Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 22. Juni 2015 - 3 M 49/15, 3 M 52/15, 3 M 55/15, 3 M 57/15, 3 M 58/15

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2015:0622.3M49.15.0A
bei uns veröffentlicht am22.06.2015

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den (Sammel-)Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 3. Kammer - vom 5. Februar 2015 werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des jeweiligen Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das jeweilige Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerden der Antragsteller haben keinen Erfolg.

2

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin bei der Antragsgegnerin im 1. klinischen Semester zum Wintersemester 2014/2015. Sie sind der Auffassung, die tatsächliche Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mit der in § 2 der Ordnung der Antragsgegnerin über die Festsetzung von Zulassungszahlen für Studienplätze im zentralen Vergabeverfahren im Wintersemester 2014/2015 und im Sommersemester 2015 vom 24. April 2014 auf 193 Studienplätze festgesetzten Zulassungszahl nicht ausgeschöpft. Nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten, im Beschwerdeverfahren nochmals korrigierten Belegungsliste waren im Wintersemester 2014/2015 198 Studierende im 1. klinischen Semester immatrikuliert.

3

Die hiergegen erhobenen Beschwerden der Antragsteller, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die von ihnen dargelegten Gründe beschränkt ist, sind zulässig, jedoch nicht begründet.

4

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass im 1. Semester des klinischen Abschnitts jedenfalls nicht mehr als 198 Studienplätze zur Verfügung stehen.

5

Soweit einige Antragsteller im Hinblick auf einen geltend gemachten innerkapazitären Studienplatz (sinngemäß) das innerkapazitäre Besetzungsverfahren in Frage stellen, zeigen sie zum einen nicht auf, aus welchen Gründen die mit Ordnungsnummer 42 der Generalakte vorgelegte Belegungsliste des 5. Fachsemesters, welche Matrikelnummer, Anfangsbuchstaben des Vor- und Nachnamens und Anzahl der jeweiligen Fachsemester ausweist, nicht hinreichend aussagekräftig ist und zum anderen, aus welchen Gründen entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts (BA S. 7 f.) die innerkapazitäre Besetzung der Studienplätze rechtsfehlerhaft erfolgt sein könnte. In der Belegungsliste des 1. klinischen Semesters im Wintersemester 2014/2015 sind ausweislich der dienstlichen Erklärung des Studiendekans der Antragsgegnerin - wie in den vergangenen Jahren - ausschließlich Studierende enthalten, die den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erfolgreich absolviert haben.

6

Die Aufnahmekapazität im klinischen Studienabschnitt des Studiengangs Humanmedizin wird dergestalt ermittelt, dass zunächst eine Berechnung auf Grund der personellen Ausstattung unter Anwendung von Curricularnormwerten erfolgt, welche anhand der weiteren kapazitätsbestimmenden Kriterien gemäß den Vorschriften der §§ 14 bis 19 KapVO LSA zu überprüfen ist. Für den klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin ist dieses Berechnungsergebnis insbesondere anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren zu überprüfen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KapVO LSA). Da eine ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden im klinischen Teil von einer ausreichenden Anzahl geeigneter Patienten (§ 14 Abs. 2 Nr. 4 KapVO LSA) abhängig ist und diese die mögliche Zulassungszahl in jedem Fall gemäß § 17 Abs. 2 KapVO LSA limitieren, steht es im Einklang mit den Regelungen der Kapazitätsverordnung, dass die Antragsgegnerin ihrer Kapazitätsberechnung maßgeblich diese patientenbezogenen Einflussfaktoren zugrunde gelegt hat.

7

Soweit einige Antragsteller die Frage aufwerfen, inwieweit Lehrleistungen aus der Lehreinheit Gesundheits- und Pflegewissenschaften zu berücksichtigten sind, wird bereits nicht dargelegt, inwieweit dieser Umstand bei einer auf patientenbezogene Einflussfaktoren beruhenden Kapazitätsberechnung entscheidungserheblich sein könnte. Das Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften der Medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin bietet zum einen den Bachelor-Studiengang „Gesundheits- und Pflegewissenschaften“ an, welcher als ausbildungsintegrierender Studiengang aufgebaut ist, der die berufliche Ausbildung mit der wissenschaftlichen Ausbildung an einer Universität verzahnt. Besonderheit ist die Zusammenführung verschiedener Gesundheitsberufe (Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger, Hebamme/Entbindungspfleger, Physiotherapeut, Logopäde, Ergotherapeut, Diätassistent, Medizinisch-technischer Assistent für Radiologie, Medizinisch-technischer Assistent für Funktionsdiagnostik) unter einem Dach. Die Regelstudienzeit beträgt acht Semester. Der weiter angebotene Masterstudiengang „Gesundheits- und Pflegewissenschaften“ ist ein konsekutiver Studiengang, der fachvertiefend auf den Bachelorstudiengängen der Gesundheits- und Pflegewissenschaften, -pädagogik sowie des Gesundheits-/Pflegemanagements aufbaut. Die Regelstudienzeit beträgt vier Semester. Inwieweit die Ausbildung in dem Bachelor- bzw. Masterstudiengang die Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität im klinischen Abschnitt des Studiengangs Humanmedizin beeinflussen könnte, wird mit der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt.

8

Als patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO LSA für den klinischen Studienabschnitt 15,5 v.H. der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten anzusetzen. Die Antragsgegnerin hat die Gesamtzahl der tagesbelegten Betten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise anhand der sog. Mitternachtszählung auf 821 bestimmt.

9

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist es bei der Ermittlung der tagesbelegten Betten nicht zwingend geboten, auch die sog. tagesklinischen Betten in die Berechnung der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten einzubeziehen. Der Einwand der Antragsteller, dass die „stationäre“ Ausbildung von Studenten an Patienten in Tageskliniken, welche nur von einigen Hochschulen bei der Zählung der tagesbelegten Betten erfasst werden, nach dem Einführung der Fallpauschalen die vollstationäre Ausbildung zunehmend ersetze, greift nicht durch.

10

Bei der erstmaligen Festlegung der Parameter für Patientenbelastbarkeit und Eignungswahrscheinlichkeit, welche der Bestimmung der patientenbezogenen jährlichen Aufnahmekapazität zugrunde liegen, lagen Pauschalwerte des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 1976 vor (vgl. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zu Aufgaben, Organisation und Ausbau der medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten, zitiert nach OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.10.2013 - 2 NB 47/13 -, juris Rdnr. 40 f.). Damals wurde für den stationären Bereich davon ausgegangen, dass bezogen auf die tagesbelegten Betten ein Drittel der Patienten für Ausbildungszwecke geeignet ist, jeder geeignete Patient zweimal in der Woche einer studentischen Arbeitsgruppe vorgestellt werden kann und die Gruppengröße mit 5 anzusetzen ist. Eine spätere Auswertung der an 26 Universitätskliniken und Tausenden von Patienten erhobenen Daten führten unter Einbeziehung der Empfehlungen verschiedener Fachgremien zu der Entschließung, ein den Erfordernissen der Lehre angepasstes mittleres Bettenmodell eines Universitätsklinikums bei 85%-iger Auslastung zum Ausgangspunkt für die Bemessung der patientenbezogenen Kapazität im stationären Bereich zu nehmen und in einem weiteren Schritt die Einzelkapazitäten für jedes klinische Fach zu ermitteln. Diese empirische Überprüfung ergab für den stationären Bereich eine höhere Eignungswahrscheinlichkeit der Patienten für die Lehre von 46 % gegenüber 33 % nach dem Ansatz der Kapazitätsverordnung sowie eine niedrigere wöchentliche Belastbarkeit der Patienten von 1,36 Unterrichtsstunden je Semesterwoche gegenüber dem damals geltenden Modell der Kapazitätsverordnung (vgl. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität in der Medizin vom 12.12.1988, Drs. 9254/88 S. 18 f., veröffentlicht unter www.wissenschaftsrat.de). Für die Einbeziehung der poliklinischen Patienten in den Unterricht ergab die Untersuchung ebenfalls erhebliche Unterschiede gegenüber den Annahmen der damals geltenden Kapazitätsverordnung. Danach erhöhten die tatsächlich für den poliklinischen Unterricht herangezogenen Patienten die Kapazität (nur) um einen Aufnahmeplatz je 20.000 poliklinische Neuzugänge, während die Kapazitätsverordnung einen Aufnahmeplatz je 1.000 Neuzugänge vorsah und vorsieht. Die Untersuchung von 1986 führte dann zu der Empfehlung, den Prozentsatz der tagesbelegten Betten von 20 % auf 16,2 % zu senken (vgl. zum Vorgehenden: Lohfert, „Spielt die Patientenverfügbarkeit für die Kapazitätsberechnung eine große Rolle?“, Vortrag auf dem Medizinischen Fakultätentag 2010, www.mft-online.de/files/seite_198.pdf). Dennoch hat es der Verordnungsgeber noch bis 1994 bei dem Parameter von 20 % der tagesbelegten Betten für den stationären Bereich belassen. Erst als die Anhebung des bis dahin auf 6,5 festgesetzten Curricularnormwerts auf 7,27 im Hinblick auf die Neufassung der Ärztlichen Approbationsordnung vom 14. Juli 1987 (BGBl. I S. 1593) erfolgte, sah sich der Normgeber veranlasst, dieser Empfehlung zu folgen. Die veränderte Ausbildungsstruktur hatte nicht nur den Personalbedarf erhöht, sondern auch den patientenbezogenen Engpass weiter verschärft. Eine nochmalige Anhebung des Curricularnormwertes auf nunmehr 8,2 und eine weitere Absenkung der patientenbezogenen Kapazität brachte schließlich die 2003 in Kraft getretene Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 (BGBl. I S. 2405). Bei den Unterrichtsveranstaltungen (§ 2 ÄApprO) traten die Vorlesungen zugunsten von praktischen Übungen und Seminaren in kleinen Gruppen in den Hintergrund. Ferner wurden erstmals integrierte Lehrveranstaltungen und Seminare zur Vermittlung klinischer Inhalte und Bezüge bereits während des vorklinischen Studienabschnitts eingeführt. Im Hinblick darauf sahen sich die Länder veranlasst, die patientenbezogene Ausbildungskapazität im stationären Bereich (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO LSA) auf 15,5 % der tagesbelegten Betten zu senken (zum Vorgehenden: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.11.2011 - OVG 5 NC 60.11 -, juris Rdnr. 23 f.).

11

§ 17 KapVO LSA unterscheidet nur zwischen zwei Kategorien von Patienten, nämlich denen, die vollstationär in das jeweilige Krankenhaus aufgenommen sind (Absatz 1 Satz 2 Nr. 1), und denen, die zwar in einem Krankenhaus behandelt werden, sich dort aber unabhängig von der Art der Behandlung (z.B. Diagnostik, Operation, psychiatrische Behandlung etwa in der Form von Gesprächs- oder Verhaltenstherapien) nur bis zu 24 Stunden aufhalten (in Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 zusammengefasst als Poliklinische Neuzugänge [PNZ]). Dementsprechend sind die auf tagesklinischen Behandlungsplätzen geführten Patienten der zweiten Kategorie zuzurechnen, denn Tageskliniken sind definitionsgemäß Einrichtungen der ambulanten/teilstationären Patientenbetreuung, deren Ressourcen es gestatten, Patienten bis zu 24 Stunden zu behandeln und zu betreuen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.09.2014 - OVG 5 NC 120.13 -, juris Rdnr. 12). Kennzeichnend ist hier eine zeitliche Beschränkung auf die Behandlung tagsüber, bei der die Nacht zu Hause verbracht wird (Tageskliniken), oder auf die Behandlung abends und nachts, bei der der Patient sich tagsüber in seinem normalen Umfeld bewegt (Nachtkliniken). Aus der zeitlichen Beschränkung und den praktischen Anwendungsbereichen ist ersichtlich, dass die teilstationäre Behandlung zwar keine „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ der Patienten darstellt, sich die Behandlung aber auch nicht im Wesentlichen im Rahmen eines Tagesaufenthalts im Krankenhaus erschöpft. Vielmehr erstrecken sich teilstationäre Krankenhausbehandlungen auf Grund der im Vordergrund stehenden Krankheitsbilder regelmäßig über einen längeren Zeitraum, wobei allerdings die medizinisch-organisatorische Infrastruktur eines Krankenhauses benötigt wird, ohne dass eine ununterbrochene Anwesenheit des Patienten im Krankenhaus notwendig ist (vgl. BSG, Urt. v. 04.03.2004 - B 3 KR 4/03 -, juris Rdnr. 28).

12

Vor dem Hintergrund, dass nur stundenweise in den Krankenhausbetrieb eingegliederte Patienten aus organisatorischen Gründen seltener für die Ausbildung verfügbar sind und ihrer Eignungswahrscheinlichkeit und Belastbarkeit Grenzen gesetzt sind, macht die Abgrenzung von tagesbelegten Betten einerseits und PNZ andererseits aus kapazitätsrechtlicher Sicht Sinn. Insbesondere lässt eine kürzere Verweildauer der Patienten in Universitätskliniken die Faktoren Patienteneignung und -belastbarkeit nicht unberührt. Den vorgenannten Modellberechnungen aus dem Jahr 1986, welche zur näheren Bestimmung des Faktors „tagesbelegte Betten“ führten, lagen Studien zur Ausbildungseignung der aufgenommen stationären Patienten zugrunde. Von der Gesamtsumme der aufgenommenen vollstationären Patienten wurden zunächst 7 % abgezogen, da diese in ungeeigneten Pflegebereichen aufgenommen worden waren. Von den verbleibenden 93 % waren 20 % aus medizinischen und 12 % aus didaktischen Gründen nicht für die Ausbildung von Studenten geeignet. Weitere 9 % waren nicht verfügbar wegen persönlicher Vorbehalte und weitere 6 % aus organisatorischen Gründen nicht für die Lehre verfügbar (vgl. Lohfert, a. a. O.), sodass - wie oben bereits ausgeführt - 46 % der stationären Patienten als für die studentische Ausbildung geeignet angesehen worden waren.

13

Bei einer Veränderung der Basiszahl durch die zusätzliche Aufnahme von Betten, welche für eine teilstationäre Behandlung an tagesklinischen Behandlungsplätzen genutzt werden, ist jedenfalls nicht offenkundig, dass diese Patienten hinsichtlich sämtlicher der o. g. Kriterien (geeigneter Pflegebereich, Eignung aus medizinischen und didaktischen Gründen, keine entgegenstehende Verfügbarkeit wegen persönlicher Vorbehalte oder aus organisatorischen Gründen) und des Faktors der wöchentlichen Belastbarkeit eines Patienten die Vergleichsgruppe der (voll-)stationär aufgenommenen Patienten so homogen ergänzen, dass die Annahmen der oben dargestellten Modellrechnung ohne weiteres auch auf eine um teilstationär aufgenommene Patienten und von diesen belegten Betten erweiterte Zahl der tagesbelegten Betten übertragbar ist (zu den Unterschieden der Behandlung vollstationär und teilstationär aufgenommener Patienten in Universitätskliniken: VG Freiburg, Urt. v. 06.02.2012 - NC 6 K 2436/08 -, juris Rdnr. 42).

14

Gleiches gilt Berücksichtigung der Gruppe der gesunden Neugeborenen, welche ausweislich der dienstlichen Erklärung der kaufmännischen Leitung der Antragsgegnerin vom 22. April 2015 nicht in die Berechnung der tagesbelegten Betten einbezogen worden sind. Selbst wenn diese Gruppe aufgrund der von einigen Antragstellern angeführten Untersuchungen (U1-Untersuchung, Hörscreening, Sonographie der Hüftgelenke) eine gewisse Ausbildungsrelevanz aufweisen dürften, so ist doch anzunehmen, dass diese bei der Bestimmung des Parameters von 15,5 % nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO LSA hinsichtlich ihrer Ausbildungseignung und -belastbarkeit nicht gesondert neben der Mutter, sondern zusammen mit dieser berücksichtigt wurden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 21.04.2015 - 3 Nc 121/14 -, juris Rdnr. 13), zumal es sich bei einer stationären Entbindung nicht um eine Krankenhausbehandlung i. S. d. § 39 SGB V handelt (vgl. BSG, Urt. v. 18.06.2014 - B 3 KR 10/13 R -, juris Rdnr. 20). In der Statistik der aufgestellten Betten, die zur vollstationären Behandlung von Patienten bestimmt sind, werden Betten für gesunde Neugeborene nicht einbezogen (vgl. Statistisches Bundesamt, Gesundheit, Grunddaten der Krankenhäuser 2013, Erläuterungen S. 2, veröffentlicht unter: www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/ Krankenhaeuser/GrunddatenKrankenhaeuser2120611137004.pdf?__blob=publicationFile). Anderweitige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich.

15

Es besteht auch kein Anlass, im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung neben den vollstationären Patienten und den poliklinischen Neuzugängen eine dritte Gruppe von heranzuziehenden Patienten auf teilstationär geführten Behandlungsplätzen zu definieren. Um eine erschöpfende Kapazitätsauslastung zu gewährleisten ist der Normgeber zwar verpflichtet, von Annahmen auszugehen, die dem aktuellen Erkenntnis- und Erfahrungsstand entsprechen. Wie nahezu alle Parameter des Kapazitätsrechts sind allerdings die Eingabegrößen, die den patientenbezogenen Engpass bestimmen, in ihrer Höhe nicht im naturwissenschaftlichen Sinne beweisbar. Zwar soll das System der Kapazitätsermittlung die realen Gegebenheiten soweit wie möglich zutreffend widerspiegeln. Einzelfallgerechtigkeit kann es aber nicht leisten, weil dies ein Verfahren mit einer nahezu unbeschränkten Anzahl von Eingabegrößen voraussetzen würde und damit intransparent und kaum noch praktikabel wäre. Die Kapazitätsverordnung arbeitet deshalb mit einem System aufeinander abgestimmter, hochaggregierter Parameter, die ihrerseits eine Vielzahl von Einzeltatbeständen berücksichtigen. Auf diese vielfältigen Abhängigkeiten unter den kapazitätsrelevanten Einzelgrößen, die einen rechtlichen Zusammenhang bilden, muss die richterliche Kontrolle einzelner Parameter Rücksicht nehmen. Dies geht mit einer Beobachtungs- und Überprüfungspflicht sowie ggf. mit einer Nachbesserungspflicht einher. Dem Verordnungsgeber steht bei der Frage, ob und in welchem Umfang Folgen aus dem Umstand der Verringerung der stationären Patientenressourcen zu ziehen sind, ein Einschätzungsspielraum zu (vgl. zum Vorgehenden: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.03.2014 - OVG 5 NC 13.13. -, juris Rdnr. 14; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 22.08.2013 - 2 NB 394/12 -, juris Rdnr. 18). Hierbei ist es hinsichtlich des kapazitätsrelevanten Parameters der „tagesbelegten Betten“ in erster Linie die Aufgabe des Verordnungsgebers zu entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang er welche Konsequenzen in Bezug auf die Ausbildungskapazität aus einer - vermeintlichen - Wandlung der stationären medizinischen Behandlung zieht und in welcher Weise er die Eingabegrößen, die zugleich die Belange der Wissenschaft in Forschung und Lehre, der Ausbildung und der Gesundheitspflege zum Ausgleich zu bringen bestimmt sind, ggf. anpasst (vgl. zu den Grenzen richterlicher „Richtigkeitskontrolle“ im Hochschulkapazitätsrecht: BVerwG, Urt. v. 17.12.1986 - 7 C 41.84 u. a. -, juris Rdnr. 9).

16

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist das Verwaltungsgericht entsprechend der vorstehenden Ausführungen zu Recht davon ausgegangen, dass die Zahl der tagesbelegten Betten auf der Grundlage der sogenannten Mitternachtszählung ermittelt werden kann. Die Zahl der tagesbelegten Betten ihrer Kliniken hat die Antragsgegnerin anhand der statistischen Erfassung der um Mitternacht belegten Betten ermittelt. Diese Zählweise geht von einem stationär aufgenommenen Patienten aus, der sich in der Regel mehrtägig und während des gesamten Tages im Klinikum aufhält (sog. Übernachtungspatient). Diese Methode knüpft inhaltlich an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Abgrenzung von vollstationärer zu ambulanter, vor- und nachstationärer sowie teilstationärer Behandlung an, wonach die vollstationäre Behandlung eine physische und organisatorische Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses voraussetzt. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die Behandlung nach dem maßgeblichen Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt (vgl. BSG, Urt. v. 19.09.2013 - B 3 KR 34/12 R -, juris Rdnr. 13 m. w. N.).

17

Die Methode der Mitternachtszählung ist nach wie vor ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für die Ermittlung von Patientenzahlen zur Berechnung der patientenbezogenen Kapazität. Es ist den Antragstellern zwar zuzugestehen, dass die Zeitdauer des stationären Krankenhausaufenthaltes eines Patienten - anders als möglicherweise im Jahr 1986 - mittlerweile minutengenau erfasst werden kann, wie auch die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung erörterten sog. Stundenfälle zeigen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 17.01.2012 - L 4 KR 54/06 -, juris Rdnr. 26). Allein der Umstand, dass eine minutengenaue Erfassung eines Krankenhausaufenthaltes technisch möglich ist, rechtfertigt indes noch nicht die Annahme, dass mit der Wahl eines anderen Tageszeitpunktes der Zählung die Zahl der zu berücksichtigenden vollstationären (ausbildungsgeeigneten) Patienten wirklichkeitsnäher abgebildet wird. Sofern in diesem Zusammenhang angeregt wird, dass die Verwaltungsgerichte einen anderen Zeitpunkt als Mitternacht - etwa in Gestalt einer Mittagsstatistik - für die Erfassung stationärer Patienten zu bestimmen haben, wird schon nicht aufgezeigt, welcher Zeitpunkt besser als die Mitternachtszählung geeignet wäre, die Zahl der tagesbelegten Betten im vorgenannten Sinne wirklichkeitsnäher zu bestimmen. Hinzu kommt, dass Sinn und Zweck des höchstmöglichen Aufschlages des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KapVO LSA i. H. v. 50 v. H. es ist, gerade die Patienten pauschal zu berücksichtigen, die zwar der Ausbildungskapazität zugute kommen, aber zur Zeit der Mitternachtszählung nicht mehr in der Klinik sind. Dass dieser Aufschlag die gegenwärtige reale Situation nicht mehr abdeckt, haben die Antragsteller nicht dargelegt. Davon, dass sich die Zahl der tagesbelegten Betten bei der Antragsgegnerin bereits in einem Maße verringert hätte, dass eine Kapazitätsermittlung auf der Basis der sog. Mitternachtszählung offenkundig gegen das Kapazitätserschöpfungsgebot verstieße, kann ebenfalls keine Rede sein. In den Jahren 2010 bis 2013 ist die für die patientenbezogene Kapazität maßgebliche Zahl der tagesbelegten Betten (825, 821, 835, 821) bei der Antragsgegnerin im Wesentlichen gleich geblieben.

18

Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Zahlen im Hinblick auf die tagesbelegten Betten stehen auch im Einklang mit den Stellungnahmen des Wissenschaftsrates zur weiteren Entwicklung der Universitätsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 9. Juli 2009 (Drs. 9283-09) und der in der Verfügung des Senats vom 18. März 2015 angeführten Stellungnahme des Wissenschaftsrates vom 12. Juli 2013 (Drs. 3258-13, jeweils veröffentlicht unter www.wissenschaftsrat.de) sowie dem dort aufgeführten statistischen Datenmaterial, welches auf die Krankenhausplanung des Landes Sachsen-Anhalt Bezug nimmt, so dass den Anregungen einiger Antragsteller, die Basiszahlen der Berechnung bezogen auf alle Kliniken der Antragsgegnerin bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beizuziehen, nicht nachgekommen werden brauchte. Der Senat lässt es dabei offen, ob bei der Berechnung der patientenbezogenen Kapazität gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO LSA zwingend auch die privat versicherten Patienten mitzuzählen sind (vgl. zum Streitstand: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.04.2008 - 13 C 67/08 -, juris Rdnr. 4 f.). Angesichts des vergleichsweise geringen Anteils von privat versicherten Personen an der Gesamtheit der in den neuen Bundesländern lebenden Bevölkerung ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit diese Frage in Bezug auf die medizinische Fakultät der Antragsgegnerin statistisch relevant sein könnte (vgl. hierzu auch das o. g. Gutachten des Wissenschaftsrates v. 09.07.2009, S. 75 f.). Die Antragsgegnerin hat zudem im Beschwerdeverfahren ausgeführt, dass sowohl privat versicherte als auch ausländische Patienten in die Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten einbezogen worden sind. Die Antragsgegnerin hat ferner dargelegt, dass vollstationär aufgenommene Patienten, welche auf „tagesklinischen“ Betten geführt worden sind, bei der Ermittlung der tagesbelegten Betten einbezogen worden sind. Zudem seien die Patienten der Tagesklinik Dialyse aufgrund ihres geringen Anteils der Einfachheit halber bei den 44 tagesbelegten Betten des vollstationären Bereichs der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin II berücksichtigt worden.

19

Die von der Antragstellerin angegebene Zahl der tagesbelegten Betten ist auch angesichts der Zahl der aufgestellten Betten nach dem vorliegend noch maßgeblichen Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt ab dem Jahr 2011 plausibel (vgl. Beschluss der Landesregierung über den Krankenhausplan ab 2011 vom 30.11.2010, MBl. LSA 2011, S. 73). Hiernach beträgt die Zahl der bei der Antragsgegnerin aufgestellten Betten 1.048. Ausweislich der vorgenannten Stellungnahme des Wissenschaftsrates vom 12. Juli 2013 (S. 184) lag die Zahl der aufgestellten Betten bei der Antragsgegnerin im Jahresdurchschnitt im Jahr 2009 bei 1.048, im Jahr 2010 bei 1.039 und im Jahr 2011 bei 1.037. Ferner schwankte der Nutzungsgrad der aufgestellten Betten in den letzten (statistisch erfassten) Jahren von 2009 bis 2011 zwischen 79,7 % und 79,3 %, was umgerechnet einem Nutzungsgrad von 835 bis 823 Betten entspricht.

20

Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der genannten Zahlen liegen nicht vor. Abgesehen davon sieht der Senat Erklärungen eines in einem öffentlichen Dienstverhältnis stehenden, der Wahrheit verpflichteten Mitarbeiters der Hochschule als glaubhaft an, sofern sie nicht substantiiert in Zweifel gezogen werden, in sich widersprüchlich oder offenkundig falsch sind. Hierfür bestehen nach den gegenwärtigen Gesamtumständen - bezogen auf die Zahl der tagesbelegten Betten - keine Anhaltspunkte.

21

Von den danach zu berücksichtigenden 821 tagesbelegten Betten sind entsprechend den obigen Ausführungen gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 KapVO LSA 15,5 v.H., also 127,255 als für die patientenbezogene Ausbildung zur Verfügung stehend anzusetzen. Diese Zahl ist gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 KapVO LSA je 1.000 PNZ um Eins (Satz 1), höchstens jedoch um 50 v.H. (Satz 2) zu erhöhen, weil davon auszugehen ist, dass das Ergebnis der Berechnung nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 KapVO LSA niedriger ist als es das Berechnungsergebnis nach §§ 6 f. KapVO LSA wäre. Die Zahl der PNZ beziffert die Antragsgegnerin auf 103.756, woraus sich ein Erhöhungswert von 103,756 ergäbe. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KapVO LSA ist die Erhöhung des Durchschnittswertes auf 50 v.H. der Zahl nach Nummer 1, also (127,255 ÷ 2 =) 63,628 zu begrenzen, so dass sich ein Gesamtwert von (127,255 + 63,628 =) 190,88 ergibt. Geteilt durch den Schwundfaktor von 0,9908 ergibt dies die Aufnahmekapazität von 192,652, gerundet 193 Studienplätze.

22

Entgegen der Auffassung einiger Antragsteller ist es auch nicht zwingend geboten, die nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO LSA zu ermittelnde Gesamtzahl der tagesbelegten Betten nach dem Mittelwert der tagesbelegten Betten der letzten drei Jahre zu bemessen. Maßgeblich für die Berechnung sind grundsätzlich die Ergebnisse des dem Berechnungszeitraum vorangegangenen Kalenderjahres, sofern diese Werte den aktuellen Stand einer kontinuierlichen Entwicklung wiedergeben, die sich in der Zukunft voraussichtlich fortsetzen wird; nur anderenfalls ist der Mittelwert der vergangenen drei Jahre zu bilden (vgl. VG Göttingen, Beschl. v. 27.04.2012 - 8 C 1/12 -, juris Rdnr. 76). Selbst wenn man den aus den Kapazitätsberichten der vergangenen Jahre entnommenen Durchschnittswert der letzten drei Jahre (2011: 821, 2012: 835, 2013: 821), mithin 15,5 % von aufgerundet 826 Betten, also 128,03 ansetzen würde, würde dies nach Erhöhung um die Zahl der berücksichtigungsfähigen PNZ (128,03 ÷ 2 =) 64,015 einen Gesamtwert von 192,045 ergeben. Geteilt durch den Schwundausgleichsfaktor von 0,99048 ergäbe dies eine Aufnahmekapazität von 193, 891 gerundet 194 Studienplätze, welche nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten Belegungsliste bereits besetzt sind.

23

Soweit mit den Beschwerden die Auffassung vertreten wird, dass die außeruniversitären Krankenanstalten, mit denen die Antragsgegnerin nur hinsichtlich der Ausbildung im Praktischen Jahr des Studiengangs Medizin zusammenarbeite, in die klinische Ausbildung mit einbezogen werden müssten, greift dieser Einwand nicht durch. Außeruniversitäre (Lehr-)Krankenhäuser sind nur dann in die Ausbildung und damit nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO LSA in die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität einzubeziehen, wenn die Hochschule mit entsprechend geeigneten Einrichtungen verbindliche und auf Dauer angelegte Vereinbarungen geschlossen hat, welche die Erbringung von Lehrleistungen im Studienabschnitt zwischen dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und dem Beginn des Praktischen Jahres vorsehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.03.2014 - OVG 5 NC 69.13 -, juris Rdnr. 23; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.10.2013 - 13 C 89.13 -, juris Rdnr. 5). Anhaltspunkte dafür, dass an außeruniversitären Krankenanstalten zu berücksichtigender Unterricht geleistet wird, bestehen nicht. Aus dem Veranstaltungsverzeichnis der Antragsgegnerin für das Wintersemester 2014/2015 und Sommersemester 2015 (studip.uni-halle.de/mlu_vv.php) ist für die Semester 5 bis 10 nicht ersichtlich, dass an außeruniversitären Krankenanstalten Unterricht durchgeführt wird. Die Antragsgegnerin hat sich nach den vorgelegten dienstlichen Erklärungen bislang nur für Vereinbarungen mit den akademischen Lehrkrankenhäusern entschieden, die ausnahmslos den Lehraufwand im Praktischen Jahr betreffen.Eine Verpflichtung, zur Schaffung weiterer Studienplätze entsprechende Vereinbarungen mit anderen Kliniken abzuschließen bzw. bestehende Kooperationen entsprechend auszugestalten, lässt sich aus dem Kapazitätserschöpfungsgebot nicht ableiten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.03.2014, a. a. O.).

24

Insoweit kann offen blieben, ob zu den vereinbarungsgemäß auf Dauer durchgeführten Lehrveranstaltungen in außeruniversitären Krankenanstalten, die in Anwendung des § 17 Abs 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO LSA zur Erhöhung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität führen, nur der Unterricht am Krankenbett, nicht aber Blockpraktika zählen (so OVG Hamburg, Beschl. v. 21.04.2015, a. a. O. Rdnr. 18; siehe auch OVG Niedersachsen, Beschl. v. 17.11.2014 - 2 NB 81/14 -, juris Rdnr. 24 zur Abgrenzung gegenüber einer Neuberechnung der patientenbezogenen Kapazität in einem Modellstudiengang).

25

Soweit einige Antragsteller hilfsweise die Zulassung in einem vorklinischen Fachsemester begehren, hat das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass es für einen solchen Antrag am Rechtsschutzbedürfnis fehle (BA S. 8). Dieser Auffassung wird mit der Beschwerdebegründung nicht - weiter - entgegengetreten.

26

Die Kostenentscheidung für die Beschwerdeverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Höhe des Streitwertes folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Danach ist der Auffangstreitwert anzunehmen, wenn der bisherige Sach- und Streitstand - wie hier - keine genügenden Anhaltspunkte dafür bietet, den Streitwert nach der sich aus dem Antrag des jeweiligen Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

27

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 22. Juni 2015 - 3 M 49/15, 3 M 52/15, 3 M 55/15, 3 M 57/15, 3 M 58/15 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

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(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bish

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 22. Juni 2015 - 3 M 49/15, 3 M 52/15, 3 M 55/15, 3 M 57/15, 3 M 58/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 22. Juni 2015 - 3 M 49/15, 3 M 52/15, 3 M 55/15, 3 M 57/15, 3 M 58/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 21. Apr. 2015 - 3 Nc 121/14

bei uns veröffentlicht am 21.04.2015

Tenor Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 2014 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdev

Bundessozialgericht Urteil, 18. Juni 2014 - B 3 KR 10/13 R

bei uns veröffentlicht am 18.06.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Februar 2013 geändert und die Klage abgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 19. Sept. 2013 - B 3 KR 34/12 R

bei uns veröffentlicht am 19.09.2013

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. November 2012 wird zurückgewiesen.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 31. Jan. 2013 - 8 C 1/12

bei uns veröffentlicht am 31.01.2013

Tatbestand 1 Zwischen den Beteiligten ist die Kreisumlage für das Jahr 2009 streitig. 2

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,– Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

I.

2

Der Antragsteller begehrt seine Zulassung zum Studiengang Medizin im 1. klinischen Semester (5. Fachsemester) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2014/15.

3

Seit dem Wintersemester 2012/2013 wird das Studium der Medizin am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) als Modellstudiengang (integrierter Modellstudiengang Medizin – iMED) gemäß § 41 ÄApprO durchgeführt, während der herkömmliche Studiengang ausläuft.

4

Mit der Verordnung über Zulassungsbeschränkungen und Zulassungszahlen für die Universität Hamburg für das Wintersemester 2014/2015 und das Sommersemester 2015 vom 3. Juli 2014 (HmbGVBI. S. 267 – Zulassungszahlenverordnung) wurden für das Studienfach „Medizin 2. Abschnitt“ sowohl für das Wintersemester 2014/2015 als auch für das Sommersemester 2015 jeweils 302 Studienplätze für das erste Fachsemester festgesetzt. Die Festsetzung beruht auf dem Kapazitätsbericht, laut dem zum Berechnungsstichtag 2. Mai 2014 eine Aufnahmekapazität für den klinischen Teil des Medizinstudiums patientenbezogen ermittelt wurde. Eingestellt wurden zunächst 15,5 % von 1.132 tagesbelegten Betten der aufgeführten klinischen Zentren (175,41). 303.976 Poliklinische Neuzugänge gingen in der Weise in die Berechnung ein, dass für sie 50 % der eingestellten tagesbelegten Betten (87,71) addiert wurden. Zusätzlich wurde ein Anteil von 14,76 % für patientenbezogenen Unterricht durch Lehrleistungen außeruniversitärer Krankenanstalten berücksichtigt (38,84). Daraus wurde eine patientenbezogene Aufnahmekapazität von 301,96 Studienplätzen ermittelt (175,41 + 87,71 + 38,84). Ausweislich der eingereichten Belegungslisten befanden sich im Wintersemester 2014/15 insgesamt 352 Studierende im 1. und 48 Studierende im 2. klinischen Semester. 13 Studierende (des Regelstudiengangs) wechseln gemäß der mit Schriftsatz vom 17. April 2015 eingereichten Liste zum Sommersemester 2015 in das 1. klinische Semester.

5

Den Eilantrag des Antragstellers, der bei dem Antragsgegner keinen Studienplatz erhalten hat, wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Oktober 2014 ab. Trotz des Wegfalls des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung im Modellstudiengang iMed lasse sich die patientenbezogene Aufnahmekapazität entsprechend den Vorgaben des § 17 KapVO ermitteln. Die patientenbezogen berechnete Aufnahmekapazität, die unterhalb der aufgrund der personellen Ausstattung berechneten Aufnahmekapazität liege und daher maßgeblich sei, betrage 361 Studienplätze. Da zum Wintersemester 2014/15 bereits insgesamt 400 Studierende für das erste und zweite klinische Semester eingeschrieben seien, seien alle Studienplätze kapazitätswirksam besetzt. Bei der Berechnung der Aufnahmekapazität im Einzelnen ist das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Zahl der tagesbelegten Betten von der sogenannten Mitternachtszählung ausgegangen, hat aber anders als der Antragsgegner auch Privatpatienten berücksichtigt. Des Weiteren ist das Verwaltungsgericht deshalb zu einer höheren als der festgesetzten Kapazität gekommen, weil es bei den außeruniversitären Lehrveranstaltungen (vom Blockseminar Allgemeinmedizin abgesehen) die Blockseminare in die Berechnung kapazitätserhöhend einbezogen hat.

II.

6

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.

7

1. Das Beschwerdegericht lässt offen, ob das Beschwerdevorbringen die Begründung des Verwaltungsgerichts in der Weise erheblich erschüttert, dass darlegt ist, dass aufgrund fehlerhafter Annahmen des Verwaltungsgerichts mindestens ein Studienplatz mehr zur Verfügung steht. Jedenfalls hat die Beschwerde in der Sache deshalb keinen Erfolg, weil auch bei eingehender Prüfung über die kapazitätswirksam vergebenen Studienplätze hinaus kein weiterer Studienplatz zur Verfügung steht.

8

2. Die Überprüfung der gesamten Kapazitätsberechnung nach den Vorgaben der Kapazitätsverordnung ergibt für den Berechnungszeitraum 2014/2015, d.h. für das Wintersemester 2014/2015 und das Sommersemester 2015, eine Kapazität der Lehreinheit Klinische Medizin im klinischen Abschnitt des Studiengangs Medizin von 353 Studienplätzen (a). Da diese bereits kapazitätswirksam besetzt sind (b) bzw. erst für das Sommersester 2015 zur Verfügung stehen (c), ist zum Wintersemester 2014/2015 kein weiterer Studienplatz frei.

9

a) Im 1. Semester des klinischen Abschnitts stehen nicht mehr als 353 Studienplätze zur Verfügung.

10

(1) Aus dem Verzicht des Antragsgegners auf eine Berechnung der Kapazität auf Grund der personellen Ausstattung nach dem Zweiten Abschnitt der Kapazitätsverordnung kann die Beschwerde nichts herleiten. Eine gegenüber der patientenbezogenen Berechnung höhere Kapazität auf Grund der personellen Ausstattung würde aufgrund der in der Kapazitätsverordnung vorgesehenen Überprüfung des Berechnungsergebnisses gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 4, 17 KapVO nicht zu einer höheren Zulassungszahl führen, da in diesem Fall der Engpass bei den für die praktische Ausbildung erforderlichen Patienten besteht. Auf die patientenbezogene Berechnung käme es nur dann nicht an, wenn die aufgrund der personellen Ausstattung berechnete Kapazität niedriger wäre (vgl. § 17 Abs. 2 KapVO), was der Antragstellerseite indes nicht zum Erfolg verhelfen könnte.

11

(2) Für die Berechnung der patientenbezogenen jährlichen Aufnahmekapazität sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO in einem ersten Schritt die „Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums“ anzusetzen, d.h. sämtliche tagesbelegten Planbetten des Klinikums. Die Anlage 3 zur KapVO ist insoweit nicht von Bedeutung, weil sie nur der Stellenzuordnung zu den Lehreinheiten dient. Unberücksichtigt bleiben an dieser Stelle tagesbelegte Betten in anderen Kliniken, auch wenn dort Ausbildung für den Antragsgegner stattfindet (s.u. (4)). Dementsprechend bleibt auch die Facharztklinik Hamburg außer Betracht, die sich zwar auf dem gleichen Gelände wie das UKE befindet, aber eine selbstständige Einrichtung in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH ist.

12

Um gemäß der Zielsetzung des § 1 Abs. 1 KapVO eine erschöpfende Nutzung der Ausbildungskapazität zu erreichen, mithin die Kapazität aufgrund von möglichst aktuellen Daten zu ermitteln, ist die Gesamtzahl der tagesbelegten Betten nicht auf der Grundlage des dem Berechnungsstichtag vorhergehenden Kalenderjahres (so noch OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2014, 3 Nc 10/14, juris Rn. 19), sondern auf der Grundlage des dem Berechnungsstichtag vorhergehenden Studienjahres zu ermitteln, wenn aufgrund des gewählten Stichtags dadurch aktuellere Zahlen gewonnen werden können. Daher ist vorliegend aufgrund des Berechnungsstichtags 2. Mai 2014 die Zahl der tagesbelegten Betten für die Zeit vom 1. April 2013 bis 31. März 2014 maßgeblich. Die vom Antragsgegner mit Schreiben vom 25. Februar 2015 übermittelte Tabelle weist für diesen Zeitraum in Spalte 8 insgesamt 500.641 Pflegetage aus, in denen die Betten ganztätig oder weniger als 24 Stunden mit stationär aufgenommenen Patienten belegt waren. Diese Zahl umfasst auch Privatpatienten, die nach zutreffender Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO zu berücksichtigen sind (hierzu im Einzelnen OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2014, 3 Nc 10/14, juris Rn. 10 ff.). Des Weiteren sind auch die 24-Stunden-Fälle erfasst, also auch die nur tagsüber stationär aufgenommenen Patienten. Eine „Mitternachtszählung“ genügt nicht (ausführlich OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2014, 3 Nc 10/14, juris Rn. 20 ff.). Somit werden auch solche Patienten berücksichtigt, die tagsüber vollstationär aufgenommen werden, aber die Nacht über zu Hause verbringen („Tagesklinik“).

13

Nicht zu beanstanden ist, dass der Antragsgegner die von gesunden Neugeborenen belegten Betten nicht mit einbezieht. Selbst wenn auch gesunde Neugeborene zumindest eine gewisse Ausbildungsrelevanz aufweisen dürften, so ist doch anzunehmen, dass diese bei der Festlegung des Parameters von 15,5 % nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO hinsichtlich ihrer Ausbildungseignung und -belastbarkeit nicht separat neben ihrer Mutter, sondern zusammen mit dieser berücksichtigt wurden. Anderweitige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Ist somit schon die Ausbildungsrelevanz von Mutter und Neugeborenem mit der Zählung als 1 adäquat im genannten Parameter berücksichtigt, können die von gesunden Neugeborenen belegten Betten außer Betracht bleiben.

14

Aus den hiernach maßgeblichen 500.641 Pflegetagen (siehe die mit Schreiben vom 25. Februar 2015 übermittelte Bettenstatistik) errechnen sich durch Division mit der Anzahl der Tage des zugrunde gelegten Studienjahres 1.371,619 (500.641 / 365) tagesbelegte Betten. Hiervon sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO 15,5 % zu berücksichtigen, also 212,601.

15

Dafür, dass ein höherer patientenbezogener Parameter angewendet werden müsste, ist nichts ersichtlich. Es handelt sich zwar um einen aus den tatsächlichen Verhältnissen abgeleiteten Wert, der u.a. die Eignungwahrscheinlichkeit von Patienten für Unterricht, deren Belastbarkeit und den erforderlichen Umfang der Ausbildung am Patienten berücksichtigt, was jedoch nicht bedeutet, dass der Wert bei jeder Änderung dieser Verhältnisse anzupassen wäre. Vielmehr steht dem Verordnungsgeber grundsätzlich ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, wann eine Überprüfung angezeigt ist und welche normativen Konsequenzen daraus gezogen werden (ähnlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.3.2014, OVG 5 Nc 13.13, juris Rn. 18; OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.9.2010, 2 NB 394/09, juris Rn. 15; OVG Münster, Beschl. v. 1.10.2009, 3 B 1186/09, juris Rn. 9). Es gibt auch keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass der Wert von 15,5 % sich derart von den derzeitigen tatsächlichen Verhältnissen entfernt hat, dass im Verhältnis zu den vorhandenen Patienten insgesamt durchschnittlich tatsächlich erheblich mehr Unterricht am Patienten möglich ist als es der Parameter zulässt. Eher dürfte davon auszugehen sein, dass aufgrund kürzerer Verweildauer der Patienten im stationären Bereich dieser patientenbezogene Parameter herabgesetzt werden könnte, was insoweit zu einer niedrigeren Ausbildungskapazität führen würde.

16

(3) Die nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO errechnete Zahl erhöht sich, wenn sie niedriger als das Berechnungsergebnis des Zweiten Abschnitts der Kapazitätsverordnung ist, gemäß Nummer 2 dieser Vorschrift je 1000 poliklinische Neuzugänge im Jahr um die Zahl 1, jedoch höchstens um 50 %. Die Erhöhung ist mithin auf die errechnete Zahl von 212,601 vorzunehmen. Dabei sind nicht zusätzlich die außeruniversitären Lehrveranstaltungen einzubeziehen, die erst in einem weiteren Rechenschritt zu berücksichtigen sind (hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2014, 3 Nc 10/14, juris Rn. 32).

17

Unter der – hier zulasten des Antragsgegners gehenden – Annahme, dass die nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO errechnete Zahl niedriger als die personalbezogene Aufnahmekapazität ist, erhöht sich die Kapazität aufgrund von 307.005 poliklinischen Neuzugängen in der Zeit von April 2013 bis März 2014 (siehe Schreiben des Antragsgegners vom 25. Februar 2015) somit um 50 %, also um 106,301 auf 318,902.

18

(4) Die patientenbezogene Aufnahmekapazität ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO entsprechend zu erhöhen, soweit in außeruniversitären Krankenanstalten Lehrveranstaltungen für den klinisch-praktischen Abschnitt des Medizinstudiums vereinbarungsgemäß und auf Dauer durchgeführt werden. Dabei ist ausschließlich auf den Unterricht am Krankenbett und nicht auf Blockpraktika abzustellen. Denn die Unterrichtung im Rahmen von Blockpraktika ist auch nicht in die Ableitung des für die Bemessung der Aufnahmekapazität nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO maßgeblichen Parameters von 15,5 % eingeflossen, sondern nur der Unterricht am Krankenbett (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.11.2014, 2 NB 81/14, juris Rn. 24; vgl. ferner Lohfert/Lohfert/Muschter: „Überprüfung der Parameter der Kapazitätsverordnung zur Ermittlung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität im stationären und ambulanten Bereich“, Gutachten, mit dem die Eignungswahrscheinlichkeit und Belastbarkeit der stationären Patienten für den patientengebundenen praktischen Unterricht im klinischen Studienabschnitt 1986 empirisch überprüft wurde – sog. Lohfert-Gutachten, S. 8; OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2014, 3 Nc 10/14, juris Rn. 30). Dies entspricht der Differenzierung zwischen Unterricht am Krankenbett und Blockpraktika gemäß der Approbationsordnung für Ärzte. Diese unterscheidet in § 2 Abs. 1 Satz 4 als praktische Übungen Unterricht am Krankenbett, Praktika und Blockpraktika. Blockpraktika sind nach § 2 Abs. 3 Satz 12 ÄApprO Veranstaltungen von ein- bis sechswöchiger Dauer zur Differentialdiagnostik und -therapie der wichtigsten Krankheitsbilder unter Bedingungen des klinischen und ambulanten medizinischen Alltags. Für Blockpraktika gelten nicht die Vorgaben für Gruppengrößen von höchstens sechs (Patientendemonstration) bzw. drei (Untersuchung eines Patienten) beim Unterricht am Krankenbett gemäß § 2 Abs. 3 Satz 9 ÄApprO. Bei Blockpraktika erfolgt somit eher eine allgemeine Einbindung in den allgemeinen Arbeitsablauf als ein spezieller patientenbezogener Unterricht. Da sich die patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO somit ohne Berücksichtigung von Blockpraktika berechnet, ist es systemgerecht, bei der „entsprechenden“ Erhöhung dieser Kapazität aufgrund von außeruniversitären Lehrveranstaltungen nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO ebenfalls Blockpraktika unberücksichtigt zu lassen. Anders wäre es, wenn der maßgebliche Parameter unter Einbeziehung auch des Blockpraktikums abgeleitet worden wäre (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.11.2014, 2 NB 81/14, juris Rn. 24).

19

Nach der mit Schreiben vom 25. Februar 2015 übersandten Auflistung werden ohne die nicht zu berücksichtigenden Blockpraktika innerhalb des UKE 9.375 Minuten Unterricht am Krankenbett geleistet, außerhalb des UKE, nämlich am Kinderkrankenhaus Altona und im Klinikum Bad Bramstedt, zusätzlich 1.485 Minuten. Anhaltspunkte dafür, dass an weiteren Krankenanstalten zu berücksichtigender außeruniversitärer Unterricht geleistet wird, bestehen nicht. Soweit in weiteren Krankenhäusern, etwa in der Facharztklinik Blockpraktika absolviert werden, bleibt dies, wie dargestellt, außer Betracht. Ein Anspruch auf Erhöhung der Ausbildungskapazität durch Abschluss entsprechender Vereinbarungen mit anderen Krankenanstalten besteht nicht. Ein solcher Kapazitätsverschaffungsanspruch käme allenfalls in Ausnahmefällen bei evidenter Pflichtverletzung in Betracht (BVerwG, Urt. v. 13.12.1984, 7 C 66/83, juris Rn. 15; OVG Münster, Beschl. v. 22.2.2006, 13 C 3/06, juris Rn. 5), wofür vorliegend nichts erkennbar ist.

20

Bei der Berechnung der Erhöhung der Aufnahmekapazität aufgrund außeruniversitärer Lehrveranstaltungen ist zu beachten, dass es hierfür auf das Verhältnis zwischen dem Unterricht außerhalb des UKE und dem Unterricht im UKE ankommt und nicht auf das Verhältnis des Unterrichts außerhalb des UKE zum gesamten Unterricht. Würde beispielsweise genauso viel Unterricht außerhalb wie innerhalb des UKE erfolgen, müsste die nach den tagesbelegten Betten im UKE berechnete Aufnahmekapazität (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO) nicht lediglich um 50 %, sondern um 100 % erhöht werden. Vorliegend erhöht sich daher die patientenbezogene Aufnahmekapazität um 15,84 % (1.485 * 100 / 9.375 = 15,84). Dabei ist nach dem Wortlaut von § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO nur das Ergebnis des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO zu erhöhen, nicht auch der Ausbildungsanteil, der gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KapVO auf den poliklinischen Teil entfällt, weil dort zwar auch praktischer Unterricht mit den ambulant zu behandelnden Patienten stattfindet, aber nicht Unterricht am Krankenbett. Somit sind 33,676 Studienplätze gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO hinzuzurechnen (15,84 % von 212,601).

21

(5) Eine Kapazitätserhöhung aufgrund eines Schwundausgleichs nach § 16 KapVO ist nicht vorzunehmen (zur grundsätzlichen Anwendbarkeit siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2014, 3 Nc 10/14, juris Rn. 34 f.), da der Schwundfaktor gemäß der vorgelegten Schwundtabelle über 1 liegt, nämlich 1,022 beträgt. Konkrete Anhaltspunkte, dass die vorgelegten Daten unzutreffend sind, sind nicht ersichtlich.

22

Zusammengefasst ergibt sich folgende Kapazität:

23

 tagesbelegte Betten

 1371,619

        

 davon

 15,5%

 212,601

 Erhöhung aufgrund der poliklinischen Neuzugänge (307.005)

 um 50 %
(von 212,601)

 106,301

 Erhöhung aufgrund außeruniversitärer Lehrveranstaltungen

um 15,84 %
(von 212,601)

 33,676

 Zwischenergebnis patientenbezogene Aufnahmekapazität

        

 352,578

 Schwundausgleich

        

 entfällt

 Ergebnis patientenbezogene Aufnahmekapazität (gerundet)

        

 353   

24

(6) Für einen ungerechtfertigten Kapazitätsabbau ist – unbeschadet der Frage, ob und inwieweit dieser im Rahmen einer patientenbezogenen Berechnung überhaupt zu einer Verpflichtung des Antragsgegners zur Zulassung weiterer Studienbewerber führen könnte – nichts ersichtlich. Dass für das Wintersemester 2014/15 nur 302 Studienplätze festgesetzt wurden, während es für das Wintersemester 2013/2014 noch 347 waren, beruht, wie der Antragsgegner mit Schreiben vom 25. Februar 2015 plausibel dargelegt hat, darauf, dass gemäß der Rechtsprechung des OVG Hamburg nunmehr Blockpraktika bei der Kapazitätserhöhung aufgrund von Lehrveranstaltungen in außeruniversitären Krankenanstalten (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KapVO) unberücksichtigt geblieben sind.

25

b) Von der Aufnahmekapazität für den klinischen Teil des Studiengangs Medizin im Berechnungszeitraum sind die bisher bereits kapazitätswirksam belegten Plätze abzuziehen. Dies sind die laut Belegliste des Antragsgegners vom 2. Oktober 2014 zum Wintersemester 2014/15 im 1. klinischen Semester zugelassenen, nicht beurlaubten, 352 Studierenden. Etwaige Exmatrikulationen nach Vorlesungsbeginn bleiben außer Acht (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.10.2005, 3 Nc 75/05, juris Rn. 7). Für die Studierenden des Modellstudiengangs „iMed“ kommt es ferner nicht darauf an, dass sie bereits die Zwischenprüfung bestanden haben. Vielmehr erfolgt nach Satz 6 der Fußnote 2 der Zulassungszahlenverordnung vom 3. Juli 2014 die Ermittlung der Belegung im 1. klinischen Semester des Modellstudiengangs über die Zahl derjenigen Studierenden, die das 4. Semester im Modellstudiengang abgeschlossen haben, im 5. Fachsemester immatrikuliert sind und keine Prüfung der ersten vier Semester des Modellstudiengangs endgültig nicht bestanden haben. Soweit damit auch solche Studierende des Modellstudiengangs kapazitätswirksam berücksichtigt werden, die noch nicht die Zwischenprüfung bestanden haben, ist dies dadurch gerechtfertigt, dass aufgrund der genannten Voraussetzungen gewährleistet ist, dass sie typischerweise überwiegend bereits Kapazität der klinisch-praktischen Lehreinheit in Anspruch nehmen.

26

c) Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass, wie es in Satz 1 der Fußnote 2 der Zulassungszahlenverordnung heißt, die Jahreskapazität im klinisch-praktischen Abschnitt stets verteilt über zwei Kohorten in Anspruch genommen wird. Der Verordnungsgeber geht mithin – zu Recht – davon aus, dass nicht nur die im Wintersemester in das 1. klinische Semester wechselnden Studierenden, sondern auch die im Sommersemester in das 1. klinische Semester wechselnden Studierenden die Kapazität in Anspruch nehmen. Ausweislich des Satzes 2 der Fußnote 2 der Zulassungszahlenverordnung hat der Verordnungsgeber allein aufgrund der Unwägbarkeiten bei den Bestehensquoten von einer vorausgehenden Aufteilung der Jahreskapazität auf je eine feste Quote für das Winter- und Sommersemester verzichtet. Daraus zieht der Verordnungsgeber in Satz 7 der genannten Fußnote offenbar die Konsequenz, dass für die relevante Belegung nicht nur die Studierenden des 1. klinischen Semesters des Modellstudiengangs, sondern auch die des 2. klinischen Semesters des Regelstudiengags im Wintersemester 2014/2015 zu berücksichtigen sind. Dann wären vorliegend neben den 352 Studierenden des 1. klinischen Semesters 48 Studierende des 2. klinischen Semesters (im Wintersemester 2014/2015) zu berücksichtigen und somit 400 Studienplätze kapazitätswirksam belegt. Bei der Zahl der 48 Studierenden sind, wie vom Antragsgegner mit Schreiben vom 25. Februar 2015 dargelegt, korrekterweise nicht die im Wege des Vergleichs vom Februar 2014 nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2013/2014 im 1. klinischen Semester zugelassenen Studierenden enthalten. Dennoch begegnet die Berücksichtigung der Studierenden im 2. klinischen Semester des Wintersemesters 2014/2015 vor dem Hintergrund des aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Kapazitätserschöpfungsgebots Bedenken. Denn die sich im Wintersemester 2014/2015 im 2. klinischen Semester befindenden Studierenden wurden, jedenfalls überwiegend, kapazitär bereits abschließend berücksichtigt, als diese sich im 1. klinischen Semester befanden (Sommersemester 2014), nämlich für den Berechnungszeitraum Wintersemester 2013/2014 und Sommersemester 2014 (vgl. Fußnote 3 Satz 2 der Zulassungshöchstzahlenverordnung für das Wintersemester 2013/2014 und das Sommersemester 2014 vom 12.7.2013, HmbGVBl. S. 324).

27

Allerdings müsste, um den Ausbildungsanspruch derjenigen Studierenden nicht zu gefährden, die sich im Wintersemester 2014/2015 im letzten vorklinischen Semester befanden und im Sommersemester 2015, also noch im hier gegenständlichen Berechnungszeitraum, in den klinisch-praktischen Abschnitt wechseln werden, die von diesen Studierenden voraussichtlich dann in Anspruch genommene Kapazität frei zu halten sein. Zur Quantifizierung der im Wintersemester lediglich zu prognostizierenden Studienplätze der im Sommersemester das erste klinische Semester erreichenden Studierenden kann der Senat zum Entscheidungszeitpunkt auf die tatsächlich im Sommersemester zugelassenen Studierenden rekurrieren. Nach Angabe des Antragsgegners (Schriftsatz vom 17. April 2015) gehen 13 Studierende des Regelstudiengangs im Sommersemester 2015 in das 1. klinische Semester über. Auch bei dieser Betrachtung stehen bei einer Kapazität von 353 Studienplätzen angesichts der 352 kapazitätswirksam belegten Studienplätze (1. klinische Semester im Wintersemester 2014/2015) und der freizuhaltenden Kapazität für die Studierenden des 1. klinischen Semesters im Sommersemester 2015 keine freien Studienplätze zu Verfügung.

28

Im Ergebnis ist die vorhandene Kapazität von 353 Studienplätzen jedenfalls ausgeschöpft.

III.

29

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Februar 2013 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 100 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V in Höhe von 100 Euro nebst Zinsen zu zahlen hat.

2

Die bei der Beklagten versicherte Patientin F.C. wurde in der Zeit vom 3. bis 25.2.2008 zur Entbindung mittels Kaiserschnitt (Sectio caesarea) in der von der klagenden Gesellschaft betriebenen Klinik vollstationär behandelt. Die Klägerin berechnete der Beklagten hierfür auf der Basis des DRG-Entgeltkataloges 2008 die DRG O01F (Sectio caesarea ohne komplizierende Diagnose, Schwangerschaftsdauer mehr als 33 vollendete Wochen , ohne komplexe Diagnose) mit entsprechenden Zuschlägen. Die Beklagte glich die Rechnung vollständig aus und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung des Behandlungsfalls. Dieser beanstandete die Abrechnung nicht, sodass die Klägerin am 26.5.2009 eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro in Rechnung stellte. Die Beklagte zahlte zunächst, forderte die Aufwandspauschale aber mit Schreiben vom 21.1.2011 zurück. Eine stationäre Entbindung sei eine Leistung nach § 197 RVO, während die Aufwandspauschale nur für Behandlungsfälle nach § 39 SGB V in Betracht komme. Nach erfolgloser Rückforderung erklärte die Beklagte am 15.4.2011 die Verrechnung ihres Erstattungsanspruchs mit einer unstreitigen Zahlungsforderung der Klägerin (Rechnung vom 11.4.2011, Rechnungsnr: 3-0142377, Patientin E.S.).

3

Die Klägerin verweist darauf, dass nach § 195 Abs 2 RVO die für die Leistungen nach dem SGB V geltenden Vorschriften für die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft entsprechend gelten, soweit nichts Abweichendes bestimmt sei. Eine abweichende Regelung, nach welcher die Entbindung im Krankenhaus keine Krankenhausbehandlung iS des § 39 SGB V sei, enthalte die RVO nicht. Die Abrechnung über Fallpauschalen zeige vielmehr, dass es sich um allgemeine Krankenhausleistungen handele, da nur diese nach dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) über Fallpauschalen abrechenbar seien. Schließlich fehle dem MDK schon die Berechtigung zur Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, wenn keine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V vorliege. Zumindest seien die Regelungen des § 275 Abs 1c SGB V analog anzuwenden; dies sei unter Berücksichtigung des "Gebots der Waffengleichheit" erforderlich und ergebe sich auch daraus, dass die Interessenlage der Beteiligten bei einem Krankenhausaufenthalt zur Entbindung mit jedem anderen Krankenhausaufenthalt identisch sei.

4

Das SG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.4.2011 verurteilt (Urteil vom 27.2.2013) und auf Antrag beider Beteiligten die Sprungrevision zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Da Schwangerschaft und Entbindung definitionsgemäß keine Krankheiten seien, habe der Anspruch auf Behandlung, Pflege und Verpflegung in einem Krankenhaus einer gesonderten Regelung bedurft. Der in § 197 S 2 RVO(in der bis zum 30.10.2012 gültigen Fassung) geregelte Ausschluss eines Anspruchs auf Krankenhausbehandlung für die Zeit der Entbindung in einem Krankenhaus diene lediglich der Vermeidung doppelter inhaltsgleicher Ansprüche. Eine gesonderte Definition der Krankenhausbehandlung finde sich in der RVO jedoch nicht. Deshalb stelle eine Behandlung im Krankenhaus zur Entbindung auch eine Krankenhausbehandlung iS des § 39 SGB V dar. Inzwischen seien die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft vollständig in das SGB V integriert worden, wodurch der Gesetzgeber nochmals zum Ausdruck gebracht habe, dass die stationäre Versorgung bei Schwangerschaft und Mutterschaft in einem Krankenhaus Krankenhausbehandlung iS des § 39 SGB V sei. Schließlich sei § 275 Abs 1c S 3 SGB V mindestens analog auf eine solche Art der stationären Behandlung anwendbar.

5

Die Beklagte rügt mit der Sprungrevision die Verletzung materiellen Rechts durch eine unrichtige Anwendung bzw Auslegung des § 275 Abs 1c S 3 SGB V. Diese Regelung beziehe sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut, nach der Systematik und nach der Gesetzesgeschichte ausschließlich auf Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V, also nicht auf stationäre Entbindungen.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27.2.2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

1. Die Revision der Beklagten ist als Sprungrevision nach § 161 SGG gegen das Urteil des SG zulässig. Die Beklagte hat die schriftliche Zustimmung der Klägerin zur Einlegung der Sprungrevision vom 3.6.2013 vorgelegt.

10

2. Die Revision ist auch begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V(idF von Art 1 Nr 185 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378). Der zulässig mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG verfolgte Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V ist bereits durch die Zahlung seitens der Beklagten erloschen(§ 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 362 Abs 1 BGB). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung eines restlichen Vergütungsanspruchs in Höhe von 100 Euro aus der Behandlung der Patientin E.S. Rechtsgrundlage ist insoweit § 109 Abs 4 S 3 SGB V(idF des GKV-WSG) iVm § 7 Abs 1 S 1 KHEntgG(idF durch das GKV-Finanzierungsgesetz vom 22.12.2010, BGBl I 2309) und § 9 Abs 1 KHEntgG(idF durch das Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 vom 17.3.2009, BGBl I 534) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz(ebenfalls idF durch das KHRG vom 17.3.2009, BGBl I 534) iVm der Anlage 1 Teil a) des Fallpauschalen-Katalogs der G-DRG-Version 2011 sowie dem zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft eV und den Krankenkassen bzw deren Verbänden geschlossenen Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V idF vom 31.5.2002 und der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2011. Gegen diesen unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin hat die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 100 Euro wirksam aufgerechnet.

11

a) Rechtsgrundlage für die von einer Krankenkasse vorgenommene Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zur Erfüllung von Zahlungsansprüchen der Krankenhäuser ist § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm §§ 387 ff BGB(vgl BSGE 107, 78 = SozR 4-2500 § 140d Nr 2; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 8; BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2). Auch außerhalb der besonderen Regelungen der §§ 51, 52 SGB I über die Aufrechnung gegen Sozialleistungsansprüche besteht im Sozialrecht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf welche die §§ 387 ff BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten(BSGE 75, 283, 284 ff = SozR 3-2400 § 28 Nr 2; BSGE 63, 224, 230 f = SozR 1300 § 48 Nr 47). Dazu müssen sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw erfüllbare Forderungen gegenüberstehen (§ 387 BGB, vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 11).

12

Dem unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem späteren Behandlungsfall (Rechnung vom 11.4.2011) stand in entsprechender Anwendung von § 812 BGB ein fälliger Erstattungsanspruch in Höhe von 100 Euro entgegen, da die Beklagte die Aufwandspauschale ohne Rechtsgrund geleistet hat. Dieser Gegenanspruch der Beklagten war im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung fällig und nicht mit einer Einrede behaftet. Er war insbesondere nach der einschlägigen sozialrechtlichen Verjährungsfrist von vier Jahren nicht verjährt und auch nicht wegen eines Verstoßes gegen eine Beschleunigungspflicht verwirkt. Außerhalb der gesetzlichen Verjährungsregelungen kann eine Verwirkung nur unter besonderen Umständen begründet sein. Wie bereits der erkennende Senat (unter Bezugnahme auf BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 ff) ausgeführt hat, bedarf es neben dem Zeitmoment eines besonderen Umstandsmoments (BSG SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 27). Ein solches ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt es an einer vertraglichen Regelung zwischen den Krankenhausträgern und den Krankenkassen über die Modalitäten der Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V, sodass es hier bei den allgemeinen Fälligkeits-, Verzugs- und Verjährungsregelungen bleiben muss.

13

b) Die Beklagte hat die Aufwandspauschale ohne Rechtsgrund geleistet, da die Voraussetzungen hierfür nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V nicht gegeben sind. Nach § 275 Abs 1c S 1 SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V eine Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs 1c S 2 SGB V). Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zu entrichten. Erst seit dem 25.3.2009 beträgt die Aufwandspauschale 300 Euro.

14

Voraussetzung eines Anspruchs auf die Aufwandspauschale ist danach eine nach Prüfung des MDK unbeanstandet gebliebene Abrechnung einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V(hierzu aa). Leistungen zur Entbindung sind, auch wenn sie stationär im Krankenhaus erbracht werden, keine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V(hierzu bb), und § 275 Abs 1c S 3 SGB V ist insoweit einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich(hierzu cc).

15

aa) Während § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V(in der durch das Fallpauschalengesetz vom 23.4.2002, BGBl I 1412, mWv 1.1.2003 eingeführten und seitdem unveränderten Fassung) die Voraussetzungen regelt, unter denen die Krankenkassen allgemein bei der Erbringung von Leistungen eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen haben, enthält § 275 Abs 1c SGB V Sonderregelungen für die Begutachtung bei Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V. Das ergibt sich für § 275 Abs 1c S 1 SGB V unmittelbar aus dem Wortlaut, und Satz 2 nimmt ausdrücklich Bezug auf "die Prüfung nach Satz 1". Damit ist klargestellt, dass nicht alle Prüfungen nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V gemeint sind, sondern nur die in § 275 Abs 1c S 1 SGB V genannten Prüfungen bei Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V. Satz 3 lässt dann keinen Zweifel daran, dass sich "die Prüfung" ebenfalls nur auf solche von Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V bezieht. Nur diesbezüglich sah der Gesetzgeber aufgrund der hohen Prüfquoten bei Krankenhausabrechnungen und dem damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand für die Krankenhäuser einen Handlungsbedarf, um die Verfahren zu beschleunigen und den Krankenhäusern ihren Verwaltungsaufwand pauschal zu vergüten für den Fall, dass die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Der insoweit eindeutige Wortlaut der Vorschrift lässt keinen Raum für eine Ausdehnung auf andere Leistungen als die Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V.

16

Es trifft deshalb nicht zu, wenn die Klägerin meint, dem MDK fehle für Leistungen, die keine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V darstellten, die Berechtigung zur Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V. Denn im Gegensatz zu § 275 Abs 1c SGB V differenziert § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V gerade nicht nach der Art der Leistung, sondern gilt allgemein "bei Erbringung von Leistungen".

17

bb) Leistungen im Zusammenhang mit einer stationären Entbindung sind keine Krankenhausbehandlung iS von § 39 SGB V(idF durch das KHRG vom 17.3.2009, BGBl I 534), auch wenn sie in einem zugelassenen Krankenhaus erbracht werden. Nach § 39 Abs 1 S 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär(§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. § 39 Abs 1 S 2 SGB V gibt den Versicherten Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus(§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst nach § 39 Abs 1 S 3 SGB V im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung(§ 28 Abs 1 SGB V), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung.

18

Systematisch gehört § 39 SGB V zum Fünften Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB V, in dem die "Leistungen bei Krankheit"(§§ 27 bis 52a SGB V) geregelt sind. Nach § 27 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V auch die Krankenhausbehandlung. Unter dieser systematischen Einordnung wird deutlich, dass die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V nur Behandlungen erfasst, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dies verdeutlicht auch § 11 Abs 1 Nr 4 SGB V, der für Leistungen zur Behandlung einer Krankheit ausdrücklich auf die §§ 27 - 52 SGB V verweist.

19

Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 4; jeweils mwN). Schwangerschaft und Mutterschaft sind danach keine Krankheit. Aus diesem Grund sind für Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft gesonderte Regelungen erforderlich, die sich bis zum 29.10.2012 in den Regelungen der §§ 195 - 200 RVO fanden und durch das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung(Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz - PNG) vom 23.10.2012 (BGBl I 2246) mit Wirkung vom 30.10.2012 mit kleinen Änderungen in die Vorschriften der §§ 24c bis 24i SGB V übernommen und damit in das SGB V integriert wurden.

20

Die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft umfassen nach § 195 Abs 1 Nr 3 RVO(idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190) auch die stationäre Entbindung. Der Anspruch auf ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Entbindung ergibt sich aus § 196 Abs 1 RVO(idF des GKV-WSG); nach § 197 RVO(idF durch das GKV-WSG) hat die Versicherte, die zur Entbindung in ein Krankenhaus oder in eine andere Einrichtung aufgenommen wird, für sich und das Neugeborene auch Anspruch auf Unterkunft, Pflege und Verpflegung. In Satz 2 dieser Vorschrift ist ausdrücklich geregelt, dass für diese Zeit kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung besteht. § 39 Abs 2 SGB V gilt nach § 197 S 3 RVO entsprechend. Damit hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass die stationäre Entbindung in einem Krankenhaus keine Krankenhausbehandlung iS des § 39 SGB V ist.

21

Der Gesetzgeber hat diese Differenzierung ganz ausdrücklich vorgesehen. Sie dient nicht nur dem Ausschluss von doppelten Leistungsansprüchen, denn verschiedene Anspruchsgrundlagen bilden grundsätzlich nur verschiedene rechtliche Gründe für denselben Anspruch, ohne diesen zu erweitern. Der Ausschluss einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V bei stationärer Entbindung hat vielmehr weitergehende Rechtsfolgen, die der Gesetzgeber offenbar bewusst setzen wollte.

22

Lediglich eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V führt zu einer Zuzahlungspflicht der Versicherten nach § 39 Abs 4 SGB V. Handelt es sich bei einer stationären Entbindung nicht um Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V, fällt demgegenüber für die Versicherte keine Zuzahlung an; dies ist eine vom Gesetzgeber offensichtlich gewollte Rechtsfolge.

23

Dies muss unabhängig davon gelten, ob es sich um eine unkomplizierte Entbindung ohne Krankheitswert handelt oder ob es sich aufgrund einer "Regelwidrigkeit" bei der Entbindung zugleich auch um eine Krankheitsbehandlung handelt. Denn der Anspruch auf stationäre Entbindung nach den Vorschriften der §§ 195 ff RVO nimmt eine solche Unterscheidung nicht vor und schließt in jedem Fall einer stationären Entbindung in einem Krankenhaus einen Krankenhausbehandlungsanspruch nach § 39 SGB V aus. Zudem war der Anspruch der Versicherten auf Unterkunft, Pflege und Verpflegung für sich und das Neugeborene zur Entbindung in einem Krankenhaus oder in einer anderen Einrichtung in der bis zum 31.3.2007 gültigen Fassung des § 197 RVO(durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988, BGBl I 2477) für die Zeit nach der Entbindung auf längstens sechs Tage beschränkt. Nur für diese Zeit bestand kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung. Diese zeitliche Beschränkung hat der Gesetzgeber mit dem GKV-WSGim Jahre 2007 ausdrücklich aufgehoben. Dies beruhte darauf, dass die Krankenkassen in Fällen, in denen die Versicherte länger als sechs Tage nach der Entbindung Krankenhausbehandlung benötigte, dazu übergingen, Unterkunft, Pflege und Verpflegung für das gesunde Neugeborene ab dem siebten Tag abzulehnen, wenn für die Versicherte selbst krankheitsbedingt ab dem siebten Tag ein Krankenhausbehandlungsanspruch nach § 39 SGB V bestand. Durch die Neuregelung wollte der Gesetzgeber den Anspruch auf Unterkunft, Pflege und Verpflegung auch des gesunden Neugeborenen über den sechsten Tag hinaus sicherstellen (BT-Drucks 16/4247 S 61 f). Damit steht aber zugleich fest, dass sich der Anspruch auf stationäre Entbindung auch in komplizierten Fällen, denen möglicherweise ein krankheitswertiger Zustand zugrunde liegt und die daher einen längeren Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, ausschließlich nach den Vorschriften der §§ 195 ff RVO(heute §§ 24c ff SGB V) richtet und ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ausgeschlossen ist(vgl auch LSG für das Saarland Beschluss vom 1.3.2013 - L 2 KR 3/12 NZB).

24

cc) Der 1. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V diese Vorschrift einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich ist(vgl hierzu ausführlich BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 18 ff; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 16 mwN). Dem schließt sich der erkennende Senat für den vorliegenden Fall aufgrund des eindeutigen Wortlauts und der folgenden Erwägungen an.

25

In anderen Zusammenhängen hat der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen Krankenhausbehandlung und Geburtshilfe durchaus gesehen und berücksichtigt (vgl zB § 107 Abs 1 Nr 1 SGB V). Eine planwidrige Regelungslücke durch ein Versehen des Gesetzgebers ist daher auszuschließen, zumal die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c SGB V ebenfalls mit dem GKV-WSG, also mit dem gleichen Gesetz eingeführt wurde, mit dem in § 197 RVO die Begrenzung des Anspruchs auf längstens sechs Tage nach der Entbindung gestrichen wurde. Der Satz, dass für diese Zeit kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung besteht, blieb bei dieser Änderung des § 197 RVO jedoch unverändert beibehalten. Gerade bei der Einführung der Aufwandspauschale musste dem Gesetzgeber daher klar sein, dass er bei einer Bindung des Anspruchs an die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V Leistungen eines Krankenhauses zur Entbindung nicht miterfasst.

26

Aufgrund der eindeutigen Rechtslage kommt eine erweiternde Auslegung auch nicht im Hinblick auf eine möglicherweise vergleichbare Interessenlage bezüglich des Verwaltungsaufwands bei Abrechnungsprüfungen im Falle einer Entbindung und solchen bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V in Betracht.

27

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 678,14 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die 1985 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte G. (im Folgenden: Versicherte) wurde am Abend des 31.3.2010 um 20.38 Uhr als Notfall in die von der Klägerin betriebene A. Klinik eingeliefert. Die zunächst wegen unauffälliger Laborwerte vorgesehene Entlassung wurde nach einer hypertonen Kreislaufdisregulation der Versicherten in der Nacht verschoben und sie auf der internistischen Station mit der Hauptdiagnose A09.0 (sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen Ursprungs) und der Nebendiagnose E86 (Volumenmangel) aufgenommen. Als voraussichtlichen Entlassungstermin trug der behandelnde Krankenhausarzt Freitag, den 2.4.2010, ein. Tatsächlich wurde die Versicherte jedoch bereits am Donnerstag, dem 1.4.2010, um 12.28 Uhr entlassen, weil sich ihr Zustand wieder stabilisiert hatte. Mit Datum vom 12.4.2010 stellte die Klägerin der Beklagten nach dem auf Diagnosis Related Groups (DRGs, diagnosebezogene Fallgruppen) basierten Fallpauschalenkatalog die DRG G67D (Ösophagitis, Gastroenteritis und verschiedene Erkrankungen der Verdauungsorgane) mit einem Abschlag für das Unterschreiten der unteren Grenzverweildauer in Höhe von 678,14 Euro in Rechnung. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag nicht, weil es sich ihrer Meinung nach um den klassischen Fall einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus handele.

2

Mit der am 13.8.2010 erhobenen Zahlungsklage hat die Klägerin geltend gemacht: Eine stationäre Behandlung liege nach der Rechtsprechung des BSG bereits dann vor, wenn der Patient eine Nacht im Krankenhaus verbracht habe. Diese Voraussetzung sei gegeben, da der Entlassungstag nicht mit dem Aufnahmetag identisch sei. Bei Zweifeln an der Notwendigkeit der stationären Behandlung hätte die Beklagte zudem den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) innerhalb der Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs 1c SGB V mit einer Prüfung beauftragen müssen; dies sei nicht geschehen, weshalb sie nun mit ihren Einwendungen ausgeschlossen sei. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 1.9.2011 abgewiesen, da die Leistung nicht als vollstationäre Krankenhausbehandlung abrechenbar sei. Die Behandlung habe sich nicht über einen Tag und eine Nacht erstreckt, da dies eine mindestens 24-stündige Behandlung voraussetze. Auch die Infrastruktur des Krankenhauses sei nicht in nennenswerter Weise beansprucht worden. Die Frage eines Prüfverfahrens durch den MDK stelle sich bei dieser rein rechtlichen Frage nicht. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die Beklagte mit Urteil vom 1.11.2012 unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zur Zahlung des eingeklagten Betrages nebst Zinsen verurteilt: Die Aufenthaltsdauer von knapp 16 Stunden schließe eine vollstationäre Behandlung nicht ohne Weiteres aus. Eine starre Mindestaufenthaltsdauer von 24 Stunden lasse sich der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen und sei auch nicht sachgerecht. Zweifel an der Eingliederung der Versicherten in die besondere Infrastruktur des Krankenhauses könnten seit Ablauf der Sechs-Wochen-Frist medizinisch nicht mehr geklärt und daher nicht mehr von der Beklagten gerügt werden.

3

Die Beklagte beruft sich mit der vom LSG zugelassenen Revision auf eine Verletzung der Vorschriften der §§ 39, 275 Abs 1c SGB V. Eine vollstationäre Versorgung setze die Unterbringung des Patienten über einen Tag und eine Nacht, dh über mindestens 24 Stunden voraus. Eine klare zeitliche Abgrenzung sei erforderlich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz komme lediglich nach den Grundsätzen der "abgebrochenen stationären Behandlung" in Betracht, wenn die Behandlung zunächst über mindestens einen Tag und eine Nacht geplant gewesen sei, dann aber aus medizinischen Gründen abgebrochen werden müsse oder der Versicherte das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat vorzeitig verlasse. Das Urteil des LSG beruhe ferner auf einer Verletzung des § 275 Abs 1c SGB V, da der MDK nicht zur Klärung von Rechtsfragen berufen sei. Hier gehe es nur noch um die Rechtsfrage, ob eine vollstationäre Behandlung vorliege; dies habe das LSG verkannt.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 1.11.2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hamburg vom 1.9.2011 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung des LSG und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Klägerin hat im Falle der Versicherten eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erbracht und diese zutreffend abgerechnet.

7

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Eines Vorverfahrens iS von § 78 SGG bedurfte es nicht, weil die Klage zu Recht als allgemeine Leistungsklage(§ 54 Abs 5 SGG) erhoben worden ist. Da sich Krankenhausträger und Krankenkasse bei der Frage, wie die stationäre Behandlung eines gesetzlich gegen Krankheit Versicherten zu vergüten ist, im Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen, kommt eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht. Es war auch keine Klagefrist zu beachten (stRspr, vgl zB BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12).

8

2. Rechtsgrundlage für die Vergütung von Krankenhausleistungen ist § 109 Abs 4 S 3 SGB V(idF des Art 1 Nr 3 Fallpauschalengesetz vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 Abs 1 S 1, Abs 2 und § 9 Abs 1 S 1 Krankenhausentgeltgesetz sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG -(hier jeweils idF des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes vom 17.3.2009, BGBl I 534) iVm der Anlage 1 Teil A des Fallpauschalenkatalogs der G-DRG-Version 2010 sowie dem zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft eV und den Krankenkassen bzw deren Verbänden geschlossenen Vertrag "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" nach § 112 Abs 1, 2 Nr 1 SGB V vom 19.12.2002 und der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2010.

9

Nach § 109 Abs 4 S 3 SGB V entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus(§ 108 SGB V) durchgeführt wird und iS des § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser (§ 109 Abs 4 S 2 SGB V) steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17 KHG in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse festgelegt wird(BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3). Danach hat die Klägerin Anspruch auf die von ihr abgerechnete Vergütung für eine vollstationäre Behandlung.

10

Nach § 39 Abs 1 S 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär(§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. Das Gesetz hat die maßgebenden Merkmale für die voll- und teilstationäre Behandlung weder bei den Vergütungsregelungen noch bei den Regelungen über die Leistungsansprüche des Versicherten in den §§ 39 ff SGB V vorgegeben(BSGE 92, 223 RdNr 12 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1 RdNr 11). Von der Ermächtigung nach § 16 Nr 2 KHG, die verschiedenen Krankenhausleistungen voneinander abzugrenzen, hat die Bundesregierung bislang keinen Gebrauch gemacht.

11

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 4.3.2004 (BSGE 92, 223 RdNr 21 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1 RdNr 20) dargelegt hat, sind vollstationäre, teilstationäre und ambulante Behandlungen im Krankenhaus in erster Linie anhand der geplanten Aufenthaltsdauer abzugrenzen. Danach liegt eine vollstationäre Krankhausbehandlung vor, wenn der Patient nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll.

12

Der Gesetzgeber hat in der amtlichen Begründung zum Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) zur Abgrenzung der (voll- und teil-)stationären von der ambulanten Behandlung das Kriterium der "Aufnahme" in das Krankenhaus herangezogen und dieses als die "physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses" definiert (BT-Drucks 12/3608 S 82 zu § 39 SGB V). Dieses Merkmal wird auch in der Literatur zur Abgrenzung der (voll- und teil-)stationären von der ambulanten Krankenhausbehandlung herangezogen (vgl zB Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 39 RdNr 43, 46a, der dies als alleiniges Merkmal allerdings kritisch betrachtet, sowie Grünenwald, WzS 1994, 78). Ohne nähere Konkretisierung der Begriffe der Aufnahme und der Integration in den Krankenhausbetrieb kann allerdings nicht nur auf das Unterschreiben eines Aufnahmevertrages abgestellt werden. Da auch bei ambulanten Leistungen im Krankenhaus ggf Verpflegung oder ein Bett zur Verfügung gestellt werden, reicht die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung zur Abgrenzung allein ebenfalls nicht aus. Der Aufenthalt des Versicherten im Krankenhaus zur Durchführung einer Operation bedeutet deshalb ebenso wenig wie die Unterzeichnung eines Krankenhausaufnahmevertrages, die Durchführung einer Vollnarkose oder eine mehrstündige, intensive postoperative Überwachung im Krankenhaus bereits eine vollstationäre Behandlung (BSGE 92, 223 RdNr 17 ff = SozR 4-2500 § 39 Nr 1 RdNr 16 ff).

13

Was unter dem "spezifischen Versorgungssystem eines Krankenhauses" zu verstehen ist, ergibt sich unter Rückgriff auf die gesetzliche Definition des Krankenhausbegriffs in § 107 Abs 1 SGB V. Denn ein Krankenhaus kann zwar auch ambulante Leistungen erbringen, der Krankenhausbegriff wird aber nur von Einrichtungen erfüllt, die (auch und vor allem) zur stationären Leistungserbringung in der Lage sind. Dazu gehören neben der Möglichkeit, die Patienten unterzubringen und zu verpflegen (§ 107 Abs 1 Nr 4 SGB V) ua eine ständige ärztliche Leitung (§ 107 Abs 1 Nr 2 SGB V) und jederzeit verfügbares Personal (§ 107 Abs 1 Nr 3 SGB V). Daraus wird deutlich, dass das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses nicht nur kurzfristige Eingriffe oder Maßnahmen ermöglicht, sondern besonders auf solche Behandlungen ausgerichtet ist, die einen längeren Aufenthalt des Patienten erfordern. Das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses wird daher in Anspruch genommen, wenn sich die Behandlung zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Demgegenüber erfordert der Aufnahmeakt selbst, dh die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in dieses Versorgungssystem, keine zeitliche Erstreckung über eine bestimmte Dauer. Voraussetzung hierfür ist lediglich die Entscheidung des Krankenhausarztes, dass eine Behandlung über mindestens einen Tag und eine Nacht erfolgen soll. Diese Aufnahmeentscheidung auf der Basis eines entsprechenden Behandlungsplans wird nach außen regelmäßig zB durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes, das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen uä dokumentiert. Eine auf diese Weise auf der Grundlage der Entscheidung des Krankenhausarztes einmal erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhausversorgungssystem kann nicht rückwirkend dadurch entfallen, dass der Patient zB gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt; dann handelt es sich um eine "abgebrochene" stationäre Behandlung (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 5). Abzugrenzen sind indes solche Fälle, in denen noch keine Entscheidung zur Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus getroffen wurde, etwa weil sich aufgrund der Aufnahmeuntersuchung eine Verlegung oder die ambulante Weiterbehandlung als medizinisch sinnvoll, erforderlich und ausreichend erwies.

14

Eine teilstationäre Behandlung ist anzunehmen, wenn eine zeitlich nicht durchgehende Krankenhausbehandlung geplant ist, also ein Aufenthalt von weniger als einem Tag und einer Nacht. Deshalb ist bei einer zeitlich darüber hinausgehend geplanten Behandlung im Zweifel von einer vollstationären Krankenhausbehandlung auszugehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 8 RdNr 21). In jener Entscheidung hat der Senat zudem ausgeführt, dass sich damit vor allem bei operativen Eingriffen eine praktikable Abgrenzung der stationären Behandlung vom ambulanten Operieren und anderen stationsersetzenden Eingriffen (§ 115b SGB V) finden lässt. Darüber hinaus gibt es jedoch weitere Fälle vollstationärer Behandlungen; dies wird schon im Hinblick auf einige Fallpauschalen deutlich, die exakt für die Behandlung an nur einem Behandlungstag kalkuliert worden sind (so auch Thier, "Teilstationäre Krankenhausleistungen", Das Krankenhaus 2006, 969, 970 mwN). Verbringt ein Patient zB nicht einen ganzen Tag und eine Nacht im Krankenhaus, wobei er aber wegen der Schwere seiner Erkrankung auf der Intensivstation medizinisch betreut wird, so nimmt er gleichwohl umfassend die Infrastruktur des Krankenhauses in Anspruch, denn der Aufenthalt auf einer Intensivstation stellt die nachhaltigste Form der Einbindung in einen Krankenhausbetrieb und damit den Prototyp einer stationären Behandlung dar (vgl BSG, aaO, RdNr 18 f).

15

Diese differenzierende Rechtsprechung des Senats ist praxisorientiert und sachgerecht (so auch BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 39 Nr 3). Sie bietet klare und gut handhabbare Abgrenzungskriterien und ist deshalb auch in der Literatur auf Zustimmung gestoßen (vgl Quaas/Dietz f&w 2004, 513, 515; Trefz SGb 2005, 46 f). Entscheidend ist damit zunächst der ärztliche Behandlungsplan. Die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht wird in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, kann im Einzelfall bei medizinischer Notwendigkeit aber auch noch später erfolgen (BSGE 92, 223 RdNr 23 f = SozR 4-2500 § 39 Nr 1 RdNr 22 f; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 5 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 8 RdNr 16). Deshalb kann - wenn zB wegen einer Komplikation eine zunächst nicht geplante weitere Behandlung über die Nacht hinweg angezeigt erscheint - eine ambulante in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung übergehen.

16

Nach diesen Grundsätzen wurde die Versicherte im vorliegenden Fall vollstationär behandelt. Die Klägerin hat bereits mit den Daten nach § 301 SGB V angegeben, dass die am 31.3.2010 begonnene Krankenhausbehandlung voraussichtlich bis zum 2.4.2010 dauern werde. Geplant war demnach eine Behandlung von mehr als einem Tag und einer Nacht. Der Krankenhausarzt traf die Aufnahmeentscheidung für die zunächst als Notfall in die Klinik gekommene Versicherte nach der Aufnahmeuntersuchung unter Heranziehung der Laborwerte und weiterer Umstände, insbesondere der im Laufe der Nacht auftretenden Kreislaufkomplikationen. Diese Entscheidung war nach seinem Kenntnisstand medizinisch durchaus vertretbar; dies wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Nach außen dokumentierte sich die physische und organisatorische Eingliederung der Versicherten durch ihre Einweisung in die Abteilung für Gastroenterologie, in der ihr ein Bett zugewiesen, Verpflegung gewährt und die hypertone Kreislaufdisregulation überwacht wurde. Aufgrund dieses Geschehensablaufs und unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes der Versicherten hat der Senat keine Zweifel, dass es sich vorliegend um eine vollstationäre Behandlung gehandelt hat.

17

Ob die Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes medizinisch zutreffend war oder möglicherweise auch eine Weiterführung der ambulanten Notfallbehandlung hätte erfolgen können, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens - dies hat die Beklagte zu Recht angemerkt. Auf die Frage, was medizinisch nach Ablauf der Sechs-Wochenfrist nach § 275 Abs 1c S 2 SGB V noch überprüft werden kann, kommt es hier mithin nicht an.

18

Der mit der Aufnahme der Versicherten entstandene Vergütungsanspruch für eine vollstationäre Behandlung ist nicht deshalb entfallen, weil die Versicherte entgegen der Planung bereits am Donnerstag, dem 1.4.2010, um 12.28 Uhr entlassen worden ist. Die Tatsache, dass die Versicherte entsprechend der veränderten medizinischen Situation vorzeitig in hausärztliche Weiterbehandlung entlassen werden konnte, ändert nichts am Vorliegen einer vollstationären Behandlung, sondern ist lediglich - wie hier auch geschehen - durch einen Rechnungsabschlag wegen des Unterschreitens der unteren Grenzverweildauer zu berücksichtigen.

19

3. Die rechnerische Richtigkeit des klägerischen Anspruchs ist weder von der Beklagten in Zweifel gezogen worden noch hat der Senat Anlass dazu. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 12, 14 des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrages nach § 112 Abs 1, 2 Nr 1 SGB V vom 19.12.2002.

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 S 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Kreisumlage für das Jahr 2009 streitig.

2

Die Klägerin, eine kleine kreisangehörige Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz, wurde für das Jahr 2009 vom beklagten Landkreis mit Bescheid vom 17. August 2009 zu einer Kreisumlage herangezogen, die bei Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft einen progressiven Anteil enthält. Dagegen hat die Klägerin geklagt, weil die Progression der Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen (Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage, Gewerbesteuerumlage) dazu führe, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % (genau: zu 108,2 %) abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zur Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen; zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der angefochtene Kreisumlagebescheid sei rechtmäßig. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kreisumlage seien verfassungsgemäß, auch soweit sie den Landkreisen die Festsetzung eines progressiven Umlagesatzes erlaubten. Die Rheinland-Pfälzische Verfassung schreibe kein bestimmtes Verteilungssystem vor. Dem Gesetzgeber sei in dieser Hinsicht ein weites Ermessen eingeräumt, das seine Grenze im Gebot interkommunaler Gleichbehandlung und damit letztlich im Willkürverbot finde. Über diesen allgemeinen Maßstab hinaus müsse die gesetzliche Regelung berücksichtigen, dass Finanzkraftunterschiede im Wege des Finanzausgleichs grundsätzlich nur abgemildert, nicht aber eingeebnet oder gar umgekehrt werden dürften. Die Kreisumlage als solche erweise sich als notwendiger Bestandteil des derzeitigen Finanzausgleichssystems. Auch die im Landesfinanzausgleichsgesetz vorgesehene Möglichkeit einer progressiven Staffelung der Umlagesätze stehe im Einklang mit den vorgenannten Maßstäben. Die Regelung beruhe auf sachlichen Gründen und füge sich folgerichtig in das geltende Konzept des Finanzausgleichs ein. Es erscheine vom Grundsatz her sachgerecht, wenn das Gesetz den Kreisen die Möglichkeit einräume, die überdurchschnittliche Steuerkraft einzelner Gemeinden durch eine progressive Staffelung des Umlagesatzes teilweise abzuschöpfen und so ihren Nachteil bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen verursachergerecht auszugleichen. Eine progressive Staffelung der Umlagesätze führe für sich genommen auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung von Finanzkraftunterschieden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr unter den kreisangehörigen Gemeinden. Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung sei auch nicht deshalb verletzt, weil eine solche Progression Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl, aber gleichwohl hohen Steuereinnahmen besonders treffe. Auch die Ausgestaltung der Umlagesätze in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keine allgemeine Grenze des Umlagesatzes unabhängig vom Aufgabenbestand des Kreises einerseits und der Gemeinde andererseits. Ein progressiv gestaffelter Umlagesatz, der für einzelne kreisangehörige Gemeinden nivellierend und übernivellierend wirke, sei mithin dann noch verfassungskonform, wenn für die Festsetzung sachlich einleuchtende Gründe vorlägen und diese auch sonst nicht als willkürlich oder rücksichtslos erschienen. Davon könne vorliegend nicht die Rede sein. Nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte hätte im Jahre 2009 mit erheblichen finanziellen Engpässen zu kämpfen gehabt. Auch die von der Haushaltssatzung angeordnete Progression des Kreisumlagesatzes sei unbedenklich. Auf der Grundlage des vorliegenden Zahlenmaterials bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es hierdurch zu einer unverhältnismäßigen Nivellierung der Finanzkraft unter den kreisangehörigen Gemeinden oder gar zu einer Reihenfolgeumkehr gekommen sei. Selbst wenn die Progression eine solche Wirkung gezeigt haben sollte, wäre die Klägerin hierdurch nicht in ihrer Finanzhoheit verletzt. Aus Sicht des Kreises sprächen hierfür nämlich sachlich einleuchtende Gründe. Im beklagten Landkreis stünden einige wenige finanzstarke Gemeinden einer großen Zahl von Gemeinden mit weit unterdurchschnittlicher Finanzkraft gegenüber. Bei einem Verzicht auf die Progression wäre dem Beklagten zur Vermeidung eines noch größeren eigenen Haushaltsdefizits nichts anderes übriggeblieben, als den dann einheitlichen Umlagesatz weiter anzuheben. Hierdurch wären auch die ohnehin unterdurchschnittlich finanzkräftigen Gemeinden weiter geschwächt worden. Die Ausgestaltung des progressiven Umlagesatzes erscheine gegenüber den betroffenen Gemeinden auch nicht rücksichtslos. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die angeordnete Progression in Steigung und Höchstsatz hinter dem nach dem Landesfinanzausgleichsgesetz zulässigen Maß zurückbleibe. Der Beklagte habe bei der Bemessung seines über die Kreisumlage zu deckenden Finanzbedarfs auch keine Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben berücksichtigt. Die von der Klägerin beanstandeten Mittelansätze beträfen allesamt Angelegenheiten, die der Beklagte nach der Landkreisordnung als überörtliche Aufgaben der freien Selbstverwaltung wahrnehmen dürfe. Die Frage, inwieweit ein Landkreis unterstützend und ausgleichend im Bereich der allgemeinen Angelegenheiten tätig werden dürfe, stelle sich im vorliegenden Falle nicht.

4

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 16. November 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben.

5

Zur Begründung ihrer Revision macht sie geltend, der Beklagte nehme unzulässig gemeindliche Aufgaben wahr. Dies führe zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und zu einem überhöhten Umlagesoll. Die Wahl eines progressiven Umlagesatzes bewirke eine vollständige Einebnung der Finanzkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden oder sogar eine Veränderung der Finanzkraftreihenfolge. Die Erhebung der Kreisumlage in ihrer konkreten Ausgestaltung führe im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass ihr die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen würden und sie zur Umlagefinanzierung sogar Kredite aufnehmen müsse. Das Vorgehen des Beklagten sei mit Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass eine progressive Kreisumlage mit Art. 28 Abs. 2 GG dann nicht mehr vereinbar sei, wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete aufgabenadäquate finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden strukturell nicht mehr gewahrt werde.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil wird den Anforderungen aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht in jeder Hinsicht gerecht und verletzt damit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

10

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der angefochtene Kreisumlagebescheid einer Rechtsgrundlage bedarf, dass er diese nur in § 58 Abs. 4 Landkreisordnung (LKO) i.V.m. § 25 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) sowie in § 6 der Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 finden kann und dass deren Gültigkeit voraussetzt, dass sie mit höherem Recht, namentlich mit Verfassungsrecht vereinbar sind. Insofern hat das Berufungsgericht allein das Verfassungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz, nämlich Art. 49 LVerf in den Blick genommen und keinen Grund zur Beanstandung finden können; insoweit unterliegt sein Urteil nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht hat indes ungeprüft gelassen, ob die erwähnten Rechtsgrundlagen auch mit Bundesverfassungsrecht, vornehmlich mit Art. 28 Abs. 2, aber auch mit Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG vereinbar sind. Dies gilt es nachzuholen. Hierzu müssen zunächst die verfassungsrechtlichen Maßstäbe entfaltet werden (1.). Daran gemessen, erweisen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts teilweise als beanstandungsfrei (2. und 3.), in anderer Hinsicht jedoch als unzureichend (4.). Da eine abschließende Entscheidung weitere tatsächliche Feststellungen voraussetzt, die zudem landesrechtliche Rechtsfragen aufwerfen können, muss die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (5.).

11

1. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Das ergibt sich schon aus Satz 1 der Garantie; das Recht der Gemeinden, grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, setzt voraus, dass die Gemeinden über eine Finanzausstattung verfügen, die sie hierzu in den Stand setzt. Es wurde im Übrigen durch die Anfügung von Satz 3 der Garantie bestätigt und noch materiellrechtlich verstärkt. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (Urteile vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <287> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146 und vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161).

12

Die Finanzausstattung der Gemeinden ist ein Saldo aus Einnahmen und Abschöpfungen. Auf der Einnahmenseite tragen zur Finanzausstattung - neben Entgelten für spezielle Leistungen - Einnahmen aus Steuern (sogenannte Steuerkraft) sowie ergänzende Zuweisungen aus Landesmitteln nach Maßgabe des kommunalen Finanzausgleichs bei; dem stehen in negativer Hinsicht Bestimmungen in den Finanzausgleichs- und anderen Gesetzen über Umlagen gegenüber, die den Gemeinden Finanzmittel zugunsten anderer - regelmäßig höherstufiger - Verwaltungsträger wieder entziehen, sei es zugunsten der Kreise (Kreisumlage), sei es zugunsten von anderen Gemeindeverbänden (wie die Verbandsgemeindeumlage), sei es schließlich zugunsten von Land oder Bund (Finanzausgleichsumlage; Gewerbesteuerumlage). Die Kreisumlage erweist sich damit nicht nur als - herkömmliches und als solches fraglos zulässiges - Instrument zur Finanzierung der Kreise. Sie entzieht zugleich den kreisangehörigen Gemeinden Finanzmittel und zählt insofern zu den Instrumenten, welche in ihrem Zusammenwirken die Finanzausstattung der Gemeinden festlegen. Als solches muss sie den Anforderungen entsprechen, die das Verfassungsrecht für die Finanzausstattung der Gemeinden vorgibt (a); und ihre Wirkungen dürfen nicht dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird (b).

13

a) Dem Gesetz- und sonstigen Normgeber kommt bei der Ausgestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Gemeinden ein weiter Regelungsspielraum zu. Aus dem Grundgesetz lassen sich insofern keine Vorrangpositionen herleiten; vielmehr hat der Finanzbedarf eines jeden Verwaltungsträgers grundsätzlich gleichen Rang. Weder kommt dem Land für seinen eigenen Finanzbedarf ein Vorrang gegenüber dem kommunalen Bereich zu, noch lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG umgekehrt ein Vorrang des kommunalen Finanzbedarfs gegenüber demjenigen des Staates herleiten. Auch innerhalb des kreiskommunalen Raumes lässt sich weder für den Finanzbedarf des Kreises noch für denjenigen der kreisangehörigen Gemeinden von Verfassungs wegen ein Vorrang behaupten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Art. 28 Abs. 2 GG auch das sogenannte dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip entnommen. Hiernach muss der Gesetzgeber berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber sich dafür entschieden hat, dass örtlich bezogene öffentliche Aufgaben möglichst dezentral, im Zweifel also auf der gemeindlichen Ebene erledigt werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <147 ff., 156>). Daraus lässt sich jedoch kein Vorrangprinzip zugunsten der gemeindlichen Ebene auch in Ansehung der Verteilung knapper finanzieller Ressourcen herleiten. Das dezentrale Aufgabenverteilungsprinzip bewirkt eine im Zweifel gemeindliche Aufgabenzuständigkeit und begründet in der Folge eine gemeindliche Ausgabenlast. Deshalb ist der hierdurch begründete Finanzbedarf der Gemeinden jedoch nicht gewichtiger als der Finanzbedarf anderer (höherstufiger) Verwaltungsträger, der diesen aus den ihnen (verfassungsgemäß) zugewiesenen öffentlichen Aufgaben erwächst (vgl. auch Beschluss vom 3. März 1997 - BVerwG 8 B 130.96 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 109). Art. 28 Abs. 2 GG regelt eine Kompetenzverteilung und gewährleistet gleichsam akzessorisch eine aufgabenangemessene Finanzausstattung, trifft jedoch keine von der Aufgabenverteilung losgelöste, zusätzliche und eigenständige Regelung zur Verteilung öffentlicher Mittel.

14

Mit Blick auf die Kreisumlage kommt dem Grundsatz des finanziellen Gleichrangs zunächst und vor allem Bedeutung für das vertikale Verhältnis des umlageberechtigten Kreises zu den umlageverpflichteten kreisangehörigen Gemeinden zu. Mit der Kreisumlage werden bestimmte Finanzmittel im kreisangehörigen Raum zwischen dem Kreis und den Gemeinden verteilt. Das muss gleichmäßig geschehen (zum Gebot interkommunaler Gleichbehandlung: LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris Rn. 80). Dabei ist von Bedeutung, dass der Kreis nicht nur die Befugnis zur einseitigen Erhebung der Kreisumlage hat, sondern dass er in bestimmter Hinsicht auch über das Ausmaß seiner Kreistätigkeit disponiert und damit seinen eigenen Finanzbedarf enger oder weiter stecken kann. Das darf er nicht beliebig; vielmehr muss er die grundsätzlich gleichrangigen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Dem Berufungsgericht ist deshalb darin beizupflichten, dass der Kreis seine eigenen Aufgaben und Interessen nicht einseitig und rücksichtslos gegenüber den Aufgaben und Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetzen darf. Es ist allenfalls dahin zu ergänzen, dass der Kreis auch verpflichtet ist, nicht nur den eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen.

15

Die Erhebung der Kreisumlage muss den allgemeinen Gleichheitssatz auch in horizontaler Dimension im Verhältnis der umlagepflichtigen Gemeinden zueinander beachten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <393>; BVerwG, Urteil vom 25. März 1998 a.a.O. <287>). Fraglos zulässig ist es, den Finanzbedarf des Kreises nach linear gleichem Maßstab auf die kreisangehörigen Gemeinden umzulegen. Häufig werden steuerstärkere Gemeinden jedoch stärker herangezogen als steuerschwächere; dadurch erzielt die Kreisumlage zugleich einen steuerkraftausgleichenden Effekt. Hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes. Außerdem darf dies nicht so weit gehen, dass die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden eingeebnet oder gar die Steuerkraftreihenfolge verändert wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Gebot der Gleichbehandlung der Länder im Länderfinanzausgleich hergeleitet (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2 BvF 1/88 u.a. - BVerfGE 86, 148 <250 f., 253 f.>); es gilt gleichermaßen in Ansehung des Gebots der Gleichbehandlung der kreisangehörigen Gemeinden bei der Kreisumlage.

16

Schließlich darf die Erhebung der Kreisumlage nicht dazu führen, dass die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine eigene gemeindliche Steuerhoheit entwertet wird. Das meint zunächst die Ertragshoheit. Soweit das Grundgesetz den Gemeinden selbst Steuerkraft zuerkennt, darf der Landesgesetzgeber - oder der Kreis auf landesgesetzlicher Grundlage - ihnen diese nicht wieder zur Gänze entziehen. Zwar erlaubt Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG eine Umlage zugunsten des Landes und des Bundes auf den Ertrag der Gewerbesteuer. Dadurch darf jedoch nur ein Teil des Gewerbesteuerertrages entzogen werden; ein Umlagesatz von 100 % wäre jedenfalls unzulässig. Ähnliches gilt für Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG. Hiernach können die Länder die Erträge der Gemeinden aus den Realsteuern, aus der Einkommen- und aus der Umsatzsteuer zur Grundlage für weitere Umlagen nehmen. Auch dies darf nur einen Teil der gemeindlichen Steuerkraft erfassen; unzulässig wäre es, den Gemeinden die genannten Umlagegrundlagen praktisch zur Gänze zu entziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar gelegentlich bemerkt, Art. 106 Abs. 6 Satz 6 GG lasse sich ein besonderer Normgehalt nicht entnehmen, weshalb die Vorschrift von Teilen der Literatur sogar für überflüssig erachtet wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 a.a.O. <391 f.>). Die Frage eines Totalentzugs der Umlagegrundlagen war jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

17

Die Steuerhoheit umfasst neben der Ertragshoheit auch eine gewisse Regelungsbefugnis. Insofern gewährleistet das Grundgesetz den Gemeinden in Ansehung der Realsteuern und - nach Maßgabe von Bundesrecht - auch in Ansehung ihres Anteils an der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 GG) eine eigene Regelungsbefugnis als Grundlage einer örtlichen Wirtschafts- und Steuerpolitik im Sinne einer "finanziellen Eigenverantwortung" (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04 u.a. - BVerfGE 125, 141 <160 ff.>). Die Erhebung von Umlagen darf nicht dazu führen, dass die eigenverantwortliche Ausübung der gemeindlichen Steuerhoheit entwertet wird. Die rheinland-pfälzischen Bestimmungen über die Bemessung der Kreisumlage sehen deshalb vor, dass die Gemeinden nicht mit ihren tatsächlichen, sondern mit fiktiven Steuereinnahmen veranschlagt werden, denen ein einheitlicher und allgemein als jedenfalls zumutbar angesehener Hebesatz zugrunde gelegt wird. Dieses Verfahren ist einwandfrei. Ob andere Bemessungsweisen gleichermaßen zulässig wären, bedarf keiner Entscheidung.

18

b) Die verschiedenen Instrumente zur Gestaltung der Finanzausstattung der Gemeinden dürfen weder allein noch in ihrem Zusammenwirken dazu führen, dass die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden unterschritten wird. Insofern zieht Art. 28 Abs. 2 GG auch der Kreisumlageerhebung eine absolute Grenze.

19

Ob es eine verfassungsfeste finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden gibt, hinter die der (Landes-)Gesetzgeber auch bei einer allgemeinen Notlage der öffentlichen Haushalte nicht zurückgehen darf, haben das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181> und vom 7. Februar 1991 a.a.O. <386>; vgl. aber auch Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185, 2189/04 - BVerfGE 125, 141 <168>) und das Bundesverwaltungsgericht (vgl. aber Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) bislang nicht entschieden. Die Verfassungsgerichte der Länder haben ihren jeweiligen Landesverfassungen derartige Mindestgarantien entnommen und dies - soweit die Ausstattung aus Landesmitteln in Rede steht - allenfalls gelegentlich unter einen Vorbehalt der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt; die Gemeinden müssen hiernach mindestens über so große Finanzmittel verfügen, dass sie ihre pflichtigen (Fremd- wie Selbstverwaltungs-)Aufgaben ohne (nicht nur vorübergehende) Kreditaufnahme erfüllen können und darüber hinaus noch über eine "freie Spitze" verfügen, um zusätzlich freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben in einem bescheidenen, aber doch merklichen Umfang wahrzunehmen (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteile vom 5. Dezember 1977 - VGH 2/74 - DVBl 1978, 802 <805> und vom 18. März 1992 - VGH 3/91 - NVwZ 1993, 159 <160> m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 1999 - 2/97 - ESVGH 49, 242; Bayerischer VerfGH, Entscheidungen vom 27. Februar 1997 - Vf. 17 VII-94 - VerfGHE BY 50, 15 <41> und vom 28. November 2007 - Vf. 15-VII-05 - VerfGHE BY 60, 184; VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. September1999 - 28/98 - NVwZ-RR 2000, 129 <130>; LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 11. Mai 2006 - 1/05 u.a. - LKV 2006, 461 und vom 26. Januar 2012 - 33/10 - juris; Niedersächsischer StGH, Urteile vom 15. August 1995 - 2/93 u.a. - OVGE 45, 486, vom 25. November 1997 - 14/95 u.a. - OVGE 47, 497 und vom 7. März 2008 - 2/05 - NdsVBl 2008, 152 <156 f.>; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 16/02 - OVGE 50, 306; Urteile vom 11. Dezember 2007 - 10/06 - OVGE 51, 272 und vom 19. Juli 2011 - 32/08 - DVBl 2011, 1155; VerfGH Saarland, Urteile vom 10. Januar 1994 - Lv 2/92 - NVwZ-RR 1995, 153 <154> und vom 13. März 2006 - Lv 2/05 - juris; VerfGH des Freistaates Sachsen, Urteil vom 23. November 2000 - Vf. 53-II-97 - LKV 2001, 223 <224>; LVerfG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2006 - LVG 7/05 - NVwZ 2007, 78; Thüringer VerfGH, Urteile vom 12. Oktober 2004 - 16/02 - DVBl 2005, 443, vom 21. Juni 2005 - 28/03 - NVwZ-RR 2005, 665 <667> und vom 18. März 2010 - 52/08 - LKV 2010, 220; aus der Literatur: Tettinger/Schwarz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 248 ff.; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 156; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 1. Januar 2013, Art. 28 Rn. 53; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 102; Hufen, DÖV 1998, 276 <280>).

20

Dieser Rechtsprechung ist für das Bundesverfassungsrecht beizupflichten. Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG ergibt sich, dass der anerkannte "Kernbereich" der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung zu erstrecken ist. Der Gesetzgeber muss die öffentliche Verwaltung also so organisieren, dass unterhalb der (staatlichen) Landesebene eine kommunale Verwaltungsebene eingerichtet wird, der ein eigenständiges, eigenverantwortliches Verwaltungshandeln nicht nur in singulären Angelegenheiten, sondern grundsätzlich universell ermöglicht wird (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 a.a.O. <146 f.>). Dieser kommunale Bereich darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern muss auch finanziell ermöglicht werden. Der Kerngehalt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie wäre mithin (auch) dann verletzt, wenn von einer kommunalen Selbstverwaltung zwar vielleicht de jure, aber jedenfalls nicht mehr de facto die Rede sein könnte, weil den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel fehlen.

21

Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber den Gemeinden in Art. 106 Abs. 5 bis 6 GG bestimmte Steuereinnahmen zuerkannt und damit die gemeindliche Finanzausstattung zu einem Teil bereits von Bundesverfassungsrechts wegen gesichert hat. Daraus lässt sich nicht folgern, dass eine weitergehende bundesverfassungsrechtliche Sicherung nicht gewollt gewesen sei. Das Gegenteil ist richtig. Dass Art. 28 Abs. 2 GG die gemeindliche Selbstverwaltung in ihrem Kernbereich absolut schützt und dass dies auch deren finanzielle Voraussetzungen umfasst, gilt ungeachtet der zusätzlichen Garantien des Art. 106 GG; diese treten noch hinzu. Auch die Einfügung des Satzes 3 in Art. 28 Abs. 2 GG belegt die Überzeugung des verfassungsändernden Gesetzgebers, dass die Selbstverwaltungsgarantie angesichts zunehmender Überbürdung kostenträchtiger Aufgaben auf die Kommunen gerade in finanzieller Hinsicht noch zusätzlicher Verstärkung bedurfte.

22

Klargestellt werden muss, dass dieser "Kerngehalt" die äußerste Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren - das verfassungsrechtliche Minimum - bezeichnet, das einer weiteren Relativierung nicht zugänglich ist. Der Landesgesetzgeber könnte also eine strukturelle Unterfinanzierung der Gemeinden in diesem Sinne nicht mit Hinweis darauf rechtfertigen, dass auch die Haushaltslage des Landes notleidend ist. Der Mindestfinanzbedarf der Kommunen stellt vielmehr einen abwägungsfesten Mindestposten im öffentlichen Finanzwesen des jeweiligen Landes dar (so auch Tettinger/Schwarz, a.a.O. Rn. 248 ff.). Ob anderes gelten kann, wenn das Land selbst unter Ausschöpfung aller eigenen Steuerquellen und unter möglichster Verminderung ausgabenträchtiger öffentlicher Aufgaben des Landes und der Kommunen zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Mindestpflicht außerstande wäre, bedarf keiner Entscheidung. Eine solche Lage ist nicht erkennbar; der Beklagte macht nur eine eigene Haushaltsnotlage geltend, nicht aber einen Haushaltsnotstand des gesamten Landes.

23

2. Der angefochtene Kreisumlagebescheid beruht auf der gesetzlichen Grundlage in § 58 Abs. 4 LKO, § 25 LFAG. Das Berufungsgericht ist fraglos davon ausgegangen, dass diese Bestimmungen den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das hält den Einwänden, die namentlich der Vertreter des Bundesinteresses erhebt, im Ergebnis stand.

24

a) Der Vertreter des Bundesinteresses weist zum einen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 14. Februar 2012 (- VGH N 3/11 - NVwZ 2012, 1034 = DVBl 2012, 432) die Bestimmungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes über die Zuweisungen aus Landesmitteln (§§ 7 bis 18 LFAG) für verfassungswidrig erklärt hat. Das bleibt freilich für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung. Zwar nimmt § 25 LFAG auf § 13 LFAG und damit auf eine der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften Bezug. Jedoch wird damit nicht die Gültigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln zur Voraussetzung auch für die Gültigkeit der Bestimmungen über die Kreisumlage erhoben. Die Bezugnahme auf § 13 LFAG soll vielmehr lediglich die Umlagegrundlagen festlegen. Sie dient daher nur einer regelungstechnischen Vereinfachung, um eine eigenständige Wiederholung innerhalb des § 25 LFAG zu ersparen. In Ansehung der Umlagegrundlagen kann § 13 LFAG auch unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Zuweisungen aus Landesmitteln Bestand haben. Hinzu kommt, dass das Landesverfassungsgericht die §§ 7 bis 18 LFAG zwar für verfassungswidrig, aber für das hier in Rede stehende Umlagejahr 2009 nicht auch für nichtig erklärt hat; das Gesetz verliert vielmehr erst Ende 2013 seine Gültigkeit, wenn der Gesetzgeber bis dahin den verfassungsrechtlichen Einwänden nicht Rechnung getragen hat.

25

b) Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt zum anderen, dass § 58 Abs. 4 LKO zu weit gefasst sei. Nach dieser Vorschrift erhebt der Kreis eine Kreisumlage, soweit seine sonstigen Finanzquellen seinen Finanzbedarf nicht decken. Damit macht sie den Kreisen die Erhebung einer Kreisumlage zur Pflicht, deren Soll-Aufkommen sich nach ihrem Wortlaut allein nach dem gesamten ungedeckten Finanzbedarf des Kreises bemisst, ohne hierbei die gebotene Rücksicht auf den eigenen Finanzbedarf und die Finanzausstattung der umlagepflichtigen Gemeinden zu nehmen. Mit diesem Inhalt könnte die Vorschrift tatsächlich keinen Bestand haben; sie würde den Grundsatz des Gleichrangs zwischen dem Finanzbedarf des Kreises und demjenigen der kreisangehörigen Gemeinden und damit das interkommunale Gleichbehandlungsgebot in vertikaler Hinsicht verletzen und im Extremfall dazu führen, dass der Kreis eine eigene Unterfinanzierung stets auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen dürfte oder gar müsste, selbst wenn diesen dadurch nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene Mindestausstattung verbliebe. Die Vorschrift zwingt jedoch nicht zu einer solchen Interpretation. Sie ist vielmehr für eine verfassungskonforme Auslegung offen, wonach der Kreis zur Erhebung einer Kreisumlage ermächtigt wird, deren Höchstbetrag zwar durch seinen anderweitig nicht gedeckten Finanzbedarf begrenzt wird, mit der jedoch dieser ungedeckte Finanzbedarf nicht zwingend und jedenfalls dann nicht zur Gänze auf die umlagepflichtigen Gemeinden umgelegt werden müsste, wenn diesen dadurch weniger als die verfassungsgebotene Mindestausstattung verbliebe.

26

3. Die Klägerin hat gegen die Haushaltssatzung des Beklagten für das Jahr 2009 zum einen eingewendet, der Beklagte finanziere die Wahrnehmung von Aufgaben, für die ihm die Zuständigkeit fehle; zum anderen verletze der gewählte progressive Umlagesatz das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung in dessen horizontaler Dimension. Das Berufungsgericht hat diese Einwände zurückgewiesen. Das hält den Angriffen der Revision stand.

27

a) Die Klägerin bemängelt, der Beklagte nehme Aufgaben der Tourismus- und Wirtschaftsförderung wahr, für die ihm die Zuständigkeit fehle, was zu einem entsprechend überhöhten Finanzbedarf und dementsprechend zu einem überhöhten Umlagesoll führe. Dieser Einwand verfängt nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sämtliche von der Klägerin insofern angesprochenen Aufgaben kreisörtlicher Natur ("auf das Kreisgebiet bezogen") sind und deshalb vom Beklagten nach § 2 Abs. 1 LKO wahrgenommen werden dürfen. Die dem zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Dann aber steht fest, dass es sich nicht um gemeindliche Aufgaben handelt, die der Kreis lediglich im Rahmen seiner Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion (nach § 2 Abs. 5 LKO) oder gar in Wahrnehmung seiner "Kompetenzkompetenz" (nach § 2 Abs. 3 und 4 LKO) übernehmen dürfte. Damit stellt sich auch die verfassungsrechtliche Frage nicht, ob es mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar wäre, wenn der Kreis gemeindliche Aufgaben an sich zieht, die Gemeinden aber zugleich über die Kreisumlage zu deren Finanzierung heranzieht.

28

b) Die Angriffe der Revision bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als sie den progressiven Umlagesatz als solchen betreffen.

29

Der Umlagesatz besagt als solcher noch nichts über die den Gemeinden nach Erhebung der Umlage verbleibende Finanzausstattung. Die Progression führt auch nicht dazu, dass die Umlagegrundlagen zur Gänze entzogen werden; im vorliegenden Fall liegt der Grenzsatz bei 37,1 x 150 = 55,65 v.H. und der Durchschnittssatz bei der Klägerin bei etwa 45 v.H. Der Umlagesatz ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob er den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt und ob er Steuerkraftunterschiede zwischen den umlagepflichtigen Gemeinden übermäßig nivelliert. Insofern sind Einwände nicht zu erheben.

30

Ein einheitlicher Umlagesatz wahrt den Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Weiteres (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 LFAG), ein progressiver Satz wahrt ihn, wenn für die Progression ein sachlicher Grund besteht (vgl. Urteil vom 25. März 1998 - BVerwG 8 C 11.97 - BVerwGE 106, 280 <288 f.> = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 146). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Progression - der nur überdurchschnittlich steuerstarke Gemeinden unterliegen - dem Verursachungsprinzip Rechnung tragen soll; diese Gemeinden werden auf diese Weise verstärkt herangezogen, weil ihre besondere Steuerkraft zugleich die Ursache für geringere Schlüsselzuweisungen an die Kreise ist, was ohne Progression zu einer stärkeren Belastung der finanzschwächeren Gemeinden führen müsste. Darin hat es beanstandungsfrei einen zureichenden sachlichen Grund für den progressiven Umlagesatz gesehen.

31

Dessen Anwendung führt auch nicht dazu, dass die Steuerkraftunterschiede unter den umlagepflichtigen Gemeinden vollständig eingeebnet würden oder gar ihre Steuerkraftreihenfolge verändert würde. Das ist bei der gewählten stufenweisen Anhebung des in Prozent ausgedrückten Umlagesatzes schon rechnerisch ausgeschlossen. Es ist auch tatsächlich nicht der Fall; die Klägerin ist auch nach Durchführung der Umlage die steuerstärkste Gemeinde im Kreis. Dass sie selbst zu anderen Ergebnissen gelangt, ist darauf zurückzuführen, dass sie auf ihre absoluten Steuereinnahmen abstellt und diese nicht ins Verhältnis zu ihrer - geringen - Einwohnerzahl setzt. Dem ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden das Recht auf eine angemessene Finanzausstattung. Was angemessen ist, bestimmt sich zuvörderst nach dem Finanzbedarf, dieser aber ist maßgeblich abhängig von der Einwohnerzahl. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den Finanzkraftvergleich zwischen den verschiedenen kreisangehörigen Gemeinden nach Maßgabe der Steuerkraft in Relation zur jeweiligen Einwohnerzahl vornimmt.

32

4. Die Klägerin hatte aber drittens und vor allem geltend gemacht, die Erhebung der Kreisumlage entziehe ihr - im Zusammenwirken mit anderen Umlagen - praktisch ihre gesamte Finanzausstattung und belasse ihr damit nicht einmal mehr die verfassungsgebotene Mindestausstattung. Hiermit hat sich das Berufungsgericht bislang nur unzureichend auseinandergesetzt.

33

a) Vorab ist festzuhalten, dass der Einwand der Klägerin beachtlich ist. Der Beklagte muss bei der Bemessung der Kreisumlage die anderen Umlagepflichten der kreisangehörigen Gemeinden in Rechnung stellen. Der Landesgesetzgeber stellt die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land; Instrumenten der Finanzzuweisungen zugunsten der Gemeinden (insbesondere Schlüsselzuweisungen) stehen gegenläufige Instrumente der Finanzabschöpfungen (insbesondere Umlagen) gegenüber. Insofern tritt die Kreisumlage neben andere Umlagen unter Gemeinden. Der Vertreter des Bundesinteresses weist zutreffend darauf hin, dass der Landesgesetzgeber dieses System des Finanzausgleichs als Ganzes zu verantworten hat; er ist verpflichtet, eine angemessene Finanzausstattung, wenigstens aber die Mindestausstattung der Gemeinden im Gesamt seines Regelwerks zu gewährleisten. Dabei muss er diejenigen Vorgaben beachten, die vom Bundesgesetzgeber selbst und damit von einem vorrangigen Normgeber gesetzt werden. Deshalb muss er auch die Belastungen der Gemeinden aus der Gewerbesteuerumlage in Rechnung stellen.

34

Bei der nötigen Gesamtbetrachtung kann die Verbandsgemeindeumlage (§ 26 LFAG) nicht ausgeblendet werden. Sie dient zwar der Finanzierung gemeindlicher Aufgaben und kommt der Klägerin - einer Ortsgemeinde - damit selbst zugute. Die Klägerin kann jedoch über ihre Mitgliedschaft in der Verbandsgemeinde nicht frei entscheiden und kann auch den Umfang der von dieser wahrgenommenen örtlichen Aufgaben nicht beeinflussen. Vielmehr werden die Verbandsgemeinden aus Gründen des Gemeinwohls gebildet (vgl. § 64 GemO) und nehmen bestimmte Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aufgrund Gesetzes an Stelle der Ortsgemeinden wahr (§§ 67, 68 GemO). Insofern liegt die Sache anders als bei der Samtgemeindeumlage nach niedersächsischem Recht (vgl. Urteil vom 15. November 2006 - BVerwG 8 C 18.05 - BVerwGE 127, 155 = Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 161). Vor allem aber stünde eine "freie Spitze" nicht der Verbandsgemeinde, sondern unverändert der Ortsgemeinde zu, die auch nur selbst Inhaberin des verfassungsrechtlichen Aufgabenzugriffsrechts, also des Rechts ist, sich jeder "unbesetzten" öffentlichen Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft aus eigenem Willensentschluss anzunehmen.

35

b) Das Berufungsgericht ist auf den Einwand der Klägerin bislang nur unter Anlegung eines unzureichenden und teilweise fehlerhaften verfassungsrechtlichen Maßstabs eingegangen. Es hat den Kreis nämlich von der Pflicht zur Beachtung der verfassungsgebotenen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden dispensiert und angenommen, die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie werde in jedem Fall erst dann verletzt, wenn der Kreis seine eigenen Interessen einseitig und willkürlich gegenüber den Interessen der kreisangehörigen Gemeinden durchsetze. Das wird den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG nicht gerecht.

36

Der Schutz- und Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 (und 3) GG gilt zugunsten der Gemeinden auch in deren Verhältnis zum Kreis. Für "den kommunalen Raum", also das Gesamt von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, besteht kein abweichendes Sonderrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83 u.a. - BVerfGE 79, 127 <150 f., 152>). Daraus folgt, dass der oben umschriebene "Kernbereich" der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie auch nicht zugunsten des jeweiligen Kreises angetastet werden darf. Das gilt für jedwede Finanzregelung, gleichgültig ob sie vom Land oder vom Kreis selbst erlassen wurde; weder darf eine Regelung des Landesgesetzgebers zu einer strukturell unzureichenden Finanzausstattung der Gemeinden führen, noch darf eine Regelung eines Kreises diese Wirkung haben. Damit wird auch der Kreisumlage eine absolute Grenze gezogen; ihre Erhebung darf nicht dazu führen, dass das absolute Minimum der Finanzausstattung der kreisangehörigen Gemeinden unterschritten wird.

37

Demgegenüber will das Berufungsgericht die Kreise bei Erlass von Bestimmungen über die Erhebung der Kreisumlage von der Pflicht zur Beachtung des "Kernbereichs" jedenfalls dann dispensieren, wenn der kommunale Sektor insgesamt unterfinanziert ist; die Regelungsbefugnis des Kreises sei auch in diesem Falle erst überschritten, wenn der Kreis seine Interessen willkürlich und rücksichtslos zulasten der Gemeinden verfolgt. Das ist mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar. So wenig wie das Land kann sich der Kreis von der Beachtung des "Kernbereichs" der gemeindlichen Selbstverwaltung unter Hinweis auf seine eigene Haushaltslage dispensieren. Richtig ist, dass der Kreis - anders als das Land - regelmäßig nicht über eine nennenswerte Kompetenz zur Erschließung zusätzlicher Steuerquellen verfügt, um seine Finanznot zu lindern (dazu Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 115 f.). Das suspendiert indes nicht die Geltung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie. Ist die eigene Finanzausstattung des Kreises unzureichend, so muss er sich seinerseits an das Land (den Landesgesetzgeber) halten; er kann seine Finanznot nicht auf die kreisangehörigen Gemeinden abwälzen. Darauf weist der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend hin.

38

Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Defiziten, da es einen Haupteinwand der Klägerin - die Kreisumlage entziehe ihr die verfassungsgebotene finanzielle Mindestausstattung - auf unzureichender Grundlage zurückgewiesen hat.

39

5. Der Senat kann über die Sache nicht abschließend entscheiden. Hierzu muss noch auf Vorbringen des Beklagten eingegangen werden, was zusätzliche tatsächliche Feststellungen erfordert, die zudem landesrechtliche Würdigungen voraussetzen. Das ist dem Bundesverwaltungsgericht verschlossen; deshalb muss die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden.

40

a) Zum einen bestreitet der Beklagte, dass im Zusammenwirken der Kreisumlage mit anderen Umlagen sämtliche Steuereinnahmen der Klägerin abgeschöpft würden und die Klägerin darüber hinaus noch zur Kreditaufnahme gezwungen werde, um ihre Umlageverpflichtungen zu erfüllen. Er meint, dass die Gewerbesteuerumlage nicht gesondert und zusätzlich zu berücksichtigen sei, weil sie bereits bei Festlegung der Nivellierungssätze als Höchstgrenze für die Umlagezahlungen Berücksichtigung finde. Ob das zutrifft, wird zu prüfen sein.

41

b) Zum anderen - und vor allem - behauptet der Beklagte, die Kumulation von Umlagepflichten habe für die Klägerin nur im Jahr 2009 zu einer derart hohen Belastung geführt. Die Erhebungsmethode habe in diesem Jahr zu einem überdurchschnittlich hohen Umlagebetrag geführt, dem jedoch im Folgejahr ein entsprechend niedrigerer Betrag gefolgt sei. Auch dem wird das Berufungsgericht nachzugehen haben. Der Kernbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie wird nicht schon dann verletzt, wenn die Finanzausstattung einer Gemeinde nur in einem Jahr oder nur für einen vorübergehenden Zeitraum hinter dem verfassungsgebotenen Minimum zurückbleibt; zur Überbrückung derartiger Notlagen steht der Gemeinde die Befugnis zur Aufnahme von Kassenkrediten zur Verfügung. Der Kernbereich der Garantie ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Gemeinde strukturell und auf Dauer außerstande ist, ihr Recht auf eine eigenverantwortliche Erfüllung auch freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.