Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 26. Aug. 2014 - 4 L 81/14

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2014:0826.4L81.14.0A
26.08.2014

Gründe

1

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

2

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.

3

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist immer schon dann erfüllt, wenn im Zulassungsverfahren ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Schlüssige Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn mit dem Zulassungsantrag substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (so BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, zit. nach JURIS).

4

Diese Voraussetzung liegt aber nicht vor.

5

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Klägerin einen Anspruch nach § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA i.V.m. § 227 AO auf Erlass der für den Zeitraum 26. Januar 2005 bis 25. September 2007 festgesetzten Säumniszuschläge hat, deren Grundlage ein Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2004 gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin ist.

6

Die Entscheidung der abgabenerhebenden Körperschaft über eine Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 114 VwGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist. Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung des den Erlass ablehnenden Bescheides darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens werden dabei durch den Maßstab der Billigkeit bestimmt. Maßgebend für die gerichtliche Prüfung einer Entscheidung über einen Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen sind - abweichend von dem Grundsatz, dass für Verpflichtungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts maßgebend ist - die tatsächlichen Verhältnisse, die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorgelegen haben. Stellt das Gericht fest, dass die Behörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, wird es im Regelfall nur die Verpflichtung aussprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Nur in Fällen, in denen der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeschränkt ist, dass ausschließlich eine Entscheidung ganz bestimmten Inhalts als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null) kann das Gericht eine Verpflichtung der Behörde zum Erlass aussprechen. Weiterhin sind sachliche Billigkeitsgründe gegeben, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Abgabentatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist, wenn also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist bzw. wenn der Abgabenbescheid auf einem offensichtlichen und eindeutigen Irrtum der abgabenerhebenden Körperschaft über die bereits aus dem Gesetz ersichtlichen Wertungen des Gesetzgebers beruht (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. September 2013 - 4 L 205/12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.; vgl. auch BFH, Urt. v. 20. Mai 2010 - V R 42.08 -, zit. nach JURIS).

7

Nach diesen Maßgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Vornahme eines Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen verpflichtet hat (a), der den Gesamtbetrag der Säumniszuschläge umfasst (b).

8

a) Wenn - wie unstreitig hier - zwischen einer Gemeinde und einem Abwasserzweckverband eine Absprache dahingehend erfolgt, dass die Gemeinde im Rahmen einer Straßenbaumaßnahme für den zahlungsunfähigen Verband eine dringend notwendige Erneuerung eines Abwasserkanals durchführt und dass der daraus resultierende Zahlungsanspruch der Gemeinde mit der später entstehenden Herstellungsbeitragsforderung des Verbandes im Rahmen der Übertragung des Anlagevermögens aufgerechnet wird, ist bei einer Durchführung der Absprache die Erhebung von Säumniszuschlägen aus der Herstellungsbeitragsforderung mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar. Säumniszuschläge sind in erster Linie ein Druckmittel eigener Art zur Durchsetzung der zu zahlenden Abgaben. Ihre Entstehung ist kraft Gesetzes an ein Verhalten des Abgabenschuldners (Nichtbeachtung des Leistungsgebotes) geknüpft, das die Rechtsordnung missbilligt (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. September 2013, a.a.O., m.w.N.). Durch die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin und dem Beklagten vorgenommene Absprache entstand aber ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers, da beide Beteiligten bei Abschluss der Absprache ersichtlich davon ausgingen und auch davon ausgehen konnten, dass zu keinem Zeitpunkt tatsächlich eine Zahlung an den Verband erfolgen sollte. Denn durch die Vorfinanzierung der eigentlich dem Verband obliegenden Baumaßnahme war die Forderung der Gemeinde gegen den Verband zwingend höher als die später entstehende Beitragsforderung gegen die Gemeinde. Beide Beteiligten hatten damit eine spätere Aufrechnung gegenüber der Beitragsforderung in einer solchen Weise zur Grundlage des Beitragsschuldverhältnisses gemacht, dass der Beklagte von vornherein keine Zahlung auf den Beitragsbescheid erwarten durfte und die Erhebung von Säumniszuschlägen damit nicht mehr dem Sinn des Gesetzes entsprach. Dass der Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 den Beitrag festgesetzt und eine Zahlungsaufforderung ausgesprochen hat, steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil seine zuständigen Mitarbeiter - worauf auch das Verwaltungsgericht abgestellt hat - danach in einer Dienstberatung vom 16. November 2005 die vorgenommene Absprache ausdrücklich bestätigt haben. Diese Konstellation unterscheidet sich deutlich von der Fallgestaltung, dass ein bei Abgabenfälligkeit vorhandener Gegenanspruch nach Ablauf einer Schonfrist aufrechenbar wird und der Abgabenpflichtige damit aufrechnet (vgl. dazu BFH, Urt. v. 21. Oktober 1981 - I R 83/78 -, zit. nach JURIS). Schließlich ist der Ermessensspielraum des Beklagten auf Grund der dargelegten Umstände auch derart eingeschränkt, dass ausschließlich die Entscheidung für einen Erlass ermessensgerecht ist.

9

Es kann danach offen bleiben, ob eine sachliche Unbilligkeit angesichts des Verhaltens des Beklagten nicht schon nach Maßgabe von Gerechtigkeitsgesichtspunkten, zu denen u.a. die Grundsätze des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben zählen (BFH, Urt. v. 24. August 2011 - I R 87/10 -, zit. nach JURIS; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 227 AO Rdnr. 41, 42, m.w.N.), gegeben ist.

10

Die dagegen erhobenen Einwendungen des Beklagten sind nicht durchgreifend.

11

Dass gem. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b. KAG LSA i.V.m. § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bis dahin verwirkte Säumniszuschläge unberührt bleiben, wenn die Festsetzung einer Abgabe aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird, ist unerheblich, wenn die Erhebung von Säumniszuschlägen im Einzelfall aus anderen Gründen mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist. Die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung, die Rechtsfolge des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO gelte erst recht, wenn der Abgabenbescheid in voller Höhe bestehen bleibe, verkürzt den Anwendungsbereich des § 227 AO ersichtlich.

12

Ohne Erfolg stellt der Beklagte darauf ab, erst durch eine Aufrechnungserklärung erlösche die Zahlungspflicht aus einem Beitragsbescheid, und diese Erklärung habe in entsprechender Anwendung des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO keine Auswirkungen auf die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge. Dieser Einwand betrifft allein die Entstehung der Säumniszuschläge.

13

Der Umstand, dass auf Grund der in dem Beitragsbescheid enthaltenen Aufforderung des Beklagten eine Zahlungspflicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin bestand und der Beklagte nach seinem Vorbringen auch von einer solchen Pflicht ausgegangen sei, steht dem Erlassanspruch nicht entgegen. Das formelle Bestehen einer Zahlungspflicht aus einem Abgabenbescheid schließt einen Erlassanspruch hinsichtlich der Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit nicht aus. Entscheidend ist, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin auf Grund der vor und nach Erlass des Beitragsbescheides getroffenen Absprachen davon ausgehen durfte, dass eine spätere Aufrechnung stattfinden und daher trotz der Aufforderung in dem Bescheid keine Zahlung ihrerseits erfolgen sollte. Das Fehlen einer ausdrücklichen Abrede hinsichtlich der Säumniszuschläge in den Absprachen steht dem nicht entgegen.

14

Der Beklagte kann dem Anspruch schließlich nicht entgegen halten, in dem „Vermögensübertragungsvertrag und Aufrechnungsvereinbarung“ aus August 2007 hätte die Rechtsvorgängerin der Klägerin Regelungen zu den Säumniszuschlägen treffen können. Da der Beklagte die Säumniszuschläge erst mit einem Bescheid vom 11. Dezember 2007 festgesetzt hat, bestand dafür angesichts der vorherigen Absprachen der Beteiligten kein Anlass.

15

b) Die Säumniszuschläge sind in vollem Umfang zu erlassen.

16

Zwar werden durch Säumniszuschläge, wenn auch nachrangig, Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den Behörden dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Abgabe nicht oder nicht fristgemäß zahlen, so dass insoweit auch ein (zusätzlicher) Verwaltungsaufwand mit finanziert wird (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 5. Juli 2006 - 4 M 272/06 -, zit. nach JURIS). Weil Säumniszuschläge auch als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands dienten, wird vertreten, es komme regelmäßig nur ein Teilerlass in Betracht, wenn sie ihren Zweck als Druckmittel verfehlten. Sie seien dann nur zur Hälfte zu erlassen, denn ein Säumiger solle grundsätzlich nicht besser stehen als ein Steuerpflichtiger, dem Aussetzung der Vollziehung oder Stundung gewährt worden sei (so BFH, Urt. v. 30. März 2006 - V R 2/04 -, zit. nach JURIS, m.w.N.).

17

Selbst wenn man dem folgt, ist vorliegend nach den Umständen des Streitfalles (vgl. BFH, Urt. v. 20. Mai 2010 - 4 L 205/12 R 42/08 -, zit. nach JURIS) bzw. auf Grund zusätzlicher besonderer Gründe persönlicher oder sachlicher Billigkeit (vgl. BFH, Urt. v. 30. März 2006 - V R 2/04 -, a.a.O., m.w.N.) ein weiter gehender Erlass der Säumniszuschläge möglich und auch geboten. Da der Beklagte bei Erlass des Beitragsbescheides und auch danach keine Zahlung der Rechtsvorgängerin der Klägerin auf den Bescheid erwarten konnte, war der zusätzliche Zweck der Säumniszuschläge, eine Gegenleistung für die verspätete Zahlung zu erlangen, von vornherein nicht zu erreichen. Eine Besserstellung der Klägerin gegenüber einem Abgabepflichtigen, dem eine Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) oder Stundung (§ 222 AO) gewährt wurde, ist daher nicht gegeben.

18

2. Eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO legt der Beklagte nicht hinreichend dar.

19

Eine solche Bedeutung ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftig ist (so BVerfG, Beschl. v. 1. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -, zit. nach JURIS). Der Rechtsmittelführer muss eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 -, zit. nach JURIS, m.w.N.).

20

Die vom Beklagten genannte Frage, „ob ein (vollständiger) Erlass von Säumniszuschlägen trotz Rechtmäßigkeit sowohl des Säumniszuschlagsbescheides als auch des zugrunde liegenden Beitragsbescheides im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null zu gewähren ist, wenn der Abgabenschuldner im Vorgriff auf eine später beabsichtigte Aufrechnung keine Zahlung vorgenommen hat“, ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung schon nicht zugänglich.

21

Darüber hinaus ist die Frage nicht entscheidungserheblich, weil in einem Berufungsverfahren nach dem unstreitigen Sachverhalt davon auszugehen wäre, dass eine Absprache von Abgabenschuldner und Abgabengläubiger zu einer (späteren) Aufrechnung vorlag.

22

Im Übrigen fehlt es ebenfalls an substanziierten Ausführungen, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Der bloße Hinweis auf die Rechtssicherheit und den Umstand, dass die Frage bislang nicht geklärt worden sei, ist nicht ausreichend. Ohne Erfolg stellt der Beklagte auf das Revisionsverfahren zu der Entscheidung des beschließenden Senats vom 19. September 2013 (a.a.O.) ab. Diese Entscheidung erging zwar zu dem Erlass von Säumniszuschlägen wegen sachlicher Unbilligkeit, betraf aber eine andere Fallkonstellation.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

24

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Abgabenordnung - AO 1977 | § 227 Erlass


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Abgabenordnung - AO 1977 | § 240 Säumniszuschläge


(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 361 Aussetzung der Vollziehung


(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheide

Abgabenordnung - AO 1977 | § 222 Stundung


Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. D

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 19. Sept. 2013 - 4 L 205/12

bei uns veröffentlicht am 19.09.2013

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um den Erlass von Säumniszuschlägen. 2 Die Kläger sind Eigentümer eines 771 m² großen Grundstücks (Flur A, Flurstück 37/11) im Verbandsgebiet des Beklagten. Die Kläger hatten dieses Flurstück, das aus dem eh

Bundesfinanzhof Urteil, 24. Aug. 2011 - I R 87/10

bei uns veröffentlicht am 24.08.2011

Tatbestand 1 I. Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um den Erlass von Säumniszuschlägen.

2

Die Kläger sind Eigentümer eines 771 m² großen Grundstücks (Flur A, Flurstück 37/11) im Verbandsgebiet des Beklagten. Die Kläger hatten dieses Flurstück, das aus dem ehemaligen Flurstück 37/7 entstanden war, im Dezember 1998 von den Eheleuten K. erworben. Das Ehepaar K. war weiterhin Eigentümer des neben dem Flurstück 37/7 liegenden Flurstücks 37/6. Für dieses 1.108 m² große Flurstück hatte der Beklagte das Ehepaar schon mit Bescheid vom 19. Dezember 1996 zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 10.309,98 DM (= 5.271,40 €) herangezogen. Der Beitragserhebung war eine Gesamtfläche von 1.642 m² und eine beitragspflichtige Fläche von 1.446 m² zugrundegelegt worden.

3

Mit Bescheid vom 14. November 2003 setzte der Beklagte gegenüber den Klägern für das Flurstück 37/11 einen Anschlussbeitrag in Höhe von 2.881,65 € fest. Dagegen legten die Kläger einen - bislang noch nicht beschiedenen - Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung heißt es: „Es wurde keine Herstellung des Abwasserkanals in den letzten 8 Jahren vorgenommen. Es sind somit keine Herstellungskosten entstanden.“ Mit Schreiben vom 23. November 2006 erklärte eine vom Beklagten mandatierte Rechtsanwaltskanzlei, dass lediglich ein Beitrag in Höhe von 732,56 € geschuldet werde. Das Flurstück 37/11 sei aus dem ehemaligen Flurstück 37/6 hervorgegangen, das schon herangezogen worden sei. Nur für die verbleibende Differenz von 196 m² müsse noch ein Beitrag festgesetzt werden. Im Januar 2007 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach sich die Kläger verpflichteten, einen Betrag in Höhe von 366,28 € zu zahlen; die Zahlung ging am 29. Mai 2007 bei dem Beklagten ein.

4

Mit Bescheid vom 18. November 2009 setzte der Beklagte gegenüber den Klägern Säumniszuschläge in Höhe von 1.025,50 € fest. Dabei legte er für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 30. November 2006 einen Säumnisbetrag von 2.850,- €, vom 1. Dezember 2006 bis 31. Januar 2007 von 700,- € sowie vom 1. Februar 2007 bis 29. Mai 2007 von 350,- € zugrunde.

5

Die Kläger erhoben fristgerecht Widerspruch und beantragten in der Widerspruchsbegründung, die Säumniszuschläge zu erlassen, hilfsweise auf die Hälfte zu reduzieren. Der Beklagte lehnte den Erlassantrag mit Bescheid vom 8. Februar 2012 ab. Der Widerspruch war erfolglos. In ihrem Widerspruch hatten die Kläger u.a. geltend gemacht, ein Mitarbeiter des Beklagten habe am 25. Mai 2004 im persönlichen Gespräch erklärt, der Beitragsbescheid sei rechtswidrig und eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung müsse nicht erfolgen, da der Bescheid zeitnah aufgehoben werden würde.

6

Auf die am 14. Juni 2012 erhobene Verpflichtungsklage der Kläger hat das Verwaltungsgericht Magdeburg den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheides verpflichtet, die festgesetzten Säumniszuschläge insoweit zu erlassen, als darin mehr als 143,50 € festgesetzt worden sind, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

7

Eine unbillige Härte i. S. des § 227 AO liege dann vor, wenn ein Rechtsbehelf des Abgabepflichtigen gegen die Abgabenfestsetzung Erfolg gehabt und der Abgabenpflichtige gegenüber der Behörde alles getan habe, um die Aussetzung der Vollziehung des Abgabenbescheides zu erreichen, und diese, obwohl an sich möglich und geboten, nicht gewährt worden sei. Die Kläger, die mit ihrem Widerspruch teilweise erfolgreich gewesen seien, hätten einen Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO gehabt. Der Beitragsbescheid vom 14. November 2003 sei wegen des Ablaufs der vierjährigen Festsetzungsverjährung rechtswidrig gewesen, weil die Satzung vom 31. Juli 1995 die erste wirksame Beitragssatzung gewesen sei. Zudem habe ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung vorgelegen, da aus Sicht der Adressaten schon mit dem Bescheid vom 19. Dezember 1996 auch Flächen des Vorgängerflurstücks 37/7 herangezogen worden seien. Der angefochtene Bescheid habe deshalb auch aus damaliger Sicht ernstlichen Zweifeln begegnen müssen. Ob den Klägern eine Aussetzung mündlich gewährt worden sei, könne dahinstehen.

8

Dass die Kläger seinerzeit keinen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt hätten, stünde einem (teilweisen) Erlass nicht entgegen. Die Rechtsprechung gehe insoweit ersichtlich davon aus, dass ein Beitragsschuldner mit einem Antrag auf Aussetzung alles getan habe, um eine Entscheidung der Abgabenbehörde zu erreichen.

9

Es entspreche der Billigkeit, wenn die Kläger auf einen Säumnisbetrag von 350,- € Säumniszuschläge zahlten. Die Kläger hätten mit dem Abschluss des Vergleichs im Januar 2007 zumindest (teilweise) eine durch Bescheid vom 14. November 2003 ausgelöste Zahlungsverpflichtung in Höhe von 366,28 € anerkannt, weshalb diese für den gesamten säumigen Zeitraum zu berücksichtigen sei.

10

Der Beklagte macht zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung geltend, sachliche Unbilligkeitsgründe seien nicht gegeben. Die Herabsetzung des Beitrages durch ihn sei gem. § 240 Abs. 1 Satz 4 AO für die Säumniszuschläge unbeachtlich. Zudem sei die Herabsetzung fehlerhaft gewesen, weil das streitbefangene Flurstück 37/11 aus dem Flurstück 37/7 hervorgegangen sei und beide Flurstücke noch nie vorher mit einem Beitrag belegt worden seien. Schon deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Festsetzung der Säumniszuschläge einen Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die Wertungen des Gesetzgebers darstelle. Die Kläger hätten auch nicht mit einem Rechtsbehelf Erfolg gehabt. Letztlich hätten sich die Beteiligten im Wege eines Vergleichsvertrages geeinigt, was qualitativ etwas anderes sei als eine behördliche oder gerichtliche Aufhebung des Bescheides. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, sei er ermessensfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Kläger ihm gegenüber gerade nicht alles getan hätten, um eine Aussetzung der Vollziehung zu erlangen und diese, obwohl an sich möglich und geboten, nicht gewährt worden sei. Er sei damals vielmehr davon ausgegangen, dass seine Beitragssatzung aus dem Jahre 2000 die erste wirksame Satzung gewesen und keine Verjährung eingetreten sei. Außerdem habe der Beitragsbescheid im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts zum Zeitpunkt seines Erlasses bzw. zum Zeitpunkt der Herstellung des Grundstücksanschlusses am 19. Dezember 1996 von vornherein nicht auf die Beitragssatzung vom 31. Juli 1995 gestützt werden können, die am 31. Oktober 1996 außer Kraft getreten sei. Weiterhin habe der Beitragsbescheid nicht gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung verstoßen. Schon auf Grund der Unterschiede in den tatsächlichen Flächen und den in dem Bescheid vom 19. Dezember 1996 angegebenen Flächen sei klar, dass mit jenem Bescheid gerade nicht das Flurstück 37/7 veranlagt worden sei. Auch hätten ihm im Übrigen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides kommen müssen. Unabhängig davon hätten die Kläger einen Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht stellen können bzw. müssen, um eine Aussetzung zu erreichen.

11

Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht eine eigene Ermessensentscheidung getroffen und sich damit in unzulässiger Weise an seine Stelle gesetzt. Es hätte ihn allenfalls zu einer Neubescheidung verpflichten dürfen. Zudem hätte das Verwaltungsgericht mindestens einen Säumnisbetrag von 700,- € zugrunde legen müssen, da er - wenn auch rechtsirrig - davon ausgegangen sei, dass jedenfalls ein Beitrag von 732,56 € geschuldet werde.

12

Der Beklagte beantragt,

13

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 30. Oktober 2012 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

14

Die Kläger beantragen,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie tragen vor, das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass der Beklagte spätestens im August 2004 davon ausgegangen sei, dass ihr Grundstück Teil des ehemaligen Flurstücks 37/6 gewesen sei, für das schon einmal ein Anschlussbeitrag erhoben worden sei. Der Beklagte habe damit gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung verstoßen.

17

Sie hätten auch fristgemäß Widerspruch erhoben und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. In dem durch sie bereits mitgeteilten mündlichen Gespräch mit einem Mitarbeiter des Beklagten am 25. Mai 2004 sei offensichtlich ihr Vortrag gewertet worden, da den handschriftlichen Aufzeichnungen in der Verwaltungsakte zu entnehmen sei, dass eine schriftliche Mitteilung an sie erfolgen solle und eine Aufhebung diesbezüglich in Betracht gezogen worden sei. In Anbetracht der Zweifel, die der Beklagte zum Zeitpunkt des Gesprächs ebenfalls gehabt habe, wäre zumindest die Aussetzung der Vollziehung geboten gewesen. Zutreffend gehe die Rechtsprechung davon aus, dass sie mit ihrem Aussetzungsantrag alles notwendige getan hätten, um eine Entscheidung des Beklagten zu erreichen. Sie hätten den Antrag gestellt, obwohl in dem Beitragsbescheid nicht der Hinweis enthalten gewesen sei, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfalten würden, und auch die Säumniszuschläge nicht angedroht worden seien. Durch die Säumniszuschläge habe deshalb überhaupt kein Druck zur rechtzeitigen Zahlung entstehen können.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Berufung ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 8. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Die Kläger haben keinen Anspruch auf den begehrten Erlass nach § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA i.V.m. § 227 AO, auch nicht auf eine erneute Ermessensentscheidung des Beklagten.

20

1. Die Verpflichtungsklage der Kläger ist zulässig.

21

Eine auf den Erlass von Säumniszuschlägen gerichtete Verpflichtungsklage darf auch dann verfolgt werden, wenn über den Widerspruch gegen die Festsetzung der Säumniszuschläge noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Es ist unabhängig davon zu entscheiden, ob die Säumniszuschläge bereits nicht entstanden sind (BFH, Urt. v. 20. Mai 2010 - V R 42/08 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 112a, § 8 Rdnr. 48 f.). Die Verfahren über die Festsetzung der Abgabe bzw. einen Abrechnungsbescheid nach § 218 AO und das Billigkeitsverfahren über den Erlass der Abgabe nach § 227 AO stehen selbständig nebeneinander, so dass auch eine Aussetzung des Erlassverfahrens nach § 94 VwGO wegen fehlender Abhängigkeit nicht in Betracht kommt (BFH, Beschl. v. 12. Dezember 2012 - IX B 3/11 -; Beschl. v 31. Juli 2007 - VIII B 42/05 -; Beschl. v. 30. April 2003 - XI B 175/02 -; Urt. v. 12. Juni 1997 - I R 70/96 -, jeweils zit. nach JURIS; Tipke/Kruse, AO-FGO, § 227 AO Rdnr. 143, § 240 Rdnr. 55).

22

Dass der Verpflichtungsklage auf Erlass der Säumniszuschläge das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil die Säumniszuschläge überhaupt nicht entstanden sind (vgl. BFH, Urt. v. 12. Juni 1997, a.a.O.), ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

23

2. Die Verpflichtungsklage ist aber unbegründet. Der Beklagte hat den Antrag der Kläger auf Erlass nach § 227 AO zu Recht abgelehnt.

24

Nach dieser Regelung kann die Körperschaft, der die Abgabe zusteht, Ansprüche aus dem Abgabeschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

25

Dass sich der Beklagte als aufgelöster Zweckverband in Abwicklung befindet, steht dem begehrten Erlass nicht entgegen. Gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 GKG LSA gilt der Zweckverband nach seiner Auflösung als fortbestehend, solange und soweit der Zweck der Abwicklung dies erfordert. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 26 Abs. 3 Satz 2 GKG LSA a.F., der § 14 Abs. 4 Satz 1 GKG weitestgehend entsprach, sollte „Satz 2 gewährleisten, daß der Zweckverband über den Zeitpunkt seines Erlöschens als Rechtssubjekt hinaus eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit zum Zweck der Abwicklung erhält. Der aufgelöste Zweckverband bleibt als Liquiditätsverband rechtsfähig, solange und soweit Abwicklungshandlungen vorzunehmen sind; in diesem Rahmen bleiben auch die Verbandsorgane und die Funktionen des Verbandsvorsitzenden, z. B. bei Verpflichtungserklärungen, bestehen“ (LT-Drucksache 1/1107, Seite 13). Wenn - wie hier - die Verbandsversammlung für die Abwicklung einen speziellen Abwickler bestellt, ist dieser für die Abwicklungshandlungen zuständig und kann sich dazu auf die Fiktionswirkung des § 14 Abs. 4 Satz 1 GKG LSA berufen. Die Abwicklung umfasst sämtliche Handlungen, die zur Beendigung der laufenden Geschäfte einschließlich des Einzugs von Forderungen notwendig sind (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18. Juli 2002 - 1 L 22/02 -), so auch die Durchsetzung der vor der Auflösung bereits entstandenen Abgabenansprüche (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 9. August 2004 - 1 M 277/04 -, zu einem Beitragsanspruch). Die Entscheidung über den Erlass bereits entstandener Forderungen gehört noch zur Beendigung der laufenden Geschäfte.

26

Die Entscheidung der abgabenerhebenden Körperschaft über eine Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 114 VwGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist. Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung des den Erlass ablehnenden Bescheides darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens werden dabei durch den Maßstab der Billigkeit bestimmt. Maßgebend für die gerichtliche Prüfung einer Entscheidung über einen Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen sind - abweichend von dem Grundsatz, dass für Verpflichtungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts maßgebend ist - die tatsächlichen Verhältnisse, die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorgelegen haben. Stellt das Gericht fest, dass die Behörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, wird es im Regelfall nur die Verpflichtung aussprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Nur in Fällen, in denen der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeschränkt ist, dass ausschließlich eine Entscheidung ganz bestimmten Inhalts als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null) kann das Gericht eine Verpflichtung der Behörde zum Erlass aussprechen. Weiterhin sind sachliche Billigkeitsgründe gegeben, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Abgabentatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist, wenn also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist bzw. wenn der Abgabenbescheid auf einem offensichtlichen und eindeutigen Irrtum der abgabenerhebenden Körperschaft über die bereits aus dem Gesetz ersichtlichen Wertungen des Gesetzgebers beruht (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 18. Juni 2009 - 4 L 36/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.; Beschl. v. 14. Oktober 2011 - 4 O 171/11 -; vgl. auch BFH, Urt. v. 20. Mai 2010 - V R 42.08 -, zit. nach JURIS).

27

Nach diesem Maßstab ist die vom Beklagten vorgenommene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden.

28

a) Eine persönliche Unbilligkeit der Beitragserhebung liegt nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Kläger nicht vor. Eine solche machen sie schon selbst nicht geltend.

29

b) Ein Erlass der Säumniszuschläge ist auch nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen vorzunehmen. Solche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn die Abgabenerhebung in einem Sachverhalt, der unter einen gesetzlichen Abgabentatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist, wenn also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist bzw. wenn der Abgabenbescheid auf einem offensichtlichen und eindeutigen Irrtum der abgabenerhebenden Körperschaft über die bereits aus dem Gesetz ersichtlichen Wertungen des Gesetzgebers beruht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 18. Juni 2009 - 4 L 36/07 -, m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 8. Juli 1998 - 8 C 31/96 -; Beschl. v. 23. August 1990 - 8 C 42/88 -, jeweils zit. nach JURIS).

30

(1) Dass in dem Beitragsbescheid des Beklagten vom 14. November 2003 keine weitergehenden Hinweise auf die sofortige Zahlungspflicht trotz Widerspruchs und auf die Entstehung von Säumniszuschlägen enthalten sind, ist im Rahmen der Prüfung der sachlichen Unbilligkeit unbeachtlich. Wie der erkennende Senat schon entschieden hat (Beschl. v. 2. März 2006 - 4 L 69/06 -), lässt der fehlende Hinweis in dem der Forderung zugrunde liegenden Beitragsbescheid auf die Möglichkeit, bei der abgabenerhebenden Körperschaft einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen, die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht als unbillig erscheinen. Denn eine gesetzliche Verpflichtung, auf die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung hinzuweisen, bestehe nicht. Dies gilt entsprechend für fehlende Hinweise auf die sofortige Zahlungspflicht trotz Widerspruchs und auf die Entstehung von Säumniszuschlägen.

31

(2) Auf Grund der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 240 Abs. 1 Satz 4 AO kommt ein Erlass nicht allein deshalb in Betracht, weil die Abgabenfestsetzung - wie hier - zu Gunsten des Abgabenpflichtigen aufgehoben oder geändert worden ist. Die Erhebung der Säumniszuschläge ist aber nach herrschender Auffassung dann unbillig, wenn das Rechtsmittel des Abgabenschuldners gegen die Abgabenfestsetzung Erfolg hatte und der Abgabenschuldner gegenüber der abgabenerhebenden Körperschaft alles getan hat, um die Aussetzung der Vollziehung (§ 80 Abs. 4 VwGO) eines Abgabenbescheids zu erreichen, und diese, obwohl an sich möglich und geboten, von der abgabenerhebenden Körperschaft abgelehnt wurde (vgl. BFH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Urt. v. 20. Mai 2010, a.a.O. m.w.N.; Urt. v. 30. März 2006 - V R 2/04 -; VGH Bayern, Beschl. v. 27. September 2012 - 6 ZB 10.1083 - zit. nach JURIS m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 106; a.M. Rosenzweig/Freese, NdsKAG, § 11 Rdnr. 148a; Kohlhaas, DStR 2010, 2387, 2389 Nr. 4.3: schon bei Anspruch auf Aussetzung von Amts wegen).

32

Diese Voraussetzung ist schon deshalb nicht erfüllt, weil der Beklagte eine Aussetzung der Vollziehung gerade nicht abgelehnt hat (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 27. September 2012, a.a.O.; vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., AO, § 240 Rdnr. 57). Säumniszuschläge sind in erster Linie ein Druckmittel eigener Art zur Durchsetzung der zu zahlenden Abgaben (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse v. 7. November 2008 - 4 L 240/07 - und v. 5. Juli 2006 - 4 M 272/06 -, jeweils zit. nach JURIS). Ihre Entstehung ist kraft Gesetzes an ein Verhalten des Abgabenschuldners (Nichtbeachtung des Leistungsgebotes) geknüpft, das die Rechtsordnung missbilligt. Um die Entstehung der Säumniszuschläge zu verhindern, muss der Schuldner die vorläufige Zahlungspflicht beseitigen und dazu eine entsprechende behördliche oder gerichtliche Entscheidung erlangen. Jedenfalls wenn - wie hier - die abgabenerhebende Körperschaft auf den Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO nicht reagiert, hat der Abgabenschuldner durch die Antragstellung allein noch nicht so viel getan, dass die Erhebung von Säumniszuschlägen mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes unvereinbar wäre. Trotz der grundsätzlichen Verpflichtung einer Behörde, einen solchen Antrag zu bearbeiten, ist der Abgabenschuldner angesichts seiner durch den Abgabenbescheid festgesetzten Zahlungspflicht gehalten, zumindest eine Entscheidung der Körperschaft oder des Gerichts über sein Begehren herbeizuführen. Dementsprechend sieht § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO ausdrücklich vor, dass ein Antrag bei dem Verwaltungsgericht zulässig ist, wenn die Behörde über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Mitteilung eines Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

33

Selbst wenn man annehmen wollte, dass schon die Beantragung der Aussetzung der Vollziehung bei der Körperschaft ausreichend sein kann, liegt eine sachliche Unbilligkeit hier schon deshalb nicht vor, weil die Kläger den Aussetzungsantrag nicht mit einer umfassenden Begründung (vgl. Kohlhaas, DStR 2010, 2387, 2389 Nr. 4.4) versehen haben. Denn sie haben lediglich pauschal auf die fehlende Entstehung von Herstellungskosten hingewiesen, weil in den letzten acht Jahren keine Herstellung des Abwasserkanals vorgenommen worden sei.

34

Ob den Klägern tatsächlich im Mai 2004 zugesagt worden ist, dass der Beitragsbescheid aufgehoben werde, so dass keine Aussetzungsentscheidung mehr getroffen werden müsse, muss nicht abschließend entschieden werden. Auch dies würde keine sachliche Unbilligkeit zur Folge haben. Auf eine derartige mündliche Zusage, die von vornherein keine Bindungswirkung entfaltet (vgl. VG Koblenz, Urt. v. 26. November 2012 - 4 K 255/12.KO -; VG Augsburg, Urt. v. 12. Juli 2005 - Au 1 K 03.1427 -; VG Düsseldorf, Urt. v. 25. Februar 2003 - 17 K 8930/02 - jeweils zit. nach JURIS), konnten sich die Kläger nicht verlassen (vgl. auch VGH Bayern, Beschl. v. 27. September 2012, a.a.O.). Dies gilt umso mehr angesichts des Zeitraums von 2 ½ Jahren, der bis zu dem Schreiben der vom Beklagten beauftragten Rechtsanwaltskanzlei vom 23. November 2006 verstrich und in dem gerade keine Aussetzungsentscheidung erfolgte.

35

Es kann danach offen bleiben, ob für einen Erlassanspruch grundsätzlich noch ein Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO bei dem Verwaltungsgericht gestellt werden muss, falls die Körperschaft den Antrag ablehnt (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 27. September 2012, a.a.O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20. Mai 2003 - 1 L 137/02 -; VG Schwerin, Beschl. v. 30. Januar 2013 - 4 B 836/12 -; wohl auch VG Dresden, Urt. v. 24. Januar 2012 - 2 K 203/11 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. weiter Klein, AO, 11. A., § 240 Rdnr. 65; offen gelassen in OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14. Dezember 2011 - 4 L 102/10 -, zit. nach JURIS; a.M. wohl BFH, Urt. v. 29. August 1991 - V R 78/86 -, zit. nach JURIS; Kohlhaas, DStR 2010, 2387, 2389 Nr. 4.4).

36

Ebenfalls nicht geklärt werden muss, ob eine Aussetzung hier an sich möglich und geboten war, weil ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabenerhebung bestanden (vgl. BFH, Urt. v. 20. Mai 2010, a.a.O.). Die Beitragssatzung des Beklagten vom 31. Juli 1995, auf die das Verwaltungsgericht abstellt, ist nach der - wenn auch sonst wohl unwirksamen Beitragssatzung - vom 21. Oktober 1996 am 31. Oktober 1996 und damit vor der Herstellung des Grundstücksanschlusses bei dem klägerischen Grundstück (nach unbestrittener Angabe des Beklagten am 19. Dezember 1996) außer Kraft getreten. Die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht richtete sich aber gem. § 7 Abs. 1 der Satzung vom 31. Juli 1995 nach der betriebsfertigen Herstellung der zentralen Einrichtung einschließlich der Fertigstellung des ersten Grundstücksanschlusses. Eine gesonderte Heranziehung zu den Kosten der Herstellung dieses ersten Grundstücksanschlusses sah die Satzung nicht vor. Damit wäre die Beitragsfestsetzung in dem Bescheid vom 14. November 2003 jedenfalls wohl nicht festsetzungsverjährt gewesen. Auch die Überlegung, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung vorlag, ist zweifelhaft. Denn in dem Beitragsbescheid gegenüber dem Nachbarehepaar K. vom 19. Dezember 1996 wurde ausdrücklich auf das Flurstück 37/6 abgestellt.

37

Allerdings hat das Verwaltungsgericht Magdeburg nunmehr mit Urteil vom 11. April 2013 (- 9 A 158/11 MD -, zit. nach JURIS) umfassend dargelegt, dass sämtliche Beitragssatzungen des Beklagten an materiell-rechtlichen Fehlern litten, die einer Beitragserhebung entgegen stünden.

38

(3) Sonstige sachliche Billigkeitsgründe sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

41

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat.


Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren (1998 und 1999) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin, die seit 1981 als Angestellte des US-amerikanischen Konsulats in der Stadt X beschäftigt ist, ist gebürtige Deutsche. Nach der Eheschließung mit dem Kläger --einem italienischen Staatsangehörigen-- erwarb die Klägerin im Jahr 1991 auf ihren Antrag hin die italienische Staatsbürgerschaft. Ihrem Vorbringen zufolge hat sie danach von der Verwaltungsbehörde der Stadt X stets die Auskunft erhalten, mit dem Erwerb der italienischen Staatsbürgerschaft habe sie automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Entsprechendes sei auch in den Merkblättern des Bundesverwaltungsamts ausgeführt und vom Bayerischen Innenministerium noch im Januar 2000 vertreten worden. Nachdem die Klägerin nach ihren Angaben im Mai 2001 von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 29. September 1998  1 C 20/96 (BVerwGE 107, 223) erfahren hatte, wonach diese Rechtsauffassung unzutreffend ist, gab sie eine Verzichtserklärung ab und verlor die deutsche Staatsbürgerschaft durch Aushändigung der Verzichtsurkunde am 13. November 2001.

3

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärte die Klägerin den vom amerikanischen Konsulat gezahlten Arbeitslohn --wie vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) für die Veranlagungszeiträume bis 1997 akzeptiert-- unter Berufung auf das sog. Kassenstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (BGBl II 1991, 355, BStBl I 1991, 95) in der Fassung vor dem Änderungsprotokoll vom 1. Juni 2006 (BGBl II 2006, 1186, BStBl I 2008, 767) --DBA-USA 1989 a.F.-- nicht als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, sondern gab diesen nur zum Zweck der Bemessung des Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts an. Das FA hingegen bezog den Arbeitslohn für die Streitjahre in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein, weil die Klägerin in diesem Zeitraum noch deutsche Staatsangehörige und deshalb das Kassenstaatsprinzip nach der Ausnahmeregelung in Art. 19 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA 1989 a.F. nicht anwendbar gewesen sei. Die beim Finanzgericht (FG) München gegen die Festsetzungsbescheide erhobenen Klageverfahren ruhen derzeit.

4

Die Kläger haben beim FA die abweichende Festsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre und für die Jahre 2000 und 2001 aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) beantragt und berufen sich auf den Schutz ihres durch die Auskünfte mehrerer Behörden erzeugten Vertrauens in den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft der Klägerin bereits mit dem Erwerb der italienischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1991. Das FA hat die Anträge abgelehnt. Die deswegen erhobene Klage hat das FG mit Urteil vom 4. März 2010  5 K 3273/08 abgewiesen. In Bezug auf die Jahre 2000 und 2001 ist das FG-Urteil nach Zurückweisung der diesbezüglichen Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger durch den Senat in Rechtskraft erwachsen.

5

Soweit es die Streitjahre betrifft, ist das FG-Urteil Gegenstand der Revision, mit der die Kläger die Verletzung materiellen Rechts rügen.

6

Die Kläger beantragen, das FG-Urteil sowie den Bescheid des FA vom 7. November 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 8. September 2008 aufzuheben und das FA zu verpflichten,

7

im Wege der Billigkeit die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in den Veranlagungszeiträumen 1998 und 1999 lediglich hinsichtlich des Progressionsvorbehalts in die Berechnung der Einkommensteuer einzubeziehen sowie diese nicht dem Solidaritätszuschlag zu unterwerfen,

8

hilfsweise das FA zu verpflichten, über den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung vom 25. September 2006 unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu entscheiden,

9

höchst hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

10

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und der angefochtenen Bescheide, soweit die Streitjahre betroffen sind; das FA wird verpflichtet, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Anträge auf abweichende Steuerfestsetzungen zu entscheiden. Die Ablehnung der Anträge ist rechtswidrig, weil das FA nicht erschöpfend geprüft hat, ob die Einziehung der Einkommensteuer für die Streitjahre i.S. des § 163 AO unbillig ist.

12

1. Zu Recht haben FA und FG im Ausgangspunkt angenommen, dass die in den Streitjahren für die Tätigkeit im US-amerikanischen Konsulat bezogene Vergütung der Klägerin gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F. der deutschen Besteuerung unterfiel, weil die Klägerin im Inland ansässig war und die Tätigkeit dort ausgeübt hat. Eine Steuerfreiheit in Deutschland nach dem abkommensrechtlichen Kassenstaatsprinzip war nicht gegeben, weil der diesbezügliche Tatbestand des Art. 19 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F. deutsche Staatsangehörige ausdrücklich ausnimmt. Und die Klägerin war in den Streitjahren noch deutsche Staatsangehörige. Zwar hatte sie im Jahr 1991 die italienische Staatsangehörigkeit durch Antrag erworben; da sie aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland beibehalten hatte, hat sie dadurch nach der seinerzeitigen Rechtslage nicht "automatisch", d.h. ohne ausdrücklichen Verzicht, die deutsche Staatsangehörigkeit verloren (vgl. BVerwG-Urteil in BVerwGE 107, 223).

13

2. Die Ablehnung der Anträge auf abweichende Steuerfestsetzungen durch das FA ist ermessensfehlerhaft erfolgt.

14

a) Gemäß § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Vorschrift bezweckt, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. März 2000 IV R 3/99, BFHE 191, 226, BStBl II 2000, 372).

15

Die Entscheidung über eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nur in den von § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gezogenen Grenzen überprüft werden kann (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 --zur Vorgängerregelung des § 131 der Reichsabgabenordnung [RAO]--; BFH-Urteil vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; kritisch z.B. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 163 AO Rz 10 i.V.m. § 227 AO Rz 24 f.). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur ausnahmsweise kann das Gericht eine Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO), wenn der Ermessensspielraum derart eingeschränkt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (Ermessensreduzierung auf Null; ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Juli 2010 X R 34/08, BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916, m.w.N.).

16

b) Im Streitfall liegt ein Ermessensmangel vor, weil das FA den Begriff der Unbilligkeit gemäß § 163 AO unzutreffend ausgelegt hat und sich infolgedessen des ihm ggf. zustehenden Ermessens nicht bewusst gewesen ist und ein Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 191, 226, BStBl II 2000, 372; vom 11. März 2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579; Kruse in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 5 AO Rz 40). FG und FA haben zu Unrecht angenommen, die von den Klägern behaupteten unzutreffenden behördlichen Auskünfte über den vermeintlich "automatischen" Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit könnten grundsätzlich nicht i.S. des § 163 AO zu einer sachlichen Unbilligkeit der Steuerfestsetzung für die Streitjahre führen.

17

aa) Eine Unbilligkeit i.S. von § 163 AO kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606). Die Kriterien hierfür sind im Regelungsbereich des § 163 AO die gleichen wie im Rahmen des § 227 AO, weil sich diese beiden Billigkeitsvorschriften im Wesentlichen nur in der Rechtsfolgeanordnung, nicht aber in den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen unterscheiden (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297).

18

In der wirtschaftlichen Situation der Kläger liegende (persönliche) Billigkeitsgründe sind im Streitfall nicht geltend gemacht und auch nicht erkennbar, so dass allein sachliche Unbilligkeit in Betracht kommt. Sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage --hätte er sie geregelt-- im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte oder wenn angenommen werden kann, dass die Festsetzung der Steuer den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 26. Oktober 1972 I R 125/70, BFHE 108, 146, BStBl II 1973, 271, und in BFH/NV 2010, 606; BFH-Urteil vom 26. Mai 1994 IV R 51/93, BFHE 174, 482, BStBl II 1994, 833). Dies wiederum kann seinen Grund entweder in Gerechtigkeitsgesichtspunkten oder in einem Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegenden Zweck haben. Zu den Gerechtigkeitspostulaten zählen u.a. die Grundsätze des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben (vgl. Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO Rz 41, 42; Stöcker in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 227 AO Rz 76, jeweils m.w.N.).

19

bb) FA und FG sind davon ausgegangen, ein etwaiges Vertrauen des Steuerpflichtigen auf Auskünfte nicht steuerverwaltender Behörden könnte prinzipiell nicht zu einer abweichenden Steuerfestsetzung nach § 163 AO führen (ebenso FG Berlin vom 5. August 1971 V 50/71, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1972, 74), weshalb eine Ermessensabwägung hier von vornherein ausscheide. Dem ist nicht zu folgen.

20

Die Billigkeitsprüfung verlangt eine umfassende Berücksichtigung aller für den Einzelfall relevanten Normen und Umstände (vgl. BFH-Urteil in BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297). Dazu kann ein für die Besteuerung ursächliches Fehlverhalten einer öffentlichen Stelle unabhängig davon gehören, ob es sich um eine mit der Verwaltung von Steuern befasste oder um eine anderweitig tätige Behörde handelt. So hat der BFH zu § 131 Abs. 1 Satz 1 RAO entschieden, dass zwar die Berufung auf Treu und Glauben nur im Hinblick auf ein Verhalten der Finanzbehörden möglich ist, dass aber ein schützenswertes Vertrauen auf die Richtigkeit einer behördlichen Auskunft auch dann zu einer in der Sache liegenden unbilligen Härte führen kann, wenn die Auskunft von einer nicht steuerverwaltenden Stelle erteilt wurde (BFH-Urteil vom 23. Februar 1966 II 60/63, BFHE 85, 521, BStBl III 1966, 438; ebenso FG Düsseldorf vom 31. Oktober 1966 VI 16/64 A, EFG 1967, 262). Das gleiche gilt für die Nachfolgeregelungen in § 163 und § 227 AO (Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO Rz 70; Stöcker in Beermann/Gosch, a.a.O., § 227 AO Rz 83; Fritsch in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 227 Rz 21).

21

Aus den von FA und FG für ihre gegenteilige Sichtweise herangezogenen BFH-Urteilen vom 13. Mai 1987 VII R 37/84 (BFHE 150, 108, BStBl II 1987, 606) und vom 5. Juni 2003 III R 26/00 (BFH/NV 2003, 1529) ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil diese keine Billigkeitsverfahren zum Gegenstand haben. Das FA hätte mithin dem Vorbringen der Kläger über die behaupteten objektiv falschen Auskünfte der Behörden nachgehen und diese ggf. in die nach § 163 AO vorzunehmenden Ermessenserwägungen einbeziehen müssen.

22

3. Eine Entscheidung über die Erlassanträge können weder der Senat noch das FG treffen. Das Ermessen ist der Verwaltungsbehörde vorbehalten und kann nicht durch die Gerichte ausgeübt werden. Etwas anderes gilt im Streitfall nicht nach den Grundsätzen der Ermessensreduzierung auf Null.

23

a) Die Ablehnung der Anträge auf abweichende Steuerfestsetzungen erweist sich nicht deshalb als im Ergebnis zutreffend, weil selbst dann, wenn die Klägerin tatsächlich in der behaupteten Art und Weise aufgrund von objektiv fehlerhaften behördlichen Auskünften davon abgehalten worden wäre, zu einem früheren Zeitpunkt auf die deutsche Staatsangehörigkeit zu verzichten, nur eine Ablehnung der Anträge in Betracht käme.

24

Soweit das FG sein Urteil auch damit begründet hat, die Klägerin habe die streitbefangene Tätigkeitsvergütung im Ausland nicht versteuern müssen, kann daraus eine Ermessensreduzierung auf Null nicht abgeleitet werden. Der Erlass deutscher Einkommensteuern aus sachlichen Billigkeitsgründen ist auch möglich, wenn er im Ergebnis dazu führt, dass die Einkünfte steuerfrei bleiben. Denn der Maßstab für die Billigkeitsprüfung ist im Streitfall das deutsche Steuerrecht. Und dieses sieht in Art. 19 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA 1989 a.F. --unabhängig von einer etwaigen Besteuerung im Ausland-- die Steuerfreiheit der dort geregelten Tätigkeitsvergütungen vor, wenn sie an andere als deutsche Staatsangehörige gezahlt werden. Wird ein Steuerpflichtiger durch ein Fehlverhalten deutscher Behörden davon abgehalten, von dieser gesetzlich vorgesehenen Steuerfreiheit Gebrauch machen zu können, kann ein deswegen gestellter Antrag auf Billigkeitserlass folglich nicht allein mit dem Verweis auf die ansonsten gegebene Steuerfreiheit abgelehnt werden.

25

b) Entgegen dem Hauptbegehren der Kläger kann der Senat auch nicht wegen einer Ermessensreduzierung auf Null im umgekehrten Sinne den Erlassanträgen stattgeben. FA und FG haben keine näheren Feststellungen dazu getroffen, ob, wann und auf welche Weise die Klägerin die behaupteten falschen Auskünfte erhalten hat. Im angefochtenen Urteil werden die diesbezüglichen Ausführungen der Kläger lediglich ganz allgemein und im Rahmen des streitigen Beteiligtenvorbringens wiedergegeben. Für die Beurteilung des Ausmaßes und der Intensität etwaiger behördlicher Falschauskünfte und der damit korrespondierenden Anforderungen an die Sorgfaltsobliegenheiten der Klägerin sind nähere Feststellungen hierzu indes unerlässlich. Diese sind vom FA nachzuholen.

26

4. Die Vorinstanz ist von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil und die angefochtenen Bescheide des FA sind deshalb aufzuheben; das FA wird verpflichtet, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 121 Satz 1, § 101 Satz 2 FGO).

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.

(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Steueransprüche gegen den Steuerschuldner können nicht gestundet werden, soweit ein Dritter (Entrichtungspflichtiger) die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten, insbesondere einzubehalten und abzuführen hat. Die Stundung des Haftungsanspruchs gegen den Entrichtungspflichtigen ist ausgeschlossen, soweit er Steuerabzugsbeträge einbehalten oder Beträge, die eine Steuer enthalten, eingenommen hat.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.