Verwaltungsgericht Arnsberg Beschluss, 04. Sept. 2015 - 4 L 1082/15
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2428/15 gegen die dem Beigeladenen vom Bürgermeister der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 29. Juni 2015 wird angeordnet, soweit die Errichtung eines Carports an der nördlichen Grenze zum Grundstück des Antragstellers zugelassen wird.
Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag hat Erfolg.
3Der Antrag ist nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Danach kann das Verwaltungsgericht auf Antrag eines Dritten die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn diese kraft Gesetzes entfallen ist. Das ist hier der Fall, denn die Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2015 entfaltet gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a des Baugesetzbuches (BauGB) keine aufschiebende Wirkung.
4Der Antrag ist begründet. Die nach den §§ 80a, 80 Abs.5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse sowie dem privaten Interesse des Beigeladenen an einer sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus. Maßgebliches Kriterium der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, wobei die Baugenehmigung im Rahmen der vorliegenden Nachbarklage nur in eingeschränktem Umfang auf ihre Rechtmäßigkeit zu untersuchen ist. Denn Nachbarn haben nicht schon dann Anspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung, wenn diese objektiv rechtswidrig ist, also gegen solche Vorschriften verstößt, die ausschließlich im öffentlichen Interesse stehen. Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Rahmen einer Nachbaranfechtung ist vielmehr allein, ob die angegriffene Genehmigung mit solchen Vorschriften des öffentlichen Rechts in Einklang steht, die - jedenfalls auch - den Interessen des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
5Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 25. März 2010- 4 B 13.10 -, Baurecht (BauR) 2010, 1563 und Beschluss vom 6. Juni 1997 - 4 B 167.96 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 1998, 457; allgemein zum Streitgegenstand einer sog. Baunachbarklage auch: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 18. Oktober 2011- 2 A 2731/10 -, Baurechtssammlung (BRS) 78 Nr. 170.
6Ausgehend von diesen Grundsätzen verletzt die hinsichtlich des Carports angefochtene Baugenehmigung des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2015 den Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in seinen Rechten. Es spricht Überwiegendes dafür, dass bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung die Baugenehmigung im angegriffenen Umfang gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts (hierzu 1.) und des Bauplanungsrechts verstößt (hierzu 2.).
7(1.) Die Baugenehmigung verstößt voraussichtlich zu Lasten des Antragstellers gegen nachbarschützende Vorschriften der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW). Allerdings liegt der vom Antragsteller behauptete Verstoß gegen die Abstandflächenvorschrift des § 6 BauO NRW nicht vor. Dabei kann es bei summarischer Prüfung dahinstehen, ob der Antragsteller sich überhaupt auf einen solchen Verstoß berufen könnte, obwohl sein Wohngebäude auf das Grundstück des Beigeladenen überbaut ist. Denn ein Abstandflächenverstoß scheidet schon deshalb aus, weil die betroffenen Grundstücke – mit weiteren Grundstücken - durch Baulast zu einem Baugrundstück im Sinne des § 4 Abs.2 BauO NRW vereinigt worden sind. Mit der Bestellung einer solchen Vereinigungsbaulast verlassen die Nachbarn in gleicher Weise umfassend das wechselseitige Schutzregime des Bauordnungsrechts, so als würden sie ihre Grundstücke zivilrechtlich zu einem Buchgrundstück vereinigen.
8Vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 4. März 2015 - 1 LA 177/14 -, NVwZ-RR 2015, 565.
9Auf der Grundlage dieser Baulast ist der Rechtsvorgängerin des Antragstellers die Teilbaugenehmigung vom 29. Juli 2010 für den Umbau der früheren Halle in ein Wohnhaus erteilt und der Eilantrag des Beigeladenen abgelehnt worden.
10Vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - 12 L 737/10 -, nicht veröffentlicht und nachfolgend: OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 7 B 1496/10 -.
11Die Rechtsfolgen der Vereinigungsbaulast können nicht selektiv in Anspruch genommen werden, indem der Bauherr etwa nur die ihm günstigen Folgen einer Zusammenfassung der Buchgrundstücke zu einem Baugrundstück für sich reklamiert, bei nachteiligen Folgen der Zusammenfassung sich aber auf die „Selbständigkeit“ der Buchgrundstücke beruft.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. August 1991 - 7 B 1825/91 -, S. 3 des Abdrucks, nicht veröffentlicht.
13Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen § 31 BauO NRW moniert, bleibt der Antrag nicht schon deshalb erfolglos, weil die angegriffene Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 Abs.1 BauO NRW erteilt worden ist und in diesem Verfahren die Brandschutzbestimmungen nach § 68 Abs.1 Satz 4 Nr. 2 BauO NRW nicht geprüft werden.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 7 B 63/11 -, Juris, und Beschluss vom 13. März 2009 - 10 A 1118/08 -, Juris.
15Denn ein Nachbarrechtsverstoß ist hier darin zusehen, dass die Antragsgegnerin entgegen einer gleichwohl bestehenden Prüfungspflicht die Prüfung dieser Brandschutzaspekte unterlassen und das Vorhaben zugelassen hat. Die Bauaufsichtsbehörde ist über die Prüfung nach § 68 Abs.1 Satz 4 Nr. 2 BauO NRW hinaus nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, die Prüfung auf Brandschutzvorschriften zu erstrecken, wenn die Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit von Menschen droht. Bei einem solchen Sachverhalt darf die Baubehörde nicht eine Genehmigung für ein Vorhaben erteilen, dessen Verwirklichung wegen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben von Menschen unverzüglich durch bauaufsichtliches Einschreiten unterbunden werden müsste. Das setzt aber voraus, dass ein solcher Verstoß offensichtlich vorliegt.
16Vgl. OVG NRW, Urteil, vom 26. Juni 2014 - 7 A 2057/12 -, Baurecht (BauR) 2014, 1924 m.w.N.
17Ein solcher offensichtlicher Verstoß gegen § 31 BauO NRW liegt hier vor, denn der Carport soll entgegen § 31 Abs.1 Nr. 1 BauO NRW ohne Gebäudeabschlusswand an das Wohnhaus des Antragstellers angebaut werden. Nach § 31 Abs.1 Nr. 1 1. Alt. BauO NRW sind bei aneinandergereihten Gebäuden auf demselben Grundstück Gebäudeabschlusswände herzustellen. Die beiden Buchgrundstücke des Antragstellers und des Beigeladenen bilden – wie ausgeführt - aufgrund der eingetragenen Vereinigungsbaulast ein gemeinsames Grundstück im bauordnungsrechtlichen Sinne. Der in Holzbauweise konstruierte Carport hat keine Außenwände, aber ein Dach. Er ist ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs.2 BauO NRW, so dass durch den Anbau des Carport zwei aneinandergereihte Gebäude entstehen. Diese müssen jeweils eine eigenständige Gebäudeabschlusswand haben, es sei denn, es wird eine gemeinsame Gebäudeabschlusswand hergestellt (§ 31 Abs. 2 BauO NRW). Die (überbaute) Südwand des Hauses des Antragstellers kann aber schon deshalb keine gemeinsame Gebäudeabschlusswand sein, weil sich in ihr Fenster und damit unzulässige Öffnungen im Sinne des § 31 Abs.4 BauO NRW befinden. Dabei kann es im vorliegenden summarischen Verfahren auch dahinstehen, ob der Antragsteller nach Abschluss des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beim Bundesgerichtshof nicht sogar entsprechend dem Urteil des OLG Hamm vom 17. November 2014 – I-5 U 33/14 - zur Schließung der Fenster verpflichtet wird. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung war jedenfalls eine den Anforderungen des § 31 Abs.2 BauO NRW genügende gemeinsame Gebäudeabschlusswand nicht vorhanden.
18Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass offen bleiben muss, ob das Vorhaben auch § 48 Abs.2 Satz 1 BauO NRW verletzt, weil durch den genehmigten Carport Fenster in der Südwand geschlossen werden. Ob es sich bei diesen Fenstern um notwendige Fenster von Aufenthaltsräumen im Sinne des § 48 Abs.2 BauO NRW handelt, kann derzeit nicht sicher beurteilt werden, weil der Antragsteller – wie noch auszuführen sein wird – sein Wohnhaus abweichend von der Baugenehmigung vom 29. Juli 2010 errichtet und auch Räume und Fenster anders angeordnet hat.
19(2.) Das Vorhaben verstößt voraussichtlich auch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegenüber dem Antragsteller rücksichtslos, weil zumindest das im Erdgeschoss des Hauses in der Südwand befindliche Fenster der Küche geschlossen wird. Dieses Fenster ist bei summarischer Prüfung mit durchsetzungsfähigem Bestandsschutz ausgestattet.
20Ein Bestandsschutz von Fenstern greift ein, wenn diese entweder (formell bau-) genehmigt sind oder sie (materiell) zu irgendeinem Zeitpunkt (Bau-) genehmigungsfähig waren. Für das Bestehen eines Bestandsschutzes ist der Antragsteller materiell beweispflichtig.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2014 - 2 B 1111/14 -, NVwZ-RR 2015, 172, mit weiteren Nachweisen.
22Nach diesen Maßgaben sind die Fenster zwar nicht formell genehmigt, aber voraussichtlich materiell genehmigungsfähig. Dabei geht die Kammer im vorliegenden summarischen Verfahren davon aus, dass sich in der Südwand drei Fenster entsprechend der Darstellung in der Anlage 2 zur Antragsschrift befinden. Danach befinden sich in der Wand im Erdgeschoss in einem Abstand von ca. 4 m bzw. 5,60 m zum westlichen Wandabschluss zwei Fenster (Küche 2,50 m * 2, 80 m bzw. Gäste-WC 0,50 m * 0,80 m) und ein Fenster im Obergeschoss in einem Abstand von 1,10 m (Schlafzimmer 1,40 m * 1,20 m). Diese Fenster sind aber nicht formell baugenehmigt. Die gegenteiligen Behauptungen des Antragstellers sind ohne Substanz und offensichtlich unzutreffend. Soweit der Antragsteller behauptet, die Fenster seien mit Baugenehmigungen vom 29. Juni 2015 (Antragsschrift) bzw. 19. Juni 2015 (Schriftsatz vom 17. August 2015) zugelassen worden, handelt es sich offenbar um fehlerhafte Daten bzw. Jahresangaben Der Antragsteller meint offenbar die Teilbaugenehmigung vom 29. Juli 2010, mit der sein Wohnhaus genehmigt worden ist. Mit dieser Baugenehmigung sind aber nur zwei 1,51 m breite Fenster (EG: Küche, OG: Bad) mit einem Abstand von 1,00 m zum westlichen Wandabschluss genehmigt. Die vorhandenen Fenster sind somit beim Umbau des Hauses im Jahr 2010 nicht genehmigt worden. Soweit der Antragsteller Bestandsschutz aus der Baugenehmigung vom 5. Dezember 1967 der Amtsverwaltung W. ableiten will, verkennt er, dass durch die Baugenehmigung vom 29. Juli 2010 der Umbau und die Nutzungsänderung der früheren Speditionshalle genehmigt worden ist. Die frühere Baugenehmigung deckt nicht die jetzige Nutzung und vermittelt keinen Bestandsschutz mehr. Solche Funktions- und Nutzungsänderungen lassen den Bestandsschutz wegfallen.
23Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 15. Dezember 1995 - 1 BvR 1713/92-, BRS 57 Nr. 246; BVerwG, Beschluss vom 9. September 2002 - 4 B 52.02 -, BRS 65 Nr. 92.
24Die vorhandenen Fenster waren aber im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung genehmigungsfähig und genießen damit Bestandsschutz. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Fenster gegen – hier allein in Betracht zu ziehende – Vorschriften des Bauordnungsrechts verstoßen könnten. Insbesondere greift § 31 Abs.4 BauO NRW nicht, weil die Südwand des Hauses – wie ausgeführt – bisher nicht als Gebäudeabschlusswand im Sinne des § 31 Abs.1 BauO NRW herzustellen war.
25Ist somit von einem (materiellen) Bestandsschutz auszugehen, so ist dieser voraussichtlich durchsetzungsfähig. Der Bestandsschutzeinwand ist zwar selbst bei seinem Bestehen im Nachbarrechtsverhältnis nicht mit automatischer bzw. absoluter Durchsetzungskraft ausgestattet. Der Bestandsschutz ist wegen seiner grundrechtlichen Verankerung in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vorrangig ein Abwehrmittel gegen bauaufsichtsbehördliche Eingriffe - also gegen hoheitliche Beeinträchtigungen einer bestandsgeschützten baulichen Nutzung -, nicht aber gegen die Bebauung des Nachbargrundstücks als - ihrerseits durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gestützte - Rechtsausübung eines privaten Dritten. Der Bestandsschutz für ein Fenster in einer Grenzwand hindert damit zwar grundsätzlich die Bauaufsichtsbehörde und den Nachbarn, die Schließung des Fensters zu verlangen. Er hindert aber ohne Hinzutreten weiterer Umstände - etwa wenn die Fenster nicht ersetzbar sind und der Herstellung gesunder Wohnverhältnisse dienen - den Nachbarn regelmäßig nicht, auf seinem Grundstück eine Bebauung vorzunehmen, durch die das Fenster geschlossen wird.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Juli 2013 - 2 A 969/12 -, BRS 81 Nr. 168 m.w.N.
27Solche Umstände sind hier voraussichtlich gegeben, denn nach den unbestrittenen Angaben des Antragstellers dienen die Fenster im Erdgeschoss der Belichtung der Küche und damit eines Aufenthaltsraums. Auch insoweit muss es der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob eine ausreichende Belüftung bzw. Belichtung durch andere Fenster sichergestellt ist. Insoweit bleibt auch abzuwarten, ob der Antragsteller im zivilgerichtlichen Verfahren zur Schließung der vorhandenen Öffnungen verurteilt wird und ob dadurch sich ggf. die Sachlage nachträglich zu Gunsten des Beigeladenen ändert.
28Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1, 159 Satz 1, 154 Abs.3 VwGO. Der Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt, so dass ihm auch Kosten auferlegt werden können. Es erscheint angemessen, dass die Gerichtskosten zwischen der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen geteilt werden und jeder jeweils die eigenen außergerichtlichen Kosten trägt.
29Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Das Gericht orientiert sich hierbei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach für Baunachbarklagen grundsätzlich ein Rahmen von 7.500,- Euro bis 15.000,- Euro vorgesehen ist. Hiervon ausgehend geht die Kammer von einem Streitwert von 10.000,- Euro für das Hauptsacheverfahren aus, der in Anwendung der Nr. 1.5 des Kataloges wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens auf die Hälfte zu reduzieren ist.
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(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der baurechtlichen Genehmigung für den Dachgeschossausbau des Reihenhauses der Beigeladenen.
3Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks Gemarkung C. , Flur 3, Flurstück 1000 mit der Bezeichnung Q. 20 in C. . Die Beigeladenen sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks Gemarkung C. , Flur 3, Flurstück 960 mit der Bezeichnung Q. 18a. Die Grundstücke sind mit beidseitig grenzständigen Häusern bebaut; ihre zum Rhein hin gelegenen Gärten grenzen an die in diesem Bereich unbebaute H.-------straße . Die Häuser gehören zu einer am Ufer des Rheins nordwestlich der St.-N. -Kirche gelegenen zweigeschossigen Reihenhauszeile mit einer Länge von etwa 90 m. Die Gebäude liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 7526-12 der Beklagten, der u. a. ein reines Wohngebiet und geschlossene Bauweise sowie als Höchstmaß zwei Vollgeschosse festsetzt.
4Am Reihenhaus des Klägers befindet sich eine etwa 0,80 m breite Außentreppe, die vom Balkon des Obergeschosses in den Garten führt, dabei eine Höhe von ca. 3 m überwindet und etwa 4 m hinter der rückwärtigen Gebäudewand auf dem Gartengelände fußt. Die Treppe hält einen Abstand von etwa 0,2 m zum Grundstück der Beigeladenen. Der Errichtung dieser Treppe hatten die früheren Eigentümer des Grundstücks der Beigeladenen unter dem 10. Mai 1986 zugestimmt. Die Beklagte genehmigte die Außentreppe unter dem 21. Januar 1987 bauaufsichtlich. Wegen der Einzelheiten wird auf die hierzu vorliegende Genehmigungsakte der Beklagten (BA 4) Bezug genommen.
5Im Dachgeschoss ist das Reihenhaus des Klägers nachträglich durch einen Aufbau erweitert worden. Dieser besteht aus einer Dachgaube mit einer vorgelagerten, durch eine bodentiefe Fenstertür erreichbaren und überdachten Dachterrasse sowie einem Fenster. Die Dachterrasse hat einen Abstand von 2,50 m zum Grundstück der Beigeladenen, das Fenster hält mit seiner seitlichen Begrenzung einen Abstand von 1,50 m zum Grundstück der Beigeladenen. Unter dem 27. Juni 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger die nachträgliche Genehmigung für den als „Gaube und Dachterrasse“ bezeichneten Dachaufbau. Wegen der Einzelheiten wird auf die hierzu vorliegende Genehmigungsakte der Beklagten (BA 3) Bezug genommen.
6Die Beigeladenen stellten unter dem 27. September 2010 einen Bauantrag für den Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und die Errichtung von straßenseitigen Dachaufbauten sowie an der zum Rhein gewandten Seite. In den eingereichten Unterlagen erklärte der Entwurfsverfasser, das dargestellte Vorhaben entspreche den Anforderungen des Brandschutzes. Im Februar 2011 reichten die Beigeladenen neue Unterlagen für eine der Größe nach reduzierte Ausführung des Vorhabens ein. Wegen der Einzelheiten der Ausführung wird auf die mit einem Grünstempel versehenen Bauvorlagen (BA 2, Bl. 32 bis 34) Bezug genommen. Die Beklagte erteilte den Beigeladenen sodann unter dem 18. Februar 2011 die Baugenehmigung für das als Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und Errichtung einer Gaube zur Straßenseite und einer Gaube zur Gartenseite charakterisierte Vorhaben. Beigefügt war der Hinweis, die Genehmigung erfolge im vereinfachten Verfahren nach § 68 BauO NRW, im vereinfachten Genehmigungsverfahren erstrecke sich die bauaufsichtliche Prüfung nur auf den in § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW beschriebenen Umfang. Die Beigeladenen zeigten den Baubeginn bei der Beklagten am 27. Februar 2012 an.
7Der Kläger hat am 28. März 2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Bei dem Vorhaben handele es sich nicht um eine Gaube, sondern um ein Zwerchhaus, welches eine seitliche Abstandfläche werfe, die auf seinem Grundstück liege. Es sei zwar kein Zwerchhaus im Rechtssinne, weil die Front nicht in Verlängerung der Hauswand aufsteige, sondern etwa 36 cm dahinter. Optisch bestehe jedoch kein Unterschied zwischen der genehmigten Gaube und einem Zwerchhaus. Es handele sich auch nicht um ein völlig untergeordnetes Bauteil, denn es diene dem Vollausbau des Dachgeschosses. Außerdem verstoße der Ausbau des Dachgeschosses gegen den Bebauungsplan. Dieser lasse nur eine zweigeschossige Bebauung zu. Bei dem Dachgeschoss der Beigeladenen handele es sich jedoch um ein drittes Vollgeschoss. Die hierzu vorgelegte Berechnung sei falsch. Auch seien die für den Brandschutz erforderlichen Abstandflächen nicht eingehalten. Schließlich verstoße das Vorhaben auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der wuchtige und massive Eindruck störe durch seine Neigung zum Dach hin. Es entstehe Schattenwurf auf sein Grundstück. Insbesondere seien sein Balkon, der an das Haus grenzende Teil des Gartens und die Räumlichkeiten zum Garten hin betroffen.
8Der Kläger hat beantragt,
9die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. Februar 2011 aufzuheben.
10Die Beklagte hat - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 8 L 403/12 - in der Sache Stellung genommen.
11Die Beigeladenen haben im erstinstanzlichen Verfahren - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - ebenfalls den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 3. August 2012 abgewiesen.
13Der Kläger trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung vor: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ab. Es liege ein Verstoß gegen das Abstandflächenrecht vor. Das Verwaltungsgericht habe das in Rede stehende Bauteil zu Unrecht als Dachgaube angesehen, obwohl es als Zwerchhaus einzustufen sei. Es verlängere die Außenwand des Gebäudes über die Traufe hinaus in den Dachbereich. Dass das Zwerchhaus nicht voll auf der Außenwand aufsitze, sondern um 36 cm zurückgebaut sei, ändere daran nichts. Optisch sei keinerlei Unterschied zum direkten Aufsetzen auf die Außenwand zu erkennen. Das Zwerchhaus stelle sich als selbständiges Bauteil dar. Es ordne sich nach Ausmaß und Gestaltung gegenüber dem Dach nicht unter. Es liege auch ein Verstoß gegen § 35 Abs. 6 BauO NRW vor. Der Mindestabstand betrage nach dem Gesetz 1,25 m, der genehmigte Abstand dagegen nur 73,5 cm. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Gaube in der Feuerwiderstandsklasse F 90 errichtet worden sei und dass deshalb das Abstandgebot nach der Kommentierung zur Bauordnung entfalle. Diese Literaturmeinung widerspreche dem klaren Gesetzeswortlaut. Abgesehen davon sei ein danach mögliches Verfahren nach § 73 BauO NRW nicht durchgeführt worden. Die Beklagte müsse auch nach § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO Anforderungen des Brandschutzes prüfen. Dass diese Anforderungen nicht eingehalten seien, folge schon daraus, dass die Fenster der Gaube geöffnet werden könnten. Der Dachaufbau weise auch eine erdrückende Wirkung auf. Seine eigene Dachgaube sei bauaufsichtlich genehmigt. Sie sei in bescheidener Größe errichtet und halte die Abstandflächen vorn und seitlich ein. Die auf seinem Grundstück vorhandene grenznahe Außentreppe sei ebenfalls bauaufsichtlich genehmigt und zudem mit Zustimmung der früheren Eigentümer des Nachbargrundstücks errichtet worden. Es gehe ihm um die zum Garten hin befindliche Dachgaube der Beigeladenen.
14Der Kläger beantragt,
15den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
16Die Beklagte stellt im Berufungsverfahren keinen Antrag. Sie nimmt Bezug auf ihren Vortrag im Verfahren 8 L 403/12. Ergänzend führt sie aus: Am 10. April 2014 habe eine Ortsbesichtigung im Haus der Beigeladenen stattgefunden. Nach den von den Beigeladenen vorgelegten Unterlagen sei die Gaube in F 90-Bauart ausgeführt. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren seien brandschutztechnische Anforderungen nach § 17 BauO NRW nicht zu prüfen.
17Die Beigeladenen stellen im Berufungsverfahren ebenfalls keinen Sachantrag.
18Sie treten dem Vorbringen des Klägers entgegen und tragen im Wesentlichen vor: Die Gaube löse keine Abstandfläche aus. Sie sei um 36 cm zurückgesetzt, es handele sich eindeutig nicht um ein Zwerchhaus. In der näheren Umgebung befänden sich verschiedene vergleichbare Dachaufbauten. Der erforderliche Brandschutz sei durch eine Fachbauleitererklärung vom 7. August 2012 und weitere Unterlagen nachgewiesen. Die Beklagte habe die Beachtung des Brandschutzes am 12. März 2012 bestätigt.
19Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 27. Mai 2014 in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die hierzu gefertigte Niederschrift Bezug genommen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - auch zu dem in der Hauptsache erledigten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 8 L 403/12 - und der beigezogenen bauaufsichtlichen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten übereinstimmend auf eine solche verzichtet haben; §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO.
23Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
24Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die angefochtene Genehmigung vom 18. Februar 2011 gegen Bestimmungen verstößt, die auch seinem Schutz als Nachbar der Beigeladenen dienen. Dies gilt sowohl für das Bauordnungsrecht (dazu A.) als auch für das Bauplanungsrecht (dazu B.).
25A. Die Genehmigung leidet nicht an einem Verstoß gegen nachbarschützendes Bauordnungsrecht, auf den sich der Kläger berufen kann. Ein Verstoß gegen nachbarrechtsrelevantes Abstandrecht gemäß § 6 BauO NRW liegt zwar vor, weil das zur Rheinseite gelegene Vorhaben der Beigeladenen Abstandflächen auslöst, die auf das Grundstück des Klägers fallen; auf diesen Verstoß kann er sich aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen (dazu I.); es liegt ferner nicht der gerügte Verstoß gegen § 35 Abs. 6 BauO NRW vor (dazu II.).
26I. Auf den Verstoß gegen Abstandrecht, der hier vorliegt (dazu 1.), kann sich der Kläger nach dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben nicht berufen, weil sich dies wegen auf seinem Grundstück vorhandener baulicher Anlagen, die den gebotenen Abstand gegenüber dem Grundstück der Beigeladenen nicht einhalten, als unzulässige Rechtsausübung darstellt (dazu 2.).
271. Der dem Rhein zugewandte Dachaufbau der Beigeladenen löst eine Abstandfläche im Sinne von § 6 BauO NRW aus, die seitlich auf das Grundstück des Klägers fällt: Es handelt sich zwar nicht - wie der Kläger meint - um ein Zwerchhaus (dazu a); der Dachaufbau ist allerdings - anders als die Beigeladenen meinen - nicht als abstandflächenrechtlich privilegierte Gaube zu werten, sondern als selbständiger Dachaufbau, der eine seitliche Abstandfläche wirft, die auf das Grundstück des Klägers fällt (dazu b).
28a) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW sind vor Außenwänden von Gebäuden Flächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Abstandflächen). Unter „Außenwänden“ im Sinne des § 6 BauO NRW sind die über der Geländeoberfläche liegenden Wände zu verstehen, die von außen sichtbar sind und das Gebäude gegen die Außenluft abschließen.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. November 2009 - 7 B 1350/09 -, BRS 74 Nr. 136.
30Danach sind die äußeren Begrenzungen des Dachaufbaus der Beigeladenen als Außenwände grundsätzlich in die Betrachtung einzubeziehen. Eine Beurteilung der äußeren Begrenzung als Außenwand - mit der Folge einer seitlichen Abstandfläche zum Grundstück des Klägers - ist aber dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich nur um einen (unselbständigen) Bestandteil des Dachs handelt. Ist ein Dachaufbau bloßer Bestandteil des Dachs, auf dem er errichtet ist, machen seine äußeren Begrenzungen die Einhaltung eigener Abstandflächen nicht erforderlich. Erweist sich ein Dachaufbau dagegen als ein vom Dach losgelöster selbständiger Bauteil, sind seine äußeren Begrenzungen - einschließlich etwaiger Fensterfronten - regelmäßig als Außenwände oder als Teil von Außenwänden des Gebäudes anzusehen, die eigene Abstandflächen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW auslösen.
31Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127 und vom 29. April 2010 - 7 B 201/10 -, juris.
32Dem Vorhaben ist allerdings nicht schon deshalb die Eigenschaft eines Dachbestandteils abzusprechen, weil es sich um ein „Zwerchhaus“ handelt, wie der Kläger meint. Ein Zwerchhaus (zwerch = althochdeutsch für quer) verlängert die Außenwand des Gebäudes über die Traufe hinaus in den Dachbereich; es steigt von der Geländeoberfläche aus bis in den Dachbereich auf und stellt sich dort als Dachaufbau dar; funktional dient es dazu, im Dachbereich zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Seitenwände eines Zwerchhauses lösen als Außenwände seitliche Abstandflächen aus,
33vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 1999
34- 10 A 4072/97 -, juris,
35weil es sich bei einem Zwerchhaus nicht um einen unselbständigen Bestandteil des Dachs handelt. Der genehmigte rheinseitige Dachaufbau ist kein Zwerchhaus in diesem Sinne. Nach den Bauvorlagen stellt er sich nicht als Verlängerung der Außenwand dar, weil er mit 36 cm nach Lage der Dinge deutlich hinter der Außenwand zurückbleibt. Er durchbricht vielmehr die Dachhaut. Dies entspricht im Übrigen auch dem tatsächlichen Eindruck des entsprechend den Vorlagen umgesetzten Vorhabens, wie er sich aus den vorliegenden Fotos und den Feststellungen des Berichterstatters anlässlich der Ortsbesichtigung ergibt.
36b) Allerdings handelt es sich gleichwohl um einen Dachaufbau, der nicht mehr als Bestandteil des Dachs, sondern als selbständiges Bauteil zu werten ist und deshalb eine seitliche Abstandfläche auslöst.
37Ob die vorderen bzw. seitlichen äußeren Begrenzungen eines auf einer geneigten Dachfläche errichteten Dachaufbaus die Einhaltung eigener Abstandflächen erforderlich machen oder jedenfalls bei der Berechnung der vor den Außenwänden des Gebäudes einzuhaltenden Abstandflächen berücksichtigt werden müssen, hängt davon ab, wie sie im Einzelfall bei wertender Betrachtung rechtlich zu qualifizieren sind.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127.
39Als mögliche Kriterien für die vorzunehmende Wertung kommen beispielsweise in Betracht: Die Unterordnung des Dachaufbaus nach Ausmaß und Gestaltung im Verhältnis zum Dach, die Funktion des Dachaufbaus und der Umfang der zusätzlichen Auswirkungen, die der Dachaufbau auf die durch die Abstandflächenvorschriften geschützten Belange haben kann.
40Daran gemessen handelt es sich hier nicht mehr um einen Bestandteil des Dachs, sondern um einen als selbständig zu wertenden Dachaufbau. Dies ergibt sich schon mit Blick auf die Ausmaße des Aufbaus, der nach den Bauvorlagen, bei einer Betrachtung von der Gartenseite aus etwa die Hälfte der Dachfläche in Anspruch nimmt. Dies bestätigen im Übrigen auch die - dem Senat in der Beratung vermittelten - tatsächlichen Eindrücke des Berichterstatters bei der Ortsbesichtigung, nach denen der Aufbau den Dachbereich der Gartenseite des Hauses der Beigeladenen optisch dominiert. Daraus folgt mit Blick auf die planungsrechtlich durch den vorliegenden Bebauungsplan vorgegebene geschlossene Bauweise, dass der Aufbau entweder die gebotene Abstandfläche hätte einhalten oder grenzständig hätte errichtet werden müssen.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008
42- 7 B 195/08 -, BRS 73 Nr. 119.
432. Auf diesen Verstoß gegen § 6 BauO NRW kann sich der Kläger aber nach dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (dazu a) nicht berufen, weil sich dies wegen der grenznahen Außentreppe, die vom Balkon des ersten Obergeschosses in den Garten führt, und seiner Dachterrasse, die den gesetzlich gebotenen Abstand nicht einhalten, als unzulässige Rechtsausübung darstellt (dazu b).
44a) Die Geltendmachung eines Abwehrrechts gegen einen nachbarlichen Verstoß gegen § 6 BauO NRW stellt sich als unzulässige Rechtsausübung und damit als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar, wenn der Grundstückseigentümer selbst in vergleichbarer Weise gegen Abstandrecht verstößt. Die Unzulässigkeit der Rechtsausübung ist dabei nicht bezogen auf ein zielgerichtetes Verhalten in der Vergangenheit zu beurteilen, sie knüpft vielmehr an die gegenwärtige Geltendmachung des Abwehrrechts an. Maßgeblich ist, ob der Eigentümer mit der Wahrung von Abstandflächen nach § 6 BauO NRW die Beachtung einer Vorschrift einfordert, deren Anforderungen er selbst nicht einhält. Das allgemeine Rechtsverständnis billigt es einem Grundstückseigentümer nicht zu, rechtliche Abwehrmaßnahmen gegen eine durch einen Nachbarn hervor gerufene Beeinträchtigung zu ergreifen und zugleich diesem Nachbarn quasi spiegelbildlich dieselbe Beeinträchtigung zuzumuten. Denn der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz beruht auf einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit, das maßgeblich durch die objektiven Grundstücksverhältnisse geprägt ist. Erst aus der Störung des nachbarlichen Gleichgewichts und nicht schon aus der Abweichung von öffentlich-rechtlichen Normen ergibt sich deshalb der Abwehranspruch des Nachbarn.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2010 - 7 B 1840/09 -, juris.
46b) Die Berufung auf den Verstoß der Beigeladenen gegen § 6 BauO NRW ist hier eine solche unzulässige Rechtsausübung, weil der Kläger selbst zulasten des Grundstücks der Beigeladenen mit der Außentreppe und dem eigenen rheinseitigen Dachaufbau in vergleichbarer Weise gegen Abstandrecht verstößt.
47Die Außentreppe des Klägers von dem Balkon des Obergeschosses in den Garten ist jedenfalls nach § 6 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW als Anlage, die höher als 1 m über der Geländeoberfläche und dazu geeignet ist, von Menschen betreten zu werden, in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 bis 7 BauO NRW zu beurteilen.
48Vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt: OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 2008 - 7 A 2761/06 -, juris.
49Sie bleibt auch nicht nach § 6 Abs. 7 BauO NRW bei der Bemessung der Abstandfläche außer Betracht. Die Treppe müsste mithin eine Abstandfläche von 3 m einhalten (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 5 BauO NRW). Eine Freistellung vom Abstandserfordernis mit Blick auf vorrangiges Planungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW ist nicht gegeben. In der festgesetzten geschlossenen Bauweise müsste grenzständig gebaut werden. Auch im Fall einer nach Maßgabe des Planungsrechts optional zulässigen grenzständigen Bebauung wäre die in Rede stehende weder grenzständige noch den gebotenen Abstand wahrende Bebauung nicht zulässig.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008
51- 7 B 195/08 -, BRS 73 Nr. 119.
52Der Dachaufbau des Klägers, der aus einer Gaube mit bodentiefer Fenstertür, Fenster und vorgelagerter, überdachter Dachterrasse besteht, ist als selbständiger Dachaufbau zu werten, der eine Abstandfläche auslöst und teilweise auf das Grundstück der Beigeladenen wirft. Nach den vorstehend zitierten Grundsätzen kommt es für die Beurteilung auf eine wertende Gesamtbetrachtung an, die auf Ausmaß und Gestaltung im Verhältnis zum Dach, die Funktion des Aufbaus und den Umfang der zusätzlichen Auswirkungen abstellt, die der Aufbau auf die durch die Abstandflächenvorschriften geschützten Belange haben kann.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127.
54Danach erscheint der Aufbau als funktionale Einheit, die nicht nur - wie eine Gaube - der Verbesserung der Belichtung der Innenräume des Dachgeschosses, sondern auch als Dachterrasse dient und durch die Überdachung die Nutzung auch für Zeiträume schlechterer Witterungsbedingungen ermöglicht.
55Vgl. zum ähnlichen Sachverhalt eines auf dem Dach einer Gaube angelegten Dachbalkons: OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2001
56- 10 B 1378/01 -, BRS 64 Nr. 121.
57Der Aufbau verfügt überdies unter Berücksichtigung der Maße der Gaube und der Erstreckung der überdachten Dachterrasse in der Tiefe und zur Seite hin über im Verhältnis zum Dach nicht unerhebliche Ausmaße; angesichts der funktionalen Gestaltung als Dachterrasse ist er auch für die Belange, deren Schutz § 6 BauO NRW dient (u.a. Sozialabstand), nicht unerheblich. Aus den vorstehend im Zusammenhang mit der Außentreppe aufgezeigten Gründen ist der Dachaufbau auch nicht mit Blick auf vorrangiges Planungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW von Abstandserfordernissen freigestellt.
58Der Verstoß des Klägers gegen § 6 BauO NRW wiegt bei wertender Gesamtbetrachtung jedenfalls nicht weniger schwer als der Verstoß der Beigeladenen gegen § 6 BauO NRW. Dies ergibt sich schon allein aus einer Einbeziehung des Dachaufbaus in die vergleichende Betrachtung. Zwar sind dessen Ausmaße absolut und in Relation zur Dachfläche geringer als diejenigen des Aufbaus der Beigeladenen, auch ist die vom Dachaufbau des Klägers auf das Nachbargrundstück geworfene Abstandfläche kleiner als diejenige, die vom Aufbau der Beigeladenen auf das Klägergrundstück geworfen wird. Aufgrund der zusätzlichen funktionalen Ausrichtung des Dachaufbaus des Klägers auch als Dachterrasse mit Wetterschutz stellt dieser allerdings gleichwohl bereits eine gleich schwer wiegende Beeinträchtigung dar. Hinzu kommt der Verstoß durch die Außentreppe.
59Der Verstoß des Klägers gegen § 6 BauO NRW ist nicht ausnahmsweise unbeachtlich. Der Umstand der Genehmigung des Dachaufbaus und der Treppe durch die Beklagte ist für die Frage, ob eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, unerheblich. Dies ergibt sich aus der bereits vorstehend zitierten Rechtsprechung des Senats. Die Erteilung einer Genehmigung vermag zwar gegenüber der Behörde Bestandsschutz zu vermitteln; sie ändert jedoch nichts an der faktischen Nichteinhaltung der gesetzlich geforderten Abstandflächen und hat keinen Einfluss auf die zwischen den Nachbarn bestehende Wechselbeziehung.
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2010 - 7 B 1840/10 - , juris, m. w. N.
61Soweit der Kläger darauf verweist, dass für seine Außentreppe auch eine Nachbarzustimmung vorliegt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Es entspricht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, dass eine vorliegende Angrenzerzustimmung nichts an einem materiellen Abstandverstoß ändert und der Bewertung eines Nachbarrechtsbehelfs als treuwidrig nicht entgegen steht.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2010
63- 7 B 330/10 -.
64Diese Auffassung hat auch in der fachwissenschaftlichen Literatur Zustimmung gefunden.
65Vgl. Johlen, in: Gädtke u. a., BauO NRW, Kommentar, 12. Auflage, § 6, Rn. 43.
66II. Die Genehmigung verstößt auch nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise gegen § 35 Abs. 6 BauGB.
67Nach dieser Vorschrift sind auch Dachaufbauten so anzuordnen und herzustellen, dass ein Brand nicht auf andere Gebäude oder Gebäudeteile übertragen werden kann (Satz 1); von der Außenfläche von Gebäudeabschlusswänden und von der Mittellinie gemeinsamer Gebäudeabschlusswände (§ 31 Abs. 2 BauO NRW) oder Gebäudetrennwände müssen sie mindestens 1,25 m entfernt sein (Satz 2). Die vom Kläger als verletzt gerügte Vorgabe des § 35 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW wird vom Vorhaben der Beigeladen zwar nicht eingehalten. Die Entfernung des rheinseitigen Dachaufbaus zur Mittellinie der gemeinsamen Gebäudetrennwände liegt mit dem den Bauvorlagen zu entnehmenden Maß von 73,5 cm deutlich unter dem genannten Maß von 1,25 m. Diese Vorgaben sind hier aber von der Beklagten mit Blick auf § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW im vereinfachten Genehmigungsverfahren als für die Genehmigung nicht erhebliche Anforderungen ausgeklammert geblieben.
68Ein Nachbarrechtsverstoß ist auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte entgegen einer gleichwohl bestehenden Prüfungspflicht die Prüfung dieser Brandschutzaspekte unterlassen und das Vorhaben zugelassen hat. Die Bauaufsichtsbehörde ist über die Prüfung nach § 68 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BauO NRW hinaus nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, die Prüfung auf Brandschutzvorschriften zu erstrecken, wenn die Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit von Menschen droht.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 2009
70- 10 A 1075/08 -, BRS 74 Nr. 156.
71Bei einem solchen Sachverhalt darf die Baubehörde nicht eine Genehmigung für ein Vorhaben erteilen, dessen Verwirklichung wegen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben von Menschen unverzüglich durch bauaufsichtliches Einschreiten unterbunden werden müsste. Das setzt aber voraus, dass ein solcher Verstoß offensichtlich vorliegt.
72Vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2013
73- 7 A 1040/13 -, juris.
74Von einem solchen offensichtlichen Verstoß, auf den sich auch ein Nachbar berufen kann, kann nur dann die Rede sein, wenn eine entsprechende Vorschrift verletzt ist und auch eine Abweichung gemäß § 73 BauO NRW offensichtlich ausgeschlossen ist. Das ist hier nicht der Fall. Eine Abweichung ist angesichts der aufgezeigten Ausgestaltung des Dachaufbaus in der Feuerwiderstandsklasse F 90 nicht von vornherein ausgeschlossen. Nach Maßgabe des § 73 BauO NRW kommt eine Abweichung in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung der Zwecke der Anforderungen des § 35 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW und unter Würdigung der nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Letztlich handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls. Dass diese Voraussetzungen hier offensichtlich nicht erfüllt wären, vermag der Senat angesichts der in tatsächlicher Hinsicht nicht bestrittenen Ausführungen der Beigeladenen und der Feststellungen der Beklagten zur baulichen Beschaffenheit des Dachaufbaus nicht zu erkennen. Die vom Kläger angesprochene Möglichkeit, die - zum Rhein hin gelegenen und zur Seite abgeschirmten - Fenster des Dachaufbaus zu öffnen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
75B. Es liegt auch kein Verstoß gegen nachbarschützendes Bauplanungsrecht vor. In Betracht kommt insoweit allein das Gebot der Rücksichtnahme.
76Vorhabenbedingte Beeinträchtigungen der Belichtung und Besonnung sind hier nicht als unzumutbar zu werten. In bebauten innerörtlichen Bereichen sind entsprechende Einwirkungen vielmehr regelmäßig - und so auch hier - hinzunehmen.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2007
78- 7 A 3852/06 - , BRS 71 Nr. 127 und Urteil vom 9. Juni 2011 - 7 A 1494/09 -, m. w. N.
79Das Gleiche gilt nach den vorstehend zitierten Entscheidungen für Einsichtnahmemöglichkeiten in den rückwärtigen Gartenbereich des Klägers.
80In Anwendung der in der vorzitierten Rechtsprechung dargestellten Grundsätze zur Rücksichtslosigkeit von Vorhaben, die eine „erdrückende Wirkung“ gegenüber Nachbargrundstücken entfalten, kann schließlich nach dem Eindruck des Berichterstatters, den er bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat in der Beratung vermittelt hat, auch nicht von einer solchen „erdrückenden Wirkung“ des Dachaufbaus der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück des Klägers ausgegangen werden.
81Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO; es entspricht nicht der Billigkeit, dem Kläger auch die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Diese haben - anwaltlich vertreten - im Berufungsverfahren keinen Sachantrag gestellt; sie haben sich damit selbst nicht dem Risiko ausgesetzt, Kosten des Klägers übernehmen zu müssen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO); angesichts dessen wäre es unbillig, den Kläger mit ihren außergerichtlichen Kosten zu belasten.
82Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
83Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde mit dem weiterverfolgten Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der von ihm erhobenen Klage 4 K 2195/14 gegen die der Beigeladenen zu 1. von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 anzuordnen, soweit die Errichtung einer Pkw-Garage genehmigt worden ist,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag des Antragstellers nach §§ 80 a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zwar - wie von der Beschwerde im Ergebnis zutreffend geltend gemacht - zulässig (dazu I.). Er ist jedoch unbegründet (dazu II.).
6I. Dem Antrag fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller die Klagefrist versäumt hätte oder der Eilantrag aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig wäre.
7Obwohl die Übermittlung der Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers durch die Antragsgegnerin per E-Mail am 11. Juni 2014 eine wirksame Bekanntgabe nach §§ 41 Abs. 1, 3 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW bewirkt, läuft für den Antragsteller offensichtlich nicht die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Diese hat der Antragsteller mit der Klageerhebung am 8. August 2014 gewahrt.
8Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts i.S.v. § 41 Abs. 1 VwVfG NRW ist die Eröffnung des Verwaltungsakts gegenüber den von ihm Betroffenen. Dazu reicht es aus, wenn die Behörde dem Adressaten vom Inhalt des Verwaltungsakts, d. h. von dessen verfügendem Teil, Kenntnis verschafft. Das Fehlen der Begründung, der Rechtsmittelbelehrung oder etwaiger Anlagen ist für die Wirksamkeit der Bekanntgabe unschädlich, wenn der Empfänger gleichwohl von der Vollständigkeit der übermittelten Regelung ausgehen muss. Erforderlich ist nur, dass die Kenntnisverschaffung mit Wissen und Wollen der zuständigen Behörde geschieht.
9Vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschlüsse vom 8. Dezember 1995 - 11 B 132/95 -, juris Rn. 9, und vom 6. Mai 1991 - 1 B 41.91 -, juris Rn. 3, Urteil vom 29. April 1968 - VIII C 19.64 -, BVerwGE 29, 321 = NJW 1968 = juris Rn. 8; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 41 Rn. 6 ff.
10Das lediglich zufällige Bekanntwerden eines Verwaltungsakts genügt nicht für eine Bekanntgabe, ebenso nicht lediglich private Mitteilungen oder eine informatorische Übermittlung vorab.
11Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 41 Rn. 7a; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 41 Rn. 55; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 41 Rn. 4.
12Gemäß § 3 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist auch die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Von einer Zugangseröffnung ist nach der Verkehrsauffassung grundsätzlich nicht schon dann auszugehen, wenn ein privater Empfänger über einen E-Mail-Account verfügt und die E-Mail-Adresse der Behörde bekannt ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der private Empfänger der Behörde die E-Mail-Adresse gezielt in dem betreffenden Verfahren mitgeteilt hat und dass bereits in der Vergangenheit in diesem Verfahren zwischen der Behörde und dem Bürger auf diesem Weg korrespondiert wurde. Für Behörden, geschäftliche Nutzer und Rechtsanwälte gilt demgegenüber ein strengerer Maßstab. Bei diesen Verfahrensakteuren kann eine Zugangseröffnung regelmäßig schon dann angenommen werden, wenn sie eine elektronische Adresse auf ihren Briefköpfen oder auf ihrer Homepage im Internet als Kontaktadresse angeben.
13Vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 5 NC 73.08 -, juris Rn. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 3 a Rn. 12 und § 41 Rn. 11b; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 3 a Rn. 12 f.; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 3 a Rn. 3.
14Gemessen an diesen Maßstäben ist eine wirksame Bekanntmachung der Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit der E-Mail der Antragsgegnerin vom 11. Juni 2014 zu bejahen. Die Antragsgegnerin verschaffte dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des Anschreibens in der E-Mail auf diesem Weg willentlich Kenntnis von der Baugenehmigung. Dabei vermittelte sie dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die Kenntnis von dem wesentlichen Inhalt der Genehmigung. In der Anlage zu der E-Mail befand sich nicht nur der Genehmigungsbescheid selbst, sondern auch der genehmigte amtliche Lageplan. Mit dessen Hilfe konnte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers namentlich erkennen, dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen zu 1. die Errichtung der von dem Antragsteller mit Schreiben an die Antragsgegnerin vom 28. Mai 2014 allein beanstandeten, offenbar unmittelbar grenzständigen Garage genehmigt hatte. Für das Verständnis dieses für ihn wesentlichen Regelungsinhalts der Baugenehmigung bedurfte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers keiner weiteren Bauvorlagen nebst eingetragener Prüfvermerke.
15Die Antragsgegnerin handelte bei objektiver Betrachtung bei der Versendung der E-Mail vom 11. Juni 2014 mit echtem Bekanntgabewillen und nicht nur informatorisch. Der solchermaßen erfolgten Übermittlung der Baugenehmigung ging das vorerwähnte Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers an die Antragsgegnerin vom 28. Mai 2014 voraus. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hatte von der Antragsgegnerin darin bis spätestens zum 30. Mai 2014 eine verbindliche Erklärung über einen etwaigen Baustopp in Bezug auf den Weiterbau der genehmigten Garage verlangt. Aufgrund dieses Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten musste dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers klar sein, dass im nunmehr (von ihm) eingeleiteten bauaufsichtlichen Verfahren abgegebene Erklärungen der Antragsgegnerin rechtsverbindlich sein würden. Denn mit Blick auf die weitere Absichtsbekundung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers im Schreiben vom 28. Mai 2014, erforderlichenfalls um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen, musste es der Antragsgegnerin im weiteren Verlauf der Korrespondenz erkennbar darum gehen, möglichst zeitnah rechtssichere Verhältnisse herbeizuführen. Dazu zählt die förmliche Bekanntgabe der angegriffenen Baugenehmigung an den Antragsteller, durch die eine Klagefrist in Lauf gesetzt wird bzw. werden soll, welche der Antragsteller einhalten muss, um den Eintritt der Bestandskraft dieser Baugenehmigung ihm gegenüber zu verhindern.
16Etwaige von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit der Antragsgegnerin geführte (aus seiner Sicht) „informelle Telefonate“ ändern daran nichts. Das parallele Ausloten von Kompromissmöglichkeiten ist von dem Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung unabhängig. Auch nach einer - womöglich lediglich vorsorglichen und fristwahrenden - Klageerhebung kann noch eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten erzielt werden.
17Die Zulässigkeit der Bekanntgabe der Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 über das Medium der E-Mail begegnet keinen Bedenken. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hatte einen entsprechenden Zugang i.S.v. § 3 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW eröffnet. Auf seinem Kanzleibriefkopf ist eine E-Mail-Adresse angegeben. Darüber hinaus hatte er das Schreiben an die Antragsgegnerin vom 28. Mai 2014 an diese vorab per E-Mail versandt.
18Gleichwohl ist die Klage in der Hauptsache nicht verfristet. Die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist nicht einschlägig, weil die Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 dem Antragsteller nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 58 Abs. 1 VwGO bekanntgegeben wurde. Folge dessen ist die Geltung der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die der Antragsteller durch die Klageerhebung am 8. August 2014 beachtet hat.
19Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO hat die Rechtsbehelfsbelehrung über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist zu belehren. Nach dieser Vorschrift ist es nicht erforderlich, darüber zu belehren, wer zur Einlegung des Rechtsbehelfs berechtigt, also widerspruchs- oder klagebefugt ist. Enthält die Rechtsbehelfsbelehrung keine Belehrung über ihren Adressaten, ist sie grundsätzlich nicht i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO unterblieben oder unrichtig erteilt. Dies gilt uneingeschränkt auch bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Anders verhält es sich aber, wenn sich die Rechtsbehelfsbelehrung nur auf einen konkreten Adressaten bezieht, etwa auf den im Adressfeld genannten unmittelbaren Adressaten des Bescheids selbst. Eine solche Formulierung erweckt den Eindruck, zur Einlegung des Rechtsbehelfs sei nur er befugt. Gegenüber anderen potentiell Drittbetroffenen ist die Rechtsbehelfsbelehrung dagegen unterblieben, es sei denn, diese mussten sie in Anbetracht der Gesamtumstände eindeutig auch auf sich beziehen.
20Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2010 - 7 B 36.09 -, BauR 2010, 1738 = juris Rn. 15 f., und vom 7. Juli 2008 - 6 B 14.08 -, NVwZ 2009, 191 = juris Rn. 9.
21Ausgehend davon ist die Rechtsbehelfsbelehrung gegenüber dem Antragsteller unterblieben. Die seinem Prozessbevollmächtigten am 11. Juni 2014 bekanntgegebene Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 ist an die Beigeladene zu 1. adressiert. Ihr ist eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, die nicht abstrakt formuliert ist, sondern sich mit der Formulierung der Anrede „Sie“ konkret nur an die Beigeladene zu 1. richtet. Angesichts dessen bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Rechtsbehelfsbelehrung gegen ihren Wortlaut nach den Gesamtumständen auch auf den Antragsteller und von ihm einzulegende Rechtsbehelfe beziehen musste. Die Antragsgegnerin hat der E-Mail vom 11. Juni 2014 auch kein zusätzliches Anschreiben mit einer auf den Antragsteller zugeschnittenen Rechtsbehelfsbelehrung hinzugefügt.
22Der Antragsteller hat sein Klagerecht bei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglicher und gebotener summarischer Prüfung auch nicht prozessual verwirkt.
23Die Verwirkung der Klagebefugnis setzt einen längeren Zeitraum voraus, während dessen die Möglichkeit der Klageerhebung bestand. Diese Möglichkeit muss dem Berechtigten bewusst gewesen sein. Der positiven Kenntnis steht es regelmäßig gleich, wenn der Berechtigte von der ihn belastenden Maßnahme zuverlässige Kenntnis hätte haben müssen, weil sich ihm - zum einen - deren Vorliegen hätte aufdrängen müssen und es ihm - zum anderen - möglich und auch zumutbar war, sich über die getroffene Maßnahme letzte Gewissheit zu verschaffen. Die Klageerhebung muss gerade deshalb gegen Treu und Glauben verstoßen, weil der Berechtigte trotz vorhandener Kenntnis oder der ihm zuzurechnenden Möglichkeit der Kenntnis erst zu einem derart späten Zeitpunkt Klage erhebt, zu dem die nunmehr beklagte Behörde nicht mehr mit einer Klageerhebung rechnen musste. Die betroffene Behörde rechnet dann nicht mehr mit einer Klageerhebung gegen die von ihr getroffene Maßnahme, wenn ein Berechtigter unter Verhältnissen ihr gegenüber untätig bleibt, unter denen jedermann vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen hätte. Durch das Unterlassen wird eine tatsächliche Lage geschaffen, auf die sich die Behörde einstellen darf. Endlich muss sich die beklagte Behörde auch tatsächlich in einer Weise auf das Verhalten des Berechtigten eingerichtet haben, dass für sie eine begründete Klage mit nicht mehr zumutbaren Nachteilen verbunden wäre.
24Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 10. August 2000 - 4 A 11.99 -, NVwZ 2001, 206 = juris Rn. 15.
25Daran gemessen ist für eine prozessuale Verwirkung nach Aktenlage nichts ersichtlich. Danach erfuhr der Antragsteller von der Baugenehmigung, welche die Errichtung einer Garage an der Grundstücksgrenze direkt an seinem Haus F. Straße 22 einschließt, offenbar erst im Jahr 2014. Dies geht aus dem Vermerk der Antragsgegnerin über eine „Bauberatung“ des Antragstellers am 22. April 2014 hervor. Zwischen diesem Zeitpunkt und der Klageerhebung am 8. August 2014 war ‑ auch angesichts der zwischenzeitlich in dieser Angelegenheit mit der Antragsgegnerin geführten Korrespondenz - kein Zustand eingetreten, in dem die Antragsgegnerin nicht mehr mit einer Klageerhebung hätte rechnen müssen.
26II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
271. Die Sachprüfung ist dem Senat nicht wegen der Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 3 und Satz 6 VwGO verwehrt. Ergibt die nach diesen Bestimmungen prinzipiell auf die dargelegten Gründe beschränkte Prüfung des Beschwerdegerichts, dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts - wie hier - die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht trägt, hat es umfassend zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist. Der von Verfassungs wegen gebotene effektive Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet es dann, die weitere Prüfung durch das Beschwerdegericht an denselben Maßstäben auszurichten, wie sie auch ohne die Regelung des § 146Abs. 4 Satz 6 VwGO anzuwenden wären. Hat der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Entscheidung mit Erfolg in Frage gestellt und wäre bereits aus diesem Grund der Beschwerde stattzugeben, wäre der Rechtsschutz des Beschwerdegegners unvertretbar verkürzt. Die Folge wäre, dass der Beschwerdegegner mit in der ersten Instanz ordnungsgemäß vorgebrachten und möglicherweise durchgreifenden Argumenten ungehört bliebe. Ihm ist es nicht zuzumuten, im Beschwerdeverfahren erneut diejenigen Argumente anzuführen, welche die erstinstanzliche Entscheidung über die Argumentation das Gerichts hinaus stützen, zumal insoweit die von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht möglich ist.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - 7 B 2193/06 -, BauR 2007, 861 = juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. März 2013 - 8 S 2504/12 -, BauR 2013, 1088 = juris Rn. 11; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 15. Januar 2009 - 9 S 70.08 -, juris Rn. 4; Nds. OVG, Beschluss vom 28. März 2006 - 7 ME 159/04 -, NVwZ-RR 2006, 682 = juris Rn. 29.
292. Die solchermaßen in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus. Das Interesse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1. an dem sofortigen Vollzug der im Hinblick auf die Errichtung einer zum Grundstück des Antragstellers F. Straße 22 augenscheinlich grenzständigen Pkw-Garage angefochtenen Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers.
30Maßgebliches Kriterium innerhalb der nach §§ 80 a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung sind zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als zu Lasten des Antragstellers offensichtlich rechtswidrig, überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse die gegenläufigen privaten und/oder öffentlichen Vollzugsinteressen. Stellt der Verwaltungsakt sich als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht.
31Ausgehend davon fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Bei summarischer Betrachtung verletzt die hinsichtlich der Grenzgarage streitige Baugenehmigung ihn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in seinen Rechten. Insbesondere verstößt die Baugenehmigung im angefochtenen Umfang voraussichtlich nicht zum Nachteil des Antragstellers gegen - den auch im hier durchgeführten vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BauO NRW zu prüfenden - § 6 BauO NRW (dazu a) sowie gegen das - nach § 68 Abs. 1 Satz 4Nr. 1 BauO NRW ebenfalls zu beachtende - in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bzw. in§ 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (dazu b).
32a) Die mit Baugenehmigung vom 2. Mai 2013 genehmigte Errichtung einer grenzständigen Pkw-Garage steht aller Voraussicht nach nicht im Widerspruch zu § 6 BauO NRW. Die Zulassung der Grenzgarage ist von § 6 Abs. 11 BauO NRW privilegiert.
33Nach § 6 Abs. 11 Satz 1 BauO NRW sind Gebäude mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m über der Geländeoberfläche, die als Garage genutzt werden, an der Grenze ohne eigene Abstandflächen sowie in den Abstandflächen eines Gebäudes zulässig ohne Öffnungen in den der Nachbargrenze zugekehrten Wänden und dies auch, wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an ein Gebäude angebaut werden.
34§ 6 Abs. 11 Satz 1 BauO NRW schafft eine wesentliche Erleichterung für die Errichtung von Garagen, überdachten Stellplätzen und den sonstigen dort genannten baulichen Anlagen. Die mit ihm vorgenommene Privilegierung schränkt den durch die Abstandflächenvorschriften sichergestellten Schutz ein. Soweit die Vorschrift Garagen und überdachte Stellplätze betrifft, verfolgt der Gesetzgeber damit den Zweck, durch Unterbringung von Kraftfahrzeugen auf Privatgrundstücken den öffentlichen Verkehrsraum zu entlasten. Die Baufreiheit des Bauherrn wird erweitert, indem der Gesetzgeber zugunsten des Bauherrn dem Nachbarn bei Einhaltung der in der Vorschrift genannten Maße die Hinnahme eines überdachten Stellplatzes oder einer Garage entgegen der Grundregel des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BauO NRW in der ansonsten auf dem Baugrundstück des Bauherrn freizuhaltenden Abstandfläche unter Inanspruchnahme des Grenzabstands zumutet. Diese Zumutbarkeit findet ihre Schranke in den in der Vorschrift genannten Beschränkungen hinsichtlich der über der Geländeoberfläche an der Nachbargrenze einzuhaltenden mittleren Wandhöhe der Anlagen, deren zulässiger Gesamtlänge an einer Nachbargrenze des Baugrundstücks als relativer Schranke sowie der zulässigen Gesamtlänge dieser Gebäude an allen Nachbargrenzen als absoluter Obergrenze (vgl. § 6 Abs. 11 Satz 5 BauO NRW: je Nachbargrenze 9 m und auf einem Grundstück zu allen Nachbargrenzen insgesamt 15 m). Durch diese Begrenzung des Umfangs der Privilegierung soll eine übermäßige Bebauung der Grenzbereiche mit potentiell störenden Anlagen vermieden werden.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2003 - 7 A 4101/01 -, juris Rn. 45 ff.
36Die Anwendung des § 6 Abs. 11 BauO NRW für sich genommen ist im Übrigen von etwaigen bauplanungsrechtlichen Beschränkungen unabhängig. Ob Anlagen i.S.d. § 6 Abs. 11 BauO NRW an der Nachbargrenze errichtet werden dürfen, beurteilt sich zum einen nach Bauordnungsrecht etwa hinsichtlich der sich aus § 6 Abs. 11 BauO NRW ergebenden Anforderungen zulässiger Abmessungen der privilegierten Anlagen, zum anderen bauplanungsrechtlich nach Maßgabe der anzuwendenden Normen des Bauplanungsrechts. Diese bleiben gesondert zu prüfen.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2000- 7 B 57/00 -, juris Rn. 11; Kamp/Schmickler, BauO NRW, 1. Aufl. 2012, § 6 Rn. 253; Johlen, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 6 Rn. 278; Boeddinghaus/Hahn/ Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band I, Stand Januar 2007, § 6 Rn. 310; siehe zu diesem Prüfungsaufbau außerdem OVG NRW, Urteil vom 26. April 2010- 7 A 2162/09 -, juris Rn. 38 ff.; zu den prinzipiellen Restriktionen des Rücksichtnahmegebots durch § 6 Abs. 11 BauO NRW siehe BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1985 - 4 CB 49.85, 4 CB 504 CB 50.85 -, BRS 44 Nr. 177 = juris Rn. 2; Johlen, in: Gädtke/Czepuck/ Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 6 Rn. 297.
38Nach diesen Grundsätzen fällt die genehmigte Grenzgarage unter die Privilegierung des § 6 Abs. 11 BauO NRW. Nach den genehmigten Bauvorlagen beachtet sie ohne eigene Wandöffnungen an der Grundstücksgrenze zum Antragsteller die Maßvorgaben der Regelung. Sie ist weniger als 3 m hoch und ihre Gesamtlänge beträgt zusammen mit dem ebenfalls genehmigten vorgelagerten Carport an der Nachbargrenze zum Antragsteller insgesamt 9 m.
39Die Frage, ob die Garage gleichwohl nachbarrechtswidrig ist, weil sie wegen der Beschaffenheit des Gebäudes auf dem Grundstück des Antragstellers - mit einem „Gesims“ - anscheinend faktisch nicht unmittelbar grenzständig an dieses angebaut werden kann und weil sie aufgrund dessen tatsächlich in einem geringen Abstand vor den drei Fenstern in dessen Kellergeschoss errichtet werden müsste, würde dieser bauliche Zustand fortbestehen, ist im Rahmen des § 6 Abs. 11 BauO NRW ohne Belang. Sie ist erst bei der Prüfung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zu behandeln.
40Sollte es sich bei dem Gebäude des Antragstellers F. Straße 22 teilweise um einen Überbau handeln, weil nur das Kellergeschoss selbst grenzständig steht, wäre dies öffentlich-nachbarrechtlich aus sich heraus im Ausgangspunkt gleichfalls ohne Bedeutung. Gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW wird die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt. Ob ein Überbau, welcher der tatsächlichen Ausführung einer Baugenehmigung entgegensteht, zu beseitigen ist, ist nach Zivilrecht (vgl. § 912 Abs. 1 BGB) zu beurteilen.
41Vgl. insoweit auch OVG NRW, Urteil vom 7. April 2014 - 10 A 1814/12 -, BauR 2014, 1288 = juris Rn. 53, Beschlüsse vom 6. März 2013 - 2 A 1705/10 -, juris Rn. 21, und vom 22. Oktober 2007 - 7 B 1598/07 -, juris Rn. 3.
42b) Die mit Blick auf die Grenzgarage angegriffene Baugenehmigung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegenüber dem Antragsteller bauplanungsrechtlich rücksichtslos.
43Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll die bei Verwirklichung von Bauvorhaben aufeinanderstoßenden Interessen angemessen ausgleichen. Ob ein Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Umgekehrt braucht derjenige, der ein Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es danach wesentlich auf eine Abwägung an zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnah-meberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dementsprechend ist das Rücksichtnahmegebot verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird.
44Dies ist bei summarischer Prüfung aufgrund der Genehmigung der Grenzgarage nicht der Fall.
45Wie dargelegt, ist die genehmigte Garage aufgrund von § 6 Abs. 11 BauO NRW abstandflächenrechtlich privilegiert. Überwiegende nachbarliche Belange des Antragstellers, welche diese Begünstigung zurückdrängen würden, sind nach Lage der Dinge nicht zu erkennen. Weder kann sich der Antragsteller wohl in Ansehung der drei Kellerfenster gegen die Garage mit Erfolg auf durchsetzungsfähigen Bestandsschutz berufen (dazu aa) noch würde aufgrund einer grenzständigen Errichtung der Garage mit Blick auf die Kellerfenster und ihre Belichtungs- und Belüftungsfunktion oder anderweitig ein bau(ordnungs)rechtlich nicht hinnehmbarer Zustand eintreten (dazu bb).
46aa) Die drei Kellerfenster in dem in Rede stehenden Gebäude des Antragstellers sind augenscheinlich nicht mit gegenüber dem Garagenbauvorhaben der Beigeladenen zu 1. durchsetzungsfähigem Bestandsschutz ausgestattet.
47Ein Bestandsschutz der Kellerfenster greift ein, wenn diese entweder (formell bau‑)genehmigt worden sind oder sie (materiell) zu irgendeinem Zeitpunkt (bau‑)genehmigungsfähig waren.
48Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15. Juli 2013 - 2 A 969/12 -, BauR 2014, 667 = juris Rn. 78, vom 29. März 2012 - 2 A 83/11 -, juris Rn. 57, vom 17. Januar 2008 - 10 A 2795/05 -, BRS 73 Nr. 172 = juris Rn. 71, Beschlüsse vom 17. Februar 2000 - 7 B 178/00 -, BRS 63 Nr. 137 = juris Rn. 11, und vom 31. Januar 1991 - 7 B 241/91 -, BRS 52 Nr. 179 = juris Rn. 7.
49Für das Bestehen des Bestandsschutzes ist der Antragsteller materiell beweispflichtig. Er trägt die Beweislast im Falle der Unaufklärbarkeit ungeachtet des Alters seines Hauses. Die Regeln des Anscheinsbeweises kommen ihm nicht zugute.
50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 1988 - 4 B 33.88 -, juris Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 15. Juli 2013 - 2 A 969/12 -, BauR 2014, 667 = juris Rn. 80, und vom 29. März 2012 - 2 A 83/11 -, juris Rn. 59, Beschluss vom 30. März 2011 - 7 A 848/10 -, juris Rn. 17.
51Nach diesen Maßgaben sind die Kellerfenster im Haus des Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht nachweislich bestandsgeschützt.
52Aus der vorliegenden Bauakte ergibt sich nicht, dass sie baugenehmigt - mithin formell legal - sind. Nach Lage der Akten wurden für das Haus des Antragstellers F. Straße 22 Bauerlaubnisse vom 8. Juni 1905 und vom 16. Mai 1906, Bau-Erlaubnisscheine vom 1. Juni 1928 und vom 2. Mai 1929 sowie eine Baugenehmigung vom 11. Mai 1967 erteilt. Keiner dieser Genehmigungen samt den zugehörigen genehmigten Bauvorlagen lässt sich entnehmen, dass die Kellerfenster baurechtlich zugelassen sind. Dass die Kellerfenster seit Errichtung des Hauses tatsächlich vorhanden sein mögen, ist für diesen rechtlichen Befund unerheblich.
53Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kellerfenster materiell genehmigungsfähig sind oder zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit genehmigungsfähig waren. Legt man das im Verwaltungsvorgang der Beklagten (siehe dort Blatt 83) abgelegte Lichtbild vom 24. April 2014 zugrunde, fungiert die Wand, in welche die Kellerfenster in das Haus des Antragstellers eingelassen sind, im Verhältnis zum Vorhabengrundstück als (nach dem Vorbringen des Antragstellers im Kellergeschoss grenzständige) Gebäudeabschlusswand i.S.v. § 31 BauO NRW. In Gebäudeabschlusswänden sind gemäß § 31 Abs. 4 BauO NRW jedoch Öffnungen, wie sie die Kellerfenster bilden, aus Gründen des Brandschutzes unzulässig.
54Vgl. zum Sinn und Zweck des § 31 Abs. 4 BauO NRW zuletzt etwa OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2014 - 2 B 570/14 -, juris Rn. 15.
55Die Vorgängerregelungen des § 31 Abs. 4 BauO NRW waren im Wesentlichen gleichgeartet,
56vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 83/11 -, juris Rn. 66,
57so dass für eine zwischenzeitliche Genehmigungsfähigkeit der Kellerfenster nichts spricht.
58bb) Aufgrund der Errichtung der Garage würden mit Blick auf die Kellerfenster und ihre Belichtungs- und Belüftungsfunktion bei summarischer Prüfung wohl auch keine bau(ordnungs)rechtlich nicht hinnehmbaren Verhältnisse entstehen. Diese wären auch nicht anderweitig wegen eines sich zwangsläufig ergebenden Zwischenraums zwischen der Garage und dem Haus des Antragstellers zu erwarten.
59(1) § 48 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW würde wahrscheinlich nicht verletzt. Danach müssen Aufenthaltsräume unmittelbar ins Freie führende Fenster von solcher Zahl und Beschaffenheit haben, dass die Räume ausreichend Tageslicht erhalten und belüftet werden können (notwendige Fenster). Kellerräume sind indes regelmäßig keine Aufenthaltsräume i.S.d. §§ 48 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 7 BauO NRW. Die letztgenannte Bestimmung sieht vor, dass Aufenthaltsräume nur Räume sind, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Kellerräume, die unterhalb der Geländeoberfläche liegen, zählen grundsätzlich nicht dazu, wie ein Rückschluss aus der Sonderregelung des § 48 Abs. 5 BauO NRW unterstreicht.
60Vgl. insofern auch Schmickler, in: Schönenbroicher/ Kamp, BauO NRW, 1. Aufl. 2012, § 48 Rn. 17; Czepuck, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 2 Rn. 229 und § 48 Rn. 20; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band I, Stand August 2010, § 2 Rn. 118.
61(2) Die Genehmigung der Grenzgarage würde voraussichtlich auch nicht deshalb in einen nicht tolerierbaren bauordnungswidrigen Zustand münden, weil sie einen §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 6 BauO NRW zuwiderlaufenden Schmutzwinkel zwischen ihr und dem Gebäude des Antragstellers schüfe.
62Das § 6 BauO NRW zugrunde liegende grundsätzlich strikte Verständnis des Begriffs der Grenzständigkeit soll auch dazu dienen, unter dem Gesichtspunkt der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse die Entstehung sog. Schmutzwinkel zu verhindern. Ein solcherSchmutzwinkel birgt nicht nur die Gefahr, dass sich dort Unrat und Ungeziefer sammeln und Feuchtigkeit wegen fehlender Durchlüftungsmöglichkeiten staut. Er lässt es auch nicht zu, eventuelle Reinigungs-, Unterhaltungs- und Reparaturarbeiten an den Außenwänden ordnungsgemäß durchzuführen. Hinzu kommt, dass eine Durchfeuchtung der Außenwände im Sockelbereich zu befürchten ist und, wenn sie eintritt, von außen nicht zu beheben wäre. Dies gilt auch im Anwendungsbereich von § 6 Abs. 11 BauO NRW.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2005 - 7 A 2342/03 -, BRS 70 Nr. 123 = juris Rn. 33; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. September 2011 - 6 K 3112/09 -, juris Rn. 31 ff.; Boeddinghaus/Hahn/ Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band I, Stand August 2010, § 6 Rn. 328.
64Eine derartige Gefahr verursacht die streitbefangene Baugenehmigung bei summarischer Betrachtung nicht. Sie lässt ausweislich der genehmigten Bauvorlagen offenbar (nur) eine strikt grenzständige Errichtung der Garage zu. Ggf. wären hierzu im Hauptsacheverfahren noch klarstellende Erklärungen abzugeben. Sollte es wegen der bereits angesprochenen konkreten baulichen Beschaffenheit des Gebäudes des Antragstellers zu faktischen Schwierigkeiten für einen grenzständigen Anbau der Garage wegen eines Überbaus kommen, wäre dieser Überbau unter Umständen auf der Grundlage zivilrechtlicher Ansprüche zu beseitigen. Die Schließung der Kellerfenster im Kellergeschoss des Gebäudes des Antragstellers könnte die Antragsgegnerin eventuell mit bauordnungsrechtlichen Mitteln durchsetzen, falls deren Baurechtswidrigkeit abschließend festgestellt würde und die sonstigen Voraussetzungen für ein solches Einschreiten vorlägen.
65(3) Anderweitige bau(ordnungs)rechtliche Gegengründe, die bei der Prüfung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zugunsten des Antragstellers ausschlagen könnten, sind nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ersichtlich. Insbesondere würde eine grenzständige Errichtung der genehmigten Garage mit entsprechenden Gebäudeabschlusswänden im Einklang mit § 31 BauO NRW nicht zu den von dem Antragsteller thematisierten brandschutztechnischen Komplikationen führen können. Auch dies ist eine in der Norm mitbedachte Konsequenz der Privilegierung des § 6 Abs. 11 BauO NRW.
66Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
67Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
68Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.