Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 13. Nov. 2014 - 2 B 1111/14
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde mit dem weiterverfolgten Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der von ihm erhobenen Klage 4 K 2195/14 gegen die der Beigeladenen zu 1. von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 anzuordnen, soweit die Errichtung einer Pkw-Garage genehmigt worden ist,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag des Antragstellers nach §§ 80 a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zwar - wie von der Beschwerde im Ergebnis zutreffend geltend gemacht - zulässig (dazu I.). Er ist jedoch unbegründet (dazu II.).
6I. Dem Antrag fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller die Klagefrist versäumt hätte oder der Eilantrag aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig wäre.
7Obwohl die Übermittlung der Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers durch die Antragsgegnerin per E-Mail am 11. Juni 2014 eine wirksame Bekanntgabe nach §§ 41 Abs. 1, 3 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW bewirkt, läuft für den Antragsteller offensichtlich nicht die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Diese hat der Antragsteller mit der Klageerhebung am 8. August 2014 gewahrt.
8Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts i.S.v. § 41 Abs. 1 VwVfG NRW ist die Eröffnung des Verwaltungsakts gegenüber den von ihm Betroffenen. Dazu reicht es aus, wenn die Behörde dem Adressaten vom Inhalt des Verwaltungsakts, d. h. von dessen verfügendem Teil, Kenntnis verschafft. Das Fehlen der Begründung, der Rechtsmittelbelehrung oder etwaiger Anlagen ist für die Wirksamkeit der Bekanntgabe unschädlich, wenn der Empfänger gleichwohl von der Vollständigkeit der übermittelten Regelung ausgehen muss. Erforderlich ist nur, dass die Kenntnisverschaffung mit Wissen und Wollen der zuständigen Behörde geschieht.
9Vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschlüsse vom 8. Dezember 1995 - 11 B 132/95 -, juris Rn. 9, und vom 6. Mai 1991 - 1 B 41.91 -, juris Rn. 3, Urteil vom 29. April 1968 - VIII C 19.64 -, BVerwGE 29, 321 = NJW 1968 = juris Rn. 8; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 41 Rn. 6 ff.
10Das lediglich zufällige Bekanntwerden eines Verwaltungsakts genügt nicht für eine Bekanntgabe, ebenso nicht lediglich private Mitteilungen oder eine informatorische Übermittlung vorab.
11Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 41 Rn. 7a; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 55; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 41 Rn. 4.
12Gemäß § 3 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist auch die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Von einer Zugangseröffnung ist nach der Verkehrsauffassung grundsätzlich nicht schon dann auszugehen, wenn ein privater Empfänger über einen E-Mail-Account verfügt und die E-Mail-Adresse der Behörde bekannt ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der private Empfänger der Behörde die E-Mail-Adresse gezielt in dem betreffenden Verfahren mitgeteilt hat und dass bereits in der Vergangenheit in diesem Verfahren zwischen der Behörde und dem Bürger auf diesem Weg korrespondiert wurde. Für Behörden, geschäftliche Nutzer und Rechtsanwälte gilt demgegenüber ein strengerer Maßstab. Bei diesen Verfahrensakteuren kann eine Zugangseröffnung regelmäßig schon dann angenommen werden, wenn sie eine elektronische Adresse auf ihren Briefköpfen oder auf ihrer Homepage im Internet als Kontaktadresse angeben.
13Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 5 NC 73.08 -, juris Rn. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 3 a Rn. 12 und § 41 Rn. 11b; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 3 a Rn. 12 f.; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 3 a Rn. 3.
14Gemessen an diesen Maßstäben ist eine wirksame Bekanntmachung der Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit der E-Mail der Antragsgegnerin vom 11. Juni 2014 zu bejahen. Die Antragsgegnerin verschaffte dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des Anschreibens in der E-Mail auf diesem Weg willentlich Kenntnis von der Baugenehmigung. Dabei vermittelte sie dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die Kenntnis von dem wesentlichen Inhalt der Genehmigung. In der Anlage zu der E-Mail befand sich nicht nur der Genehmigungsbescheid selbst, sondern auch der genehmigte amtliche Lageplan. Mit dessen Hilfe konnte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers namentlich erkennen, dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen zu 1. die Errichtung der von dem Antragsteller mit Schreiben an die Antragsgegnerin vom 28. Mai 2014 allein beanstandeten, offenbar unmittelbar grenzständigen Garage genehmigt hatte. Für das Verständnis dieses für ihn wesentlichen Regelungsinhalts der Baugenehmigung bedurfte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers keiner weiteren Bauvorlagen nebst eingetragener Prüfvermerke.
15Die Antragsgegnerin handelte bei objektiver Betrachtung bei der Versendung der E-Mail vom 11. Juni 2014 mit echtem Bekanntgabewillen und nicht nur informatorisch. Der solchermaßen erfolgten Übermittlung der Baugenehmigung ging das vorerwähnte Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers an die Antragsgegnerin vom 28. Mai 2014 voraus. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hatte von der Antragsgegnerin darin bis spätestens zum 30. Mai 2014 eine verbindliche Erklärung über einen etwaigen Baustopp in Bezug auf den Weiterbau der genehmigten Garage verlangt. Aufgrund dieses Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten musste dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers klar sein, dass im nunmehr (von ihm) eingeleiteten bauaufsichtlichen Verfahren abgegebene Erklärungen der Antragsgegnerin rechtsverbindlich sein würden. Denn mit Blick auf die weitere Absichtsbekundung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers im Schreiben vom 28. Mai 2014, erforderlichenfalls um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen, musste es der Antragsgegnerin im weiteren Verlauf der Korrespondenz erkennbar darum gehen, möglichst zeitnah rechtssichere Verhältnisse herbeizuführen. Dazu zählt die förmliche Bekanntgabe der angegriffenen Baugenehmigung an den Antragsteller, durch die eine Klagefrist in Lauf gesetzt wird bzw. werden soll, welche der Antragsteller einhalten muss, um den Eintritt der Bestandskraft dieser Baugenehmigung ihm gegenüber zu verhindern.
16Etwaige von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit der Antragsgegnerin geführte (aus seiner Sicht) „informelle Telefonate“ ändern daran nichts. Das parallele Ausloten von Kompromissmöglichkeiten ist von dem Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung unabhängig. Auch nach einer - womöglich lediglich vorsorglichen und fristwahrenden - Klageerhebung kann noch eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten erzielt werden.
17Die Zulässigkeit der Bekanntgabe der Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 über das Medium der E-Mail begegnet keinen Bedenken. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hatte einen entsprechenden Zugang i.S.v. § 3 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW eröffnet. Auf seinem Kanzleibriefkopf ist eine E-Mail-Adresse angegeben. Darüber hinaus hatte er das Schreiben an die Antragsgegnerin vom 28. Mai 2014 an diese vorab per E-Mail versandt.
18Gleichwohl ist die Klage in der Hauptsache nicht verfristet. Die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist nicht einschlägig, weil die Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 dem Antragsteller nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 58 Abs. 1 VwGO bekanntgegeben wurde. Folge dessen ist die Geltung der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die der Antragsteller durch die Klageerhebung am 8. August 2014 beachtet hat.
19Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO hat die Rechtsbehelfsbelehrung über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist zu belehren. Nach dieser Vorschrift ist es nicht erforderlich, darüber zu belehren, wer zur Einlegung des Rechtsbehelfs berechtigt, also widerspruchs- oder klagebefugt ist. Enthält die Rechtsbehelfsbelehrung keine Belehrung über ihren Adressaten, ist sie grundsätzlich nicht i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO unterblieben oder unrichtig erteilt. Dies gilt uneingeschränkt auch bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Anders verhält es sich aber, wenn sich die Rechtsbehelfsbelehrung nur auf einen konkreten Adressaten bezieht, etwa auf den im Adressfeld genannten unmittelbaren Adressaten des Bescheids selbst. Eine solche Formulierung erweckt den Eindruck, zur Einlegung des Rechtsbehelfs sei nur er befugt. Gegenüber anderen potentiell Drittbetroffenen ist die Rechtsbehelfsbelehrung dagegen unterblieben, es sei denn, diese mussten sie in Anbetracht der Gesamtumstände eindeutig auch auf sich beziehen.
20Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2010 - 7 B 36.09 -, BauR 2010, 1738 = juris Rn. 15 f., und vom 7. Juli 2008 - 6 B 14.08 -, NVwZ 2009, 191 = juris Rn. 9.
21Ausgehend davon ist die Rechtsbehelfsbelehrung gegenüber dem Antragsteller unterblieben. Die seinem Prozessbevollmächtigten am 11. Juni 2014 bekanntgegebene Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 ist an die Beigeladene zu 1. adressiert. Ihr ist eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, die nicht abstrakt formuliert ist, sondern sich mit der Formulierung der Anrede „Sie“ konkret nur an die Beigeladene zu 1. richtet. Angesichts dessen bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Rechtsbehelfsbelehrung gegen ihren Wortlaut nach den Gesamtumständen auch auf den Antragsteller und von ihm einzulegende Rechtsbehelfe beziehen musste. Die Antragsgegnerin hat der E-Mail vom 11. Juni 2014 auch kein zusätzliches Anschreiben mit einer auf den Antragsteller zugeschnittenen Rechtsbehelfsbelehrung hinzugefügt.
22Der Antragsteller hat sein Klagerecht bei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglicher und gebotener summarischer Prüfung auch nicht prozessual verwirkt.
23Die Verwirkung der Klagebefugnis setzt einen längeren Zeitraum voraus, während dessen die Möglichkeit der Klageerhebung bestand. Diese Möglichkeit muss dem Berechtigten bewusst gewesen sein. Der positiven Kenntnis steht es regelmäßig gleich, wenn der Berechtigte von der ihn belastenden Maßnahme zuverlässige Kenntnis hätte haben müssen, weil sich ihm - zum einen - deren Vorliegen hätte aufdrängen müssen und es ihm - zum anderen - möglich und auch zumutbar war, sich über die getroffene Maßnahme letzte Gewissheit zu verschaffen. Die Klageerhebung muss gerade deshalb gegen Treu und Glauben verstoßen, weil der Berechtigte trotz vorhandener Kenntnis oder der ihm zuzurechnenden Möglichkeit der Kenntnis erst zu einem derart späten Zeitpunkt Klage erhebt, zu dem die nunmehr beklagte Behörde nicht mehr mit einer Klageerhebung rechnen musste. Die betroffene Behörde rechnet dann nicht mehr mit einer Klageerhebung gegen die von ihr getroffene Maßnahme, wenn ein Berechtigter unter Verhältnissen ihr gegenüber untätig bleibt, unter denen jedermann vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen hätte. Durch das Unterlassen wird eine tatsächliche Lage geschaffen, auf die sich die Behörde einstellen darf. Endlich muss sich die beklagte Behörde auch tatsächlich in einer Weise auf das Verhalten des Berechtigten eingerichtet haben, dass für sie eine begründete Klage mit nicht mehr zumutbaren Nachteilen verbunden wäre.
24Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 10. August 2000 - 4 A 11.99 -, NVwZ 2001, 206 = juris Rn. 15.
25Daran gemessen ist für eine prozessuale Verwirkung nach Aktenlage nichts ersichtlich. Danach erfuhr der Antragsteller von der Baugenehmigung, welche die Errichtung einer Garage an der Grundstücksgrenze direkt an seinem Haus F. Straße 22 einschließt, offenbar erst im Jahr 2014. Dies geht aus dem Vermerk der Antragsgegnerin über eine „Bauberatung“ des Antragstellers am 22. April 2014 hervor. Zwischen diesem Zeitpunkt und der Klageerhebung am 8. August 2014 war ‑ auch angesichts der zwischenzeitlich in dieser Angelegenheit mit der Antragsgegnerin geführten Korrespondenz - kein Zustand eingetreten, in dem die Antragsgegnerin nicht mehr mit einer Klageerhebung hätte rechnen müssen.
26II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
271. Die Sachprüfung ist dem Senat nicht wegen der Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 3 und Satz 6 VwGO verwehrt. Ergibt die nach diesen Bestimmungen prinzipiell auf die dargelegten Gründe beschränkte Prüfung des Beschwerdegerichts, dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts - wie hier - die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht trägt, hat es umfassend zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist. Der von Verfassungs wegen gebotene effektive Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet es dann, die weitere Prüfung durch das Beschwerdegericht an denselben Maßstäben auszurichten, wie sie auch ohne die Regelung des § 146Abs. 4 Satz 6 VwGO anzuwenden wären. Hat der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Entscheidung mit Erfolg in Frage gestellt und wäre bereits aus diesem Grund der Beschwerde stattzugeben, wäre der Rechtsschutz des Beschwerdegegners unvertretbar verkürzt. Die Folge wäre, dass der Beschwerdegegner mit in der ersten Instanz ordnungsgemäß vorgebrachten und möglicherweise durchgreifenden Argumenten ungehört bliebe. Ihm ist es nicht zuzumuten, im Beschwerdeverfahren erneut diejenigen Argumente anzuführen, welche die erstinstanzliche Entscheidung über die Argumentation das Gerichts hinaus stützen, zumal insoweit die von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht möglich ist.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861 = juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. März 2013 - 8 S 2504/12 -, BauR 2013, 1088 = juris Rn. 11; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 15. Januar 2009 - 9 S 70.08 -, juris Rn. 4; Nds. OVG, Beschluss vom 28. März 2006 - 7 ME 159/04 -, NVwZ-RR 2006, 682 = juris Rn. 29.
292. Die solchermaßen in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus. Das Interesse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1. an dem sofortigen Vollzug der im Hinblick auf die Errichtung einer zum Grundstück des Antragstellers F. Straße 22 augenscheinlich grenzständigen Pkw-Garage angefochtenen Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers.
30Maßgebliches Kriterium innerhalb der nach §§ 80 a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung sind zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als zu Lasten des Antragstellers offensichtlich rechtswidrig, überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse die gegenläufigen privaten und/oder öffentlichen Vollzugsinteressen. Stellt der Verwaltungsakt sich als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht.
31Ausgehend davon fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Bei summarischer Betrachtung verletzt die hinsichtlich der Grenzgarage streitige Baugenehmigung ihn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in seinen Rechten. Insbesondere verstößt die Baugenehmigung im angefochtenen Umfang voraussichtlich nicht zum Nachteil des Antragstellers gegen - den auch im hier durchgeführten vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BauO NRW zu prüfenden - § 6 BauO NRW (dazu a) sowie gegen das - nach § 68 Abs. 1 Satz 4Nr. 1 BauO NRW ebenfalls zu beachtende - in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bzw. in§ 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (dazu b).
32a) Die mit Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 genehmigte Errichtung einer grenzständigen Pkw-Garage steht aller Voraussicht nach nicht im Widerspruch zu § 6 BauO NRW. Die Zulassung der Grenzgarage ist von § 6 Abs. 11 BauO NRW privilegiert.
33Nach § 6 Abs. 11 Satz 1 BauO NRW sind Gebäude mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m über der Geländeoberfläche, die als Garage genutzt werden, an der Grenze ohne eigene Abstandflächen sowie in den Abstandflächen eines Gebäudes zulässig ohne Öffnungen in den der Nachbargrenze zugekehrten Wänden und dies auch, wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an ein Gebäude angebaut werden.
34§ 6 Abs. 11 Satz 1 BauO NRW schafft eine wesentliche Erleichterung für die Errichtung von Garagen, überdachten Stellplätzen und den sonstigen dort genannten baulichen Anlagen. Die mit ihm vorgenommene Privilegierung schränkt den durch die Abstandflächenvorschriften sichergestellten Schutz ein. Soweit die Vorschrift Garagen und überdachte Stellplätze betrifft, verfolgt der Gesetzgeber damit den Zweck, durch Unterbringung von Kraftfahrzeugen auf Privatgrundstücken den öffentlichen Verkehrsraum zu entlasten. Die Baufreiheit des Bauherrn wird erweitert, indem der Gesetzgeber zugunsten des Bauherrn dem Nachbarn bei Einhaltung der in der Vorschrift genannten Maße die Hinnahme eines überdachten Stellplatzes oder einer Garage entgegen der Grundregel des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BauO NRW in der ansonsten auf dem Baugrundstück des Bauherrn freizuhaltenden Abstandfläche unter Inanspruchnahme des Grenzabstands zumutet. Diese Zumutbarkeit findet ihre Schranke in den in der Vorschrift genannten Beschränkungen hinsichtlich der über der Geländeoberfläche an der Nachbargrenze einzuhaltenden mittleren Wandhöhe der Anlagen, deren zulässiger Gesamtlänge an einer Nachbargrenze des Baugrundstücks als relativer Schranke sowie der zulässigen Gesamtlänge dieser Gebäude an allen Nachbargrenzen als absoluter Obergrenze (vgl. § 6 Abs. 11 Satz 5 BauO NRW: je Nachbargrenze 9 m und auf einem Grundstück zu allen Nachbargrenzen insgesamt 15 m). Durch diese Begrenzung des Umfangs der Privilegierung soll eine übermäßige Bebauung der Grenzbereiche mit potentiell störenden Anlagen vermieden werden.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2003 - 7 A 4101/01 -, juris Rn. 45 ff.
36Die Anwendung des § 6 Abs. 11 BauO NRW für sich genommen ist im Übrigen von etwaigen bauplanungsrechtlichen Beschränkungen unabhängig. Ob Anlagen i.S.d. § 6 Abs. 11 BauO NRW an der Nachbargrenze errichtet werden dürfen, beurteilt sich zum einen nach Bauordnungsrecht etwa hinsichtlich der sich aus § 6 Abs. 11 BauO NRW ergebenden Anforderungen zulässiger Abmessungen der privilegierten Anlagen, zum anderen bauplanungsrechtlich nach Maßgabe der anzuwendenden Normen des Bauplanungsrechts. Diese bleiben gesondert zu prüfen.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2000- 7 B 57/00 -, juris Rn. 11; Kamp/Schmickler, BauO NRW, 1. Aufl. 2012, § 6 Rn. 253; Johlen, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 6 Rn. 278; Boeddinghaus/Hahn/ Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band I, Stand Januar 2007, § 6 Rn. 310; siehe zu diesem Prüfungsaufbau außerdem OVG NRW, Urteil vom 26. April 2010- 7 A 2162/09 -, juris Rn. 38 ff.; zu den prinzipiellen Restriktionen des Rücksichtnahmegebots durch § 6 Abs. 11 BauO NRW siehe BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1985 - 4 CB 49.85, 4 CB 504 CB 50.85 -, BRS 44 Nr. 177 = juris Rn. 2; Johlen, in: Gädtke/Czepuck/ Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 6 Rn. 297.
38Nach diesen Grundsätzen fällt die genehmigte Grenzgarage unter die Privilegierung des § 6 Abs. 11 BauO NRW. Nach den genehmigten Bauvorlagen beachtet sie ohne eigene Wandöffnungen an der Grundstücksgrenze zum Antragsteller die Maßvorgaben der Regelung. Sie ist weniger als 3 m hoch und ihre Gesamtlänge beträgt zusammen mit dem ebenfalls genehmigten vorgelagerten Carport an der Nachbargrenze zum Antragsteller insgesamt 9 m.
39Die Frage, ob die Garage gleichwohl nachbarrechtswidrig ist, weil sie wegen der Beschaffenheit des Gebäudes auf dem Grundstück des Antragstellers - mit einem „Gesims“ - anscheinend faktisch nicht unmittelbar grenzständig an dieses angebaut werden kann und weil sie aufgrund dessen tatsächlich in einem geringen Abstand vor den drei Fenstern in dessen Kellergeschoss errichtet werden müsste, würde dieser bauliche Zustand fortbestehen, ist im Rahmen des § 6 Abs. 11 BauO NRW ohne Belang. Sie ist erst bei der Prüfung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zu behandeln.
40Sollte es sich bei dem Gebäude des Antragstellers F. Straße 22 teilweise um einen Überbau handeln, weil nur das Kellergeschoss selbst grenzständig steht, wäre dies öffentlich-nachbarrechtlich aus sich heraus im Ausgangspunkt gleichfalls ohne Bedeutung. Gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW wird die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt. Ob ein Überbau, welcher der tatsächlichen Ausführung einer Baugenehmigung entgegensteht, zu beseitigen ist, ist nach Zivilrecht (vgl. § 912 Abs. 1 BGB) zu beurteilen.
41Vgl. insoweit auch OVG NRW, Urteil vom 7. April 2014 - 10 A 1814/12 -, BauR 2014, 1288 = juris Rn. 53, Beschlüsse vom 6. März 2013 - 2 A 1705/10 -, juris Rn. 21, und vom 22. Oktober 2007 - 7 B 1598/07 -, juris Rn. 3.
42b) Die mit Blick auf die Grenzgarage angegriffene Baugenehmigung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegenüber dem Antragsteller bauplanungsrechtlich rücksichtslos.
43Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll die bei Verwirklichung von Bauvorhaben aufeinanderstoßenden Interessen angemessen ausgleichen. Ob ein Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Umgekehrt braucht derjenige, der ein Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es danach wesentlich auf eine Abwägung an zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnah-meberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dementsprechend ist das Rücksichtnahmegebot verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird.
44Dies ist bei summarischer Prüfung aufgrund der Genehmigung der Grenzgarage nicht der Fall.
45Wie dargelegt, ist die genehmigte Garage aufgrund von § 6 Abs. 11 BauO NRW abstandflächenrechtlich privilegiert. Überwiegende nachbarliche Belange des Antragstellers, welche diese Begünstigung zurückdrängen würden, sind nach Lage der Dinge nicht zu erkennen. Weder kann sich der Antragsteller wohl in Ansehung der drei Kellerfenster gegen die Garage mit Erfolg auf durchsetzungsfähigen Bestandsschutz berufen (dazu aa) noch würde aufgrund einer grenzständigen Errichtung der Garage mit Blick auf die Kellerfenster und ihre Belichtungs- und Belüftungsfunktion oder anderweitig ein bau(ordnungs)rechtlich nicht hinnehmbarer Zustand eintreten (dazu bb).
46aa) Die drei Kellerfenster in dem in Rede stehenden Gebäude des Antragstellers sind augenscheinlich nicht mit gegenüber dem Garagenbauvorhaben der Beigeladenen zu 1. durchsetzungsfähigem Bestandsschutz ausgestattet.
47Ein Bestandsschutz der Kellerfenster greift ein, wenn diese entweder (formell bau‑)genehmigt worden sind oder sie (materiell) zu irgendeinem Zeitpunkt (bau‑)genehmigungsfähig waren.
48Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15. Juli 2013 - 2 A 969/12 -, BauR 2014, 667 = juris Rn. 78, vom 29. März 2012 - 2 A 83/11 -, juris Rn. 57, vom 17. Januar 2008 - 10 A 2795/05 -, BRS 73 Nr. 172 = juris Rn. 71, Beschlüsse vom 17. Februar 2000 - 7 B 178/00 -, BRS 63 Nr. 137 = juris Rn. 11, und vom 31. Januar 1991 - 7 B 241/91 -, BRS 52 Nr. 179 = juris Rn. 7.
49Für das Bestehen des Bestandsschutzes ist der Antragsteller materiell beweispflichtig. Er trägt die Beweislast im Falle der Unaufklärbarkeit ungeachtet des Alters seines Hauses. Die Regeln des Anscheinsbeweises kommen ihm nicht zugute.
50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 1988 - 4 B 33.88 -, juris Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 15. Juli 2013 - 2 A 969/12 -, BauR 2014, 667 = juris Rn. 80, und vom 29. März 2012 - 2 A 83/11 -, juris Rn. 59, Beschluss vom 30. März 2011 - 7 A 848/10 -, juris Rn. 17.
51Nach diesen Maßgaben sind die Kellerfenster im Haus des Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht nachweislich bestandsgeschützt.
52Aus der vorliegenden Bauakte ergibt sich nicht, dass sie baugenehmigt - mithin formell legal - sind. Nach Lage der Akten wurden für das Haus des Antragstellers F. Straße 22 Bauerlaubnisse vom 8. Juni 1905 und vom 16. Mai 1906, Bau-Erlaubnisscheine vom 1. Juni 1928 und vom 2. Mai 1929 sowie eine Baugenehmigung vom 11. Mai 1967 erteilt. Keiner dieser Genehmigungen samt den zugehörigen genehmigten Bauvorlagen lässt sich entnehmen, dass die Kellerfenster baurechtlich zugelassen sind. Dass die Kellerfenster seit Errichtung des Hauses tatsächlich vorhanden sein mögen, ist für diesen rechtlichen Befund unerheblich.
53Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kellerfenster materiell genehmigungsfähig sind oder zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit genehmigungsfähig waren. Legt man das im Verwaltungsvorgang der Beklagten (siehe dort Blatt 83) abgelegte Lichtbild vom 24. April 2014 zugrunde, fungiert die Wand, in welche die Kellerfenster in das Haus des Antragstellers eingelassen sind, im Verhältnis zum Vorhabengrundstück als (nach dem Vorbringen des Antragstellers im Kellergeschoss grenzständige) Gebäudeabschlusswand i.S.v. § 31 BauO NRW. In Gebäudeabschlusswänden sind gemäß § 31 Abs. 4 BauO NRW jedoch Öffnungen, wie sie die Kellerfenster bilden, aus Gründen des Brandschutzes unzulässig.
54Vgl. zum Sinn und Zweck des § 31 Abs. 4 BauO NRW zuletzt etwa OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2014 - 2 B 570/14 -, juris Rn. 15.
55Die Vorgängerregelungen des § 31 Abs. 4 BauO NRW waren im Wesentlichen gleichgeartet,
56vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 83/11 -, juris Rn. 66,
57so dass für eine zwischenzeitliche Genehmigungsfähigkeit der Kellerfenster nichts spricht.
58bb) Aufgrund der Errichtung der Garage würden mit Blick auf die Kellerfenster und ihre Belichtungs- und Belüftungsfunktion bei summarischer Prüfung wohl auch keine bau(ordnungs)rechtlich nicht hinnehmbaren Verhältnisse entstehen. Diese wären auch nicht anderweitig wegen eines sich zwangsläufig ergebenden Zwischenraums zwischen der Garage und dem Haus des Antragstellers zu erwarten.
59(1) § 48 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW würde wahrscheinlich nicht verletzt. Danach müssen Aufenthaltsräume unmittelbar ins Freie führende Fenster von solcher Zahl und Beschaffenheit haben, dass die Räume ausreichend Tageslicht erhalten und belüftet werden können (notwendige Fenster). Kellerräume sind indes regelmäßig keine Aufenthaltsräume i.S.d. §§ 48 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 7 BauO NRW. Die letztgenannte Bestimmung sieht vor, dass Aufenthaltsräume nur Räume sind, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Kellerräume, die unterhalb der Geländeoberfläche liegen, zählen grundsätzlich nicht dazu, wie ein Rückschluss aus der Sonderregelung des § 48 Abs. 5 BauO NRW unterstreicht.
60Vgl. insofern auch Schmickler, in: Schönenbroicher/ Kamp, BauO NRW, 1. Aufl. 2012, § 48 Rn. 17; Czepuck, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 2 Rn. 229 und § 48 Rn. 20; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band I, Stand August 2010, § 2 Rn. 118.
61(2) Die Genehmigung der Grenzgarage würde voraussichtlich auch nicht deshalb in einen nicht tolerierbaren bauordnungswidrigen Zustand münden, weil sie einen §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 6 BauO NRW zuwiderlaufenden Schmutzwinkel zwischen ihr und dem Gebäude des Antragstellers schüfe.
62Das § 6 BauO NRW zugrunde liegende grundsätzlich strikte Verständnis des Begriffs der Grenzständigkeit soll auch dazu dienen, unter dem Gesichtspunkt der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse die Entstehung sog. Schmutzwinkel zu verhindern. Ein solcherSchmutzwinkel birgt nicht nur die Gefahr, dass sich dort Unrat und Ungeziefer sammeln und Feuchtigkeit wegen fehlender Durchlüftungsmöglichkeiten staut. Er lässt es auch nicht zu, eventuelle Reinigungs-, Unterhaltungs- und Reparaturarbeiten an den Außenwänden ordnungsgemäß durchzuführen. Hinzu kommt, dass eine Durchfeuchtung der Außenwände im Sockelbereich zu befürchten ist und, wenn sie eintritt, von außen nicht zu beheben wäre. Dies gilt auch im Anwendungsbereich von § 6 Abs. 11 BauO NRW.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2005 - 7 A 2342/03 -, BRS 70 Nr. 123 = juris Rn. 33; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. September 2011 - 6 K 3112/09 -, juris Rn. 31 ff.; Boeddinghaus/Hahn/ Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band I, Stand August 2010, § 6 Rn. 328.
64Eine derartige Gefahr verursacht die streitbefangene Baugenehmigung bei summarischer Betrachtung nicht. Sie lässt ausweislich der genehmigten Bauvorlagen offenbar (nur) eine strikt grenzständige Errichtung der Garage zu. Ggf. wären hierzu im Hauptsacheverfahren noch klarstellende Erklärungen abzugeben. Sollte es wegen der bereits angesprochenen konkreten baulichen Beschaffenheit des Gebäudes des Antragstellers zu faktischen Schwierigkeiten für einen grenzständigen Anbau der Garage wegen eines Überbaus kommen, wäre dieser Überbau unter Umständen auf der Grundlage zivilrechtlicher Ansprüche zu beseitigen. Die Schließung der Kellerfenster im Kellergeschoss des Gebäudes des Antragstellers könnte die Antragsgegnerin eventuell mit bauordnungsrechtlichen Mitteln durchsetzen, falls deren Baurechtswidrigkeit abschließend festgestellt würde und die sonstigen Voraussetzungen für ein solches Einschreiten vorlägen.
65(3) Anderweitige bau(ordnungs)rechtliche Gegengründe, die bei der Prüfung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zugunsten des Antragstellers ausschlagen könnten, sind nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ersichtlich. Insbesondere würde eine grenzständige Errichtung der genehmigten Garage mit entsprechenden Gebäudeabschlusswänden im Einklang mit § 31 BauO NRW nicht zu den von dem Antragsteller thematisierten brandschutztechnischen Komplikationen führen können. Auch dies ist eine in der Norm mitbedachte Konsequenz der Privilegierung des § 6 Abs. 11 BauO NRW.
66Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
67Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
68Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 13. Nov. 2014 - 2 B 1111/14
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(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder in das Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten kann ein elektronischer Verwaltungsakt dadurch bekannt gegeben werden, dass er vom Beteiligten oder von seinem Bevollmächtigten über öffentlich zugängliche Netze abgerufen wird. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Der Verwaltungsakt gilt am Tag nach dem Abruf als bekannt gegeben. Wird der Verwaltungsakt nicht innerhalb von zehn Tagen nach Absendung einer Benachrichtigung über die Bereitstellung abgerufen, wird diese beendet. In diesem Fall ist die Bekanntgabe nicht bewirkt; die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 1 und 2 wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. November 2012 - 11 K 3405/12 - geändert, soweit er deren Antrag ablehnt. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller zu 1 und 2 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 21. September 2012 wird angeordnet.
Die Beschwerden der Antragsteller zu 3 bis 5 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. November 2012 - 11 K 3405/12 - werden zurückgewiesen.
Die Antragsteller zu 3 bis zu 5 tragen jeweils ein Viertel der Gerichtskosten, ein Viertel der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und des Beigeladenen sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen jeweils ein Achtel der Gerichtskosten, jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1 und zu 2 sowie je ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten.
Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 15.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.
(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Mieter des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks S.-weg 21 in P. (Gemarkung P. Flur 403, Flurstück 448). Die Beklagte erteilte ihm unter dem 8. Juni 1966 die Baugenehmigung zur Errichtung des Wohngebäudes mit einer 7 m langen Garage an der Grenze zum Grundstück S.-weg19. Unter dem 25. Januar 1978 genehmigte sie einen zum S1-weg hin gelegenen Anbau an die Garage mit einer Länge von 4,75 m.
3Aufgrund eines Antrags der Eigentümer des Grundstücks S.-weg19, gegen eine baurechtswidrige Bebauung auf dem Grundstück des Klägers vorzugehen, stellte die Beklagte nach einer Ortsbesichtigung am 21. Juni 2010 fest, dass die angesprochene Garage um einen weiteren, 1,90 m langen, nach Südosten hin offenen Anbau zur Gartenseite hin erweitert und im rückwärtigen Bereich des Grundstücks mit einem Abstand von 1,85 m zu dem Grundstück S.-weg 19 ein als Gartengerätehaus bezeichnetes Gartenhaus aufgestellt worden war. Der Kläger hatte beide Anlagen nach eigenen Angaben in den Jahren 1995 beziehungsweise 1996 errichtet. Außerdem befindet sich an der von dem Grundstück S.-weg 19 abgewandten südöstlichen Ecke des Wohngebäudes des Klägers ein circa 24 qm großer, nicht genehmigter Wintergarten.
4Im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Ordnungsverfügung zur Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände machte der Kläger geltend, dass der im Jahre 1996 errichtete rückwärtige Anbau an die Garage, von ihm als Pergola bezeichnet, mit dem früheren Eigentümer des Grundstücks S.-weg 19 abgesprochen gewesen sei. Er legte hierzu eine Einverständniserklärung des früheren Eigentümers aus dem Jahr 1977 vor. Dieser habe Kenntnis von dem Anbau gehabt und sei auch damit einverstanden gewesen. Gleiches gelte für das 1995 errichtete Gartenhaus.
5Die Beklagte forderte den Kläger mit Ordnungsverfügung vom 6. Juni 2011 auf, den ungenehmigten Garagenanbau und das Gartengerätehaus zu beseitigen und die Nutzung des Wintergartens einzustellen. Für den Fall, dass der Kläger diesen Aufforderungen nicht oder nicht vollständig fristgerecht nachkommen sollte, drohte sie ihm jeweils die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,00 Euro an. Zur Begründung führte sie aus, dass die Nutzung des Wintergartens bereits wegen formeller Illegalität zu untersagen sei. Das Beseitigungsverlangen betreffend den Garagenanbau und das Gartengerätehaus sei gerechtfertigt, weil diese weder genehmigt noch genehmigungsfähig seien. Die Gesamtlänge der an der Grenze zum Grundstück S.‑weg 19 errichteten baulichen Anlagen betrage mehr als 15 m, die grenzständige Garagen, Gewächshäuser und Abstellgebäude nach § 6 Abs. 11 BauO NRW maximal aufweisen dürften. Das behauptete Einverständnis des früheren Eigentümers des Grundstücks S.-weg 19 mit der unzulässigen grenzständigen beziehungsweise grenznahen Bebauung sei nicht belegt.
6Der Kläger hat am 5. Juli 2011 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Ordnungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte angenommen habe, wegen der Beschwerde der Eigentümer des Grundstücks S.-weg 19 einschreiten zu müssen. Sie habe dabei nicht berücksichtigt, dass diese etwaige Abwehrrechte verwirkt hätten. Der frühere Eigentümer des Grundstücks S.-weg 19 sei mit der rückwärtigen Erweiterung der Garage einverstanden gewesen. Die Ordnungsverfügung verstoße darüber hinaus gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Beklagte gegen baurechtliche Verstöße auf den Grundstücken in der Umgebung nicht einschreite. Die Einfriedung des Grundstücks S.-weg 19 befinde sich teilweise auf einem Grundstück der Beklagten und die unmittelbar dahinter angepflanzte Hecke verstoße gegen die Vorgartensatzung der Beklagten, weil sie höher als 0,7 m sei. Die Eigentümer des Grundstücks S.-weg 19 hätten darüber hinaus eine gegen § 16 BauO NRW verstoßende Aufschüttung im Bereich seiner – des Klägers – Garage vorgenommen. Auch gegen andere bauliche Anlagen, die die für grenzständige oder grenznahe Nebenanlagen zulässige Gesamtlänge überschritten, gehe die Beklagte nicht vor.
7Der Kläger hat beantragt,
8die Verfügung der Beklagten vom 6. Juni 2011 aufzuheben.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat vorgetragen, die Eigentümer des Grundstücks S.-weg 19 hätten ihr Abwehrrecht gegen den Garagenanbau und das Gartenhaus nicht verwirkt. Sie sei aber auch unabhängig von einer Verwirkung von Nachbarrechten zum Einschreiten berechtigt. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Der von dem Kläger beschriebene Überbau stelle keinen Verstoß gegen Bauordnungsrecht dar, sondern sei gegebenenfalls zivilrechtlich zu klären. Die angesprochene Aufschüttung an der Außenwand seiner Garage sei aus Gründen des Abstandflächenrechts nicht zu beanstanden. Sie – die Beklagte – werde prüfen, ob mit der Aufschüttung ein Verstoß gegen § 16 BauO NRW vorliege. Ebenso werde sie prüfen, ob ein Einschreiten gegen die anderen von dem Kläger angeführten Verstöße gegen Bauvorschriften geboten sei.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. Juli 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die angefochtene Ordnungsverfügung sei rechtmäßig. Die Nutzung des Wintergartens könne allein wegen der fehlenden bauaufsichtlichen Genehmigung untersagt werden. Die Beseitigung des rückwärtigen Garagenanbaus und des Gartenhauses dürfe verlangt werden, weil diese materiell illegal und nicht durch Baugenehmigungen legalisiert seien. Das Unterlassungs- beziehungsweise Beseitigungsverlangen sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Es könne offen bleiben, ob die jeweils betroffenen Nachbarn etwaige Abwehrrechte verwirkt hätten, da eine solche Verwirkung die Beklagte nicht von ihrer gesetzlichen Verpflichtung befreie, bei der Errichtung von baulichen Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten würden. Mit Blick auf diese Verpflichtung sei das Entschließungsermessen der Beklagten, gegen den baurechtswidrigen Zustand vorzugehen, auf null reduziert. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor.
13Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen, dass die angefochtene Ordnungsverfügung ermessensfehlerhaft sei. Die Eigentümer des Grundstücks S.-weg 19 hätten dort eine etwa 0,75 m hohe Aufschüttung vorgenommen und auf diese Aufschüttung einen massiven 1,40 m bis 1,45 m hohen und damit 2,10 m bis 2,15 m über die Geländeoberfläche ihres Grundstücks ragenden massiven Metallzaun errichtet. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass die Aufschüttung mit dem Metallzaun insgesamt eine baurechtswidrige Anlage darstelle.
14Die Belichtung und Belüftung des Grundstücks S.-weg 19 werde durch den rückwärtigen Garagenanbau und das Gartenhaus angesichts des dort errichteten massiven Stahlzauns nicht ansatzweise beeinträchtigt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Zaun nicht höher als 2,0 m sei, sei nicht nachvollziehbar.
15Jedenfalls übe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft aus, weil sie gegen die baurechtswidrigen Anlagen auf seinem Grundstück vorgehe, in vergleichbaren Fällen, zu denen er Lichtbilder vorgelegt habe, baurechtliche Verstöße aber ignoriere.
16Der Kläger beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 6. Juni 2011 aufzuheben.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Zur Begründung trägt sie vor: Hinsichtlich der rechtswidrigen Bebauung an der Grenze zum Grundstück S.-weg 19 hätten dessen Eigentümer einen Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten. Dieser Anspruch sei auch nicht verwirkt. Ein Ermessensfehler liege ebenso wenig vor wie ein besonders gelagerter Einzelfall, der es trotz des bestehenden Verstoßes der besagten baulichen Anlagen gegen Abstandflächenvorschriften rechtfertigen könne, von einem Einschreiten dagegen abzusehen. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nicht gegeben. Was die Aufschüttung auf dem Grundstück S.-weg 19 und den in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verstoß gegen § 16 BauO NRW angehe, sei mittlerweile ein Sachverständiger mit der Klärung des Sachverhalts beauftragt worden. Feststellungen zur Höhe und zur Rechtmäßigkeit des von dem Kläger angesprochenen Zauns habe sie bislang nicht getroffen, weil der Kläger und die Eigentümer des Grundstücks S.‑weg 19 den Eindruck vermittelt hätten, dass dieser aufgrund des außergewöhnlichen nachbarschaftlichen Verhältnisses gar nicht hoch genug sein könne. Die übrigen von dem Kläger angeführten Fälle im Stadtgebiet seien schon deshalb mit der hier in Rede stehenden Situation nicht vergleichbar, weil ihr in keinem der dargestellten Fälle das Verlangen eines Nachbarn bekannt geworden sei, gegen die vermeintlich baurechtswidrigen baulichen Anlagen vorzugehen.
21Hinsichtlich des Einschreitens gegen den Wintergarten liege zwar keine Ermessenreduzierung auf null vor, doch sei das Ermessen insoweit fehlerfrei ausgeübt worden.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte Hefte 1 und 2).
23Entscheidungsgründe:
24Die Berufung ist unbegründet.
25Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 6. Juni 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26Rechtsgrundlage für die Ordnungsverfügung der Beklagten ist § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW. Nach § 61 Abs. 1 BauO NRW haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
27Der in der Ordnungsverfügung im Einzelnen bezeichnete rückwärtige Anbau an die Garage, das Gartenhaus und der Wintergarten verstoßen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften und sind nicht durch Baugenehmigungen legalisiert.
28Ob der Garagenanbau und das Gartenhaus einer Genehmigung bedürfen, ist ohne Belang. Die Beklagte hat die Ordnungsverfügung insoweit jeweils zutreffend auf einen Verstoß gegen materielles Recht gestützt. Sie sind grenzständig beziehungsweise grenznah errichtet und mit den Abstandflächenvorschriften nicht vereinbar. Auf § 6 Abs. 11 BauO NRW kann sich der Kläger nicht berufen, weil die gemäß § 6 Abs. 11 Satz 5 BauO NRW zulässige Gesamtlänge der Bebauung nach Satz 1 dieser Vorschrift von 9,0 m je Nachbargrenze und von insgesamt 15,0 m zu allen Nachbargrenzen unstreitig überschritten ist.
29Die Nutzungsuntersagung bezüglich des Wintergartens hat die Beklagte zu Recht auf die formelle Illegalität gestützt. Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften liegt vor, weil die Errichtung des Wintergartens nicht nach den §§ 65 ff. BauO NRW genehmigungsfrei ist, sondern nach § 63 Abs. 1 BauO NRW der Baugenehmigung bedarf und nach § 75 Abs. 5 BauO NRW vor Zugang der Baugenehmigung mit der Bauausführung nicht begonnen werden darf.
30Die Beklagte hat auch das ihr durch § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie hat sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entschlossen, gegen die ungenehmigten baulichen Anlagen beziehungsweise deren Nutzung einzuschreiten.
31Das Entschließungsermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben, also in sachlicher Weise nach Maßgabe der Ziele vor allem der Bauordnung, aber auch unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes. Die Bauaufsichtsbehörde hat die für und gegen ein Einschreiten sprechenden Gründe zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen. Regelmäßig entspricht es sachgerechter Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde mit ordnungsbehördlichen Mitteln gegen festgestellte baurechtswidrige Zustände vorgeht.
32In Bezug auf den rückwärtigen Garagenanbau und das Gartenhaus hat die Beklagte ihre Entscheidung mit der materiellen Illegalität der baulichen Anlagen begründet und ausgeführt, dass das Beseitigungsverlangen geeignet und erforderlich sei, das Fortdauern des baurechtswidrigen Zustandes zu unterbinden. Das Beseitigungsverlangen sei angemessen, weil das öffentliche Interesse an der Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften höher zu bewerten sei als das Interesse des Klägers, die baurechtswidrigen baulichen Anlagen zu erhalten und zu nutzen.
33Hinsichtlich des Wintergartens hat die Beklagte zutreffend allein auf die formelle Illegalität abgestellt. Im Regelfall rechtfertigt diese den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung. Wer vor Erteilung der Baugenehmigung Bauarbeiten verrichtet oder bauliche Anlagen nutzt, handelt unter Missachtung der im Gemeinwohlinteresse liegenden Ordnungsfunktion des formellen Baurechts, die die rechtmäßige bauliche Entwicklung sichert. Damit derjenige, der gesetzeswidrig ohne die erforderliche Genehmigung baut, aus dieser Handlungsweise nicht unberechtigte Vorteile gegenüber dem gesetzestreuen Bauherrn zieht, darf die Bauaufsichtsbehörde ihn regelmäßig am Bauen und ‑ ist die bauliche Anlage bereits fertiggestellt ‑ an ihrer Nutzung vor der Erteilung der Baugenehmigung hindern.
34Ständige Rechtsprechung der Bausenate des OVG NRW: vgl. Beschlüsse vom 24. Januar 2006 – 10 B 2159/05 –, juris, und vom 12. Juli 2007 – 7 E 664/07 –, ZfBR 2007, 702.
35Etwas anderes kann im Einzelfall nur dann gelten, wenn die Nutzungsaufnahme offensichtlich genehmigungsfähig ist, sich ihre materielle Zulässigkeit also geradezu aufdrängt. Das setzt voraus, dass ein entsprechender Bauantrag gestellt und auch nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und der Baugenehmigung keine sonstigen Hindernisse entgegenstehen.
36Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juli 2007, a.a.O., vom 31. Juli 2007 – 10 B 852/07 –, vom 13. Januar 2003 – 10 B 1617/02 –, juris, und vom 6. Januar 2003 – 7 B 2553/02 –, juris.
37Dies ist hier nicht der Fall. Für den Wintergarten ist erst während des Klageverfahrens ein Bauantrag gestellt worden. Die Beklagte hält zudem wegen eines Verstoßes der baulichen Anlage gegen Abstandflächenvorschriften die Übernahme einer Baulast durch den Eigentümer des östlich angrenzenden Grundstücks für erforderlich.
38Hinsichtlich des den rückwärtigen Garagenanbau und das Gartenhaus betreffenden Beseitigungsverlangens wendet der Kläger zu Unrecht ein, dass die Beklagte im gerichtlichen Verfahren ihre Ermessenserwägungen dahingehend ergänzt habe, dass ihr Ermessen insoweit wegen der Verletzung von Nachbarrechten – obwohl diese verwirkt seien – auf null reduziert sei.
39Die Frage nach der prozessualen Beachtlichkeit neuer Erwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO stellt sich erst, wenn durch Auslegung entsprechend den §§ 133, 157 BGB feststeht, ob mit diesen nachträglichen Erwägungen eine neue Begründung neben die bisherige oder an deren Stelle getreten und das Nachschieben der neuen Gründe verwaltungsverfahrensrechtlich zulässig ist.
40Die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB sind auf öffentlich-rechtliche Erklärungen entsprechend anzuwenden. Bei Verwaltungsakten kommt es wie bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (natürliche Auslegung), sondern auf den objektiven Erklärungsinhalt an. Maßgeblich ist, wie der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen muss. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und deren objektiver Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu ermitteln.
41Ob ein Nachschieben von Ermessenserwägungen zulässig ist, bestimmt sich nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht. § 114 Satz 2 VwGO regelt lediglich, unter welchen Voraussetzungen derart veränderte Ermessungserwägungen im Prozess zu berücksichtigen sind.
42Neue Gründe für einen Verwaltungsakt dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, dieser dadurch nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird.
43Aus § 114 Satz 2 VwGO ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen. Diese Vorschrift regelt nicht die Voraussetzungen für die materiell-rechtliche und verwaltungsverfahrensrechtliche Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen, sondern betrifft nur deren Geltendmachung im Prozess. Ihr Zweck ist es, klarzustellen, dass ein materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich zulässiges Nachholen von Ermessenserwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert.
44Kommt ein Nachschieben von Ermessenserwägungen nach dem Vorstehenden in Betracht, so muss dies genügend bestimmt geschehen. Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit ergibt sich aus § 37 Abs. 1 VwVfG NRW und gilt als Ausprägung des Rechtsstaatsgebotes (Art. 20 Abs. 3 GG) auch für die Änderung eines Verwaltungsaktes einschließlich seiner Begründung. Wird die Änderung erst in einem laufenden Verwaltungsprozess erklärt, so muss die Behörde unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Außerdem muss deutlich werden, welche der bisherigen Erwägungen weiterhin aufrechterhalten und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden sollen. Andernfalls wäre dem Betroffenen keine sachgemäße Rechtsverteidigung möglich. Das wäre mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 46.12 –, juris.
46Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren die Ermessenserwägungen ihrer angefochtenen Ordnungsverfügung nicht ergänzt. Sie hat in ihren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätzen nicht deutlich gemacht, dass ihr prozessuales Vorbringen zugleich auch ein Nachschieben von Ermessenserwägungen und damit eine Änderung der Ordnungsverfügung darstellen soll. Erstmals im Schriftsatz vom 28. Juni 2012 und lediglich im Zusammenhang mit dem von dem Kläger angeführten Vergleichsfall der Grenzgaragen in der X. Straße ist von einer Ermessensreduzierung auf null die Rede, während es in der Klageerwiderung vom 29. Februar 2012 noch heißt, dass sie – die Beklagte – unabhängig von dieser Frage (nämlich der Verwirkung möglicher nachbarlicher Abwehrrechte) in ihrer Eigenschaft als Ordnungsbehörde zum Einschreiten berechtigt sei. In der Berufungserwiderung weist die Beklagte zwar ebenfalls auf eine Ermessensreduzierung auf null wegen der Verletzung von Nachbarrechten hin, lässt aber ebenso wenig erkennen, dass sie die angefochtene Ordnungsverfügung mit diesen Ausführungen ändern wollte.
47Mithin verbleibt es dabei, dass die Beklagte zwar auf Veranlassung der Eigentümer des Grundstücks S.-weg 19 gegen die baurechtswidrigen Anlagen auf dem Grundstück des Klägers eingeschritten ist, sie dieses Einschreiten jedoch nicht mit einer Verletzung von Nachbarrechten begründet hat und auch nicht hat erkennen lassen, dass sie von einer Reduzierung ihres Ermessensspielraums ausgegangen ist. Es kommt daher in diesem Zusammenhang auf die Beantwortung der von dem Kläger aufgeworfenen Frage nach der möglichen Verwirkung von Abwehrrechten der Nachbarn im vorliegenden Verfahren ebenso wenig an, wie auf den Umstand, dass die Einfriedung auf dem Grundstück S.-weg 19 möglicherweise ebenfalls gegen Abstandflächenvorschriften verstößt und die tatsächlichen Auswirkungen des umstrittenen rückwärtigen Garagenanbaus und des Gartenhauses auf dieses Grundstück weitgehend verhindert.
48Schließlich hat die Beklagte mit dem Erlass der Ordnungsverfügung auch nicht gegen den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.
49Dieser Grundsatz besagt, dass gleich gelagerte Fälle nicht ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich behandelt werden dürfen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt allerdings nicht, dass die Bauaufsichtsbehörde gegen baurechtswidrige Zustände, die bei einer Vielzahl von Grundstücken vorliegen, stets flächendeckend einschreiten muss. Vielmehr darf die Bauaufsichtsbehörde schon in Ermangelung ausreichender personeller und sachlicher Mittel auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag.
50Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. April 1995 – 4 B 55.95 –, BRS 57 Nr. 248, vom 19. Februar 1992 – 7 B 106.91 –, NVwZ-RR 1992, 360; OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1994 – 10 A 1753/91 –, BRS 57 Nr. 249, und Beschluss vom 11. Juli 2008 – 10 A 36/07 –.
51Das Gleichbehandlungsgebot ist erst dann verletzt, wenn es nach der Art des Einschreitens an jedem System fehlt, für diese Art des (zeitlichen) Vorgehens keinerlei einleuchtende Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muss.
52Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 1998 ‑ 4 B 99.98 ‑, BRS 60 Nr. 163, und vom 18. April 1996 ‑ 4 B 38.96 ‑, BRS 58 Nr. 209.
53Dies ist hier nicht der Fall. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung rechtlich und tatsächlich vergleichbare Fälle aus ihrem Zuständigkeitsbereich bekannt waren, die sie in ihre Entscheidung, gegen die baurechtswidrigen Zustände auf dem Grundstück des Klägers einzuschreiten, hätte einbeziehen müssen. Die im erstinstanzlichen Verfahren geäußerte Annahme des Klägers, dass der Beklagten schon aufgrund der Luftbildaufnahme, die der Ordnungsverfügung beigefügt ist, mehrere Baurechtsverstöße in der näheren Umgebung hätten bekannt sein müssen, liegt fern. Die Luftbildaufnahme dient nur dazu, die baulichen Anlagen, auf die sich die Ordnungsverfügung bezieht, für den Adressaten konkret zu bezeichnen, und ist nicht die Grundlage für die Feststellung der hier in Rede stehenden Baurechtsverstöße. Weshalb sich der Beklagten bei Betrachtung der Luftbildaufnahme, die weder die Höhe der abgebildeten baulichen Anlagen, ihren genauen Abstand von den jeweiligen Grundstücksgrenzen, den Verlauf dieser Grundstückgrenzen noch die jeweilige Genehmigungssituation erkennen lässt, gleichwohl andere vergleichbare Baurechtsverstöße hätten aufdrängen sollen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Nichts anderes gilt für die Wahrnehmung möglicher Baurechtsverstöße auf dem Grundstück S1.-weg 19 bei der im Vorfeld der Ordnungsverfügung durchgeführten Ortsbesichtigung.
54Bei dieser Sachlage ist der Beklagten eine mit der Ordnungsverfügung verbundene willkürliche Ungleichbehandlung nicht vorzuwerfen, da ein solcher Vorwurf voraussetzt, dass ihr der Vergleichsfall positiv bekannt war oder die Kenntnis davon sich ihr hätte aufdrängen müssen.
55Davon unabhängig hat die Beklagte, soweit der Kläger im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 9. Januar 2012 erstmals geltend gemacht hat, dass die Eigentümer des Grundstücks S.-weg 19 bei der Errichtung einer Grenzmauer ein städtisches Grundstück überbaut hätten, in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass der Grenzüberbau keinen Verstoß gegen Bauordnungsrecht darstelle, sondern gegebenenfalls zivilrechtlich zu klären sei. Auf den von dem Kläger wegen einer auf dem Grundstück S.-weg 19 aufgebrachten Aufschüttung geltend gemachten Verstoß gegen § 16 BauO NRW, der zu einer Vernässung seiner Garagenwand geführt habe, hat die Beklagte reagiert und ein ordnungsbehördliches Verfahren eingeleitet. Ein Verstoß gegen die Abstandflächenvorschriften liegt nach Auffassung der Beklagten insoweit aber nicht vor. Der mit der Höhe der straßenseitigen Mauer beziehungsweise der Höhe der Hecke auf dem Grundstück S.-weg 19 begründete Verstoß gegen die Vorgartensatzung der Beklagten betrifft keine Rechtsverletzungen, die den Baurechtsverstößen durch den hier in Rede stehenden rückwärtigen Garagenanbau, das Gartenhaus und den Wintergarten gleichartig sind. Im selben Schriftsatz weist der Kläger darauf hin, dass der Eigentümer des Flurstücks 315 eine Garage unter Verletzung von Abstandflächenvorschriften errichtet habe. Die Beklagte verweist insoweit zutreffend darauf, dass § 6 Abs. 11 BauO NRW nicht (mehr) verlangt, dass eine nach § 6 Abs. 11 BauO NRW privilegierte Garage grenzständig errichtet wird. In Bezug auf die im Berufungsverfahren beanstandete Gesamthöhe der Aufschüttung und des grenzständig errichteten Zauns auf dem Grundstück S.-weg 19 ist die Beklagte, wie sich aus der Berufungserwiderung ergibt, bereit, tätig zu werden. Sie hat jedoch unter anderem den Kläger um Mitteilung gebeten, ob er überhaupt einen niedrigeren Zaun wünsche und um Angaben zur ursprünglichen Geländeoberfläche gebeten.
56Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2012 hat der Kläger weitere Rechtsverstöße in der Umgebung seines Grundstücks behauptet. Auch insoweit ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagten die angezeigten Sachverhalte zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung hätten bekannt sein müssen. Entsprechendes gilt auch für die im Zulassungsverfahren vorgelegten 28 weiteren Lichtbilder, die vermeintliche Rechtsverstöße belegen sollen. Hinsichtlich der Garagen an der X. Straße hat die Beklagte darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts erklärt, diese auf ihre Baurechtmäßigkeit überprüfen zu wollen. Nach den Erklärungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Beklagte ihr bekannt gewordene und zukünftig bekannt werdende Baurechtsverstöße in ihrem Stadtgebiet aufgreifen und nach pflichtgemäßem Ermessen dagegen vorgehen wird.
57Die in der Ordnungsverfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 55 Abs. 1, 57, 58 Abs. 1, 60 Abs. 1 und 63 VwVG NRW. Danach kann ein auf Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichteter Verwaltungsakt unter anderem mit einem Zwangsgeld durchgesetzt werden. Die zur Erfüllung des Unterlassungs- beziehungsweise Beseitigungsverlangens gesetzte Frist von einem Monat nach Zustellung der Ordnungsverfügung ist nicht zu beanstanden. Nach Anfechtung der Ordnungsverfügung tritt für den Fristbeginn an die Stelle der Zustellung der Eintritt der Bestandskraft (§ 63 Abs. 1 Satz 4 VwVG NRW). Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 2.000,00 Euro für die Nichterfüllung des jeweiligen Verlangens begegnet keinen Bedenken.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
59Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
60Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag,
5die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung einschließlich der erteilten Abweichung vom 11. Dezember 2013 anzuordnen,
6im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Interessenabwägung falle zum Nachteil der Antragstellerin aus. Bei summarischer Prüfung sei es überwiegend wahrscheinlich, dass das Vorhaben des Beigeladenen nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstoße. Im Rahmen einer Gesamtbewertung des konkreten Einzelfalls sei insbesondere ein Verzicht auf die Errichtung einer Gebäudeabschlusswand zum Grundstück der Antragstellerin gerechtfertigt.
7Die dagegen von der Beschwerde erhobenen Einwände bleiben ohne Erfolg.
8Soweit in diesem Gesetz oder in aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften nichts anderes geregelt ist, kann die Genehmigungsbehörde gemäß § 73 Abs. 1Satz 1 BauO NRW Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind.
9Da durch die bauordnungsrechtlichen Vorschriften die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Belange und Interessen regelmäßig schon in einen gerechten Ausgleich gebracht worden sind, ist die Abweichung kein Instrument zur Legalisierung gewöhnlicher Rechtsverletzungen. Die Voraussetzungen für eine Abweichung sind nur dann gegeben, wenn im konkreten Einzelfall eine besondere Situation vorliegt, die sich vom gesetzlichen Regelfall derart unterscheidet, dass die Nichtberücksichtigung oder Unterschreitung des normativ festgelegten Standards gerechtfertigt ist. Es muss ein Sachverhalt gegeben sein, der von dem der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zugrunde liegenden Normalfall in so deutlichem Maß abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Steht eine Abweichung von zwingendem Recht - etwa, wie hier, von§ 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW - in Rede, setzt die Zulassung einer Abweichung in diesem Sinne eine (auf die jeweilige Vorschrift, von der abgewichen werden soll, abgestimmte) atypische (Grundstücks-)Situation voraus.
10Vgl. zu § 31 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW: OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2007 - 7 E 737/07 -, juris Rn. 7 und 9; allgemein: OVG NRW, Urteile vom 29. August 2012 - 2 A 723/11 -, juris Rn. 82 (zu § 6 BauO NRW), und vom 3. Mai 2007 - 7 A 2364/06 -, BRS 71 Nr. 139 = juris Rn. 44; Hartmann, in: Schönenbroicher/Kamp, BauO NRW, 1. Aufl. 2012,§ 73 Rn. 3 f.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band II, Stand Mai 2007, § 73 Rn. 7 ff.; Johlen, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 73 Rn. 19b und 19c.
11Bei einer Abweichung von Vorgaben des zwingenden Rechts (wie z. B. § 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW) sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1Satz 1 BauO NRW demnach restriktiv zu handhaben. Zu prüfen ist, welche nachbarlichen bzw. öffentlichen Belange mit der Norm verfolgt werden. Erst dann kann die Frage beantwortet werden, ob die Abweichung gleichwohl ausnahmsweise mit den nachbarlichen sowie den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Außerdem müssen übergreifend die mit dem einschlägigen Recht verfolgten Belange überprüft werden, die sich nicht nur aus dem Bauordnungsrecht ergeben können.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 2009 - 10 A 1075/08 -, BRS 74 Nr. 156 = juris Rn. 50, 54 und 56; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band II, Stand Mai 2007, § 73 Rn. 11.
13Legt man diese Maßstäbe an, zieht die Beschwerde das Ergebnis der Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts bei summarischer Betrachtung nicht ernstlich in Zweifel.
14Das Verwaltungsgericht hat - in der Sache mit dem genannten rechtlichen Ansatz übereinstimmend - argumentiert, die vorliegende Situation sei atypisch, weil sie von der Zielrichtung der Brandschutzvorschrift des § 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW nicht mehr erfasst sei. Die Aufgabe von Gebäudeabschlusswänden, das Übergreifen eines Brands auf das Nachbargrundstück zu begrenzen, komme aufgrund der Einzelfallumstände nicht zum Tragen. Dies ergebe sich daraus, dass die streitgegenständliche Überdachungskonstruktion zum einen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehe, die nicht selbständig zu einer Brandweiterleitung beitrügen. Zum anderen werde die Überdachung nach sachverständiger Einschätzung des Brandschutzingenieurs C. vom S. -T. ‑Kreis im Brandfall innerhalb kurzer Zeit versagen und eine thermisch geleitete Feuer und Rauchabführung nach oben hin sicherstellen. Schließlich regle die Baugenehmigung, dass unterhalb der Überdachung keine Brandlasten erlaubt seien.
15Dem setzt die Beschwerde nichts Erhebliches entgegen.
16Dass § 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW dem Brand- und auch dem Nachbarschutz dient, hat das Verwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt. Vielmehr hat es die angefochtene Baugenehmigung/Abweichungsentscheidung (vornehmlich auch) an den nachbarlichen Interessen der Antragstellerin gemessen. Es ist - wie dargestellt - unter Berücksichtigung der nach Lage der Dinge zu beachtenden Gesamtumstände der Frage nachgegangen, ob im zugrunde liegenden Sachkontext des von § 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW grundsätzlich geforderten Brandschutzes durch eine Gebäudeabschlusswand ausnahmsweise eine atypische (Grundstücks-)Situation gegeben ist. Wie gesagt, ist für die Möglichkeit einer Abweichung von § 31 Abs. 1 und Abs. 4 BauO NRW nicht allein ausschlaggebend, wie das Grundstück selbst beschaffen und zugeschnitten ist. Maßgebend ist stattdessen, ob sich die Abweichung vor dem strengen normativen Hintergrund des Brandschutzes rechtfertigen lässt.
17Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht und die Antragsgegnerin die Bedeutung des Brandschutzes bei der Prüfung der Abweichungszulassung verkannt oder fehlgewichtet hätten. Mit den Ausführungen des Brandsachverständigen C. vom 14. April 2014 setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass dessen vom Verwaltungsgericht ausgewertete, begründete Einschätzung, eine Gefährdung der Nachbarbebauung im Brandfall sei in der gegebenen Nachbarsituation nicht zu befürchten, fehlerhaft sein könnte. Da der Brandsachverständige bei seiner Stellungnahme die konkreten örtlichen Gegebenheiten vor Augen und gewürdigt hatte, lässt sich gegen seine Expertise nicht pauschal einwenden, es sei eine einheitliche Betrachtung mit dem Wohnhaus geboten; im Brandfall sei die Gefährdung der Nachbarn in Reihenhäusern erheblich erhöht. Dies sind allgemein gehaltene Gesichtspunkte, welche den Blick auf die konkrete Gefahreneinschätzung des Sachverständigen nicht verändern, der sowohl die Grundstücksverhältnisse als auch die Dachkonstruktion brandsachverständig bewertet hat. Aus demselben Grund unerheblich ist der Vortrag der Beschwerde, die Häuserreihe sei nur direkt über einen Fußweg erreichbar.
18Die Erwägungen des oben zitierten Beschlusses des 7. Senats des beschließenden Gerichts vom 5. November 2007 - 7 E 737/07 -, juris Rn. 13, hinsichtlich des Gefahrenpotentials von Terrassenüberdachungen ohne Errichtung einer Gebäudeabschlusswand bei einer Reihenhausbebauung lassen sich insofern nicht unmittelbar und ohne Weiteres auf den zu entscheidenden Fall mit seinen Besonderheiten übertragen. Die Gefahrenabschätzung hat für jede konkrete Genehmigungs‑ bzw. Abweichungssituation neu zu erfolgen, wie dies auch hier geschehen ist. Dies belegt der von dem Verwaltungsgericht hervorgehobene Umstand, dass nach dem Inhalt der Genehmigung unter der Überdachung keine Brandlasten zu sein haben. Dies ist einer der Aspekte, der eine Abweichung von der abstrakten Vorgabe des § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BauO NRW im Einzelfall ausnahmsweise begründen kann.
19Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.