aufgenommen hat, hat das Jugendamt über wichtige Ereignisse zu unterrichten, die das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen betreffen.
(1) Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist.
(2) Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass so weit wie möglich für Leistungen im Sinne von § 8 Nr. 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist.
(3) Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für
- 1.
(weggefallen) - 2.
Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 bis 66, - 3.
Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 bis 69, - 4.
Leistungen der Blindenhilfe nach § 72
(4) Die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung umfasst auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74.
(5) (weggefallen)
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.
(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.
(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.
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Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.
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Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.
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Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.
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Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.
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Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.
- 7
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Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.
- 8
-
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990
) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.
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Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).
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1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.
- 12
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Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.
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Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (b).
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a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 - BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1
und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.
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Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.
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b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.
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aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.
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Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1
; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9 ).
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Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.
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Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.
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Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.
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bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.
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Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2
und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).
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Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2. März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.
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Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.
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cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem Beklagten war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt (<2>).
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(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt (
).
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(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.
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Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest.
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Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267
und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 ).
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(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen (
) und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht ( ) (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).
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(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der Beigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.
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(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.
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(<2>) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.
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Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).
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Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.
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(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.
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Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 - BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1
; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30 ). Das ist hier der Fall.
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Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).
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Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).
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Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.
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(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.
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Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.
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(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
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Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.
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3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.
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Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
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Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.
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Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.
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Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.
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Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.
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Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.
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Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.
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Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990
) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.
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Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).
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1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.
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Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.
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Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (b).
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a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 - BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1
und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.
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Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.
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b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.
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aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.
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Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1
; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9 ).
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Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.
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Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.
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Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.
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bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.
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Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2
und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).
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Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2. März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.
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Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.
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cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem Beklagten war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt (<2>).
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(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt (
).
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(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.
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Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest.
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Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267
und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 ).
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(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen (
) und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht ( ) (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).
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(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der Beigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.
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(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.
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(<2>) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.
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Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).
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Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.
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(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.
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Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 - BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1
; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30 ). Das ist hier der Fall.
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Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).
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Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).
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Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.
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(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.
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Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.
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(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
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Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.
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3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.
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Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
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Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.
Tatbestand
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Der klagende Landkreis begehrt als Jugendhilfeträger von dem beklagten Landschaftsverband als Sozialhilfeträger Erstattung der Kosten, die er in der Zeit vom 2. Mai 2001 bis zum 27. Dezember 2004 für die vollstationäre Unterbringung eines seelisch und geistig behinderten Hilfeempfängers in einer Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung aufgewendet hat.
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Der am 27. Oktober 1983 geborene Hilfeempfänger wurde ab Februar 1992 im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in einer Wohngruppe der Kinder-, Jugend- und Familiendienste des Diakonischen Werkes untergebracht.
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Am 2. Mai 2001 zog der Hilfeempfänger in eine Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Er beantragte durch das zu seinem Vormund bestellte Jugendamt der Stadt M. zunächst bei dem Beklagten, die Unterbringungskosten im Rahmen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe zu übernehmen. Dies lehnte der Beklagte ab, weil der Schwerpunkt der Betreuung ungeachtet der geistigen Behinderung des Hilfeempfängers auch zukünftig im Bereich der seelischen Behinderung liege, für die der Kläger als Jugendhilfeträger vorrangig leistungspflichtig sei. Mit Rücksicht darauf wandte sich der Hilfeempfänger durch seinen zwischenzeitlich bestellten Betreuer an den Kläger, der die Gewährung von Jugendhilfe mit der Begründung verweigerte, dass die stationäre Unterbringung wegen der geistigen Behinderung des Hilfeempfängers notwendig sei.
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Mitte Oktober 2002 wurde der Kläger vom Verwaltungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Hilfeempfänger Hilfeleistungen durch Übernahme der in der Vergangenheit angefallenen und zukünftig anfallenden Kosten seiner Betreuung zu gewähren. Daraufhin bewilligte der Kläger mit Bescheid vom 13. Dezember 2002 vorläufige Leistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I.
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Der Kläger verlangte von dem Beklagten Kostenerstattung. Damit hatte er außergerichtlich und erstinstanzlich keinen Erfolg.
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Das Oberverwaltungsgericht hat dem Begehren des Klägers stattgegeben und den Beklagten zur Kostenerstattung verpflichtet. Anspruchsgrundlage sei § 102 Abs. 1 SGB X, da der Kläger seine Leistungen nach außen hin nur vorläufig erbracht habe. Zum einen bestehe - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen habe - eine Leistungspflicht des Klägers nach den Bestimmungen über die jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe wegen seelischer Behinderung sowie zur Gewährung von Erziehungshilfe. Zum anderen sei der Beklagte zur Leistung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen verpflichtet. Dabei könne offenbleiben, ob dieser Anspruch gerade wegen der geistigen Behinderung bestehe. Nach der Vorrang-Nachrang-Regelung des § 10 Abs. 2 SGB VIII in der Fassung vom 8. Dezember 1998 - SGB VIII 1998 - sei der Beklagte als Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig. In den Fällen der Mehrfachbehinderung sei bei der Prüfung der vor- und nachrangigen Leistungspflicht allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen und nicht auf eine Hauptursache, Haupthilfe oder einen Schwerpunkt des Bedarfs oder Leistungszwecks abzustellen. Die Art der Leistung werde auch von dem Phänotyp der Einrichtung, in der sie erbracht werde und bei der es sich hier um eine solche für geistig behinderte Menschen handele, indiziert. Es sei nicht erforderlich, dass die geistige Behinderung bei isolierter Betrachtung, also einem Hinwegdenken des erzieherischen Defizits und/oder der seelischen Behinderung, für die in Rede stehende Maßnahme der stationären Unterbringung schon für sich genommen kausal gewesen sei. Ausreichend sei vielmehr, dass sich die Hilfemaßnahme (auch) als Eingliederungshilfe für einen geistig Behinderten verstehen lasse. Das sei hier der Fall. Das Störungsbild des Hilfeempfängers - neurotische Fehlhaltungen und Entwicklungsrückstände - werde auch mit einer geistigen Behinderung in kausalen Zusammenhang gebracht. Die Erbringung der erforderlichen Leistungen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe für den geistig behinderten Hilfeempfänger sei aufgrund der Umstände des Einzelfalls tatsächlich nur im Rahmen der vollstationären Unterbringung möglich gewesen. Der Vorrang der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe setze auch nicht voraus, dass bei dem Hilfeempfänger eine wesentliche geistige Behinderung vorliege.
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Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er rügt insbesondere eine Verletzung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht einen Kostenerstattungsanspruch auf der Grundlage des § 102 Abs. 1 SGB X unter Hinweis darauf bejaht, dass der Kläger die Kosten der stationären Unterbringung und Betreuung des Hilfeempfängers nach außen hin erkennbar nur vorläufig erbracht habe (1.). Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X zu (2.).
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1. Der Kläger kann von dem Beklagten die Erstattung der geltend gemachten Kosten nicht nach § 102 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB I beanspruchen.
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Nach § 102 Abs. 1 SGB X ist, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Der Kläger hat jedoch Sozialleistungen nicht vorläufig im Sinne des § 102 Abs. 1 SGB X erbracht, weil die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 SGB I - der allein als Grundlage der gesetzlichen Vorleistungspflicht in Betracht kommt - nicht vorlagen.
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Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen. Nach Satz 2 Halbs. 1 hat der zuerst angegangene Leistungsträger Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt.
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1.1 Eine vorläufige Leistungsverpflichtung des Klägers im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB I ergibt sich - entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts - nicht daraus, dass dieser die Unterbringungskosten im Leistungsverhältnis zum Hilfeempfänger ausweislich des Bescheides vom 13. Dezember 2002 (formal) als vorläufige Leistung nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I übernommen hat.
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Der Erstattungsanspruch aus § 102 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB I ist rechtlich unabhängig von dem Leistungsanspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger. Ein an den Berechtigten gerichteter bestandskräftiger (stattgebender) Leistungsbescheid entfaltet keine Tatbestands- oder Bindungswirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis zwischen den Kostenträgern. Vielmehr ist im Erstattungsverfahren selbstständig zu prüfen, ob der Leistungsträger, der Kostenerstattung begehrt, nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften materiellrechtlich eine vorläufige Leistung im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB I erbracht hat (stRspr, z.B. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 5 C 6.02 - BVerwGE 118, 52 <57 f.> = Buchholz 435.12 § 102 SGB X Nr. 3 S. 4 m.w.N.).
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1.2 Nach der somit maßgeblichen materiellen Rechtslage lagen die Voraussetzungen einer vorläufigen Leistung des Klägers im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht vor. Für eine derartige Leistung muss ein Anspruch auf Sozialleistungen gegen einen Leistungsträger bestehen, zwischen mehreren Leistungsträgern aber streitig sein, wer zur Leistung verpflichtet ist. Die Vorschrift setzt damit einen negativen Kompetenzkonflikt voraus, der nicht besteht, wenn beide Leistungsträger gegenüber dem Hilfeempfänger gleichermaßen nicht nur vorläufig zur Leistung verpflichtet sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2 jeweils Rn.16). Das ist hier aber der Fall.
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Bei konkurrierenden Leistungsansprüchen aus den Gebieten der Jugendhilfe und der Sozialhilfe sind der Träger der Jugendhilfe und der Träger der Sozialhilfe, solange die benötigte Hilfe aussteht, dem Berechtigten gleichermaßen nicht nur vorläufig zu Leistungen verpflichtet (stRspr, z.B. Urteile vom 2. März 2006 a.a.O. und vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <330> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 4). Derartige Leistungsansprüche waren hier gegeben. Der Vormund des Hilfeempfängers bzw. der Hilfeempfänger besaßen für den streitigen Zeitraum im Hinblick auf die stationäre Unterbringung und Betreuung sowohl einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung bzw. deren Fortsetzung als Hilfe für junge Volljährige (a) sowie auf Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche bzw. deren Fortsetzung als Hilfe für junge Volljährige (b) gegen den Kläger als Träger der Jugendhilfe als auch einen Anspruch auf Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gegen den Beklagten als Träger der Sozialhilfe (c).
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a) Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Nach § 34 Satz 1 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder einer sonstigen betreuten Wohnform Jugendliche durch Verbindung von Alltagsleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Jugendlichen eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbstständiges Leben vorbereiten. Nach § 41 Abs. 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen in der Regel bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzungen auf der Grundlage der sich von ihm zu eigen gemachten tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
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Der Hilfeempfänger war bei dem Wechsel von der Wohngruppe der Kinder-, Jugend- und Familiendienste des Diakonischen Werkes in die Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung nach wie vor nicht altersgerecht entwickelt, sondern wies einen ausgeprägten Entwicklungsrückstand von mehreren Jahren auf. Er litt an einer hochchronifizierten milieureaktiven neurotischen Fehlentwicklung, die gekennzeichnet war durch Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen mit aggressiven Durchbrüchen und Übergriffen sowie ausgeprägten Schwierigkeiten in der Kontaktgestaltung mit hohen Ängsten und Unsicherheiten. Zur Gewährleistung einer seinem Wohl entsprechenden Erziehung war es daher notwendig, die erzieherische Hilfeleistung in Form der stationären Unterbringung in einer betreuten Wohnform fortzusetzen, und zwar insbesondere auch über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus. Letzteres war angesichts der vom Hilfeempfänger gezeigten kontinuierlichen Entwicklungsschritte geboten, aufgrund deren zu erwarten war, dass er - was für die Gewährung der Hilfe über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus ausreichend ist (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 327 f. bzw. S. 2 f.) - auch weiterhin Fortschritte in seiner Persönlichkeitsentwicklung und Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensführung machen würde.
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b) Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) haben Kinder und Jugendliche, die seelisch behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Anspruch auf Eingliederungshilfe. Seit der am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Gesetzesfassung vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) steht Kindern und Jugendlichen gemäß § 35a Abs. 1 SGB VIII ein Anspruch auf Eingliederungshilfe zu, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne des Sozialgesetzbuches Achtes Buch sind Kinder und Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII in der seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Fassung vom 8. September 2005
). Schließlich soll seelisch behinderten jungen Menschen gemäß § 41 Abs. 1 SGB VIII ab dem Eintritt der Volljährigkeit bis in der Regel zur Vollendung des 21. Lebensjahres Hilfe in der Ausgestaltung der Eingliederungshilfe (§ 41 Abs. 2 SGB VIII) (weiter)gewährt werden, wenn und solange diese Hilfe aufgrund ihrer individuellen Situation notwendig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht dahin erkannt, dass diese Anspruchsvoraussetzungen ebenfalls erfüllt sind. Auch dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
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Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, das sich insoweit wiederum die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht hat, wich die seelische Gesundheit des Hilfeempfängers infolge seiner hochchronifizierten milieureaktiven neurotischen Fehlentwicklung länger als sechs Monate von dem für sein Alter typischen Zustand ab und der Hilfeempfänger war angesichts der Intensität und Dauer der Störung von einer Beeinträchtigung seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zumindest bedroht. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass die (weitere) stationäre Unterbringung in einer betreuten Einrichtung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB VIII 1998 bzw. § 35a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII 2001 bedarfsgerecht war.
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c) Der Anspruch des Hilfeempfängers auf Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gegen den Beklagten als Träger der Sozialhilfe findet für die Zeit vom 2. Mai bis zum 30. Juni 2001 seine Rechtsgrundlage in § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der Fassung vom 23. März 1994 (BGBl I S. 646) und für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 27. Dezember 2004 in § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der Fassung vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046). Danach ist Eingliederungshilfe Personen zu gewähren, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch behindert sind bzw. die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Demnach ist für die rechtliche Einstufung als wesentliche Behinderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1994 bzw. 2001 der Umfang der Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit entscheidend. Eine Behinderung stellt nur dann eine wesentliche Behinderung im Sinne der Bestimmungen über die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe dar, wenn sie zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Teilhabefähigkeit führt. Dabei entspricht der Umfang, in dem die Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt ist, nicht notwendig dem Ausmaß, in dem die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Eingliederungshilfe ist aber nur zu gewähren, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, die Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zählen auch vollstationäre Unterbringungen (Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 6.11 - NVwZ-RR 2012, 67 Rn. 10). Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Rechtsanspruchs auf Eingliederungshilfe nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1994 bzw. 2001 gegeben sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Nach dessen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen bestand bei dem Hilfeempfänger - abgesehen von der seelischen Behinderung - auch eine geistige Behinderung. Dass auch die geistige Fähigkeit des Hilfeempfängers mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abwich, wird auch von dem Beklagten - wie dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung erklärte - nicht bestritten. Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf die beim Hilfeempfänger durchgeführten Intelligenztests, deren Ergebnisse im Bereich der leichten Behinderung lagen, geltend macht, es habe keine wesentliche Behinderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1994 bzw. 2001 vorgelegen, widerspricht dies den tatrichterlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts. Dieses hat festgestellt, dass der Hilfeempfänger unzweifelhaft wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben eingeschränkt war (BA S. 10). An diese Feststellung ist der Senat - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Das Oberverwaltungsgericht war nicht gehalten festzustellen, ob die wesentliche Teilhabeeinschränkung auf die geistige oder die seelische Behinderung oder auf beide Defizite zurückzuführen war. Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1994 bzw. 2001 sind erfüllt, wenn eine solche Einschränkung besteht, für die als Ursache nur Störungen auf den in der Bestimmung genannten drei Gebieten in Betracht kommt.
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Ausgehend von den ebenfalls bindend festgestellten kontinuierlichen positiven Entwicklungsfortschritten des Hilfeempfängers bestand ferner die erforderliche Aussicht, dass die in § 39 Abs. 3 BSHG 1994 bzw. 2001 umschriebene Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden konnte. Insbesondere konnte die Teilhabe des Hilfeempfängers am Leben in der Gemeinschaft erleichtert und ihm die Ausübung einer angemessenen Tätigkeit ermöglicht werden. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die vollstationäre Unterbringung des Hilfeempfängers in der konkreten Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in dem entscheidungserheblichen Zeitraum erforderlich war (BA S. 15), ohne dass der Beklagte hiergegen Revisionsgründe vorgebracht hätte. Der Senat ist deshalb - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch hieran gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).
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2. Der Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten ergibt sich aus § 104 Abs. 1 SGB X.
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Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, grundsätzlich der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre. Ein entsprechender Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen setzt damit voraus, dass Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen nachgehen muss (stRspr, zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 7 m.w.N.). Hier waren zwei miteinander konkurrierende, auf dieselbe Leistung gerichtete Leistungspflichten unterschiedlicher Sozialleistungsträger gegeben (2.1). Die Leistungsverpflichtung des Klägers ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII in der Fassung vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) nachrangig (2.2).
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2.1 Für den streitigen Zeitraum bestanden - wie unter 1.2 dargelegt - sowohl gegen den Kläger als auch gegen den Beklagten ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die vollstationäre Unterbringung und Betreuung des Hilfeempfängers in der Einrichtung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.
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2.2 Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998, der inhaltlich § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII in der geltenden Fassung vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S. 3057) entspricht, gehen Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch (Jugendhilfe) vor. Die vorrangige Leistungsverpflichtung des Beklagten als Träger der Eingliederungshilfe gegenüber dem Kläger als Träger der Jugendhilfe ist daher nur zu bejahen, soweit es um Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung geht. Das ist hier - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - der Fall.
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a) Der Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 steht nicht entgegen, dass das Oberverwaltungsgericht offengelassen hat, ob der festgestellte Anspruch auf stationäre Unterbringung und Betreuung nach den Vorschriften über die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe gerade wegen der geistigen Behinderung des Hilfeempfängers bestand.
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Für die Anwendung der Vorrangregelung genügt die Feststellung, dass es sich bei den konkurrierenden Leistungen um solche der in § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 bezeichneten Art ("Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind", "Leistungen nach diesem Buch") handelt. Die Vorschrift regelt unmittelbar nur das Konkurrenz- bzw. Rangverhältnis konkurrierender Leistungsansprüche der Jugendhilfe und der Sozialhilfe. Sie dient dazu, den vorrangig in der Pflicht stehenden Leistungsträger zu ermitteln, d.h. den primär leistungspflichtigen Schuldner zu bestimmen (Urteil vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 17). Dementsprechend setzt § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 zwar das Bestehen konkurrierender Leistungsansprüche voraus. Denn nur das Nebeneinander inhaltsgleicher oder gleichartiger Ansprüchen gegen unterschiedliche Leistungsträger macht eine Entscheidung darüber erforderlich, wer von ihnen letztlich die Kosten der gewährten Hilfe zu tragen hat (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 329 f. bzw. S. 4). Die Prüfung und Feststellung, ob derartige Ansprüche gegeben sind, unterfällt aber nicht dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998, sondern ist diesem vorgelagert. Hier steht - wie aufgezeigt - fest, dass der Hilfeempfänger (auch) einen Anspruch gegenüber dem Träger der Sozialhilfe hatte und (auch) geistig behindert war. Der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 ist deshalb eröffnet.
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b) § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 ist auch nicht dahin einschränkend auszulegen, dass bei einer sog. Mehrfachbehinderung eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, nur anzunehmen ist, wenn der Schwerpunkt des Bedarfs oder des Leistungszwecks oder -ziels in der körperlichen und/oder geistigen Behinderung des Berechtigten liegen. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass die vorrangige Leistung nicht mit Hilfe dieses materiellen Kriteriums zu bestimmen ist, wenn für ein und denselben zur Hilfebedürftigkeit führenden Lebenssachverhalt zum einen wegen des erzieherischen Bedarfs die Gewährung von Hilfe zur Erziehung und zum anderen wegen einer geistigen Behinderung ein Anspruch auf sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe in Betracht kommen (Urteile vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 jeweils Rn. 33 und vom 19. Oktober 2011 a.a.O.). Die Vorrangregelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 stellt vielmehr allein auf die Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialhilfeleistung ab. Ist diese - wie hier - eine Maßnahme der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe für junge Menschen, ist sie vorrangig. Dafür spricht bereits der unmissverständliche Gesetzeswortlaut, nach dem allein das formale Kriterium der Gleichartigkeit der Leistungspflichten maßgeblich ist. Ferner trägt dies dem Gesetzeszweck Rechnung. Die Vorrangregelung soll eine bedarfsgerechte Hilfegewährung für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung sicherstellen. Angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich in diesem Bereich namentlich in Fällen einer Mehrfachbehinderung oder entwicklungsbedingter Besonderheiten ergeben können, ist deshalb gerade nicht auf eine Grenzziehung nach Maßgabe des Schwerpunkts des Bedarfs oder des Leistungszwecks oder -ziels abzustellen. Vielmehr ist nur zu fragen, ob im Außenverhältnis (zum Hilfeempfänger) ein Anspruch auf beide Leistungen besteht und sich diese ganz oder teilweise decken oder überschneiden. Im Falle sich überschneidender Zuständigkeiten für die Leistung sind dann - im Interesse des Hilfeempfängers, der hierdurch keinen Nachteil erleiden soll - beide Hilfeträger leistungsverpflichtet. Der Nachrang kann dann gegebenenfalls nur über eine Kostenerstattung zwischen den verschiedenen Sozialleistungsträgern hergestellt werden (Urteil vom 22. Oktober 2009 a.a.O.). Schließlich dient die Anknüpfung an die formalen Kriterien der Art und Gleichartigkeit der Leistungspflichten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der vorrangig zuständige Leistungsträger lässt sich nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit anhand des materiellen Kriteriums des Bedarfs oder des Leistungszwecks oder -ziels ermitteln, da sich je nach der Betrachtungsweise und Lebenssituation unterschiedliche Schwerpunkte des Bedarfs oder der Leistung ergeben können (Urteil vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).
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An diesen Erwägungen, die für die hier in Rede stehende Mehrfachbehinderung ebenfalls Geltung beanspruchen, hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Das Vorbringen des Beklagten enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.
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c) Aus den gleichen Gründen kann § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 erst recht nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass die körperliche und/oder geistige Behinderung für die Maßnahme der Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz ursächlich im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel gewesen oder - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - insoweit "das Erfordernis einer Kausalität schlechthin" (BA S. 13) erfüllt sein muss.
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d) Es kann hier dahinstehen, ob der Vorrang der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 jedenfalls dann entfällt, wenn zwischen der körperlichen und/oder geistigen Behinderung und der zu gewährenden sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe kein rechtlicher Zusammenhang gegeben ist. Zwar könnte der Vorrang der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe - positiv gefasst - voraussetzen, dass die konkret gewährte Maßnahme zumindest auch auf den Hilfebedarf wegen körperlicher und/oder geistiger Behinderung eingeht (vgl. Meysen, in: FK-SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 10 Rn. 45; Wiesner, in: ders.
, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 10 Rn. 38) oder - negativ formuliert - verlangen, dass zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass die körperliche und/oder geistige Behinderung für die konkrete Maßnahme irgendwie bedeutsam war. Ob eine solche Konnexität von § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 gefordert wird, bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung, weil sie auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in jedem Fall zu bejahen ist. Denn daraus ergibt sich, dass die geistige Behinderung des Hilfeempfängers für die Entscheidung über die Gewährung sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfe von Bedeutung war und auch auf den dadurch bedingten Hilfebedarf eingegangen wurde.
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e) Die für die Anwendung der Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 1998 erforderliche Kongruenz der Leistungspflichten liegt vor. Die vollstationäre Unterbringung ist sowohl Leistungsgegenstand der Jugendhilfeleistungen als auch Inhalt der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe. Beide Leistungspflichten sind hier nicht nur teilweise, sondern vollständig deckungsgleich. Die jugendhilferechtliche Unterbringung umfasst nach § 39 SGB VIII nicht nur die pädagogische Betreuung, sondern auch den laufenden Unterhalt. Nichts anderes gilt für die vollstationäre Unterbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe, die ebenfalls nach § 93a Abs. 2 BSHG 1996 (= § 76 Abs. 2 SGB XII) Unterkunft und Verpflegung einschließen (Urteile vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 16 und vom 2. März 2006 a.a.O. Rn. 9).
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Da es für das Erfordernis der vollständigen oder mindestens teilweisen Deckungsgleichheit der Leistungspflichten nicht darauf ankommt, ob der junge Mensch für beide Leistungen anspruchsberechtigt ist (Urteil vom 19. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 17), ist es unschädlich, dass jedenfalls der jugendhilferechtliche Anspruch auf Hilfe zur Erziehung bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Hilfeempfängers dessen Vormund zustand.
(1) Werden Hilfen nach den §§ 32 bis 34 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 gewährt, haben die Eltern einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung sowie Förderung der Beziehung zu ihrem Kind. Durch Beratung und Unterstützung sollen die Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann. Ist eine nachhaltige Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so dienen die Beratung und Unterstützung der Eltern sowie die Förderung ihrer Beziehung zum Kind der Erarbeitung und Sicherung einer anderen, dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen förderlichen und auf Dauer angelegten Lebensperspektive.
(2) Bei den in Absatz 1 Satz 1 genannten Hilfen soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Zusammenarbeit der Pflegeperson oder der in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Person und der Eltern zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch geeignete Maßnahmen fördern. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt dies durch eine abgestimmte Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 und § 37a sicher.
(3) Sofern der Inhaber der elterlichen Sorge durch eine Erklärung nach § 1688 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson so weit einschränkt, dass die Einschränkung eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Entwicklung nicht mehr ermöglicht, sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten. Auch bei sonstigen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.
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Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.
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Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.
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Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.
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Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.
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Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.
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Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990
) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.
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Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).
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1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.
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Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.
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Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (b).
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a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 - BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1
und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.
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Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.
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b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.
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aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.
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Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1
; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9 ).
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Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.
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Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.
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Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.
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bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.
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Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2
und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).
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Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2. März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.
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Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.
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cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem Beklagten war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt (<2>).
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(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt (
).
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(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.
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Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest.
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Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267
und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 ).
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(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen (
) und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht ( ) (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).
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(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der Beigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.
- 33
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(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.
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(<2>) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.
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Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).
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Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.
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(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.
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Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 - BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1
; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30 ). Das ist hier der Fall.
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Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).
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Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).
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Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.
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(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.
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Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.
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(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
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Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.
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3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.
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Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
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Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.
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Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.
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Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.
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Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.
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Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.
- 6
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Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.
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Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990
) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.
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Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).
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1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.
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Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.
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Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (b).
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a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 - BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1
und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.
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Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.
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b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.
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aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.
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Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1
; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9 ).
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Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.
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Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.
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Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.
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bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.
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Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2
und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).
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Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2. März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.
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Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.
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cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem Beklagten war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt (<2>).
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(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt (
).
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(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.
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Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest.
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Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267
und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 ).
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(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen (
) und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht ( ) (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).
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(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der Beigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.
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(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.
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(<2>) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.
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Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).
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Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.
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(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.
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Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 - BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1
; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30 ). Das ist hier der Fall.
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Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).
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Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).
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Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.
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(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.
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Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.
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(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
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Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.
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3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.
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Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
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Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die im Jugendhilfefall M X in der Zeit vom 05.08.2009 bis einschließlich 31.12.2012 entstandenen ungedeckten Aufwendungen auch in Bezug auf den Lebensunterhalt - einschließlich der Leistungen für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen - nebst Prozesszinsen mit vier vom Hundert seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage im Hinblick den Zeitraum 01.06.2009 bis 04.08.2009 und im Hinblick auf einen höheren Zinsanspruch abgewiesen. 3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 95 Prozent.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung nach § 104 SGB X für übernommene Kosten einer Unterbringung im Hilfefall M X durch die Klägerin als Leistungsträger der Jugendhilfe gegenüber der Beklagten als Leistungsträger der Eingliederungshilfe und hier nach einem Teilvergleich nur noch über die Frage, ob die Beklagte als Verpflichtete zur Erbringung der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe ausnahmsweise auch zur Gewährung der Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts – so wie jugendhilferechtlich in § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII geregelt – verpflichtet ist.
3Das am 00.0.2002 geborene schwerstbehinderte Kind, M W, konnte von der Kindesmutter nicht entsprechend erzogen und versorgt werden und wurde daraufhin zunächst als Bereitschaftspflegekind von den Eheleuten N1 in N2 aufgenommen. Das Bereitschaftspflegeverhältnis wurde am 19.9.2005 in ein Dauerpflegeverhältnis umgewandelt. Die ungedeckten Kosten belaufen sich monatlich auf 1.212,65 EUR. Die Klägerin leistet (spätestens seit dem 1.7.2009) Hilfe durch Übernahme der entstehenden Kosten der Unterbringung bei den Pflegeeltern und zwar in Form der Übernahme der Kosten für Pflege – beim Erziehungsbeitrag berücksichtigte die Klägerin einen 3,5 fachen Hebesatz – sowie darüber hinaus auch in Form der Übernahme der Kosten zur Sicherstellung des Lebensunterhalts - § 39 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VIII.
4Am 1.6.2010 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten Kostenübernahme der gewährten Hilfe, die die Klägerin unter Berufung auf die Vorschriften Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 33 SGB VIII gewährte; die Klägerin wies darauf hin, dass das Kind M ein mehrfach behindertes Kind sei und nach der Änderung des § 54 Abs. 3 SGB XII durch das Assistenzpflegebedarfsgesetz zum 5.8.2009 die Familienpflege für Kinder mit körperlicher oder geistiger Behinderung als Leistung der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff SGB XII zu betrachten sei und daher die Beklagte vorrangig Eingliederungshilfe zu erbringen habe. Die erbrachten Leistungen nach § 27, 33 SGB VIII seien daher nachrangig. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 30.12.2010 ab; die Beklagte wies darauf hin, dass noch nicht nachgewiesen worden sei, dass die vollstationäre Unterbringung tatsächlich vermieden worden sei. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass die Mutter mit der Betreuung des Kindes massiv überfordert worden gewesen sei und das Kind deshalb aus dem mütterlichen Haushalt herausgenommen worden sei. Die Mutter sei nicht in der Lage gewesen, die Erziehung zu gewährleisten. Dies stelle eindeutig ein Fall der Hilfe zur Erziehung dar, so dass Leistungen nach dem SGB VIII vorrangig vor den Leistungen nach dem SGB XII im Sinne des § 10 Abs. 4 SGB VIII zu leisten seien. Bis zum 31.03.2012 entstanden Kosten in Höhe von 42.075,45 EUR. Mit ihrer Klage vom 17.4.2012, beim Sozialgericht Düsseldorf am 19.4.2012 eingegangen, verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Begehren auf Kostenerstattung gemäß § 104 SGB X.
5Mit Schriftsatz vom 14.8.2012 stellte die Klägerin ein Klageerweiterungsantrag und forderte auch den noch nicht erfassten Zeitraum 1.4.2012 bis 31.08.2012 mit ungedeckten Kosten in Höhe von 6.233,85 EUR ein. Mit Schreiben vom 17.09.2012 stimmte die Beklagte der Erstattung des Erziehungsbeitrags zwar dem Grunde nach zu, griff aber die Anhebung des Erziehungsbeitrags um den 3,5 fachen Satz an. Nach Anregung durch die Klägerin präzisierte die Beklagte das Teilanerkenntnis dahingehend, sie wolle den einfachen Erziehungsbeitrag übernehmen. Mit Schriftsatz vom 18.12.2012 konkretisierte die Klägerin nochmals der Klageantrag, mit dem nunmehr auch der Zeitraum bis einschließlich 31.12.2012 umfasst ist. Am 14.03.2013 fand ein Verhandlungstermin statt; in diesem wies der Beklagtenvertreter nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Beklagte die klägerseits begehrte Übernahme des Lebensunterhalts ablehne, dieser sozialhilferechtliche Anspruch nach dem 3. bzw. 4 Kapitel des SGB XII sei im Gegensatz zur Eingliederungshilfe vom Vorrangsgrundsatz des § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII erfasst. Bezüglich dieses Aspektes baten die Beteiligten um streitige Entscheidung. Im Nachgang zum Verhandlungstermin unterbreitete das Gericht den Beteiligten einen Teilvergleich im Hinblick auf den Hebesatz für die Kosten der Pflege. Diesen Teilvergleich nahmen die Beteiligten an, die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.07.2013, die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.07.2013. Die Beteiligten stellten daher ausdrücklich nur noch die Frage streitig, welcher Leistungsträger unter Berücksichtigung von § 10 Abs. 4 SGB VIII für die Sicherstellung des Lebensunterhalts zuständig ist.
6Die Klägerin ist diesbezüglich der Ansicht, die Beklagte sei als zuständiger Leistungsträger für die Eingliederungshilfe nunmehr auch für die Erbringung der Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes zuständig. Im Hinblick auf die Argumentation der Beklagten zu den Aufwendungen für den Lebensunterhalt sei darauf hinzuweisen, dass dies auf einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG, Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen: 5 C 15/05) basiere, die vor den Regelungen des Assistenzpflegegesetzes also mit Änderung des § 54 Abs. 3 SGB XII zum 05.08.2009 ergangen sei. Nach der Intention des Gesetzgebers, mit der auch § 27a Abs. 4 Satz 3 SGB XII in das SGB XII aufgenommen worden sei, sei erkennbar, dass die Sicherstellung des Lebensunterhaltes des behinderten Kindes auch in der Sozialhilfe untrennbar mit der Eingliederungshilfe verknüpft sei. Daher sollte eine Annexleistung geschaffen werden, wie sie in der Familienpflege nach dem SGB XII bereits seit langem bekannt sei.
7Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß noch,
8Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die im Jugendhilfefall M X in der Zeit vom 01.06.2009 bis einschließlich 31.12.2012 entstandenen ungedeckten Aufwendungen auch in Bezug auf den Lebensunterhalt - einschließlich der Leistungen für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen - nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Übernahme auch der Kosten für die Sicherstellung des Lebensunterhalts nicht verpflichtet, es gelte der Nachrangsgrundsatz gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII. Hilfen im Sinne der §§ 32 ff SGB VIII erfassten den notwendigen Unterhalt des Kindes außerhalb des Elternhauses gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII und auch die Kosten der Erziehung nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII. Daseinsleistungen des Pflegegeldes, die den Lebensunterhalt abdeckten, seien nicht Bestandteil der Eingliederungshilfe und seien auch nicht als Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem 3. bzw. 4 Kapitel des SGB XII zu erbringen. Hierfür greife der Nachrang gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII. Da Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts nicht Bestandteil der Leistungen der Eingliederungshilfe seien, greife auch die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII nicht, diese Vorrangsregelung verpflichte die Beklagte nur in Bezug auf die Kosten für die Pflege und Erziehung, nicht aber auch für die Sicherstellung des Lebensunterhalts. Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII seien daher nachrangig. Hierzu zählten im übrigen auch die in der gegnerischen Verwaltungsakte aufgeführten Leistungen für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen.
12Das Gericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit Schreiben vom 30.04.2013 angehört. Die Verwaltungsakte (Gz.: 257991) lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
13Entscheidungsgründe:
14I. Das Gericht kann gem. § 105 I Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten hierzu angehört wurden.
15II. Die Klage ist zulässig.
161) Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Der Klageantrag der Klägerin war nach Abschluss des Teilvergleichs gemäß §§ 133, 157 BGB analog auszulegen (zur Notwendigkeit der Auslegung bei Testerklärungen vgl.: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 90, Rn. 4a; § 92, Rn. 2; § 123, Rn. 3b). Hierbei war zum einen zu berücksichtigen, dass nach Abschluss des Teilvergleichs über den Hebesatz beim Pflegegeld nur noch die Kostenerstattung im Hinblick auf die anteiligen Kosten zur Sicherstellung des Lebensunterhalts streitig war, zum anderen war zu berücksichtigen, dass namentlich auch die zum Lebensunterhalt gehörenden, aber gesondert bewilligten Leistungen durch die Klägerin für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierter Ferienbeihilfen von der Beklagten streitig gestellt worden sind. Da das Gericht an die Fassung der Anträge gemäß § 123, 2. HS SGG nicht gebunden ist, war der Klageantrag der Klägerin in diesem Sinne auszulegen. Dabei hat die Klägerin den konkreten, auf den Lebensunterhalt entfallenden Anteil nicht mitgeteilt, so dass eine betragsmäßige Festlegung nicht möglich, aber auch nicht erforderlich gewesen ist.
172) Die Klage ist im Übrigen auch als allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 54 V SGG statthaft.
18III. Die Klage ist in sich hinsichtlich des Hauptanspruchs auch weit gehend begründet – jedenfalls soweit die Klage die Kostenerstattung für die Zeit ab dem 05.08.2009 betrifft, ab diesem Zeitpunkt ist durch das Assistenzpflegegesetz der neu eingefügte § 54 Abs. 3 SGB XII in Kraft getreten. Hinsichtlich des weitergehenden, geltend gemachten Anspruchs für den Zeitraum 01.06.2009 bis 04.08.2009 ist die Klage hingegen unbegründet, hinsichtlich des Zinsanspruchs ist die Klage ebenfalls nur teilweise begründet. Die Klägerin hat – nach Abschluss des Teilvergleiches – einen weitergehenden Anspruch auf Kostenerstattung nach § 104 SGB X auch für die auf die Sicherstellung des Lebensunterhaltes entfallenden Anteile der an die Pflegeeltern bewilligten Leistungen und zwar einschließlich der bewilligten Leistungen für Klassenfahrt, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen ab 05.08.2009. Hat nach § 104 SGB X ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls ab 05.08.2009 erfüllt, weil die Klägerin als nachrangig verpflichteter Leistungsträger hier auch neben dem Erziehungsbeitrag den weitergehenden Lebensunterhalt sichergestellt hat und die Beklagte insgesamt vorrangig bzw. allein verpflichtet war.
191) Die Verpflichtung der Beklagten für die Bewilligung der Eingliederungshilfe ergibt sich - zwischen den Beteiligten - unstreitig aus dem durch das Assistenzpflegegesetz zum 05.08.2009 neu eingefügten § 54 Abs. 3 SGB XII. Dabei begründet § 54 Abs. 3 SGB XII die alleinige und ausschließliche Pflicht auf Bewilligung von Eingliederungshilfe durch den Leistungsträger der Sozialhilfe. § 35a SGB VIII iVm § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII, der ebenfalls die Eingliederungshilfe in Form der Kosten für den Sachaufwand für die Pflege und Erziehung im Jugendhilferecht regelt, wird von § 54 Abs. 3 SGB XII als lex specialis verdrängt. Daneben besteht daher keine Verpflichtung des jugendhilferechtlichen Leistungsträgers.
202) Die alleinige Verpflichtung der Beklagten auch zur Übernahme des Lebensunterhalts, entweder nach dem 3. oder nach dem 4. Kapitel des SGB XII, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin materiell-rechtlich auch nicht zur Sicherstellung des Lebensunterhalts gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII verpflichtet gewesen war. Die § 104 SGB X geforderten nachrangige Leistungspflicht der Klägerin ergibt sich nämlich allenfalls aus § 43 Abs. 1 SGB I. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten greift im vorliegenden Verhältnis die Vorrangsregelung des § 10 Abs. 4 SGB VIII nicht; damit ist auch die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht anwendbar (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen: 5 C 15/05; BVerwGE 125, 95-100). Die dort getroffene Kernaussage, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe wegen seiner Aufwendungen für den Lebensunterhalt eines in einer Pflegefamilie untergebrachten, körperlich oder geistig behinderten Kindes, Jugendlichen bzw. jungen Volljährigen keine Erstattung von dem für Maßnahmen der Eingliederungshilfe zuständigen Träger der Sozialhilfe verlangen kann, gilt in konsequenter Auslegung des § 10 Abs. 4 SGB VIII nur dann, wenn die Ansprüche nach dem SGB VIII dem SGB XII miteinander konkurrieren (vgl hierzu insb. BVerwG, aaO, LS und insb. Rz.: 8). Für das Verhältnis zwischen Leistungen des SGB VIII und den Leistungen nach SGB XII hält § 10 Abs. 4 SGB VIII die maßgebliche Regelung bereit. Danach gehen grundsätzlich die Leistungen der Jugendhilfe den Leistungen der Sozialhilfe vor - § 10 Abs. 4 Satz 1 (grundlegend zum Konkurrenzverhältnis zwischen sozialhilferechtlicher und jugendhilferechtlicher Eingliederungshilfe vgl.: BVerwG, Urteil v. 19.10.2011, 5 C 6/11, ZFSH/SGB 2012, 33-36 = JAmt 2012, 47-50 = NVwZ-RR 2012, 67-69; BSG, Urteil v. 24.03.2009, B 8 SO 29/07 R, BSGE 103, 39-45 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1 = JAmt 2009, 623-626 = NVwZ-RR 2010, 67-70; LSG NRW, Urteil v. 18.06.2012, L 20 SO 12/09). Sachlogisch greift die Vorschrift dann nicht, wenn gegen den Leistungsträger der Jugendhilfe kein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Verbindung mit § 39 Abs. 1 SGB VIII gegeben ist. Dies ist im vorliegenden Fall nach der Einführung von § 54 Abs. 3 SGB XII – zwischen den Beteiligten auch unbestritten – ausdrücklich für die Eingliederungshilfe der Fall. Aufgrund dieser Sondervorschrift ist durch den Gesetzgeber die ausschließliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe nach dem SGB XII klargestellt; dies gilt zunächst ausdrücklich für den Bereich Pflege und Erziehung nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII. Diesbezüglich ist die Beklagte als Träger der Sozialhilfe uneingeschränkt allein zuständig (vgl. bereits oben unter 2). Der Übergangszeitraum bis 31.12.2013 ist auch noch nicht abgelaufen.
213) Eine Anwendung der Vorrangsvorschrift des § 10 Abs. 4 SGB VIII scheidet jedoch nicht nur in Bezug auf die in der Eingliederungshilfe beinhalteten Leistungen für Pflege und Erziehung nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII aus, sondern auch in Bezug auf Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Auch diesbezüglich ist "ausschließlich" eine Pflicht zur Sicherstellung des Lebensunterhalts durch die Beklagten als Träger der Sozialhilfe gegeben. Die einzige Vorschrift, wonach die Klägerin als Träger der Jugendhilfe dem Grunde nach verpflichtet sein könnte, ist § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Die Vorschrift regelt die Sicherstellung des Unterhalts von Kindern und Jugendlichen, die außerhalb ihres Elternhauses Hilfe zur Erziehung erhalten - das sog. Pflegegeld. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass sich der Leistungsberechtigte zur Deckung des Lebensunterhalts an das Sozialamt wenden muss (Stähr, in: Hauck/Haines, § 39 SGB VIII Rn. 1). Die Gewährung von pädagogischer Hilfe und Unterhaltsleistungen sollen aus einer Hand erfolgen (Wiesner, § 39 SGB VIII Rn. 2). Deshalb ist in der Literatur und Rechtsprechung unbestritten, dass der Unterhaltsanspruch nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII eine Annexleistung darstellt; die Regelung stellt keinen selbständigen Anspruch dar (BVerwG, Beschluss v. 24.9.2007, 5 B 154/07; BVerwG, Urteil v. 12.9.1996, 5 C 31/95; Bay VGH München, Beschluss v. 29.12.2005, 12 ZB 04.1571; Sächsisches OVG, Urteil v. 2.7.2008, 1 A 90/08, NJW 2008 S. 3729 f.; Wiesner, § SGB VIII, Rn. 6; weitere Nachweise zum Charakter als Annexleistung vgl. unten Rz. 3). Der Unterhaltsanspruch teilt deshalb das Schicksal des Hauptanspruchs auf Kostenerstattung bezüglich Erziehung und Pflege. Dieser Anspruch liegt gemäß § 54 Abs. 3 SGB XII aber ausschließlich in den Händen der Beklagten, so dass der Unterhaltsanspruch dessen Schicksal teilt. Da die Klägerin damit jedenfalls materiell-rechtlich nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII nicht – auch nicht nachrangig – für die Sicherstellung des Lebensunterhaltes verpflichtet ist, bleibt es auch bezüglich des Anteils zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes ausschließlich bei der Zuständigkeit der Beklagten. Dies deckt sich im Übrigen auch mit der ratio legis von § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Nur weil dieser Anspruch als Annexleistung zu qualifizieren ist, ist sichergestellt, dass einem Betroffenen pädagogische Hilfe und Unterhaltsleistungen aus einer Hand gewährt werden können. Scheidet daher der Hauptanspruch "Erziehungsbeitrag" gegen den Jugendhilfeträger aus, weil nach § 54 Abs. 3 SGB XII allein der Sozialhilfeträger zuständig ist, kann konsequenterweise der Unterhaltsanspruch auch nur durch den Sozialhilfeträger erfolgen, um die Gewährung von Hilfen aus einer Hand – nunmehr durch die Hand des Sozialhilfeträgers – sicherzustellen.
224) Die nachrangige Leistungsverpflichtung der Klägerin, so wie als Erstattungsvoraussetzung von § 104 SGB X gefordert, ergibt sich daher nicht aus materiell-rechtlichen Überlegungen, sondern allenfalls aus der allgemeinen Vorschrift des zuerst angegangen Leistungsträgers gemäß § 43 Abs. 1 SGB I, der den Leistungsempfänger von dem Risiko eines Zuständigkeitsstreits zwischen Leistungsträgern entbinden will.
235) Von dem Erstattungsanspruch sind im Übrigen darüber hinaus auch die Leistungen für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen erfasst. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.09.2012 zutreffend einräumt, unterfallen diese Bedarfe und Leistung grundsätzlich dem erweiterten Lebensunterhalt und sind in der Regel gemäß § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII, § 73 SGB XII zu decken. Nach § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII wird im Einzelfall der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Da die Beklagte in ihren Stellungnahmen die Notwendigkeit dieser Bedarfe dem Grunde nach nicht angegriffen hat, sondern eine Übernahme dieser Kosten ausschließlich mit Hinweis auf § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII abgelehnt hat, weil diese Leistungen zum Lebensunterhalt gehören, ist der Anspruch der Klägerin auch diesbezüglich gerechtfertigt, da auch diese Leistungen als Annexleistungen unabdingbar mit dem Erziehungsbeitrag verknüpft sind.
246) Der Anspruch auf Kostenerstattung kann allerdings erst mit Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII zum 05.08.2009 entstehen. Ein weitergehender Anspruch den Zeitraum 01.06.2009 bis 04.08.2009 besteht nicht. Die Erstattungsvoraussetzung gemäß § 104 SGB X liegen daher insgesamt erst mit diesem Datum vor.
257) Die durch die Klägerin geleisteten Zahlungen im Umfang der Sicherstellung des Lebensunterhalts sind gemäß § 44 SGB I zu verzinsen, nach Abs. 1 sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Der weitergehende - mit dem Klageantrag – geltend gemachte Zinsanspruch auf Übernahme von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf den anteilig gewährten Lebensunterhalt war hingegen abzuweisen.
26Die Klage ist daher im Hinblick auf den Hauptanspruch ab 05.08.2009 begründet, im Hinblick auf den geltend gemachten Zeitraum 01.06.2009 bis 04.08.2009 ist die Klage hingegen unbegründet; im Hinblick auf den Zinsanspruch ist die Klage ebenfalls nur teilweise begründet.
27IV.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Dabei weist das Gericht darauf hin, dass die Klägerin in einem geringem Maße hinsichtlich des Zeitraums und des Zinsanspruchs unterlegen ist und das Unterliegen ca. 5 Prozent ausmacht (43 Monate beantragt – 01.06.0209
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die im Jugendhilfefall M X in der Zeit vom 05.08.2009 bis einschließlich 31.12.2012 entstandenen ungedeckten Aufwendungen auch in Bezug auf den Lebensunterhalt - einschließlich der Leistungen für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen - nebst Prozesszinsen mit vier vom Hundert seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage im Hinblick den Zeitraum 01.06.2009 bis 04.08.2009 und im Hinblick auf einen höheren Zinsanspruch abgewiesen. 3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 95 Prozent.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung nach § 104 SGB X für übernommene Kosten einer Unterbringung im Hilfefall M X durch die Klägerin als Leistungsträger der Jugendhilfe gegenüber der Beklagten als Leistungsträger der Eingliederungshilfe und hier nach einem Teilvergleich nur noch über die Frage, ob die Beklagte als Verpflichtete zur Erbringung der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe ausnahmsweise auch zur Gewährung der Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts – so wie jugendhilferechtlich in § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII geregelt – verpflichtet ist.
3Das am 00.0.2002 geborene schwerstbehinderte Kind, M W, konnte von der Kindesmutter nicht entsprechend erzogen und versorgt werden und wurde daraufhin zunächst als Bereitschaftspflegekind von den Eheleuten N1 in N2 aufgenommen. Das Bereitschaftspflegeverhältnis wurde am 19.9.2005 in ein Dauerpflegeverhältnis umgewandelt. Die ungedeckten Kosten belaufen sich monatlich auf 1.212,65 EUR. Die Klägerin leistet (spätestens seit dem 1.7.2009) Hilfe durch Übernahme der entstehenden Kosten der Unterbringung bei den Pflegeeltern und zwar in Form der Übernahme der Kosten für Pflege – beim Erziehungsbeitrag berücksichtigte die Klägerin einen 3,5 fachen Hebesatz – sowie darüber hinaus auch in Form der Übernahme der Kosten zur Sicherstellung des Lebensunterhalts - § 39 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VIII.
4Am 1.6.2010 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten Kostenübernahme der gewährten Hilfe, die die Klägerin unter Berufung auf die Vorschriften Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 33 SGB VIII gewährte; die Klägerin wies darauf hin, dass das Kind M ein mehrfach behindertes Kind sei und nach der Änderung des § 54 Abs. 3 SGB XII durch das Assistenzpflegebedarfsgesetz zum 5.8.2009 die Familienpflege für Kinder mit körperlicher oder geistiger Behinderung als Leistung der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff SGB XII zu betrachten sei und daher die Beklagte vorrangig Eingliederungshilfe zu erbringen habe. Die erbrachten Leistungen nach § 27, 33 SGB VIII seien daher nachrangig. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 30.12.2010 ab; die Beklagte wies darauf hin, dass noch nicht nachgewiesen worden sei, dass die vollstationäre Unterbringung tatsächlich vermieden worden sei. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass die Mutter mit der Betreuung des Kindes massiv überfordert worden gewesen sei und das Kind deshalb aus dem mütterlichen Haushalt herausgenommen worden sei. Die Mutter sei nicht in der Lage gewesen, die Erziehung zu gewährleisten. Dies stelle eindeutig ein Fall der Hilfe zur Erziehung dar, so dass Leistungen nach dem SGB VIII vorrangig vor den Leistungen nach dem SGB XII im Sinne des § 10 Abs. 4 SGB VIII zu leisten seien. Bis zum 31.03.2012 entstanden Kosten in Höhe von 42.075,45 EUR. Mit ihrer Klage vom 17.4.2012, beim Sozialgericht Düsseldorf am 19.4.2012 eingegangen, verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Begehren auf Kostenerstattung gemäß § 104 SGB X.
5Mit Schriftsatz vom 14.8.2012 stellte die Klägerin ein Klageerweiterungsantrag und forderte auch den noch nicht erfassten Zeitraum 1.4.2012 bis 31.08.2012 mit ungedeckten Kosten in Höhe von 6.233,85 EUR ein. Mit Schreiben vom 17.09.2012 stimmte die Beklagte der Erstattung des Erziehungsbeitrags zwar dem Grunde nach zu, griff aber die Anhebung des Erziehungsbeitrags um den 3,5 fachen Satz an. Nach Anregung durch die Klägerin präzisierte die Beklagte das Teilanerkenntnis dahingehend, sie wolle den einfachen Erziehungsbeitrag übernehmen. Mit Schriftsatz vom 18.12.2012 konkretisierte die Klägerin nochmals der Klageantrag, mit dem nunmehr auch der Zeitraum bis einschließlich 31.12.2012 umfasst ist. Am 14.03.2013 fand ein Verhandlungstermin statt; in diesem wies der Beklagtenvertreter nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Beklagte die klägerseits begehrte Übernahme des Lebensunterhalts ablehne, dieser sozialhilferechtliche Anspruch nach dem 3. bzw. 4 Kapitel des SGB XII sei im Gegensatz zur Eingliederungshilfe vom Vorrangsgrundsatz des § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII erfasst. Bezüglich dieses Aspektes baten die Beteiligten um streitige Entscheidung. Im Nachgang zum Verhandlungstermin unterbreitete das Gericht den Beteiligten einen Teilvergleich im Hinblick auf den Hebesatz für die Kosten der Pflege. Diesen Teilvergleich nahmen die Beteiligten an, die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.07.2013, die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.07.2013. Die Beteiligten stellten daher ausdrücklich nur noch die Frage streitig, welcher Leistungsträger unter Berücksichtigung von § 10 Abs. 4 SGB VIII für die Sicherstellung des Lebensunterhalts zuständig ist.
6Die Klägerin ist diesbezüglich der Ansicht, die Beklagte sei als zuständiger Leistungsträger für die Eingliederungshilfe nunmehr auch für die Erbringung der Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes zuständig. Im Hinblick auf die Argumentation der Beklagten zu den Aufwendungen für den Lebensunterhalt sei darauf hinzuweisen, dass dies auf einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG, Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen: 5 C 15/05) basiere, die vor den Regelungen des Assistenzpflegegesetzes also mit Änderung des § 54 Abs. 3 SGB XII zum 05.08.2009 ergangen sei. Nach der Intention des Gesetzgebers, mit der auch § 27a Abs. 4 Satz 3 SGB XII in das SGB XII aufgenommen worden sei, sei erkennbar, dass die Sicherstellung des Lebensunterhaltes des behinderten Kindes auch in der Sozialhilfe untrennbar mit der Eingliederungshilfe verknüpft sei. Daher sollte eine Annexleistung geschaffen werden, wie sie in der Familienpflege nach dem SGB XII bereits seit langem bekannt sei.
7Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß noch,
8Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die im Jugendhilfefall M X in der Zeit vom 01.06.2009 bis einschließlich 31.12.2012 entstandenen ungedeckten Aufwendungen auch in Bezug auf den Lebensunterhalt - einschließlich der Leistungen für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen - nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Übernahme auch der Kosten für die Sicherstellung des Lebensunterhalts nicht verpflichtet, es gelte der Nachrangsgrundsatz gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII. Hilfen im Sinne der §§ 32 ff SGB VIII erfassten den notwendigen Unterhalt des Kindes außerhalb des Elternhauses gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII und auch die Kosten der Erziehung nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII. Daseinsleistungen des Pflegegeldes, die den Lebensunterhalt abdeckten, seien nicht Bestandteil der Eingliederungshilfe und seien auch nicht als Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem 3. bzw. 4 Kapitel des SGB XII zu erbringen. Hierfür greife der Nachrang gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII. Da Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts nicht Bestandteil der Leistungen der Eingliederungshilfe seien, greife auch die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII nicht, diese Vorrangsregelung verpflichte die Beklagte nur in Bezug auf die Kosten für die Pflege und Erziehung, nicht aber auch für die Sicherstellung des Lebensunterhalts. Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII seien daher nachrangig. Hierzu zählten im übrigen auch die in der gegnerischen Verwaltungsakte aufgeführten Leistungen für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen.
12Das Gericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit Schreiben vom 30.04.2013 angehört. Die Verwaltungsakte (Gz.: 257991) lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
13Entscheidungsgründe:
14I. Das Gericht kann gem. § 105 I Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten hierzu angehört wurden.
15II. Die Klage ist zulässig.
161) Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Der Klageantrag der Klägerin war nach Abschluss des Teilvergleichs gemäß §§ 133, 157 BGB analog auszulegen (zur Notwendigkeit der Auslegung bei Testerklärungen vgl.: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 90, Rn. 4a; § 92, Rn. 2; § 123, Rn. 3b). Hierbei war zum einen zu berücksichtigen, dass nach Abschluss des Teilvergleichs über den Hebesatz beim Pflegegeld nur noch die Kostenerstattung im Hinblick auf die anteiligen Kosten zur Sicherstellung des Lebensunterhalts streitig war, zum anderen war zu berücksichtigen, dass namentlich auch die zum Lebensunterhalt gehörenden, aber gesondert bewilligten Leistungen durch die Klägerin für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierter Ferienbeihilfen von der Beklagten streitig gestellt worden sind. Da das Gericht an die Fassung der Anträge gemäß § 123, 2. HS SGG nicht gebunden ist, war der Klageantrag der Klägerin in diesem Sinne auszulegen. Dabei hat die Klägerin den konkreten, auf den Lebensunterhalt entfallenden Anteil nicht mitgeteilt, so dass eine betragsmäßige Festlegung nicht möglich, aber auch nicht erforderlich gewesen ist.
172) Die Klage ist im Übrigen auch als allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 54 V SGG statthaft.
18III. Die Klage ist in sich hinsichtlich des Hauptanspruchs auch weit gehend begründet – jedenfalls soweit die Klage die Kostenerstattung für die Zeit ab dem 05.08.2009 betrifft, ab diesem Zeitpunkt ist durch das Assistenzpflegegesetz der neu eingefügte § 54 Abs. 3 SGB XII in Kraft getreten. Hinsichtlich des weitergehenden, geltend gemachten Anspruchs für den Zeitraum 01.06.2009 bis 04.08.2009 ist die Klage hingegen unbegründet, hinsichtlich des Zinsanspruchs ist die Klage ebenfalls nur teilweise begründet. Die Klägerin hat – nach Abschluss des Teilvergleiches – einen weitergehenden Anspruch auf Kostenerstattung nach § 104 SGB X auch für die auf die Sicherstellung des Lebensunterhaltes entfallenden Anteile der an die Pflegeeltern bewilligten Leistungen und zwar einschließlich der bewilligten Leistungen für Klassenfahrt, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen ab 05.08.2009. Hat nach § 104 SGB X ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls ab 05.08.2009 erfüllt, weil die Klägerin als nachrangig verpflichteter Leistungsträger hier auch neben dem Erziehungsbeitrag den weitergehenden Lebensunterhalt sichergestellt hat und die Beklagte insgesamt vorrangig bzw. allein verpflichtet war.
191) Die Verpflichtung der Beklagten für die Bewilligung der Eingliederungshilfe ergibt sich - zwischen den Beteiligten - unstreitig aus dem durch das Assistenzpflegegesetz zum 05.08.2009 neu eingefügten § 54 Abs. 3 SGB XII. Dabei begründet § 54 Abs. 3 SGB XII die alleinige und ausschließliche Pflicht auf Bewilligung von Eingliederungshilfe durch den Leistungsträger der Sozialhilfe. § 35a SGB VIII iVm § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII, der ebenfalls die Eingliederungshilfe in Form der Kosten für den Sachaufwand für die Pflege und Erziehung im Jugendhilferecht regelt, wird von § 54 Abs. 3 SGB XII als lex specialis verdrängt. Daneben besteht daher keine Verpflichtung des jugendhilferechtlichen Leistungsträgers.
202) Die alleinige Verpflichtung der Beklagten auch zur Übernahme des Lebensunterhalts, entweder nach dem 3. oder nach dem 4. Kapitel des SGB XII, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin materiell-rechtlich auch nicht zur Sicherstellung des Lebensunterhalts gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII verpflichtet gewesen war. Die § 104 SGB X geforderten nachrangige Leistungspflicht der Klägerin ergibt sich nämlich allenfalls aus § 43 Abs. 1 SGB I. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten greift im vorliegenden Verhältnis die Vorrangsregelung des § 10 Abs. 4 SGB VIII nicht; damit ist auch die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht anwendbar (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen: 5 C 15/05; BVerwGE 125, 95-100). Die dort getroffene Kernaussage, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe wegen seiner Aufwendungen für den Lebensunterhalt eines in einer Pflegefamilie untergebrachten, körperlich oder geistig behinderten Kindes, Jugendlichen bzw. jungen Volljährigen keine Erstattung von dem für Maßnahmen der Eingliederungshilfe zuständigen Träger der Sozialhilfe verlangen kann, gilt in konsequenter Auslegung des § 10 Abs. 4 SGB VIII nur dann, wenn die Ansprüche nach dem SGB VIII dem SGB XII miteinander konkurrieren (vgl hierzu insb. BVerwG, aaO, LS und insb. Rz.: 8). Für das Verhältnis zwischen Leistungen des SGB VIII und den Leistungen nach SGB XII hält § 10 Abs. 4 SGB VIII die maßgebliche Regelung bereit. Danach gehen grundsätzlich die Leistungen der Jugendhilfe den Leistungen der Sozialhilfe vor - § 10 Abs. 4 Satz 1 (grundlegend zum Konkurrenzverhältnis zwischen sozialhilferechtlicher und jugendhilferechtlicher Eingliederungshilfe vgl.: BVerwG, Urteil v. 19.10.2011, 5 C 6/11, ZFSH/SGB 2012, 33-36 = JAmt 2012, 47-50 = NVwZ-RR 2012, 67-69; BSG, Urteil v. 24.03.2009, B 8 SO 29/07 R, BSGE 103, 39-45 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1 = JAmt 2009, 623-626 = NVwZ-RR 2010, 67-70; LSG NRW, Urteil v. 18.06.2012, L 20 SO 12/09). Sachlogisch greift die Vorschrift dann nicht, wenn gegen den Leistungsträger der Jugendhilfe kein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Verbindung mit § 39 Abs. 1 SGB VIII gegeben ist. Dies ist im vorliegenden Fall nach der Einführung von § 54 Abs. 3 SGB XII – zwischen den Beteiligten auch unbestritten – ausdrücklich für die Eingliederungshilfe der Fall. Aufgrund dieser Sondervorschrift ist durch den Gesetzgeber die ausschließliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe nach dem SGB XII klargestellt; dies gilt zunächst ausdrücklich für den Bereich Pflege und Erziehung nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII. Diesbezüglich ist die Beklagte als Träger der Sozialhilfe uneingeschränkt allein zuständig (vgl. bereits oben unter 2). Der Übergangszeitraum bis 31.12.2013 ist auch noch nicht abgelaufen.
213) Eine Anwendung der Vorrangsvorschrift des § 10 Abs. 4 SGB VIII scheidet jedoch nicht nur in Bezug auf die in der Eingliederungshilfe beinhalteten Leistungen für Pflege und Erziehung nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB VIII aus, sondern auch in Bezug auf Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Auch diesbezüglich ist "ausschließlich" eine Pflicht zur Sicherstellung des Lebensunterhalts durch die Beklagten als Träger der Sozialhilfe gegeben. Die einzige Vorschrift, wonach die Klägerin als Träger der Jugendhilfe dem Grunde nach verpflichtet sein könnte, ist § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Die Vorschrift regelt die Sicherstellung des Unterhalts von Kindern und Jugendlichen, die außerhalb ihres Elternhauses Hilfe zur Erziehung erhalten - das sog. Pflegegeld. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass sich der Leistungsberechtigte zur Deckung des Lebensunterhalts an das Sozialamt wenden muss (Stähr, in: Hauck/Haines, § 39 SGB VIII Rn. 1). Die Gewährung von pädagogischer Hilfe und Unterhaltsleistungen sollen aus einer Hand erfolgen (Wiesner, § 39 SGB VIII Rn. 2). Deshalb ist in der Literatur und Rechtsprechung unbestritten, dass der Unterhaltsanspruch nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII eine Annexleistung darstellt; die Regelung stellt keinen selbständigen Anspruch dar (BVerwG, Beschluss v. 24.9.2007, 5 B 154/07; BVerwG, Urteil v. 12.9.1996, 5 C 31/95; Bay VGH München, Beschluss v. 29.12.2005, 12 ZB 04.1571; Sächsisches OVG, Urteil v. 2.7.2008, 1 A 90/08, NJW 2008 S. 3729 f.; Wiesner, § SGB VIII, Rn. 6; weitere Nachweise zum Charakter als Annexleistung vgl. unten Rz. 3). Der Unterhaltsanspruch teilt deshalb das Schicksal des Hauptanspruchs auf Kostenerstattung bezüglich Erziehung und Pflege. Dieser Anspruch liegt gemäß § 54 Abs. 3 SGB XII aber ausschließlich in den Händen der Beklagten, so dass der Unterhaltsanspruch dessen Schicksal teilt. Da die Klägerin damit jedenfalls materiell-rechtlich nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII nicht – auch nicht nachrangig – für die Sicherstellung des Lebensunterhaltes verpflichtet ist, bleibt es auch bezüglich des Anteils zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes ausschließlich bei der Zuständigkeit der Beklagten. Dies deckt sich im Übrigen auch mit der ratio legis von § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Nur weil dieser Anspruch als Annexleistung zu qualifizieren ist, ist sichergestellt, dass einem Betroffenen pädagogische Hilfe und Unterhaltsleistungen aus einer Hand gewährt werden können. Scheidet daher der Hauptanspruch "Erziehungsbeitrag" gegen den Jugendhilfeträger aus, weil nach § 54 Abs. 3 SGB XII allein der Sozialhilfeträger zuständig ist, kann konsequenterweise der Unterhaltsanspruch auch nur durch den Sozialhilfeträger erfolgen, um die Gewährung von Hilfen aus einer Hand – nunmehr durch die Hand des Sozialhilfeträgers – sicherzustellen.
224) Die nachrangige Leistungsverpflichtung der Klägerin, so wie als Erstattungsvoraussetzung von § 104 SGB X gefordert, ergibt sich daher nicht aus materiell-rechtlichen Überlegungen, sondern allenfalls aus der allgemeinen Vorschrift des zuerst angegangen Leistungsträgers gemäß § 43 Abs. 1 SGB I, der den Leistungsempfänger von dem Risiko eines Zuständigkeitsstreits zwischen Leistungsträgern entbinden will.
235) Von dem Erstattungsanspruch sind im Übrigen darüber hinaus auch die Leistungen für Klassenfahrten, Weihnachtsbeihilfen und pauschalierten Ferienbeihilfen erfasst. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.09.2012 zutreffend einräumt, unterfallen diese Bedarfe und Leistung grundsätzlich dem erweiterten Lebensunterhalt und sind in der Regel gemäß § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII, § 73 SGB XII zu decken. Nach § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII wird im Einzelfall der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Da die Beklagte in ihren Stellungnahmen die Notwendigkeit dieser Bedarfe dem Grunde nach nicht angegriffen hat, sondern eine Übernahme dieser Kosten ausschließlich mit Hinweis auf § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII abgelehnt hat, weil diese Leistungen zum Lebensunterhalt gehören, ist der Anspruch der Klägerin auch diesbezüglich gerechtfertigt, da auch diese Leistungen als Annexleistungen unabdingbar mit dem Erziehungsbeitrag verknüpft sind.
246) Der Anspruch auf Kostenerstattung kann allerdings erst mit Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII zum 05.08.2009 entstehen. Ein weitergehender Anspruch den Zeitraum 01.06.2009 bis 04.08.2009 besteht nicht. Die Erstattungsvoraussetzung gemäß § 104 SGB X liegen daher insgesamt erst mit diesem Datum vor.
257) Die durch die Klägerin geleisteten Zahlungen im Umfang der Sicherstellung des Lebensunterhalts sind gemäß § 44 SGB I zu verzinsen, nach Abs. 1 sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Der weitergehende - mit dem Klageantrag – geltend gemachte Zinsanspruch auf Übernahme von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf den anteilig gewährten Lebensunterhalt war hingegen abzuweisen.
26Die Klage ist daher im Hinblick auf den Hauptanspruch ab 05.08.2009 begründet, im Hinblick auf den geltend gemachten Zeitraum 01.06.2009 bis 04.08.2009 ist die Klage hingegen unbegründet; im Hinblick auf den Zinsanspruch ist die Klage ebenfalls nur teilweise begründet.
27IV.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Dabei weist das Gericht darauf hin, dass die Klägerin in einem geringem Maße hinsichtlich des Zeitraums und des Zinsanspruchs unterlegen ist und das Unterliegen ca. 5 Prozent ausmacht (43 Monate beantragt – 01.06.0209
(1) Werden Hilfen nach den §§ 32 bis 34 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 gewährt, haben die Eltern einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung sowie Förderung der Beziehung zu ihrem Kind. Durch Beratung und Unterstützung sollen die Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann. Ist eine nachhaltige Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so dienen die Beratung und Unterstützung der Eltern sowie die Förderung ihrer Beziehung zum Kind der Erarbeitung und Sicherung einer anderen, dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen förderlichen und auf Dauer angelegten Lebensperspektive.
(2) Bei den in Absatz 1 Satz 1 genannten Hilfen soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Zusammenarbeit der Pflegeperson oder der in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Person und der Eltern zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch geeignete Maßnahmen fördern. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt dies durch eine abgestimmte Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 und § 37a sicher.
(3) Sofern der Inhaber der elterlichen Sorge durch eine Erklärung nach § 1688 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson so weit einschränkt, dass die Einschränkung eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Entwicklung nicht mehr ermöglicht, sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten. Auch bei sonstigen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten.
(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.
(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.
(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat
- 1.
316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2, - 2.
545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3, - 3.
728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4, - 4.
901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5.
(2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Kurzzeitpflege nach § 42 für bis zu acht Wochen und während einer Verhinderungspflege nach § 39 für bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr fortgewährt. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches gilt entsprechend, wenn für die Zeit nach dem Monat, in dem der Pflegebedürftige verstorben ist, Pflegegeld überwiesen wurde.
(3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben in folgenden Intervallen eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen:
- 1.
bei den Pflegegraden 2 und 3 halbjährlich einmal, - 2.
bei den Pflegegraden 4 und 5 vierteljährlich einmal.
(3a) Die Beratung nach Absatz 3 dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen.
(3b) Die Beratung nach Absatz 3 kann durchgeführt werden durch
- 1.
einen zugelassenen Pflegedienst, - 2.
eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder - 3.
eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft, sofern die Durchführung der Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann.
(3c) Die Vergütung für die Beratung nach Absatz 3 ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von dem zuständigen Beihilfeträger. Die Höhe der Vergütung für die Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder durch eine von der Pflegekasse beauftragte Pflegefachkraft vereinbaren die Pflegekassen oder deren Arbeitsgemeinschaften in entsprechender Anwendung des § 89 Absatz 1 und 3 mit dem Träger des zugelassenen Pflegedienstes oder mit der von der Pflegekasse beauftragten Pflegefachkraft unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5. Die Vergütung kann nach Pflegegraden gestaffelt werden. Über die Höhe der Vergütung anerkannter Beratungsstellen und von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen unter Zugrundelegung der im jeweiligen Land nach den Sätzen 2 und 4 vereinbarten Vergütungssätze jeweils für die Dauer eines Jahres. Die Landesverbände haben die jeweilige Festlegung der Vergütungshöhe in geeigneter Weise zu veröffentlichen.
(4) Die Pflegedienste und die anerkannten Beratungsstellen sowie die beauftragten Pflegefachkräfte haben die Durchführung der Beratungseinsätze gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen zu bestätigen sowie die bei dem Beratungsbesuch gewonnenen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbesserung der häuslichen Pflegesituation dem Pflegebedürftigen und mit dessen Einwilligung der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen mitzuteilen, im Fall der Beihilfeberechtigung auch der zuständigen Beihilfefestsetzungsstelle. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung. Erteilt die pflegebedürftige Person die Einwilligung nicht, ist jedoch nach Überzeugung der Beratungsperson eine weitergehende Beratung angezeigt, übermittelt die jeweilige Beratungsstelle diese Einschätzung über die Erforderlichkeit einer weitergehenden Beratung der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen. Diese haben eine weitergehende Beratung nach § 7a anzubieten. Der beauftragte Pflegedienst und die anerkannte Beratungsstelle haben dafür Sorge zu tragen, dass für einen Beratungsbesuch im häuslichen Bereich Pflegekräfte eingesetzt werden, die spezifisches Wissen zu dem Krankheits- und Behinderungsbild sowie des sich daraus ergebenden Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen mitbringen und über besondere Beratungskompetenz verfügen. Zudem soll bei der Planung für die Beratungsbesuche weitestgehend sichergestellt werden, dass der Beratungsbesuch bei einem Pflegebedürftigen möglichst auf Dauer von derselben Pflegekraft durchgeführt wird.
(5) Die Vertragsparteien nach § 113 beschließen gemäß § 113b bis zum 1. Januar 2018 unter Beachtung der in Absatz 4 festgelegten Anforderungen Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 3. Die Empfehlungen enthalten Ausführungen wenigstens
- 1.
zu Beratungsstandards, - 2.
zur erforderlichen Qualifikation der Beratungspersonen sowie - 3.
zu erforderlichenfalls einzuleitenden Maßnahmen im Einzelfall.
(5a) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. bis zum 1. Januar 2020 Richtlinien zur Aufbereitung, Bewertung und standardisierten Dokumentation der Erkenntnisse aus dem jeweiligen Beratungsbesuch durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie genehmigt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.
(6) Rufen Pflegebedürftige die Beratung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ab, hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen.
(7) Die Landesverbände der Pflegekassen haben neutrale und unabhängige Beratungsstellen zur Durchführung der Beratung nach den Absätzen 3 bis 4 anzuerkennen. Dem Antrag auf Anerkennung ist ein Nachweis über die erforderliche pflegefachliche Kompetenz der Beratungsstelle und ein Konzept zur Qualitätssicherung des Beratungsangebotes beizufügen. Die Landesverbände der Pflegekassen regeln das Nähere zur Anerkennung der Beratungsstellen.
(8) Die Beratungsbesuche nach Absatz 3 können auch von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern im Sinne des § 7a oder von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften, die die erforderliche pflegefachliche Kompetenz aufweisen, durchgeführt werden. Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. Die Inhalte der Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 5 sind zu beachten.
(9) Beratungsbesuche nach Absatz 3 dürfen von Betreuungsdiensten im Sinne des § 71 Absatz 1a nicht durchgeführt werden.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
(1) Werden Hilfen nach den §§ 32 bis 34 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 gewährt, haben die Eltern einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung sowie Förderung der Beziehung zu ihrem Kind. Durch Beratung und Unterstützung sollen die Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann. Ist eine nachhaltige Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so dienen die Beratung und Unterstützung der Eltern sowie die Förderung ihrer Beziehung zum Kind der Erarbeitung und Sicherung einer anderen, dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen förderlichen und auf Dauer angelegten Lebensperspektive.
(2) Bei den in Absatz 1 Satz 1 genannten Hilfen soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Zusammenarbeit der Pflegeperson oder der in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Person und der Eltern zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch geeignete Maßnahmen fördern. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt dies durch eine abgestimmte Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 und § 37a sicher.
(3) Sofern der Inhaber der elterlichen Sorge durch eine Erklärung nach § 1688 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson so weit einschränkt, dass die Einschränkung eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Entwicklung nicht mehr ermöglicht, sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten. Auch bei sonstigen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten.
(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.
(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.
(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.
(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.
(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.
(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.
(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.
(1) Werden Hilfen nach den §§ 32 bis 34 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 gewährt, haben die Eltern einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung sowie Förderung der Beziehung zu ihrem Kind. Durch Beratung und Unterstützung sollen die Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann. Ist eine nachhaltige Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so dienen die Beratung und Unterstützung der Eltern sowie die Förderung ihrer Beziehung zum Kind der Erarbeitung und Sicherung einer anderen, dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen förderlichen und auf Dauer angelegten Lebensperspektive.
(2) Bei den in Absatz 1 Satz 1 genannten Hilfen soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Zusammenarbeit der Pflegeperson oder der in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Person und der Eltern zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch geeignete Maßnahmen fördern. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt dies durch eine abgestimmte Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 und § 37a sicher.
(3) Sofern der Inhaber der elterlichen Sorge durch eine Erklärung nach § 1688 Absatz 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson so weit einschränkt, dass die Einschränkung eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche Entwicklung nicht mehr ermöglicht, sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten. Auch bei sonstigen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen sollen die Beteiligten das Jugendamt einschalten.
(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.
(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.
(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.