Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 30. Aug. 2016 - 15 A 2024/13
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage im Berufungsverfahren zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt und das angefochtene Urteil in dem entsprechenden Umfang für wirkungslos erklärt.
Im Übrigen wird das angefochtene Urteil im Umfang der Berufung geändert.
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 30. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2012 verpflichtet, der Klägerin Zugang zu den im Bescheid vom 30. März 2012 unter III. lfd. Nr. 3 und IV. lfd. Nr. 5-8, 11, 13-16, 19, 28, 31-34, 36-37, 39 und 43 aufgeführten Dokumenten zu gewähren.
Unter Einbeziehung des erstinstanzlich für erledigt erklärten sowie zweitinstanzlich zurückgenommenen Teils des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagte die Kosten des Verfahrens beider Instanzen jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein Unternehmen der Energiewirtschaft. Sie ist u. a. Betreiberin von Kernkraftwerken.
3Am 25. November 2011 beantragte die Klägerin beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (im Folgenden: BMU) auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), hilfsweise des Umweltinformationsgesetzes (UIG), den Zugang zu allen dem BMU vorliegenden Informationen, die im Zusammenhang mit der Erarbeitung, Beratung und Verabschiedung des 13. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl. I S. 1704; im Folgenden: 13. AtG-Novelle) stehen; es bestehe - so die Klägerin - grundsätzlich Einverständnis mit Schwärzungen im Hinblick auf personenbezogene Daten Dritter. Wesentliches Ziel der 13. AtG-Novelle ist die Verkürzung der Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland, um die zivile Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität aus Gründen des absoluten Vorrangs der nuklearen Sicherheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden (siehe dazu im Einzelnen die Begründung des Entwurfs der 13. AtG-Novelle, Bundestags-Drucksache 17/6070).
4Die Klägerin hat gegen die 13. AtG-Novelle beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde erhoben (dortiges Aktenzeichen 1 BvR 1626/12), über die noch nicht entschieden ist.
5Mit Bescheid vom 30. März 2012 gab das BMU dem Antrag der Klägerin mit Ausnahme der im Bescheid unter III. und IV. aufgeführten Dokumente statt. Hinsichtlich der sieben Einzeldokumente unter III., bei denen es sich im Wesentlichen um Auszüge aus den Ergebnisprotokollen der Besprechungen von beamteten Staatssekretären im Zeitraum von Mai bis Juli 2011 handelt, könne der Informationszugang aus den Gründen des Bescheids vom 23. März 2012, mit dem bereits das Bundeskanzleramt ein vergleichbares Informationsbegehren der Klägerin beschieden habe. Die dortigen Ausführungen unter III.1.b) und c) zum Vertraulichkeitsschutz nach § 3 Nr. 4 IFG, zu den einengenden Vorwirkungen eines Informationszugangs und zum Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG trügen auch eine Versagung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG. Die 44 Einzeldokumente unter IV., die im Wesentlichen Anträge der Bundesländer an verschiedene Ausschüsse des Bundestages und des Bundesrates sowie Sitzungsprotokolle dieser Ausschüsse von April bis Juli 2011 betreffen, fielen unter den Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen gemäß § 69 GO BT bzw. §§ 37, 44 GO BR. Danach seien die Sitzungen der Bundestags- und Bundesratsausschüsse sowie die Niederschriften über diese Sitzungen vertraulich. Die Vertraulichkeit solle den Verhandlungsvorgang schützen, um einen unbefangenen und freien Meinungsaustausch zu gewährleisten. Die im Rahmen einer solchen Diskussion eingebrachten Beiträge, Mitteilungen und sonstigen Informationen würden vom Schutzzweck der Geheimhaltungsregelungen ebenso erfasst wie schriftlich oder mündlich geäußerte Verhandlungspositionen, da sie deren Grundlage bildeten und vom eigentlichen Verhandlungsvorgang nicht zu trennen seien. Auch die vorab übermittelten Anträge der Bundesländer seien nichts anderes als eine auf schriftlichem Wege geäußerte Verhandlungsposition, die gleichermaßen der Vertraulichkeit unterliege. Die Vertraulichkeit der Sitzungen sichere die Funktionsfähigkeit der Legislative als Verfassungsorgan und sei Ausdruck der Gewaltenteilung. Die Vertraulichkeit müsse auch nach Ablauf eines längeren Zeitraums gewahrt bleiben, um eine offene und umfassend abwägende Meinungsbildung in der Legislative zu gewährleisten. Nur wenn auch nach Abschluss der Entscheidungsfindung mit der Vertraulichkeit des in den Ausschusssitzungen gesprochenen Wortes gerechnet werden könne, sei die Freiheit der Willensbildung der Legislative hinreichend sichergestellt. Ein schrankenloser Informationszugang nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses würde durch seine einengende Vorwirkung die Legislative stark beeinträchtigen. Der Schutz des Kernbereichs der legislativen Eigenverantwortung müsse sich gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen werde und ins Leere gehe. Dies gelte insbesondere für die Legislative, die die abschließende gesetzgeberische Entscheidung treffe.
6Die Klägerin erhob am 26. April 2012 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, sie habe gemäß § 3 Abs. 1 UIG einen Anspruch auf freien Zugang zu den zurückgehaltenen Informationen unter Ziffern III. und IV. des Bescheids vom 30. März 2012. Das BMU sei eine informationspflichtige Stelle i.S.d. § 2 Abs. 1 UIG. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur 13. AtG-Novelle stehe § 2 Abs. 1 Nr. 1 a) UIG dem Informationszugang nicht mehr entgegen. Die Dokumente der Ziffern III. und IV. des Ausgangsbescheids seien Umweltinformationen i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG. Ausschlussgründe, die nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie (UIRL) eng auszulegen seien, seien nicht ersichtlich. Insbesondere könne die Verweigerung des Informationszugangs nicht auf den Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG gestützt werden. Es fehle an einer spezifischen gesetzlichen Anordnung der Vertraulichkeit der Beratungen. Die Bestimmungen in den Geschäftsordnungen oberster Bundesorgane - hier § 69 GO BT für den Bundestag und §§ 37, 44 GO BR für den Bundesrat - seien lediglich autonom gesetztes Binnenrecht ohne verbindliche Anordnung der Vertraulichkeit. Ferner könnten unter die Ausnahme der Vertraulichkeit von Beratungen allenfalls die abschließenden Etappen des Entscheidungsprozesses fallen, mithin nicht vorbereitende Tätigkeiten, Entwürfe oder Vorlagen. Schließlich sei der Schutz von Informationen aus Gesetzgebungsverfahren zeitlich auf die Dauer des Verfahrens beschränkt. Der beantragte Informationszugang könne auch nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG verwehrt werden. Das Bekanntwerden der zurückgehaltenen Informationen hätte keine nachteiligen Auswirkungen auf die Durchführung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens. Auch würde der Anspruch der Bundesregierung auf ein faires Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht verletzt. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG schütze die öffentliche Hand nicht vor Klagen der Bürger. Auch der Schutz des Kernbereichs legislativer Eigenverantwortung könne die Ablehnung des Informationszugangs nicht rechtfertigen. Die Gründe für einen Ausschluss des Zugangs zu Umweltinformationen seien im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 UIRL in §§ 8, 9 UIG abschließend geregelt. Ein Ausschlussgrund des Schutzes des Kernbereichs legislativer Eigenverantwortung sei dort nicht genannt. Selbst wenn man hilfsweise annähme, dass Ausschlussgründe vorlägen, überwiege das öffentliche Interesse an der Informationsherausgabe. Der Antrag der Klägerin diene dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Er beziehe sich auf Informationen zur 13. AtG-Novelle, die grundlegende (energie‑)politische Weichenstellungen enthalte und zu intensiven Debatten geführt habe. Die Entscheidung für einen vorgezogenen Ausstieg aus der Kernenergie, die der Gesetzgeber mit der 13. AtG-Novelle getroffen habe, sei von maßgeblicher Bedeutung für die Energieversorgung und -erzeugung in Deutschland. Sie sei zugleich von enormer Bedeutung für eine Vielzahl umweltrelevanter Fragen. So sei z. B. mit zusätzlichen CO2-Emissionen infolge der Substitution der Kernenergie durch fossile Energieträger zu rechnen. Darüber hinaus führe die 13. AtG-Novelle mit hoher Wahrscheinlichkeit zu höheren Strompreisen, wovon alle Einwohner sowie Unternehmen in der Bundesrepublik betroffen wären.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2012 half das BMU dem Widerspruch im Hinblick auf die Dokumente Ziffer III.1, III.2 und III.7 ab. Im Übrigen wies es den Widerspruch im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurück.
8Die Klägerin hat am 27. September 2012 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr Widerspruchsvorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen: §§ 8, 9 UIG regelten die Ausschlussgründe abschließend. Sie seien zudem eng auszulegen. Die Vertraulichkeit von Beratungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG müsse gesetzlich angeordnet sein, weswegen das Binnenrecht gemäß § 69 GO BT und §§ 37, 44 GO BR nicht ausreiche. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG erfasse im Übrigen lediglich den Beratungsprozess, nicht aber den Beratungsgegenstand und das Beratungsergebnis. Ohnehin seien Parlamentsausschüsse selbst keine informationspflichtige Stelle. Sie fielen daher schon begrifflich nicht in den Anwendungsbereich von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG, der den innerbehördlichen Beratungsvorgang und damit die Qualität des Beratungsergebnisses schützen wolle. Die Ausführungen der Beklagten zum Schutzumfang des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG könnten auch sonst nicht überzeugen. Die Niederschriften und Ergebnisprotokolle zu Beratungen auf Staatssekretärsebene (Ziffer III. des Ausgangsbescheids) ließen nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die Willensbildung in der Bundesregierung selbst zu. Sie beträfen das Beratungsergebnis, nicht den eigentlichen Beratungsvorgang. Sofern ein Meinungsaustausch auf Ebene der Staatssekretäre Grundlage und Gegenstand der Beratungen der Bundesregierung sei, so würden die hier vertretenen Auffassungen weder die Bundeskanzlerin noch das Bundeskabinett binden. Erst recht bestehe daher im Hinblick auf künftige Entscheidungsprozesse nicht die Gefahr einer Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung. Auch die Meinungsbildung im Gremium der Staatssekretäre selbst würde durch die Veröffentlichung der Informationen nicht beeinträchtigt. Es gehöre zu den Aufgaben der beamteten Staatssekretäre, in diesen Besprechungen die eigene und die Position ihres Ministeriums offen zum Ausdruck zu bringen. Dass ein offener und umfassender Meinungsaustausch im Vorfeld der Kabinettsberatungen beeinträchtigt würde, wenn die betroffenen Personen mit einem Bekanntwerden der vertraulichen Äußerungen rechnen müssten, überzeuge nicht. Mit diesem Vorbringen werde die Beklagte dem Erfordernis nicht gerecht, die befürchtete Beeinträchtigung der behördlichen Beratungen im Einzelnen nachvollziehbar zu belegen. Entsprechendes gelte für die Ergebnisberichte zu Ausschusssitzungen (Ziffer IV. des Ausgangsbescheids). Anträge und Positionspapiere der Länder seien lediglich Diskussionsgrundlage der fraglichen Ausschusssitzungen. Sie ließen über den nicht geschützten Beratungsgegenstand hinaus keinerlei Rückschlüsse auf den konkreten Beratungsvorgang zu. Selbst wenn man hilfsweise davon ausgehe, der Schutzbereich des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG sei hinsichtlich der begehrten Dokumente eröffnet, seien - insbesondere nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens - keine nachteiligen Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess erkennbar. Konkrete Darlegungen der Beklagten dazu fehlten. Die Beklagte lege nicht dar, dass die Veröffentlichung von Ergebnisprotokollen zu Jahre zurückliegenden Sitzungen konkrete weitere Beratungen innerhalb der Staatssekretärsrunde dergestalt beeinträchtigen könne, dass hierunter zukünftige Beratungsergebnisse leiden würden. Überdies habe die Beklagte nicht dargelegt, inwiefern sich die zurückgehaltenen Protokolle von den bereits herausgegebenen Protokollen unterschieden. Auch zur Schutzbedürftigkeit der Niederschriften zu den Sitzungen von Bundestags- und Bundesratsausschüssen, die allein als schutzbedürftig in Betracht kämen, habe die Beklagte nichts dargetan. Die Plenartätigkeit zur 13. AtG-Novelle sei seit Jahren abgeschlossen. Des Weiteren könne der ungeschriebene Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung den Ausschluss ebenso wenig rechtfertigen wie der Schutz des Kernbereichs legislativer Eigenverantwortung. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung sei äußerst restriktiv anzuwenden. Dieses restriktive Verständnis gelte insbesondere, wenn der Willensbildungsprozess abgeschlossen sei. In diesem Fall sei eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und der Gefahr der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung vorzunehmen. Eine derartige Gefahr sei vorliegend nicht erkennbar. Aus dem Schutz des Kernbereichs legislativer Eigenverantwortung ergebe sich nichts anderes. Eine gegenständlich und zeitlich unbegrenzte Vertraulichkeit der Beratungen in parlamentarischen Ausschüssen sei mit den Zielen der Umweltinformationsrichtlinie nicht vereinbar. Schließlich überwiege jedenfalls das öffentliche Interesse an einer Informationsherausgabe. Von einer missbräuchlichen Antragstellung i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG könne keine Rede sein. Der Informationsantrag diene auch der Kontrolle der Verwaltung. Die gegen die 13. AtG-Novelle erhobene Verfassungsbeschwerde diene nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern zugleich der Weiterentwicklung des Verfassungsrechts. Der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG liege im Hinblick auf das Dokument Ziffer IV.15 des Bescheids vom 30. März 2012 („Kurzzusammenfassung der Ergebnisse der BR-Ausschusssitzungen am 9. Juni 2011“) nicht vor. Selbst wenn dieses nur innerhalb des BMU zirkuliert sei, beziehe es sich auf einen abgeschlossenen Entscheidungsprozess.
10In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Juli 2013 haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Unterlagen unter Ziffer IV.17 und 38 des Bescheids vom 30. März 2012 in der Hauptsache für erledigt erklärt.
11Die Klägerin hat sodann beantragt,
12die Beklagte unter Abänderung des Bescheids des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 30. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2012 zu verpflichten, ihr Zugang zu den im Bescheid vom 30. März 2012 unter III. lfd. Nr. 3-6 und IV. lfd. Nr. 1-16, 18-37 und 39-44 aufgeführten Dokumenten zu gewähren.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat ihr Vorbringen aus dem Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid wiederholend und vertiefend vorgetragen: Sie stütze sich insbesondere auf den in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG normierten Schutz der Vertraulichkeit von Beratungen sowie auf den ungeschriebenen Schutz des Kernbereichs exekutiver bzw. legislativer Eigenverantwortung. Einer besonderen gesetzlichen Anordnung der Vertraulichkeit von Beratungen bedürfe es nicht. Vertraulich seien die unter Ziffer III. des Bescheids vom 30. März 2012 genannten Dokumente, die sich zu Beratungen der beteiligten beamteten Staatssekretäre und damit der beteiligten Ministerien verhielten. Auch als „Ergebnisprotokolle“ überschriebene Dokumente gäben den Beratungsvorgang wieder. Entsprechendes gelte für die unter Ziffer IV. des Bescheids genannten Dokumente der Legislative. Insoweit existierten jedenfalls auch besondere Bestimmungen, die die Vertraulichkeit dieser Beratungen anordneten, nämlich §§ 69 Abs. 1, 73 Abs. 2 GO BT sowie §§ 37 Abs. 2, 44 Abs. 2 GO BR. Diese Vorschriften ließen sich auch auf ein Gesetz im formellen Sinn ‑ Art. 40 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 3 Satz 2 GG ‑ zurückführen -, was den Anforderungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG in jedem Fall genüge. Auch wenn parlamentarische Vertraulichkeitspflichten keine Außenrechtswirkung entfalteten, könnten sie einem Auskunftsanspruch entgegengehalten werden. Die Vertraulichkeit sei nicht auf die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens beschränkt. Die Beratungen von Legislativorganen seien in den Schutzbereich des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG einzubeziehen. Der Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG sei insoweit unzureichend, wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergebe. Erfasst seien damit auch die Beratungen von selbst nicht informationspflichtigen Stellen. Für die Beratungen von Bundestag und Bundesrat gelte dies erst recht. Die Legislative werde schon nicht vom Anwendungsbereich des Umweltinformationsgesetzes erfasst, weil ihre nichtöffentlichen Beratungen als privilegiert und stets schutzbedürftig angesehen würden. Dies gelte umso mehr, als Bundesrat und Bundestag die hier in Frage stehenden Dokumente den obersten Bundesbehörden nur deshalb zur Verfügung stellten, damit diese die ihnen verfassungsgemäß zugewiesenen Aufgaben im Gesetzgebungsverfahren erfüllen könnten. Entsprechende Änderungen im Kommunikationsverhalten hätten daher nicht zuletzt auch gravierende Auswirkungen auf die Mitwirkung der Exekutive am Gesetzgebungsverfahren. Eine Herausgabe der Dokumente unter Ziffer III. und IV. des Bescheids vom 30. März 2012 habe auch nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen des BMU und der anderen beteiligten Ministerien sowie der Legislative. An die Annahme derartiger nachteiliger Auswirkungen seien vorliegend geringe Anforderungen zu stellen. Die Beklagte könne sich dazu auf eine Prognose stützen, die zwangsläufig mit Ungewissheiten und Unwägbarkeiten verbunden sei. Die Aufgaben, die das BMU sowie die Legislative im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens wahrnähmen, seien bedeutsam. Deshalb bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass diese Stellen auf einem qualitativ hohen Niveau ungehindert arbeiten und dabei zu sachlich beständigen und ausgewogenen Lösungen gelangen könnten. Bezüglich der unter Ziffer III. des Bescheids vom 30. März 2012 genannten Dokumente komme der unbeeinflussten Willensbildung der Exekutive eine gewichtige Funktion zu. Die dort dokumentierten Beratungen dienten unmittelbar der Vorbereitung von Kabinettssitzungen. Die Aufzeichnungen in den Auszügen aus den Protokollen ermöglichten einen unmittelbaren Rückschluss auf anstehende Diskussionen in den darauffolgenden Kabinettssitzungen und die Zuordnung einzelner Beiträge zu den handelnden Personen. Die Dokumente protokollierten die Positionen der einzelnen Ministerien zu einzelnen Punkten (z. B. beschleunigtes Energiepaket, 13. AtG-Novelle) und führten aus, welche Themen gesondert und ggf. mit welchen Schlussfolgerungen erörtert worden seien. Hierbei seien auch einzelnen Ressorts weitere Arbeits- und Prüfaufträge erteilt und dargelegt worden, zu welchen Punkten weitere interne Prüfungen erforderlich seien. Gerade die Erteilung weiterer Prüfaufträge zeige, dass die Beratungen zu den jeweiligen Punkten noch nicht abgeschlossen gewesen seien und es sich insoweit nicht um Beratungsergebnisse gehandelt habe. Zudem würden einzelne Textergänzungen zu der Gegenäußerung der Bundesregierung erörtert. Für diese Inhalte müsse auch nach Abschluss des Verfahrens die Vertraulichkeit gewahrt bleiben. Andernfalls wäre ein offener und umfassender Meinungsaustausch im Vorfeld zu treffender Entscheidungen, insbesondere solcher mit besonderer wirtschaftlicher politischer Bedeutung, nicht möglich und die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung erheblich beeinträchtigt, da die betroffenen Personen im Nachhinein mit einem Bekanntwerden der vertraulichen Äußerungen rechnen müssten. Hieraus würde eine einengende Vorwirkung entstehen, die sich negativ auf den Beratungsverlauf auswirke. Dies gelte vorliegend aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der 13. AtG-Novelle in besonderem Maße. Ebenso bestehe die konkrete Gefahr nachteiliger Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen der Legislative, sofern die unter Ziffer IV. genannten Dokumente herauszugeben wären. Auch hier entstehe eine einengende Vorwirkung, die sich negativ auf den Beratungsverlauf auswirke. Die Protokolle der nichtöffentlichen Bundesratsausschusssitzungen etwa dokumentierten das Abstimmungsverhalten der einzelnen Länder zu den gestellten Anträgen. Soweit dieses Abstimmungsverhalten im Rahmen der Ausschussarbeit vor den eigentlichen Abstimmungen im Plenum publik würde, bestünde die Gefahr, dass das Abstimmungsverhalten einzelner Länder bereits vor der eigentlichen Plenumsentscheidung öffentlich diskutiert würde und letztlich Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten des Landes in der anschließenden eigentlichen Plenumsentscheidung hätte. Dies solle durch die Vertraulichkeitsregelungen der Geschäftsordnungen gerade vermieden werden. Auch die ggf. eingebrachten Änderungsanträge der Länder unterlägen diesem Vertraulichkeitsbereich. Sie seien den Ländern einzeln zuzuordnen. Soweit diese Anträge in den vorbereitenden Ausschüssen nicht als Beschlussempfehlung an das Plenum angenommen oder aber im Plenum erneut von dem betreffenden Land gestellt würden, würden sie grundsätzlich nicht Teil des öffentlichen Erörterungsprozesses. So entstehe für die Länder zur Vorbereitung der eigentlichen Plenumssitzung ein geschützter Beratungsraum. Dieser wäre erheblich beeinträchtigt, wenn die Vertraulichkeit nicht gewährleistet oder mit einer nachträglichen Veröffentlichung der Dokumente zum Beratungsverlauf zu rechnen wäre. Für die Protokolle der nichtöffentlichen Bundestagsausschusssitzungen gelte dies umso mehr, als dort Äußerungen in einem geschützten Raum den Parteien bzw. teilweise sogar einzelnen Abgeordneten zugeordnet werden könnten. Die so entstehende einengende Vorwirkung und deren Auswirkungen auf den Beratungsverlauf wögen für den Bereich der Legislative schwerer als für den Bereich der Exekutive. Der Legislative solle gerade durch die Nichteinbeziehung in den Anwendungsbereich des Umweltinformationsgesetzes und durch die gesonderten Vertraulichkeitsregelungen der jeweiligen Geschäftsordnungen ein besonders geschützter Beratungsraum zugestanden werden. Die Klägerin habe nichts vorgebracht, das diese Einschätzung in Frage stellen könne. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der zurückgehaltene Teil der beim BMU vorhandenen Dokumente gegenüber dem der Klägerin bereits zugänglich gemachten Teil verschwindend gering sei. Die Klägerin habe schon viele tausend Blatt erhalten. Soweit eine Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG auf die zurückgehaltenen Dokumente der Ziffern III. und IV. des Bescheids vom 30. März 2012 nicht möglich sein sollte, greife jedenfalls der Ausschlussgrund des Kernbereichs exekutiver bzw. legislativer Eigenverantwortung. Diese Rechtsfigur gelte auch im UIG-Verfahren. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der europäische Richtliniengeber mit dem Erlass der Umweltinformationsrichtlinie oder der deutsche Gesetzgeber mit dem Erlass des Umweltinformationsgesetzes die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion habe schaffen wollen. Ein derartiges Regelungsverständnis sei verfassungsrechtlich und europarechtlich nach der ultra-vires-Lehre unhaltbar. Der Kernbereich sei auch betroffen. Die Runden der beamteten Staatssekretäre fänden jeweils vor den Kabinettssitzungen statt und dienten unmittelbar der Vorbereitung der darauffolgenden Kabinettsentscheidung. Sie stünden in untrennbarem Zusammenhang mit der innersten Willensbildung der Bundesregierung. Die aus dem Protokoll ersichtlichen Äußerungen ließen unmittelbare Rückschlüsse auf mögliche Diskussionen in der darauffolgenden Kabinettssitzung zu. Für die nichtöffentlichen Sitzungen der Ausschüsse des Bundestages und des Bundesrates sei evident, dass diese unmittelbar der Vorbereitung der legislativen Entscheidung des Plenums dienten. Auch die Abwägung des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe der begehrten Information mit dem Interesse an ihrer Zurückhaltung sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe keine Abwägungsfehler aufgezeigt, weil sie die vom BMU in den beiden Bescheiden angeführten möglichen Folgen der Zugangsgewährung vollkommen ausblende. Zudem beziehe sich das berechtigte öffentliche Interesse primär auf die dem Beratungsprozess zugrunde liegenden Sachverhalte und dessen Ergebnisse, nicht hingegen darauf, welche individuellen persönlichen Wertungen die an der Beratung Beteiligten im Vorfeld der Entscheidungsfindung geäußert hätten. Die vom BMU zurückgehaltenen Dokumente ermöglichten jedoch gerade die Zuordnung einzelner Wertungen zu den handelnden Personen. Die Klägerin beabsichtige auch nicht, die von ihr gewonnenen Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen. Sie wolle die Informationen nicht umweltbezogen verwenden, sondern allein im Rahmen des laufenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens gegen die 13. AtG-Novelle. Insoweit sei auch fraglich, ob der Informationsantrag der Klägerin missbräuchlich i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG sei. Hinsichtlich des Dokuments Ziffer IV.15 des Bescheids vom 30. März 2012 liege der Ausschlusstatbestand nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG vor. Es handele sich um eine interne Mitteilung der Zusammenfassung der Ergebnisse der Bundesratsausschusssitzungen am 9. Juni 2011 einschließlich des jeweiligen Abstimmungsergebnisses. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bedeute auch insofern nicht das pauschale zeitliche Ende der Schutzbedürftigkeit von Informationen.
16Im Urteil vom 18. Juli 2013, der Klägerin zugestellt am 26. Juli 2013, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheids des BMU vom 30. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2012 verpflichtet, der Klägerin Zugang zu den im Bescheid vom 30. März 2012 unter IV. lfd. Nr. 2-4, 9-10, 12, 42 und 44 aufgeführten Dokumenten zu gewähren. Die darüber hinausgehende Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Im Umfang der Stattgabe habe die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf die begehrten Umweltinformationen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG. Der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG greife nur zum Teil ein und zwar mit Blick auf die Dokumente unter Ziffer III. lfd. Nr. 3-6 und IV. lfd. Nr. 1, 5-8, 11, 13-16, 18-37, 39-41 und 43. Der Anwendungsbereich dieser Norm sei nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Vertraulichkeit bestimmter Beratungen ausdrücklich angeordnet sei. Sie sei auch nicht auf Beratungen von informationspflichtigen Stellen selbst beschränkt. In entsprechender Anwendung gelte sie auch für die Fälle, in denen das Bekanntgeben der Information nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen von Gesetzgebungsorganen hätte, die selbst nicht dem Umweltinformationsgesetz unterlägen. Bei den streitgegenständlichen Dokumenten handele es sich um Unterlagen über vertrauliche Beratungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG. Allerdings habe ihre Bekanntgabe nicht in jedem Fall nachteilige Auswirkungen. Dies treffe mit Blick auf §§ 37 Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 2 GO BR über den Abschluss der Beratungen hinaus auf die Dokumente zu, die Niederschriften, Zusammenfassungen und Anträge zu Sitzungen verschiedener Ausschüsse des Bundesrates darstellen, wegen der Spezialregelung in § 73 Abs. 2 Satz 2 GO BT nicht aber auf die Ergebnisberichte des Bundestagsumweltausschusses. Solange die Vertraulichkeit für Dokumente über Bundesratsausschusssitzungen nicht aufgehoben werde, werde die von §§ 37 Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 2 GO BR vorausgesetzte Vertraulichkeit durch die Bekanntgabe nicht nur konkret gefährdet, sondern unmittelbar verletzt. Überdies habe eine Bekanntgabe der Ergebnisprotokolle der Besprechungen der beamteten Staatssekretäre vom 5., 15. und 20. Juni 2011 sowie des Ergebnisberichts über die Besprechung vom 20. Juni 2011 nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen in der Runde der beamteten Staatssekretäre. Das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der zurückgehaltenen Unterlagen überwiege nicht das Interesse am Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen.
17Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
18Die Klägerin hat am 21. August 2013 Berufung eingelegt.
19Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der im Bescheid vom 30. März 2012 aufgeführten Dokumente Ziffer III.4-6 (Schriftsatz vom 8. Dezember 2014) und Ziffer IV.1, 18, 20-27, 29-30, 35 und 40-41 (Schriftsatz vom 28. April 2015) zurückgenommen. Diese teilweisen Klagerücknahmen hat die Klägerin im Erörterungstermin am 17. Mai 2016 wiederholt und bestätigt. Die Beklagte hat in die vorgenannten Teilklagerücknahmen eingewilligt. Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 17. Mai 2016 ferner übereinstimmend erklärt, dass streitgegenständlich nur noch die folgenden im Bescheid vom 30. März 2012 aufgelisteten Dokumente sind: Ziffer III.3 sowie Ziffer IV.5-8, 11, 13-16, 19, 28, 31-34, 36-37, 39, 43.
20Zur Begründung ihrer in diesem Umfang noch anhängigen Berufung trägt die Klägerin wiederholend und vertiefend vor: Der eng auszulegende Ausnahmetatbestand zum Schutz vor nachteiligen Auswirkungen auf Beratungen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG greife nicht ein. Es fehle ganz überwiegend bereits am Merkmal der Beratungen „informationspflichtiger Stellen“. Der Bundesrat - in seiner Eigenschaft als Legislativorgan - sei keine Behörde im Sinne der Umweltinformationsrichtlinie und des Umweltinformationsgesetzes. Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG scheide aus. Sofern überhaupt Beratungen informationspflichtiger Stellen betroffen seien, könnten diese nicht vollumfänglich als vertraulich angesehen werden. Bei zahlreichen der streitgegenständlichen Dokumente handele es sich entweder um Grundlagen der Willensbildung oder um Beratungsergebnisse, die nicht geschützt und daher herauszugeben seien. Andernfalls werde der Beratungsbegriff überdehnt. Etwas anderes habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Darüber hinaus seien keine nachteiligen Auswirkungen auf künftige Beratungen zu erkennen. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG solle vor ernsthaften, konkreten Gefährdungen eines künftigen behördlichen Beratungsprozesses schützen. Diese Gefahren seien im jeweiligen Einzelfall zu prognostizieren, vor allem dann, wenn der Entscheidungsprozess - hier bereits seit längerem - vollständig abgeschlossen und vollzogen sei. Mit dem Zeitablauf stiegen auch die Darlegungsanforderungen. Die Beklagte trage indes nur pauschale Bedenken vor, was nicht ausreiche. Geheimhaltungsvorschriften des Bundesrates seien irrelevant. Schließlich sei hilfsweise darauf hinzuweisen, dass das öffentliche Interesse an einer Informationsherausgabe überwiege. Der vorgezogene Atomausstieg werde in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert und bilde den Gegenstand laufender Verfassungsbeschwerdeverfahren. Für diese Belange sei eine Herausgabe der Informationen von erheblicher Bedeutung. Auf eine Ausnahme zum Schutz des Kernbereichs exekutiver oder legislativer Eigenverantwortung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Gründe für einen Ausschluss des Zugangs zu Umweltinformationen im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben gemäß Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 UIRL eng auszulegen seien. Der Kreis der Ausschlussgründe könne nicht durch Rückgriff auf ungeschriebene Ausnahmen beliebig ausgedehnt werden. Schließlich stünde ein etwaiger Kernbereichsschutz - wenn man ihn für anwendbar hielte - dem Informationsanspruch nicht entgegen. Die Beklagte trage nichts vor, was einen derartigen Schutz rechtfertige. Die Ausnahme zum Schutz interner Mitteilungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG greife hinsichtlich des Dokuments IV.15 im Bescheid vom 30. März 2012 nach Abschluss des Entscheidungsprozesses nicht mehr ein. Zur Klärung der aufgeworfenen Fragen sei eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht erforderlich.
21Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß noch,
22das angefochtene Urteil im Umfang der Berufung zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 30. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2012 zu verpflichten, ihr Zugang zu den im Bescheid vom 30. März 2012 unter III. lfd. Nr. 3 und IV. lfd. Nr. 5-8, 11, 13-16, 19, 28, 31-34, 36-37, 39 und 43 aufgeführten Dokumenten zu gewähren.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie trägt wiederholend und vertiefend vor: § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG sei offen für eine Einbeziehung von Beratungen anderer informationspflichtiger Stellen als nur der in Anspruch genommenen Stelle. Eine analoge Erstreckung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG auf Beratungen der obersten Bundesbehörden während laufender Gesetzgebungsverfahren sei geboten und methodisch möglich. Dementsprechend komme im Übrigen auch eine analoge Anwendung von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 a) UIRL in Betracht. Jedenfalls bilde die Umweltinformationsrichtlinie keine unüberwindbare Hürde für eine analoge Erweiterung von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG. Darüber hinaus seien alle noch betroffenen Dokumente dem Beratungsvorgang „Energiewende“ bzw. „Atomausstieg“ zuzuordnen. Sie, die Beklagte, habe nachvollziehbare Angaben zum Inhalt der Dokumente gemacht. Diese beträfen nach der GO BT bzw. der GO BR vertrauliche Beratungen. Man könne sogar einen Schritt weitergehen und § 8 UIG als durch die Vorschriften der GO BR gänzlich verdrängt ansehen. Eine Einzelfallprüfung im Hinblick auf nachteilige Auswirkungen auf künftige Beratungen habe stattgefunden. Grundsätzlich sei jede Verletzung der Vertraulichkeit einer Beratung geeignet, sich auf künftige Beratungen nachteilig auszuwirken. In Anbetracht der Bedeutung der Beratungen des Bundesrates und der Staatssekretäre sei davon auszugehen, dass jegliche auf einen zuvor erfolgten Vertraulichkeitsbruch zurückgehende Zurückhaltung der Beratungsteilnehmer eine relevante Beeinträchtigung darstelle. Da sich die parlamentarische Arbeit im Wesentlichen in den Ausschüssen vollziehe, seien diese in besonderem Maß auf einen unbefangenen Meinungsaustausch angewiesen, um zu ausreichend begründeten und abgewogenen Ergebnissen zu kommen. Auch sei eine zügige und effiziente Durchführung der Kabinettssitzungen ohne die notwendige Vorbereitung durch die Besprechung der beamteten Staatssekretäre ernsthaft gefährdet. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur 13. AtG-Novelle stelle insoweit kaum eine nennenswerte Zäsur dar. Der Benennung eines bestimmten künftigen Beratungsvorgangs, dessen Vertraulichkeit beeinträchtigt sein werde bzw. sein könne, bedürfe es nicht. Insoweit könnten stets nur allgemeine Erwägungen angestellt werden, denen es an konkreter Greifbarkeit fehle. Es dürften bezüglich der zu besorgenden Beeinträchtigung des Schutzguts des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Eine sog. „ad-inifinitum-Formel“ des Vertraulichkeitsschutzes könne insofern keine eigenständige Bedeutung bei der Bewertung von Zugangsanträgen haben. Auch die Abwägung des Zugangsinteresses mit dem Zurückhaltungsinteresse gehe nach wie vor zugunsten des Letzteren aus. Schließlich stehe dem Zugangsbegehren der Klägerin weiterhin neben dem Schutz der Vertraulichkeit von Beratungen - hilfsweise - der ungeschriebene Schutz des Kernbereichs der exekutiven bzw. legislativen Eigenverantwortung entgegen. Dieser gelte auch im Umweltinformationsrecht. Sofern der Senat die Umweltweltinformationsrichtlinie in einem anderen - restriktiveren - Sinn verstehe, auch was die Einbeziehung von Bundesratsberatungen in den Kreis des Vertraulichkeitsschutzes angehe, sei das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen. Das Dokument Ziffer IV.15 im Bescheid vom 30. März 2012 unterfalle unverändert zusätzlich dem Ausschlussgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG.
26Auf eine Anfrage des vormals zuständigen 8. Senats des erkennenden Gerichts hat der Präsident des Bundesrats mit Schreiben vom 27. Januar 2015 mitgeteilt, dass alle mit der Angelegenheit befassten Ausschüsse des Bundesrates der Aufhebung der Vertraulichkeit der jeweiligen streitigen Ausschussniederschriften widersprochen haben.
27Im Erörterungstermin am 17. Mai 2016 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Soweit die Klägerin die Klage im Berufungsverfahren im Hinblick auf die im Bescheid vom 30. März 2012 aufgeführten - von der Berufung zunächst umfassten - Dokumente Ziffer III.4-6 und Ziffer IV.1, 18, 20-27, 29-30, 35 und 40-41 teilweise zurückgenommen hat, wird das Verfahren entsprechend §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt. Zur Klarstellung wird das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für wirkungslos erklärt (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 ZPO).
31Nachdem die Beteiligten sich im Erörterungstermin am 17. Mai 2016 hiermit einverstanden erklärt haben, entscheidet der Senat über die noch anhängige Berufung gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündlichen Verhandlung. Die Verzichtserklärungen sind nicht aufgrund der nach dem Erörterungstermin gewechselten Schriftsätze der Beteiligten vom 12. August 2016 und vom 23. August 2016 verbraucht.
32Vgl. zum Verbrauch derartiger Prozesserklärungen BVerwG, Beschlüsse vom 13. Dezember 2013 - 6 BN 3.13 -, juris Rn. 8, vom 1. März 2006 - 7 B 90.05 -, juris Rn. 13, vom 17. September 1998 - 8 B 105.98 -, juris Rn. 4, und vom 29. Dezember 1995 - 9 B 199.95 -, juris Rn. 4; Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 101 Rn. 30 und Rn. 37 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 101 Rn. 7; Geiger, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 101 Rn. 9.
33Durch diese Schriftsätze ist keine wesentliche Änderung der Prozesslage eingetreten. Es werden keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte thematisiert, sondern sie behandeln im Wesentlichen die im gesamten bisherigen Verfahren - auch im Erörterungstermin am 17. Mai 2016 - inmitten stehende Frage von Inhalt und Reichweite des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG.
34Im noch anhängigen Umfang hat die Berufung der Klägerin Erfolg. Die Klage ist insoweit zulässig und begründet.
35Der Bescheid des BMU vom 30. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), sofern die Beklagte es abgelehnt hat, der Klägerin Zugang zu den im Bescheid vom 30. März 2012 unter III. lfd. Nr. 3 und IV. lfd. Nr. 5-8, 11, 13-16, 19, 28, 31-34, 36-37, 39 und 43 aufgeführten Dokumenten zu gewähren.
36Die Klägerin hat diesbezüglich einen Anspruch auf Informationszugang gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG.
37Die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG liegen vor (dazu 1.). Der Anspruch ist nicht gemäß den vorliegend in Betracht kommenden Ablehnungstatbeständen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG und § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG ausgeschlossen (dazu 2.). Der Informationsantrag der Klägerin ist auch nicht i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG offensichtlich missbräuchlich (dazu 3.). Eine Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 94 VwGO, um die Sache im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, ist nicht veranlasst (dazu 4.). Ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO ist ebenfalls nicht einzuleiten (dazu 5.).
381. § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG bestimmt, dass jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle i.S.d. § 2 Abs. 1 UIG verfügt, hat, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.
39a) Der Informationsantrag der auch als juristische Person des Privatrechts zum Kreis der Anspruchsberechtigten zählenden Klägerin,
40vgl. insoweit die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neugestaltung des UIG, BT-Drs. 15/3406, S. 15; siehe außerdem OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 27,
41ist auf eine Umweltinformation i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 3 b) UIG gerichtet.
42Danach sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung auch alle Daten über Maßnahmen, die den Schutz von Umweltbestandteilen i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme. Unter diesen - grundsätzlich weit auszulegenden -,
43vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 ‑ 4 C 13.07 -, juris Rn. 11 ff.; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 14. Mai 2012 - OVG 12 S 12.12 -, juris Rn. 6 ff.; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Loseblatt, Stand März 2010, § 2 Rn. 31 und 45 ff.
44Begriff der Umweltinformationen fallen die von der Klägerin begehrten Dokumente ohne Weiteres. Sowohl der noch streitgegenständliche Ergebnisbericht des Referats KP über die Ergebnisse der Besprechung der beamteten Staatssekretäre vom 20. Juni 2011 (Ziffer III. lfd. Nr. 3 im Bescheid vom 30. März 2012) als auch die noch im Streit befindlichen Niederschriften von Bundesratsausschusssitzungen bzw. die diesbezüglichen Länderanträge aus dem Zeitraum von Mai bis Juli 2011 (Ziffern IV. lfd. Nr. 5-8, 11, 13-16, 19, 28, 31-34, 36-37, 39 und 43) sind im Vorfeld der 13. AtG-Novelle vom 31. Juli 2011 angefallen. Deren wesentliches Ziel ist ausweislich der Entwurfsbegründung in der Bundestags-Drucksache 17/6070 die Verkürzung der Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland, um die zivile Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität aus Gründen des absoluten Vorrangs der nuklearen Sicherheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Die streitigen Unterlagen betreffen damit Maßnahmen, die den Schutz von Umweltbestandteilen i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG bezwecken.
45Ebenso im Hinblick auf die vorliegende Fallgestaltung Hess. VGH, Urteil vom 27. April 2016 - 6 A 2052/14 -, juris Rn. 27; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 27.
46b) Das BMU, bei dem die Klägerin ihren Informationsantrag gestellt hat, ist insoweit nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur 13. AtG-Novelle auch eine informationspflichtige Stelle i.S.v. § 2 Abs. 1 UIG.
47Informationspflichtige Stellen sind die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UIG). Zu den informationspflichtigen Stellen gehören nicht die obersten Bundesbehörden, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 a) UIG).
48Der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 a) UIG ist somit zeitlich („solange“) durch den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens begrenzt. Denn der von der Norm bezweckte ordnungsgemäße Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens - hier zum Erlass der 13. AtG-Novelle - kann nach dessen Abschluss nicht mehr beeinträchtigt werden.
49Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 14. Februar 2012 ‑ C-204/09 -, juris Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 -, juris Rn. 21
502. Der Informationsanspruch der Klägerin ist nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG (dazu a), § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG (dazu b) und § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG (dazu c) ausgeschlossen.
51a) Die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG sind nicht erfüllt.
52Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen i.S.d. § 2 Abs. 1 UIG hätte, ist der Antrag danach abzulehnen, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
53§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG dient der Ermöglichung eines unbefangenen und freien Meinungsaustausches innerhalb der Behörde. Schutzgut ist der behördliche Entscheidungsprozess, der eine offene Meinungsbildung erfordert, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Hiervon ausgehend bezieht sich der Begriff der Beratung allein auf den Beratungsvorgang. Ausgenommen vom Schutzbereich der Vorschrift sind das Beratungsergebnis und vor allem der Beratungsgegenstand. Der Begriff der Beratung erfasst die Vorgänge interner behördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Dem Schutz der Beratung unterfallen Interessenbewertungen und Gewichtung einzelner Abwägungsfaktoren, deren Bekanntgabe Einfluss auf den behördlichen Entscheidungsprozess haben könnte. Der Schutz gilt danach vor allem dem Beratungsprozess als solchem, also der Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin dem eigentlichen Vorgang des Überlegens. Zum demgegenüber nicht geschützten Beratungsgegenstand können insbesondere Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld gehören, also die Tatsachengrundlagen und Grundlagen der Willensbildung. Die amtlichen Informationen sind deshalb nur dann geschützt, wenn sie den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung abbilden oder jedenfalls gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen. Das trifft zwar auf viele Informationen zu, die in einem Verwaltungsverfahren anfallen; das gesamte Verwaltungsverfahren als solches fällt damit aber nicht unter den Begriff der Beratung.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 -, juris Rn. 26, unter Hinweis auf die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neugestaltung des UIG, BT-Drs. 15/3406, S. 19; OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2010 - 8 A 283/08 -, juris Rn. 38; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 30.
55Für die Annahme nachteiliger Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG ist eine ernsthafte und konkrete Gefährdung des Schutzguts erforderlich, die hinreichend wahrscheinlich ist. An die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer die eintretende Beeinträchtigung ist. Diese Differenzierung des Grades der Wahrscheinlichkeit entspricht der ständigen Rechtsprechung im Recht der Gefahrenabwehr. Im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Prüfung ist ferner zu berücksichtigen, dass der Schutz innerbehördlicher Beratungen nicht auf laufende Beratungsvorgänge beschränkt ist. Die Vertraulichkeit der Beratungen kann auch wegen des Wissens um eine Offenlegung einzelner Beiträge und Meinungsbekundungen nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens beeinträchtigt werden. Der Abschluss des Verfahrens und die seither vergangene Zeit gehören daher zu den Kriterien, die bei der Prüfung nachteiliger Auswirkungen auf die geschützten Beratungen zu würdigen sind.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 -, juris Rn. 28 ff., Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2010 - 8 A 283/08 -, juris Rn. 46; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 32.
57Bei Informationen, die - wie das Dokument III.3 im Bescheid vom 30. März 2012 - die Willensbildung der Regierung betreffen, ist im Rahmen der Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG zudem der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu berücksichtigen. Diese ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen ‑ auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren - Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz selbst des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
58Vgl. OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 33; zu der parallelen Regelung in § 3 Nr. 3 b) IFG siehe BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 ‑ 7 C 4.11 -, juris Rn. 35; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 53, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, juris Rn. 122 ff., und vom BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, Rn. 43 ff.; zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung siehe zuletzt auch BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11-, juris Rn. 137.
59Der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit muss sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Angesichts der unionsrechtlichen Vorgaben im Umweltinformationsrecht kommt eine Qualifizierung als ungeschriebener Versagungsgrund zwar nicht in Betracht. Den zum Kernbereichsschutz entwickelten verfassungsrechtlichen Grundsätzen kann jedoch richtlinienkonform im Rahmen der Prüfung, ob die Bekanntgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen hätte, Rechnung getragen werden.
60Vgl. OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 34; zu § 3 Nr. 3 b) IFG siehe wiederum BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, juris Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 54.
61Die Darlegungslast liegt insoweit - wie allgemein im Hinblick auf nachteilige Auswirkungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG - bei der informationspflichtigen Stelle, die sich auf eine Ausnahme von dem grundsätzlich gegebenen Informationsanspruch beruft. Sie muss eine ernsthafte und konkrete Gefährdung der Vertraulichkeit der Beratungen und die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar darlegen.
62Vgl. OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 35; zu § 3 Nr. 3 b) IFG: BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, juris Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 54.
63Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, und es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Umweltinformationsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Umweltinformationsgesetz indes - über § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 a) UIG hinaus - nicht vor.
64Vgl. insoweit zu § 3 Nr. 3 b) IFG: BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, juris Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 54, unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 ‑, juris Rn. 126, und vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, juris Rn. 51 ff.
65Nach diesen Grundsätzen legt die Beklagte jedenfalls nicht hinreichend konkret dar, dass der streitige Informationszugang i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Bundesregierung (dazu aa) oder in Bundesratsausschüssen (dazu bb) hätte. Es kann daher dahinstehen, ob § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG schon deswegen nicht eingreift, weil sein Schutz ohnehin auf die Vertraulichkeit der Beratungen der informationspflichtigen Stelle selbst - hier also des BMU - begrenzt ist, wenn es ‑ wie hier - um den Zugang zu Unterlagen aus einem (abgeschlossenen) Gesetzgebungsverfahren geht, die der in Anspruch genommenen informationspflichtigen Stelle im Rahmen ihrer gesetzesvorbereitenden Tätigkeit von einer selbst nicht informationspflichtigen Stelle - wie dem Bundesrat - zugeleitet worden sind.
66Letztlich offen gelassen auch von OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 44.
67Gleichfalls kann deshalb offen bleiben, ob das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 a. E. UIG überwiegt.
68aa) Die Beklagte legt - unterstellt, dass insoweit der allein von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG geschützte Beratungsvorgang betroffen ist - nicht hinreichend konkret dar, dass der Zugang zu dem noch im Streit stehenden Dokument Ziffer III. lfd. Nr. 3 im Bescheid vom 30. März 2012 - dem Ergebnisbericht des Referats KP über die Ergebnisse der Besprechung der beamteten Staatssekretäre vom 20. Juni 2011 - nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Bundesregierung hätte.
69Die Beklagte verweist hierzu im Wesentlichen darauf, der begehrte Informationszugang lasse Änderungen im Kommunikationsverhalten befürchten, die nicht zuletzt auch gravierende Auswirkungen auf die Mitwirkung der Exekutive am Gesetzgebungsverfahren haben könnten. Bezüglich der unter Ziffer III. des Bescheids vom 30. März 2012 genannten Dokumente komme der unbeeinflussten Willensbildung der Exekutive eine gewichtige Funktion zu. Die dort dokumentierten Beratungen dienten unmittelbar der Vorbereitung von Kabinettssitzungen. Die Aufzeichnungen in den Auszügen aus den Protokollen ermöglichten einen unmittelbaren Rückschluss auf anstehende Diskussionen in den darauf folgenden Kabinettssitzungen und die Zuordnung einzelner Beiträge zu den handelnden Personen. Die Dokumente protokollierten die Positionen der einzelnen Ministerien zu einzelnen Punkten (z. B. beschleunigtes Energiepaket, 13. AtG-Novelle) und führten aus, welche Themen gesondert und ggf. mit welchen Schlussfolgerungen erörtert worden seien. Hierbei sei dargelegt worden, zu welchen Punkten weitere interne Prüfungen erforderlich seien und es seien einzelnen Ressorts weitere Arbeits- und Prüfaufträge erteilt worden. Gerade die Erteilung weiterer Prüfaufträge zeige, dass die Beratungen zu den jeweiligen Punkten noch nicht abgeschlossen gewesen seien und es sich insoweit nicht nur um Beratungsergebnisse gehandelt habe. Zudem würden einzelne Textergänzungen zu der Gegenäußerung der Bundesregierung erörtert. Für diese Inhalte müsse - so die Beklagte - auch nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens die Vertraulichkeit gewahrt bleiben. Andernfalls wäre ein offener und umfassender Meinungsaustausch im Vorfeld zu treffender Entscheidungen, insbesondere solcher mit besonderer wirtschaftlicher und politischer Bedeutung, nicht möglich und die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung erheblich beeinträchtigt, da die betroffenen Personen im Nachhinein mit einem Bekanntwerden der vertraulichen Äußerungen rechnen müssten. Hieraus entstünde eine einengende Vorwirkung, die sich negativ auf den Beratungsverlauf auswirke, was aufgrund der herausgehobenen wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der 13. AtG-Novelle für deren Erarbeitung in besonderem Maße gelte.
70Diese Ausführungen der Beklagten erreichen den erforderlichen Grad an Konkretheit der Darlegung nachteiliger Auswirkungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG nicht. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur 13. AtG-Novelle am 31. Juli 2011 ist insofern im Hinblick auf den Bereich der Bundesregierung keine konkrete Gefahrenlage zu erkennen. Vielmehr spricht die Beklagte letztlich allgemein den vorbereitenden Beratungsprozess der beamteten Staatssekretäre an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung aber nicht in jedem Fall konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine allgemeine Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Umweltinformationsgesetz jedoch nicht vorsieht. Der oben bereits behandelte § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 a) UIG statuiert gerade keine zeitlich unbegrenzte Bereichsausnahme für jegliche Tätigkeit von Regierungsstellen und Behörden im Rahmen der Gesetzgebung. Das Umweltinformationsgesetz verlangt stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung und obersten Bundesbehörden, sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen nachträglich zu erklären. Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Umweltinformationsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen bzw. auch zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-)zubilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Erst recht gilt dies für Stellungnahmen der Beklagten im laufenden Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die 13. AtG-Novelle vor dem Bundesverfassungsgericht.
71Vgl. zu dieser Argumentationslinie OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 57 f.; ebenso OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 39 ff., unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, juris Rn. 41.
72bb) Auch mit Rücksicht auf die noch streitbefangenen Bundesratsdokumente (Ziffern IV. lfd. Nr. 5-8, 11, 13-16, 19, 28, 31-34, 36-37, 39 und 43 im Bescheid vom 30. März 2012) legt die Beklagte nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit von Beratungen i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG nicht hinreichend konkret dar.
73(1) Dieser Ausschlussgrund ergibt sich zunächst nicht bereits aus den Vertraulichkeitsregelungen der §§ 44 Abs. 2, 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR. Diese schließen einen Anspruch auf Zugang zu Niederschriften von Bundesratsausschusssitzungen und von Länderanträgen zu Bundesratsausschusssitzungen - wie er hier in Rede steht - nicht von vornherein im Stile einer spezialgesetzlichen Bereichsausnahme aus.
74So aber Hess. VGH, Urteil vom 27. April 2016 - 6 A 2052/14 -, juris Rn. 28 ff. (zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HessUIG).
75Weder lässt das Umweltinformationsgesetz über § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 a) UIG hinaus Raum für eine solche Annahme noch kommt den §§ 44 Abs. 2, 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR von ihrem Regelungsgehalt her - ungeachtet der Frage, ob sie auch als ein „Gesetz“ i.S.v. Art. 4 Abs. 2 a) UIRL anzusehen sind - eine derart weitreichende Ausschlusswirkung gegenüber Informationsansprüchen aufgrund von § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG zu.
76Gemäß § 44 Abs. 2 GO BR ist die Niederschrift über die Sitzung eines Bundesratsausschusses vertraulich, soweit nicht der Ausschuss gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR die Vertraulichkeit der Verhandlungen aufgehoben hat. Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR sind die die Verhandlungen eines Bundesratsausschusses vertraulich, soweit der Ausschuss nichts anderes beschließt.
77§§ 44 Abs. 2, 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR geben damit über das Bestehen von Zugangsansprüchen Dritter nach dem Umweltinformationsgesetz keinen Aufschluss. Wie auch aus Art. 51 Abs. 1, 52 Abs. 4 GG hervorgeht, verpflichtet die Geschäftsordnung des Bundesrates unmittelbar nur dessen Mitglieder und die Ausschussmitglieder. Das Gebot der Vertraulichkeit in §§ 44 Abs. 2, 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR bindet daher lediglich die durch die Geschäftsordnung Verpflichteten dahingehend, Sitzungsniederschriften - über den Dienstgebrauch hinaus - nicht Dritten bzw. öffentlich zugänglich zu machen.
78Darauf weist auch Hess. VGH, Urteil vom 27. April 2016 - 6 A 2052/14 -, juris Rn. 29 hin; siehe dazu außerdem Reuter, Praxishandbuch Bundesrat, 2. Aufl. 2007, § 37 GO BR Rn. 9 ff.
79Für die Bejahung oder Verneinung eines Anspruchs gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG lässt sich allein aus diesem innenrechtlichen Vertraulichkeitsgebot somit nichts Entscheidendes ableiten. Dies richtet sich unbeschadet dessen nach den Maßgaben des Umweltinformationsgesetzes. Dem steht die verfassungsrechtlich gewährleistete Geschäftsordnungsautonomie des Bundesrates nicht entgegen. Geschäftsordnungsfragen betreffen allein das Innenrecht des Bundesrates. Sie hindern den Bundesgesetzgeber indes nicht, Auskunftsansprüche zu regeln, die ‑ wie hier - im Einzelfall auch Bundesratsdokumente erfassen können.
80§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG geht zudem ohnehin von dem Grundsatz aus, dass Beratungen von informationspflichtigen Stellen vertraulich sind, sofern und soweit sich dies nicht bereits aus anderweitigen Bestimmungen ergibt. Dies ist die Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 a) UIRL, demzufolge ein Informationsantrag zum Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden abgelehnt werden kann, sofern eine derartige Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist.
81Vgl. insoweit EuGH, Urteil vom 14. Februar 2012 - C-204/09 -, juris Rn. 63 f.; BVerwG, Vorlagebeschluss vom 30. April 2009 - 7 C 17.08 -, juris Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 5. September 2006 - 8 A 2190/04 -, juris Rn. 188 f.; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Loseblatt, Stand März 2010, § 8 Rn. 23.
82Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG reicht für einen anspruchsvernichtenden Vertraulichkeitsschutz jedoch nicht nur die Vertraulichkeit der Beratung als solche. Hinzu kommen müssen darüber hinausgehend - zukunftsgerichtet - nachteilige Auswirkungen für den Beratungsvorgang. Daraus folgt, dass ein Verstoß gegen Vertraulichkeitsvorschriften wie §§ 44 Abs. 2, 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR für sich genommen regelmäßig noch nicht schon gleichbedeutend mit dem Versagungstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG sein kann. Dafür spricht auch, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG die Ablehnung des Informationszugangs unter die zusätzliche Einschränkung stellt, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe nicht überwiegt.
83Vgl. zum europarechtlichen Hintergrund dieser Einschränkung wiederum EuGH, Urteil vom 14. Februar 2012 - C-204/09 -, juris Rn. 64.
84Soweit der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 27. April 2016 - 6 A 2052/14 -, juris Rn. 30, zur Unterstützung seines Standpunkts, §§ 44 Abs. 2, 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR gingen Umweltinformationsansprüchen vor, auf die Wertung im Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 25. Februar 2016 - 7 C 18.14 -, juris, verweist, folgt daraus nichts anderes. Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verhält sich zur spezifischen Reichweite der Bereichsausnahme des § 3 Nr. 8 IFG für Nachrichtendienste des Bundes. Die dazu vom Bundesverwaltungsgericht getätigten Aussagen lassen sich auf die vorliegende Fallgestaltung mit ihren dargestellten, aus dem Umweltinformationsgesetz resultierenden Besonderheiten nicht übertragen.
85(2) Ist § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG demnach auch auf lediglich nach innenrechtlichen Vorgaben vertrauliche Bundesratsausschussdokumente grundsätzlich anwendbar, sind seine weiteren Voraussetzungen zu prüfen. Die Beklagte legt indessen nicht hinreichend konkret dar, dass die Bekanntgabe der im Bescheid vom 30. März 2012 aufgeführten Dokumente Ziffern IV. lfd. Nr. 5-8, 11, 13-16, 19, 28, 31-34, 36-37, 39 und 43 nachteilige Auswirkungen im Sinne der Vorschrift hat.
86Soweit die Beklagte erneut pauschal ins Feld führt, auch hier entstehe eine einengende Vorwirkung, die sich negativ auf den (zukünftigen) Beratungsverlauf auswirken würde, fällt die Bewertung nicht anders aus als unter 2. a) aa). Das Argument der Beklagten, die Protokolle der nichtöffentlichen Bundesratsausschusssitzungen dokumentierten das Abstimmungsverhalten der einzelnen Länder zu den gestellten Anträgen, das vor den Abstimmungen im Plenum nicht publik werden dürfe, wenn man öffentliche Diskussionen und Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten des Landes in der anschließenden Plenumsentscheidung vermeiden wolle, greift nach der Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens zur 13. AtG-Novelle nicht mehr. Auch in dieser Hinsicht ist den einzelnen Ländern und ihren Vetretern im Grundsatz zuzumuten, ihren seinerzeit eingenommenen Standpunkt im Nachhinein ggf. öffentlich zu vertreten. Auf einen „geschützten Beratungsraum“ sind sie nach Abschluss der jeweiligen Gesetzgebungsarbeiten nicht mehr angewiesen.
87Auch darüber hinausgehend zeigt die Beklagte zu den einzelnen im Berufungsverfahren noch herausverlangten Dokumenten der Bundesratsausschüsse keine nachteiligen Auswirkungen i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG auf.
88Die Dokumente IV.5-8 beinhalten nach den Angaben im Bescheid vom 30. März 2012 die Niederschrift der 800. Sitzung des Bundesratswirtschaftsausschusses am 12. Mai 2011, die Niederschrift der 561. Sitzung des Bundesratsgesundheitsausschusses am 11. Mai 2011, die Niederschrift der 897. Sitzung des Bundesratsinnenausschusses am 12. Mai 2011 sowie die Niederschrift der 289. Sitzung des Bundesratsumweltausschusses am 12. Mai 2011 „zu TOP 10“. Dass in diesen Niederschriften auch die bei den Beratungen zur 13. AtG-Novelle anwesenden Personen vermerkt sind sowie die entsprechende Diskussion mit dem Abstimmungsergebnis wiedergegeben ist, wie die Beklagte vorträgt, führt noch nicht zur Annahme konkreter nachteiliger Auswirkungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG.
89Entsprechendes gilt für das Dokument IV.11 - die Niederschrift der 290. Sitzung des Bundesratsumweltausschusses am 31. Mai 2011 - sowie die Dokumente IV.13-16. Die letztgenannten enthalten die Niederschrift der 801. Sitzung des Bundesratswirtschaftsausschusses am 31. Mai 2011, die Niederschrift der 898. Sitzung des Bundesratsinnenausschusses am 31. Mai 2011, die Kurzzusammenfassung der Ergebnisse der Bundesratsausschusssitzungen am 9. Juni 2011 sowie die Niederschrift der 802. Sondersitzung des Bundesratswirtschaftsausschusses am 9. Juni 2011. Die Dokumente IV.37 und IV.39 sind gleichfalls jeweils die Niederschrift der 802. Sondersitzung des Bundesratswirtschaftsausschusses am 9. Juni 2011. Schließlich hat das Dokument IV.43 Auszüge aus der Niederschrift der 293. Sitzung des Bundesratsumweltausschusses am 1. Juli 2011 zum Gegenstand, so dass sich auch für diesen Aktenteil nichts anderes ergibt.
90Die verbleibenden streitgegenständlichen Unterlagen IV.19, 28, 31-34 und 36 beinhalten vorab übersandte Anträge von Bundesländern an Bundesratsausschüsse (Anträge des Landes Rheinland-Pfalz zu TOP 3 und 4 der 291. Sitzung des Bundesratsumweltausschusses am 9. Juni 2011, Antrag des Landes Hessen zu TOP 3 der 291. Sitzung des Bundesratsumweltausschusses am 9. Juni 2011, Antrag des Landes Sachsen zu TOP 3 der 802. Sitzung des Bundesratswirtschaftsausschusses am 9. Juni 2011, Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen zu TOP 1 und 2 der 899. Sitzung des Bundesratsinnenausschusses am 9. Juni 2011, Antrag des Landes Schleswig-Holstein zu TOP 3 der 802. Sitzung des Bundesratswirtschaftsausschusses am 9. Juni 2011). Hierzu macht die Beklagte lediglich geltend, dass diese Dokumente neben den Anträgen auch die entsprechenden Begründungen aufwiesen. Dies allein lässt die Offenlegung der Informationen indes - nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur 13. AtG-Novelle - aus den oben genannten Gründen nicht als konkret nachteilig für die Vertraulichkeit der Beratungen der Bundesratsausschüsse erscheinen.
91Dass laut Mitteilung des Präsidenten des Bundesrats vom 27. Januar 2015 alle mit der Angelegenheit befassten Ausschüsse des Bundesrates der Aufhebung der Vertraulichkeit der jeweiligen streitigen Ausschussniederschriften widersprochen haben, füllt den Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG ebenfalls nicht aus. Auch der Präsident des Bundesrats stellt im Wesentlichen darauf ab, dass der Schutz der Vorbereitung der innerorganschaftlichen Willensbildung allgemein besonders hoch zu bewerten sei und dass dieses Schutzinteresse auch mit dem Abschluss des jeweiligen Gesetzgebungsverfahrens nicht ende. Erst das Vertrauen in die Vertraulichkeit über das konkrete Gesetzgebungsverfahren hinaus - so der Präsident des Bundesrats weiter - ermögliche die unbefangene und freimütige Diskussion in einem Gesetzgebungsverfahren. Diese generelle Erwägung bedeutet jedoch - wie oben bereits ausgeführt - nicht, dass aus der spezifischen Warte des Umweltinformationsrechts kein Informationsanspruch besteht, weil nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit von (künftigen) Beratungen i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG auch konkret zu erwarten sind.
92Gegen eine fortbestehende materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit der streitigen Bundesratsausschussunterlagen spricht im Übrigen auch, dass deren Vertraulichkeit voraussichtlich ohnehin im Herbst 2017 turnusmäßig aufgehoben werden wird, worauf der Vertreter der Beklagten im Erörterungstermin am 17. Mai 2016 aufmerksam gemacht hat.
93Vgl. zu dieser Praxis der Aufhebung der Vertraulichkeit auch Reuter, Praxishandbuch Bundesrat, 2. Aufl. 2007, § 37 GO BR Rn. 18.
94b) Der Schutz des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahrens gegen die 13. AtG-Novelle steht dem Informationsanspruch der Klägerin gleichfalls nicht unter dem Blickwinkel des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG entgegen.
95Dieser legt fest, dass der Antrag abzulehnen ist, soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
96Der Schutzbereich der Norm entspricht der inhaltsgleichen Regelung in § 3 Nr. 1 g) IFG, der dem Schutz der Rechtspflege gegen Beeinträchtigungen durch das Bekanntwerden verfahrensrelevanter Informationen dient. Neben der Unabhängigkeit der Gerichte soll der ordnungsgemäße Ablauf des gerichtlichen Verfahrens vor Nachteilen geschützt werden. Nicht geschützt sind dagegen die Erfolgsaussichten der öffentlichen Hand vor Gericht. Nachteilige Auswirkungen liegen vor, wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine Beeinträchtigung des Schutzguts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
97Vgl. OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 48, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 -, juris Rn. 17; zur Regelung im nordrhein-westfälischen Landesrecht des § 6 Satz 1 b) IFG NRW siehe OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, juris Rn. 34.
98Gemessen daran liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG nicht vor. Konkrete nachteilige Auswirkungen des Informationszugangs auf das laufende Verfassungsbeschwerdeverfahren legt die Beklagte weder dar noch sind solche sonst ersichtlich. Die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die Klägerin ihre Verfahrensposition im Verfassungsbeschwerdeverfahren mit den streitbefangenen Dokumenten verbessern kann, ist nach dem oben Gesagten allein kein Grund, den Informationszugang auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG zu verwehren.
99c) Die Beklagte kann die Ablehnung im Hinblick auf das Einzeldokument Ziffer IV.15 im Bescheid vom 30. März 2012 - die Kurzzusammenfassung der Ergebnisse der Bundesratsausschusssitzungen am 9. Juni 2011 - nicht auf § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG gründen.
100Nach dieser Regelung ist der Antrag abzulehnen, soweit er sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen i.S.d. § 2 Abs. 1 UIG bezieht, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
101Interne Mitteilungen in diesem Sinne sind solche Verwaltungsinterna (Unterlagen, Vermerke etc.), die entweder Verwaltungs- oder Organisationsabläufe betreffen oder solche Dokumente, bei denen es nicht um Fakten, sondern um politische Bewertungen, Abwägungen und Einschätzungen - allerdings lediglich bezogen auf die Dauer eines behördlichen Entscheidungsprozesses - geht.
102Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2010 ‑ 8 A 283/08 -, juris Rn. 67 ff.; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 ‑, juris Rn. 58 ff., jeweils mit eingehender Begründung zu den europarechtlichen Auslegungsleitlinien.
103Dieses Verständnis der Norm trägt der europarechtlichen Vorgabe einer engen Auslegung der Ausnahmevorschriften Rechnung. Auch wird der von der Aarhus- Konvention vorgenommene Zusammenhang mit dem Ablehnungsgrund des „material in the course of completion“ (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 4 UIG: Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder noch nicht aufbereitete Daten) berücksichtigt: Es geht um den Schutz des internen Dis-kussionsprozesses bis zur abschließenden Entscheidung. Die Ablehnungsgründe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 UIG bezwecken beide die Aufrechterhaltung eines geschützten Innenkreises der Verwaltung, damit diese störungsfrei und ohne Unterbrechungen ihre Entscheidungen vorbereiten, überdenken und ohne äußeren Rechtfertigungsdruck ändern kann. Damit ergibt sich zwangsläufig eine weitere Überschneidung mit dem Ablehnungsgrund der Vertraulichkeit der Beratung von Behörden, der - wie oben dargelegt - einen ähnlichen Schutzzweck, nämlich die Sicherstellung einer effektiven und neutralen Entscheidungsfindung der Behörde verfolgt. Eine trennscharfe Abgrenzung ist insoweit nicht möglich.
104Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2010 ‑ 8 A 283/08 -, juris Rn. 90.
105Ausgehend davon handelt es sich bei dem Dokument IV.15 nicht um eine schützenswerte interne Mitteilung i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG. Zum einen ist die Kurzzusammenfassung der Ergebnisse der Bundesratsausschusssitzungen am 9. Juni 2011 nicht dem Binnenbereich einer informationspflichtigen Behörde - hier etwa dem BMU - zuzurechnen. Zum anderen ist der Entscheidungsprozess, bei dem das Dokument erstellt wurde - die Verabschiedung der 13. AtG-Novelle - bereits beendet, so dass dieser Ablehnungsgrund auch deswegen nicht mehr zum Tragen kommen kann.
1063. Der Informationsantrag der Klägerin ist nicht i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG offensichtlich missbräuchlich.
107Von einem offensichtlichen Missbrauch i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG kann lediglich gesprochen werden, wenn der Antragsteller unter Formenmissbrauch des Umweltinformationsgesetzes ausschließlich zweckfremde, nicht umweltbezogene eigene Interessen verfolgt.
108Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 -, juris Rn. 37; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 51.
109Dies ist hier nicht der Fall. Auch wenn die Klägerin im Schwerpunkt eigene privatwirtschaftliche Interessen - etwa im Hinblick auf etwaige Entschädigungsansprüche und ihre Verfahrensposition im anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren - verfolgen mag, kann ihrem Informationsbegehren nicht jeder Bezug zu der vom Umweltinformationsgesetz bezweckten Offenheit und Transparenz im Umgang mit Umweltinformationen abgesprochen werden. Der möglichst freie Zugang zu Umweltinformationen dient gerade auch der Kontrolle der Verwaltung und der verbesserten Teilnahme der Öffentlichkeit an umweltbezogenen Entscheidungen, selbst wenn das (Haupt-)Motiv für den Umweltinformationsantrag zumindest auch ein anderes sein sollte.
110So für die vorliegende Fallgestaltung auch OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 52.
1114. Eine Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 94 VwGO, um die Sache im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, ist nicht veranlasst.
112Der Europäische Gerichtshof entscheidet gemäß Art. 267 Abs. 1 a) AEUV im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge. Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage aufgrund von Art. 267 Abs. 2 AEUV dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV).
113Die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit und Erforderlichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens liegt grundsätzlich allein bei dem nationalen Gericht. Sie ist der Nachprüfung durch den Europäischen Gerichtshof entzogen. Dies folgt neben dem Wortlaut des Art. 267 Abs. 2 AEUV daraus, dass es das nationale Gericht ist, das allein über eine unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und der von den Parteien vorgetragenen Argumente verfügt und die Verantwortung für die letzten Endes zu fällende Entscheidung zu tragen hat. Eine Vorlagepflicht trifft innerstaatliche Instanzgerichte über Art. 267 Abs. 3 AEUV hinaus lediglich dann, wenn diese eine unionsrechtliche Regelung für ungültig halten. Diese Vorlagepflicht greift auch dann, wenn zu einem ähnlichen Rechtsakt bereits eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ergangen ist.
114Vgl. insofern etwa EuGH, Urteile vom 19. April 2007 - C-295/05 -, Slg. 2007, I-2999 Rn. 30, vom 6. Dezember 2005 - C-461/03 -, Slg. 2005 I-10513 Rn. 17 ff., und vom 22. Oktober 1987 - C-314/85 -, Slg. 1987, 4199 Rn. 15.
115Gemessen an diesen Maßstäben ist im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens kein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu richten. Eine Vorlagepflicht des erkennenden Gerichts besteht nicht. Wie insbesondere unter 2. dargelegt, lassen sich die entscheidungserheblichen Fragen zudem ohne Weiteres anhand des Umweltinformationsgesetzes beantworten. Soweit sich teilweise Fragestellungen mit europarechtlichem Bezug zur Umweltinformationsrichtlinie auftun, ergibt sich aus diesen keine Unklarheit, die ein Vorabentscheidungsersuchen indiziert. Namentlich unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Februar 2012 - C-204/09 -, juris, stellt sich kein weitergehender europarechtlicher Klärungsbedarf.
116In diesem Sinne auch OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 13. November 2015 - OVG 12 B 16.14 -, juris Rn. 57.
1175. Auch ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO ist nicht einzuleiten.
118Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und ‑ würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
119Vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2016 - 7 B 47.15 -, juris Rn. 8, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, juris Rn. 20; OVG NRW, Urteile vom 18. August 2015 - 15 A 2856/12 -, juris Rn. 56, und vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 89.
120Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das in-camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation muss es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
121Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Mai 2016 - 7 B 47.15 -, juris Rn. 8, 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Urteile vom 18. August 2015 – 15 A 2856/12 -, juris Rn. 58, und vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 91.
122An diesen Maßstäben gemessen ist ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht durchzuführen. Bereits mit Hilfe des Akteninhalts und des insbesondere unter 2. ausgewerteten Vortrags der Beklagten lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass die vorliegend in Betracht zu ziehenden Ablehnungsgründe nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 UIG nicht gegeben sind. Auf die entsprechenden Ausführungen unter 2., aus denen sich diese Prüfung im Einzelnen ergibt, wird Bezug genommen.
123Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
124Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, Nr. 11, 711 ZPO.
125Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat. Er wirft insbesondere bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärte Fragen zur Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG auf.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 30. Aug. 2016 - 15 A 2024/13
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Tenor
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Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Gründe
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I.
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Die am 2. August 2012 erhobene Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a, b und c und Art. 1 Nr. 3 des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl I S. 1704; im Folgenden: 13. AtG-Novelle), mit dem die Beschleunigung des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie beschlossen wurde.
- 2
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Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Eigentümerin und Betreiberin der Blöcke B und C des Kernkraftwerks Gundremmingen. 75 % ihrer Anteile werden von der Beschwerdeführerin zu 3) gehalten. Die Beschwerdeführerin zu 2) ist Eigentümerin und Betriebsführerin des Kernkraftwerks Emsland. 87,5 % der Anteile stehen (teilweise mittelbar) im Eigentum der Beschwerdeführerin zu 3). Die Beschwerdeführerin zu 3) gehört zu 100 % der Beschwerdeführerin zu 4). Zwischen der Beschwerdeführerin zu 3) und der Beschwerdeführerin zu 4) besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Beschwerdeführerin zu 3) war alleinige Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 321/12 (BVerfGE 143, 246), das sich ebenfalls gegen die hier angegriffenen Regelungen des Atomgesetzes richtete. Sie ist Eigentümerin des Kernkraftwerks Biblis und Eigentümerin der Elektrizitätsmengen des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich.
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Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 6. Dezember 2016 (1 BvR 2821/11, 321/12 und 1456/12, BVerfGE 143, 246; im Folgenden: Leitverfahren) Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe a der 13. AtG-Novelle für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG erklärt, soweit das Gesetz nicht eine im Wesentlichen vollständige Verstromung der den Kernkraftwerken in Anlage 3 Spalte 2 zum Atomgesetz zugewiesenen Elektrizitätsmengen sicherstellt und keinen angemessenen Ausgleich hierfür gewährt. Ferner hat es das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes auch insoweit für unvereinbar mit Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz erklärt, als es keine Regelung zum Ausgleich für Investitionen vorsieht, die im berechtigten Vertrauen auf die im Jahr 2010 zusätzlich gewährten Zusatzstrommengen vorgenommen, durch dieses aber entwertet wurden.
- 4
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Die Beschwerdeführerinnen haben daraufhin das Verfahren der Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt und beantragt, die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG anzuordnen. Gegenstand des Verfahrens ist nunmehr die Frage, ob den Beschwerdeführerinnen die durch ihre für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerde entstandenen Auslagen zu erstatten sind. Die Bundesregierung ist dem Antrag auf Auslagenerstattung entgegengetreten.
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II.
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Über die Erstattung der den Beschwerdeführerinnen durch die Verfassungsbeschwerde entstandenen Auslagen hat gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer zu entscheiden.
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Der Maßstab für diese Entscheidung ergibt sich aus § 34a Abs. 3 BVerfGG. Danach ist die Entscheidung nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen. Hierbei kommt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 85, 109 <115>; 87, 394 <398>). Eine Erstattung von Auslagen kommt allerdings in Frage, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde offensichtlich war und unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage geklärt worden ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>). Legt ein Betroffener jedoch Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz ein, obwohl für ihn erkennbar ist, dass bereits Verfassungsbeschwerden erhoben sind, die zur Überprüfung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht führen werden, so sind ihm in der Regel die notwendigen Auslagen auch dann nicht zu erstatten, wenn sich aufgrund einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt, dass seine Verfassungsbeschwerde begründet war (vgl. BVerfGE 85, 117 <123, 125 f.>). Es besteht dann ein öffentliches Interesse daran, dass die Allgemeinheit nicht mit Kosten für Verfassungsbeschwerden belastet wird, die sich letztlich als unnötig erweisen (vgl. BVerfGE 85, 117 <123, 125>).
- 7
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Nach diesen Grundsätzen scheidet die Anordnung einer Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerinnen aus. Zwar wandte sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz mit einem zahlenmäßig begrenzten Adressatenkreis (anders insofern BVerfGE 85, 117). Auch hier besteht jedoch ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, nicht mit unnötigen Kosten belastet zu werden. Die Beschwerdeführerinnen mussten zudem davon ausgehen, dass die angestrebte verfassungsrechtliche Prüfung der Regelungen des Atomgesetzes - insbesondere hinsichtlich der fehlenden gesetzlichen Ausgleichsregelungen - bereits im Leitverfahren 1 BvR 321/12 stattfinden würde, denn der Vortrag der Verfassungsbeschwerden war im Wesentlichen gleich. Dies war den Beschwerdeführerinnen aufgrund der teilweisen Personenidentität der Beschwerdeführerinnen, der Beteiligungsverhältnisse zwischen den Beschwerdeführerinnen und der Mandatierung derselben Verfahrensbevollmächtigten auch bekannt (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. Juli 2016 - 1 BvR 1141/09 -, Rn. 9). Vor diesem Hintergrund war die Erhebung einer weiteren Verfassungsbeschwerde zur Erreichung des Rechtsschutzziels der Beschwerdeführerinnen nicht erforderlich. Sie war auch nicht aus Gründen anwaltlicher Vorsicht geboten, da die Interessen der Beschwerdeführerinnen im Leitverfahren 1 BvR 321/12 aufgrund der Unternehmensstruktur des RWE-Konzerns mit denen der Beschwerdeführerinnen im vorliegenden Verfahren gleichgelagert waren. Soweit die Beschwerdeführerinnen in Ergänzung zum Leitverfahren 1 BvR 321/12 konkret die unterschiedlichen Laufzeiten der Blöcke des Kernkraftwerks Gundremmingen B und C beanstanden, entspricht eine Auslagenerstattung schon deshalb nicht der Billigkeit, weil die Frage der Laufzeitstaffelung bereits Gegenstand des Leitverfahrens 1 BvR 321/12 war und die Verfassungsbeschwerde insoweit ohne Erfolg geblieben wäre (vgl. BVerfGE 143, 246 <288, 390 f.>).
- 8
-
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
- 1.
wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf - a)
internationale Beziehungen, - b)
militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr, - c)
Belange der inneren oder äußeren Sicherheit, - d)
Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden, - e)
Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle, - f)
Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubtem Außenwirtschaftsverkehr, - g)
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen,
- 2.
wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann, - 3.
wenn und solange - a)
die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen oder - b)
die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden,
- 4.
wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt, - 5.
hinsichtlich vorübergehend beigezogener Information einer anderen öffentlichen Stelle, die nicht Bestandteil der eigenen Vorgänge werden soll, - 6.
wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen, - 7.
bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht, - 8.
gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnehmen.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Daneben bleiben andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt.
(2) Der Zugang kann durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnet werden. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs beantragt, so darf dieser nur aus gewichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden. Als gewichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Soweit Umweltinformationen der antragstellenden Person bereits auf andere, leicht zugängliche Art, insbesondere durch Verbreitung nach § 10, zur Verfügung stehen, kann die informationspflichtige Stelle die Person auf diese Art des Informationszugangs verweisen.
(3) Soweit ein Anspruch nach Absatz 1 besteht, sind die Umweltinformationen der antragstellenden Person unter Berücksichtigung etwaiger von ihr angegebener Zeitpunkte, spätestens jedoch mit Ablauf der Frist nach Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 zugänglich zu machen. Die Frist beginnt mit Eingang des Antrags bei der informationspflichtigen Stelle, die über die Informationen verfügt, und endet
(1) Informationspflichtige Stellen sind
- 1.
die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung. Gremien, die diese Stellen beraten, gelten als Teil der Stelle, die deren Mitglieder beruft. Zu den informationspflichtigen Stellen gehören nicht - a)
die obersten Bundesbehörden, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden, und - b)
Gerichte des Bundes, soweit sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen;
- 2.
natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, insbesondere solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge, und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen.
(2) Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 liegt vor, wenn
- 1.
die Person des Privatrechts bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe oder bei der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung gegenüber Dritten besonderen Pflichten unterliegt oder über besondere Rechte verfügt, insbesondere ein Kontrahierungszwang oder ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, oder - 2.
eine oder mehrere der in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts allein oder zusammen, unmittelbar oder mittelbar - a)
die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzen, - b)
über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügen oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen können, oder
- 3.
mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts zusammen unmittelbar oder mittelbar über eine Mehrheit im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a bis c verfügen und der überwiegende Anteil an dieser Mehrheit den in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist.
(3) Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; - 2.
Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 3.
Maßnahmen oder Tätigkeiten, die - a)
sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder - b)
den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;
- 4.
Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; - 5.
Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und - 6.
den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
(4) Eine informationspflichtige Stelle verfügt über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Ein Bereithalten liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Absatzes 1 aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Soweit
- 1.
durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, - 2.
Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, durch das Zugänglichmachen von Umweltinformationen verletzt würden oder - 3.
durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden oder die Informationen dem Steuergeheimnis oder dem Statistikgeheimnis unterliegen,
(2) Umweltinformationen, die private Dritte einer informationspflichtigen Stelle übermittelt haben, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein oder rechtlich verpflichtet werden zu können, und deren Offenbarung nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Dritten hätte, dürfen ohne deren Einwilligung anderen nicht zugänglich gemacht werden, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen kann nicht unter Berufung auf die in Satz 1 genannten Gründe abgelehnt werden.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Soweit
- 1.
durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, - 2.
Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, durch das Zugänglichmachen von Umweltinformationen verletzt würden oder - 3.
durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden oder die Informationen dem Steuergeheimnis oder dem Statistikgeheimnis unterliegen,
(2) Umweltinformationen, die private Dritte einer informationspflichtigen Stelle übermittelt haben, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein oder rechtlich verpflichtet werden zu können, und deren Offenbarung nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Dritten hätte, dürfen ohne deren Einwilligung anderen nicht zugänglich gemacht werden, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen kann nicht unter Berufung auf die in Satz 1 genannten Gründe abgelehnt werden.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.
(2) Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Daneben bleiben andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt.
(2) Der Zugang kann durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnet werden. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs beantragt, so darf dieser nur aus gewichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden. Als gewichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Soweit Umweltinformationen der antragstellenden Person bereits auf andere, leicht zugängliche Art, insbesondere durch Verbreitung nach § 10, zur Verfügung stehen, kann die informationspflichtige Stelle die Person auf diese Art des Informationszugangs verweisen.
(3) Soweit ein Anspruch nach Absatz 1 besteht, sind die Umweltinformationen der antragstellenden Person unter Berücksichtigung etwaiger von ihr angegebener Zeitpunkte, spätestens jedoch mit Ablauf der Frist nach Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 zugänglich zu machen. Die Frist beginnt mit Eingang des Antrags bei der informationspflichtigen Stelle, die über die Informationen verfügt, und endet
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.
(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.
(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Daneben bleiben andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt.
(2) Der Zugang kann durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnet werden. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs beantragt, so darf dieser nur aus gewichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden. Als gewichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Soweit Umweltinformationen der antragstellenden Person bereits auf andere, leicht zugängliche Art, insbesondere durch Verbreitung nach § 10, zur Verfügung stehen, kann die informationspflichtige Stelle die Person auf diese Art des Informationszugangs verweisen.
(3) Soweit ein Anspruch nach Absatz 1 besteht, sind die Umweltinformationen der antragstellenden Person unter Berücksichtigung etwaiger von ihr angegebener Zeitpunkte, spätestens jedoch mit Ablauf der Frist nach Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 zugänglich zu machen. Die Frist beginnt mit Eingang des Antrags bei der informationspflichtigen Stelle, die über die Informationen verfügt, und endet
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
(1) Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Daneben bleiben andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt.
(2) Der Zugang kann durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnet werden. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs beantragt, so darf dieser nur aus gewichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden. Als gewichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Soweit Umweltinformationen der antragstellenden Person bereits auf andere, leicht zugängliche Art, insbesondere durch Verbreitung nach § 10, zur Verfügung stehen, kann die informationspflichtige Stelle die Person auf diese Art des Informationszugangs verweisen.
(3) Soweit ein Anspruch nach Absatz 1 besteht, sind die Umweltinformationen der antragstellenden Person unter Berücksichtigung etwaiger von ihr angegebener Zeitpunkte, spätestens jedoch mit Ablauf der Frist nach Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 zugänglich zu machen. Die Frist beginnt mit Eingang des Antrags bei der informationspflichtigen Stelle, die über die Informationen verfügt, und endet
(1) Informationspflichtige Stellen sind
- 1.
die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung. Gremien, die diese Stellen beraten, gelten als Teil der Stelle, die deren Mitglieder beruft. Zu den informationspflichtigen Stellen gehören nicht - a)
die obersten Bundesbehörden, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden, und - b)
Gerichte des Bundes, soweit sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen;
- 2.
natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, insbesondere solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge, und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen.
(2) Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 liegt vor, wenn
- 1.
die Person des Privatrechts bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe oder bei der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung gegenüber Dritten besonderen Pflichten unterliegt oder über besondere Rechte verfügt, insbesondere ein Kontrahierungszwang oder ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, oder - 2.
eine oder mehrere der in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts allein oder zusammen, unmittelbar oder mittelbar - a)
die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzen, - b)
über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügen oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen können, oder
- 3.
mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts zusammen unmittelbar oder mittelbar über eine Mehrheit im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a bis c verfügen und der überwiegende Anteil an dieser Mehrheit den in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist.
(3) Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; - 2.
Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 3.
Maßnahmen oder Tätigkeiten, die - a)
sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder - b)
den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;
- 4.
Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; - 5.
Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und - 6.
den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
(4) Eine informationspflichtige Stelle verfügt über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Ein Bereithalten liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Absatzes 1 aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Informationspflichtige Stellen sind
- 1.
die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung. Gremien, die diese Stellen beraten, gelten als Teil der Stelle, die deren Mitglieder beruft. Zu den informationspflichtigen Stellen gehören nicht - a)
die obersten Bundesbehörden, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden, und - b)
Gerichte des Bundes, soweit sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen;
- 2.
natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, insbesondere solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge, und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen.
(2) Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 liegt vor, wenn
- 1.
die Person des Privatrechts bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe oder bei der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung gegenüber Dritten besonderen Pflichten unterliegt oder über besondere Rechte verfügt, insbesondere ein Kontrahierungszwang oder ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, oder - 2.
eine oder mehrere der in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts allein oder zusammen, unmittelbar oder mittelbar - a)
die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzen, - b)
über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügen oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen können, oder
- 3.
mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts zusammen unmittelbar oder mittelbar über eine Mehrheit im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a bis c verfügen und der überwiegende Anteil an dieser Mehrheit den in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist.
(3) Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; - 2.
Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 3.
Maßnahmen oder Tätigkeiten, die - a)
sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder - b)
den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;
- 4.
Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; - 5.
Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und - 6.
den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
(4) Eine informationspflichtige Stelle verfügt über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Ein Bereithalten liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Absatzes 1 aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Vorlage von Verwaltungsvorgängen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I, S. 1048; im Folgenden: 6. FFG-Änderungsgesetz). Das 6. FFG-Änderungsgesetz nahm rückwirkend zum 1. Januar 2004 (vgl. § 73 Abs. 7 Satz 1 FFG) in § 67 FFG Bemessungsregeln für die von den Fernsehveranstaltern zu leistende Filmabgabe auf.
3Die Klägerin betreibt bundesweit Filmtheater. Sie ist eine Gesellschaft der D. -Gruppe, der neben der Klägerin elf Schwestergesellschaften angehören, die ebenfalls in Deutschland Lichtspielhäuser unterhalten.
4Am 8. September 2010 beantragte die Klägerin beim (damaligen) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Folgenden: BKM) gemäß § 7 IFG, ihr sämtliche Verwaltungsvorgänge zugänglich zu machen, die der BKM im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz führt und geführt hat. Ihr besonderes Augenmerk gelte den Berechnungsmodellen und Kalkulationen, die für die Festlegung des Abgabenmaßstabs der Fernsehveranstalter gemäß § 67 FFG n. F. bestimmend gewesen seien, ferner den Berechnungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit aller Einzahlergruppen. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht werden dürften.
5Mit Bescheid vom 15. Oktober 2010, zugegangen am 19. Oktober 2010, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der BKM habe bei der Vorbereitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes nicht als Behörde i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Das Vorbereiten und Ausarbeiten von Gesetzentwürfen diene der Wahrnehmung des Initiativrechts der Bundesregierung. Diese Regierungstätigkeit sei kein Verwaltungshandeln. Die dem BKM vorliegenden amtlichen Informationen zu dem beantragten Thema bezögen sich ausschließlich auf die unmittelbare Erarbeitung des Regierungsentwurfs zum 6. FFG-Änderungsgesetz. Bei den Dokumenten handele es sich vorwiegend um Vermerke gegenüber der Hausleitung, Aufzeichnungen über interne Besprechungen, E-Mail-Verkehr mit Verbänden, Sendern und anderen Unternehmen, die zukünftig unter die Abgabenpflicht fallen sollten, Gesamtkalkulationen zu den finanziellen Auswirkungen der Novelle sowie um Materialien zum parlamentarischen Verfahren und zur Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt. Die Prüfung der Unterlagen auf eventuell einschlägige Ausnahmetatbestände nach §§ 3 ff. IFG sei vor diesem Hintergrund nicht notwendig.
6Die Klägerin erhob am 17. November 2010 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend: Es sei mit Blick auf das gebotene weite Begriffsverständnis unzutreffend, eine Bundesbehörde von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auszunehmen, wenn im konkreten Fall Regierungstätigkeit ausgeübt werde. Die Ausnahmen gemäß §§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 1 IFG griffen nicht, weil es um einen Anspruch auf Informationszugang nach Verabschiedung des Gesetzes gehe. Eine andere Betrachtungsweise laufe dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
8Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der BKM sei nach dem anzuwendenden funktionellen Behördenbegriff eine Behörde des Bundes, auch wenn er im konkreten Fall bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs eine Regierungstätigkeit wahrgenommen habe. Die Gesetzesmaterialien zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien amtliche Informationen. Sie seien beim BKM in seiner Zuständigkeit für die Kulturförderung - namentlich für die Filmförderung durch die unter seiner Aufsicht stehende Filmförderungsanstalt - entstanden. Der eng zu interpretierende Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG sei nicht gegeben bzw. von der Beklagten nicht nachvollziehbar belegt. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde durch den begehrten Informationszugang nicht tangiert. Die Beratungen beim BKM zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien längst abgeschlossen. Der Beratungsvorgang müsse nicht mehr geschützt werden. Ansonsten würden zahllose Informationsansprüche ins Leere laufen, da Verwaltungsvorgängen fast immer behördeninterne Beratungen vorausgingen. Einengende Vorwirkungen für zukünftige Gesetzgebungsverfahren seien nicht erkennbar. Die von der Beklagten auf S. 10 bis 13 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 aufgelisteten Unterlagen seien - nach ihrer Behauptung - Vorlagen an die Hausleitung des BKM und Kabinettsvorlagen. Die Beklagte habe den konkreten Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht substantiiert, so dass sich schon von daher keine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung feststellen lasse. Überdies seien weder der Staatsminister noch das Kabinett an diese Vorlagen gebunden gewesen. Auch im Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 habe die Beklagte die Schutzwürdigkeit der Leitungsvorlagen nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ähnliches gelte, soweit sich die Beklagte auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 auf § 3 Nr. 7 IFG berufe. Die Informationsübermittlung zwischen Behörden sei nicht geschützt, so dass Unterlagen nicht von dem Informationsanspruch ausgenommen werden könnten, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder von der Filmförderungsanstalt stammten, bei der es sich um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts handele. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Darlegungslast nicht erfüllt. Hinzu komme, dass auch§ 3 Nr. 7 IFG nicht unbefristet gelte. Worin das aktuelle Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit bestehe, sei unklar. Im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG habe sie, die Klägerin, vorab erklärt, dass diese - soweit vorhanden - unkenntlich gemacht werden dürften. Allerdings beziehe sich dieser Geheimnisschutz nicht auf Personen des öffentlichen Rechts wie die Filmförderungsanstalt oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, auf deren Dokumente die Beklagte auf S. 20 bis 32 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 verweise. Gleiches gelte für Unterlagen, die von Verbänden stammten. Diese führten keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juli 2012 hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - 7 C 3.11, 7 C 4.11 - würden die in der überreichten Tabelle in Spalte 1 („Nur Argument keine Behörde“) gelisteten Aktenbestandteile der Klägerin in Form von Kopien spätestens bis zum 14. September 2012 zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugänglich gemacht.
11Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt. Sie hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte berechtigt ist, in diesen Unterlagen etwa enthaltene personenbezogene Daten i.S.v. § 5 IFG zu schwärzen. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
12Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zu verpflichten, ihr - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - sämtliche Verwaltungsvorgänge, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 führt oder geführt hat, zugänglich zu machen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege vor. Auch im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Vorbereitungen zur Erstellung eines Gesetzesvorschlags anzuerkennen. Im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung finde keine Abwägung mit dem Anspruch des Bürgers auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz statt. Diesem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehörten auch Leitungsvorlagen an, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, bezeichnet seien. Der Schutz des Kernbereichs der Exekutive, der die Willensbildung der Regierung umfasse, sei nicht mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. FFG-Änderungsgesetz entfallen oder weniger gewichtig. Dies folge auch aus den einengenden Vorwirkungen des nachträglichen Zugriffs auf Informationen auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren. Den Erörterungen im Kabinett komme eine besondere Schutzwürdigkeit zu. Die freie und offene Willensbildung der Regierung werde gefährdet, wenn eine spätere Publizität zu befürchten sei. Eine unbegrenzte Offenheit von Unterlagen zur Vorbereitung von Gesetzen würde dazu führen, dass durch das Bekanntwerden z. B. von möglichen Meinungsverschiedenheiten auf Leitungsebene die Autorität des Gesetzes ausgehöhlt würde. Es gehe auch um sensible politische Einschätzungen. Es bestehe die Gefahr einer „Flucht in die Mündlichkeit“. Im Einzelnen erfasse § 3 Nr. 3 b) IFG die Blätter 65 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 575, 576 bis 594, 822 bis 851, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 922, 1055 bis 1060, 1071 bis 1096, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1239, 1260 bis 1283 sowie 1294 bis 1320 (siehe S. 10 bis 13 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011 und S. 4 bis 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2011). Der gewisse Abstraktionsgrad dieser Ausführungen liege in der Natur der Sache, um der Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Teile der Verwaltungsvorgänge Rechnung zu tragen. Unverhältnismäßig pauschaliert werde dabei nicht. Darüber hinaus entfalle der Informationsanspruch der Klägerin wegen § 3 Nr. 7 IFG. Bezüglich bestimmter Dokumente habe sie, die Beklagte, ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung zugesichert. § 3 Nr. 7 IFG gelte für die Blätter 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1259 (siehe S. 14 bis 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Das Interesse an der vertraulichen Behandlung bestehe fort. Der Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG schließe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt ein. Personenbezogene Daten Dritter seien gemäß § 5 IFG vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren in die Schwärzung der entsprechenden Passagen eingewilligt. Einer unbeschränkten Offenlegung stehe schließlich § 6 Satz 2 IFG für folgende Abschnitte entgegen: Blätter 80 bis 83, 93 bis 98, 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 500 bis 503, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1255, 1256 bis 1258, 1259 und 1299 (siehe S. 20 bis 32 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Eine Einwilligung des jeweiligen Geheimnisträgers liege nicht vor. Die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bestehe auch bei partiellen Schwärzungen fort.
17Mit Urteil vom 26. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des BKM vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin die bei dem BKM geführten Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz - soweit nicht für erledigt erklärt - mit Ausnahme der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich zu machen. Die Beklagte sei berechtigt, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung zu schwärzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Beklagte könne sich hinsichtlich sog. Leitungsvorlagen nicht mit Erfolg auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte hinsichtlich der Stellungnahmen, bezüglich derer sie eine vertrauliche Behandlung zugesichert habe, auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG stützen, soweit darin nicht Geschäftsgeheimnisse enthalten seien. Diese seien über § 6 Satz 2 IFG geschützt. Da alle betroffenen Geheimnisträger auf entsprechende Nachfrage des BKM mitgeteilt hätten, sie stimmten einer Bekanntgabe an die Klägerin nicht zu, sei die Beklagte berechtigt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung der Akten an die Klägerin zu schwärzen. Soweit die Verwaltungsvorgänge Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten, sei die Klage mit Blick auf § 6 Satz 2 IFG unbegründet.
18Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
19Die Beklagte hat am 31. August 2012 Berufung gegen das ihr am 7. August 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend und vertiefend vor, von der Berufung nicht erfasst sei ihre Verpflichtung, Zugang zu denjenigen Teilen der Verwaltungsvorgänge zu gewähren, in denen die Kabinettsvorlagen lediglich den endgültig in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut wiedergäben. Hierbei handele es sich um Blatt 830 bis 846, 904 bis 922, 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis 1239. Diese Blattbereiche werde sie der Klägerin unverzüglich offenbaren. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben habe, stehe dem Informationszugang der Schutz des Kernbereichs der Exekutive im Rahmen des § 3 Nr. 3 b) IFG entgegen. Es entspreche einem nach der Lebenserfahrung naheliegenden und wahrscheinlichen Verhalten, dass Erwägungen, deren Offenbarung zu nachteiligen Konsequenzen für die Regierung führen könne, nicht mehr schriftlich in den Akten niedergelegt würden, wenn diese Akten nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens jedem beliebigen Dritten zugänglich gemacht werden müssten. Vielmehr sei zu erwarten, dass Einschätzungen mündlich abgegeben würden und nicht mit dem gebotenen Gewicht in das Gesetzgebungsverfahren einflössen. Ein Informationszugang könne auch einengende Vorwirkungen haben, soweit es um einen nachträglichen Zugriff auf Informationen über ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren gehe. Diese Erwartung sei nicht nur mit Blick auf rechtliche, sondern auch in Bezug auf politische und taktische Einschätzungen berechtigt. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Geheimhaltungsgründe im gerichtlichen Hauptsacheverfahren überspannt. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, und vom 6. Dezember 2011, S. 4 bis 7, werde Bezug genommen. Es dürfe keine Substantiierung verlangt werden, die bereits zu einer Offenbarung der geheimzuhaltenden Informationen führe. Andernfalls laufe § 3 Nr. 3 b) IFG leer. Ohne ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe das Verwaltungsgericht nicht stattgeben dürfen. Nur äußert vorsorglich werde zu Blatt 66 bis 68, 113 bis 118, 327 bis 352, 535 bis 537, 558 bis 594, 823 bis 829, 852 bis 854, 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1106 bis 1009, 1181 bis 1187c, 1208, 1210 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1301 ergänzend vorgetragen (sieheS. 17 bis 23 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 19. November 2012). Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische, brisante Gesetzesnovelle gewesen sei, sei für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG unerheblich. Hinsichtlich der Unterlagen, für welche sie, die Beklagte, eine Vertraulichkeitszusage abgegeben habe, stehe dem Informationszugang § 3 Nr. 7 IFG entgegen. Diese Unterlagen seien auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 konkret bezeichnet. Auch diesbezüglich gehe das Verwaltungsgericht von überzogenen Substantiierungsanforderungen aus. Bereits die Tatsache der Kennzeichnung als vertraulich sei ein hinreichendes Indiz für eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Dieses Indiz sei nicht erschüttert. Einer weitergehenden Substantiierung der Vertraulichkeit bedürfe es nicht. Die wegen des Abgabenmaßstabs angeschriebenen betroffenen Kreise hätten im Hinblick auf ihre jeweilige Antwort durchweg darauf bestanden, dass alle übermittelten Informationen, d. h. das gesamte Schreiben, vertraulich behandelt würden. Würde sie, die Beklagte, gleichwohl zu einem Informationszugang verpflichtet, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in Zukunft nicht mehr in dem gebotenen Umfang Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgegeben würden. Zudem hätte § 3 Nr. 7 IFG sonst neben § 6 Satz 2 IFG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr.
21In der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 haben die Beteiligten klargestellt, welche Aktenbestandteile im Berufungsverfahren noch im Streit stehen. Die in den Spalten 3 und 4 der Übersicht, die erstinstanzlich dem Verwaltungsgericht überreicht worden ist, angegebenen Blattzahlen sind markiert worden, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Übersicht ist als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen worden.
22Die Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern, soweit sie darin verpflichtet worden ist, die bei ihr angefallenen Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 über Blatt 830 bis 846, Blatt 904 bis 922, Blatt 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis Blatt 1239 hinaus der Klägerin zugänglich zu machen, und insoweit die Klage abzuweisen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege nicht vor. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beziehe sich regelmäßig nur auf laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen, nicht auf abgeschlossene Verfahren. Eine einengende Vorwirkung durch eine Offenlegung von Leitungsvorlagen mit rechtlichen und/oder politisch-taktischen Erwägungen sei nach der Lebenserfahrung nicht zu befürchten. Transparenz und Offenheit seien für den Fortbestand einer demokratischen Gesellschaft überlebenswichtige Faktoren. Sie erhöhten die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung und wirkten der Gefahr sachfremder lobbyistischer Einflussnahme entgegen. Die Leitung der Beklagten sei geradezu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, jedwede rechtlichen und/oder taktisch-politischen Überlegungen zu Papier zu bringen. Sollte die Beklagte dem nicht nachkommen, dürfe der Informationszugangsanspruch darunter nicht leiden. Eine größtmögliche Transparenz stärke Sachargumente. Das Informationsfreiheitsgesetz diene auch der Qualitätsverbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses. Das Verwaltungsgericht habe die Darlegungsanforderungen an die Beklagte nicht überspannt. Die Ausnahmetatbestände des § 3 IFG seien grundsätzlich eng auszulegen. Die Beklagte habe den von ihr in Anspruch genommenen Kernbereichsschutz nicht hinreichend substantiiert. Dies sei auch in der Berufungsbegründung der Beklagten auf deren S. 17 ff. nicht geschehen. Auch die Kabinettsvorlagen unterlägen nicht dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische und brisante Angelegenheit gewesen sei, sei bei der Beurteilung der Ausschlussgründe erheblich. Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Eine schutzwürdige Vertraulichkeitsabrede habe die Beklagte auch in der Berufungsbegründung ab S. 26 nicht dargetan. Der Sache nach mache die Beklagte eine Bereichsausnahme für die Beteiligung Dritter an einem Gesetzgebungsverfahren geltend. Eine solche sehe das Informationsfreiheitsgesetz jedoch nicht vor.
27Mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Betreiberinnen von Filmtheatern gegen Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt nach dem Filmförderungsgesetz und gegen die diese als rechtmäßig bestätigenden fachgerichtlichen Urteile zurück. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe der §§ 66 ff. FFG seien verfassungsgemäß. Namentlich genügten sie den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärungen erster Instanz, des eingeschränkten Berufungsantrags der Beklagten sowie der rechtskräftigen Klageabweisung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als schutzwürdig eingestuften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und der dazu erfolgten Klarstellung durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Juni 2015 sind folgende Aktenbestandteile noch Gegenstand der Berufung: Blatt 66 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 (bezogen auf den Ablehnungsgrund aus § 3 Nr. 3 b) IFG) und Blatt 101 bis 109, 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 (hinsichtlich des Ausschlusstatbestands des § 3 Nr. 7 IFG).
31In diesem Umfang ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
32Das Verwaltungsgericht hat der Klage insofern zu Recht stattgegeben.
33Der solchermaßen noch streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34Die Klägerin hat aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihr Zugang zu den beim BKM angelegten Verwaltungsvorgängen betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz gewährt, auch soweit dieser Zugang über die von der Berufung nicht umfassten Blattbereiche hinausgeht.
35Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor (dazu I.). Dem noch streitgegenständlichen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3Nr. 3 b) IFG sowie des § 3 Nr. 7 IFG nicht entgegen. Dass andere Versagungstatbestände der Berufung zum Erfolg verhelfen - wie insbesondere§ 6 Satz 2 IFG -, hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (dazu II.).
36I. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind gegeben.
37Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bestimmt weiter, dass eine amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung ist. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).
38Behörden des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionelles Verständnis zugrunde. Bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen macht er die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig. Dieses aufgabenbezogene Merkmal kennzeichnet die in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG genannten Anspruchsverpflichteten.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012- 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 7.
40Der weite und umfassende funktionelle Verwaltungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schließt das Regierungshandeln ein. Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken. Es soll auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche, insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfallen soll und sich Ausnahmen grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so erklärt sich, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt. Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung ist unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 20 ff., und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 20 ff., jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 6 und ‚S. 12.
42Daraus folgt, dass auch die Tätigkeit eines Bundesministeriums bzw. einer sonstigen Regierungsbehörde - wie dem BKM - bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fällt. Lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung etc.) soll vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen bleiben.
43Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8; sowie OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013- OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
44Ausgehend von diesen Maßstäben ist der BKM grundsätzlich anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Seine hinreichende organisationsrechtliche Verselbständigung ergibt sich aus dem in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten BKM-Organisationsplan. Das Tätigwerden des BKM bei der Erarbeitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist Verwaltung im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Erstellung von Leitungs- und Kabinettsvorlagen sowie die Einholung von Stellungnahmen der von dem Gesetzesvorhaben betroffenen Kreise ist - auch als Regierungshandeln - nach dem oben Gesagten funktionell Verwaltung. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch zugestanden. Sie hat die Klägerin in dieser Hinsicht klaglos gestellt.
45II. Dem im Berufungsverfahren noch umstrittenen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten ins Feld geführten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 3 b) IFG (dazu 1.) und des § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.) nicht entgegen. Andere Ablehnungstatbestände wie in Sonderheit § 6 Satz 2 IFG, die zur Begründetheit der Berufung führen können, sind nicht ersichtlich (dazu 3.). Um zu diesen Befunden zu gelangen, ist der Senat nicht verpflichtet, ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuleiten. Der darauf gerichtete Hilfsbeweisantrag der Beklagten, den diese in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellt hat, ist abzulehnen (dazu 4.).
461. Der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit den verfassungsrechtlich verankerten Maßstäben zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung greift nicht zugunsten der Beklagten ein. Die Beklagte beruft sich mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 - sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 - auf diese Ausnahmeklausel ohne Erfolg.
47Nach § 3 Nr. 3 b) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
48§ 3 Nr. 3 b) IFG schützt innerbehördlichen Beratungen, die auf eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind. Derartige Beratungen sollen wegen des Wissens um eine Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Mit der Formulierung „solange“ wird deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Im Übrigen erfasst § 3 Nr. 3 b) IFG nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - den Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis).
49Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011- 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91.
50Der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG bezieht sich des Weiteren nur auf die aus tragfähigen Gründen „notwendige Vertraulichkeit“ (vgl. zu diesem Begriff § 3 Nr. 3 a) IFG) behördlicher Beratungen. Er erstreckt seinen Schutz nicht auf jeglichen behördlichen Entscheidungsfindungsprozess.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5, unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 86; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 8.
52Eine Beeinträchtigung der Beratung von Behörden i.S.d. § 3 Nr. 3 b) IFG erfordert zudem ebenso wie die übrigen von § 3 IFG erfassten Gefahren, Beeinträchtigungen und nachteiligen Auswirkungen, dass die konkrete Möglichkeit der Verletzung der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen besteht bzw. dass eine solche Verletzung hinreichend wahrscheinlich ist.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 101.
54In die so zu verstehende einfachgesetzliche Versagungsbestimmung des § 3Nr. 3 b) IFG ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu integrieren.
55Die ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 35, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 122 ff. (zur Grenze der Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Verhältnis zur Regierung); siehe dazu außerdem BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 43 ff.
57Übertragen auf das Informationsfreiheitsrecht folgt daraus, dass der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen muss, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt. Dessen Anliegen überschneidet sich aber jedenfalls teilweise mit dem geschriebenen Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen sind offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, so dass dieser Verfassungsgrundsatz in die Anwendung des § 3 Nr. 3 b) IFG zu integrieren ist. Erst wenn sich gleichwohl Schutzlücken auftun, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31.
59Dass die jeweils verfahrensgegenständlichen amtlichen Informationen am Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung - und somit auch an demjenigen des § 3 Nr. 3 b) IFG - teilhaben, hat die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG in Anspruch genommene Behörde darzulegen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung müssen anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft aber darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Informationsfreiheitsgesetz indes nicht vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl 2012, 176 = juris Rn. 31, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 51 ff. (zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen); siehe zur Einzelfallbezogenheit der Prüfung mit Blick auf parlamentarische Informationsrechte außerdem BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 126.
61Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stützen. Die Beklagte hat insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 nicht anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt, dass die Vertraulichkeit der Beratung im Bereich der Regierung bzw. im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben (künftig) konkret beeinträchtigt wird, wenn sie die von der Klägerin herausverlangten Verwaltungsvorgänge des BKM betreffend das 6. FFG-Änderungsgesetz offenlegt.
62Das 6. FFG-Änderungsgesetz ist am 31. Juli 2010 verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsmäßigkeit mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, bestätigt. Es handelt sich bei den gesetzesvorbereitenden behördeninternen Beratungen zum 6. FFG-Änderungsgesetz, die der BKM in seinem Verwaltungsvorgang dokumentiert hat, daher um einen in doppelter Hinsicht rechtlich wie tatsächlich abgeschlossenen Vorgang. Dass dieser abgeschlossene Vorgang dennoch nach Maßgabe von § 3 Nr. 3 b) IFG und Aspekten des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geheim gehalten werden muss, um die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Regierung zu schützen, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
63Die Begründung der Beklagten, die Blattbereiche 66 bis 68 und 112 bis 118 enthielten einen mit rechtlichen und politischen Bewertungen versehenen Sprechzettel zur Vorbereitung des Staatsministers auf eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 22. April 2009 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes bzw. auf eine Sitzung im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2009, der sog. aktive und reaktive Gesprächspositionen des Staatsministers beschreibe und einzelne politische Handlungsoptionen und die diesbezügliche mögliche Positionierung des Staatsministers in der jeweiligen Sitzung darlege, füllt die Anforderungen des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stellt, nicht aus. Es geht bei dieser Sitzungsvorbereitung des Staatsministers nicht um eine gubernative Entscheidung oder um Erörterungen im Kabinett selbst, die in besonderem Maß schützenswert sind. Vielmehr spricht die Beklagte hiermit einen vorbereitenden Beratungsprozess im Bereich des BKM an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine informationsfreiheitsrechtliche Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Informationsfreiheitsgesetz de lege lata nicht vorsieht. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 b) IFG verlangen stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung (hier in Gestalt des BKM), sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen jedenfalls nachträglich erklären zu müssen.
64Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen („Hemmungen“) bzw. zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-) zu bilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 hervorgehobene Umstand, dass das Filmförderungsgesetz häufig novelliert werde, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nicht jede Novelle den Inhalt des 6. FFG-Änderungsgesetzes haben muss und schon deswegen einengende Vorwirkungen durch den streitigen Informationszugang nicht pauschal zu erwarten sind, gilt für jedes Gesetzesvorhaben neu, dass sich die Regierung auf die Transparenzvorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich einzustellen hat, ohne dass die Qualität ihrer Vorbereitungsarbeit darunter leiden darf.
65Die Autorität eines in Kraft getretenen Gesetzes kann durch die Form der Publizität, die das Informationsfreiheitsgesetz herstellt, nicht leiden. Ein förmliches Gesetz schöpft seine verfassungsrechtliche Legitimität aus dem Parlamentsbeschluss (Art. 77 Abs. 1 GG) und dem Gedanken der Volkssouveränität
66(Art. 20 Abs. 2 GG). Dass einem Gesetzesbeschluss ein ergebnisoffener (verfassungs-)rechtlicher und rechtspolitischer Diskurs vorausgeht, der insbesondere auch innerhalb der am Gesetzgebungsprojekt beteiligten Regierungsstellen stattfindet, versteht sich in einer offenen Gesellschaftsordnung von selbst und wird von der Öffentlichkeit nicht anders erwartet.
67Den Tatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG füllt im Anschluss daran auch nicht der Vortrag der Beklagten zu den Blättern 327 bis 352 aus, bei denen es sich um eine Vorlage an den Staatsminister handele, die handschriftliche Anmerkungen des Staatsministers und der Abteilungsleiterin im BKM enthalte, die sich auf politische Bewertungen des Staatsministers bzw. der Abteilungsleiterin bezögen. Dies gilt ebenfalls, soweit dieser Blattbereich politische und rechtliche Bewertungen einzelner auf die Gesetzesnovelle bezogener Fragen und eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf aufweist, die einen von dem schließlich in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut verschiedenen Inhalt hat und im Übrigen aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Änderungen im Dokument Rückschlüsse darauf zulässt, welche politische Einschätzung von welcher am Gesetzesvorhaben beteiligten Stelle vorgenommen worden ist. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und nach der im Tatbestand referierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2014 zur Verfassungsmäßigkeit des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist die Vertraulichkeit dieser Beratungen aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG schutzwürdig. Diese Aktenstücke betreffen einen abgeschlossenen Vorgang und sind außerhalb des Kernbereichs der Regierung angesiedelt. Die von Beklagtenseite befürchteten einengenden Vorwirkungen dürfen nach der Grundidee des Informationsfreiheitsgesetzes - wie gesagt - nicht generalisierend in die Prüfung des § 3 Nr. 3 b) IFG eingestellt werden.
68Zum Weiteren trägt die Beklagte auch zu Blatt 534 bis 537 des Verwaltungsvorgangs des BKM lediglich vor, diese Passage beinhalte eine Vorlage des zuständigen Referats für den Staatsminister für eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 11. Juli 2009 inklusive eines Sprechzettels für diese Sitzung mit politischen Wertungen. Sie befasse sich mit der Umsetzung einzelner, politisch umstrittener Aspekte der Novelle, mithin der Sache nach mit verhandlungstaktischen Positionen, die aber nicht notwendig in das endgültige Gesetz eingegangen seien. Nach den dargestellten Grundsätzen reicht auch dies und die allgemeine Sorge der Beklagten, eine Herausgabe dieser Unterlagen könne zukünftig die Kommunikation zwischen dem Staatsminister und seinen Mitarbeitern hemmen, für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht aus.
69Entsprechendes ist zusammenfassend hinsichtlich der übrigen von der Beklagten als nach § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schützenswert eingeordneten Blattbereiche 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 zu sagen. Diese betreffen nach dem Vorbringen der Beklagten erneut Vorlagen des zuständigen Referats an den Staatsminister im Hinblick auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und das Ergebnis der Branchenanhörung jeweils mit politischen und juristischen Einschätzungen und Wertungen, Sprechzettel für den Staatsminister für Sitzungen des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien am 2. Dezember 2009, am 27. Januar 2010 und am 19. Mai 2010, bei denen ein Sachstandsbericht zu der Novelle zu erstatten gewesen sei (mit dem entsprechenden Inhalt wie auf Blatt 65 bis 68), Kabinettsvorlagen mit einem Anschreiben des Staatsministers an den Chef des Bundeskanzleramts mit politischen Bewertungen und einer internen Handlungsanweisung für den Regierungssprecher ebenfalls mit politischen Wertungen, die der Regierungssprecher aber nicht öffentlich kommuniziert habe, sowie Ausführungen der zuständigen Stellen des BKM für den Staatsminister im Hinblick auf Unterlagen für den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nebst handschriftlichen Anmerkungen des Staatsministers und auf diese bezogene Vermerke.
70Was die Kabinettsvorlagen anbelangt, ist die zusätzliche Bemerkung veranlasst, dass auch diese zumindest bei abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - wie hier - nicht dem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen sind, der ohne weitere konkrete Beeinträchtigungen den Vertraulichkeitsschutz des § 3 Nr. 3 b) IFG genießt. Die Kabinettsvorlagen stellen keine gubernativen Entscheidungen dar und geben aus sich heraus auch keinen Aufschluss über die vertraulich zu behandelnden Beratungen im Kabinett selbst. Diesem gehört der BKM im Übrigen nach Art. 62 GG nicht an, weil er kein Bundesminister ist.
71Die von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 angesprochenen Wertungswidersprüche der vorstehenden Betrachtungsweise zum Geheimnisschutz innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht.
72§ 1 Abs. 1 IFG nimmt parlamentarische Angelegenheiten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes heraus.
73Vgl. erneut die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8.
74Sachlicher Grund dafür ist, dass parlamentarische Angelegenheiten, die der Rechtssetzung dienen oder anderweitig mandatsbezogen sind, ein spezifischer Bereich sind, in dem weisungsunabhängig und nach eigenen verfassungsrechtlichen Regeln gearbeitet wird.
75Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff.; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
76Dieser Bereich soll informationsfreiheitsrechtlich anders behandelt werden als die Tätigkeit der Verwaltung, die - auch und gerade in Gestalt von Regierungshandeln - durch das Informationsfreiheitsgesetz einer weitergehenden Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, geöffnet werden soll.
77Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 23.
782. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG ist gleichfalls nicht erfüllt.
79Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
80§ 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind.
81Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 186 ff.
82Neben der zwischen dem Hinweisgeber und der Behörde vereinbarten Vertraulichkeit setzt § 3 Nr. 7 IFG ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse des Dritten oder der Behörde an der vertraulichen Behandlung der Information voraus. Das Interesse an der Vertraulichkeit muss objektiv berechtigt sein. Andernfalls stünde der Informationszugang zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten. Er könnte sowohl einseitig durch den Informationsgeber und die Behörde als auch durch eine gegenseitig vereinbarte Vertraulichkeit unterlaufen werden. Die Annahme eines derart weitreichenden Ausnahmetatbestands ist dem tendenziell restriktiven System des § 3 IFG fremd.
83Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 -, juris Rn. 34 f.; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192 (unter Hinweis auf eine Vertraulichkeitsabrede des Bundes mit Toll Collect in einem Maut-Betreibervertrag).
84Die Kennzeichnung einer Information als vertraulich ist für ihre Schutzbedürftigkeit lediglich ein Indiz, welches die Behörde konkret und nachvollziehbar erhärten muss. Die Behörde muss auch im Hinblick auf § 3 Nr. 7 IFG darlegen, dass im Fall der Verneinung der Vertraulichkeit die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet ist.
85Vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192.
86Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
87Die Blätter 101 bis 109 und 1017 bis 1023 enthalten nach den Ausführungen der Beklagen Stellungnahmen zum geplanten Abgabenmaßstab der öffentlich-rechtlichen Sender zur Filmförderung mit unternehmensbezogenen Angaben zu Lizenzkosten, Kosten der Programmverbreitung, der Redaktion und des Rechteerwerbs. Allein die Abrede der Vertraulichkeit ordnet diese Informationen aber noch nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG zu. Die eher pauschal gehaltene Aussage der Beklagten, ihre Aufgabenerfüllung und diejenige der betroffenen Informationsgeber sei im Falle eines Informationszugangs gefährdet, substantiiert die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG nicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - auch von durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich garantierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten -,
88vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 41 BvF 4/11 -, DVBl. 2014, 649 = juris Rn. 44, vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, BVerfGE 119, 181 = DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 129 ff., und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 = DVBl. 1994, 465 = juris Rn. 147 ff., Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 -, BVerfGE 87, 181 = DVBl. 1992, 1594 = juris Rn. 71 ff.,
89vollzieht sich spezifisch nach Maßgabe des dafür vorgesehenen § 6 Satz 2 IFG. Aus diesem Grund müssen weder die Beklagte noch im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens hinzugezogene private Unternehmen oder sonstige Träger von Geschäftsgeheimnissen gewärtigen, dass sensible Informationen aus ihrem Geschäftsbereich - wie exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen - an die Öffentlichkeit oder an Konkurrenten gelangen und ihre Wettbewerbsposition dadurch nachteilig beeinflusst wird.
90Vgl. zum Schutzgehalt des § 6 Satz 2 IFG BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 131.
91Auch wenn die gesetzesvorbereitend tätig werdende Beklagte mit Informationszugangsansprüchen konfrontiert wird, muss sie ihr dabei zugetragene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dieser Dritten nicht herausgeben. Dies räumt die Besorgnis der Beklagten aus, Dritte könnten zukünftig von einer Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren wegen etwaiger Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetzes abgehalten werden.
92Auch bei dieser Lesart behält § 3 Nr. 7 IFG neben § 6 Satz 2 IFG einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 3 Nr. 7 IFG stellt einen Vertraulichkeitsschutz- wie dargelegt - dort bereit, wo die Vertraulichkeit für die behördliche Aufgabenerfüllung qualitativ von herausgehobener Bedeutung ist. Dies setzt § 6 Satz 2 IFG nicht voraus. Er gewährleistet im speziellen Feld der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Vertraulichkeitsschutz im Übrigen.
93Soweit die betroffenen Kreise, die sich an einem Gesetzgebungsverfahren mit Stellungnahmen beteiligen, nicht nur Geschäftsdaten, sondern auch ihre - zustimmende oder ablehnende - Haltung zu dem Gesetzesvorhaben vertraulich behandelt wissen wollen, fällt dies zwar für sich genommen aus dem Schutzbereich des § 6 Satz 2 IFG heraus. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass § 3 Nr. 7 IFG insofern einen Vertraulichkeitsschutz herstellen muss. Auch Unternehmen oder Verbänden, die sich inhaltlich zu einem Gesetzesprojekt positionieren, ist im Grundsatz zuzumuten, dies retrospektiv ggf. auch öffentlich zu vertreten. Von Unternehmen und Verbänden wird generell angenommen, dass sie - auch durch Lobbyarbeit und Interessenvertretung - an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Es ist im Allgemeinen weder ehrenrührig noch ihrer Geschäftstätigkeit sonstwie abträglich, falls dies im Nachhinein konkret bekannt wird. Die Befürchtung der Beklagten, die betroffenen Kreise gäben künftig bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren keine Stellungnahmen mehr ab, wenn ihre Positionierung bekannt würde, teilt der Senat deshalb nicht.
94Aus entsprechenden Gründen sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG bezüglich der - im Berufungsverfahren außerdem streitgegenständlich gebliebenen - Blattbereiche 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1016, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 nicht erfüllt. Abgesehen von unternehmensbezogenen und damit nach § 6 Satz 2 IFG geschützten Angaben umfassen diese Aktenteile- wie die Beklagte vorträgt - lediglich Äußerungen betroffener Kreise zum Abgabenmaßstab.
953. Weitergehende Ablehnungsgründe - in Sonderheit aus § 6 Satz 2 IFG - sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Schutz des § 6 Satz 2 IFG weiter reicht als von dem Verwaltungsgericht angenommen und auch die verbliebenen Aktenteile einschließt, für welche die Beklagte sich im Berufungsverfahren auf § 3 Nr. 7 IFG bezieht, legt die Beklagte nicht dar.
964. Um feststellen zu können, dass die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG - aber auch nach § 3 Nr. 7 IFG - nicht einschlägig sind, muss der Senat kein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einleiten. Dem in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, dass bei Herausgabe der auf S. 17 bis 23 der Berufungsbegründung vom 19. November 2012 bezeichneten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beeinträchtigt würden, muss der Senat nicht nachkommen.
97Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
98Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N.
99Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7.
101Gemessen daran ist ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst und der Hilfsbeweisantrag der Beklagten abzulehnen. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - eingehenden - Vortrags der Beklagten zu den Ausschlussgründen des § 3 Nr. 3 b) IFG - und auch des § 3 Nr. 7 IFG - lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Versagungstatbestände nicht gegeben sind. Die Beklagte hat den Gehalt der Unterlagen, die ihrer Ansicht nach § 3 Nr. 3 b) IFG bzw. § 3 Nr. 7 IFG unterfallen sollen, genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt indes zu dem beschriebenen Ergebnis.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
104Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Inhalt und Reichweite der Ausschlussgründe gemäߧ 3 Nr. 3 b) IFG und § 3 Nr. 7 IFG weiter auszudifferenzieren bzw. höchstrichterlich weitergehend zu klären.
Tenor
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1. Die Antragsgegnerin hat
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a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 gestellte Frage PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sich diese auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, und auf die schriftliche Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) soweit sich diese darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,
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b) die Antragstellerin zu 2. durch die Antwort auf die schriftliche Frage 7/132 von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,
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nach Maßgabe der Gründe in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.
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2. In dem unter B.II.2. genannten Umfang werden die Anträge verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
Gründe
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A.
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Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie wenden sich dagegen, dass die Bundesregierung, die Antragsgegnerin, verschiedene Anfragen zu Kriegswaffenexporten nicht oder nur unzureichend beantwortet habe. Die Fragen betrafen die nach Presseberichten angeblich von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung für die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2 an Saudi-Arabien sowie Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Algerien.
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I.
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1. Die Ordnung der Kriegswaffenexportkontrolle hat in Deutschland Verfassungsrang. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt nach Satz 2 ein Bundesgesetz.
- 3
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Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz - KWKG) regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Beförderung von Kriegswaffen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes sowie die Vermittlung und den Abschluss von Verträgen über den Erwerb oder das Überlassen von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden. Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 KWKG die in der dem Gesetz als Anlage beigefügten Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen. Die Ausfuhr von Kriegswaffen setzt nach § 3 Abs. 3 KWKG eine Beförderungsgenehmigung voraus. Über diese Genehmigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wird nach Ermessen entschieden, sofern keine zwingenden Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 KWKG vorliegen. Zu versagen ist die Genehmigung unter anderem, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG. Leitlinien für die Ermessensentscheidung bilden die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 19 vom 28. Januar 2000, S. 1299 ff.). Gemäß § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 4 KWKG können allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Dies erfolgt durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfen, § 8 Abs. 1 und 4 KWKG.
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Da alle Kriegswaffen im Sinne des KWKG zugleich in der Ausfuhrliste der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV - Anlage AL) aufgeführt sind, ist für deren Ausfuhr regelmäßig auch eine Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich (Ehrlich, in: Bieneck (Hrsg.), Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 4). Weitere Genehmigungsanforderungen für den Export militärisch relevanter Güter können sich aus Unionsrecht ergeben, namentlich aus der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Verordnung", ABl L 134 vom 29. Mai 2009, S. 1 ff.) zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 vom 19. April 2012 (ABl L 129 vom 16. Mai 2012, S. 12 ff.).
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Zuständig für die Erteilung oder Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach dem AWG und der AWV ist gemäß § 13 Abs. 1 AWG grundsätzlich das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gehörende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl I 2013 S. 1482) am 1. September 2013 ergab sich diese Zuständigkeit aus § 28 Abs. 3 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18. Juli 1977 (BGBl I S. 1308), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (BGBl I S. 1595).
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Die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen liegt nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 KWKG bei der Bundesregierung. Durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf bestimmte Bundesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zu übertragen. Von dieser Delegationsbefugnis hat die Bundesregierung mit Erlass der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 344 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407, 2453) Gebrauch gemacht. Durch § 1 der Ersten Durchführungsverordnung wird die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für den Bereich der Bundeswehr auf das Bundesministerium für Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1), für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf das Bundesministerium der Finanzen (Abs. 1 Nr. 2), für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf das Bundesministerium des Innern (Abs. 1 Nr. 3) und für alle übrigen Bereiche auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Abs. 1 Nr. 4) übertragen. Für die Beförderung von Kriegswaffen mit deutschen Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im Ausland überträgt § 1 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das diese Befugnis nach Satz 2 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausübt.
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§ 10 KWKG enthält Bestimmungen über Inhalt und Form der Genehmigung, die weiteren Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind geregelt in der auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 KWKG von der Bundesregierung erlassenen Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes über die Zusammenlegung des Bundesamtes für Wirtschaft mit dem Bundesausfuhramt vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1956).
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In der Praxis der Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz hat sich das gesetzlich nicht geregelte Institut der Voranfrage herausgebildet. Durch eine Voranfrage kann ein Unternehmen frühzeitig klären, ob die für ein beabsichtigtes Exportgeschäft erforderliche Genehmigung voraussichtlich erteilt würde. Über Voranfragen wird nach den gleichen Kriterien entschieden wie über Genehmigungsanträge. Voranfragen zu Kriegswaffenausfuhren sind an das Auswärtige Amt und bei sonstigen Rüstungsgütern an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu richten. Auch das weitere Verfahren entspricht der Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigungserteilung. Bedeutende Vorhaben werden dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Die Voranfrage ersetzt nicht die - im Regelfall erst nach Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages - zu beantragende Genehmigung (siehe zum Ganzen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausgegebenen "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2013 - Rüstungsexportbericht 2013" vom Mai 2014, S. 6 f.).
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Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst (Rüstungsexportbericht 2013, S. 7). Beim Bundessicherheitsrat handelt es sich um einen Kabinettausschuss zur ressortübergreifenden Koordinierung von Aspekten der Verteidigungs- und Außenpolitik sowie von Gesichtspunkten des Außenwirtschaftsrechts (Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 97). Den Vorsitz im Bundessicherheitsrat führt die Bundeskanzlerin, weitere Mitglieder sind die Bundesministerinnen und Bundesminister des Auswärtigen, des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der Verteidigung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Chef des Bundeskanzleramtes (Rüstungsexportbericht 2013, ebd.). Andere Teilnehmer werden bei Bedarf mit beratender Stimme hinzugezogen, so etwa andere Bundesministerinnen und -minister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle usw. Die Abstimmung im Bundessicherheitsrat erfolgt nach den Grundsätzen, die § 24 der Geschäftsordnung der Bundesregierung für Kabinettsitzungen vorsieht. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates werden durch ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes interministerielles Sekretariat und einen Ausschuss auf Staatssekretärsebene vorbereitet. Die Ergebnisse der Beratungen des Bundessicherheitsrates werden in Sitzungsprotokollen festgehalten, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" eingestuft sind (zum Ganzen Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 35 ff.; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <471 ff.>).
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2. Die Bundesregierung informiert durch ihre jährlichen Rüstungsexportberichte über die im vorangegangenen Kalenderjahr erteilten Genehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren von Kriegswaffen. Die Berichte werden bislang regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht (zu beabsichtigten Änderungen siehe Rn. 103). Sie enthalten statistische Angaben zu den erteilten Genehmigungen ohne Nennung des jeweiligen Exportunternehmens und Angaben in allgemeiner Form zu abgelehnten Anträgen. Begründungen für die Genehmigung oder Ablehnung eines Rüstungsexportgeschäftes werden nicht mitgeteilt soweit nicht nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99 ff.) im Rahmen der danach vorgesehenen Ablehnungsanzeigen (sogenannte denial notifications) Ablehnungsgründe mitgeteilt wurden. Auch über die in dem jeweiligen Berichtsjahr beschiedenen Voranfragen betreffend die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben wird nicht berichtet (siehe zum Ganzen Rstungsexportbericht 2013, S. 17).
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Bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen beruft sich die Bundesregierung in ständiger Praxis darauf, dass Sitzungen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates der Geheimhaltung unterlägen und deshalb keine Auskunft gegeben werden könne (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 2; 14/1466 S. 2; 14/1938, S. 3; PlenProt 14/68, S. 6063 A, 6066 A; BTDrucks 14/2483, S. 27 f.; 14/3619, S. 4 und 5; 14/3657, S. 3; 14/6958, S. 1 f.; 15/288, S. 26; 15/5998, S. 16; 16/7969, S. 6; PlenProt 16/97, S. 9947 C; PlenProt 16/99, S. 10101 D, 10102 A; zu einzelnen Ausnahmen vgl. etwa PlenProt 14/68, S. 6063 D und PlenProt 16/223, S. 24509).
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Zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben äußert sich die Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen grundsätzlich nicht (vgl. BTDrucks 17/10520). Teilweise wurde in der Vergangenheit allerdings mitgeteilt, ob eine Voranfrage hinsichtlich der Genehmigungsaussichten eines bestimmten Exportgeschäfts (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 1 und 2; 14/1466, S. 2; PlenProt 14/107, S. 10045 C und D, 10046 B; BTDrucks 14/3619, S. 2 und 3; 16/7969, S. 6) oder ein Genehmigungsantrag vorliegt (vgl. BTDrucks 14/3619, S. 3; 14/4213, S. 25; 14/4364, S. 3; 15/4295, S. 21 f.; 16/3430, S. 3; 17/9710, S. 12; 17/2889, S. 3). Nach Darstellung der Bundesregierung wird über abgelehnte Anträge, soweit sie den Bundessicherheitsrat involvieren, überhaupt nicht, ansonsten nur in Form des Rüstungsexportberichts Auskunft gegeben (vgl. PlenProt 17/161, S. 19141 B).
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Die Gründe für die Ablehnung von Anträgen teilt die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen hin grundsätzlich nur mit, wenn diese nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP ohnehin als denial notification anzuzeigen sind (vgl. BTDrucks 16/12673, S. 8; 17/8275, S. 11 f.; 17/3391, S. 8).
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II.
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Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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1. Anfang Juli 2011 berichteten mehrere Zeitschriften, Saudi-Arabien habe an mehr als 200 Panzern "Leopard" in der modernsten Version Interesse. Der Bundessicherheitsrat habe den Export grundsätzlich gebilligt. Die Artikel kritisierten die Panzerlieferung unter Verweis darauf, dass saudi-arabische Truppen im benachbarten Bahrain geholfen hätten, Proteste gegen die Regierung niederzuschlagen, und dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jüngerer Zeit stets abgelehnt worden seien. Zudem wurde berichtet, Deutschland wolle mit Algerien "milliardenschwere Rüstungsexporte abwickeln".
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2. In der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 6. Juli 2011 stellte der Abgeordnete Volker Beck die dringliche Frage 1, wie die Bundesregierung die Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der Lage im Nahen Osten rechtfertige. Hierauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, nach allgemeinen Ausführungen über die Entscheidungsgrundlagen für Rüstungsexporte (PlenProt 17/119, S. 13797 D):
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" (...) Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der Bundessicherheitsrat. (...) Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt. Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim eingestuft. Daher kann - dafür haben Sie sicherlich Verständnis - die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders.
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Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern - entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes.
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Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. (...)"
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Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beck hin führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto unter anderem aus:
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"Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen, dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es ist sogar so, dass man sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit Dienstgeheimnisse preisgäbe. (…) Weil das so ist - weil der Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im Einzelnen Stellung nehmen. (...) Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."
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Nach weiteren Zusatzfragen stellte der Antragsteller zu 1. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D):
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"Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen - also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden, dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere Repression sowie um eine fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche Voraussetzungen vorliegen, nach den Richtlinien für Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in Betracht kommen?"
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Antwort Otto:
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"Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und ähnliche Dinge vorkommen - sind nicht an den Bundeswirtschaftsminister zu richten."
- 21
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Der Bundestagspräsident wies darauf hin, dass die Antworten unbeschadet der Aufteilung auf die Ressorts an die Regierung gerichtet und von dieser beantwortet würden.
- 22
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Nach einer weiteren Zusatzfrage stellte die Antragstellerin zu 2. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13803 D):
-
" (...) Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden."
- 23
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Antwort Otto:
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"Korrekt".
- 24
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Die Antragstellerin zu 2.:
-
"Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine Rolle spielen."
- 25
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Antwort Otto:
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"Keine ausschlaggebende."
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Die Antragstellerin zu 2.:
-
"Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des Bundessicherheitsrates beschäftigungspolitische oder gar industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben?"
- 27
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Antwort Otto:
-
"Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das klarzustellen, die entsprechende Stelle der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind. Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen."
- 28
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Die Antragstellerin zu 3. schloss die Zusatzfrage an (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B):
-
" (...) Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der seriösen Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Aus Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt, es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der jeweiligen Region abhängig?"
- 29
-
Antwort Otto:
-
"Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen. Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. (…)
-
Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt. Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen.
-
Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt ist."
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Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:
-
"Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen, damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine Differenz. Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: (...)"
- 31
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Nach weiteren Zusatzfragen zur Rolle Saudi-Arabiens in Bezug auf terroristische Aktivitäten und die Ereignisse in Bahrain stellte der Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt die Zusatzfrage, ob die Bundeskanzlerin die Ermächtigung erteilen könne, über Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskunft zu geben, und ob eine politische Begründung genannt werden könne, weshalb sie dies nicht tue.
- 32
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Antwort Otto:
-
"Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, (...) dass der Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat, dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. (...)"
- 33
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Anschließend wurde die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1) (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13807 A):
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"Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"
- 34
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Antwort Otto:
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"Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vorliegen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die Bundesregierung von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege Ströbele, gilt unverändert fort."
- 35
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Der Antragsteller zu 1. stellte folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C):
-
"Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus.
-
Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder.
-
Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss, diese Frage an Sie."
- 36
-
Antwort Otto:
-
"Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele, das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates und die Rüstungsexportpolitik in einem jährlichen Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das Parlament beteiligt.
-
Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. Die Annahme, dass ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das ist nicht die Meinung der Bundesregierung."
- 37
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Der Antragsteller zu 1. stellte folgende zweite Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A):
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"Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen 1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"
- 38
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Antwort Otto:
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"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe; das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -: Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig."
- 39
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Zu weiteren Zusatzfragen zu bisherigen Anfragen Saudi-Arabiens wegen des Erwerbs von Panzern führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto aus:
-
"Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere. Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt, Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis."
- 40
-
Nach weiteren Zusatzfragen zur Auslegung und Verbindlichkeit der Rüstungsexportrichtlinien, zur Bundesregierung als dem "Erfüllungsgehilfen der deutschen Rüstungslobby" und zum Entscheidungsverfahren im Bundessicherheitsrat wurde die dringliche Frage 3 der Antragstellerin zu 2. (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13810 D):
-
"Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren?"
- 41
-
Antwort Otto:
-
"Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen gegenüber."
- 42
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Die Antragstellerin zu 2. stellte die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A):
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"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden."
- 43
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Antwort Otto:
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"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze, sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher."
- 44
-
Als im Folgenden thematisiert wurde, ob es einen Austausch mit anderen Regierungen im Hinblick auf die Genehmigung gegeben habe, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Otto:
-
" (…) Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem Markt verhandelt werden können. (…) Sicherheitspolitische Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das gilt unabhängig von Rüstungsexportfragen. (…) Das sind Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. (…)"
- 45
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Später wurde die dringliche Frage 4 des Abgeordneten Niema Movassat aufgerufen:
-
"Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen?"
- 46
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Hierzu stellte die Antragstellerin zu 3. folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B):
-
"Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind.
-
Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde - Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung der Region beitragen?"
- 47
-
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
-
"Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu akzeptieren. Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet. 2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr. Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt - für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall war."
- 48
-
3. Im Juli stellte die Antragstellerin zu 2. die schriftliche Anfrage an die Bundesregierung (Frage 7/132; BTDrucks 17/6658, S. 24):
-
"Wann hat die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz bzw. dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt (vgl. Handelsblatt, "Deutschland gibt Rüstung für Algerien frei", 3. Juli 2011) und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt sie jeweils für die Genehmigung an?"
- 49
-
Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, am 15. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24 f.):
-
"Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation. Grundlage hierfür sind (…).
-
Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst. (…).
-
Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Tagesordnung und Ergebnisse sind ebenso eingestuft. Daher kann die Bundesregierung zu den Presseberichten über Entscheidungen des Bundessicherheitsrats keine Stellung nehmen.
-
Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung ergibt sich vorrangig aus dem Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Der Schutz der Interessen des Empfängerlands ist ein weiterer Grund.
-
Die Bundesregierung informiert über die erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Algerien in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien werden insbesondere die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen den Terrorismus, die legitimen Sicherheitsinteressen Algeriens sowie die Menschenrechtslage in Algerien berücksichtigt."
- 50
-
Am 8. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/84; BTDrucks 17/6658, S. 56):
-
"Inwieweit trifft im Einzelnen zu, dass die Bundeswehr schon im 3. Quartal dieses Jahres - also in den jetzigen Monaten - Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller schicken lassen) wird und dort - wie schon zu Anfang 2011 in Katar - auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit testen lassen will, wie am 24. Mai 2011 der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, [Herr] E., oder ein anderer Redner von dem Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der öffentlichen Soldaten-Verabschiedung nach Afghanistan angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien?"
- 51
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Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt am 18. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 56):
-
" (…) Nach den im BMVg vorliegenden Redetexten der Veranstaltung vom 24. Mai 2011 beim Panzerbataillon 33 lässt sich nicht erkennen, dass einer der Redner die Aussage getätigt hat, Leopard-Panzer sollen durch die Bundeswehr, oder in deren Auftrag durch den Hersteller KMW, in Saudi-Arabien getestet werden.
-
Ich darf Ihnen mitteilen, dass weder die Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte die Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit von Leopard-Panzern in Saudi-Arabien feststellen lässt."
- 52
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Am 14. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/193; BTDrucks 17/6658, S. 28):
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"Welche Angaben macht die Bundesregierung zu getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausschüsse oder nachgeordneten Stellen betreffend die Lieferung von ca. 200 Panzer LEO in die Krisenregion am arabischen Golf nach Saudi-Arabien, insbesondere zu der bisherigen Verbindlichkeit der Entscheidungen und zu den Inhalten der Entscheidungen wie Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuellen Auflagen zum Einsatz in diesem Land oder in anderen Ländern, und wie rechtfertigt die Bundesregierung Entscheidungen über diese Kriegswaffenexporte angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach denen solche Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien, in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt werden, nicht in Betracht kommen?"
- 53
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Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 29):
-
"Der Bundesregierung sind die aktuellen Presseberichte über eine angebliche rüstungsexportkontrollpolitische Entscheidung des Bundessicherheitsrats zur Ausfuhr von 200 Panzern Leopard nach Saudi-Arabien bekannt. Tagesordnung und Entscheidungen des Bundessicherheitsrats unterliegen der Geheimhaltung. Daher kann die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen.
-
In allgemeiner Form kann jedoch gesagt werden:
-
Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die 'Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern' aus dem Jahr 2000 und der 'Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern'. Der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland und den Möglichkeiten eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts kommen im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.
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Saudi-Arabien ist ein stabilisierender Faktor in der Region und wichtiger Partner der Bundesrepublik Deutschland.
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Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien setzt sich die Bundesregierung für die Einhaltung von demokratischen Werten und Menschenrechten ein. (…)
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(…) Die Bundesregierung verfolgt die aktuellen Entwicklungen in Saudi-Arabien und der Region sehr genau."
- 54
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Am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26):
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"Wie begründet die Bundesregierung die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien angesichts der geltenden Richtlinien für Rüstungsexporte, die Waffengeschäfte mit [Staaten wie] Saudi-Arabien aufgrund der hinreichenden Belege für massive und alltägliche Menschenrechtsverletzungen verbieten?"
- 55
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Die Antwort des Staatssekretärs beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer für die Bundesregierung am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26 f.) ist wortgleich mit der am gleichen Tag erteilten Antwort auf die Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011.
- 56
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Ebenfalls am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27):
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"Welche Angaben macht die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag gegenüber zum bekannt gewordenen Zustandekommen der Leopard-Kampfpanzerlieferung an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"
- 57
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Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27):
-
"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, die im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäfte stehen könnten. Anderenfalls wären bereits die Strafverfolgungsbehörden unterrichtet worden. Im Übrigen wird auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 verwiesen."
-
III.
- 58
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Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Antragsgegnerin dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden, dass ihre oben wiedergegebenen Fragen beziehungsweise Nachfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2011 und ihre oben wiedergegebenen schriftlichen Fragen durch die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise unzureichend beantwortet worden seien.
- 59
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1. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an. Insbesondere sei die Bundesregierung die richtige Antragsgegnerin. Sie könne nicht etwa auf eine Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates verweisen, denn der Informationsanspruch der Abgeordneten und des Gesamtparlaments richte sich nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegen die Bundesregierung. Außerdem sei der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss der Antragsgegnerin und damit Teil derselben.
- 60
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2. Durch die Art der Beantwortung der Fragen habe die Antragsgegnerin sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.
- 61
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a) Aus Art. 38 Abs. 1 GG folge ein Informationsanspruch der Abgeordneten, dem hier auch angesichts der Regelung des Art. 26 Abs. 2 GG keine wesentlichen Schranken - etwa durch Geheimhaltungsbedürftigkeit im Hinblick auf den Bundessicherheitsrat als besonderen Entscheidungsträger - gesetzt werden könnten.
- 62
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Art. 26 Abs. 2 GG sei als Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu verstehen. Die Genehmigung selbst müsse jeweils unter Berücksichtigung der Ziele des Art. 26 Abs. 1 GG, jede Friedensstörung möglichst weitgehend zu vermeiden, gerechtfertigt werden. Dass Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 GG "nur mit Genehmigung der Bundesregierung" in Verkehr gebracht werden dürften, spreche im Zusammenhang mit Art. 62 GG dafür, dass nur die gesamte Bundesregierung im Kabinett eine entsprechende Entscheidung treffen könne. Eine Delegation an ein anderes Gremium sei in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls müsse die Bundesregierung selbst dann, wenn eine solche Delegation möglich wäre, in vollem Umfang die Verantwortung für die getroffenen Maßnahmen übernehmen.
- 63
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Weil Art. 26 Abs. 2 GG der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zuweise und die Ausübung dieser Verantwortung effektiv nur durch das Parlament kontrolliert werden könne, bestehe eine besonders stringente Informationspflicht gegenüber dem Parlament. Andere Kontrollmechanismen seien nur bedingt wirksam. Hinsichtlich der Genehmigungen bestehe im Wesentlichen ein ungebundenes Ermessen mit der Folge besonderer Korruptionsanfälligkeit. Dies zeigten auch die Feststellungen des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 14. Wahlperiode zu Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien. Vor dem damaligen Untersuchungsausschuss hätten die Zeugen Dr. Kohl und Genscher öffentlich über den Gang der Beratungen und die Entscheidung im Bundessicherheitsrat detailliert ausgesagt.
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Das Informationsinteresse der Antragsteller sei vorliegend zudem besonders hoch gewesen. Die Pressemeldungen über den Export von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien hätten bei vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und in der Öffentlichkeit zu Unruhe und Empörung geführt, weil die Bundesrepublik die Demokratiebewegungen des "arabischen Frühling(s)" begrüßt und unterstützt habe, gerade die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien aber einige Wochen vorher nicht nur Demokraten im eigenen Land unterdrückt und systematisch Menschenrechte verletzt habe, sondern auch in Bahrain mit Panzern eingerückt sei, um zu helfen, die Demokratiebewegung dort blutig niederzuwalzen. Dies sei wiederum von zahlreichen Regierungen und Abgeordneten übereinstimmend verurteilt worden. Gerade die Leopard-Panzer Typ 2 A7 seien besonders ausgerüstet und geeignet für den Einsatz gegen Menschenmengen und für den Straßenkampf.
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b) Geheimhaltungsgründe, die dem parlamentarischen Informationsrecht entgegenstehen könnten, habe die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise nicht substantiiert dargetan. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats könne einen Geheimhaltungsbedarf nicht bindend gegenüber dem Parlament begründen. Im Übrigen könne und müsse die Geheimhaltung aufgehoben werden, wenn keine hinreichenden Gründe für diese bestünden.
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Die Antragsgegnerin könne nicht auf die Erfüllung des parlamentarischen Informationsanspruchs durch den jährlichen Rüstungsexportbericht verweisen. Nicht die Antragsgegnerin bestimme, in welcher Weise und wann das Parlament Informationen erhalte, sondern allein das nach den Maßgaben der Geschäftsordnung des Bundestages an sie herangetragene Informationsbegehren.
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Die Geheimhaltungsbedürftigkeit könne auch nicht mit rechtlich geschützten Interessen der Exporteure begründet werden. Da deren Geschäfte von der Verfassung gerade grundsätzlich missbilligt würden, fehle es an einer verfassungsrechtlich schützenswerten Rechtsposition. Hersteller und Verkäufer von Kriegswaffen müssten ebenso wie Abnehmer mit Rücksicht auf die Friedensverpflichtung aus Art. 26 GG mit einer nur eingeschränkten Geltung von Betriebsgeheimnissen jedenfalls gegenüber dem Parlament rechnen. Dass Saudi-Arabien Interesse am Kauf deutscher Panzer einer bestimmten Firma habe, sei überdies seit Jahren bekannt und kein schützenswertes Betriebsgeheimnis mehr.
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Einen Schutz des Kernbereichs der Entscheidungsfindung könne die Antragsgegnerin grundsätzlich nur bei laufenden Vorgängen in Anspruch nehmen. Solange sie nicht klar sage, ob und von wem eine Entscheidung überhaupt getroffen worden sei, berufe sie sich nicht substantiiert auf den Kernbereichsschutz. Der Gesichtspunkt der "Aufklärung von Missständen" gebiete zudem vorliegend einen engen Zuschnitt des Kernbereichs auch bei laufenden Vorgängen. Überdies sei der Vorgang bereits mit der politischen Entscheidung des Bundessicherheitsrates und nicht etwa erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids "abgeschlossen" im Sinne der Kernbereichs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gelte auch bei Voranfragen. Die Fragen der Antragsteller seien zudem gerade nicht auf die Ausforschung der Willensbildung der Regierung gerichtet, sondern wollten nur die Kontrolle von gefällten Entscheidungen ermöglichen. Bei einer gegenüber Volk und Parlament verantwortlichen Regierung verbiete es sich, die öffentliche oder parlamentarische Debatte selbst als Eingriff in den Kernbereich der Regierung oder als "verbotenes Mitregieren" anzusehen.
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Auf eine Beeinträchtigung des Staatswohls durch eine Offenlegung des "Ob" und der Einzelheiten einer Genehmigungsentscheidung habe sich die Antragsgegnerin bisher hinsichtlich des Rüstungsexportes nach Saudi-Arabien nicht klar berufen. Sollte sie anführen wollen, dass die Offenlegung von Einzelheiten über den Export zur Beeinträchtigung des Verhältnisses zu anderen Staaten führen könne, so stimme dieses Bild nicht mit den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG überein. Da vor den friedenssichernden Zielen des Art. 26 GG jeder Export rechtfertigungsbedürftig sei und im demokratisch verfassten Deutschland eine Rechtfertigung grundsätzlich öffentlich vor dem Parlament erfolge, könne die Ausübung der Kontrollpflichten des Bundestages das Staatswohl nicht beeinträchtigen.
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Soweit die Antragsgegnerin nun im Organstreitverfahren auf sicherheits- und verteidigungspolitische Belange verweise, fehle es am konkreten Bezug zu den Fragen. Das sicherheitspolitische Interesse der Bundesrepublik an Panzerlieferungen auf die arabische Halbinsel erschließe sich nicht. Auf die Belastung außenpolitischer Beziehungen durch Bekanntwerden kritischer Bewertungen potentieller Empfängerländer könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil im Fall Saudi-Arabien die Menschenrechtslage jährlich durch den Menschenrechtsbericht öffentlich kritisch bewertet werde. Selbst wenn an einzelnen Punkten Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen sollte, hätte die Antragsgegnerin das Parlament vertraulich informieren müssen.
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Es handle sich auch nicht um unzulässige hypothetische Fragen. Frageziel der Antragsteller sei gewesen zu erfahren, ob eine politische Entscheidung getroffen worden sei und welche Bewertungen dieser Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Die Fragen hinsichtlich der Bewertung seien nur deshalb "hypothetisch" gewesen, weil die Antragsgegnerin rechtswidrigerweise schon die Antwort auf das "Ob" verweigert habe.
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Angesichts der öffentlichen Diskussion dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin sich hinter dem Argument der Geheimhaltung verstecke. Die Verfassung berechtige die Antragsgegnerin jedoch nicht zu einer alleinigen Steuerung des gesamten parlamentarischen und öffentlichen Kommunikationsprozesses im Bereich der Rüstungsexporte. Andere Staaten ließen hier mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle zu. Die Antragsgegnerin dürfe nicht den Zeitpunkt einer öffentlichen Debatte beeinflussen und diese fern der politischen Entscheidung halten. Politische Debatten fänden zeitnah zur Entscheidung der Regierung statt.
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3. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerin habe die Frage, ob die thematisierten Waffenlieferungen von der Bundesregierung genehmigt worden seien, mit dem bloßen Hinweis auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat beantwortet. Fragen zu Einzelheiten der Waffenlieferungen habe sie überhaupt nicht beantwortet. Vielmehr habe sie lediglich allgemeine Erwägungen zu dem Für und Wider von Waffengeschäften unter Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen und Rüstungsexportrichtlinien mitgeteilt.
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a) Hinsichtlich der dringlichen Anfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13807 A) habe die Antragsgegnerin Bezug genommen auf Antworten, die auf die vorangegangene dringliche Frage des Abgeordneten Volker Beck und die dazu gestellten Zusatzfragen gegeben worden seien. Mit dem auf diese Weise in Bezug genommenen Hinweis auf die Geheimhaltung für Sitzungen des Bundessicherheitsrates sei jegliche Antwort darauf verweigert worden, ob überhaupt schon eine Genehmigung für die Panzerlieferung erteilt worden sei. Schon gar nicht sei die Teilfrage beantwortet worden, ob "nützliche Aufwendungen" gezahlt worden seien und wer am Zustandekommen des Kriegswaffengeschäfts beteiligt gewesen sei.
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Hinsichtlich einer Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13802 D) sei seitens der Antragsgegnerin die Antwort mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit anderer Ressorts verweigert worden. Auch ein Hinweis des Bundestagspräsidenten habe nicht zu einer ergänzenden Antwort geführt. Insbesondere sei die Teilfrage nicht beantwortet worden, ob nach dem Wortlaut der Rüstungsexportrichtlinien eine Lieferung von Kriegswaffen in Länder, in denen fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt würden, gar nicht in Betracht komme.
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Hinsichtlich der ersten Nachfrage des Antragstellers zu 1. zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) habe die Antragsgegnerin Informationen über den Preis der Leopard-Panzer in Deutschland und darüber, wieviel Saudi-Arabien dafür zahle, vollständig verweigert. Damit bleibe sie eine Antwort auf die implizite Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, schuldig.
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Mit seiner zweiten Nachfrage zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A) habe der Antragsteller zu 1. ersichtlich wiederum Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht. Die Antragsgegnerin habe die Antwort darauf mit dem generellen Hinweis auf ein Offenbarungsverbot umfassend verweigert.
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Auch die schriftliche Frage des Antragstellers zu 1. nach getroffenen Entscheidungen betreffend die Panzerlieferung, zu deren Verbindlichkeit und Inhalten wie Verkaufspreisen, Lieferbedingungen und Auflagen (Frage 7/193) sei wiederum nicht beantwortet worden.
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In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 des Antragstellers zu 1. habe die Bundesregierung verschwiegen, dass in der Zeit vom 26. Juni bis 30. Juli 2011 sehr wohl deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 auf ihre Klima- und Wüstentauglichkeit unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten getestet worden seien, und zwar in dem Golfstaat Arabische Emirate. Mit ihrer unvollständigen Antwort, die ausschließlich am Wortlaut der Frage orientiert sei, ignoriere die Bundesregierung bewusst den offensichtlichen Sinn und das Ziel der Fragestellung.
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b) Die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. nach den Gründen der Entscheidung über die Lieferung der Leopard-Panzer (PlenProt 17/119, S. 13810 D) sei nicht beantwortet worden, weil die Antragsgegnerin schon den Mantel des Schweigens darüber decke, ob überhaupt ein Export genehmigt worden sei. Gleiches gelte für beide Zusatzfragen der Antragstellerin zu 2. nach Vorkehrungen und Vertragsbedingungen gegen den Einsatz der Leopard-Panzer zur inneren Repression in Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13811 A) und nach der Rolle beschäftigungs- und industriepolitischer Gründe bei der Entscheidung (PlenProt 17/119, S. 13803 D).
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Die schriftliche Anfrage 7/132 nach der Genehmigung des Verkaufs von Panzern und Rüstungsgütern nach Algerien und den Gründen dafür sei mit dem bloßen Hinweis auf die Geheimhaltung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates überhaupt nicht beantwortet worden.
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c) Die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 3. nach der Konsultation von Israel und den USA vor der Entscheidung über den Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) sei wiederum im Kern allein mit der Begründung nicht beantwortet worden, dass schon das "Ob" der Entscheidung geheim sei.
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Die Antragsgegnerin habe auch nicht die Frage beantwortet, ob Entwicklungshilfe an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könne, weil Homosexualität dort verfolgt werde, während Panzer geliefert werden könnten (PlenProt 17/119, S. 13814 B).
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Die Antwort auf die konkret gestellte schriftliche Frage Nr. 7/174 der Antragstellerin zu 3. nach der Begründung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien werde mit Verweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verweigert, weil die Antragsgegnerin wiederum schon die Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, nicht beantworten wolle.
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Hinsichtlich der schriftlichen Frage Nr. 7/175 der Antragstellerin zu 3. habe die Antragsgegnerin eine Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden sei, nämlich nach "gesetzeswidrigen Zahlungen". Gefragt gewesen sei nach "nützlichen Aufwendungen", die nicht gesetzeswidrig sein müssten und die bis 1999 steuerabzugsfähig gewesen seien. Den letzten Frageteil nach "Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Waffengeschäfts" habe die Antragsgegnerin vollkommen ignoriert.
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IV.
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Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.
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1. Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs in Form der Geheimhaltungsbedürftigkeit und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung würden durch Art. 26 Abs. 2 GG nicht relativiert. Ob es sich bei Art. 26 Abs. 2 GG um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handle, sei zweifelhaft. Die Einbindung des Bundessicherheitsrates, dessen Entscheidungen lediglich politische, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zukomme, sei rechtlich unbedenklicher Ausdruck der Organisationskompetenz der Antragsgegnerin. Jedenfalls begründe aber die grundgesetzliche Sensibilität gegenüber dem Umgang mit Kriegswaffen, die in Art. 26 GG zum Ausdruck komme, keine herausgehobene Stellung des Parlaments und damit auch keine gesteigerten Informationsrechte. Die Norm schaffe keinen Entscheidungsverband von Parlament und Regierung, sondern weise im Gegenteil gerade der Bundesregierung eine bedeutende Rolle zu. Der Verweis auf fehlende gerichtliche Kontrolle und Korruptionsgefahr sei nicht ausschlaggebend, da die Antragsgegnerin ihre Rüstungsexportpolitik einmal im Jahr im Rüstungsexportbericht offenlege.
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Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Sitzungen des Bundessicherheitsrates gründe in dem Schutz der Integrität der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und des Kabinetts in sicherheits- und verteidigungspolitischen Belangen sowie dem Schutz der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern. Ferner gehe es um die grundsätzlich schutzwürdigen Belange anderer Staaten und um die Wahrung von Betriebsgeheimnissen der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Diese Gründe stünden auch der Veröffentlichung des "Ob" einer Sitzung, von deren Ergebnissen und ihrer Begründung entgegen. Insbesondere kritische Bewertungen potentieller Empfängerländer seitens des Bundessicherheitsrates würden im Fall des Publikwerdens regelmäßig die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu diesen Ländern belasten. Außerdem könnten sie Rückschlüsse auf die Informationsquelle zulassen und damit die schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich in ihren Menschenrechtsberichten kritisch zur Menschenrechtslage in einzelnen Ländern äußere, folge nicht, dass eine öffentliche Debatte über konkrete Exportgenehmigungsentscheidungen die außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen könnte. Das Bestreben, im diplomatischen Kontakt auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken, würde konterkariert, wenn die betroffenen Staaten in öffentlicher Debatte in verletzender Weise kritisiert würden. Auch in anderen europäischen Ländern finde keine direkte Mitwirkung der Parlamente an konkreten Ausfuhrentscheidungen statt. Dem Bundestag stehe es frei, sich kritisch zu möglichen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu äußern und die Antragsgegnerin zu einem entsprechenden Genehmigungsverhalten aufzufordern. Die Antragsgegnerin sei allerdings nicht verpflichtet, hierfür die begehrten Informationen und Bewertungen beizusteuern.
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Schließlich seien gerade bei den vom Bundessicherheitsrat zu entscheidenden besonders sensiblen Einzelfällen verfassungsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse gefährdet, da die betroffenen Unternehmen regelmäßig schon in einem sehr frühen Stadium der Geschäftsanbahnung eine Voranfrage stellten. In diesem Stadium könnte ein Bekanntwerden der Geschäftsabsichten jedoch Konkurrenten auf die Geschäftsgelegenheit hinweisen und potentiellen Gegnern die Gelegenheit geben, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erwägungen hätten im Grundsatz auch für Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen Geltung. Deshalb erfolgten Mitteilungen über erteilte Ausfuhrgenehmigungen auch im Rüstungsexportbericht grundsätzlich in anonymisierter Form (Umschreibung des ausgeführten Guts und Nennung von Wert und Empfängerland). Auch dort, wo Gerüchte über Geschäfte kursierten oder potentielle Abnehmer ihr Erwerbsinteresse öffentlich bekundeten, würde eine Bestätigung den Informationen den "Stempel des Offiziellen" geben und damit in Geschäftsgeheimnisse eingreifen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bereits die Überschaubarkeit des jeweiligen Marktes einer Annahme von Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe.
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Dem Begehren der Antragsteller nach zeitnaher Information zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates stehe ferner der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Eine Offenbarung des Sitzungsverlaufs im Bundessicherheitsrat komme grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt in Betracht, weil andernfalls "einengende Vorwirkungen" wegen nachträglich zu erwartender Kontrolle zu gewärtigen wären. Eine gerade in Sicherheitsfragen existentielle Vertraulichkeit des Austausches unter Regierungsmitgliedern wäre dann nicht mehr gewährleistet. Die Bundessicherheitsratsentscheidung sei dem rein regierungsinternen Bereich der Willensbildung zuzurechnen. Bis zur Umsetzung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates durch Bescheide gegenüber den antragstellenden Unternehmen handle es sich noch um einen laufenden Vorgang. Auch nach diesem Zeitpunkt würde eine Information des Parlaments aber zu einem unzulässigen "Mitregieren" führen. Durch eine unmittelbar bevorstehende öffentliche Diskussion entstünde erheblicher Druck auf die Mitglieder des Bundessicherheitsrates. Ihre Entscheidungsfindung wäre beeinträchtigt, weil sie davon ausgehen müssten, sich einerseits kurzfristig für die getroffene Entscheidung öffentlich rechtfertigen zu müssen, sich andererseits aber aus objektiven Geheimhaltungsgründen nicht umfassend und sachgerecht äußern zu können und der Kritik weitgehend schutzlos ausgeliefert zu sein. Dies würde dazu führen, dass sachgerechte, aber objektiv geheimhaltungsbedürftige Aspekte bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt blieben. Auch in der mit einem frühen Bekanntwerden einhergehenden De-facto-Vereitelung eines Rüstungsgeschäfts aufgrund der Information von Konkurrenten oder des Rückzugs des potentiellen Vertragspartners liege ein unzulässiges Mitregieren in Form eines unmittelbaren Einflusses des Parlaments auf die Regierungsentscheidung. Eine Veröffentlichung nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Bundestages könne diese Folgen nicht verhindern. In ihrem innersten Bereich müsse die Regierung selbst dann keine parlamentarische Beteiligung dulden, wenn das Parlament besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliege.
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Ein Informationsanspruch des Parlaments komme nur mit zunehmendem zeitlichen Abstand in Betracht. Die Sensibilität der Informationen nehme ebenso wie das "Vereitelungspotential" des Parlaments kontinuierlich ab. Bezüglich des angemessenen Zeitpunkts der Unterrichtung habe die Antragsgegnerin einen Einschätzungsspielraum. Die Entscheidung, das Parlament über Genehmigungen grundsätzlich erst mit dem Rüstungsexportbericht im darauf folgenden Jahr zu unterrichten, sei weder willkürlich noch anderweitig sachwidrig. Die pauschalierte Handhabung gewähre vielmehr den Abgeordneten wie den betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit. Die nachträgliche parlamentarische Kontrolle werde dadurch nicht substantiell geschmälert, sie sei nicht auf tagesaktuelle Information angewiesen.
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Da diese Handhabung zwischen Parlament und Regierung seit langem üblich sei, habe die Darlegung der Antragsgegnerin in der Fragestunde auch den Begründungsanforderungen genügt. Ihre Stellungnahme sei mündlich und im Wechsel von Rede und Gegenrede erfolgt, die Anforderungen an die Substantiierung dürften daher nicht überspannt werden.
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Nur Fragen mit Realitätsbezug könnten eine Antwortpflicht der Antragsgegnerin begründen. Zum Anstellen hypothetischer Überlegungen sei sie nicht verpflichtet, da eine zwangsläufig fiktionale Antwort weder ein Wissensdefizit eines Abgeordneten beseitige noch zur Kontrolle der Regierung beitrage. Die Antragsgegnerin treffe auch keine Pflicht zur Bewertung politisch relevanter Sachverhalte. Meinungen, Bewertungen und subjektive Stellungnahmen müsse die Regierung nicht artikulieren, soweit sie nicht notwendig mit der Mitteilung von Sachinformationen verbunden seien; zumindest müsse sie sich keine Meinung bilden.
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2. Die Antragsgegnerin habe danach mit den gerügten Antworten keine Rechte der Antragsteller verletzt.
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a) Hinsichtlich der vom Antragsteller zu 1. gerügten Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 - "Test der Klima- und Wüstentauglichkeit" - sei klarstellend zu ergänzen, dass das Verteidigungsministerium auf konkrete Nachfrage der Presse bereitwillig mitgeteilt habe, dass Personal der Bundeswehr an einer technischen Erprobung des Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sei. Erst als der Antragsteller zu 1. daraufhin die Beantwortung der Frage 7/84 als unangemessen gerügt habe, sei der Antragsgegnerin verdeutlicht worden, dass die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien, welches zum damaligen Zeitpunkt allein im Fokus der öffentlichen Debatte gestanden habe, gezielt habe. Sie habe mit Schreiben vom 27. September 2011 dem Antragsteller zu 1. gegenüber dann die Auskunft zu Erprobungen von Kampfpanzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten erteilt und gesondert darauf hingewiesen, dass diese Erprobung in keinem Zusammenhang mit möglichen Lieferungen in das Königreich Saudi-Arabien stehe.
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Die schriftliche Frage 7/193 ziele direkt auf die Aufklärung, ob eine Exportgenehmigung erteilt worden sei. Diesbezügliche Entscheidungen dürften aus den dargelegten Gründen geheim gehalten werden.
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Soweit weitere Fragen implizit die Vorfrage nach der Genehmigung entsprechender Exporte nach Saudi-Arabien enthielten, dürfe die Antragsgegnerin auch diese unbeantwortet lassen. Dies gelte etwa für die Frage nach den Kosten der Panzer (PlenProt 17/119, S. 13807). Die Antragsgegnerin könne sich darauf beschränken, die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu begründen. Dies sei mehrfach ausführlich getan worden, obwohl allen Beteiligten die gebräuchliche Praxis bekannt gewesen sei. Die Frage nach "nützlichen Aufwendungen" sei ersichtlich beantwortet worden. Die (Nach-)Frage PlenProt 17/119, S. 13802 habe einen hypothetischen Kern und sei konkret nicht sinnvoll beantwortbar. Angesichts des von den Rüstungsexportrichtlinien eröffneten Beurteilungsspielraums und des komplexen Abwägungsprozesses im Einzelfall lasse sie sich nur auf die erfolgte allgemeine Weise beantworten.
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Die schriftliche Frage 7/84 zum Test der Klima- und Wüstentauglichkeit sei vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Die Antragsgegnerin habe nicht etwa eine erkennbare Intention der Frage ignoriert. Wenn sie Fragen zum Anlass nehmen müsste, beliebige Informationen zusammenzutragen, die für den Abgeordneten womöglich gleichfalls von Interesse sein könnten, würde der Antragsgegnerin eine "kurze" (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 1) Beantwortung von Fragen unmöglich gemacht. Sobald deutlich geworden sei, dass der Antragsteller die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien beschränkt verstanden wissen wollte, seien ihm unverzüglich weitere Informationen mitgeteilt worden.
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b) Die Fragen PlenProt 17/119, S. 13811 ("Lieferung") und S. 13803 f. ("beschäftigungspolitische Gründe") zielten direkt auf die Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei, und hätten daher nicht beantwortet werden müssen. Eine Begründung hierfür sei während der Debatte mehrfach gegeben worden und habe nicht wiederholt werden müssen. Gleiches gelte für die auf Aufklärung zielende Frage 7/132, ob eine Genehmigung eines Exports nach Algerien erfolgt sei. Auch auf die Frage PlenProt 17/119, S. 13811 zu Bemühungen, einen Missbrauch von Panzern zu verhindern, hätte nur eingegangen werden können, wenn zur Frage der Genehmigung Stellung bezogen worden wäre.
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c) Die Frage PlenProt 17/119, S. 13804 ("Zustimmung Israel/USA") ziele unmittelbar auf den Vorbereitungsprozess einer Genehmigung, der ebenfalls Bestandteil des Geheimnisschutzes sei. Bei der Frage PlenProt 17/119, S. 13814 ("Entwicklungshilfe/Homosexualität") handle es sich um eine hypothetische Frage, für welche keine Antwortpflicht bestanden habe. Die schriftliche Frage 7/174 ziele direkt auf Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei; diesbezügliche Entscheidungen dürften (vorerst) geheim gehalten werden. Die Frage 7/175 zu "nützlichen Aufwendungen" sei beantwortet worden. Da "nützliche Aufwendungen" seit 1999 nicht mehr steuerlich abzugsfähig seien, verstehe sich die Frage als Frage nach rechtswidrigen Mitteln. Überdies ziele sie auch darauf, ob überhaupt eine Genehmigung erfolgt sei, und habe deshalb nicht beantwortet werden müssen.
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3. Zur Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates führte die Antragsgegnerin auf Anfrage ergänzend aus, der Bundessicherheitsrat lasse die verfassungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse des Art. 65 GG unberührt. Rechtlich seien seine Entscheidungen als Empfehlungen zu verstehen, auch wenn sie faktisch häufig als maßgebliche Richtschnur behandelt würden. Der Ausschuss unterstütze den zuständigen Bundesminister, indem er ihm vermittle, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde. Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung würden den zuständigen Genehmigungsbehörden mittels eines Ergebnisprotokolls der Sitzung des Bundessicherheitsrates mitgeteilt. Die Genehmigungsbehörden setzten die Beschlüsse, an welche sie politisch, aber nicht rechtlich gebunden seien, anschließend um. Nach der Befassung des Bundessicherheitsrates werde keine zusätzliche Kabinettsentscheidung herbeigeführt. Dies gelte auch für Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung.
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Antworten auf Voranfragen wegen der beabsichtigten Ausfuhr von Kriegswaffen komme keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu. Es handele sich vielmehr um eine schlichte Auskunft, ob das geplante Vorhaben nach der zur Zeit der Beantwortung bestehenden Sachlage grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Rechtlich verpflichtet sei der Bundessicherheitsrat aber auch bei unveränderter Sachlage nicht, die Genehmigungsfähigkeit bei einer Genehmigungsentscheidung über den Export von Kriegswaffen genauso zu beurteilen wie bei einer vorangegangenen Voranfrage. Dies gelte auch bei einer grundlegend neuen politischen Bewertung durch den Bundessicherheitsrat, da diese regelmäßig auf einer Änderung der außen- und sicherheitspolitischen Gesamtlage beruhe und daher als Änderung der Sachlage anzusehen sei.
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V.
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Als sachkundige Dritte haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG schriftlich Stellung genommen. Diese haben ausgeführt, dass Voranfragen zur Genehmigungsfähigkeit regelmäßig bereits in einer frühen Phase der Anbahnung eines Rüstungsexportgeschäfts gestellt würden. Bei positiver Bescheidung schließe sich eine Akquisitionsphase an, die Monate oder auch Jahre andauern könne und oftmals sehr kostenträchtig sei. So beliefen sich allein die Kosten für die Vorführung eines Kampfpanzers vom Typ Leopard 2 im Ausland typischerweise auf über zwei Millionen Euro. Die potentiellen Vertragspartner, bei denen es sich zumeist um Staaten handele, bestünden regelmäßig darauf, dass ihr Interesse an Rüstungsgütern vertraulich behandelt werde. Erst recht werde Vertraulichkeit hinsichtlich der Details der Vertragsverhandlungen erwartet. Auch die sodann abgeschlossenen Kaufverträge enthielten nahezu ausnahmslos Vertraulichkeitsvereinbarungen hinsichtlich des Vertrages und seines Inhaltes. Durch eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit über schwebende Vertragsverhandlungen würden derartige Geschäfte praktisch vereitelt. Dies gelte insbesondere im Falle einer Offenlegung gestellter oder beschiedener Voranfragen gegenüber dem Parlament, zumal in diesem Stadium der entsprechende Kaufvertrag im Regelfall noch nicht geschlossen sei.
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VI.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Bundesminister des Innern für die Bundesregierung Stellung genommen und die Verfahrensabläufe im Bundessicherheitsrat erläutert. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass die Bundesregierung beabsichtige, Parlament und Öffentlichkeit künftig zeitnäher über Genehmigungsentscheidungen zu informieren. Der Rüstungsexportbericht solle jeweils vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause statt zum Ende des Folgejahres erscheinen. Zudem werde es einen Zwischenbericht für das erste Halbjahr des laufenden Jahres im jeweiligen Herbst geben. Über abschließende Genehmigungen des Bundessicherheitsrates werde der Bundestag künftig unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach der Tagung des Bundessicherheitsrates schriftlich informiert.
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B.
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Die Anträge des Antragstellers zu 1. sind hinsichtlich der Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D) und der dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 A) teilweise und hinsichtlich der weiteren Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) sowie der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) vollumfänglich zulässig. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. sind insgesamt zulässig, die der Antragstellerin zu 3. hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) teilweise und hinsichtlich der beiden Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B und PlenProt 17/119, S. 13814 B) sowie der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) vollumfänglich zulässig. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.
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I.
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1. Die Parteifähigkeit der Antragsteller als Abgeordnete des Deutschen Bundestages folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Abgeordneten kommt gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, der im Organstreitverfahren gegenüber anderen Verfassungsorganen verteidigt werden kann (BVerfGE 108, 251<270>; 124, 161 <184>; stRspr).
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2. Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>).
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3. Die Anträge der Antragstellerin zu 3. sind berichtigend dahin auszulegen, dass Antragsgegenstand unter anderem die Nichtbeantwortung beziehungsweise unzureichende Beantwortung der unter Sitzungsprotokoll S. 13814 anstatt "S. 13841" protokollierten Nachfrage und der schriftlichen Frage 175 anstatt "715" sind. Die offensichtliche Unrichtigkeit der Bezeichnungen ergibt sich aus der Antragsbegründung.
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II.
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1. Die Antragsteller sind hinsichtlich des überwiegenden Teils der Antragsgegenstände antragsbefugt. Sie beanstanden eine Reaktion der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen und berufen sich auf Rechte, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Ein die Antragsteller einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>) liegt vor. Das - fristgerecht eingeleitete - Organstreitverfahren betrifft die Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der grundsätzlichen Verpflichtung der Bundesregierung, auf dessen Fragen Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185> m.w.N.). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragsteller, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>). Es erscheint möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragsteller haben hinreichend dargelegt, dass sie durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Eine Verletzung der Rechte der Antragsteller scheidet insbesondere nicht deswegen von vornherein aus, weil die Bundesregierung deren Auskunftsansprüche bereits durch die regelmäßige Veröffentlichung von Rüstungsexportberichten erfüllt. Ob und inwieweit diese ausreichen, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen, bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelnen (siehe hierzu Rn. 203 ff.).
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a) Hinsichtlich der Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D zu der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien könnte die Antragsgegnerin Informationsrechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben, wenn sie unzutreffende Beschränkungen ihrer Antwortpflicht aufgrund des Ressortprinzips angenommen hätte.
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Hinsichtlich der Teilfrage der dringlichen Frage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 A in Bezug auf Vermittler, Unterstützer und Nutznießer des Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien könnte sich eine Rechtsverletzung aus der Verweigerung einer Sachantwort unter Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs oder aus einer unzureichenden Begründung der Antwortverweigerung ergeben.
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Hinsichtlich der Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C zum Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis der Panzer in Deutschland und in Saudi-Arabien liegt eine mögliche Rechtsverletzung zwar nicht darin, dass auf die "implizite Vorfrage" nach der Genehmigung eines Panzerexports nicht unmittelbar eingegangen wurde. Eine Antwortplicht kommt nur hinsichtlich tatsächlich gestellter Fragen in Betracht. Eine Rechtsverletzung könnte sich aber durch das möglicherweise nicht gerechtfertigte oder nicht hinreichend begründete Unterlassen einer Sachantwort auf die Frage nach dem Unterschiedsbetrag hinsichtlich der Kaufpreise ergeben.
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Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung wegen Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs. Die Frage, welche Angaben die Antragsgegnerin zu getroffenen Entscheidungen bezüglich der Lieferung von 200 Panzern "LEO" nach Saudi-Arabien macht, richtete sich nach ihrem Zusammenhang auch auf Einzelheiten des konkreten Geschäfts. Dies folgt auch aus der Teilfrage, wie die Antragsgegnerin diese Entscheidungen rechtfertige. Die so verstandene Frage hat die Antragsgegnerin nicht beantwortet.
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b) Gleiches gilt für die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S.13810 D) danach, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe die Antragsgegnerin für die Genehmigung der Panzerlieferungen anführe und wie sie deren Vereinbarkeit mit einzelnen Kriterien des EU-Kodexes für Waffenausfuhren bewerte, sowie für ihre Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A) danach, wie die Antragsgegnerin ausschließe, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt würden.
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In Bezug auf die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13803 D, ob ausgeschlossen werden könne, dass bei der Entscheidung beschäftigungs- oder industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt hätten, ist die Antragstellerin zu 2. ebenfalls antragsbefugt. Die Antragsgegnerin gibt zwar an, dass solche Gründe nachrangig eine Rolle spielen könnten. Sie macht jedoch keine Angaben zum konkreten Geschäft und verletzt damit möglicherweise unter Verkennung der Reichweite des Auskunftsrechts der Abgeordneten Rechte der Antragstellerin zu 2.
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Antragsbefugt ist die Antragstellerin zu 2. auch hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/132 (BTDrucks 17/6658, S. 24) danach, wann die Antragsgegnerin den Verkauf bestimmter Rüstungsgüter nach Algerien genehmigt habe und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe sie für die Genehmigung anführe. Die Frage zielte mit der Formulierung "besonderen ... Gründe" ersichtlich auf den Einzelfall. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den allgemein bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien zu berücksichtigenden Aspekten beantworten diese Frage nicht.
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c) Die Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13804 A, B antragsbefugt. Die Frage, ob es stimme, dass die Zustimmung Israels und der USA eingeholt und erteilt worden sei, wurde - möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts - in der Sache nicht beantwortet. Auf diese Teilfrage beschränkt sich die Rüge der Antragstellerin zu 3. Die Teilfrage nach der universellen Gültigkeit von Menschenrechten ist nicht Streitgegenstand.
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Die Antragsbefugnis besteht auch hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13814 B. Mit dieser Frage wollte die Antragstellerin zu 3. ersichtlich einen Widerspruch in der Haltung der Antragsgegnerin in den Bereichen Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte nachweisen. Eine Rechtsverletzung kann darin liegen, dass für eine vollständige Sachantwort möglicherweise eine Gegenüberstellung der jeweiligen Kriterien erforderlich gewesen wäre.
- 118
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Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) ist die Antragstellerin zu 3. ebenfalls antragsbefugt. Die Frage bezieht sich auf die Begründung der getroffenen Entscheidungen über die Lieferung von Panzern. Da konkret nach "getroffenen" Entscheidungen gefragt war, beantworten die allgemeinen Ausführungen der Antragsgegnerin zu Entscheidungen auf Grundlage der Richtlinien und zur besonderen Bedeutung der Menschenrechte die Frage nicht vollständig. Die Antragsgegnerin hat eine Stellungnahme zum konkreten Geschäft unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit abgelehnt und damit möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts Rechte der Antragstellerin zu 3. verletzt.
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Auch die Teilfrage der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) nach Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Geschäfts wurde nicht beantwortet.
- 120
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2. Hinsichtlich einzelner vom Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 3. gestellter Fragen fehlt es an der Antragsbefugnis, weil eine Rechtsverletzung von vornherein ausgeschlossen werden kann.
- 121
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a) Dem Antragsteller zu 1. fehlt es hinsichtlich einer Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D, einer Teilfrage der dringlichen Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A, der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D und der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011 an der Antragsbefugnis. Insoweit kann ausgeschlossen werden, dass das Antwortverhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben könnte.
- 122
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Soweit die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D darauf gerichtet war, ob bei der geschilderten Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach den Richtlinien für Rüstungsexporte Genehmigungen nicht in Betracht kämen, ist sie hinreichend beantwortet worden. Die Antragsgegnerin hat angegeben, dass die Menschenrechtslage im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen sei. Damit hat sie den Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Menschenrechtslage als solche eine Genehmigung nicht in jedem Fall ausschließt.
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Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts bezog, ist sie mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Frage zu eng auslegt, wenn sie "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" versteht. Das Verständnis "nützlicher Aufwendungen" als Bestechungsgelder und damit gesetzeswidrige Zahlungen (§§ 331 ff. StGB) steht nicht in Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Antragsteller zu 1. selbst gebraucht den Begriff in diesem Sinne, etwa in der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C ("sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder").
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Auch die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D danach, ob die Antragsgegnerin bereit sei, über die Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, oder ob die Antwort weiter in verfassungswidriger Weise verweigert werde, wurde beantwortet. Mit ihrer Antwort hat die Antragsgegnerin klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, über Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, und den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Die Argumentation des Antragstellers zu 1., er habe "ersichtlich" Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht und insoweit keine Antwort erhalten, macht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht plausibel. Die Frage lässt sich in dem von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sinn verstehen. Wollte der Antragsteller zu 1. sie nicht so verstanden wissen, so hätte es ihm oblegen, sie von vornherein anders zu formulieren oder ihren Sinn durch eine entsprechende Nachfrage klarzustellen.
- 125
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Entsprechendes gilt hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011, inwieweit es zutreffe, dass die Bundeswehr Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken und dort testen wolle, und wie dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf stehe. Die Korrektheit der Antwort der Antragsgegnerin, dass Leopard-Panzer weder von der Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte in Saudi-Arabien getestet würden, zieht der Antragsteller zu 1. nicht in Zweifel. Er rügt vielmehr, die Antragsgegnerin habe Tests in den Arabischen Emiraten verschwiegen und damit bewusst das offensichtliche Ziel der Fragestellung ignoriert. Dass die Antragsgegnerin die Frage pflichtwidrig zu eng ausgelegt hätte, ist jedoch nicht ersichtlich. Vom Fragesteller kann eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Daher ist bei der Auslegung einer parlamentarischen Anfrage zunächst vom Wortlaut und dem Zusammenhang auszugehen, in den die Frage ausdrücklich gestellt ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>). Wo allerdings Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, ist bei der Beantwortung dem dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Frage ihrem Wortlaut entsprechend beantwortet, ohne dabei ein erkennbares Informationsbedürfnis des Fragestellers außer Acht zu lassen. Zwar könnte die Bezugnahme auf nur gerüchteweise bekannte Äußerungen bei einer bestimmten Veranstaltung auf ein Informationsdefizit des Antragstellers zu 1. hinweisen, welches für eine großzügigere Auslegung der Frage hätte sprechen können. Da die Frage aber im Kontext der Diskussion über Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erfolgt ist und der Test des Leopard-Panzers in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin mit einem solchen etwaigen Rüstungsgeschäft nicht in Zusammenhang stand, bestand für die Antragsgegnerin kein hinreichender Anlass, die Frage über den Wortlaut hinaus zu verstehen.
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b) Der Antragstellerin zu 3. fehlt die Antragsbefugnis im Hinblick auf ihre schriftliche Frage 7/175 (BTDrucks 17/6658, S. 27), soweit sie sich darin nach "nützliche[n] Aufwendungen" erkundigt. Mit der Angabe der Antragsgegnerin, es lägen ihr keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, ist die Frage hinreichend beantwortet worden. Auch hier durfte die Antragsgegnerin "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" verstehen.
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III.
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Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in Bezug auf die Fragen zu Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien besteht fort. Es wird insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, ihre Berichtspraxis zu ändern und den Deutschen Bundestag binnen zwei Wochen über Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, denn die Antragsgegnerin stellt die streitige Verpflichtung zur Beantwortung von Anfragen zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im hiesigen Verfahren weiterhin in Abrede. Außerdem betrifft die beabsichtigte zeitnahe Information des Deutschen Bundestages nur erteilte Genehmigungen und nicht auch Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Voranfragen.
- 128
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Die Antragsteller haben ein objektives Interesse an der Klärung der Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der Antwortpflicht der Bundesregierung (vgl. zum Klarstellungsinteresse BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Mai 2014 - 2 BvE 3/12 -, juris, Rn. 6). Auch der zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Antragsteller weiterhin Mitglieder des Deutschen Bundestages sind (vgl. BVerfGE 87, 207 <209>).
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C.
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Die Anträge sind - soweit zulässig - teilweise begründet.
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I.
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1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>).
- 131
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Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>).
- 132
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Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>).
- 133
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Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 <128>).
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2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos.
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a) Er kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (BVerfGE 124, 161 <189>).
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b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten auch durch das Gewaltenteilungsprinzip (siehe Rn. 131). In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieses Prinzip zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (BVerfGE 124, 78<120>). Das Grundgesetz fordert keine absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten (BVerfGE 95, 1 <15>). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den inneren Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss es sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können (vgl. BVerfGE 110, 199 <222>; 124, 78 <122 f.>).
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aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>). Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist (vgl. BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <120 f.>). Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <122>). So könnte ein so wesentlicher Teil einer politischen Entscheidung wie die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, der Regierung weitgehend aus der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>).
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Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>).
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bb) Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen. Im Bereich der auswärtigen Politik hat das Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151 <207>; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <87>). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).
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Dies bedeutet aber nicht, dass wesentliche Entscheidungen am Bundestag vorbei getroffen werden könnten. Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht keineswegs außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Dem Bundestag, der Entscheidungen der Exekutive in auswärtigen Angelegenheiten missbilligt, verbleiben jedoch auch in diesem Bereich seine parlamentarischen Kontrollbefugnisse (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <89, 109>; 90, 286 <364>; 104, 151 <207>). Er kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (BVerfGE 68, 1 <109 f.>).
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Entsprechendes gilt für den Bereich der Rüstungsexportkontrolle. Zwar weist Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Genehmigung von Kriegswaffenexporten zu. Hierdurch wird die Erfüllung dieser Aufgabe der Kontrolle durch das Parlament aber nicht von vornherein entzogen (so aber Glawe, DVBl 2012, S. 329 <335>). Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Daraus ist aber keine Einschränkung der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu folgern. In der Ausübung parlamentarischer Kontrolle liegt kein verfassungswidriger Einbruch in den Gestaltungsbereich der Exekutive. Sie kommt auch dort zum Tragen, wo das Grundgesetz eine ausschließliche Zuständigkeit der Regierung begründet. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich-inhaltlichen Mitwirkungsrechte des Parlaments. Die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft somit für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.
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cc) Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
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(1) Der Bundesregierung steht es auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu, Kabinettsausschüsse einzurichten, die gegenüber dem Regierungskollegium eine vorbereitende und beratende Funktion ohne eigenes Entscheidungsrecht ausüben (Busse, DVBl 1993, S. 413 <414>; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 246; Detterbeck, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn. 63; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 65 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 65 Rn. 6). Soweit ein solcher Ausschuss Entscheidungen des Kabinetts vorbereitet, unterfallen die Ausschussberatungen und -ergebnisse grundsätzlich in demselben Umfang dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wie eigene Vorbereitungshandlungen des Regierungskollegiums.
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Nach der derzeitigen Staatspraxis bereitet der Bundessicherheitsrat Entscheidungen des Kabinetts allerdings nicht vor, sondern wird an seiner Stelle tätig. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin zufolge wird nach der Befassung des Bundessicherheitsrates keine Kabinettsentscheidung mehr herbeigeführt (so auch Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <476>). Folglich können sich die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung allein an den jeweils zuständigen Fachminister richten, im Bereich der Kriegswaffen also an den Minister, dem nach § 11 Abs. 2 und 3 KWKG in Verbindung mit § 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum KWKG die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für seinen Geschäftsbereich übertragen ist. Dieser Fachminister erteilt die Genehmigung gegenüber dem Antrag stellenden Unternehmen durch entsprechenden Bescheid.
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Allerdings dürfen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung "der Bundesregierung" hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Befugnissen und Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (vgl. die Auflistung in BVerfGE 132, 1 <21>). Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan, das nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Bei Regelungen des Grundgesetzes, die eine Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung vorsehen, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass es eines Beschlusses des gesamten Kabinetts bedarf (BVerfGE 91, 148 <166>; 115, 118 <149>; 132, 1 <21>). Ausnahmsweise können unter dem Begriff der Bundesregierung jedoch auch die jeweils ressortzuständigen Minister verstanden werden, wenn Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung eine solche Auslegung gebieten (BVerfGE 26, 338 <396>). So wird etwa zu der Regelung in Art. 86 GG betreffend die bundeseigene Verwaltung die Ansicht vertreten, dass mangels Betroffenheit der Länder (auch) der jeweilige Fachminister für seinen Bereich Verwaltungsvorschriften und Regelungen über die Einrichtung der Behörden erlassen kann (BVerwGE 36, 327<333>; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 52; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Mai 2008, Art. 86 Rn. 135; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 86 Rn. 67).
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In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG keine Entscheidung des Kabinetts verlange (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 2; Frank, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 26 Rn. 47; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29) oder dass Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG eine Delegationsbefugnis beinhalte (Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 41 Rn. 4).
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Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass die Delegation der Genehmigungserteilung auf einzelne Minister mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar und § 11 Abs. 2 KWKG aus diesem Grunde verfassungswidrig sei (Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210 ff.; Hartwig, in: Umbach/ Clemens, Bd. 1, 2002, Art. 26 Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, März 2014, Art. 26 Rn. 56; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 28; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 76; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 12; Schmahl, in: Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 46; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10).
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(2) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung zur Einrichtung des Bundessicherheitsrates und zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexportanträge auf diesen oder auf einzelne Bundesminister berechtigt ist. Denn im Rechtsverhältnis zum Deutschen Bundestag und seinen Mitgliedern sind die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung zuzuordnen und durch diese unmittelbar gegenüber dem Parlament und mittelbar gegenüber dem Volk zu verantworten, gleich ob sie durch das Kabinett, durch einen von diesem eingesetzten Ausschuss oder durch einen einzelnen Minister getroffen werden. Genauso wenig, wie die Bundesregierung sich durch eine Delegation der ihr durch das Grundgesetz zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse ihrer Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen entledigen kann, führt eine solche Delegation - gleich ob zulässig oder unzulässig - dazu, dass die Entscheidung des Ministers und die darauf bezogene Willensbildung im Bundessicherheitsrat den Charakter des Regierungshandelns verlören und dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entzogen wären. Ein möglicher Verstoß gegen ein aus der Verfassung abzuleitendes Delegationsverbot änderte nichts daran, dass die Willensbildung im Bundessicherheitsrat im System der Gewaltenteilung der Regierung zuzuordnen ist, zumal in diesem Unterausschuss des Regierungskollegiums allein Regierungsmitglieder stimmberechtigt sind. Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung würde durch einen solchen Verstoß nicht entbehrlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung, die den Bundessicherheitsrat durch einen Kabinettsbeschluss eingerichtet hat, dieses Gremium jederzeit durch entsprechenden Beschluss auflösen oder einzelne Beratungen "an sich ziehen" könnte.
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Der Teilnahme des Bundessicherheitsrates am Kernbereichsschutz steht nicht entgegen, dass an dessen Sitzungen neben Regierungsmitgliedern auch der Chef des Bundeskanzleramtes, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei Bedarf weitere Dritte teilnehmen können. Hierdurch verliert das Gremium nicht den direkten Bezug zu der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung, der die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorbehalten sind. Soweit der Senat für die sogenannte Präsidentenrunde entschieden hat, dass diese an dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung nicht im gleichen Umfang teilnimmt wie das Kabinett (BVerfGE 124, 78 <137>), ist diese Entscheidung auf den Bundessicherheitsrat nicht übertragbar. Die Funktion der Präsidentenrunde besteht lediglich im Austausch von Informationen, der Beratung sowie in der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung in den zuständigen Ressorts in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit. Weder handelt es sich um ein Entscheidungsgremium, noch dienen die Beratungen der Präsidentenrunde notwendiger- oder auch nur typischerweise der unmittelbaren Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen (BVerfG, a.a.O.). Erst recht treten sie nicht faktisch an deren Stelle.
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c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123> jeweils für das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch BVerfGE 70, 324 <359>). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>).
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Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>). Vorkehrungen zur Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen, können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen verbunden sind (BVerfGE 70, 324 <360, 364>; 130, 318 <352 f., 359>; 131, 230 <235>).
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Andererseits ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230 <235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (BVerfGE 130, 318 <342>). Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (BVerfGE 131, 230 <235>).
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Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318 <359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (BVerfGE 130, 318 <362>).
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d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (BVerfGE 67, 100<142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>).
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Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (BVerfGE 50, 290<363>; 115, 205 <229>; stRspr). Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen (BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>). Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 86, 28<37>; 115, 205 <230>).
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Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <230>).
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3. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (BVerfGE 124, 161 <193>). Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>).
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II.
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Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.
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1. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht bereits mit der positiven oder negativen Antwort auf eine Voranfrage (a), sondern erst mit dem vom Bundessicherheitsrat gefassten Beschluss zu einem formellen Genehmigungsantrag abgeschlossen; über eine positive Genehmigungsentscheidung hat die Bundesregierung den Bundestag und seine Mitglieder daher auf Anfrage zu unterrichten (b). Keine Antwortpflicht besteht hingegen bei Fragen zu den Gründen einer getroffenen Entscheidung und zum Inhalt und Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat (c).
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a) Die positive Beantwortung einer auf die Genehmigungsfähigkeit eines Kriegswaffenexportgeschäfts abzielenden Voranfrage eines Unternehmens der Rüstungsindustrie schließt die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung in Bezug auf das betreffende Exportvorhaben nicht ab. Etwas anderes könnte für die Ablehnung einer Voranfrage gelten, die aber nach dem von den Antragstellern nicht angezweifelten Vorbringen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht erfolgt und zudem aus anderen, unten näher dargelegten Gründen (vgl. Rn. 174 ff.) nicht mitzuteilen ist.
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Mit einer positiven Beantwortung einer Voranfrage lassen der Bundessicherheitsrat und der für Voranfragen in Bezug auf Kriegswaffen zuständige Minister erkennen, dass zum Zeitpunkt der Antwort keine Bedenken gegen das beabsichtigte Exportgeschäft bestehen, so dass ein entsprechender formgerechter, konkretisierter und mit ausreichenden Unterlagen unterlegter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Es handelt sich folglich bei der Beantwortung einer Voranfrage um eine Auskunft über die Genehmigungsfähigkeit des beabsichtigten Exports zum Zeitpunkt der Bescheidung dieser Anfrage, nicht aber um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder gar um eine abschließende Teilregelung oder Teilgenehmigung (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 9 Rn. 55; a.A. Zähle, Der Staat 44 (2005) S. 462 <475> und VG Frankfurt, Urteil vom 1. November 2001 - 1 E 6167/00 (1) -, juris, Rn. 21). Eine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt nur vor, wenn der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist. Wird eine Maßnahme lediglich "in Aussicht gestellt", so liegt im Regelfall nur eine unverbindliche Absichtserklärung vor, wie weiter zu verfahren ist (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 21 ff. <24>). Die von der Antragsgegnerin exemplarisch eingereichten Antworten des Auswärtigen Amtes auf Voranfragen betreffend die Ausfuhr von Kriegswaffen sind so formuliert, dass dem anfragenden Unternehmen mitgeteilt wird, dass die Bundesregierung eine Genehmigung der Ausfuhr in Aussicht stellt, soweit sich die Umstände zum Zeitpunkt der Stellung des konkreten Antrages nicht wesentlich geändert haben. Aus einer solchen Mitteilung geht der Wille der Bundesregierung, sich zu binden und entgegen § 6 Abs. 1 KWKG einen Anspruch des Unternehmens auf die Genehmigung zu begründen, nicht eindeutig hervor. Der Bundessicherheitsrat und die beteiligten Ministerien sind folglich an die positive Beantwortung einer Voranfrage nicht gebunden, ein anschließender Antrag auf Erteilung der Genehmigung kann auch bei unveränderten Umständen abgelehnt werden. Ob in einem solchen Fall ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik bestehen kann (so Pottmeyer, a.a.O., Rn. 56), bedarf hier keiner Klärung.
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Dieser Rechtslage entspricht anscheinend die tatsächliche Praxis der Antragsgegnerin. Nach deren Vorbringen fühlt sich der Bundessicherheitsrat an seine Antworten auf Voranfragen rechtlich nicht gebunden. Vielmehr wird nach Eingang des vollständigen Genehmigungsantrages nochmals in die Beratung eingetreten und kommt es auch zu anschließenden Ablehnungsentscheidungen, die offenbar auch auf einer geänderten Einschätzung der im Wesentlichen unveränderten Lage in dem Empfängerland beruhen können.
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Eine Verpflichtung der Bundesregierung, den Bundestag generell oder einzelne Abgeordnete auf konkrete Fragen hin über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu Voranfragen in Bezug auf beabsichtigte Kriegswaffenexporte zu informieren, würde vor diesem Hintergrund in einen noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Willensbildungsprozess aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung eingreifen. Der durch die Beantwortung der Voranfrage rechtlich nicht gebundene Bundessicherheitsrat würde der Einflussnahme des Parlaments auf seine von verschiedenen außenpolitischen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängige Beratung und Entscheidung über den nachfolgenden Genehmigungsantrag ausgesetzt. Damit würde dem Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung ermöglicht, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegt. Die Kontrollaufgabe des Parlaments würde in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm ausweislich von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG in diesem Bereich nicht zukommt.
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b) Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht erst mit dem Erlass des positiven oder negativen Genehmigungsbescheides durch das jeweils zuständige Bundesministerium abgeschlossen. Entscheidender Willensbildungsakt ist vielmehr die Beratung eines Genehmigungsantrages im Bundessicherheitsrat, die mit dessen Beschlussfassung ihren Abschluss findet.
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Die rechtliche Qualität der Beschlüsse des Bundessicherheitsrates im Bereich der Kriegswaffenexporte ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die auch von der Antragsgegnerin vorgebrachte Ansicht vertreten, es handele sich um rechtlich unverbindliche Empfehlungen, die dem jeweils zuständigen Minister lediglich vermitteln, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde (so Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 42 IV. 4. c), S. 875; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <477>, im Wege verfassungskonformer Auslegung; Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 96 f.; Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 32, der allerdings von einer Empfehlung an das Bundeskabinett ausgeht). Nach anderer Ansicht trifft der Bundessicherheitsrat selbst die Genehmigungsentscheidung, an die der zuständige Minister gebunden ist und die sein Ministerium als Genehmigungsbehörde durch entsprechenden Bescheid umsetzen muss (Kadner, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber der Sonderstellung einzelner Bundesminister unter besonderer Berücksichtigung des Bundesministers für Verteidigung, 1970, S. 111; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 227; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 247). Dieser Auffassung zufolge ist der Bundessicherheitsrat aufgrund der ihm als Entscheidungsgremium zukommenden Leitungsgewalt wegen Verstoßes gegen die Ressortselbständigkeit der Minister und die Kanzlerprärogative verfassungswidrig (Kadner, a.a.O.; Epping, a.a.O.; Böckenförde, a.a.O.; a.A. Steinberg, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 108, der zwar ein Entscheidungsrecht des Bundessicherheitsrates annimmt, dies aber mit Art. 65 GG für vereinbar hält).
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Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie es der Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nahe legt - die Bundesregierung beziehungsweise der Bundessicherheitsrat selbst zur Entscheidung verpflichtet ist (zum Erlass von Verwaltungsakten durch die Bundesregierung vgl. BVerwGE 117, 322 <328>, Rn. 16) oder das zuständige Ministerium als Genehmigungsbehörde rechtlich an den jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates gebunden ist. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin erfolgt in der Staatspraxis die abschließende Entscheidung im Bundessicherheitsrat. An dessen Beschlüsse halten sich die Minister faktisch und fühlen sich durch diese gebunden. Der Antragsgegnerin zufolge ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Minister von einer Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates abgewichen ist. Es besteht kein Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Eine andere Handhabung würde auf Dauer zu fortwährenden Konflikten zwischen der Gesamtheit der Mitglieder des Bundessicherheitsrates und dem von dessen Beschlüssen abweichenden Minister und zu einer ständigen Befassung des gesamten Kabinetts führen (Art. 65 Satz 3 GG).
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Zugunsten der Antragsteller kann daher davon ausgegangen werden, dass die Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen ist. Damit endet der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung für die getroffene Entscheidung in diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Abgeordneten des Bundestages auf Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat einen Beschluss über die Genehmigung eines Kriegswaffenexportgeschäfts gefasst hat.
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c) Die Bundesregierung ist jedoch nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen.
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Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden zwar nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen handelt (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Dem parlamentarischen Zugriff können grundsätzlich auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung unterliegen (BVerfGE 124, 78 <122>).
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Andererseits würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>). Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <216>; 124, 78 <121>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>).
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Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124, 78 <122 f.>).
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Die Bundesregierung ist danach nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat und über das Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder Auskunft zu geben. Die Mitglieder des Gremiums sind auf die Vertraulichkeit der Beratungen in besonderem Maße angewiesen, da die Entscheidung über eine beabsichtigte Ausfuhr von Kriegswaffen eine eingehende Beurteilung des Empfängerlandes erfordert, etwa im Hinblick auf dessen politische und militärische Stabilität. Müssten die Mitglieder des Bundessicherheitsrates damit rechnen, dass die von ihnen in den Beratungen abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so könnten sie nicht in auf Vertraulichkeit der Beratungen fußender Offenheit Gründe vorbringen, die für oder gegen eine Genehmigung sprechen. Es wäre sogar naheliegend, dass in einer solchen Situation die eigentlichen Beratungen faktisch nicht mehr in dem Gremium selbst erfolgen, sondern in Vorbesprechungen oder in kleinere, geheim tagende Kreise ausgelagert würden. Derartige einengende Vorwirkungen würden den Bundessicherheitsrat in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigen. Die Preisgabe der Beratungsabläufe im Bundessicherheitsrat wäre daher ein erheblicher Eingriff in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
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Das parlamentarische Informationsinteresse fällt demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Parlamentarisch verantwortlich für die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Bundesregierung. Die Information, welcher Minister im Rahmen der Beratungen welche Position vertreten hat, mag daher von allgemeinem politischen Interesse sein, für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns ist sie aber nicht relevant.
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2. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.
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Die Weitergabe der Information, ob der Bundessicherheitsrat eine Voranfrage beschieden hat, kann zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen. Zum einen können dadurch Rüstungserwerbsabsichten publik werden, die das jeweilige Land jedenfalls in diesem frühen Stadium der Geschäftsanbahnung geheim halten möchte, etwa weil durch eine Veröffentlichung die künftige Verteidigungsstrategie des Landes erkennbar würde. Zum anderen kann das Bekanntwerden der Tatsache, dass eine Genehmigung verweigert beziehungsweise eine Voranfrage abschlägig beschieden oder zurückgestellt wurde, das an dem Erwerb interessierte Land öffentlich brüskieren und damit die Beziehungen zur Bundesrepublik stören.
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Eine erhebliche Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen drohte, wenn auch die Gründe für die Ablehnung einer Genehmigung oder Voranfrage mitgeteilt werden müssten, etwa die Gefahr der Verwendung der zur Ausfuhr vorgesehenen Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung oder bei Menschenrechtsverletzungen. Zudem könnten die Gründe in Einzelfällen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat.
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Das Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte kann auch über das Verhältnis zum direkt betroffenen Erwerberland hinaus die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen. Rüstungsexportentscheidungen haben in der Regel eine diplomatische Dimension. So wird der Export von Kriegswaffen in Länder, die nicht Mitglied der NATO oder der Europäischen Union oder den NATO-Mitgliedsländern gleichgestellt sind, nur genehmigt, wenn "im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen" (Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, III. 2., abgedruckt im Rüstungsexportbericht 2013, Anlage 1, S. 36). Der Handel mit Rüstungsgütern gilt als "wichtiges diplomatisches Instrument" (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 20). Waffenexporte können den Zusammenhalt von Bündnissen und die militärische Schlagkraft befreundeter Staaten stärken und als "Gegenleistung" eingesetzt werden, etwa für Stationierungs- oder Überflugrechte (Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, 1988, S. 41). Die Verweigerung von Rüstungsexporten kann demgegenüber - wie etwa konzertierte Embargo-Aktionen zeigen - der Erhaltung des eigenen waffentechnischen Vorsprungs gegenüber anderen Staaten und damit der Sicherheit des Staates dienen (von Poser und Groß Naedlitz, Die Genehmigungsentscheidung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, 1999, S. 56). Die Haltung der Bundesregierung zu einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft kann damit auch Indikator für die politische Beziehung zu einem Land oder Ausdruck einer bestimmten Sicherheitsstrategie sein. Das vorzeitige Öffentlichwerden solcher Rüstungsexportgeschäfte kann ebenso wie das Bekanntwerden einer ablehnenden Entscheidung die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen. Gleiches gilt für das Bekanntwerden der Gründe für die Bewilligung oder Ablehnung einer Genehmigung. Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung mitzuteilen. Auch über die Ablehnung eines Kriegswaffenausfuhrantrages muss keine Auskunft erteilt werden.
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Ein frühzeitiges Bekanntwerden eines beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts und der Haltung der Bundesregierung bereits im Stadium der Vertragsanbahnung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass ein drittes Land, welches mit dem Geschäft nicht einverstanden ist, versucht, dieses Geschäft vor seiner tatsächlichen Durchführung durch den Einsatz von Druckmitteln zu verhindern. Zudem kann ein frühzeitiges Bekanntwerden dazu führen, dass ausländische Konkurrenzunternehmen an den Kaufinteressenten herantreten und das Geschäft durch Abgabe eines günstigeren Angebots an sich ziehen. Dies kann jedenfalls dort ein Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls rechtfertigen, wo die Durchführung des Exportgeschäfts im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Zudem stellt die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar. Eine eigene rüstungsindustrielle Basis führt aus verteidigungspolitischer Sicht dazu, dass die nationalen Streitkräfte durch die inländische Industrie ausgerüstet werden können. Gegenüber der Beschaffung der militärischen Ausrüstung auf dem Weltmarkt werden als Vorteile unter anderem der staatliche Einfluss als Hauptauftraggeber (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 24; ähnlich Raidel, Eine Lanze für die deutsche Verteidigungswirtschaft, Politik & Sicherheit, Heft 8, August 2009, S. 1 f.) und die daraus folgende passgenaue Ausrichtung nationaler Rüstungsprodukte auf die taktischen und operativen Konzepte der Streitkräfte sowie die Möglichkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Streitkräfte genannt (Küchle, Die deutsche Heeresindustrie in Europa, 2007, S. 9). Zudem erhöht eine eigene Rüstungsindustrie die Versorgungssicherheit und dient der Vermeidung von Abhängigkeiten von der Exportpolitik anderer Staaten.
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Diese Gefahren für die Durchführung des Rüstungsexportgeschäfts nehmen mit dem Fortgang des Verfahrens ab. Sie bestehen vor allem in der oft Monate oder gar Jahre andauernden Phase der Vertragsanbahnung. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung nicht verpflichtet, Abgeordneten des Bundestages auf Anfrage mitzuteilen, ob eine Voranfrage zu einem beabsichtigten Ausfuhrgeschäft gestellt und wie diese beschieden wurde. Die positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates, die anschließend durch das zuständige Ministerium in dem Genehmigungsbescheid umgesetzt wird, stellt auch hier eine Zäsur dar. Nach den Angaben der sachkundigen Dritten ist zum Zeitpunkt des Antrages auf Genehmigung einer Kriegswaffenausfuhr der Vertrag mit dem Empfängerland im Regelfall jedenfalls endverhandelt, zumeist sogar bereits geschlossen. Damit verringert sich die Gefahr einer Einflussnahme Dritter auf das zur Genehmigung anstehende Geschäft erheblich. Mit der positiven Entscheidung des Bundessicherheitsrates über einen Genehmigungsantrag entfällt auch die Möglichkeit der Bloßstellung eines kaufinteressierten Staates, die mit der Ablehnung eines frühzeitig - etwa durch die Auskunft über eine Voranfrage - bekannt gewordenen Geschäfts verbunden sein kann.
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Die Zäsurwirkung der positiven Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates schließt nicht aus, dass die Bundesregierung aus den genannten Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die Antwort auf die Frage verweigern darf, ob eine solche Entscheidung getroffen wurde. Wann eine solche Antwortverweigerung gerechtfertigt sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls müsste die Bundesregierung die Verweigerung der Auskunft in ihrer Antwort gesondert begründen, was vorliegend nicht geschehen ist.
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3. Eine weitere Einschränkung der Antwortpflicht der Bundesregierung in Bezug auf die Befassung des Bundessicherheitsrates mit Voranfragen und Genehmigungsanträgen zu beabsichtigten Kriegswaffenausfuhrgeschäften ergibt sich aus dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Rüstungsunternehmen.
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a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vgl. auch BVerfGE 128, 1 <56>). Als Betriebsgeheimnisse kommen vorliegend unter anderem die konkreten technischen Daten und Spezifikationen der einzelnen Kriegswaffen in Betracht, als Geschäftsgeheimnisse insbesondere die Details der vertraglichen Vereinbarungen wie etwa Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile, Zahlungsbedingungen und Angaben zu den beteiligten Zulieferunternehmen. Der Umstand, dass ein Unternehmen Verhandlungen mit einem Staat über den Erwerb von Kriegswaffen bestimmter Gattung führt, stellt für sich genommen ebenfalls ein Geschäftsgeheimnis dar, weil die Verhandlungspartner in aller Regel eine Vertraulichkeitsvereinbarung abschließen und weil Konkurrenzunternehmen versuchen können, die Anbahnung des Geschäfts durch eigene Angebote oder andere Maßnahmen zu unterminieren. Somit stellen das Kaufinteresse eines Staates und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen exklusives wettbewerbserhebliches Wissen dar und mindert die Offenlegung dieser Tatsachen die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.
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b) Zwar begründet Art. 12 Abs. 1 GG kein ausschließliches Recht der Unternehmen auf eigene Außendarstellung und auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen daher nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt (BVerfGE 105, 252 <264 ff., 268>). Unabhängig davon wäre aber durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Kriegswaffen produzierenden Unternehmen durch die Bundesregierung der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>). Dieser Schutzbereich ist jedenfalls insoweit nicht durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (so Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 1991, S. 69 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 120) oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt (so Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 20; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 75; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 45; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18). Selbst wenn man der Regelung eine grundsätzliche Missbilligung der Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von Kriegswaffen entnehmen wollte, sind diese Verhaltensweisen bei Vorliegen einer Genehmigung erlaubt und von der Berufsfreiheit geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich auf solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen zur Erlangung der Genehmigung gegenüber staatlichen Behörden offenlegen muss, und zwar selbst für den Fall, dass die Genehmigung versagt werden sollte. Das Grundgesetz missbilligt nicht die Vorbereitung und Anbahnung eines Kriegswaffenexportgeschäfts, sondern allenfalls dessen nicht genehmigte Durchführung.
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c) Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen der Rüstungsindustrie im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen griffe die Bundesregierung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Sowohl schriftliche Antworten der Bundesregierung als auch mündliche Antworten im Rahmen von Fragestunden sind öffentlich. Schriftliche Antworten werden durch den Bundestag in Drucksachen veröffentlicht (§ 105 Satz 1 und 2 i.V.m. Anlage 4, Ziff. 14 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, BGBl I S.1237, zuletzt geändert durch Beschluss vom 3. April 2014, BGBl I S. 534 - GO-BT -), mündliche Antworten in Fragestunden sind den jeweiligen Plenarprotokollen zu entnehmen, nachgereichte schriftliche Antworten werden in einen Anhang zu dem betreffenden Protokoll aufgenommen (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 12). Damit würde Konkurrenten die Kenntnisnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen ermöglicht (vgl. BVerfGE 115, 205 <231>).
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d) Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen. Dies gilt insbesondere für Angaben, die so konkret sind, dass aus ihnen auf vertrauliche Informationen, etwa auf den Einzelpreis eines bestimmten Rüstungsguts, rückgeschlossen werden könnte.
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aa) Die Offenlegung von Unternehmensinformationen durch die Bundesregierung in Antworten auf Anfragen von Abgeordneten betrifft ein mehrpoliges Rechtsverhältnis, in welchem die Bundesregierung das Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und das den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewährleistende Grundrecht der betroffenen Unternehmen auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zum Ausgleich zu bringen hat. In einer solchen Konstellation sind Eignung und Erforderlichkeit der Beeinträchtigungen mit Blick auf beide widerstreitenden Rechtsgüter zu beurteilen. Dabei sind die Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abzuwägen. Hat der Gesetzgeber einen Weg zur Lösung des Konflikts durch eine einfachgesetzliche Regelung vorgezeichnet, so ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im konkreten Streitfall führen (zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <233 f.>).
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bb) § 12a Abs. 2 Satz 1 KWKG ermächtigt die Bundesregierung, die auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 erhobenen Daten zusammengefasst ohne Nennung von Empfängern und Lieferanten zu den in Absatz 1 genannten Zwecken an internationale Organisationen oder zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages zu übermitteln oder zu veröffentlichen. Die Vorschrift wurde mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2068) in das KWKG aufgenommen und dient der Umsetzung einer Resolution der Vereinten Nationen, mit der beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein Waffenregister eingerichtet wurde und die Mitgliedstaaten aufgerufen wurden, die Ein- und Ausfuhr bestimmter Kriegswaffen dorthin zu melden (BTDrucks 12/6911, S. 11). Die Ermächtigung zur Übermittlung oder Veröffentlichung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages beruhte auf der Erwägung, dass Daten, die wie im Falle des Waffenregisters der Einsicht aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offen stehen, grundsätzlich auch zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages oder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten (BTDrucks 12/6911, S. 12). Diese Regelung kann den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herstellen. Dies folgt schon daraus, dass sie die Weitergabe der Informationen an den Deutschen Bundestag lediglich ermöglicht, ohne die Bundesregierung hierzu zu verpflichten. Der Ausgleich der konfligierenden Rechtsgüter bleibt so letztlich der Bundesregierung überlassen und es kann auch zu einer völligen Versagung von Auskünften kommen. Der Gesetzgeber hat damit keinen Lösungsweg bereitgestellt, der stets eine Verwirklichung der gegenläufigen Interessen in diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis sichert (vgl. BVerfGE 115, 205 <235>). Eine erweiternde Auslegung ist angesichts des klaren Wortlautes nicht möglich.
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cc) Die somit erforderliche Abwägung unmittelbar zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des jeweiligen die Ausfuhr beabsichtigenden Unternehmens andererseits ergibt, dass die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates unabhängig von dem jeweils konkret durch Abgeordnete des Bundestages angefragten Kriegswaffenausfuhrgeschäft die entscheidende Zäsur darstellt.
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Das Interesse des jeweiligen Rüstungsunternehmens an der Geheimhaltung des beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts ist bis zur endgültigen Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates höher zu bewerten als das berechtigte Informationsinteresse der Abgeordneten. In der Phase der Geschäftsanbahnung ist die Information, dass ein bestimmtes Empfängerland ein bestimmtes Rüstungsgut erwerben möchte, besonders wettbewerbsrelevant. Konkurrenzunternehmen, die von einem solchen Erwerbsinteresse Kenntnis erlangten, könnten versuchen, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf den Genehmigungsprozess Einfluss zu nehmen. Zudem könnten sie ein eigenes Angebot abgeben und das Geschäft auf diese Weise an sich ziehen; dies gälte erst recht, wenn die Bundesregierung über die bloße Tatsache des beabsichtigten Geschäfts hinaus auch Angaben zu Preisen machte.
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Es ist nicht zu verkennen, dass das Informationsinteresse des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten in diesem Stadium ebenfalls besonders hoch ist, da noch auf den Genehmigungsprozess Einfluss genommen werden kann. Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist aber zu berücksichtigten, dass ein dahin gehendes Informationsinteresse nicht schützenswert ist, da es auf ein dem Gewaltenteilungsprinzip widersprechendes Mitregieren zielt (siehe oben Rn. 163).
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Nach erfolgter Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates ist die Schutzbedürftigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens geringer. In diesem Stadium besteht für Konkurrenzunternehmen kaum noch die Möglichkeit, auf das genehmigte Geschäft Einfluss zu nehmen. Der Kaufvertrag ist im Regelfall bereits geschlossen, und je nach zeitlichem Abstand zwischen der Entscheidung des Bundessicherheitsrates und dem Erlass des Genehmigungsbescheides durch die zuständige Behörde kann mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen alsbald begonnen werden.
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In Bezug auf Angaben, die über die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates und die Grunddaten des Kriegswaffenausfuhrgeschäfts, also die Art und die Anzahl der Kriegswaffen, das Empfängerland und das Gesamtvolumen hinausgehen, fällt die Abwägung zwischen den konfligierenden Rechtsgütern grundsätzlich zugunsten der Unternehmen aus, deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu schützen sind. Unverhältnismäßig wäre insbesondere die Offenlegung von Angaben, die Rückschlüsse auf die Preisgestaltung oder auf Spezifikationen des Rüstungsguts sowie auf handelnde Personen der an dem Geschäft beteiligten Unternehmen oder Staaten zuließen. An diesen Daten besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, weil sie für die parlamentarische Kontrolle der Regierungstätigkeit nicht erforderlich sind.
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e) Ob die Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch das Grundrecht betroffener Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt sein kann, bedarf keiner Entscheidung, weil der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls nicht weiter geht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 115, 205<248>).
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4. Der Konflikt zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten auf der einen und dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl und der Berufsfreiheit der Kriegswaffen ausführenden Unternehmen auf der anderen Seite kann, anders als die Antragsteller meinen, nicht durch Maßnahmen des Geheimnisschutzes auf Seiten des Parlaments aufgelöst werden. Weder die Beschränkung des Adressatenkreises der Antworten der Bundesregierung durch Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums (a) noch die Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (b) sind geeignet, einen angemessenen Ausgleich zwischen den konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.
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a) Der Deutsche Bundestag könnte zwar für die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit des Bundessicherheitsrates ein Gremium nach Art des Parlamentarischen Kontrollgremiums (siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2346), des Vertrauensgremiums nach § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) oder des Sondergremiums nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) einrichten und dieses Gremium der Geheimschutzordnung unterwerfen. Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder eines solchen Gremiums würde ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der konfligierenden Interessen führen könnte.
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Die Beschränkung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf parlamentarische Untergremien greift aber ihrerseits in die Rechte der in dem Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein, über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten, zu ihr zu reden, das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben und schließlich darüber abzustimmen (BVerfGE 130, 318<357>). Bei einer solchen Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages und den Statusrechten der Abgeordneten sicherzustellen. Erfolgt die Delegation von Beteiligungsrechten im Interesse besonderer Vertraulichkeit, muss sie deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (BVerfGE 130, 318 <359 f.>).
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Ob die Beratungen des Bundessicherheitsrates einen solchen Ausnahmefall darstellen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Delegation der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erscheint nicht zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch, dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler dient (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Der Zugewinn an Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige Beschränkungen nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, ermöglicht eine hinreichende parlamentarische Kontrolle. Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages darstellten.
- 198
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b) Auch durch eine Information des Deutschen Bundestages über Belange des Bundessicherheitsrates nach Maßgabe der Geheimschutzordnung (GO-BT, Anlage 3) kann der Interessenskonflikt nicht aufgelöst werden.
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Verschlusssachen, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" oder "Streng geheim" versehen sind, dürfen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages grundsätzlich nur in den Räumen der Geheimregistratur eingesehen werden, § 3a Satz 1 Geheimschutzordnung. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Information ist durch § 4 Geheimschutzordnung beschränkt; in jedem Fall scheidet eine Information der Öffentlichkeit aus.
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Die Geheimschutzordnungist grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>). Auch eine systematische Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird.
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Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist jedoch insoweit unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den Wahlakt essentiell.
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Auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus.
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5. Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt.
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Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten, sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.
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Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sind zudem nicht hinreichend präzise, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen. Die Berichte differenzieren nicht nach einzelnen Genehmigungsakten, sondern führen die im Berichtsjahr genehmigten Geschäfte summiert auf. Die Beschreibung der betroffenen Güter erfolgt pauschal. In der maßgeblichen Anlage 8 des Rüstungsexportberichts für das Jahr 2013 werden unter der Rubrik "Ausfuhrgenehmigungen nach Ländergruppen und Ländern" lediglich Anzahl und Gesamtwert der Genehmigungen sowie von den Genehmigungen betroffene Ausfuhrlisten-Positionen mitgeteilt. Die insgesamt 22 Ausfuhrlisten-Positionen sind in der Ausfuhrliste (AWV Anlage AL) näher beschrieben. Sie sind durch einen überwiegend sehr pauschalen Erfassungsstatus gekennzeichnet (Wahren, in: Hohmann/John (Hrsg.), Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4, Außenwirtschaftsverordnung, Erläuterungen AL Teil 1, Rn. 40). So fiele der in den streitgegenständlichen Anfragen angesprochene Leopard-Panzer als für militärische Zwecke konstruiertes Landfahrzeug unter die Rubrik A0006 der Ausfuhrliste. Nach der dortigen Anmerkung 1 erfasst diese Rubrik aber auch gepanzerte Fahrzeuge, amphibische und tiefwatfähige Fahrzeuge, Bergungsfahrzeuge und Fahrzeuge zum Befördern und Schleppen von Munition oder Waffensystemen und zugehörige Ladesysteme. Da sich die Rüstungsexportberichte an diesen groben Einteilungen der Ausfuhrliste orientieren, ist es auf der Grundlage dieser Berichte kaum möglich, die für eine effektive parlamentarische Kontrolle relevanten politisch bedeutsamen Exportgenehmigungen auszumachen.
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Zwar enthält der Rüstungsexportbericht für die 20 wichtigsten Bestimmungsländer des Jahres 2013 in Anlage 7 eine etwas detailliertere Aufstellung. Hier werden neben dem Gesamtwert der erteilten Einzelgenehmigungen auch die wesentlichen Güter und ihr prozentualer Anteil am Gesamtwert der Genehmigungen genannt. Verlässliche Rückschlüsse auf bedeutsame einzelne Genehmigungen erlaubt jedoch auch diese Aufstellung nicht. So lässt sich dieser Liste etwa entnehmen, dass für Ausfuhren nach Katar Genehmigungen im Gesamtwert von 673.377.690 Euro erteilt wurden, von denen 44,4 % auf Zugmaschinen, LKW, Kranwagen, Auflieger, Anhänger, Masten und Teile für Panzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, LKW und Landfahrzeuge entfielen. Welcher Anteil hiervon auf LKW und welcher auf Teile für Panzer oder Panzerhaubitzen entfiel, ist hieraus nicht zu erkennen. Es muss den Abgeordneten daher im Rahmen einer effektiven parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns möglich sein, über diese Rüstungsexportberichte hinaus durch konkrete Fragen Informationen darüber zu erhalten, in welchem Umfang Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen besonderer Bedeutung, wie etwa Kampfpanzer, in bestimmte Staaten erteilt wurden.
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6. Die Bundesregierung kann die Antwort auf parlamentarische Anfragen zu Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates insoweit verweigern, wie die jeweilige Anfrage auf Informationen abzielt, die über die Mitteilung einer erfolgten positiven Genehmigungsentscheidung und die Eckdaten des betreffenden Ausfuhrgeschäfts hinausgehen. Eine gesonderte Begründung der Antwortverweigerung ist insoweit nicht erforderlich, die generelle Berufung auf die Geheimhaltung der Beratungen des Bundessicherheitsrates reicht aus.
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Es besteht eine Jahrzehnte währende und allgemein bekannte Praxis der Bundesregierung, die Beantwortung derartiger Anfragen unter Berufung auf die Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates zu verweigern, selbst wenn in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände einzelne Angaben gemacht worden sein sollten. Angesichts dieser langjährigen Praxis ist nicht zu verlangen, dass die Bundesregierung in jeder Antwort auf eine entsprechende Anfrage ihre allgemeine Auffassung zu dem Verhältnis zwischen parlamentarischem Informationsrecht einerseits und Schutz der exekutiven Eigenverantwortung, Belangen des Staatswohls und Schutz der Grundrechte Dritter andererseits darlegt. Eine solche fortwährend wiederholte Darlegung wäre nur formalistisch und nicht geeignet, den Frage stellenden Abgeordneten einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu verschaffen. Ein Abgeordneter, der die Gründe für die grundsätzliche Antwortverweigerung hinterfragen möchte, ist daher gehalten, diese selbst zum Gegenstand einer Anfrage zu machen.
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Eine Begründungspflicht besteht allerdings insoweit, wie die Bundesregierung die Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.
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III.
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Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen teilweise verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.
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1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011, PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sie sich auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, nicht und hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) teilweise nicht genügt, im Übrigen sind die Anträge des Antragstellers - soweit zulässig - unbegründet.
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a) Die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 (PlenProt 17/119, S. 13802 D) richtete sich unter anderem darauf, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten in Saudi-Arabien vorliegen.
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Indem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie die Antwort auf diese Frage unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers endgültig verweigerte, hat die Antragsgegnerin das Fragerecht des Antragstellers zu 1. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Das Fragerecht der Abgeordneten besteht gegenüber der Bundesregierung, diese ist zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Antwort kann daher nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigert werden. Auf sonstige Geheimhaltungsgründe hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen; sie drängen sich auch nicht auf.
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b) Die Antwort auf die zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (Frage 7/193, BTDrucks 17/6658, S. 28) hat die Antragsgegnerin teilweise zu Unrecht verweigert. Es hätte ihr oblegen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard nach Saudi-Arabien genehmigt hat.
- 215
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Zu darüber hinausgehenden Angaben war die Antragsgegnerin allerdings nicht verpflichtet. Falls zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates nicht vorgelegen haben sollte, wäre sie daher nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob überhaupt ein entsprechender Genehmigungsantrag oder eine entsprechende Voranfrage vorlag. Dass die Presse über die vermeintlich erteilte Genehmigung einer solchen Lieferung berichtet hatte, ändert hieran nichts. Unterfällt ein Willensbildungsvorgang innerhalb der Regierung dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, so wird er nicht dadurch weniger geheimhaltungsbedürftig, dass Dritte über ihn öffentlich berichten. Anderenfalls könnte die Regierung durch gezielte Spekulationen zu Auskünften über geheimhaltungsbedürftige Willensbildungsvorgänge gezwungen werden. Auch eine ablehnende Entscheidung hätte die Antragsgegnerin nicht als solche mitteilen, sondern nur angeben müssen, dass keine positive Genehmigungsentscheidung vorliegt. Sollte eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates vorgelegen haben, so wäre die Antragsgegnerin nicht verpflichtet gewesen, die Frage insoweit zu beantworten, wie sie sich auf Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuelle Auflagen zum Einsatz in Saudi-Arabien oder in anderen Ländern bezog. Auch Angaben zu den Gründen der Entscheidung wären nicht erforderlich gewesen.
- 216
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c) Berechtigterweise hat die Antragsgegnerin die Antwort auf die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1. (BTDrucks 17/6438, S. 1) verweigert (PlenProt 17/119, S. 13807 A), soweit diese sich auf "Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts" bezog.
- 217
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Die Frage, welche Mitglieder der Bundesregierung ein bestimmtes Rüstungsexportgeschäft unterstützen oder unterstützt haben, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. An der Offenlegung interner Abstimmungsvorgänge der Regierung besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, da diese als Ganze dem Parlament gegenüber verantwortlich ist und bei Mehrheitsentscheidungen nur für die getroffene Entscheidung, nicht aber für etwaige Gegenstimmen einzustehen hat.
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Soweit sich die Frage auf "Vermittler und Nutznießer" bezieht, zielt sie ersichtlich auf die von dem Antragsteller zu 1. angenommene Leistung "nützlicher Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts und ist mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden (siehe Rn. 123).
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d) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. zu dem konkreten Kaufpreis für 200 Leopard-Kampfpanzer (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) durfte die Antragsgegnerin verweigern. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis des diese Panzer vertreibenden Unternehmens. Die Offenlegung der Kaufpreise aus konkreten einzelnen Ausfuhrgeschäften würde anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da diese ihre eigene Preispolitik entsprechend anpassen könnten. Zudem würde dem betreffenden inländischen Unternehmen ein Nachteil daraus erwachsen, dass die verschiedenen Abnehmer dieser Panzer einen Überblick über die Preisspanne erhielten und diese Information in künftigen Vertragsverhandlungen zu Lasten der Anbieter ausnutzen könnten.
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Es besteht auch kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Information. Konkrete Kaufpreise sind für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns in aller Regel irrelevant. Dafür, dass der Differenzbetrag zwischen einem etwaigen Kaufpreis für derartige Panzer in Deutschland und dem von Saudi-Arabien gezahlten Preis als Bestechungsgeld anzusehen sein müsste, ist nichts ersichtlich. Schon die Annahme, dass es überhaupt einen feststehenden Kaufpreis im Inland gibt, ist wenig naheliegend. Die jeweiligen Preise dürften nach allgemeinen marktwirtschaftlichen Regeln schwanken.
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2. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) nicht genügt, soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt. Im Übrigen sind die Anträge der Antragstellerin zu 2. unbegründet.
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a) Die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. richtete sich zum einen darauf, wann die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz beziehungsweise dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt hat, und zum anderen darauf, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe diesen Genehmigungen zu Grunde lagen.
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Die Antragsgegnerin war verpflichtet, den ersten Teil der Frage zu beantworten und der Antragstellerin zu 2. mitzuteilen, ob und - bejahendenfalls - wann der Bundessicherheitsrat eine entsprechende positive Genehmigungsentscheidung getroffen hat. Zur Darlegung der Gründe für die etwaige Entscheidung des Bundessicherheitsrates war sie hingegen nicht verpflichtet (siehe Rn. 177).
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b) Hinsichtlich der Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13803 D) und ihrer dringlichen Frage (BTDrucks 17/6438, S. 1; PlenProt 17/119, S. 13810 D) war die Antragsgegnerin zur Antwortverweigerung berechtigt, da diese Fragen ebenfalls auf die Gründe für eine vermeintlich getroffene Entscheidung des Bundessicherheitsrates abzielten.
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c) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13811 A) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert. Die Frage, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden, könnte durch die Antragsgegnerin nur beantwortet werden, indem sie Absprachen offenlegt, die sie mit dem Empfängerstaat getroffen hat. Hierzu ist sie aus Gründen des Staatswohls nicht verpflichtet.
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Die Antragsgegnerin müsste zur Beantwortung der Frage zunächst offenlegen, ob sie davon ausgegangen ist, dass die Nutzung der zur Ausfuhr vorgesehenen Rüstungsgüter zu innerer Repression durch den Empfängerstaat konkret drohte. Derartige Ausführungen könnten zu einer erheblichen Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen und unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat (siehe Rn. 176). Sollte hingegen auf konkrete Absprachen oder Auflagen verzichtet worden sein, könnte dies für bestimmte außenpolitische Interessen der Bundesrepublik an dem konkreten Exportgeschäft sprechen, deren Öffentlichwerden die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen kann (siehe Rn. 177). Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die maßgebenden Gründe für eine solche Genehmigungsentscheidung für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung sind, darf die Antragsgegnerin die Offenlegung der Gründe daher verweigern.
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3. Soweit die Anträge der Antragstellerin zu 3. zulässig sind, haben sie keinen Erfolg, da die Antragsgegnerin die Antwort auf die betreffenden Fragen verweigern durfte.
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a) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) danach, ob im Vorfeld der vermeintlichen Entscheidung des Bundessicherheitsrates die Zustimmung Israels und der USA zu dem Rüstungsexportgeschäft eingeholt worden sei, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat Auskunft zu geben (Rn. 172). Dies gilt auch für Gespräche, die zur Vorbereitung einer Entscheidung des Gremiums mit anderen Staaten geführt wurden. Müssten Drittstaaten damit rechnen, dass ihre der Bundesregierung gegenüber vertraulich abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so wäre zu befürchten, dass die Bundesrepublik künftig nicht mehr mit derartigen Informationen versorgt würde. Die Antwort kann insoweit folglich auch aus Gründen des Staatswohls verweigert werden.
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b) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B, im Antrag bezeichnet mit "S. 13841 B") der Antragstellerin zu 3., ob die Verfolgung Homosexueller durch ein Land der Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr von Panzern an diesen Staat entgegenstünde, betrifft wiederum einen Abwägungsvorgang innerhalb des Bundessicherheitsrates, der als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geschützt ist.
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c) Entsprechendes gilt für die schriftliche Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26), mit der die Antragstellerin zu 3. direkt nach den Gründen für die vermeintliche Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien fragt.
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d) Hinsichtlich der weiteren schriftlichen Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27) kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Frage des Antragstellers zu 1. verwiesen werden (siehe Rn. 216 ff.). Auch insoweit durfte die Antragsgegnerin die Antwort verweigern.
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D.
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Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Vorlage von Verwaltungsvorgängen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I, S. 1048; im Folgenden: 6. FFG-Änderungsgesetz). Das 6. FFG-Änderungsgesetz nahm rückwirkend zum 1. Januar 2004 (vgl. § 73 Abs. 7 Satz 1 FFG) in § 67 FFG Bemessungsregeln für die von den Fernsehveranstaltern zu leistende Filmabgabe auf.
3Die Klägerin betreibt bundesweit Filmtheater. Sie ist eine Gesellschaft der D. -Gruppe, der neben der Klägerin elf Schwestergesellschaften angehören, die ebenfalls in Deutschland Lichtspielhäuser unterhalten.
4Am 8. September 2010 beantragte die Klägerin beim (damaligen) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Folgenden: BKM) gemäß § 7 IFG, ihr sämtliche Verwaltungsvorgänge zugänglich zu machen, die der BKM im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz führt und geführt hat. Ihr besonderes Augenmerk gelte den Berechnungsmodellen und Kalkulationen, die für die Festlegung des Abgabenmaßstabs der Fernsehveranstalter gemäß § 67 FFG n. F. bestimmend gewesen seien, ferner den Berechnungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit aller Einzahlergruppen. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht werden dürften.
5Mit Bescheid vom 15. Oktober 2010, zugegangen am 19. Oktober 2010, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der BKM habe bei der Vorbereitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes nicht als Behörde i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Das Vorbereiten und Ausarbeiten von Gesetzentwürfen diene der Wahrnehmung des Initiativrechts der Bundesregierung. Diese Regierungstätigkeit sei kein Verwaltungshandeln. Die dem BKM vorliegenden amtlichen Informationen zu dem beantragten Thema bezögen sich ausschließlich auf die unmittelbare Erarbeitung des Regierungsentwurfs zum 6. FFG-Änderungsgesetz. Bei den Dokumenten handele es sich vorwiegend um Vermerke gegenüber der Hausleitung, Aufzeichnungen über interne Besprechungen, E-Mail-Verkehr mit Verbänden, Sendern und anderen Unternehmen, die zukünftig unter die Abgabenpflicht fallen sollten, Gesamtkalkulationen zu den finanziellen Auswirkungen der Novelle sowie um Materialien zum parlamentarischen Verfahren und zur Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt. Die Prüfung der Unterlagen auf eventuell einschlägige Ausnahmetatbestände nach §§ 3 ff. IFG sei vor diesem Hintergrund nicht notwendig.
6Die Klägerin erhob am 17. November 2010 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend: Es sei mit Blick auf das gebotene weite Begriffsverständnis unzutreffend, eine Bundesbehörde von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auszunehmen, wenn im konkreten Fall Regierungstätigkeit ausgeübt werde. Die Ausnahmen gemäß §§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 1 IFG griffen nicht, weil es um einen Anspruch auf Informationszugang nach Verabschiedung des Gesetzes gehe. Eine andere Betrachtungsweise laufe dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
8Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der BKM sei nach dem anzuwendenden funktionellen Behördenbegriff eine Behörde des Bundes, auch wenn er im konkreten Fall bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs eine Regierungstätigkeit wahrgenommen habe. Die Gesetzesmaterialien zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien amtliche Informationen. Sie seien beim BKM in seiner Zuständigkeit für die Kulturförderung - namentlich für die Filmförderung durch die unter seiner Aufsicht stehende Filmförderungsanstalt - entstanden. Der eng zu interpretierende Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG sei nicht gegeben bzw. von der Beklagten nicht nachvollziehbar belegt. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde durch den begehrten Informationszugang nicht tangiert. Die Beratungen beim BKM zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien längst abgeschlossen. Der Beratungsvorgang müsse nicht mehr geschützt werden. Ansonsten würden zahllose Informationsansprüche ins Leere laufen, da Verwaltungsvorgängen fast immer behördeninterne Beratungen vorausgingen. Einengende Vorwirkungen für zukünftige Gesetzgebungsverfahren seien nicht erkennbar. Die von der Beklagten auf S. 10 bis 13 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 aufgelisteten Unterlagen seien - nach ihrer Behauptung - Vorlagen an die Hausleitung des BKM und Kabinettsvorlagen. Die Beklagte habe den konkreten Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht substantiiert, so dass sich schon von daher keine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung feststellen lasse. Überdies seien weder der Staatsminister noch das Kabinett an diese Vorlagen gebunden gewesen. Auch im Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 habe die Beklagte die Schutzwürdigkeit der Leitungsvorlagen nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ähnliches gelte, soweit sich die Beklagte auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 auf § 3 Nr. 7 IFG berufe. Die Informationsübermittlung zwischen Behörden sei nicht geschützt, so dass Unterlagen nicht von dem Informationsanspruch ausgenommen werden könnten, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder von der Filmförderungsanstalt stammten, bei der es sich um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts handele. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Darlegungslast nicht erfüllt. Hinzu komme, dass auch§ 3 Nr. 7 IFG nicht unbefristet gelte. Worin das aktuelle Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit bestehe, sei unklar. Im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG habe sie, die Klägerin, vorab erklärt, dass diese - soweit vorhanden - unkenntlich gemacht werden dürften. Allerdings beziehe sich dieser Geheimnisschutz nicht auf Personen des öffentlichen Rechts wie die Filmförderungsanstalt oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, auf deren Dokumente die Beklagte auf S. 20 bis 32 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 verweise. Gleiches gelte für Unterlagen, die von Verbänden stammten. Diese führten keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juli 2012 hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - 7 C 3.11, 7 C 4.11 - würden die in der überreichten Tabelle in Spalte 1 („Nur Argument keine Behörde“) gelisteten Aktenbestandteile der Klägerin in Form von Kopien spätestens bis zum 14. September 2012 zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugänglich gemacht.
11Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt. Sie hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte berechtigt ist, in diesen Unterlagen etwa enthaltene personenbezogene Daten i.S.v. § 5 IFG zu schwärzen. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
12Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zu verpflichten, ihr - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - sämtliche Verwaltungsvorgänge, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 führt oder geführt hat, zugänglich zu machen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege vor. Auch im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Vorbereitungen zur Erstellung eines Gesetzesvorschlags anzuerkennen. Im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung finde keine Abwägung mit dem Anspruch des Bürgers auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz statt. Diesem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehörten auch Leitungsvorlagen an, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, bezeichnet seien. Der Schutz des Kernbereichs der Exekutive, der die Willensbildung der Regierung umfasse, sei nicht mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. FFG-Änderungsgesetz entfallen oder weniger gewichtig. Dies folge auch aus den einengenden Vorwirkungen des nachträglichen Zugriffs auf Informationen auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren. Den Erörterungen im Kabinett komme eine besondere Schutzwürdigkeit zu. Die freie und offene Willensbildung der Regierung werde gefährdet, wenn eine spätere Publizität zu befürchten sei. Eine unbegrenzte Offenheit von Unterlagen zur Vorbereitung von Gesetzen würde dazu führen, dass durch das Bekanntwerden z. B. von möglichen Meinungsverschiedenheiten auf Leitungsebene die Autorität des Gesetzes ausgehöhlt würde. Es gehe auch um sensible politische Einschätzungen. Es bestehe die Gefahr einer „Flucht in die Mündlichkeit“. Im Einzelnen erfasse § 3 Nr. 3 b) IFG die Blätter 65 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 575, 576 bis 594, 822 bis 851, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 922, 1055 bis 1060, 1071 bis 1096, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1239, 1260 bis 1283 sowie 1294 bis 1320 (siehe S. 10 bis 13 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011 und S. 4 bis 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2011). Der gewisse Abstraktionsgrad dieser Ausführungen liege in der Natur der Sache, um der Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Teile der Verwaltungsvorgänge Rechnung zu tragen. Unverhältnismäßig pauschaliert werde dabei nicht. Darüber hinaus entfalle der Informationsanspruch der Klägerin wegen § 3 Nr. 7 IFG. Bezüglich bestimmter Dokumente habe sie, die Beklagte, ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung zugesichert. § 3 Nr. 7 IFG gelte für die Blätter 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1259 (siehe S. 14 bis 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Das Interesse an der vertraulichen Behandlung bestehe fort. Der Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG schließe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt ein. Personenbezogene Daten Dritter seien gemäß § 5 IFG vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren in die Schwärzung der entsprechenden Passagen eingewilligt. Einer unbeschränkten Offenlegung stehe schließlich § 6 Satz 2 IFG für folgende Abschnitte entgegen: Blätter 80 bis 83, 93 bis 98, 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 500 bis 503, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1255, 1256 bis 1258, 1259 und 1299 (siehe S. 20 bis 32 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Eine Einwilligung des jeweiligen Geheimnisträgers liege nicht vor. Die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bestehe auch bei partiellen Schwärzungen fort.
17Mit Urteil vom 26. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des BKM vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin die bei dem BKM geführten Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz - soweit nicht für erledigt erklärt - mit Ausnahme der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich zu machen. Die Beklagte sei berechtigt, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung zu schwärzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Beklagte könne sich hinsichtlich sog. Leitungsvorlagen nicht mit Erfolg auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte hinsichtlich der Stellungnahmen, bezüglich derer sie eine vertrauliche Behandlung zugesichert habe, auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG stützen, soweit darin nicht Geschäftsgeheimnisse enthalten seien. Diese seien über § 6 Satz 2 IFG geschützt. Da alle betroffenen Geheimnisträger auf entsprechende Nachfrage des BKM mitgeteilt hätten, sie stimmten einer Bekanntgabe an die Klägerin nicht zu, sei die Beklagte berechtigt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung der Akten an die Klägerin zu schwärzen. Soweit die Verwaltungsvorgänge Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten, sei die Klage mit Blick auf § 6 Satz 2 IFG unbegründet.
18Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
19Die Beklagte hat am 31. August 2012 Berufung gegen das ihr am 7. August 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend und vertiefend vor, von der Berufung nicht erfasst sei ihre Verpflichtung, Zugang zu denjenigen Teilen der Verwaltungsvorgänge zu gewähren, in denen die Kabinettsvorlagen lediglich den endgültig in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut wiedergäben. Hierbei handele es sich um Blatt 830 bis 846, 904 bis 922, 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis 1239. Diese Blattbereiche werde sie der Klägerin unverzüglich offenbaren. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben habe, stehe dem Informationszugang der Schutz des Kernbereichs der Exekutive im Rahmen des § 3 Nr. 3 b) IFG entgegen. Es entspreche einem nach der Lebenserfahrung naheliegenden und wahrscheinlichen Verhalten, dass Erwägungen, deren Offenbarung zu nachteiligen Konsequenzen für die Regierung führen könne, nicht mehr schriftlich in den Akten niedergelegt würden, wenn diese Akten nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens jedem beliebigen Dritten zugänglich gemacht werden müssten. Vielmehr sei zu erwarten, dass Einschätzungen mündlich abgegeben würden und nicht mit dem gebotenen Gewicht in das Gesetzgebungsverfahren einflössen. Ein Informationszugang könne auch einengende Vorwirkungen haben, soweit es um einen nachträglichen Zugriff auf Informationen über ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren gehe. Diese Erwartung sei nicht nur mit Blick auf rechtliche, sondern auch in Bezug auf politische und taktische Einschätzungen berechtigt. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Geheimhaltungsgründe im gerichtlichen Hauptsacheverfahren überspannt. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, und vom 6. Dezember 2011, S. 4 bis 7, werde Bezug genommen. Es dürfe keine Substantiierung verlangt werden, die bereits zu einer Offenbarung der geheimzuhaltenden Informationen führe. Andernfalls laufe § 3 Nr. 3 b) IFG leer. Ohne ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe das Verwaltungsgericht nicht stattgeben dürfen. Nur äußert vorsorglich werde zu Blatt 66 bis 68, 113 bis 118, 327 bis 352, 535 bis 537, 558 bis 594, 823 bis 829, 852 bis 854, 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1106 bis 1009, 1181 bis 1187c, 1208, 1210 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1301 ergänzend vorgetragen (sieheS. 17 bis 23 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 19. November 2012). Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische, brisante Gesetzesnovelle gewesen sei, sei für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG unerheblich. Hinsichtlich der Unterlagen, für welche sie, die Beklagte, eine Vertraulichkeitszusage abgegeben habe, stehe dem Informationszugang § 3 Nr. 7 IFG entgegen. Diese Unterlagen seien auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 konkret bezeichnet. Auch diesbezüglich gehe das Verwaltungsgericht von überzogenen Substantiierungsanforderungen aus. Bereits die Tatsache der Kennzeichnung als vertraulich sei ein hinreichendes Indiz für eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Dieses Indiz sei nicht erschüttert. Einer weitergehenden Substantiierung der Vertraulichkeit bedürfe es nicht. Die wegen des Abgabenmaßstabs angeschriebenen betroffenen Kreise hätten im Hinblick auf ihre jeweilige Antwort durchweg darauf bestanden, dass alle übermittelten Informationen, d. h. das gesamte Schreiben, vertraulich behandelt würden. Würde sie, die Beklagte, gleichwohl zu einem Informationszugang verpflichtet, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in Zukunft nicht mehr in dem gebotenen Umfang Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgegeben würden. Zudem hätte § 3 Nr. 7 IFG sonst neben § 6 Satz 2 IFG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr.
21In der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 haben die Beteiligten klargestellt, welche Aktenbestandteile im Berufungsverfahren noch im Streit stehen. Die in den Spalten 3 und 4 der Übersicht, die erstinstanzlich dem Verwaltungsgericht überreicht worden ist, angegebenen Blattzahlen sind markiert worden, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Übersicht ist als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen worden.
22Die Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern, soweit sie darin verpflichtet worden ist, die bei ihr angefallenen Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 über Blatt 830 bis 846, Blatt 904 bis 922, Blatt 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis Blatt 1239 hinaus der Klägerin zugänglich zu machen, und insoweit die Klage abzuweisen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege nicht vor. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beziehe sich regelmäßig nur auf laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen, nicht auf abgeschlossene Verfahren. Eine einengende Vorwirkung durch eine Offenlegung von Leitungsvorlagen mit rechtlichen und/oder politisch-taktischen Erwägungen sei nach der Lebenserfahrung nicht zu befürchten. Transparenz und Offenheit seien für den Fortbestand einer demokratischen Gesellschaft überlebenswichtige Faktoren. Sie erhöhten die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung und wirkten der Gefahr sachfremder lobbyistischer Einflussnahme entgegen. Die Leitung der Beklagten sei geradezu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, jedwede rechtlichen und/oder taktisch-politischen Überlegungen zu Papier zu bringen. Sollte die Beklagte dem nicht nachkommen, dürfe der Informationszugangsanspruch darunter nicht leiden. Eine größtmögliche Transparenz stärke Sachargumente. Das Informationsfreiheitsgesetz diene auch der Qualitätsverbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses. Das Verwaltungsgericht habe die Darlegungsanforderungen an die Beklagte nicht überspannt. Die Ausnahmetatbestände des § 3 IFG seien grundsätzlich eng auszulegen. Die Beklagte habe den von ihr in Anspruch genommenen Kernbereichsschutz nicht hinreichend substantiiert. Dies sei auch in der Berufungsbegründung der Beklagten auf deren S. 17 ff. nicht geschehen. Auch die Kabinettsvorlagen unterlägen nicht dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische und brisante Angelegenheit gewesen sei, sei bei der Beurteilung der Ausschlussgründe erheblich. Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Eine schutzwürdige Vertraulichkeitsabrede habe die Beklagte auch in der Berufungsbegründung ab S. 26 nicht dargetan. Der Sache nach mache die Beklagte eine Bereichsausnahme für die Beteiligung Dritter an einem Gesetzgebungsverfahren geltend. Eine solche sehe das Informationsfreiheitsgesetz jedoch nicht vor.
27Mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Betreiberinnen von Filmtheatern gegen Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt nach dem Filmförderungsgesetz und gegen die diese als rechtmäßig bestätigenden fachgerichtlichen Urteile zurück. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe der §§ 66 ff. FFG seien verfassungsgemäß. Namentlich genügten sie den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärungen erster Instanz, des eingeschränkten Berufungsantrags der Beklagten sowie der rechtskräftigen Klageabweisung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als schutzwürdig eingestuften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und der dazu erfolgten Klarstellung durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Juni 2015 sind folgende Aktenbestandteile noch Gegenstand der Berufung: Blatt 66 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 (bezogen auf den Ablehnungsgrund aus § 3 Nr. 3 b) IFG) und Blatt 101 bis 109, 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 (hinsichtlich des Ausschlusstatbestands des § 3 Nr. 7 IFG).
31In diesem Umfang ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
32Das Verwaltungsgericht hat der Klage insofern zu Recht stattgegeben.
33Der solchermaßen noch streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34Die Klägerin hat aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihr Zugang zu den beim BKM angelegten Verwaltungsvorgängen betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz gewährt, auch soweit dieser Zugang über die von der Berufung nicht umfassten Blattbereiche hinausgeht.
35Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor (dazu I.). Dem noch streitgegenständlichen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3Nr. 3 b) IFG sowie des § 3 Nr. 7 IFG nicht entgegen. Dass andere Versagungstatbestände der Berufung zum Erfolg verhelfen - wie insbesondere§ 6 Satz 2 IFG -, hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (dazu II.).
36I. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind gegeben.
37Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bestimmt weiter, dass eine amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung ist. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).
38Behörden des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionelles Verständnis zugrunde. Bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen macht er die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig. Dieses aufgabenbezogene Merkmal kennzeichnet die in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG genannten Anspruchsverpflichteten.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012- 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 7.
40Der weite und umfassende funktionelle Verwaltungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schließt das Regierungshandeln ein. Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken. Es soll auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche, insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfallen soll und sich Ausnahmen grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so erklärt sich, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt. Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung ist unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 20 ff., und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 20 ff., jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 6 und ‚S. 12.
42Daraus folgt, dass auch die Tätigkeit eines Bundesministeriums bzw. einer sonstigen Regierungsbehörde - wie dem BKM - bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fällt. Lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung etc.) soll vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen bleiben.
43Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8; sowie OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013- OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
44Ausgehend von diesen Maßstäben ist der BKM grundsätzlich anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Seine hinreichende organisationsrechtliche Verselbständigung ergibt sich aus dem in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten BKM-Organisationsplan. Das Tätigwerden des BKM bei der Erarbeitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist Verwaltung im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Erstellung von Leitungs- und Kabinettsvorlagen sowie die Einholung von Stellungnahmen der von dem Gesetzesvorhaben betroffenen Kreise ist - auch als Regierungshandeln - nach dem oben Gesagten funktionell Verwaltung. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch zugestanden. Sie hat die Klägerin in dieser Hinsicht klaglos gestellt.
45II. Dem im Berufungsverfahren noch umstrittenen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten ins Feld geführten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 3 b) IFG (dazu 1.) und des § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.) nicht entgegen. Andere Ablehnungstatbestände wie in Sonderheit § 6 Satz 2 IFG, die zur Begründetheit der Berufung führen können, sind nicht ersichtlich (dazu 3.). Um zu diesen Befunden zu gelangen, ist der Senat nicht verpflichtet, ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuleiten. Der darauf gerichtete Hilfsbeweisantrag der Beklagten, den diese in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellt hat, ist abzulehnen (dazu 4.).
461. Der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit den verfassungsrechtlich verankerten Maßstäben zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung greift nicht zugunsten der Beklagten ein. Die Beklagte beruft sich mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 - sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 - auf diese Ausnahmeklausel ohne Erfolg.
47Nach § 3 Nr. 3 b) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
48§ 3 Nr. 3 b) IFG schützt innerbehördlichen Beratungen, die auf eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind. Derartige Beratungen sollen wegen des Wissens um eine Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Mit der Formulierung „solange“ wird deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Im Übrigen erfasst § 3 Nr. 3 b) IFG nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - den Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis).
49Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011- 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91.
50Der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG bezieht sich des Weiteren nur auf die aus tragfähigen Gründen „notwendige Vertraulichkeit“ (vgl. zu diesem Begriff § 3 Nr. 3 a) IFG) behördlicher Beratungen. Er erstreckt seinen Schutz nicht auf jeglichen behördlichen Entscheidungsfindungsprozess.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5, unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 86; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 8.
52Eine Beeinträchtigung der Beratung von Behörden i.S.d. § 3 Nr. 3 b) IFG erfordert zudem ebenso wie die übrigen von § 3 IFG erfassten Gefahren, Beeinträchtigungen und nachteiligen Auswirkungen, dass die konkrete Möglichkeit der Verletzung der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen besteht bzw. dass eine solche Verletzung hinreichend wahrscheinlich ist.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 101.
54In die so zu verstehende einfachgesetzliche Versagungsbestimmung des § 3Nr. 3 b) IFG ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu integrieren.
55Die ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 35, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 122 ff. (zur Grenze der Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Verhältnis zur Regierung); siehe dazu außerdem BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 43 ff.
57Übertragen auf das Informationsfreiheitsrecht folgt daraus, dass der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen muss, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt. Dessen Anliegen überschneidet sich aber jedenfalls teilweise mit dem geschriebenen Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen sind offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, so dass dieser Verfassungsgrundsatz in die Anwendung des § 3 Nr. 3 b) IFG zu integrieren ist. Erst wenn sich gleichwohl Schutzlücken auftun, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31.
59Dass die jeweils verfahrensgegenständlichen amtlichen Informationen am Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung - und somit auch an demjenigen des § 3 Nr. 3 b) IFG - teilhaben, hat die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG in Anspruch genommene Behörde darzulegen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung müssen anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft aber darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Informationsfreiheitsgesetz indes nicht vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl 2012, 176 = juris Rn. 31, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 51 ff. (zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen); siehe zur Einzelfallbezogenheit der Prüfung mit Blick auf parlamentarische Informationsrechte außerdem BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 126.
61Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stützen. Die Beklagte hat insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 nicht anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt, dass die Vertraulichkeit der Beratung im Bereich der Regierung bzw. im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben (künftig) konkret beeinträchtigt wird, wenn sie die von der Klägerin herausverlangten Verwaltungsvorgänge des BKM betreffend das 6. FFG-Änderungsgesetz offenlegt.
62Das 6. FFG-Änderungsgesetz ist am 31. Juli 2010 verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsmäßigkeit mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, bestätigt. Es handelt sich bei den gesetzesvorbereitenden behördeninternen Beratungen zum 6. FFG-Änderungsgesetz, die der BKM in seinem Verwaltungsvorgang dokumentiert hat, daher um einen in doppelter Hinsicht rechtlich wie tatsächlich abgeschlossenen Vorgang. Dass dieser abgeschlossene Vorgang dennoch nach Maßgabe von § 3 Nr. 3 b) IFG und Aspekten des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geheim gehalten werden muss, um die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Regierung zu schützen, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
63Die Begründung der Beklagten, die Blattbereiche 66 bis 68 und 112 bis 118 enthielten einen mit rechtlichen und politischen Bewertungen versehenen Sprechzettel zur Vorbereitung des Staatsministers auf eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 22. April 2009 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes bzw. auf eine Sitzung im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2009, der sog. aktive und reaktive Gesprächspositionen des Staatsministers beschreibe und einzelne politische Handlungsoptionen und die diesbezügliche mögliche Positionierung des Staatsministers in der jeweiligen Sitzung darlege, füllt die Anforderungen des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stellt, nicht aus. Es geht bei dieser Sitzungsvorbereitung des Staatsministers nicht um eine gubernative Entscheidung oder um Erörterungen im Kabinett selbst, die in besonderem Maß schützenswert sind. Vielmehr spricht die Beklagte hiermit einen vorbereitenden Beratungsprozess im Bereich des BKM an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine informationsfreiheitsrechtliche Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Informationsfreiheitsgesetz de lege lata nicht vorsieht. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 b) IFG verlangen stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung (hier in Gestalt des BKM), sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen jedenfalls nachträglich erklären zu müssen.
64Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen („Hemmungen“) bzw. zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-) zu bilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 hervorgehobene Umstand, dass das Filmförderungsgesetz häufig novelliert werde, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nicht jede Novelle den Inhalt des 6. FFG-Änderungsgesetzes haben muss und schon deswegen einengende Vorwirkungen durch den streitigen Informationszugang nicht pauschal zu erwarten sind, gilt für jedes Gesetzesvorhaben neu, dass sich die Regierung auf die Transparenzvorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich einzustellen hat, ohne dass die Qualität ihrer Vorbereitungsarbeit darunter leiden darf.
65Die Autorität eines in Kraft getretenen Gesetzes kann durch die Form der Publizität, die das Informationsfreiheitsgesetz herstellt, nicht leiden. Ein förmliches Gesetz schöpft seine verfassungsrechtliche Legitimität aus dem Parlamentsbeschluss (Art. 77 Abs. 1 GG) und dem Gedanken der Volkssouveränität
66(Art. 20 Abs. 2 GG). Dass einem Gesetzesbeschluss ein ergebnisoffener (verfassungs-)rechtlicher und rechtspolitischer Diskurs vorausgeht, der insbesondere auch innerhalb der am Gesetzgebungsprojekt beteiligten Regierungsstellen stattfindet, versteht sich in einer offenen Gesellschaftsordnung von selbst und wird von der Öffentlichkeit nicht anders erwartet.
67Den Tatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG füllt im Anschluss daran auch nicht der Vortrag der Beklagten zu den Blättern 327 bis 352 aus, bei denen es sich um eine Vorlage an den Staatsminister handele, die handschriftliche Anmerkungen des Staatsministers und der Abteilungsleiterin im BKM enthalte, die sich auf politische Bewertungen des Staatsministers bzw. der Abteilungsleiterin bezögen. Dies gilt ebenfalls, soweit dieser Blattbereich politische und rechtliche Bewertungen einzelner auf die Gesetzesnovelle bezogener Fragen und eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf aufweist, die einen von dem schließlich in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut verschiedenen Inhalt hat und im Übrigen aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Änderungen im Dokument Rückschlüsse darauf zulässt, welche politische Einschätzung von welcher am Gesetzesvorhaben beteiligten Stelle vorgenommen worden ist. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und nach der im Tatbestand referierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2014 zur Verfassungsmäßigkeit des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist die Vertraulichkeit dieser Beratungen aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG schutzwürdig. Diese Aktenstücke betreffen einen abgeschlossenen Vorgang und sind außerhalb des Kernbereichs der Regierung angesiedelt. Die von Beklagtenseite befürchteten einengenden Vorwirkungen dürfen nach der Grundidee des Informationsfreiheitsgesetzes - wie gesagt - nicht generalisierend in die Prüfung des § 3 Nr. 3 b) IFG eingestellt werden.
68Zum Weiteren trägt die Beklagte auch zu Blatt 534 bis 537 des Verwaltungsvorgangs des BKM lediglich vor, diese Passage beinhalte eine Vorlage des zuständigen Referats für den Staatsminister für eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 11. Juli 2009 inklusive eines Sprechzettels für diese Sitzung mit politischen Wertungen. Sie befasse sich mit der Umsetzung einzelner, politisch umstrittener Aspekte der Novelle, mithin der Sache nach mit verhandlungstaktischen Positionen, die aber nicht notwendig in das endgültige Gesetz eingegangen seien. Nach den dargestellten Grundsätzen reicht auch dies und die allgemeine Sorge der Beklagten, eine Herausgabe dieser Unterlagen könne zukünftig die Kommunikation zwischen dem Staatsminister und seinen Mitarbeitern hemmen, für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht aus.
69Entsprechendes ist zusammenfassend hinsichtlich der übrigen von der Beklagten als nach § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schützenswert eingeordneten Blattbereiche 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 zu sagen. Diese betreffen nach dem Vorbringen der Beklagten erneut Vorlagen des zuständigen Referats an den Staatsminister im Hinblick auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und das Ergebnis der Branchenanhörung jeweils mit politischen und juristischen Einschätzungen und Wertungen, Sprechzettel für den Staatsminister für Sitzungen des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien am 2. Dezember 2009, am 27. Januar 2010 und am 19. Mai 2010, bei denen ein Sachstandsbericht zu der Novelle zu erstatten gewesen sei (mit dem entsprechenden Inhalt wie auf Blatt 65 bis 68), Kabinettsvorlagen mit einem Anschreiben des Staatsministers an den Chef des Bundeskanzleramts mit politischen Bewertungen und einer internen Handlungsanweisung für den Regierungssprecher ebenfalls mit politischen Wertungen, die der Regierungssprecher aber nicht öffentlich kommuniziert habe, sowie Ausführungen der zuständigen Stellen des BKM für den Staatsminister im Hinblick auf Unterlagen für den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nebst handschriftlichen Anmerkungen des Staatsministers und auf diese bezogene Vermerke.
70Was die Kabinettsvorlagen anbelangt, ist die zusätzliche Bemerkung veranlasst, dass auch diese zumindest bei abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - wie hier - nicht dem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen sind, der ohne weitere konkrete Beeinträchtigungen den Vertraulichkeitsschutz des § 3 Nr. 3 b) IFG genießt. Die Kabinettsvorlagen stellen keine gubernativen Entscheidungen dar und geben aus sich heraus auch keinen Aufschluss über die vertraulich zu behandelnden Beratungen im Kabinett selbst. Diesem gehört der BKM im Übrigen nach Art. 62 GG nicht an, weil er kein Bundesminister ist.
71Die von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 angesprochenen Wertungswidersprüche der vorstehenden Betrachtungsweise zum Geheimnisschutz innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht.
72§ 1 Abs. 1 IFG nimmt parlamentarische Angelegenheiten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes heraus.
73Vgl. erneut die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8.
74Sachlicher Grund dafür ist, dass parlamentarische Angelegenheiten, die der Rechtssetzung dienen oder anderweitig mandatsbezogen sind, ein spezifischer Bereich sind, in dem weisungsunabhängig und nach eigenen verfassungsrechtlichen Regeln gearbeitet wird.
75Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff.; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
76Dieser Bereich soll informationsfreiheitsrechtlich anders behandelt werden als die Tätigkeit der Verwaltung, die - auch und gerade in Gestalt von Regierungshandeln - durch das Informationsfreiheitsgesetz einer weitergehenden Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, geöffnet werden soll.
77Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 23.
782. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG ist gleichfalls nicht erfüllt.
79Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
80§ 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind.
81Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 186 ff.
82Neben der zwischen dem Hinweisgeber und der Behörde vereinbarten Vertraulichkeit setzt § 3 Nr. 7 IFG ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse des Dritten oder der Behörde an der vertraulichen Behandlung der Information voraus. Das Interesse an der Vertraulichkeit muss objektiv berechtigt sein. Andernfalls stünde der Informationszugang zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten. Er könnte sowohl einseitig durch den Informationsgeber und die Behörde als auch durch eine gegenseitig vereinbarte Vertraulichkeit unterlaufen werden. Die Annahme eines derart weitreichenden Ausnahmetatbestands ist dem tendenziell restriktiven System des § 3 IFG fremd.
83Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 -, juris Rn. 34 f.; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192 (unter Hinweis auf eine Vertraulichkeitsabrede des Bundes mit Toll Collect in einem Maut-Betreibervertrag).
84Die Kennzeichnung einer Information als vertraulich ist für ihre Schutzbedürftigkeit lediglich ein Indiz, welches die Behörde konkret und nachvollziehbar erhärten muss. Die Behörde muss auch im Hinblick auf § 3 Nr. 7 IFG darlegen, dass im Fall der Verneinung der Vertraulichkeit die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet ist.
85Vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192.
86Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
87Die Blätter 101 bis 109 und 1017 bis 1023 enthalten nach den Ausführungen der Beklagen Stellungnahmen zum geplanten Abgabenmaßstab der öffentlich-rechtlichen Sender zur Filmförderung mit unternehmensbezogenen Angaben zu Lizenzkosten, Kosten der Programmverbreitung, der Redaktion und des Rechteerwerbs. Allein die Abrede der Vertraulichkeit ordnet diese Informationen aber noch nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG zu. Die eher pauschal gehaltene Aussage der Beklagten, ihre Aufgabenerfüllung und diejenige der betroffenen Informationsgeber sei im Falle eines Informationszugangs gefährdet, substantiiert die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG nicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - auch von durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich garantierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten -,
88vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 41 BvF 4/11 -, DVBl. 2014, 649 = juris Rn. 44, vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, BVerfGE 119, 181 = DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 129 ff., und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 = DVBl. 1994, 465 = juris Rn. 147 ff., Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 -, BVerfGE 87, 181 = DVBl. 1992, 1594 = juris Rn. 71 ff.,
89vollzieht sich spezifisch nach Maßgabe des dafür vorgesehenen § 6 Satz 2 IFG. Aus diesem Grund müssen weder die Beklagte noch im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens hinzugezogene private Unternehmen oder sonstige Träger von Geschäftsgeheimnissen gewärtigen, dass sensible Informationen aus ihrem Geschäftsbereich - wie exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen - an die Öffentlichkeit oder an Konkurrenten gelangen und ihre Wettbewerbsposition dadurch nachteilig beeinflusst wird.
90Vgl. zum Schutzgehalt des § 6 Satz 2 IFG BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 131.
91Auch wenn die gesetzesvorbereitend tätig werdende Beklagte mit Informationszugangsansprüchen konfrontiert wird, muss sie ihr dabei zugetragene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dieser Dritten nicht herausgeben. Dies räumt die Besorgnis der Beklagten aus, Dritte könnten zukünftig von einer Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren wegen etwaiger Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetzes abgehalten werden.
92Auch bei dieser Lesart behält § 3 Nr. 7 IFG neben § 6 Satz 2 IFG einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 3 Nr. 7 IFG stellt einen Vertraulichkeitsschutz- wie dargelegt - dort bereit, wo die Vertraulichkeit für die behördliche Aufgabenerfüllung qualitativ von herausgehobener Bedeutung ist. Dies setzt § 6 Satz 2 IFG nicht voraus. Er gewährleistet im speziellen Feld der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Vertraulichkeitsschutz im Übrigen.
93Soweit die betroffenen Kreise, die sich an einem Gesetzgebungsverfahren mit Stellungnahmen beteiligen, nicht nur Geschäftsdaten, sondern auch ihre - zustimmende oder ablehnende - Haltung zu dem Gesetzesvorhaben vertraulich behandelt wissen wollen, fällt dies zwar für sich genommen aus dem Schutzbereich des § 6 Satz 2 IFG heraus. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass § 3 Nr. 7 IFG insofern einen Vertraulichkeitsschutz herstellen muss. Auch Unternehmen oder Verbänden, die sich inhaltlich zu einem Gesetzesprojekt positionieren, ist im Grundsatz zuzumuten, dies retrospektiv ggf. auch öffentlich zu vertreten. Von Unternehmen und Verbänden wird generell angenommen, dass sie - auch durch Lobbyarbeit und Interessenvertretung - an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Es ist im Allgemeinen weder ehrenrührig noch ihrer Geschäftstätigkeit sonstwie abträglich, falls dies im Nachhinein konkret bekannt wird. Die Befürchtung der Beklagten, die betroffenen Kreise gäben künftig bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren keine Stellungnahmen mehr ab, wenn ihre Positionierung bekannt würde, teilt der Senat deshalb nicht.
94Aus entsprechenden Gründen sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG bezüglich der - im Berufungsverfahren außerdem streitgegenständlich gebliebenen - Blattbereiche 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1016, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 nicht erfüllt. Abgesehen von unternehmensbezogenen und damit nach § 6 Satz 2 IFG geschützten Angaben umfassen diese Aktenteile- wie die Beklagte vorträgt - lediglich Äußerungen betroffener Kreise zum Abgabenmaßstab.
953. Weitergehende Ablehnungsgründe - in Sonderheit aus § 6 Satz 2 IFG - sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Schutz des § 6 Satz 2 IFG weiter reicht als von dem Verwaltungsgericht angenommen und auch die verbliebenen Aktenteile einschließt, für welche die Beklagte sich im Berufungsverfahren auf § 3 Nr. 7 IFG bezieht, legt die Beklagte nicht dar.
964. Um feststellen zu können, dass die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG - aber auch nach § 3 Nr. 7 IFG - nicht einschlägig sind, muss der Senat kein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einleiten. Dem in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, dass bei Herausgabe der auf S. 17 bis 23 der Berufungsbegründung vom 19. November 2012 bezeichneten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beeinträchtigt würden, muss der Senat nicht nachkommen.
97Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
98Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N.
99Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7.
101Gemessen daran ist ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst und der Hilfsbeweisantrag der Beklagten abzulehnen. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - eingehenden - Vortrags der Beklagten zu den Ausschlussgründen des § 3 Nr. 3 b) IFG - und auch des § 3 Nr. 7 IFG - lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Versagungstatbestände nicht gegeben sind. Die Beklagte hat den Gehalt der Unterlagen, die ihrer Ansicht nach § 3 Nr. 3 b) IFG bzw. § 3 Nr. 7 IFG unterfallen sollen, genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt indes zu dem beschriebenen Ergebnis.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
104Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Inhalt und Reichweite der Ausschlussgründe gemäߧ 3 Nr. 3 b) IFG und § 3 Nr. 7 IFG weiter auszudifferenzieren bzw. höchstrichterlich weitergehend zu klären.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Vorlage von Verwaltungsvorgängen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I, S. 1048; im Folgenden: 6. FFG-Änderungsgesetz). Das 6. FFG-Änderungsgesetz nahm rückwirkend zum 1. Januar 2004 (vgl. § 73 Abs. 7 Satz 1 FFG) in § 67 FFG Bemessungsregeln für die von den Fernsehveranstaltern zu leistende Filmabgabe auf.
3Die Klägerin betreibt bundesweit Filmtheater. Sie ist eine Gesellschaft der D. -Gruppe, der neben der Klägerin elf Schwestergesellschaften angehören, die ebenfalls in Deutschland Lichtspielhäuser unterhalten.
4Am 8. September 2010 beantragte die Klägerin beim (damaligen) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Folgenden: BKM) gemäß § 7 IFG, ihr sämtliche Verwaltungsvorgänge zugänglich zu machen, die der BKM im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz führt und geführt hat. Ihr besonderes Augenmerk gelte den Berechnungsmodellen und Kalkulationen, die für die Festlegung des Abgabenmaßstabs der Fernsehveranstalter gemäß § 67 FFG n. F. bestimmend gewesen seien, ferner den Berechnungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit aller Einzahlergruppen. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht werden dürften.
5Mit Bescheid vom 15. Oktober 2010, zugegangen am 19. Oktober 2010, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der BKM habe bei der Vorbereitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes nicht als Behörde i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Das Vorbereiten und Ausarbeiten von Gesetzentwürfen diene der Wahrnehmung des Initiativrechts der Bundesregierung. Diese Regierungstätigkeit sei kein Verwaltungshandeln. Die dem BKM vorliegenden amtlichen Informationen zu dem beantragten Thema bezögen sich ausschließlich auf die unmittelbare Erarbeitung des Regierungsentwurfs zum 6. FFG-Änderungsgesetz. Bei den Dokumenten handele es sich vorwiegend um Vermerke gegenüber der Hausleitung, Aufzeichnungen über interne Besprechungen, E-Mail-Verkehr mit Verbänden, Sendern und anderen Unternehmen, die zukünftig unter die Abgabenpflicht fallen sollten, Gesamtkalkulationen zu den finanziellen Auswirkungen der Novelle sowie um Materialien zum parlamentarischen Verfahren und zur Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt. Die Prüfung der Unterlagen auf eventuell einschlägige Ausnahmetatbestände nach §§ 3 ff. IFG sei vor diesem Hintergrund nicht notwendig.
6Die Klägerin erhob am 17. November 2010 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend: Es sei mit Blick auf das gebotene weite Begriffsverständnis unzutreffend, eine Bundesbehörde von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auszunehmen, wenn im konkreten Fall Regierungstätigkeit ausgeübt werde. Die Ausnahmen gemäß §§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 1 IFG griffen nicht, weil es um einen Anspruch auf Informationszugang nach Verabschiedung des Gesetzes gehe. Eine andere Betrachtungsweise laufe dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
8Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der BKM sei nach dem anzuwendenden funktionellen Behördenbegriff eine Behörde des Bundes, auch wenn er im konkreten Fall bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs eine Regierungstätigkeit wahrgenommen habe. Die Gesetzesmaterialien zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien amtliche Informationen. Sie seien beim BKM in seiner Zuständigkeit für die Kulturförderung - namentlich für die Filmförderung durch die unter seiner Aufsicht stehende Filmförderungsanstalt - entstanden. Der eng zu interpretierende Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG sei nicht gegeben bzw. von der Beklagten nicht nachvollziehbar belegt. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde durch den begehrten Informationszugang nicht tangiert. Die Beratungen beim BKM zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien längst abgeschlossen. Der Beratungsvorgang müsse nicht mehr geschützt werden. Ansonsten würden zahllose Informationsansprüche ins Leere laufen, da Verwaltungsvorgängen fast immer behördeninterne Beratungen vorausgingen. Einengende Vorwirkungen für zukünftige Gesetzgebungsverfahren seien nicht erkennbar. Die von der Beklagten auf S. 10 bis 13 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 aufgelisteten Unterlagen seien - nach ihrer Behauptung - Vorlagen an die Hausleitung des BKM und Kabinettsvorlagen. Die Beklagte habe den konkreten Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht substantiiert, so dass sich schon von daher keine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung feststellen lasse. Überdies seien weder der Staatsminister noch das Kabinett an diese Vorlagen gebunden gewesen. Auch im Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 habe die Beklagte die Schutzwürdigkeit der Leitungsvorlagen nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ähnliches gelte, soweit sich die Beklagte auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 auf § 3 Nr. 7 IFG berufe. Die Informationsübermittlung zwischen Behörden sei nicht geschützt, so dass Unterlagen nicht von dem Informationsanspruch ausgenommen werden könnten, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder von der Filmförderungsanstalt stammten, bei der es sich um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts handele. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Darlegungslast nicht erfüllt. Hinzu komme, dass auch§ 3 Nr. 7 IFG nicht unbefristet gelte. Worin das aktuelle Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit bestehe, sei unklar. Im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG habe sie, die Klägerin, vorab erklärt, dass diese - soweit vorhanden - unkenntlich gemacht werden dürften. Allerdings beziehe sich dieser Geheimnisschutz nicht auf Personen des öffentlichen Rechts wie die Filmförderungsanstalt oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, auf deren Dokumente die Beklagte auf S. 20 bis 32 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 verweise. Gleiches gelte für Unterlagen, die von Verbänden stammten. Diese führten keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juli 2012 hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - 7 C 3.11, 7 C 4.11 - würden die in der überreichten Tabelle in Spalte 1 („Nur Argument keine Behörde“) gelisteten Aktenbestandteile der Klägerin in Form von Kopien spätestens bis zum 14. September 2012 zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugänglich gemacht.
11Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt. Sie hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte berechtigt ist, in diesen Unterlagen etwa enthaltene personenbezogene Daten i.S.v. § 5 IFG zu schwärzen. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
12Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zu verpflichten, ihr - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - sämtliche Verwaltungsvorgänge, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 führt oder geführt hat, zugänglich zu machen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege vor. Auch im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Vorbereitungen zur Erstellung eines Gesetzesvorschlags anzuerkennen. Im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung finde keine Abwägung mit dem Anspruch des Bürgers auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz statt. Diesem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehörten auch Leitungsvorlagen an, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, bezeichnet seien. Der Schutz des Kernbereichs der Exekutive, der die Willensbildung der Regierung umfasse, sei nicht mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. FFG-Änderungsgesetz entfallen oder weniger gewichtig. Dies folge auch aus den einengenden Vorwirkungen des nachträglichen Zugriffs auf Informationen auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren. Den Erörterungen im Kabinett komme eine besondere Schutzwürdigkeit zu. Die freie und offene Willensbildung der Regierung werde gefährdet, wenn eine spätere Publizität zu befürchten sei. Eine unbegrenzte Offenheit von Unterlagen zur Vorbereitung von Gesetzen würde dazu führen, dass durch das Bekanntwerden z. B. von möglichen Meinungsverschiedenheiten auf Leitungsebene die Autorität des Gesetzes ausgehöhlt würde. Es gehe auch um sensible politische Einschätzungen. Es bestehe die Gefahr einer „Flucht in die Mündlichkeit“. Im Einzelnen erfasse § 3 Nr. 3 b) IFG die Blätter 65 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 575, 576 bis 594, 822 bis 851, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 922, 1055 bis 1060, 1071 bis 1096, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1239, 1260 bis 1283 sowie 1294 bis 1320 (siehe S. 10 bis 13 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011 und S. 4 bis 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2011). Der gewisse Abstraktionsgrad dieser Ausführungen liege in der Natur der Sache, um der Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Teile der Verwaltungsvorgänge Rechnung zu tragen. Unverhältnismäßig pauschaliert werde dabei nicht. Darüber hinaus entfalle der Informationsanspruch der Klägerin wegen § 3 Nr. 7 IFG. Bezüglich bestimmter Dokumente habe sie, die Beklagte, ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung zugesichert. § 3 Nr. 7 IFG gelte für die Blätter 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1259 (siehe S. 14 bis 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Das Interesse an der vertraulichen Behandlung bestehe fort. Der Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG schließe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt ein. Personenbezogene Daten Dritter seien gemäß § 5 IFG vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren in die Schwärzung der entsprechenden Passagen eingewilligt. Einer unbeschränkten Offenlegung stehe schließlich § 6 Satz 2 IFG für folgende Abschnitte entgegen: Blätter 80 bis 83, 93 bis 98, 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 500 bis 503, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1255, 1256 bis 1258, 1259 und 1299 (siehe S. 20 bis 32 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Eine Einwilligung des jeweiligen Geheimnisträgers liege nicht vor. Die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bestehe auch bei partiellen Schwärzungen fort.
17Mit Urteil vom 26. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des BKM vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin die bei dem BKM geführten Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz - soweit nicht für erledigt erklärt - mit Ausnahme der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich zu machen. Die Beklagte sei berechtigt, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung zu schwärzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Beklagte könne sich hinsichtlich sog. Leitungsvorlagen nicht mit Erfolg auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte hinsichtlich der Stellungnahmen, bezüglich derer sie eine vertrauliche Behandlung zugesichert habe, auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG stützen, soweit darin nicht Geschäftsgeheimnisse enthalten seien. Diese seien über § 6 Satz 2 IFG geschützt. Da alle betroffenen Geheimnisträger auf entsprechende Nachfrage des BKM mitgeteilt hätten, sie stimmten einer Bekanntgabe an die Klägerin nicht zu, sei die Beklagte berechtigt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung der Akten an die Klägerin zu schwärzen. Soweit die Verwaltungsvorgänge Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten, sei die Klage mit Blick auf § 6 Satz 2 IFG unbegründet.
18Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
19Die Beklagte hat am 31. August 2012 Berufung gegen das ihr am 7. August 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend und vertiefend vor, von der Berufung nicht erfasst sei ihre Verpflichtung, Zugang zu denjenigen Teilen der Verwaltungsvorgänge zu gewähren, in denen die Kabinettsvorlagen lediglich den endgültig in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut wiedergäben. Hierbei handele es sich um Blatt 830 bis 846, 904 bis 922, 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis 1239. Diese Blattbereiche werde sie der Klägerin unverzüglich offenbaren. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben habe, stehe dem Informationszugang der Schutz des Kernbereichs der Exekutive im Rahmen des § 3 Nr. 3 b) IFG entgegen. Es entspreche einem nach der Lebenserfahrung naheliegenden und wahrscheinlichen Verhalten, dass Erwägungen, deren Offenbarung zu nachteiligen Konsequenzen für die Regierung führen könne, nicht mehr schriftlich in den Akten niedergelegt würden, wenn diese Akten nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens jedem beliebigen Dritten zugänglich gemacht werden müssten. Vielmehr sei zu erwarten, dass Einschätzungen mündlich abgegeben würden und nicht mit dem gebotenen Gewicht in das Gesetzgebungsverfahren einflössen. Ein Informationszugang könne auch einengende Vorwirkungen haben, soweit es um einen nachträglichen Zugriff auf Informationen über ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren gehe. Diese Erwartung sei nicht nur mit Blick auf rechtliche, sondern auch in Bezug auf politische und taktische Einschätzungen berechtigt. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Geheimhaltungsgründe im gerichtlichen Hauptsacheverfahren überspannt. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, und vom 6. Dezember 2011, S. 4 bis 7, werde Bezug genommen. Es dürfe keine Substantiierung verlangt werden, die bereits zu einer Offenbarung der geheimzuhaltenden Informationen führe. Andernfalls laufe § 3 Nr. 3 b) IFG leer. Ohne ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe das Verwaltungsgericht nicht stattgeben dürfen. Nur äußert vorsorglich werde zu Blatt 66 bis 68, 113 bis 118, 327 bis 352, 535 bis 537, 558 bis 594, 823 bis 829, 852 bis 854, 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1106 bis 1009, 1181 bis 1187c, 1208, 1210 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1301 ergänzend vorgetragen (sieheS. 17 bis 23 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 19. November 2012). Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische, brisante Gesetzesnovelle gewesen sei, sei für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG unerheblich. Hinsichtlich der Unterlagen, für welche sie, die Beklagte, eine Vertraulichkeitszusage abgegeben habe, stehe dem Informationszugang § 3 Nr. 7 IFG entgegen. Diese Unterlagen seien auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 konkret bezeichnet. Auch diesbezüglich gehe das Verwaltungsgericht von überzogenen Substantiierungsanforderungen aus. Bereits die Tatsache der Kennzeichnung als vertraulich sei ein hinreichendes Indiz für eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Dieses Indiz sei nicht erschüttert. Einer weitergehenden Substantiierung der Vertraulichkeit bedürfe es nicht. Die wegen des Abgabenmaßstabs angeschriebenen betroffenen Kreise hätten im Hinblick auf ihre jeweilige Antwort durchweg darauf bestanden, dass alle übermittelten Informationen, d. h. das gesamte Schreiben, vertraulich behandelt würden. Würde sie, die Beklagte, gleichwohl zu einem Informationszugang verpflichtet, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in Zukunft nicht mehr in dem gebotenen Umfang Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgegeben würden. Zudem hätte § 3 Nr. 7 IFG sonst neben § 6 Satz 2 IFG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr.
21In der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 haben die Beteiligten klargestellt, welche Aktenbestandteile im Berufungsverfahren noch im Streit stehen. Die in den Spalten 3 und 4 der Übersicht, die erstinstanzlich dem Verwaltungsgericht überreicht worden ist, angegebenen Blattzahlen sind markiert worden, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Übersicht ist als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen worden.
22Die Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern, soweit sie darin verpflichtet worden ist, die bei ihr angefallenen Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 über Blatt 830 bis 846, Blatt 904 bis 922, Blatt 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis Blatt 1239 hinaus der Klägerin zugänglich zu machen, und insoweit die Klage abzuweisen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege nicht vor. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beziehe sich regelmäßig nur auf laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen, nicht auf abgeschlossene Verfahren. Eine einengende Vorwirkung durch eine Offenlegung von Leitungsvorlagen mit rechtlichen und/oder politisch-taktischen Erwägungen sei nach der Lebenserfahrung nicht zu befürchten. Transparenz und Offenheit seien für den Fortbestand einer demokratischen Gesellschaft überlebenswichtige Faktoren. Sie erhöhten die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung und wirkten der Gefahr sachfremder lobbyistischer Einflussnahme entgegen. Die Leitung der Beklagten sei geradezu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, jedwede rechtlichen und/oder taktisch-politischen Überlegungen zu Papier zu bringen. Sollte die Beklagte dem nicht nachkommen, dürfe der Informationszugangsanspruch darunter nicht leiden. Eine größtmögliche Transparenz stärke Sachargumente. Das Informationsfreiheitsgesetz diene auch der Qualitätsverbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses. Das Verwaltungsgericht habe die Darlegungsanforderungen an die Beklagte nicht überspannt. Die Ausnahmetatbestände des § 3 IFG seien grundsätzlich eng auszulegen. Die Beklagte habe den von ihr in Anspruch genommenen Kernbereichsschutz nicht hinreichend substantiiert. Dies sei auch in der Berufungsbegründung der Beklagten auf deren S. 17 ff. nicht geschehen. Auch die Kabinettsvorlagen unterlägen nicht dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische und brisante Angelegenheit gewesen sei, sei bei der Beurteilung der Ausschlussgründe erheblich. Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Eine schutzwürdige Vertraulichkeitsabrede habe die Beklagte auch in der Berufungsbegründung ab S. 26 nicht dargetan. Der Sache nach mache die Beklagte eine Bereichsausnahme für die Beteiligung Dritter an einem Gesetzgebungsverfahren geltend. Eine solche sehe das Informationsfreiheitsgesetz jedoch nicht vor.
27Mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Betreiberinnen von Filmtheatern gegen Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt nach dem Filmförderungsgesetz und gegen die diese als rechtmäßig bestätigenden fachgerichtlichen Urteile zurück. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe der §§ 66 ff. FFG seien verfassungsgemäß. Namentlich genügten sie den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärungen erster Instanz, des eingeschränkten Berufungsantrags der Beklagten sowie der rechtskräftigen Klageabweisung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als schutzwürdig eingestuften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und der dazu erfolgten Klarstellung durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Juni 2015 sind folgende Aktenbestandteile noch Gegenstand der Berufung: Blatt 66 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 (bezogen auf den Ablehnungsgrund aus § 3 Nr. 3 b) IFG) und Blatt 101 bis 109, 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 (hinsichtlich des Ausschlusstatbestands des § 3 Nr. 7 IFG).
31In diesem Umfang ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
32Das Verwaltungsgericht hat der Klage insofern zu Recht stattgegeben.
33Der solchermaßen noch streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34Die Klägerin hat aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihr Zugang zu den beim BKM angelegten Verwaltungsvorgängen betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz gewährt, auch soweit dieser Zugang über die von der Berufung nicht umfassten Blattbereiche hinausgeht.
35Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor (dazu I.). Dem noch streitgegenständlichen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3Nr. 3 b) IFG sowie des § 3 Nr. 7 IFG nicht entgegen. Dass andere Versagungstatbestände der Berufung zum Erfolg verhelfen - wie insbesondere§ 6 Satz 2 IFG -, hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (dazu II.).
36I. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind gegeben.
37Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bestimmt weiter, dass eine amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung ist. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).
38Behörden des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionelles Verständnis zugrunde. Bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen macht er die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig. Dieses aufgabenbezogene Merkmal kennzeichnet die in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG genannten Anspruchsverpflichteten.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012- 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 7.
40Der weite und umfassende funktionelle Verwaltungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schließt das Regierungshandeln ein. Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken. Es soll auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche, insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfallen soll und sich Ausnahmen grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so erklärt sich, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt. Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung ist unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 20 ff., und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 20 ff., jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 6 und ‚S. 12.
42Daraus folgt, dass auch die Tätigkeit eines Bundesministeriums bzw. einer sonstigen Regierungsbehörde - wie dem BKM - bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fällt. Lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung etc.) soll vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen bleiben.
43Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8; sowie OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013- OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
44Ausgehend von diesen Maßstäben ist der BKM grundsätzlich anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Seine hinreichende organisationsrechtliche Verselbständigung ergibt sich aus dem in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten BKM-Organisationsplan. Das Tätigwerden des BKM bei der Erarbeitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist Verwaltung im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Erstellung von Leitungs- und Kabinettsvorlagen sowie die Einholung von Stellungnahmen der von dem Gesetzesvorhaben betroffenen Kreise ist - auch als Regierungshandeln - nach dem oben Gesagten funktionell Verwaltung. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch zugestanden. Sie hat die Klägerin in dieser Hinsicht klaglos gestellt.
45II. Dem im Berufungsverfahren noch umstrittenen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten ins Feld geführten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 3 b) IFG (dazu 1.) und des § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.) nicht entgegen. Andere Ablehnungstatbestände wie in Sonderheit § 6 Satz 2 IFG, die zur Begründetheit der Berufung führen können, sind nicht ersichtlich (dazu 3.). Um zu diesen Befunden zu gelangen, ist der Senat nicht verpflichtet, ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuleiten. Der darauf gerichtete Hilfsbeweisantrag der Beklagten, den diese in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellt hat, ist abzulehnen (dazu 4.).
461. Der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit den verfassungsrechtlich verankerten Maßstäben zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung greift nicht zugunsten der Beklagten ein. Die Beklagte beruft sich mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 - sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 - auf diese Ausnahmeklausel ohne Erfolg.
47Nach § 3 Nr. 3 b) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
48§ 3 Nr. 3 b) IFG schützt innerbehördlichen Beratungen, die auf eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind. Derartige Beratungen sollen wegen des Wissens um eine Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Mit der Formulierung „solange“ wird deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Im Übrigen erfasst § 3 Nr. 3 b) IFG nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - den Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis).
49Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011- 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91.
50Der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG bezieht sich des Weiteren nur auf die aus tragfähigen Gründen „notwendige Vertraulichkeit“ (vgl. zu diesem Begriff § 3 Nr. 3 a) IFG) behördlicher Beratungen. Er erstreckt seinen Schutz nicht auf jeglichen behördlichen Entscheidungsfindungsprozess.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5, unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 86; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 8.
52Eine Beeinträchtigung der Beratung von Behörden i.S.d. § 3 Nr. 3 b) IFG erfordert zudem ebenso wie die übrigen von § 3 IFG erfassten Gefahren, Beeinträchtigungen und nachteiligen Auswirkungen, dass die konkrete Möglichkeit der Verletzung der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen besteht bzw. dass eine solche Verletzung hinreichend wahrscheinlich ist.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 101.
54In die so zu verstehende einfachgesetzliche Versagungsbestimmung des § 3Nr. 3 b) IFG ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu integrieren.
55Die ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 35, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 122 ff. (zur Grenze der Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Verhältnis zur Regierung); siehe dazu außerdem BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 43 ff.
57Übertragen auf das Informationsfreiheitsrecht folgt daraus, dass der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen muss, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt. Dessen Anliegen überschneidet sich aber jedenfalls teilweise mit dem geschriebenen Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen sind offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, so dass dieser Verfassungsgrundsatz in die Anwendung des § 3 Nr. 3 b) IFG zu integrieren ist. Erst wenn sich gleichwohl Schutzlücken auftun, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31.
59Dass die jeweils verfahrensgegenständlichen amtlichen Informationen am Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung - und somit auch an demjenigen des § 3 Nr. 3 b) IFG - teilhaben, hat die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG in Anspruch genommene Behörde darzulegen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung müssen anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft aber darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Informationsfreiheitsgesetz indes nicht vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl 2012, 176 = juris Rn. 31, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 51 ff. (zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen); siehe zur Einzelfallbezogenheit der Prüfung mit Blick auf parlamentarische Informationsrechte außerdem BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 126.
61Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stützen. Die Beklagte hat insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 nicht anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt, dass die Vertraulichkeit der Beratung im Bereich der Regierung bzw. im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben (künftig) konkret beeinträchtigt wird, wenn sie die von der Klägerin herausverlangten Verwaltungsvorgänge des BKM betreffend das 6. FFG-Änderungsgesetz offenlegt.
62Das 6. FFG-Änderungsgesetz ist am 31. Juli 2010 verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsmäßigkeit mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, bestätigt. Es handelt sich bei den gesetzesvorbereitenden behördeninternen Beratungen zum 6. FFG-Änderungsgesetz, die der BKM in seinem Verwaltungsvorgang dokumentiert hat, daher um einen in doppelter Hinsicht rechtlich wie tatsächlich abgeschlossenen Vorgang. Dass dieser abgeschlossene Vorgang dennoch nach Maßgabe von § 3 Nr. 3 b) IFG und Aspekten des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geheim gehalten werden muss, um die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Regierung zu schützen, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
63Die Begründung der Beklagten, die Blattbereiche 66 bis 68 und 112 bis 118 enthielten einen mit rechtlichen und politischen Bewertungen versehenen Sprechzettel zur Vorbereitung des Staatsministers auf eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 22. April 2009 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes bzw. auf eine Sitzung im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2009, der sog. aktive und reaktive Gesprächspositionen des Staatsministers beschreibe und einzelne politische Handlungsoptionen und die diesbezügliche mögliche Positionierung des Staatsministers in der jeweiligen Sitzung darlege, füllt die Anforderungen des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stellt, nicht aus. Es geht bei dieser Sitzungsvorbereitung des Staatsministers nicht um eine gubernative Entscheidung oder um Erörterungen im Kabinett selbst, die in besonderem Maß schützenswert sind. Vielmehr spricht die Beklagte hiermit einen vorbereitenden Beratungsprozess im Bereich des BKM an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine informationsfreiheitsrechtliche Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Informationsfreiheitsgesetz de lege lata nicht vorsieht. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 b) IFG verlangen stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung (hier in Gestalt des BKM), sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen jedenfalls nachträglich erklären zu müssen.
64Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen („Hemmungen“) bzw. zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-) zu bilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 hervorgehobene Umstand, dass das Filmförderungsgesetz häufig novelliert werde, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nicht jede Novelle den Inhalt des 6. FFG-Änderungsgesetzes haben muss und schon deswegen einengende Vorwirkungen durch den streitigen Informationszugang nicht pauschal zu erwarten sind, gilt für jedes Gesetzesvorhaben neu, dass sich die Regierung auf die Transparenzvorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich einzustellen hat, ohne dass die Qualität ihrer Vorbereitungsarbeit darunter leiden darf.
65Die Autorität eines in Kraft getretenen Gesetzes kann durch die Form der Publizität, die das Informationsfreiheitsgesetz herstellt, nicht leiden. Ein förmliches Gesetz schöpft seine verfassungsrechtliche Legitimität aus dem Parlamentsbeschluss (Art. 77 Abs. 1 GG) und dem Gedanken der Volkssouveränität
66(Art. 20 Abs. 2 GG). Dass einem Gesetzesbeschluss ein ergebnisoffener (verfassungs-)rechtlicher und rechtspolitischer Diskurs vorausgeht, der insbesondere auch innerhalb der am Gesetzgebungsprojekt beteiligten Regierungsstellen stattfindet, versteht sich in einer offenen Gesellschaftsordnung von selbst und wird von der Öffentlichkeit nicht anders erwartet.
67Den Tatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG füllt im Anschluss daran auch nicht der Vortrag der Beklagten zu den Blättern 327 bis 352 aus, bei denen es sich um eine Vorlage an den Staatsminister handele, die handschriftliche Anmerkungen des Staatsministers und der Abteilungsleiterin im BKM enthalte, die sich auf politische Bewertungen des Staatsministers bzw. der Abteilungsleiterin bezögen. Dies gilt ebenfalls, soweit dieser Blattbereich politische und rechtliche Bewertungen einzelner auf die Gesetzesnovelle bezogener Fragen und eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf aufweist, die einen von dem schließlich in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut verschiedenen Inhalt hat und im Übrigen aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Änderungen im Dokument Rückschlüsse darauf zulässt, welche politische Einschätzung von welcher am Gesetzesvorhaben beteiligten Stelle vorgenommen worden ist. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und nach der im Tatbestand referierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2014 zur Verfassungsmäßigkeit des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist die Vertraulichkeit dieser Beratungen aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG schutzwürdig. Diese Aktenstücke betreffen einen abgeschlossenen Vorgang und sind außerhalb des Kernbereichs der Regierung angesiedelt. Die von Beklagtenseite befürchteten einengenden Vorwirkungen dürfen nach der Grundidee des Informationsfreiheitsgesetzes - wie gesagt - nicht generalisierend in die Prüfung des § 3 Nr. 3 b) IFG eingestellt werden.
68Zum Weiteren trägt die Beklagte auch zu Blatt 534 bis 537 des Verwaltungsvorgangs des BKM lediglich vor, diese Passage beinhalte eine Vorlage des zuständigen Referats für den Staatsminister für eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 11. Juli 2009 inklusive eines Sprechzettels für diese Sitzung mit politischen Wertungen. Sie befasse sich mit der Umsetzung einzelner, politisch umstrittener Aspekte der Novelle, mithin der Sache nach mit verhandlungstaktischen Positionen, die aber nicht notwendig in das endgültige Gesetz eingegangen seien. Nach den dargestellten Grundsätzen reicht auch dies und die allgemeine Sorge der Beklagten, eine Herausgabe dieser Unterlagen könne zukünftig die Kommunikation zwischen dem Staatsminister und seinen Mitarbeitern hemmen, für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht aus.
69Entsprechendes ist zusammenfassend hinsichtlich der übrigen von der Beklagten als nach § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schützenswert eingeordneten Blattbereiche 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 zu sagen. Diese betreffen nach dem Vorbringen der Beklagten erneut Vorlagen des zuständigen Referats an den Staatsminister im Hinblick auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und das Ergebnis der Branchenanhörung jeweils mit politischen und juristischen Einschätzungen und Wertungen, Sprechzettel für den Staatsminister für Sitzungen des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien am 2. Dezember 2009, am 27. Januar 2010 und am 19. Mai 2010, bei denen ein Sachstandsbericht zu der Novelle zu erstatten gewesen sei (mit dem entsprechenden Inhalt wie auf Blatt 65 bis 68), Kabinettsvorlagen mit einem Anschreiben des Staatsministers an den Chef des Bundeskanzleramts mit politischen Bewertungen und einer internen Handlungsanweisung für den Regierungssprecher ebenfalls mit politischen Wertungen, die der Regierungssprecher aber nicht öffentlich kommuniziert habe, sowie Ausführungen der zuständigen Stellen des BKM für den Staatsminister im Hinblick auf Unterlagen für den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nebst handschriftlichen Anmerkungen des Staatsministers und auf diese bezogene Vermerke.
70Was die Kabinettsvorlagen anbelangt, ist die zusätzliche Bemerkung veranlasst, dass auch diese zumindest bei abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - wie hier - nicht dem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen sind, der ohne weitere konkrete Beeinträchtigungen den Vertraulichkeitsschutz des § 3 Nr. 3 b) IFG genießt. Die Kabinettsvorlagen stellen keine gubernativen Entscheidungen dar und geben aus sich heraus auch keinen Aufschluss über die vertraulich zu behandelnden Beratungen im Kabinett selbst. Diesem gehört der BKM im Übrigen nach Art. 62 GG nicht an, weil er kein Bundesminister ist.
71Die von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 angesprochenen Wertungswidersprüche der vorstehenden Betrachtungsweise zum Geheimnisschutz innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht.
72§ 1 Abs. 1 IFG nimmt parlamentarische Angelegenheiten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes heraus.
73Vgl. erneut die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8.
74Sachlicher Grund dafür ist, dass parlamentarische Angelegenheiten, die der Rechtssetzung dienen oder anderweitig mandatsbezogen sind, ein spezifischer Bereich sind, in dem weisungsunabhängig und nach eigenen verfassungsrechtlichen Regeln gearbeitet wird.
75Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff.; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
76Dieser Bereich soll informationsfreiheitsrechtlich anders behandelt werden als die Tätigkeit der Verwaltung, die - auch und gerade in Gestalt von Regierungshandeln - durch das Informationsfreiheitsgesetz einer weitergehenden Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, geöffnet werden soll.
77Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 23.
782. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG ist gleichfalls nicht erfüllt.
79Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
80§ 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind.
81Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 186 ff.
82Neben der zwischen dem Hinweisgeber und der Behörde vereinbarten Vertraulichkeit setzt § 3 Nr. 7 IFG ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse des Dritten oder der Behörde an der vertraulichen Behandlung der Information voraus. Das Interesse an der Vertraulichkeit muss objektiv berechtigt sein. Andernfalls stünde der Informationszugang zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten. Er könnte sowohl einseitig durch den Informationsgeber und die Behörde als auch durch eine gegenseitig vereinbarte Vertraulichkeit unterlaufen werden. Die Annahme eines derart weitreichenden Ausnahmetatbestands ist dem tendenziell restriktiven System des § 3 IFG fremd.
83Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 -, juris Rn. 34 f.; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192 (unter Hinweis auf eine Vertraulichkeitsabrede des Bundes mit Toll Collect in einem Maut-Betreibervertrag).
84Die Kennzeichnung einer Information als vertraulich ist für ihre Schutzbedürftigkeit lediglich ein Indiz, welches die Behörde konkret und nachvollziehbar erhärten muss. Die Behörde muss auch im Hinblick auf § 3 Nr. 7 IFG darlegen, dass im Fall der Verneinung der Vertraulichkeit die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet ist.
85Vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192.
86Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
87Die Blätter 101 bis 109 und 1017 bis 1023 enthalten nach den Ausführungen der Beklagen Stellungnahmen zum geplanten Abgabenmaßstab der öffentlich-rechtlichen Sender zur Filmförderung mit unternehmensbezogenen Angaben zu Lizenzkosten, Kosten der Programmverbreitung, der Redaktion und des Rechteerwerbs. Allein die Abrede der Vertraulichkeit ordnet diese Informationen aber noch nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG zu. Die eher pauschal gehaltene Aussage der Beklagten, ihre Aufgabenerfüllung und diejenige der betroffenen Informationsgeber sei im Falle eines Informationszugangs gefährdet, substantiiert die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG nicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - auch von durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich garantierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten -,
88vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 41 BvF 4/11 -, DVBl. 2014, 649 = juris Rn. 44, vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, BVerfGE 119, 181 = DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 129 ff., und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 = DVBl. 1994, 465 = juris Rn. 147 ff., Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 -, BVerfGE 87, 181 = DVBl. 1992, 1594 = juris Rn. 71 ff.,
89vollzieht sich spezifisch nach Maßgabe des dafür vorgesehenen § 6 Satz 2 IFG. Aus diesem Grund müssen weder die Beklagte noch im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens hinzugezogene private Unternehmen oder sonstige Träger von Geschäftsgeheimnissen gewärtigen, dass sensible Informationen aus ihrem Geschäftsbereich - wie exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen - an die Öffentlichkeit oder an Konkurrenten gelangen und ihre Wettbewerbsposition dadurch nachteilig beeinflusst wird.
90Vgl. zum Schutzgehalt des § 6 Satz 2 IFG BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 131.
91Auch wenn die gesetzesvorbereitend tätig werdende Beklagte mit Informationszugangsansprüchen konfrontiert wird, muss sie ihr dabei zugetragene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dieser Dritten nicht herausgeben. Dies räumt die Besorgnis der Beklagten aus, Dritte könnten zukünftig von einer Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren wegen etwaiger Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetzes abgehalten werden.
92Auch bei dieser Lesart behält § 3 Nr. 7 IFG neben § 6 Satz 2 IFG einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 3 Nr. 7 IFG stellt einen Vertraulichkeitsschutz- wie dargelegt - dort bereit, wo die Vertraulichkeit für die behördliche Aufgabenerfüllung qualitativ von herausgehobener Bedeutung ist. Dies setzt § 6 Satz 2 IFG nicht voraus. Er gewährleistet im speziellen Feld der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Vertraulichkeitsschutz im Übrigen.
93Soweit die betroffenen Kreise, die sich an einem Gesetzgebungsverfahren mit Stellungnahmen beteiligen, nicht nur Geschäftsdaten, sondern auch ihre - zustimmende oder ablehnende - Haltung zu dem Gesetzesvorhaben vertraulich behandelt wissen wollen, fällt dies zwar für sich genommen aus dem Schutzbereich des § 6 Satz 2 IFG heraus. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass § 3 Nr. 7 IFG insofern einen Vertraulichkeitsschutz herstellen muss. Auch Unternehmen oder Verbänden, die sich inhaltlich zu einem Gesetzesprojekt positionieren, ist im Grundsatz zuzumuten, dies retrospektiv ggf. auch öffentlich zu vertreten. Von Unternehmen und Verbänden wird generell angenommen, dass sie - auch durch Lobbyarbeit und Interessenvertretung - an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Es ist im Allgemeinen weder ehrenrührig noch ihrer Geschäftstätigkeit sonstwie abträglich, falls dies im Nachhinein konkret bekannt wird. Die Befürchtung der Beklagten, die betroffenen Kreise gäben künftig bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren keine Stellungnahmen mehr ab, wenn ihre Positionierung bekannt würde, teilt der Senat deshalb nicht.
94Aus entsprechenden Gründen sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG bezüglich der - im Berufungsverfahren außerdem streitgegenständlich gebliebenen - Blattbereiche 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1016, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 nicht erfüllt. Abgesehen von unternehmensbezogenen und damit nach § 6 Satz 2 IFG geschützten Angaben umfassen diese Aktenteile- wie die Beklagte vorträgt - lediglich Äußerungen betroffener Kreise zum Abgabenmaßstab.
953. Weitergehende Ablehnungsgründe - in Sonderheit aus § 6 Satz 2 IFG - sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Schutz des § 6 Satz 2 IFG weiter reicht als von dem Verwaltungsgericht angenommen und auch die verbliebenen Aktenteile einschließt, für welche die Beklagte sich im Berufungsverfahren auf § 3 Nr. 7 IFG bezieht, legt die Beklagte nicht dar.
964. Um feststellen zu können, dass die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG - aber auch nach § 3 Nr. 7 IFG - nicht einschlägig sind, muss der Senat kein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einleiten. Dem in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, dass bei Herausgabe der auf S. 17 bis 23 der Berufungsbegründung vom 19. November 2012 bezeichneten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beeinträchtigt würden, muss der Senat nicht nachkommen.
97Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
98Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N.
99Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7.
101Gemessen daran ist ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst und der Hilfsbeweisantrag der Beklagten abzulehnen. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - eingehenden - Vortrags der Beklagten zu den Ausschlussgründen des § 3 Nr. 3 b) IFG - und auch des § 3 Nr. 7 IFG - lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Versagungstatbestände nicht gegeben sind. Die Beklagte hat den Gehalt der Unterlagen, die ihrer Ansicht nach § 3 Nr. 3 b) IFG bzw. § 3 Nr. 7 IFG unterfallen sollen, genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt indes zu dem beschriebenen Ergebnis.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
104Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Inhalt und Reichweite der Ausschlussgründe gemäߧ 3 Nr. 3 b) IFG und § 3 Nr. 7 IFG weiter auszudifferenzieren bzw. höchstrichterlich weitergehend zu klären.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Vorlage von Verwaltungsvorgängen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I, S. 1048; im Folgenden: 6. FFG-Änderungsgesetz). Das 6. FFG-Änderungsgesetz nahm rückwirkend zum 1. Januar 2004 (vgl. § 73 Abs. 7 Satz 1 FFG) in § 67 FFG Bemessungsregeln für die von den Fernsehveranstaltern zu leistende Filmabgabe auf.
3Die Klägerin betreibt bundesweit Filmtheater. Sie ist eine Gesellschaft der D. -Gruppe, der neben der Klägerin elf Schwestergesellschaften angehören, die ebenfalls in Deutschland Lichtspielhäuser unterhalten.
4Am 8. September 2010 beantragte die Klägerin beim (damaligen) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Folgenden: BKM) gemäß § 7 IFG, ihr sämtliche Verwaltungsvorgänge zugänglich zu machen, die der BKM im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz führt und geführt hat. Ihr besonderes Augenmerk gelte den Berechnungsmodellen und Kalkulationen, die für die Festlegung des Abgabenmaßstabs der Fernsehveranstalter gemäß § 67 FFG n. F. bestimmend gewesen seien, ferner den Berechnungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit aller Einzahlergruppen. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht werden dürften.
5Mit Bescheid vom 15. Oktober 2010, zugegangen am 19. Oktober 2010, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der BKM habe bei der Vorbereitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes nicht als Behörde i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Das Vorbereiten und Ausarbeiten von Gesetzentwürfen diene der Wahrnehmung des Initiativrechts der Bundesregierung. Diese Regierungstätigkeit sei kein Verwaltungshandeln. Die dem BKM vorliegenden amtlichen Informationen zu dem beantragten Thema bezögen sich ausschließlich auf die unmittelbare Erarbeitung des Regierungsentwurfs zum 6. FFG-Änderungsgesetz. Bei den Dokumenten handele es sich vorwiegend um Vermerke gegenüber der Hausleitung, Aufzeichnungen über interne Besprechungen, E-Mail-Verkehr mit Verbänden, Sendern und anderen Unternehmen, die zukünftig unter die Abgabenpflicht fallen sollten, Gesamtkalkulationen zu den finanziellen Auswirkungen der Novelle sowie um Materialien zum parlamentarischen Verfahren und zur Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt. Die Prüfung der Unterlagen auf eventuell einschlägige Ausnahmetatbestände nach §§ 3 ff. IFG sei vor diesem Hintergrund nicht notwendig.
6Die Klägerin erhob am 17. November 2010 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend: Es sei mit Blick auf das gebotene weite Begriffsverständnis unzutreffend, eine Bundesbehörde von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auszunehmen, wenn im konkreten Fall Regierungstätigkeit ausgeübt werde. Die Ausnahmen gemäß §§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 1 IFG griffen nicht, weil es um einen Anspruch auf Informationszugang nach Verabschiedung des Gesetzes gehe. Eine andere Betrachtungsweise laufe dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
8Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der BKM sei nach dem anzuwendenden funktionellen Behördenbegriff eine Behörde des Bundes, auch wenn er im konkreten Fall bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs eine Regierungstätigkeit wahrgenommen habe. Die Gesetzesmaterialien zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien amtliche Informationen. Sie seien beim BKM in seiner Zuständigkeit für die Kulturförderung - namentlich für die Filmförderung durch die unter seiner Aufsicht stehende Filmförderungsanstalt - entstanden. Der eng zu interpretierende Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG sei nicht gegeben bzw. von der Beklagten nicht nachvollziehbar belegt. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde durch den begehrten Informationszugang nicht tangiert. Die Beratungen beim BKM zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien längst abgeschlossen. Der Beratungsvorgang müsse nicht mehr geschützt werden. Ansonsten würden zahllose Informationsansprüche ins Leere laufen, da Verwaltungsvorgängen fast immer behördeninterne Beratungen vorausgingen. Einengende Vorwirkungen für zukünftige Gesetzgebungsverfahren seien nicht erkennbar. Die von der Beklagten auf S. 10 bis 13 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 aufgelisteten Unterlagen seien - nach ihrer Behauptung - Vorlagen an die Hausleitung des BKM und Kabinettsvorlagen. Die Beklagte habe den konkreten Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht substantiiert, so dass sich schon von daher keine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung feststellen lasse. Überdies seien weder der Staatsminister noch das Kabinett an diese Vorlagen gebunden gewesen. Auch im Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 habe die Beklagte die Schutzwürdigkeit der Leitungsvorlagen nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ähnliches gelte, soweit sich die Beklagte auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 auf § 3 Nr. 7 IFG berufe. Die Informationsübermittlung zwischen Behörden sei nicht geschützt, so dass Unterlagen nicht von dem Informationsanspruch ausgenommen werden könnten, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder von der Filmförderungsanstalt stammten, bei der es sich um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts handele. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Darlegungslast nicht erfüllt. Hinzu komme, dass auch§ 3 Nr. 7 IFG nicht unbefristet gelte. Worin das aktuelle Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit bestehe, sei unklar. Im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG habe sie, die Klägerin, vorab erklärt, dass diese - soweit vorhanden - unkenntlich gemacht werden dürften. Allerdings beziehe sich dieser Geheimnisschutz nicht auf Personen des öffentlichen Rechts wie die Filmförderungsanstalt oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, auf deren Dokumente die Beklagte auf S. 20 bis 32 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 verweise. Gleiches gelte für Unterlagen, die von Verbänden stammten. Diese führten keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juli 2012 hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - 7 C 3.11, 7 C 4.11 - würden die in der überreichten Tabelle in Spalte 1 („Nur Argument keine Behörde“) gelisteten Aktenbestandteile der Klägerin in Form von Kopien spätestens bis zum 14. September 2012 zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugänglich gemacht.
11Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt. Sie hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte berechtigt ist, in diesen Unterlagen etwa enthaltene personenbezogene Daten i.S.v. § 5 IFG zu schwärzen. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
12Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zu verpflichten, ihr - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - sämtliche Verwaltungsvorgänge, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 führt oder geführt hat, zugänglich zu machen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege vor. Auch im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Vorbereitungen zur Erstellung eines Gesetzesvorschlags anzuerkennen. Im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung finde keine Abwägung mit dem Anspruch des Bürgers auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz statt. Diesem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehörten auch Leitungsvorlagen an, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, bezeichnet seien. Der Schutz des Kernbereichs der Exekutive, der die Willensbildung der Regierung umfasse, sei nicht mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. FFG-Änderungsgesetz entfallen oder weniger gewichtig. Dies folge auch aus den einengenden Vorwirkungen des nachträglichen Zugriffs auf Informationen auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren. Den Erörterungen im Kabinett komme eine besondere Schutzwürdigkeit zu. Die freie und offene Willensbildung der Regierung werde gefährdet, wenn eine spätere Publizität zu befürchten sei. Eine unbegrenzte Offenheit von Unterlagen zur Vorbereitung von Gesetzen würde dazu führen, dass durch das Bekanntwerden z. B. von möglichen Meinungsverschiedenheiten auf Leitungsebene die Autorität des Gesetzes ausgehöhlt würde. Es gehe auch um sensible politische Einschätzungen. Es bestehe die Gefahr einer „Flucht in die Mündlichkeit“. Im Einzelnen erfasse § 3 Nr. 3 b) IFG die Blätter 65 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 575, 576 bis 594, 822 bis 851, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 922, 1055 bis 1060, 1071 bis 1096, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1239, 1260 bis 1283 sowie 1294 bis 1320 (siehe S. 10 bis 13 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011 und S. 4 bis 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2011). Der gewisse Abstraktionsgrad dieser Ausführungen liege in der Natur der Sache, um der Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Teile der Verwaltungsvorgänge Rechnung zu tragen. Unverhältnismäßig pauschaliert werde dabei nicht. Darüber hinaus entfalle der Informationsanspruch der Klägerin wegen § 3 Nr. 7 IFG. Bezüglich bestimmter Dokumente habe sie, die Beklagte, ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung zugesichert. § 3 Nr. 7 IFG gelte für die Blätter 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1259 (siehe S. 14 bis 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Das Interesse an der vertraulichen Behandlung bestehe fort. Der Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG schließe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt ein. Personenbezogene Daten Dritter seien gemäß § 5 IFG vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren in die Schwärzung der entsprechenden Passagen eingewilligt. Einer unbeschränkten Offenlegung stehe schließlich § 6 Satz 2 IFG für folgende Abschnitte entgegen: Blätter 80 bis 83, 93 bis 98, 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 500 bis 503, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1255, 1256 bis 1258, 1259 und 1299 (siehe S. 20 bis 32 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Eine Einwilligung des jeweiligen Geheimnisträgers liege nicht vor. Die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bestehe auch bei partiellen Schwärzungen fort.
17Mit Urteil vom 26. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des BKM vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin die bei dem BKM geführten Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz - soweit nicht für erledigt erklärt - mit Ausnahme der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich zu machen. Die Beklagte sei berechtigt, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung zu schwärzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Beklagte könne sich hinsichtlich sog. Leitungsvorlagen nicht mit Erfolg auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte hinsichtlich der Stellungnahmen, bezüglich derer sie eine vertrauliche Behandlung zugesichert habe, auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG stützen, soweit darin nicht Geschäftsgeheimnisse enthalten seien. Diese seien über § 6 Satz 2 IFG geschützt. Da alle betroffenen Geheimnisträger auf entsprechende Nachfrage des BKM mitgeteilt hätten, sie stimmten einer Bekanntgabe an die Klägerin nicht zu, sei die Beklagte berechtigt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung der Akten an die Klägerin zu schwärzen. Soweit die Verwaltungsvorgänge Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten, sei die Klage mit Blick auf § 6 Satz 2 IFG unbegründet.
18Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
19Die Beklagte hat am 31. August 2012 Berufung gegen das ihr am 7. August 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend und vertiefend vor, von der Berufung nicht erfasst sei ihre Verpflichtung, Zugang zu denjenigen Teilen der Verwaltungsvorgänge zu gewähren, in denen die Kabinettsvorlagen lediglich den endgültig in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut wiedergäben. Hierbei handele es sich um Blatt 830 bis 846, 904 bis 922, 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis 1239. Diese Blattbereiche werde sie der Klägerin unverzüglich offenbaren. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben habe, stehe dem Informationszugang der Schutz des Kernbereichs der Exekutive im Rahmen des § 3 Nr. 3 b) IFG entgegen. Es entspreche einem nach der Lebenserfahrung naheliegenden und wahrscheinlichen Verhalten, dass Erwägungen, deren Offenbarung zu nachteiligen Konsequenzen für die Regierung führen könne, nicht mehr schriftlich in den Akten niedergelegt würden, wenn diese Akten nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens jedem beliebigen Dritten zugänglich gemacht werden müssten. Vielmehr sei zu erwarten, dass Einschätzungen mündlich abgegeben würden und nicht mit dem gebotenen Gewicht in das Gesetzgebungsverfahren einflössen. Ein Informationszugang könne auch einengende Vorwirkungen haben, soweit es um einen nachträglichen Zugriff auf Informationen über ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren gehe. Diese Erwartung sei nicht nur mit Blick auf rechtliche, sondern auch in Bezug auf politische und taktische Einschätzungen berechtigt. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Geheimhaltungsgründe im gerichtlichen Hauptsacheverfahren überspannt. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, und vom 6. Dezember 2011, S. 4 bis 7, werde Bezug genommen. Es dürfe keine Substantiierung verlangt werden, die bereits zu einer Offenbarung der geheimzuhaltenden Informationen führe. Andernfalls laufe § 3 Nr. 3 b) IFG leer. Ohne ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe das Verwaltungsgericht nicht stattgeben dürfen. Nur äußert vorsorglich werde zu Blatt 66 bis 68, 113 bis 118, 327 bis 352, 535 bis 537, 558 bis 594, 823 bis 829, 852 bis 854, 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1106 bis 1009, 1181 bis 1187c, 1208, 1210 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1301 ergänzend vorgetragen (sieheS. 17 bis 23 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 19. November 2012). Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische, brisante Gesetzesnovelle gewesen sei, sei für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG unerheblich. Hinsichtlich der Unterlagen, für welche sie, die Beklagte, eine Vertraulichkeitszusage abgegeben habe, stehe dem Informationszugang § 3 Nr. 7 IFG entgegen. Diese Unterlagen seien auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 konkret bezeichnet. Auch diesbezüglich gehe das Verwaltungsgericht von überzogenen Substantiierungsanforderungen aus. Bereits die Tatsache der Kennzeichnung als vertraulich sei ein hinreichendes Indiz für eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Dieses Indiz sei nicht erschüttert. Einer weitergehenden Substantiierung der Vertraulichkeit bedürfe es nicht. Die wegen des Abgabenmaßstabs angeschriebenen betroffenen Kreise hätten im Hinblick auf ihre jeweilige Antwort durchweg darauf bestanden, dass alle übermittelten Informationen, d. h. das gesamte Schreiben, vertraulich behandelt würden. Würde sie, die Beklagte, gleichwohl zu einem Informationszugang verpflichtet, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in Zukunft nicht mehr in dem gebotenen Umfang Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgegeben würden. Zudem hätte § 3 Nr. 7 IFG sonst neben § 6 Satz 2 IFG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr.
21In der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 haben die Beteiligten klargestellt, welche Aktenbestandteile im Berufungsverfahren noch im Streit stehen. Die in den Spalten 3 und 4 der Übersicht, die erstinstanzlich dem Verwaltungsgericht überreicht worden ist, angegebenen Blattzahlen sind markiert worden, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Übersicht ist als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen worden.
22Die Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern, soweit sie darin verpflichtet worden ist, die bei ihr angefallenen Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 über Blatt 830 bis 846, Blatt 904 bis 922, Blatt 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis Blatt 1239 hinaus der Klägerin zugänglich zu machen, und insoweit die Klage abzuweisen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege nicht vor. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beziehe sich regelmäßig nur auf laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen, nicht auf abgeschlossene Verfahren. Eine einengende Vorwirkung durch eine Offenlegung von Leitungsvorlagen mit rechtlichen und/oder politisch-taktischen Erwägungen sei nach der Lebenserfahrung nicht zu befürchten. Transparenz und Offenheit seien für den Fortbestand einer demokratischen Gesellschaft überlebenswichtige Faktoren. Sie erhöhten die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung und wirkten der Gefahr sachfremder lobbyistischer Einflussnahme entgegen. Die Leitung der Beklagten sei geradezu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, jedwede rechtlichen und/oder taktisch-politischen Überlegungen zu Papier zu bringen. Sollte die Beklagte dem nicht nachkommen, dürfe der Informationszugangsanspruch darunter nicht leiden. Eine größtmögliche Transparenz stärke Sachargumente. Das Informationsfreiheitsgesetz diene auch der Qualitätsverbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses. Das Verwaltungsgericht habe die Darlegungsanforderungen an die Beklagte nicht überspannt. Die Ausnahmetatbestände des § 3 IFG seien grundsätzlich eng auszulegen. Die Beklagte habe den von ihr in Anspruch genommenen Kernbereichsschutz nicht hinreichend substantiiert. Dies sei auch in der Berufungsbegründung der Beklagten auf deren S. 17 ff. nicht geschehen. Auch die Kabinettsvorlagen unterlägen nicht dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische und brisante Angelegenheit gewesen sei, sei bei der Beurteilung der Ausschlussgründe erheblich. Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Eine schutzwürdige Vertraulichkeitsabrede habe die Beklagte auch in der Berufungsbegründung ab S. 26 nicht dargetan. Der Sache nach mache die Beklagte eine Bereichsausnahme für die Beteiligung Dritter an einem Gesetzgebungsverfahren geltend. Eine solche sehe das Informationsfreiheitsgesetz jedoch nicht vor.
27Mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Betreiberinnen von Filmtheatern gegen Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt nach dem Filmförderungsgesetz und gegen die diese als rechtmäßig bestätigenden fachgerichtlichen Urteile zurück. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe der §§ 66 ff. FFG seien verfassungsgemäß. Namentlich genügten sie den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärungen erster Instanz, des eingeschränkten Berufungsantrags der Beklagten sowie der rechtskräftigen Klageabweisung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als schutzwürdig eingestuften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und der dazu erfolgten Klarstellung durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Juni 2015 sind folgende Aktenbestandteile noch Gegenstand der Berufung: Blatt 66 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 (bezogen auf den Ablehnungsgrund aus § 3 Nr. 3 b) IFG) und Blatt 101 bis 109, 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 (hinsichtlich des Ausschlusstatbestands des § 3 Nr. 7 IFG).
31In diesem Umfang ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
32Das Verwaltungsgericht hat der Klage insofern zu Recht stattgegeben.
33Der solchermaßen noch streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34Die Klägerin hat aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihr Zugang zu den beim BKM angelegten Verwaltungsvorgängen betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz gewährt, auch soweit dieser Zugang über die von der Berufung nicht umfassten Blattbereiche hinausgeht.
35Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor (dazu I.). Dem noch streitgegenständlichen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3Nr. 3 b) IFG sowie des § 3 Nr. 7 IFG nicht entgegen. Dass andere Versagungstatbestände der Berufung zum Erfolg verhelfen - wie insbesondere§ 6 Satz 2 IFG -, hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (dazu II.).
36I. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind gegeben.
37Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bestimmt weiter, dass eine amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung ist. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).
38Behörden des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionelles Verständnis zugrunde. Bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen macht er die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig. Dieses aufgabenbezogene Merkmal kennzeichnet die in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG genannten Anspruchsverpflichteten.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012- 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 7.
40Der weite und umfassende funktionelle Verwaltungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schließt das Regierungshandeln ein. Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken. Es soll auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche, insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfallen soll und sich Ausnahmen grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so erklärt sich, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt. Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung ist unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 20 ff., und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 20 ff., jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 6 und ‚S. 12.
42Daraus folgt, dass auch die Tätigkeit eines Bundesministeriums bzw. einer sonstigen Regierungsbehörde - wie dem BKM - bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fällt. Lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung etc.) soll vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen bleiben.
43Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8; sowie OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013- OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
44Ausgehend von diesen Maßstäben ist der BKM grundsätzlich anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Seine hinreichende organisationsrechtliche Verselbständigung ergibt sich aus dem in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten BKM-Organisationsplan. Das Tätigwerden des BKM bei der Erarbeitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist Verwaltung im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Erstellung von Leitungs- und Kabinettsvorlagen sowie die Einholung von Stellungnahmen der von dem Gesetzesvorhaben betroffenen Kreise ist - auch als Regierungshandeln - nach dem oben Gesagten funktionell Verwaltung. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch zugestanden. Sie hat die Klägerin in dieser Hinsicht klaglos gestellt.
45II. Dem im Berufungsverfahren noch umstrittenen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten ins Feld geführten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 3 b) IFG (dazu 1.) und des § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.) nicht entgegen. Andere Ablehnungstatbestände wie in Sonderheit § 6 Satz 2 IFG, die zur Begründetheit der Berufung führen können, sind nicht ersichtlich (dazu 3.). Um zu diesen Befunden zu gelangen, ist der Senat nicht verpflichtet, ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuleiten. Der darauf gerichtete Hilfsbeweisantrag der Beklagten, den diese in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellt hat, ist abzulehnen (dazu 4.).
461. Der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit den verfassungsrechtlich verankerten Maßstäben zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung greift nicht zugunsten der Beklagten ein. Die Beklagte beruft sich mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 - sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 - auf diese Ausnahmeklausel ohne Erfolg.
47Nach § 3 Nr. 3 b) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
48§ 3 Nr. 3 b) IFG schützt innerbehördlichen Beratungen, die auf eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind. Derartige Beratungen sollen wegen des Wissens um eine Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Mit der Formulierung „solange“ wird deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Im Übrigen erfasst § 3 Nr. 3 b) IFG nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - den Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis).
49Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011- 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91.
50Der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG bezieht sich des Weiteren nur auf die aus tragfähigen Gründen „notwendige Vertraulichkeit“ (vgl. zu diesem Begriff § 3 Nr. 3 a) IFG) behördlicher Beratungen. Er erstreckt seinen Schutz nicht auf jeglichen behördlichen Entscheidungsfindungsprozess.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5, unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 86; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 8.
52Eine Beeinträchtigung der Beratung von Behörden i.S.d. § 3 Nr. 3 b) IFG erfordert zudem ebenso wie die übrigen von § 3 IFG erfassten Gefahren, Beeinträchtigungen und nachteiligen Auswirkungen, dass die konkrete Möglichkeit der Verletzung der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen besteht bzw. dass eine solche Verletzung hinreichend wahrscheinlich ist.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 101.
54In die so zu verstehende einfachgesetzliche Versagungsbestimmung des § 3Nr. 3 b) IFG ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu integrieren.
55Die ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 35, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 122 ff. (zur Grenze der Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Verhältnis zur Regierung); siehe dazu außerdem BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 43 ff.
57Übertragen auf das Informationsfreiheitsrecht folgt daraus, dass der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen muss, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt. Dessen Anliegen überschneidet sich aber jedenfalls teilweise mit dem geschriebenen Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen sind offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, so dass dieser Verfassungsgrundsatz in die Anwendung des § 3 Nr. 3 b) IFG zu integrieren ist. Erst wenn sich gleichwohl Schutzlücken auftun, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31.
59Dass die jeweils verfahrensgegenständlichen amtlichen Informationen am Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung - und somit auch an demjenigen des § 3 Nr. 3 b) IFG - teilhaben, hat die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG in Anspruch genommene Behörde darzulegen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung müssen anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft aber darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Informationsfreiheitsgesetz indes nicht vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl 2012, 176 = juris Rn. 31, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 51 ff. (zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen); siehe zur Einzelfallbezogenheit der Prüfung mit Blick auf parlamentarische Informationsrechte außerdem BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 126.
61Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stützen. Die Beklagte hat insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 nicht anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt, dass die Vertraulichkeit der Beratung im Bereich der Regierung bzw. im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben (künftig) konkret beeinträchtigt wird, wenn sie die von der Klägerin herausverlangten Verwaltungsvorgänge des BKM betreffend das 6. FFG-Änderungsgesetz offenlegt.
62Das 6. FFG-Änderungsgesetz ist am 31. Juli 2010 verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsmäßigkeit mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, bestätigt. Es handelt sich bei den gesetzesvorbereitenden behördeninternen Beratungen zum 6. FFG-Änderungsgesetz, die der BKM in seinem Verwaltungsvorgang dokumentiert hat, daher um einen in doppelter Hinsicht rechtlich wie tatsächlich abgeschlossenen Vorgang. Dass dieser abgeschlossene Vorgang dennoch nach Maßgabe von § 3 Nr. 3 b) IFG und Aspekten des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geheim gehalten werden muss, um die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Regierung zu schützen, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
63Die Begründung der Beklagten, die Blattbereiche 66 bis 68 und 112 bis 118 enthielten einen mit rechtlichen und politischen Bewertungen versehenen Sprechzettel zur Vorbereitung des Staatsministers auf eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 22. April 2009 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes bzw. auf eine Sitzung im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2009, der sog. aktive und reaktive Gesprächspositionen des Staatsministers beschreibe und einzelne politische Handlungsoptionen und die diesbezügliche mögliche Positionierung des Staatsministers in der jeweiligen Sitzung darlege, füllt die Anforderungen des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stellt, nicht aus. Es geht bei dieser Sitzungsvorbereitung des Staatsministers nicht um eine gubernative Entscheidung oder um Erörterungen im Kabinett selbst, die in besonderem Maß schützenswert sind. Vielmehr spricht die Beklagte hiermit einen vorbereitenden Beratungsprozess im Bereich des BKM an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine informationsfreiheitsrechtliche Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Informationsfreiheitsgesetz de lege lata nicht vorsieht. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 b) IFG verlangen stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung (hier in Gestalt des BKM), sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen jedenfalls nachträglich erklären zu müssen.
64Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen („Hemmungen“) bzw. zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-) zu bilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 hervorgehobene Umstand, dass das Filmförderungsgesetz häufig novelliert werde, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nicht jede Novelle den Inhalt des 6. FFG-Änderungsgesetzes haben muss und schon deswegen einengende Vorwirkungen durch den streitigen Informationszugang nicht pauschal zu erwarten sind, gilt für jedes Gesetzesvorhaben neu, dass sich die Regierung auf die Transparenzvorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich einzustellen hat, ohne dass die Qualität ihrer Vorbereitungsarbeit darunter leiden darf.
65Die Autorität eines in Kraft getretenen Gesetzes kann durch die Form der Publizität, die das Informationsfreiheitsgesetz herstellt, nicht leiden. Ein förmliches Gesetz schöpft seine verfassungsrechtliche Legitimität aus dem Parlamentsbeschluss (Art. 77 Abs. 1 GG) und dem Gedanken der Volkssouveränität
66(Art. 20 Abs. 2 GG). Dass einem Gesetzesbeschluss ein ergebnisoffener (verfassungs-)rechtlicher und rechtspolitischer Diskurs vorausgeht, der insbesondere auch innerhalb der am Gesetzgebungsprojekt beteiligten Regierungsstellen stattfindet, versteht sich in einer offenen Gesellschaftsordnung von selbst und wird von der Öffentlichkeit nicht anders erwartet.
67Den Tatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG füllt im Anschluss daran auch nicht der Vortrag der Beklagten zu den Blättern 327 bis 352 aus, bei denen es sich um eine Vorlage an den Staatsminister handele, die handschriftliche Anmerkungen des Staatsministers und der Abteilungsleiterin im BKM enthalte, die sich auf politische Bewertungen des Staatsministers bzw. der Abteilungsleiterin bezögen. Dies gilt ebenfalls, soweit dieser Blattbereich politische und rechtliche Bewertungen einzelner auf die Gesetzesnovelle bezogener Fragen und eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf aufweist, die einen von dem schließlich in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut verschiedenen Inhalt hat und im Übrigen aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Änderungen im Dokument Rückschlüsse darauf zulässt, welche politische Einschätzung von welcher am Gesetzesvorhaben beteiligten Stelle vorgenommen worden ist. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und nach der im Tatbestand referierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2014 zur Verfassungsmäßigkeit des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist die Vertraulichkeit dieser Beratungen aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG schutzwürdig. Diese Aktenstücke betreffen einen abgeschlossenen Vorgang und sind außerhalb des Kernbereichs der Regierung angesiedelt. Die von Beklagtenseite befürchteten einengenden Vorwirkungen dürfen nach der Grundidee des Informationsfreiheitsgesetzes - wie gesagt - nicht generalisierend in die Prüfung des § 3 Nr. 3 b) IFG eingestellt werden.
68Zum Weiteren trägt die Beklagte auch zu Blatt 534 bis 537 des Verwaltungsvorgangs des BKM lediglich vor, diese Passage beinhalte eine Vorlage des zuständigen Referats für den Staatsminister für eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 11. Juli 2009 inklusive eines Sprechzettels für diese Sitzung mit politischen Wertungen. Sie befasse sich mit der Umsetzung einzelner, politisch umstrittener Aspekte der Novelle, mithin der Sache nach mit verhandlungstaktischen Positionen, die aber nicht notwendig in das endgültige Gesetz eingegangen seien. Nach den dargestellten Grundsätzen reicht auch dies und die allgemeine Sorge der Beklagten, eine Herausgabe dieser Unterlagen könne zukünftig die Kommunikation zwischen dem Staatsminister und seinen Mitarbeitern hemmen, für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht aus.
69Entsprechendes ist zusammenfassend hinsichtlich der übrigen von der Beklagten als nach § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schützenswert eingeordneten Blattbereiche 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 zu sagen. Diese betreffen nach dem Vorbringen der Beklagten erneut Vorlagen des zuständigen Referats an den Staatsminister im Hinblick auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und das Ergebnis der Branchenanhörung jeweils mit politischen und juristischen Einschätzungen und Wertungen, Sprechzettel für den Staatsminister für Sitzungen des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien am 2. Dezember 2009, am 27. Januar 2010 und am 19. Mai 2010, bei denen ein Sachstandsbericht zu der Novelle zu erstatten gewesen sei (mit dem entsprechenden Inhalt wie auf Blatt 65 bis 68), Kabinettsvorlagen mit einem Anschreiben des Staatsministers an den Chef des Bundeskanzleramts mit politischen Bewertungen und einer internen Handlungsanweisung für den Regierungssprecher ebenfalls mit politischen Wertungen, die der Regierungssprecher aber nicht öffentlich kommuniziert habe, sowie Ausführungen der zuständigen Stellen des BKM für den Staatsminister im Hinblick auf Unterlagen für den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nebst handschriftlichen Anmerkungen des Staatsministers und auf diese bezogene Vermerke.
70Was die Kabinettsvorlagen anbelangt, ist die zusätzliche Bemerkung veranlasst, dass auch diese zumindest bei abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - wie hier - nicht dem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen sind, der ohne weitere konkrete Beeinträchtigungen den Vertraulichkeitsschutz des § 3 Nr. 3 b) IFG genießt. Die Kabinettsvorlagen stellen keine gubernativen Entscheidungen dar und geben aus sich heraus auch keinen Aufschluss über die vertraulich zu behandelnden Beratungen im Kabinett selbst. Diesem gehört der BKM im Übrigen nach Art. 62 GG nicht an, weil er kein Bundesminister ist.
71Die von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 angesprochenen Wertungswidersprüche der vorstehenden Betrachtungsweise zum Geheimnisschutz innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht.
72§ 1 Abs. 1 IFG nimmt parlamentarische Angelegenheiten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes heraus.
73Vgl. erneut die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8.
74Sachlicher Grund dafür ist, dass parlamentarische Angelegenheiten, die der Rechtssetzung dienen oder anderweitig mandatsbezogen sind, ein spezifischer Bereich sind, in dem weisungsunabhängig und nach eigenen verfassungsrechtlichen Regeln gearbeitet wird.
75Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff.; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
76Dieser Bereich soll informationsfreiheitsrechtlich anders behandelt werden als die Tätigkeit der Verwaltung, die - auch und gerade in Gestalt von Regierungshandeln - durch das Informationsfreiheitsgesetz einer weitergehenden Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, geöffnet werden soll.
77Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 23.
782. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG ist gleichfalls nicht erfüllt.
79Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
80§ 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind.
81Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 186 ff.
82Neben der zwischen dem Hinweisgeber und der Behörde vereinbarten Vertraulichkeit setzt § 3 Nr. 7 IFG ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse des Dritten oder der Behörde an der vertraulichen Behandlung der Information voraus. Das Interesse an der Vertraulichkeit muss objektiv berechtigt sein. Andernfalls stünde der Informationszugang zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten. Er könnte sowohl einseitig durch den Informationsgeber und die Behörde als auch durch eine gegenseitig vereinbarte Vertraulichkeit unterlaufen werden. Die Annahme eines derart weitreichenden Ausnahmetatbestands ist dem tendenziell restriktiven System des § 3 IFG fremd.
83Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 -, juris Rn. 34 f.; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192 (unter Hinweis auf eine Vertraulichkeitsabrede des Bundes mit Toll Collect in einem Maut-Betreibervertrag).
84Die Kennzeichnung einer Information als vertraulich ist für ihre Schutzbedürftigkeit lediglich ein Indiz, welches die Behörde konkret und nachvollziehbar erhärten muss. Die Behörde muss auch im Hinblick auf § 3 Nr. 7 IFG darlegen, dass im Fall der Verneinung der Vertraulichkeit die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet ist.
85Vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192.
86Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
87Die Blätter 101 bis 109 und 1017 bis 1023 enthalten nach den Ausführungen der Beklagen Stellungnahmen zum geplanten Abgabenmaßstab der öffentlich-rechtlichen Sender zur Filmförderung mit unternehmensbezogenen Angaben zu Lizenzkosten, Kosten der Programmverbreitung, der Redaktion und des Rechteerwerbs. Allein die Abrede der Vertraulichkeit ordnet diese Informationen aber noch nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG zu. Die eher pauschal gehaltene Aussage der Beklagten, ihre Aufgabenerfüllung und diejenige der betroffenen Informationsgeber sei im Falle eines Informationszugangs gefährdet, substantiiert die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG nicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - auch von durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich garantierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten -,
88vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 41 BvF 4/11 -, DVBl. 2014, 649 = juris Rn. 44, vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, BVerfGE 119, 181 = DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 129 ff., und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 = DVBl. 1994, 465 = juris Rn. 147 ff., Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 -, BVerfGE 87, 181 = DVBl. 1992, 1594 = juris Rn. 71 ff.,
89vollzieht sich spezifisch nach Maßgabe des dafür vorgesehenen § 6 Satz 2 IFG. Aus diesem Grund müssen weder die Beklagte noch im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens hinzugezogene private Unternehmen oder sonstige Träger von Geschäftsgeheimnissen gewärtigen, dass sensible Informationen aus ihrem Geschäftsbereich - wie exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen - an die Öffentlichkeit oder an Konkurrenten gelangen und ihre Wettbewerbsposition dadurch nachteilig beeinflusst wird.
90Vgl. zum Schutzgehalt des § 6 Satz 2 IFG BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 131.
91Auch wenn die gesetzesvorbereitend tätig werdende Beklagte mit Informationszugangsansprüchen konfrontiert wird, muss sie ihr dabei zugetragene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dieser Dritten nicht herausgeben. Dies räumt die Besorgnis der Beklagten aus, Dritte könnten zukünftig von einer Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren wegen etwaiger Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetzes abgehalten werden.
92Auch bei dieser Lesart behält § 3 Nr. 7 IFG neben § 6 Satz 2 IFG einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 3 Nr. 7 IFG stellt einen Vertraulichkeitsschutz- wie dargelegt - dort bereit, wo die Vertraulichkeit für die behördliche Aufgabenerfüllung qualitativ von herausgehobener Bedeutung ist. Dies setzt § 6 Satz 2 IFG nicht voraus. Er gewährleistet im speziellen Feld der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Vertraulichkeitsschutz im Übrigen.
93Soweit die betroffenen Kreise, die sich an einem Gesetzgebungsverfahren mit Stellungnahmen beteiligen, nicht nur Geschäftsdaten, sondern auch ihre - zustimmende oder ablehnende - Haltung zu dem Gesetzesvorhaben vertraulich behandelt wissen wollen, fällt dies zwar für sich genommen aus dem Schutzbereich des § 6 Satz 2 IFG heraus. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass § 3 Nr. 7 IFG insofern einen Vertraulichkeitsschutz herstellen muss. Auch Unternehmen oder Verbänden, die sich inhaltlich zu einem Gesetzesprojekt positionieren, ist im Grundsatz zuzumuten, dies retrospektiv ggf. auch öffentlich zu vertreten. Von Unternehmen und Verbänden wird generell angenommen, dass sie - auch durch Lobbyarbeit und Interessenvertretung - an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Es ist im Allgemeinen weder ehrenrührig noch ihrer Geschäftstätigkeit sonstwie abträglich, falls dies im Nachhinein konkret bekannt wird. Die Befürchtung der Beklagten, die betroffenen Kreise gäben künftig bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren keine Stellungnahmen mehr ab, wenn ihre Positionierung bekannt würde, teilt der Senat deshalb nicht.
94Aus entsprechenden Gründen sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG bezüglich der - im Berufungsverfahren außerdem streitgegenständlich gebliebenen - Blattbereiche 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1016, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 nicht erfüllt. Abgesehen von unternehmensbezogenen und damit nach § 6 Satz 2 IFG geschützten Angaben umfassen diese Aktenteile- wie die Beklagte vorträgt - lediglich Äußerungen betroffener Kreise zum Abgabenmaßstab.
953. Weitergehende Ablehnungsgründe - in Sonderheit aus § 6 Satz 2 IFG - sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Schutz des § 6 Satz 2 IFG weiter reicht als von dem Verwaltungsgericht angenommen und auch die verbliebenen Aktenteile einschließt, für welche die Beklagte sich im Berufungsverfahren auf § 3 Nr. 7 IFG bezieht, legt die Beklagte nicht dar.
964. Um feststellen zu können, dass die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG - aber auch nach § 3 Nr. 7 IFG - nicht einschlägig sind, muss der Senat kein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einleiten. Dem in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, dass bei Herausgabe der auf S. 17 bis 23 der Berufungsbegründung vom 19. November 2012 bezeichneten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beeinträchtigt würden, muss der Senat nicht nachkommen.
97Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
98Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N.
99Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7.
101Gemessen daran ist ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst und der Hilfsbeweisantrag der Beklagten abzulehnen. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - eingehenden - Vortrags der Beklagten zu den Ausschlussgründen des § 3 Nr. 3 b) IFG - und auch des § 3 Nr. 7 IFG - lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Versagungstatbestände nicht gegeben sind. Die Beklagte hat den Gehalt der Unterlagen, die ihrer Ansicht nach § 3 Nr. 3 b) IFG bzw. § 3 Nr. 7 IFG unterfallen sollen, genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt indes zu dem beschriebenen Ergebnis.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
104Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Inhalt und Reichweite der Ausschlussgründe gemäߧ 3 Nr. 3 b) IFG und § 3 Nr. 7 IFG weiter auszudifferenzieren bzw. höchstrichterlich weitergehend zu klären.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Daneben bleiben andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt.
(2) Der Zugang kann durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnet werden. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs beantragt, so darf dieser nur aus gewichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden. Als gewichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Soweit Umweltinformationen der antragstellenden Person bereits auf andere, leicht zugängliche Art, insbesondere durch Verbreitung nach § 10, zur Verfügung stehen, kann die informationspflichtige Stelle die Person auf diese Art des Informationszugangs verweisen.
(3) Soweit ein Anspruch nach Absatz 1 besteht, sind die Umweltinformationen der antragstellenden Person unter Berücksichtigung etwaiger von ihr angegebener Zeitpunkte, spätestens jedoch mit Ablauf der Frist nach Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 zugänglich zu machen. Die Frist beginnt mit Eingang des Antrags bei der informationspflichtigen Stelle, die über die Informationen verfügt, und endet
(1) Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen und abberufen. Sie können durch andere Mitglieder ihrer Regierungen vertreten werden.
(2) Jedes Land hat mindestens drei Stimmen, Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern haben vier, Länder mit mehr als sechs Millionen Einwohnern fünf, Länder mit mehr als sieben Millionen Einwohnern sechs Stimmen.
(3) Jedes Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat. Die Stimmen eines Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter abgegeben werden.
(1) Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Absatz 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Daneben bleiben andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt.
(2) Der Zugang kann durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnet werden. Wird eine bestimmte Art des Informationszugangs beantragt, so darf dieser nur aus gewichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden. Als gewichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Soweit Umweltinformationen der antragstellenden Person bereits auf andere, leicht zugängliche Art, insbesondere durch Verbreitung nach § 10, zur Verfügung stehen, kann die informationspflichtige Stelle die Person auf diese Art des Informationszugangs verweisen.
(3) Soweit ein Anspruch nach Absatz 1 besteht, sind die Umweltinformationen der antragstellenden Person unter Berücksichtigung etwaiger von ihr angegebener Zeitpunkte, spätestens jedoch mit Ablauf der Frist nach Satz 2 Nummer 1 oder Nummer 2 zugänglich zu machen. Die Frist beginnt mit Eingang des Antrags bei der informationspflichtigen Stelle, die über die Informationen verfügt, und endet
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
- 1.
wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf - a)
internationale Beziehungen, - b)
militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr, - c)
Belange der inneren oder äußeren Sicherheit, - d)
Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden, - e)
Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle, - f)
Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubtem Außenwirtschaftsverkehr, - g)
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen,
- 2.
wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann, - 3.
wenn und solange - a)
die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen oder - b)
die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden,
- 4.
wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt, - 5.
hinsichtlich vorübergehend beigezogener Information einer anderen öffentlichen Stelle, die nicht Bestandteil der eigenen Vorgänge werden soll, - 6.
wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen, - 7.
bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht, - 8.
gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnehmen.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Informationspflichtige Stellen sind
- 1.
die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung. Gremien, die diese Stellen beraten, gelten als Teil der Stelle, die deren Mitglieder beruft. Zu den informationspflichtigen Stellen gehören nicht - a)
die obersten Bundesbehörden, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden, und - b)
Gerichte des Bundes, soweit sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen;
- 2.
natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, insbesondere solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge, und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen.
(2) Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 liegt vor, wenn
- 1.
die Person des Privatrechts bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe oder bei der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung gegenüber Dritten besonderen Pflichten unterliegt oder über besondere Rechte verfügt, insbesondere ein Kontrahierungszwang oder ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, oder - 2.
eine oder mehrere der in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts allein oder zusammen, unmittelbar oder mittelbar - a)
die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzen, - b)
über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügen oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen können, oder
- 3.
mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts zusammen unmittelbar oder mittelbar über eine Mehrheit im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a bis c verfügen und der überwiegende Anteil an dieser Mehrheit den in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist.
(3) Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; - 2.
Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 3.
Maßnahmen oder Tätigkeiten, die - a)
sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder - b)
den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;
- 4.
Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; - 5.
Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und - 6.
den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
(4) Eine informationspflichtige Stelle verfügt über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Ein Bereithalten liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Absatzes 1 aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Tenor
Das Berufungsverfahren wird hinsichtlich Abschnitt B. II. Abs. 5 und 6 der Hausrechtsrichtlinie für das Justizzentrum L. eingestellt.
Das angefochtene Urteil wird im Umfang der noch anhängigen Berufung geändert. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 1/3, der Beklagte 2/3 der Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger - ein Rechtsanwalt - begehrt von dem Beklagten eine Auskunftserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW.
3Am 11. Juli 2011 suchte der Kläger das Landgericht L. als Nebenklagevertreter in einem strafgerichtlichen Verfahren auf. Im Rahmen der Einlasskontrolle wurde ihm sein Schlüsselanhänger abgenommen, an dem ein sog. „Leatherman micra tool“ mit einem kleinen Taschenmesser befestigt war. Die Klage des Klägers auf Feststellung, dass diese Maßnahme rechtswidrig gewesen sei, wies das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 27. Juni 2012 - 8 K 269/12 - als unzulässig ab. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der 4. Senat des erkennenden Gerichts mit Beschluss vom 23. September 2013 - 4 A 1778/12 ‑ ab.
4Mit Schreiben vom 20. Juli 2011 bat der Kläger den Präsidenten des Landgerichts L. unter Bezugnahme auf den Vorfall vom 11. Juli 2011, ihm eine Kopie von dessen „Einlassrichtlinien“ zu überlassen, um sich über die Reichweite der Befugnisse der Wachtmeister im Rahmen von Einlasskontrollen für zukünftige Fälle besser informieren zu können.
5Unter dem 27. Juli 2011 teilte der Präsident des Landgerichts L. dem Kläger mit, seine internen Weisungen zur Durchführung der Einlasskontrollen seien vertraulich. Er könne sie dem Kläger daher nicht zur Verfügung stellen.
6Am 9. August 2011, am 24. August 2011, am 24. September 2011 und am 5. Oktober 2011 wandte sich der Kläger an den Präsidenten des Landgerichts L. mit dem Antrag, ihm die internen Weisungen zur Durchführung der Einlasskontrollen zu überlassen bzw. diesen Antrag förmlich zu bescheiden. Der Kläger berief sich auf das Informationsfreiheitsgesetz NRW. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse sei nicht zu erkennen. Es sei unmöglich, sich sicherheitskonform zu verhalten und zu erkennen, die Mitführung welcher Gegenstände der Präsident des Landgerichts L. als Beeinträchtigung seiner Sicherheitsinteressen einstufe, wenn er weder die Einlassrichtlinie noch anderweitige Informationen hierzu publiziere. Gebäudesicherheit dürfe nicht zu einem Selbstzweck werden.
7In seinem Schreiben vom 6. Dezember 2011 an den Präsidenten des Landgerichts L. teilte der Präsident des Oberlandesgerichts L. mit, eine Beeinträchtigung der Unversehrtheit der grundlegenden Einrichtungen des Staates i.S.v. § 6 Satz 1 a) IFG NRW könne durch die Bekanntgabe von Abschnitt B. II. Abs. 2 und Abs. 3, Abschnitt B. III. Abs. 7, Abschnitt B. V., Abschnitt C. VI. Abs. 2,Abschnitt C. VII. und Abschnitt C. VIII. der Richtlinie über die Ausübung des Hausrechts im Justizgebäude L. vom 19. Oktober 2010 (im folgenden: Hausrechtsrichtlinie) gegeben sein. Diese Abschnitte enthielten sicherheitsrelevante Informationen. Weitere Teile der Hausrechtsrichtlinie dürften indes nicht dem Ausnahmetatbestand des § 6 Satz 1 a) IFG NRW unterfallen (siehe dazu auch den Auszug der Hausrechtsrichtlinie im Verwaltungsvorgang des Beklagten auf Blatt 206 ff.). Zu berücksichtigen sei, dass etwa der Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie (innerdienstliche Weisung bezüglich der Rückgabe eines einbehaltenen Gegenstandes) nicht vom Begehren des Klägers erfasst sei. Dort würden keine Einlassregelungen getroffen würden, deren Offenlegung der Kläger verlange.
8Unter dem 2. Januar 2012 übersandte der Präsident des Landgerichts L. dem Kläger Auszüge der Hausrechtsrichtlinie. Soweit er Auslassungen vorgenommen habe, handele es sich entweder um unmittelbar sicherheitsrelevante Informationen, deren Zurückhaltung er auf § 6 IFG NRW stütze, oder bezögen sich diese auf Regelungen, die vom Begehren des Klägers, das sich auf die Überlassung der ihn betreffenden Einlassregelungen beschränke, nicht erfasst seien.
9Mit Bescheid vom 9. Mai 2012 lehnte der Präsident des Landgerichts L. den Antrag des Klägers auf Informationszugang - soweit nicht gewährt - zudem förmlich ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass Justizgebäude überaus konfliktträchtige Orte seien, die einer besonderen Sicherung bedürften. Dies gelte für das Landgericht L. als einem der größten Gerichte der Bundesrepublik, bei dem zahlreiche bedeutende Strafverfahren anfielen, im Besonderen. Dies hätten in der Vergangenheit Tötungen und bewaffnete Gefangenenbefreiungen im Gerichtsgebäude in erschreckender Weise bestätigt. Angesichts der unmittelbaren Sicherheitsbezogenheit der in Rede stehenden Anweisungen überwiege das Geheimhaltungsinteresse das Informationsinteresse des Klägers.
10Bereits am 17. Januar 2012 hatte der Kläger Klage erhoben, in die er den Bescheid vom 9. Mai 2012 später einbezogen hat.
11Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, er habe einen Informationszugangsanspruch darauf, dass der Beklagte ihm die Hausrechtsrichtlinie zur Verfügung stelle. Diese habe ihm der Präsident des Landgerichts L. nur mit erheblichen Einschränkungen zur Kenntnis gegeben. Der Ablehnungsgrund des § 6 Satz 1 a) IFG NRW liege nicht vor. Die Vorschrift nenne bereits Gerichte nicht ausdrücklich. Auch ihre inhaltlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Beklagte habe nur pauschal vorgetragen, das streitgegenständliche Informationsbegehren berühre unmittelbar sicherheitsrelevante Informationen. Die Bekanntgabe des Modus, wie der Präsident des Landgerichts L. mit einbehaltenen Gegenständen umgehe und unter welchen Voraussetzungen er diese an die Eigentümer wieder herausgebe, habe keinen Bezug zur Gebäudesicherheit. Um Sicherheitsinteressen hinreichend zu schützen, könne der Beklagte die Passagen des Abschnitts B. II. Abs. 4-6 schwärzen, die den Aufbewahrungsort beträfen. Im Internet-Justizportal des Beklagten finde sich unter Ziffer III. als ergänzende Verwaltungsvorschrift eine Anweisung für die Behandlung der in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände vom 7. August 1981 in der Fassung vom 1. April 2000. Darin werde dezidiert aufgeführt, wie mit Gegenständen zu verfahren sei, die in den Gewahrsam z. B. eines Gerichts gelangten. Wenn der Justizminister des Beklagten sich in der Lage sehe, seine Gewahrsamssachenanweisung für jedermann über das Internet zugänglich zu machen, ohne die Sicherheitsinteressen seiner Behörden hierdurch verletzt zu sehen, erschließe sich nicht, warum der Beklagte sich dem Informationsbegehren in diesem Verfahren verweigere.
12In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 20. November 2012 hat der Beklagte erklärt, Abschnitt B. II. Abs. 4-6 regle etwa, wo einbehaltene Gegenstände zurückgegeben würden und durch wen sie zurückgegeben würden. In den Vorschriften fänden sich keine Regelungen über den Umgang mit den Gegenständen während der Dauer der Aufbewahrung. Gewissermaßen als Ausnahme hierzu und als Umgangsregelung könne man aber ansehen, dass geregelt werde, wie mit den Gegenständen zu verfahren sei, wenn sie nicht abgeholt würden. Des Weiteren hat der Beklagte bekundet, Abschnitt C. VI. Abs. 1 der Hausrechtsrichtlinie habe folgenden Wortlaut: „Verwahrung und Rückgabe von Gegenständen, die nicht mitgeführt werden dürfen, richtet sich nach Ziffer B. II. mit folgender Ausnahme: …“ Ferner hat der Beklagte kundgetan, dassAbschnitt C. VI. aus drei Absätzen bestehe. Während in Abs. 1 auf die Regelung unter B. verwiesen werde, verhielten sich die Absätze 2 und 3 zu Polizeibeamten und Dienstwaffen.
13Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit im Hinblick auf die begehrte Auskunft zu C. VI. in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
14Der Kläger hat sodann beantragt,
15den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Präsidenten des Landgerichts L. vom 2. Januar 2012 und 9. Mai 2012 zu verpflichten, ihm Informationen über AbschnittB. II. Abs. 4-6 (Rückgabe eines einbehaltenen Gegenstands infolge allgemeiner Zutrittskontrolle) seiner Richtlinie zur Ausübung des Hausrechts im Justizgebäude L. , M. Straße 101, vom 19. Oktober 2010 zu erteilen.
16Der Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er hat vorgetragen, der noch streitgegenständliche Informationszugangsanspruch des Klägers sei gemäß § 6 Satz 1 a) IFG NRW ausgeschlossen. Gerichte seien Einrichtungen, die einer besonderen Gefährdung unterlägen und daher für ihren Schutz eines besonderen Sicherheitskonzepts bedürften. Die Wirksamkeit eines solchen Sicherheitskonzepts sei jedenfalls in Teilbereichen davon abhängig, dass die entsprechenden Anweisungen an die das Sicherheitskonzept umsetzenden Bediensteten Dritten gegenüber nicht bekanntgegeben würden. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass Dritte die Kenntnis des Sicherheitskonzepts nutzten, um Lücken zu identifizieren. Auf diese Weise könne es diesen Dritten gelingen, Kon-troll- und Vorsichtsmaßnahmen zu umgehen. Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie enthalte innerdienstliche Weisungen bezüglich der Rückgabe einbehaltener Gegenstände und bezüglich des Ortes und der Dauer von deren Aufbewahrung. Erfasst seien hiervon ausschließlich die gemäß Abschnitt B. II.Abs. 1 der Hausrechtsrichtlinie bei der Kontrolle aufgefundenen gefährlichen Gegenstände. Die Kenntnis dieser internen Weisungen könne u. a. zur Identifizierung von Sicherheitslücken führen, den Zugriff auf in Verwahrung befindliche gefährliche Gegenstände erleichtern und damit die Sicherheit im Justizgebäude unmittelbar beeinträchtigen.
19Mit Urteil vom 22. November 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen und der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. In der Sache hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Präsidenten des Landgerichts L. vom 2. Januar 2012 und 9. Mai 2012 verpflichtet, dem Kläger Informationen über Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie zu erteilen. Der Beklagte sei berechtigt, diejenigen Wörter zu schwärzen, aus denen sich Rückschlüsse auf einen Aufbewahrungsort der einbehaltenen Gegenstände ziehen ließen, der von dem in Abschnitt B. II. Abs. 1 genannten Aufbewahrungsort abweiche. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe im Umfang der Stattgabe einen Anspruch auf Informationszugang aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Die Ausübung des Hausrechts und die Durchführung der Einlasskontrollen sei öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 2 IFG NRW. Der Informationszugangsanspruch sei nicht durch § 6 Satz 1 a) IFG NRW ausgeschlossen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bekanntwerden der begehrten Informationen den ordnungsgemäßen Ablauf der gerichtlichen Verfahren oder die Sicherheit im Gebäude des Landgerichts L. beeinträchtigen würde. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit Sicherheitslücken offenbart würden, wenn die Art und Weise der Rückgabe einbehaltener Gegenstände bekanntgegeben werde. Es sei nicht vorstellbar, dass die Umstände der Rückgabe der einbehaltenen Gegenstände zwar jedem Besucher mitgeteilt würden, der einen gefährlichen Gegenstand bei sich führe, aber nicht der Allgemeinheit offen gelegt werden könnten, ohne die Sicherheit des Gerichtsgebäudes zu beeinträchtigen. Ein Ablehnungsgrund bestehe nur hinsichtlich des Aufbewahrungsorts. Soweit die streitgegenständlichen Absätze der Hausrechtsrichtlinie einen Aufbewahrungsort bezeichneten, der von dem in Abschnitt B. II. Abs. 1 genannten Aufbewahrungsort abweiche, könne der Antrag auf Informationszugang daher nach § 6 Satz 1 a) IFG NRW abgelehnt und der Inhalt bei Bekanntgabe durch Schwärzung unkenntlich gemacht werden. Die öffentliche Sicherheit werde aber nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass bekannt werde, ob es einen anderen Aufbewahrungsort gebe, wie lange die einbehaltenen Gegenstände aufbewahrt oder an welchem Ort die einbehaltenen Gegenstände zurückgegeben würden.
20Mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat.
21Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor, ein Anspruch des Klägers auf Informationszugang sei gemäß § 6 Satz 1 a) IFG NRW ausgeschlossen. Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie und die darin enthaltenen internen Weisungen zur Art und Weise der Rückgabe einbehaltener Gegenstände erschöpften sich nicht in der Regelung, wo und durch wen diese Rückgabe zu erfolgen habe. Vielmehr enthalte der entsprechende Abschnitt weitere mit den Regelungen zum Ort der Rückgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende interne Weisungen zum Verfahren bei Rückgabe einbehaltener Gegenstände, die sicherheitsrelevant seien und deren Offenlegung daher nicht in Betracht komme. Bei Rückgabe einbehaltener Gegenstände werde notwendigerweise der Zugriff auf potentiell gefährliche Gegenstände in einem Bereich des Gerichtsgebäudes ermöglicht, dessen Sicherheit durch die Zutrittskontrollen gewährleistet werden solle. Daher müsse sichergestellt werden, dass ein Betreten des Gebäudes mit dem zurückerlangten Gegenstand auch im unmittelbaren Anschluss an die Rückgabe ausgeschlossen sei. Entsprechende Sicherheitsvorkehrungen müssten für den Besucher aber weder sichtbar sein noch ihm bekannt gegeben werden, weil sie für die bloße Rückgabe des Gegenstands als solche, auf die es dem Besucher ankomme, nicht entscheidend seien. Im Gegenteil könne es die Sicherheit gefährden, wenn sich der Besucher auf diese Sicherheitsvorkehrungen einstellen könne. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit folge darüber hinaus aus dem Umstand, dass schon die Kenntnis vom Fehlen bestimmter Sicherheitsvorkehrungen Sicherheitsinteressen des Gebäudes beeinträchtigen könne, weil hierdurch Sicherheitslücken offenbart würden. Die Einschätzung der Sicherheitsrelevanz durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts L. in seinem Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts L. vom 6. Dezember 2011 sei im gerichtlichen Verfahren nochmals mit dem Ergebnis überprüft worden, dass ein Bekanntwerden von Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie die öffentliche Sicherheit beeinträchtige. Jedenfalls könne der Klage nicht ohne Durchführung eines in-camera-Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO stattgegeben werden.
22In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18. August 2015 hat der Vertreter des Beklagten erklärt, es gebe im Justizgebäude L. eine Rückgabestelle, die sich hinter den Einlasskontrollen befinde. Die Rückgabemodalitäten würden durch Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie geregelt. Dort seien auch flankierende Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit niedergelegt. Absätze 5 und 6 regelten den Umgang mit gefährlichen Gegenständen, die vom Besitzer nicht abgeholt würden, obwohl sie ihm zurückgegeben werden könnten. Die Sicherheitsrelevanz sehe der Beklagte darin, dass sich aus ihnen u. a. ergebe, wie lange die Gegenstände im Landgericht aufbewahrt würden, und mittelbar auch, welche Wege sie im Landgericht weiter nähmen, insbesondere wie sie aus dem Landgericht weggeschafft würden. Der genaue Weg und der genaue Gebäudeausgang seien dort aber nicht beschrieben. Der Bereich, in dem die in Verwahrung genommenen Gegenstände zurückgegeben würden, sei nicht ohne Weiteres zugänglich, sondern der Zugang werde durch Poller an beiden Seiten der Infotheke erschwert. Vom Bereich des „Ausgabefensters“ gelange man durch die Sicherheitsschleuse zurück in den Vorraum.
23Nach entsprechendem rechtlichen Hinweis des Senats hat der Vertreter des Beklagten die Berufung hinsichtlich Abschnitt B. II. Abs. 5 und 6 der Hausrechtsrichtlinie zurückgenommen.
24Der Beklagte beantragt daraufhin,
25das angefochtene Urteil im Umfang der noch anhängigen Berufung zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.
26Der Kläger beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Er trägt vor, der Beklagte spiegle eine Schutzwürdigkeit nur vor. Die behauptete Sicherheitsrelevanz der noch ausstehenden Informationen sei nicht vorhanden. Dies würde sich in einem in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO herausstellen. Dessen Einleitung werde hilfsweise beantragt. Ebenso werde hilfsweise Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten des Landgerichts L. beantragt. Dabei werde sich ergeben, dass der in der Hausrechtsrichtlinie beschrieben Rückgabeort nicht hinter der Sicherheitsschleuse liege.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
31Soweit der Beklagte die Berufung mit Blick auf Abschnitt B. II. Abs. 5 und 6 der Richtlinie zur Ausübung des Hausrechts im Justizgebäude L. , M. Straße 101, vom 19. Oktober 2010 zurückgenommen hat, wird das Berufungsverfahren gemäß §§ 126 Abs. 3 Satz 1, 92 Abs. 3 VwGO eingestellt.
32Im Übrigen ist die noch anhängige Berufung des Beklagten zulässig und begründet. In diesem Umfang hat das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben. Das angefochtene Urteil ist entsprechend zu ändern.
33Die Bescheide des Präsidenten des Landgerichts L. vom 2. Januar 2012 und vom 9. Mai 2012 sind insofern rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), als mit ihnen die Erteilung von Informationen über Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie abgelehnt worden ist.
34Der Kläger hat diesbezüglich keinen Anspruch auf Informationszugang gemäߧ 4 Abs. 1 IFG NRW. Ein solcher Anspruch ist durch § 6 Satz 1 a) IFG NRW ausgeschlossen (dazu I.). Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es weder eines in-camera-Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO (dazu II.1.) noch einer Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten im Justizgebäude L. (dazu II.2.). Die darauf gerichteten Hilfsbeweisanträge des Klägers sind abzulehnen.
35I. Dem von dem Kläger geltend gemachten Informationszugangsanspruch steht der Ablehnungsgrund des § 6 Satz 1 a) IFG NRW entgegen.
36Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Information die Landesverteidigung, die internationalen Beziehungen, die Beziehungen zum Bund oder zu einem Land oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden beeinträchtigen würde.
37Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sind neben den Rechtsgütern des Einzelnen und der Unversehrtheit der Rechtsordnung auch die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen.
38Vgl. zu § 6 Satz 1 a) IFG NRW: OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 62, m.w.N.
39Hierzu gehören alle Behörden und auch Gerichte. Soweit § 6 Satz 1 a) IFG NRW die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden besonders erwähnt, ist diese Aufzählung nur beispielhaft. Sie hat nicht zur Folge, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit im vorliegenden Zusammenhang enger zu verstehen ist als im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 64.
41Zur Sicherheit innerhalb eines Gerichtsgebäudes, die für die Funktionsfähigkeit eines Gerichts unerlässlich ist, trägt das - ggf. auch in einer internen Verwaltungsvorschrift verkörperte - Hausrecht des Gerichtspräsidenten bei. Dieses ist gewohnheitsrechtliche Rechtsgrundlage für alle Maßnahmen im Gerichtsgebäude, die außerhalb der Sitzungsgewalt erfolgen. Das Hausrecht befugt den Gerichtspräsidenten dazu, zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu ergreifen.
42Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2012 - 2 BvR 2405/11 -, NJW 2012, 1863 = juris Rn. 24; BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2011 - 7 B 17.11 -, NJW 2011, 2530 = juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2013 - 4 A 1778/12 -, juris Rn. 34.
43Im Anschluss daran ist die Funktionsfähigkeit eines Gerichts eingeschränkt, wenn dessen - teilweise auch hausrechtsförmige - organisatorische Vorkehrungen zur effektiven Aufgabenerledigung gestört werden und die Arbeit der betroffenen Amtsträger dadurch beeinträchtigt bzw. erschwert wird.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 72 (hinsichtlich des Informationszugangs zu dem Telefonverzeichnis eines Gerichts).
45An eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit stellt § 6 Satz 1 a) IFG NRW keine hohen Anforderungen. Im Unterschied zu § 6 Satz 1 b) IFG NRW setzt er keine erhebliche Beeinträchtigung voraus, sondern lässt eine einfache Beeinträchtigung genügen. Eine solche liegt vor, wenn nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut konkret zu erwarten sind.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 70; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 6 Rn. 760 ff.
47Ob dies infolge eines Informationszugangs der Fall ist, ist nicht nur anhand des ersten gestellten Informationsantrags sowie der Person des konkreten Antragstellers und seiner Absichten zu beurteilen. Darüber hinaus gehend sind die möglichen Auswirkungen einer Freigabe der Information umfassend in Betracht ziehen.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 76; siehe außerdem BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 -, DVBl. 2010, 120, juris, Rn. 24 (zu § 3 IFG Bund).
49Gemessen an diesen Maßstäben stellt der streitige Informationszugang eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit im Justizgebäude L. i.S.v. § 6Satz 1 a) IFG NRW dar.
50Eine Offenlegung des allein noch streitgegenständlichen Abschnitts B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie würde sich auf die Sicherheit im Justizgebäude L. und somit auf die Funktionsfähigkeit der dort untergebrachten Gerichte konkret nachteilig auswirken. Dies ergibt sich hinreichend bestimmt aus den Beschreibungen des Inhalts von Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie durch den Beklagten, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18. August 2015. Diesen zufolge erschöpfen sich Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie und die darin enthaltenen internen Weisungen zur Art und Weise der Rückgabe einbehaltener gefährlicher Gegenstände nicht bloß in der Regelung, wo und durch wen diese Rückgabe zu erfolgen hat. Vielmehr enthalte dieser Passus weitere mit den Regelungen zum Ort der Rückgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende interne Weisungen zum Verfahren bei Rückgabe der einbehaltenen Gegenstände. Dazu zählten auch die Modalitäten, die sicherstellten, dass ein Betreten des Justizgebäudes mit dem zurückerlangten Gegenstand im unmittelbaren Anschluss an die Rückgabe ausgeschlossen sei. Die damit einhergehenden Sicherheitsvorkehrungen würden dem Besucher nicht bekanntgegeben und müssten auch ansonsten für diesen nicht sichtbar sein.
51Es ist davon ausgehend plausibel, dass ein Bekanntwerden der Gesamtheit der Rückgabemodalitäten einschließlich (ggf. verdeckter) Kontroll- und Vorsichtsmaßnahmen der Gerichtsverwaltung im Nachgang zu der Rückgabe des einbehaltenen gefährlichen Gegenstands ohne Weiteres dazu führen würde, dass dieser Vorkehrungen umgangen oder jedenfalls in ihrer Effektivität beeinträchtigt würden, sei es, dass ein Dritter versuchen könnte, an einen zurückgegebenen gefährlichen Gegenstand zu gelangen, oder dass der Besitzer nach Rückerhalt eines gefährlichen Gegenstands im Gerichtsgebäude davon Gebrauch macht. Ein derartiges Risiko, an dessen Annahme keine hohen Anforderungen zu stellen sind und dem durch ein Schwärzen des Aufbewahrungsorts im Zuge einer Informationsgewährung nicht effektiv begegnet werden kann, ist erst recht in einem Justizgebäude mit einem starken Publikumsaufkommen wie demjenigen in L. nicht hinzunehmen, in dem überdies mitunter brisante, gefahrenträchtige Strafverfahren verhandelt werden. Das insbesondere mit diesen verbundene, aber auch sonst bei konfliktgeneigten Gerichtsverfahren in anderen Rechtsgebieten existierende abstrakte Gefahrenpotential würde unmittelbar in eine akute konkrete Gefahrenlage für eine unbestimmte Vielzahl von Personen umschlagen, wenn sich Dritte mit Hilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen über die Rückgabemodalitäten einbehaltener gefährlicher Gegenstände Zugang zu diesen verschaffen und sie hernach für Gewalttaten einsetzen könnten. Dasselbe gilt für den Eigentümer eines einbehaltenen Gegenstands, der sich nach der Rückgabe des Gegenstands unter Ausnutzung einer Sicherheitslücke frei und unbemerkt im Justizgebäude bewegt, anstatt dieses sogleich zu verlassen. Auf diese Aspekte hat der Beklagte auch im Bescheid vom 9. Mai 2012 zutreffend hingewiesen.
52Die Sicherheitsrelevanz von Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 18. August 2015 bekräftigt. Der Vertreter des Beklagten hat anhand der von dem Kläger gefertigten Skizze überzeugend dargelegt, dass der Rückgabeort innerhalb des sicherheitsrelevanten Bereichs liegt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Rückgabeort vor oder hinter einer Sicherheitsschleuse liegt. Denn nach den in der Berufungsverhandlung skizzierten örtlichen Gegebenheiten leuchtet ohne Weiteres ein, dass auch im Bereich vor den Sicherheitsschleusen unbedingt verhindert werden muss, dass von zurückgegebenen gefährlichen Gegenständen Gebrauch gemacht wird. Dass hierauf auch verdeckte flankierende Maßnahmen der Gerichtsverwaltung zielen können, ist plausibel. Dabei ist es für die Bedeutung von Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie für die Gebäudesicherheit im Justizgebäude L. - und damit zugleich für die Anwendung von § 6 Satz 1 a) IFG NRW - entgegen der von dem Kläger geäußerten Auffassung nicht ausschlaggebend, ob die darin niedergelegten Sicherheitsbestimmungen bzw. flankierenden Maßnahmen hinreichend effektiv sind oder nicht. Entscheidend für den informationsfreiheitsrechtlichen Prüfungsgegenstand ist allein, ob ein Bekanntwerden des in Rede stehenden Inhalts der Hausrechtsrichtlinie das Sicherheitskonzept für das Justizgebäude L. relativieren würde. Schlüssige Anhaltspunkte dafür, dass das Sicherheitskonzept völlig funktionslos und die Kenntnis des Inhalts des fraglichen Abschnitts der Hausrechtsrichtlinie deshalb ggf. schon im Ansatz ungeeignet wäre, die Gebäudesicherheit zu beeinträchtigen, hat auch der Kläger nicht dargetan.
53Die Absichten, die der Kläger selbst mit seinem Informationsantrag verfolgt, sind für diese Gefahreneinschätzung und ihre Beurteilung nach § 6 Satz 1 a) IFG NRW unerheblich. Die Gefahrenprognose beruht losgelöst davon auf den konkret zu erwartenden Konsequenzen, die eine Offenbarung des Abschnitts B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie gegenüber der informationszugangsberechtigten Allgemeinheit für die Sicherheit im Justizgebäude L. potentiell haben würde.
54Die von dem Kläger angeführte Anweisung des Justizministeriums NRW für die Behandlung der in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände vom 7. August 1981 in der Fassung vom 1. April 2000 spricht ebenso wenig gegen die Anwendbarkeit von § 6 Satz 1 a) IFG NRW wie die einschlägige Informationspraxis anderer Justizbehörden. Die vorerwähnte Gewahrsamssachenanweisung ist allgemeiner Natur. Sie sagt nichts über die konkrete Sicherheitslage im Justizgebäude L. und deren Behandlung in der Hausrechtsrichtlinie des Präsidenten des Landgerichts L. mit Blick auf die nach der Zutrittskontrolle einbehaltenen Gegenstände aus. Da das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 6 Satz 1 a) IFG NRW objektiv-rechtlich sowie in tatsächlicher Hinsicht bezogen auf den vorliegend zu entscheidenden Fall zu beurteilen ist, ist weiterhin ohne Belang, ob andere Justizbehörden ihre Hausrechtsvorschriften allgemein offen legen. Mit entsprechender Begründung ist gleichfalls nicht entscheidend, dass der Präsident des Oberlandesgerichts L. in seinem Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts L. vom 6. Dezember 2011 augenscheinlich noch davon ausgegangen ist, dass Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie als nicht sicherheitsrelevant einzustufen sei.
55II. Um zu der vorstehenden Überzeugung zu gelangen, bedarf es keines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO (dazu 1.). Auch eine Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten im Justizgebäude L. ist nicht durch den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO veranlasst (dazu 2.). Die auf derartige Beweiserhebungen zielenden Hilfsbeweisanträge des Klägers sind abzulehnen.
561. Ein in-camera-Verfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO ist nicht notwendig.
57Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und-würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
58Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 ‑ 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 89.
59Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das in-camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation muss es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
60Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 91.
61Gemessen daran ist ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst. Bereits mit Hilfe des Akteninhalts und des unter I. ausgewerteten Vortrags des Beklagten, der in der mündlichen Verhandlung am 18. August 2015 weiter substantiiert worden ist, lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass der Ablehnungsgrund des § 6 Satz 1 a) IFG NRW betreffend Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie gegeben ist und einem Informationszugangsanspruch des Klägers entgegensteht.
622. Schließlich ist die von dem Kläger hilfsweise beantragte Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten im Justizgebäude L. nicht durch den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO angezeigt.
63Auch wenn es für die Urteilsfindung auf die örtlichen Gegebenheiten ankommt, sind etwa Lagepläne und sonstige Akteninhalte, die über diese Aufschluss geben, im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar, wenn sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, so bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung. Das gilt nur dann nicht, wenn ein Beteiligter substantiiert geltend macht, dass die sonstigen zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen, und dies zutreffen kann.
64Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Dezember 2008 - 4 BN 26.08 -, BauR 2009, 617 = juris Rn. 3, und vom 4. Juni 2008 - 4 B 35.08 -, juris Rn. 6.
65Dies ist hier nicht der Fall. Wie unter I. dargelegt, lassen sich die örtlichen Gegebenheiten im Justizgebäude L. , soweit es auf sie für die Entscheidung über den Streitgegenstand ankommt, hinreichend sicher auch ohne Ortsbesichtigung beurteilen. Auch ohne Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit lässt sich aus den genannten Gründen feststellen, dass ein Offenlegen von Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit im Justizgebäude L. führen wird.
66Die Kostenentscheidung beruht unter Einbeziehung der erstinstanzlichen Kostenverteilung auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Ihr liegt maßgebend die Erwägung zugrunde, dass der Beklagte den Kläger mit seinem Informationsbegehren zwar überwiegend klaglos gestellt, dieses aber gleichwohl im Hinblick auf Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie zu einem nicht unwesentlichen Teil unerfüllt geblieben ist.
67Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
68Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Vorlage von Verwaltungsvorgängen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I, S. 1048; im Folgenden: 6. FFG-Änderungsgesetz). Das 6. FFG-Änderungsgesetz nahm rückwirkend zum 1. Januar 2004 (vgl. § 73 Abs. 7 Satz 1 FFG) in § 67 FFG Bemessungsregeln für die von den Fernsehveranstaltern zu leistende Filmabgabe auf.
3Die Klägerin betreibt bundesweit Filmtheater. Sie ist eine Gesellschaft der D. -Gruppe, der neben der Klägerin elf Schwestergesellschaften angehören, die ebenfalls in Deutschland Lichtspielhäuser unterhalten.
4Am 8. September 2010 beantragte die Klägerin beim (damaligen) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Folgenden: BKM) gemäß § 7 IFG, ihr sämtliche Verwaltungsvorgänge zugänglich zu machen, die der BKM im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz führt und geführt hat. Ihr besonderes Augenmerk gelte den Berechnungsmodellen und Kalkulationen, die für die Festlegung des Abgabenmaßstabs der Fernsehveranstalter gemäß § 67 FFG n. F. bestimmend gewesen seien, ferner den Berechnungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit aller Einzahlergruppen. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht werden dürften.
5Mit Bescheid vom 15. Oktober 2010, zugegangen am 19. Oktober 2010, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der BKM habe bei der Vorbereitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes nicht als Behörde i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Das Vorbereiten und Ausarbeiten von Gesetzentwürfen diene der Wahrnehmung des Initiativrechts der Bundesregierung. Diese Regierungstätigkeit sei kein Verwaltungshandeln. Die dem BKM vorliegenden amtlichen Informationen zu dem beantragten Thema bezögen sich ausschließlich auf die unmittelbare Erarbeitung des Regierungsentwurfs zum 6. FFG-Änderungsgesetz. Bei den Dokumenten handele es sich vorwiegend um Vermerke gegenüber der Hausleitung, Aufzeichnungen über interne Besprechungen, E-Mail-Verkehr mit Verbänden, Sendern und anderen Unternehmen, die zukünftig unter die Abgabenpflicht fallen sollten, Gesamtkalkulationen zu den finanziellen Auswirkungen der Novelle sowie um Materialien zum parlamentarischen Verfahren und zur Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt. Die Prüfung der Unterlagen auf eventuell einschlägige Ausnahmetatbestände nach §§ 3 ff. IFG sei vor diesem Hintergrund nicht notwendig.
6Die Klägerin erhob am 17. November 2010 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend: Es sei mit Blick auf das gebotene weite Begriffsverständnis unzutreffend, eine Bundesbehörde von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auszunehmen, wenn im konkreten Fall Regierungstätigkeit ausgeübt werde. Die Ausnahmen gemäß §§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 1 IFG griffen nicht, weil es um einen Anspruch auf Informationszugang nach Verabschiedung des Gesetzes gehe. Eine andere Betrachtungsweise laufe dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
8Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der BKM sei nach dem anzuwendenden funktionellen Behördenbegriff eine Behörde des Bundes, auch wenn er im konkreten Fall bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs eine Regierungstätigkeit wahrgenommen habe. Die Gesetzesmaterialien zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien amtliche Informationen. Sie seien beim BKM in seiner Zuständigkeit für die Kulturförderung - namentlich für die Filmförderung durch die unter seiner Aufsicht stehende Filmförderungsanstalt - entstanden. Der eng zu interpretierende Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG sei nicht gegeben bzw. von der Beklagten nicht nachvollziehbar belegt. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde durch den begehrten Informationszugang nicht tangiert. Die Beratungen beim BKM zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien längst abgeschlossen. Der Beratungsvorgang müsse nicht mehr geschützt werden. Ansonsten würden zahllose Informationsansprüche ins Leere laufen, da Verwaltungsvorgängen fast immer behördeninterne Beratungen vorausgingen. Einengende Vorwirkungen für zukünftige Gesetzgebungsverfahren seien nicht erkennbar. Die von der Beklagten auf S. 10 bis 13 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 aufgelisteten Unterlagen seien - nach ihrer Behauptung - Vorlagen an die Hausleitung des BKM und Kabinettsvorlagen. Die Beklagte habe den konkreten Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht substantiiert, so dass sich schon von daher keine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung feststellen lasse. Überdies seien weder der Staatsminister noch das Kabinett an diese Vorlagen gebunden gewesen. Auch im Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 habe die Beklagte die Schutzwürdigkeit der Leitungsvorlagen nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ähnliches gelte, soweit sich die Beklagte auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 auf § 3 Nr. 7 IFG berufe. Die Informationsübermittlung zwischen Behörden sei nicht geschützt, so dass Unterlagen nicht von dem Informationsanspruch ausgenommen werden könnten, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder von der Filmförderungsanstalt stammten, bei der es sich um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts handele. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Darlegungslast nicht erfüllt. Hinzu komme, dass auch§ 3 Nr. 7 IFG nicht unbefristet gelte. Worin das aktuelle Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit bestehe, sei unklar. Im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG habe sie, die Klägerin, vorab erklärt, dass diese - soweit vorhanden - unkenntlich gemacht werden dürften. Allerdings beziehe sich dieser Geheimnisschutz nicht auf Personen des öffentlichen Rechts wie die Filmförderungsanstalt oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, auf deren Dokumente die Beklagte auf S. 20 bis 32 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 verweise. Gleiches gelte für Unterlagen, die von Verbänden stammten. Diese führten keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juli 2012 hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - 7 C 3.11, 7 C 4.11 - würden die in der überreichten Tabelle in Spalte 1 („Nur Argument keine Behörde“) gelisteten Aktenbestandteile der Klägerin in Form von Kopien spätestens bis zum 14. September 2012 zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugänglich gemacht.
11Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt. Sie hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte berechtigt ist, in diesen Unterlagen etwa enthaltene personenbezogene Daten i.S.v. § 5 IFG zu schwärzen. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
12Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zu verpflichten, ihr - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - sämtliche Verwaltungsvorgänge, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 führt oder geführt hat, zugänglich zu machen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege vor. Auch im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Vorbereitungen zur Erstellung eines Gesetzesvorschlags anzuerkennen. Im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung finde keine Abwägung mit dem Anspruch des Bürgers auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz statt. Diesem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehörten auch Leitungsvorlagen an, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, bezeichnet seien. Der Schutz des Kernbereichs der Exekutive, der die Willensbildung der Regierung umfasse, sei nicht mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. FFG-Änderungsgesetz entfallen oder weniger gewichtig. Dies folge auch aus den einengenden Vorwirkungen des nachträglichen Zugriffs auf Informationen auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren. Den Erörterungen im Kabinett komme eine besondere Schutzwürdigkeit zu. Die freie und offene Willensbildung der Regierung werde gefährdet, wenn eine spätere Publizität zu befürchten sei. Eine unbegrenzte Offenheit von Unterlagen zur Vorbereitung von Gesetzen würde dazu führen, dass durch das Bekanntwerden z. B. von möglichen Meinungsverschiedenheiten auf Leitungsebene die Autorität des Gesetzes ausgehöhlt würde. Es gehe auch um sensible politische Einschätzungen. Es bestehe die Gefahr einer „Flucht in die Mündlichkeit“. Im Einzelnen erfasse § 3 Nr. 3 b) IFG die Blätter 65 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 575, 576 bis 594, 822 bis 851, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 922, 1055 bis 1060, 1071 bis 1096, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1239, 1260 bis 1283 sowie 1294 bis 1320 (siehe S. 10 bis 13 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011 und S. 4 bis 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2011). Der gewisse Abstraktionsgrad dieser Ausführungen liege in der Natur der Sache, um der Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Teile der Verwaltungsvorgänge Rechnung zu tragen. Unverhältnismäßig pauschaliert werde dabei nicht. Darüber hinaus entfalle der Informationsanspruch der Klägerin wegen § 3 Nr. 7 IFG. Bezüglich bestimmter Dokumente habe sie, die Beklagte, ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung zugesichert. § 3 Nr. 7 IFG gelte für die Blätter 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1259 (siehe S. 14 bis 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Das Interesse an der vertraulichen Behandlung bestehe fort. Der Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG schließe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt ein. Personenbezogene Daten Dritter seien gemäß § 5 IFG vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren in die Schwärzung der entsprechenden Passagen eingewilligt. Einer unbeschränkten Offenlegung stehe schließlich § 6 Satz 2 IFG für folgende Abschnitte entgegen: Blätter 80 bis 83, 93 bis 98, 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 500 bis 503, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1255, 1256 bis 1258, 1259 und 1299 (siehe S. 20 bis 32 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Eine Einwilligung des jeweiligen Geheimnisträgers liege nicht vor. Die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bestehe auch bei partiellen Schwärzungen fort.
17Mit Urteil vom 26. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des BKM vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin die bei dem BKM geführten Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz - soweit nicht für erledigt erklärt - mit Ausnahme der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich zu machen. Die Beklagte sei berechtigt, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung zu schwärzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Beklagte könne sich hinsichtlich sog. Leitungsvorlagen nicht mit Erfolg auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte hinsichtlich der Stellungnahmen, bezüglich derer sie eine vertrauliche Behandlung zugesichert habe, auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG stützen, soweit darin nicht Geschäftsgeheimnisse enthalten seien. Diese seien über § 6 Satz 2 IFG geschützt. Da alle betroffenen Geheimnisträger auf entsprechende Nachfrage des BKM mitgeteilt hätten, sie stimmten einer Bekanntgabe an die Klägerin nicht zu, sei die Beklagte berechtigt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung der Akten an die Klägerin zu schwärzen. Soweit die Verwaltungsvorgänge Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten, sei die Klage mit Blick auf § 6 Satz 2 IFG unbegründet.
18Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
19Die Beklagte hat am 31. August 2012 Berufung gegen das ihr am 7. August 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend und vertiefend vor, von der Berufung nicht erfasst sei ihre Verpflichtung, Zugang zu denjenigen Teilen der Verwaltungsvorgänge zu gewähren, in denen die Kabinettsvorlagen lediglich den endgültig in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut wiedergäben. Hierbei handele es sich um Blatt 830 bis 846, 904 bis 922, 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis 1239. Diese Blattbereiche werde sie der Klägerin unverzüglich offenbaren. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben habe, stehe dem Informationszugang der Schutz des Kernbereichs der Exekutive im Rahmen des § 3 Nr. 3 b) IFG entgegen. Es entspreche einem nach der Lebenserfahrung naheliegenden und wahrscheinlichen Verhalten, dass Erwägungen, deren Offenbarung zu nachteiligen Konsequenzen für die Regierung führen könne, nicht mehr schriftlich in den Akten niedergelegt würden, wenn diese Akten nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens jedem beliebigen Dritten zugänglich gemacht werden müssten. Vielmehr sei zu erwarten, dass Einschätzungen mündlich abgegeben würden und nicht mit dem gebotenen Gewicht in das Gesetzgebungsverfahren einflössen. Ein Informationszugang könne auch einengende Vorwirkungen haben, soweit es um einen nachträglichen Zugriff auf Informationen über ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren gehe. Diese Erwartung sei nicht nur mit Blick auf rechtliche, sondern auch in Bezug auf politische und taktische Einschätzungen berechtigt. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Geheimhaltungsgründe im gerichtlichen Hauptsacheverfahren überspannt. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, und vom 6. Dezember 2011, S. 4 bis 7, werde Bezug genommen. Es dürfe keine Substantiierung verlangt werden, die bereits zu einer Offenbarung der geheimzuhaltenden Informationen führe. Andernfalls laufe § 3 Nr. 3 b) IFG leer. Ohne ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe das Verwaltungsgericht nicht stattgeben dürfen. Nur äußert vorsorglich werde zu Blatt 66 bis 68, 113 bis 118, 327 bis 352, 535 bis 537, 558 bis 594, 823 bis 829, 852 bis 854, 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1106 bis 1009, 1181 bis 1187c, 1208, 1210 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1301 ergänzend vorgetragen (sieheS. 17 bis 23 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 19. November 2012). Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische, brisante Gesetzesnovelle gewesen sei, sei für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG unerheblich. Hinsichtlich der Unterlagen, für welche sie, die Beklagte, eine Vertraulichkeitszusage abgegeben habe, stehe dem Informationszugang § 3 Nr. 7 IFG entgegen. Diese Unterlagen seien auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 konkret bezeichnet. Auch diesbezüglich gehe das Verwaltungsgericht von überzogenen Substantiierungsanforderungen aus. Bereits die Tatsache der Kennzeichnung als vertraulich sei ein hinreichendes Indiz für eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Dieses Indiz sei nicht erschüttert. Einer weitergehenden Substantiierung der Vertraulichkeit bedürfe es nicht. Die wegen des Abgabenmaßstabs angeschriebenen betroffenen Kreise hätten im Hinblick auf ihre jeweilige Antwort durchweg darauf bestanden, dass alle übermittelten Informationen, d. h. das gesamte Schreiben, vertraulich behandelt würden. Würde sie, die Beklagte, gleichwohl zu einem Informationszugang verpflichtet, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in Zukunft nicht mehr in dem gebotenen Umfang Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgegeben würden. Zudem hätte § 3 Nr. 7 IFG sonst neben § 6 Satz 2 IFG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr.
21In der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 haben die Beteiligten klargestellt, welche Aktenbestandteile im Berufungsverfahren noch im Streit stehen. Die in den Spalten 3 und 4 der Übersicht, die erstinstanzlich dem Verwaltungsgericht überreicht worden ist, angegebenen Blattzahlen sind markiert worden, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Übersicht ist als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen worden.
22Die Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern, soweit sie darin verpflichtet worden ist, die bei ihr angefallenen Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 über Blatt 830 bis 846, Blatt 904 bis 922, Blatt 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis Blatt 1239 hinaus der Klägerin zugänglich zu machen, und insoweit die Klage abzuweisen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege nicht vor. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beziehe sich regelmäßig nur auf laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen, nicht auf abgeschlossene Verfahren. Eine einengende Vorwirkung durch eine Offenlegung von Leitungsvorlagen mit rechtlichen und/oder politisch-taktischen Erwägungen sei nach der Lebenserfahrung nicht zu befürchten. Transparenz und Offenheit seien für den Fortbestand einer demokratischen Gesellschaft überlebenswichtige Faktoren. Sie erhöhten die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung und wirkten der Gefahr sachfremder lobbyistischer Einflussnahme entgegen. Die Leitung der Beklagten sei geradezu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, jedwede rechtlichen und/oder taktisch-politischen Überlegungen zu Papier zu bringen. Sollte die Beklagte dem nicht nachkommen, dürfe der Informationszugangsanspruch darunter nicht leiden. Eine größtmögliche Transparenz stärke Sachargumente. Das Informationsfreiheitsgesetz diene auch der Qualitätsverbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses. Das Verwaltungsgericht habe die Darlegungsanforderungen an die Beklagte nicht überspannt. Die Ausnahmetatbestände des § 3 IFG seien grundsätzlich eng auszulegen. Die Beklagte habe den von ihr in Anspruch genommenen Kernbereichsschutz nicht hinreichend substantiiert. Dies sei auch in der Berufungsbegründung der Beklagten auf deren S. 17 ff. nicht geschehen. Auch die Kabinettsvorlagen unterlägen nicht dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische und brisante Angelegenheit gewesen sei, sei bei der Beurteilung der Ausschlussgründe erheblich. Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Eine schutzwürdige Vertraulichkeitsabrede habe die Beklagte auch in der Berufungsbegründung ab S. 26 nicht dargetan. Der Sache nach mache die Beklagte eine Bereichsausnahme für die Beteiligung Dritter an einem Gesetzgebungsverfahren geltend. Eine solche sehe das Informationsfreiheitsgesetz jedoch nicht vor.
27Mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Betreiberinnen von Filmtheatern gegen Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt nach dem Filmförderungsgesetz und gegen die diese als rechtmäßig bestätigenden fachgerichtlichen Urteile zurück. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe der §§ 66 ff. FFG seien verfassungsgemäß. Namentlich genügten sie den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärungen erster Instanz, des eingeschränkten Berufungsantrags der Beklagten sowie der rechtskräftigen Klageabweisung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als schutzwürdig eingestuften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und der dazu erfolgten Klarstellung durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Juni 2015 sind folgende Aktenbestandteile noch Gegenstand der Berufung: Blatt 66 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 (bezogen auf den Ablehnungsgrund aus § 3 Nr. 3 b) IFG) und Blatt 101 bis 109, 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 (hinsichtlich des Ausschlusstatbestands des § 3 Nr. 7 IFG).
31In diesem Umfang ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
32Das Verwaltungsgericht hat der Klage insofern zu Recht stattgegeben.
33Der solchermaßen noch streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34Die Klägerin hat aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihr Zugang zu den beim BKM angelegten Verwaltungsvorgängen betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz gewährt, auch soweit dieser Zugang über die von der Berufung nicht umfassten Blattbereiche hinausgeht.
35Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor (dazu I.). Dem noch streitgegenständlichen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3Nr. 3 b) IFG sowie des § 3 Nr. 7 IFG nicht entgegen. Dass andere Versagungstatbestände der Berufung zum Erfolg verhelfen - wie insbesondere§ 6 Satz 2 IFG -, hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (dazu II.).
36I. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind gegeben.
37Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bestimmt weiter, dass eine amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung ist. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).
38Behörden des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionelles Verständnis zugrunde. Bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen macht er die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig. Dieses aufgabenbezogene Merkmal kennzeichnet die in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG genannten Anspruchsverpflichteten.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012- 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 7.
40Der weite und umfassende funktionelle Verwaltungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schließt das Regierungshandeln ein. Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken. Es soll auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche, insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfallen soll und sich Ausnahmen grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so erklärt sich, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt. Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung ist unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 20 ff., und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 20 ff., jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 6 und ‚S. 12.
42Daraus folgt, dass auch die Tätigkeit eines Bundesministeriums bzw. einer sonstigen Regierungsbehörde - wie dem BKM - bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fällt. Lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung etc.) soll vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen bleiben.
43Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8; sowie OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013- OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
44Ausgehend von diesen Maßstäben ist der BKM grundsätzlich anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Seine hinreichende organisationsrechtliche Verselbständigung ergibt sich aus dem in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten BKM-Organisationsplan. Das Tätigwerden des BKM bei der Erarbeitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist Verwaltung im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Erstellung von Leitungs- und Kabinettsvorlagen sowie die Einholung von Stellungnahmen der von dem Gesetzesvorhaben betroffenen Kreise ist - auch als Regierungshandeln - nach dem oben Gesagten funktionell Verwaltung. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch zugestanden. Sie hat die Klägerin in dieser Hinsicht klaglos gestellt.
45II. Dem im Berufungsverfahren noch umstrittenen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten ins Feld geführten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 3 b) IFG (dazu 1.) und des § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.) nicht entgegen. Andere Ablehnungstatbestände wie in Sonderheit § 6 Satz 2 IFG, die zur Begründetheit der Berufung führen können, sind nicht ersichtlich (dazu 3.). Um zu diesen Befunden zu gelangen, ist der Senat nicht verpflichtet, ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuleiten. Der darauf gerichtete Hilfsbeweisantrag der Beklagten, den diese in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellt hat, ist abzulehnen (dazu 4.).
461. Der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit den verfassungsrechtlich verankerten Maßstäben zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung greift nicht zugunsten der Beklagten ein. Die Beklagte beruft sich mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 - sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 - auf diese Ausnahmeklausel ohne Erfolg.
47Nach § 3 Nr. 3 b) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
48§ 3 Nr. 3 b) IFG schützt innerbehördlichen Beratungen, die auf eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind. Derartige Beratungen sollen wegen des Wissens um eine Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Mit der Formulierung „solange“ wird deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Im Übrigen erfasst § 3 Nr. 3 b) IFG nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - den Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis).
49Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011- 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91.
50Der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG bezieht sich des Weiteren nur auf die aus tragfähigen Gründen „notwendige Vertraulichkeit“ (vgl. zu diesem Begriff § 3 Nr. 3 a) IFG) behördlicher Beratungen. Er erstreckt seinen Schutz nicht auf jeglichen behördlichen Entscheidungsfindungsprozess.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5, unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 86; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 8.
52Eine Beeinträchtigung der Beratung von Behörden i.S.d. § 3 Nr. 3 b) IFG erfordert zudem ebenso wie die übrigen von § 3 IFG erfassten Gefahren, Beeinträchtigungen und nachteiligen Auswirkungen, dass die konkrete Möglichkeit der Verletzung der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen besteht bzw. dass eine solche Verletzung hinreichend wahrscheinlich ist.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 101.
54In die so zu verstehende einfachgesetzliche Versagungsbestimmung des § 3Nr. 3 b) IFG ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu integrieren.
55Die ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 35, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 122 ff. (zur Grenze der Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Verhältnis zur Regierung); siehe dazu außerdem BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 43 ff.
57Übertragen auf das Informationsfreiheitsrecht folgt daraus, dass der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen muss, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt. Dessen Anliegen überschneidet sich aber jedenfalls teilweise mit dem geschriebenen Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen sind offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, so dass dieser Verfassungsgrundsatz in die Anwendung des § 3 Nr. 3 b) IFG zu integrieren ist. Erst wenn sich gleichwohl Schutzlücken auftun, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31.
59Dass die jeweils verfahrensgegenständlichen amtlichen Informationen am Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung - und somit auch an demjenigen des § 3 Nr. 3 b) IFG - teilhaben, hat die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG in Anspruch genommene Behörde darzulegen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung müssen anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft aber darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Informationsfreiheitsgesetz indes nicht vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl 2012, 176 = juris Rn. 31, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 51 ff. (zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen); siehe zur Einzelfallbezogenheit der Prüfung mit Blick auf parlamentarische Informationsrechte außerdem BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 126.
61Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stützen. Die Beklagte hat insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 nicht anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt, dass die Vertraulichkeit der Beratung im Bereich der Regierung bzw. im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben (künftig) konkret beeinträchtigt wird, wenn sie die von der Klägerin herausverlangten Verwaltungsvorgänge des BKM betreffend das 6. FFG-Änderungsgesetz offenlegt.
62Das 6. FFG-Änderungsgesetz ist am 31. Juli 2010 verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsmäßigkeit mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, bestätigt. Es handelt sich bei den gesetzesvorbereitenden behördeninternen Beratungen zum 6. FFG-Änderungsgesetz, die der BKM in seinem Verwaltungsvorgang dokumentiert hat, daher um einen in doppelter Hinsicht rechtlich wie tatsächlich abgeschlossenen Vorgang. Dass dieser abgeschlossene Vorgang dennoch nach Maßgabe von § 3 Nr. 3 b) IFG und Aspekten des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geheim gehalten werden muss, um die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Regierung zu schützen, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
63Die Begründung der Beklagten, die Blattbereiche 66 bis 68 und 112 bis 118 enthielten einen mit rechtlichen und politischen Bewertungen versehenen Sprechzettel zur Vorbereitung des Staatsministers auf eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 22. April 2009 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes bzw. auf eine Sitzung im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2009, der sog. aktive und reaktive Gesprächspositionen des Staatsministers beschreibe und einzelne politische Handlungsoptionen und die diesbezügliche mögliche Positionierung des Staatsministers in der jeweiligen Sitzung darlege, füllt die Anforderungen des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stellt, nicht aus. Es geht bei dieser Sitzungsvorbereitung des Staatsministers nicht um eine gubernative Entscheidung oder um Erörterungen im Kabinett selbst, die in besonderem Maß schützenswert sind. Vielmehr spricht die Beklagte hiermit einen vorbereitenden Beratungsprozess im Bereich des BKM an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine informationsfreiheitsrechtliche Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Informationsfreiheitsgesetz de lege lata nicht vorsieht. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 b) IFG verlangen stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung (hier in Gestalt des BKM), sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen jedenfalls nachträglich erklären zu müssen.
64Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen („Hemmungen“) bzw. zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-) zu bilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 hervorgehobene Umstand, dass das Filmförderungsgesetz häufig novelliert werde, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nicht jede Novelle den Inhalt des 6. FFG-Änderungsgesetzes haben muss und schon deswegen einengende Vorwirkungen durch den streitigen Informationszugang nicht pauschal zu erwarten sind, gilt für jedes Gesetzesvorhaben neu, dass sich die Regierung auf die Transparenzvorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich einzustellen hat, ohne dass die Qualität ihrer Vorbereitungsarbeit darunter leiden darf.
65Die Autorität eines in Kraft getretenen Gesetzes kann durch die Form der Publizität, die das Informationsfreiheitsgesetz herstellt, nicht leiden. Ein förmliches Gesetz schöpft seine verfassungsrechtliche Legitimität aus dem Parlamentsbeschluss (Art. 77 Abs. 1 GG) und dem Gedanken der Volkssouveränität
66(Art. 20 Abs. 2 GG). Dass einem Gesetzesbeschluss ein ergebnisoffener (verfassungs-)rechtlicher und rechtspolitischer Diskurs vorausgeht, der insbesondere auch innerhalb der am Gesetzgebungsprojekt beteiligten Regierungsstellen stattfindet, versteht sich in einer offenen Gesellschaftsordnung von selbst und wird von der Öffentlichkeit nicht anders erwartet.
67Den Tatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG füllt im Anschluss daran auch nicht der Vortrag der Beklagten zu den Blättern 327 bis 352 aus, bei denen es sich um eine Vorlage an den Staatsminister handele, die handschriftliche Anmerkungen des Staatsministers und der Abteilungsleiterin im BKM enthalte, die sich auf politische Bewertungen des Staatsministers bzw. der Abteilungsleiterin bezögen. Dies gilt ebenfalls, soweit dieser Blattbereich politische und rechtliche Bewertungen einzelner auf die Gesetzesnovelle bezogener Fragen und eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf aufweist, die einen von dem schließlich in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut verschiedenen Inhalt hat und im Übrigen aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Änderungen im Dokument Rückschlüsse darauf zulässt, welche politische Einschätzung von welcher am Gesetzesvorhaben beteiligten Stelle vorgenommen worden ist. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und nach der im Tatbestand referierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2014 zur Verfassungsmäßigkeit des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist die Vertraulichkeit dieser Beratungen aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG schutzwürdig. Diese Aktenstücke betreffen einen abgeschlossenen Vorgang und sind außerhalb des Kernbereichs der Regierung angesiedelt. Die von Beklagtenseite befürchteten einengenden Vorwirkungen dürfen nach der Grundidee des Informationsfreiheitsgesetzes - wie gesagt - nicht generalisierend in die Prüfung des § 3 Nr. 3 b) IFG eingestellt werden.
68Zum Weiteren trägt die Beklagte auch zu Blatt 534 bis 537 des Verwaltungsvorgangs des BKM lediglich vor, diese Passage beinhalte eine Vorlage des zuständigen Referats für den Staatsminister für eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 11. Juli 2009 inklusive eines Sprechzettels für diese Sitzung mit politischen Wertungen. Sie befasse sich mit der Umsetzung einzelner, politisch umstrittener Aspekte der Novelle, mithin der Sache nach mit verhandlungstaktischen Positionen, die aber nicht notwendig in das endgültige Gesetz eingegangen seien. Nach den dargestellten Grundsätzen reicht auch dies und die allgemeine Sorge der Beklagten, eine Herausgabe dieser Unterlagen könne zukünftig die Kommunikation zwischen dem Staatsminister und seinen Mitarbeitern hemmen, für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht aus.
69Entsprechendes ist zusammenfassend hinsichtlich der übrigen von der Beklagten als nach § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schützenswert eingeordneten Blattbereiche 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 zu sagen. Diese betreffen nach dem Vorbringen der Beklagten erneut Vorlagen des zuständigen Referats an den Staatsminister im Hinblick auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und das Ergebnis der Branchenanhörung jeweils mit politischen und juristischen Einschätzungen und Wertungen, Sprechzettel für den Staatsminister für Sitzungen des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien am 2. Dezember 2009, am 27. Januar 2010 und am 19. Mai 2010, bei denen ein Sachstandsbericht zu der Novelle zu erstatten gewesen sei (mit dem entsprechenden Inhalt wie auf Blatt 65 bis 68), Kabinettsvorlagen mit einem Anschreiben des Staatsministers an den Chef des Bundeskanzleramts mit politischen Bewertungen und einer internen Handlungsanweisung für den Regierungssprecher ebenfalls mit politischen Wertungen, die der Regierungssprecher aber nicht öffentlich kommuniziert habe, sowie Ausführungen der zuständigen Stellen des BKM für den Staatsminister im Hinblick auf Unterlagen für den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nebst handschriftlichen Anmerkungen des Staatsministers und auf diese bezogene Vermerke.
70Was die Kabinettsvorlagen anbelangt, ist die zusätzliche Bemerkung veranlasst, dass auch diese zumindest bei abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - wie hier - nicht dem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen sind, der ohne weitere konkrete Beeinträchtigungen den Vertraulichkeitsschutz des § 3 Nr. 3 b) IFG genießt. Die Kabinettsvorlagen stellen keine gubernativen Entscheidungen dar und geben aus sich heraus auch keinen Aufschluss über die vertraulich zu behandelnden Beratungen im Kabinett selbst. Diesem gehört der BKM im Übrigen nach Art. 62 GG nicht an, weil er kein Bundesminister ist.
71Die von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 angesprochenen Wertungswidersprüche der vorstehenden Betrachtungsweise zum Geheimnisschutz innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht.
72§ 1 Abs. 1 IFG nimmt parlamentarische Angelegenheiten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes heraus.
73Vgl. erneut die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8.
74Sachlicher Grund dafür ist, dass parlamentarische Angelegenheiten, die der Rechtssetzung dienen oder anderweitig mandatsbezogen sind, ein spezifischer Bereich sind, in dem weisungsunabhängig und nach eigenen verfassungsrechtlichen Regeln gearbeitet wird.
75Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff.; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
76Dieser Bereich soll informationsfreiheitsrechtlich anders behandelt werden als die Tätigkeit der Verwaltung, die - auch und gerade in Gestalt von Regierungshandeln - durch das Informationsfreiheitsgesetz einer weitergehenden Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, geöffnet werden soll.
77Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 23.
782. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG ist gleichfalls nicht erfüllt.
79Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
80§ 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind.
81Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 186 ff.
82Neben der zwischen dem Hinweisgeber und der Behörde vereinbarten Vertraulichkeit setzt § 3 Nr. 7 IFG ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse des Dritten oder der Behörde an der vertraulichen Behandlung der Information voraus. Das Interesse an der Vertraulichkeit muss objektiv berechtigt sein. Andernfalls stünde der Informationszugang zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten. Er könnte sowohl einseitig durch den Informationsgeber und die Behörde als auch durch eine gegenseitig vereinbarte Vertraulichkeit unterlaufen werden. Die Annahme eines derart weitreichenden Ausnahmetatbestands ist dem tendenziell restriktiven System des § 3 IFG fremd.
83Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 -, juris Rn. 34 f.; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192 (unter Hinweis auf eine Vertraulichkeitsabrede des Bundes mit Toll Collect in einem Maut-Betreibervertrag).
84Die Kennzeichnung einer Information als vertraulich ist für ihre Schutzbedürftigkeit lediglich ein Indiz, welches die Behörde konkret und nachvollziehbar erhärten muss. Die Behörde muss auch im Hinblick auf § 3 Nr. 7 IFG darlegen, dass im Fall der Verneinung der Vertraulichkeit die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet ist.
85Vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192.
86Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
87Die Blätter 101 bis 109 und 1017 bis 1023 enthalten nach den Ausführungen der Beklagen Stellungnahmen zum geplanten Abgabenmaßstab der öffentlich-rechtlichen Sender zur Filmförderung mit unternehmensbezogenen Angaben zu Lizenzkosten, Kosten der Programmverbreitung, der Redaktion und des Rechteerwerbs. Allein die Abrede der Vertraulichkeit ordnet diese Informationen aber noch nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG zu. Die eher pauschal gehaltene Aussage der Beklagten, ihre Aufgabenerfüllung und diejenige der betroffenen Informationsgeber sei im Falle eines Informationszugangs gefährdet, substantiiert die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG nicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - auch von durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich garantierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten -,
88vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 41 BvF 4/11 -, DVBl. 2014, 649 = juris Rn. 44, vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, BVerfGE 119, 181 = DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 129 ff., und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 = DVBl. 1994, 465 = juris Rn. 147 ff., Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 -, BVerfGE 87, 181 = DVBl. 1992, 1594 = juris Rn. 71 ff.,
89vollzieht sich spezifisch nach Maßgabe des dafür vorgesehenen § 6 Satz 2 IFG. Aus diesem Grund müssen weder die Beklagte noch im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens hinzugezogene private Unternehmen oder sonstige Träger von Geschäftsgeheimnissen gewärtigen, dass sensible Informationen aus ihrem Geschäftsbereich - wie exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen - an die Öffentlichkeit oder an Konkurrenten gelangen und ihre Wettbewerbsposition dadurch nachteilig beeinflusst wird.
90Vgl. zum Schutzgehalt des § 6 Satz 2 IFG BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 131.
91Auch wenn die gesetzesvorbereitend tätig werdende Beklagte mit Informationszugangsansprüchen konfrontiert wird, muss sie ihr dabei zugetragene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dieser Dritten nicht herausgeben. Dies räumt die Besorgnis der Beklagten aus, Dritte könnten zukünftig von einer Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren wegen etwaiger Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetzes abgehalten werden.
92Auch bei dieser Lesart behält § 3 Nr. 7 IFG neben § 6 Satz 2 IFG einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 3 Nr. 7 IFG stellt einen Vertraulichkeitsschutz- wie dargelegt - dort bereit, wo die Vertraulichkeit für die behördliche Aufgabenerfüllung qualitativ von herausgehobener Bedeutung ist. Dies setzt § 6 Satz 2 IFG nicht voraus. Er gewährleistet im speziellen Feld der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Vertraulichkeitsschutz im Übrigen.
93Soweit die betroffenen Kreise, die sich an einem Gesetzgebungsverfahren mit Stellungnahmen beteiligen, nicht nur Geschäftsdaten, sondern auch ihre - zustimmende oder ablehnende - Haltung zu dem Gesetzesvorhaben vertraulich behandelt wissen wollen, fällt dies zwar für sich genommen aus dem Schutzbereich des § 6 Satz 2 IFG heraus. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass § 3 Nr. 7 IFG insofern einen Vertraulichkeitsschutz herstellen muss. Auch Unternehmen oder Verbänden, die sich inhaltlich zu einem Gesetzesprojekt positionieren, ist im Grundsatz zuzumuten, dies retrospektiv ggf. auch öffentlich zu vertreten. Von Unternehmen und Verbänden wird generell angenommen, dass sie - auch durch Lobbyarbeit und Interessenvertretung - an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Es ist im Allgemeinen weder ehrenrührig noch ihrer Geschäftstätigkeit sonstwie abträglich, falls dies im Nachhinein konkret bekannt wird. Die Befürchtung der Beklagten, die betroffenen Kreise gäben künftig bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren keine Stellungnahmen mehr ab, wenn ihre Positionierung bekannt würde, teilt der Senat deshalb nicht.
94Aus entsprechenden Gründen sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG bezüglich der - im Berufungsverfahren außerdem streitgegenständlich gebliebenen - Blattbereiche 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1016, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 nicht erfüllt. Abgesehen von unternehmensbezogenen und damit nach § 6 Satz 2 IFG geschützten Angaben umfassen diese Aktenteile- wie die Beklagte vorträgt - lediglich Äußerungen betroffener Kreise zum Abgabenmaßstab.
953. Weitergehende Ablehnungsgründe - in Sonderheit aus § 6 Satz 2 IFG - sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Schutz des § 6 Satz 2 IFG weiter reicht als von dem Verwaltungsgericht angenommen und auch die verbliebenen Aktenteile einschließt, für welche die Beklagte sich im Berufungsverfahren auf § 3 Nr. 7 IFG bezieht, legt die Beklagte nicht dar.
964. Um feststellen zu können, dass die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG - aber auch nach § 3 Nr. 7 IFG - nicht einschlägig sind, muss der Senat kein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einleiten. Dem in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, dass bei Herausgabe der auf S. 17 bis 23 der Berufungsbegründung vom 19. November 2012 bezeichneten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beeinträchtigt würden, muss der Senat nicht nachkommen.
97Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
98Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N.
99Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7.
101Gemessen daran ist ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst und der Hilfsbeweisantrag der Beklagten abzulehnen. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - eingehenden - Vortrags der Beklagten zu den Ausschlussgründen des § 3 Nr. 3 b) IFG - und auch des § 3 Nr. 7 IFG - lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Versagungstatbestände nicht gegeben sind. Die Beklagte hat den Gehalt der Unterlagen, die ihrer Ansicht nach § 3 Nr. 3 b) IFG bzw. § 3 Nr. 7 IFG unterfallen sollen, genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt indes zu dem beschriebenen Ergebnis.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
104Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Inhalt und Reichweite der Ausschlussgründe gemäߧ 3 Nr. 3 b) IFG und § 3 Nr. 7 IFG weiter auszudifferenzieren bzw. höchstrichterlich weitergehend zu klären.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
Tenor
Das Berufungsverfahren wird hinsichtlich Abschnitt B. II. Abs. 5 und 6 der Hausrechtsrichtlinie für das Justizzentrum L. eingestellt.
Das angefochtene Urteil wird im Umfang der noch anhängigen Berufung geändert. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 1/3, der Beklagte 2/3 der Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger - ein Rechtsanwalt - begehrt von dem Beklagten eine Auskunftserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW.
3Am 11. Juli 2011 suchte der Kläger das Landgericht L. als Nebenklagevertreter in einem strafgerichtlichen Verfahren auf. Im Rahmen der Einlasskontrolle wurde ihm sein Schlüsselanhänger abgenommen, an dem ein sog. „Leatherman micra tool“ mit einem kleinen Taschenmesser befestigt war. Die Klage des Klägers auf Feststellung, dass diese Maßnahme rechtswidrig gewesen sei, wies das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 27. Juni 2012 - 8 K 269/12 - als unzulässig ab. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der 4. Senat des erkennenden Gerichts mit Beschluss vom 23. September 2013 - 4 A 1778/12 ‑ ab.
4Mit Schreiben vom 20. Juli 2011 bat der Kläger den Präsidenten des Landgerichts L. unter Bezugnahme auf den Vorfall vom 11. Juli 2011, ihm eine Kopie von dessen „Einlassrichtlinien“ zu überlassen, um sich über die Reichweite der Befugnisse der Wachtmeister im Rahmen von Einlasskontrollen für zukünftige Fälle besser informieren zu können.
5Unter dem 27. Juli 2011 teilte der Präsident des Landgerichts L. dem Kläger mit, seine internen Weisungen zur Durchführung der Einlasskontrollen seien vertraulich. Er könne sie dem Kläger daher nicht zur Verfügung stellen.
6Am 9. August 2011, am 24. August 2011, am 24. September 2011 und am 5. Oktober 2011 wandte sich der Kläger an den Präsidenten des Landgerichts L. mit dem Antrag, ihm die internen Weisungen zur Durchführung der Einlasskontrollen zu überlassen bzw. diesen Antrag förmlich zu bescheiden. Der Kläger berief sich auf das Informationsfreiheitsgesetz NRW. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse sei nicht zu erkennen. Es sei unmöglich, sich sicherheitskonform zu verhalten und zu erkennen, die Mitführung welcher Gegenstände der Präsident des Landgerichts L. als Beeinträchtigung seiner Sicherheitsinteressen einstufe, wenn er weder die Einlassrichtlinie noch anderweitige Informationen hierzu publiziere. Gebäudesicherheit dürfe nicht zu einem Selbstzweck werden.
7In seinem Schreiben vom 6. Dezember 2011 an den Präsidenten des Landgerichts L. teilte der Präsident des Oberlandesgerichts L. mit, eine Beeinträchtigung der Unversehrtheit der grundlegenden Einrichtungen des Staates i.S.v. § 6 Satz 1 a) IFG NRW könne durch die Bekanntgabe von Abschnitt B. II. Abs. 2 und Abs. 3, Abschnitt B. III. Abs. 7, Abschnitt B. V., Abschnitt C. VI. Abs. 2,Abschnitt C. VII. und Abschnitt C. VIII. der Richtlinie über die Ausübung des Hausrechts im Justizgebäude L. vom 19. Oktober 2010 (im folgenden: Hausrechtsrichtlinie) gegeben sein. Diese Abschnitte enthielten sicherheitsrelevante Informationen. Weitere Teile der Hausrechtsrichtlinie dürften indes nicht dem Ausnahmetatbestand des § 6 Satz 1 a) IFG NRW unterfallen (siehe dazu auch den Auszug der Hausrechtsrichtlinie im Verwaltungsvorgang des Beklagten auf Blatt 206 ff.). Zu berücksichtigen sei, dass etwa der Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie (innerdienstliche Weisung bezüglich der Rückgabe eines einbehaltenen Gegenstandes) nicht vom Begehren des Klägers erfasst sei. Dort würden keine Einlassregelungen getroffen würden, deren Offenlegung der Kläger verlange.
8Unter dem 2. Januar 2012 übersandte der Präsident des Landgerichts L. dem Kläger Auszüge der Hausrechtsrichtlinie. Soweit er Auslassungen vorgenommen habe, handele es sich entweder um unmittelbar sicherheitsrelevante Informationen, deren Zurückhaltung er auf § 6 IFG NRW stütze, oder bezögen sich diese auf Regelungen, die vom Begehren des Klägers, das sich auf die Überlassung der ihn betreffenden Einlassregelungen beschränke, nicht erfasst seien.
9Mit Bescheid vom 9. Mai 2012 lehnte der Präsident des Landgerichts L. den Antrag des Klägers auf Informationszugang - soweit nicht gewährt - zudem förmlich ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass Justizgebäude überaus konfliktträchtige Orte seien, die einer besonderen Sicherung bedürften. Dies gelte für das Landgericht L. als einem der größten Gerichte der Bundesrepublik, bei dem zahlreiche bedeutende Strafverfahren anfielen, im Besonderen. Dies hätten in der Vergangenheit Tötungen und bewaffnete Gefangenenbefreiungen im Gerichtsgebäude in erschreckender Weise bestätigt. Angesichts der unmittelbaren Sicherheitsbezogenheit der in Rede stehenden Anweisungen überwiege das Geheimhaltungsinteresse das Informationsinteresse des Klägers.
10Bereits am 17. Januar 2012 hatte der Kläger Klage erhoben, in die er den Bescheid vom 9. Mai 2012 später einbezogen hat.
11Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, er habe einen Informationszugangsanspruch darauf, dass der Beklagte ihm die Hausrechtsrichtlinie zur Verfügung stelle. Diese habe ihm der Präsident des Landgerichts L. nur mit erheblichen Einschränkungen zur Kenntnis gegeben. Der Ablehnungsgrund des § 6 Satz 1 a) IFG NRW liege nicht vor. Die Vorschrift nenne bereits Gerichte nicht ausdrücklich. Auch ihre inhaltlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Beklagte habe nur pauschal vorgetragen, das streitgegenständliche Informationsbegehren berühre unmittelbar sicherheitsrelevante Informationen. Die Bekanntgabe des Modus, wie der Präsident des Landgerichts L. mit einbehaltenen Gegenständen umgehe und unter welchen Voraussetzungen er diese an die Eigentümer wieder herausgebe, habe keinen Bezug zur Gebäudesicherheit. Um Sicherheitsinteressen hinreichend zu schützen, könne der Beklagte die Passagen des Abschnitts B. II. Abs. 4-6 schwärzen, die den Aufbewahrungsort beträfen. Im Internet-Justizportal des Beklagten finde sich unter Ziffer III. als ergänzende Verwaltungsvorschrift eine Anweisung für die Behandlung der in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände vom 7. August 1981 in der Fassung vom 1. April 2000. Darin werde dezidiert aufgeführt, wie mit Gegenständen zu verfahren sei, die in den Gewahrsam z. B. eines Gerichts gelangten. Wenn der Justizminister des Beklagten sich in der Lage sehe, seine Gewahrsamssachenanweisung für jedermann über das Internet zugänglich zu machen, ohne die Sicherheitsinteressen seiner Behörden hierdurch verletzt zu sehen, erschließe sich nicht, warum der Beklagte sich dem Informationsbegehren in diesem Verfahren verweigere.
12In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 20. November 2012 hat der Beklagte erklärt, Abschnitt B. II. Abs. 4-6 regle etwa, wo einbehaltene Gegenstände zurückgegeben würden und durch wen sie zurückgegeben würden. In den Vorschriften fänden sich keine Regelungen über den Umgang mit den Gegenständen während der Dauer der Aufbewahrung. Gewissermaßen als Ausnahme hierzu und als Umgangsregelung könne man aber ansehen, dass geregelt werde, wie mit den Gegenständen zu verfahren sei, wenn sie nicht abgeholt würden. Des Weiteren hat der Beklagte bekundet, Abschnitt C. VI. Abs. 1 der Hausrechtsrichtlinie habe folgenden Wortlaut: „Verwahrung und Rückgabe von Gegenständen, die nicht mitgeführt werden dürfen, richtet sich nach Ziffer B. II. mit folgender Ausnahme: …“ Ferner hat der Beklagte kundgetan, dassAbschnitt C. VI. aus drei Absätzen bestehe. Während in Abs. 1 auf die Regelung unter B. verwiesen werde, verhielten sich die Absätze 2 und 3 zu Polizeibeamten und Dienstwaffen.
13Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit im Hinblick auf die begehrte Auskunft zu C. VI. in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
14Der Kläger hat sodann beantragt,
15den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Präsidenten des Landgerichts L. vom 2. Januar 2012 und 9. Mai 2012 zu verpflichten, ihm Informationen über AbschnittB. II. Abs. 4-6 (Rückgabe eines einbehaltenen Gegenstands infolge allgemeiner Zutrittskontrolle) seiner Richtlinie zur Ausübung des Hausrechts im Justizgebäude L. , M. Straße 101, vom 19. Oktober 2010 zu erteilen.
16Der Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er hat vorgetragen, der noch streitgegenständliche Informationszugangsanspruch des Klägers sei gemäß § 6 Satz 1 a) IFG NRW ausgeschlossen. Gerichte seien Einrichtungen, die einer besonderen Gefährdung unterlägen und daher für ihren Schutz eines besonderen Sicherheitskonzepts bedürften. Die Wirksamkeit eines solchen Sicherheitskonzepts sei jedenfalls in Teilbereichen davon abhängig, dass die entsprechenden Anweisungen an die das Sicherheitskonzept umsetzenden Bediensteten Dritten gegenüber nicht bekanntgegeben würden. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass Dritte die Kenntnis des Sicherheitskonzepts nutzten, um Lücken zu identifizieren. Auf diese Weise könne es diesen Dritten gelingen, Kon-troll- und Vorsichtsmaßnahmen zu umgehen. Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie enthalte innerdienstliche Weisungen bezüglich der Rückgabe einbehaltener Gegenstände und bezüglich des Ortes und der Dauer von deren Aufbewahrung. Erfasst seien hiervon ausschließlich die gemäß Abschnitt B. II.Abs. 1 der Hausrechtsrichtlinie bei der Kontrolle aufgefundenen gefährlichen Gegenstände. Die Kenntnis dieser internen Weisungen könne u. a. zur Identifizierung von Sicherheitslücken führen, den Zugriff auf in Verwahrung befindliche gefährliche Gegenstände erleichtern und damit die Sicherheit im Justizgebäude unmittelbar beeinträchtigen.
19Mit Urteil vom 22. November 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen und der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. In der Sache hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Präsidenten des Landgerichts L. vom 2. Januar 2012 und 9. Mai 2012 verpflichtet, dem Kläger Informationen über Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie zu erteilen. Der Beklagte sei berechtigt, diejenigen Wörter zu schwärzen, aus denen sich Rückschlüsse auf einen Aufbewahrungsort der einbehaltenen Gegenstände ziehen ließen, der von dem in Abschnitt B. II. Abs. 1 genannten Aufbewahrungsort abweiche. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe im Umfang der Stattgabe einen Anspruch auf Informationszugang aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Die Ausübung des Hausrechts und die Durchführung der Einlasskontrollen sei öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 2 IFG NRW. Der Informationszugangsanspruch sei nicht durch § 6 Satz 1 a) IFG NRW ausgeschlossen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bekanntwerden der begehrten Informationen den ordnungsgemäßen Ablauf der gerichtlichen Verfahren oder die Sicherheit im Gebäude des Landgerichts L. beeinträchtigen würde. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit Sicherheitslücken offenbart würden, wenn die Art und Weise der Rückgabe einbehaltener Gegenstände bekanntgegeben werde. Es sei nicht vorstellbar, dass die Umstände der Rückgabe der einbehaltenen Gegenstände zwar jedem Besucher mitgeteilt würden, der einen gefährlichen Gegenstand bei sich führe, aber nicht der Allgemeinheit offen gelegt werden könnten, ohne die Sicherheit des Gerichtsgebäudes zu beeinträchtigen. Ein Ablehnungsgrund bestehe nur hinsichtlich des Aufbewahrungsorts. Soweit die streitgegenständlichen Absätze der Hausrechtsrichtlinie einen Aufbewahrungsort bezeichneten, der von dem in Abschnitt B. II. Abs. 1 genannten Aufbewahrungsort abweiche, könne der Antrag auf Informationszugang daher nach § 6 Satz 1 a) IFG NRW abgelehnt und der Inhalt bei Bekanntgabe durch Schwärzung unkenntlich gemacht werden. Die öffentliche Sicherheit werde aber nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass bekannt werde, ob es einen anderen Aufbewahrungsort gebe, wie lange die einbehaltenen Gegenstände aufbewahrt oder an welchem Ort die einbehaltenen Gegenstände zurückgegeben würden.
20Mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat.
21Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor, ein Anspruch des Klägers auf Informationszugang sei gemäß § 6 Satz 1 a) IFG NRW ausgeschlossen. Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie und die darin enthaltenen internen Weisungen zur Art und Weise der Rückgabe einbehaltener Gegenstände erschöpften sich nicht in der Regelung, wo und durch wen diese Rückgabe zu erfolgen habe. Vielmehr enthalte der entsprechende Abschnitt weitere mit den Regelungen zum Ort der Rückgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende interne Weisungen zum Verfahren bei Rückgabe einbehaltener Gegenstände, die sicherheitsrelevant seien und deren Offenlegung daher nicht in Betracht komme. Bei Rückgabe einbehaltener Gegenstände werde notwendigerweise der Zugriff auf potentiell gefährliche Gegenstände in einem Bereich des Gerichtsgebäudes ermöglicht, dessen Sicherheit durch die Zutrittskontrollen gewährleistet werden solle. Daher müsse sichergestellt werden, dass ein Betreten des Gebäudes mit dem zurückerlangten Gegenstand auch im unmittelbaren Anschluss an die Rückgabe ausgeschlossen sei. Entsprechende Sicherheitsvorkehrungen müssten für den Besucher aber weder sichtbar sein noch ihm bekannt gegeben werden, weil sie für die bloße Rückgabe des Gegenstands als solche, auf die es dem Besucher ankomme, nicht entscheidend seien. Im Gegenteil könne es die Sicherheit gefährden, wenn sich der Besucher auf diese Sicherheitsvorkehrungen einstellen könne. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit folge darüber hinaus aus dem Umstand, dass schon die Kenntnis vom Fehlen bestimmter Sicherheitsvorkehrungen Sicherheitsinteressen des Gebäudes beeinträchtigen könne, weil hierdurch Sicherheitslücken offenbart würden. Die Einschätzung der Sicherheitsrelevanz durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts L. in seinem Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts L. vom 6. Dezember 2011 sei im gerichtlichen Verfahren nochmals mit dem Ergebnis überprüft worden, dass ein Bekanntwerden von Abschnitt B. II. Abs. 4-6 der Hausrechtsrichtlinie die öffentliche Sicherheit beeinträchtige. Jedenfalls könne der Klage nicht ohne Durchführung eines in-camera-Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO stattgegeben werden.
22In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18. August 2015 hat der Vertreter des Beklagten erklärt, es gebe im Justizgebäude L. eine Rückgabestelle, die sich hinter den Einlasskontrollen befinde. Die Rückgabemodalitäten würden durch Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie geregelt. Dort seien auch flankierende Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit niedergelegt. Absätze 5 und 6 regelten den Umgang mit gefährlichen Gegenständen, die vom Besitzer nicht abgeholt würden, obwohl sie ihm zurückgegeben werden könnten. Die Sicherheitsrelevanz sehe der Beklagte darin, dass sich aus ihnen u. a. ergebe, wie lange die Gegenstände im Landgericht aufbewahrt würden, und mittelbar auch, welche Wege sie im Landgericht weiter nähmen, insbesondere wie sie aus dem Landgericht weggeschafft würden. Der genaue Weg und der genaue Gebäudeausgang seien dort aber nicht beschrieben. Der Bereich, in dem die in Verwahrung genommenen Gegenstände zurückgegeben würden, sei nicht ohne Weiteres zugänglich, sondern der Zugang werde durch Poller an beiden Seiten der Infotheke erschwert. Vom Bereich des „Ausgabefensters“ gelange man durch die Sicherheitsschleuse zurück in den Vorraum.
23Nach entsprechendem rechtlichen Hinweis des Senats hat der Vertreter des Beklagten die Berufung hinsichtlich Abschnitt B. II. Abs. 5 und 6 der Hausrechtsrichtlinie zurückgenommen.
24Der Beklagte beantragt daraufhin,
25das angefochtene Urteil im Umfang der noch anhängigen Berufung zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.
26Der Kläger beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Er trägt vor, der Beklagte spiegle eine Schutzwürdigkeit nur vor. Die behauptete Sicherheitsrelevanz der noch ausstehenden Informationen sei nicht vorhanden. Dies würde sich in einem in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO herausstellen. Dessen Einleitung werde hilfsweise beantragt. Ebenso werde hilfsweise Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten des Landgerichts L. beantragt. Dabei werde sich ergeben, dass der in der Hausrechtsrichtlinie beschrieben Rückgabeort nicht hinter der Sicherheitsschleuse liege.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
31Soweit der Beklagte die Berufung mit Blick auf Abschnitt B. II. Abs. 5 und 6 der Richtlinie zur Ausübung des Hausrechts im Justizgebäude L. , M. Straße 101, vom 19. Oktober 2010 zurückgenommen hat, wird das Berufungsverfahren gemäß §§ 126 Abs. 3 Satz 1, 92 Abs. 3 VwGO eingestellt.
32Im Übrigen ist die noch anhängige Berufung des Beklagten zulässig und begründet. In diesem Umfang hat das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben. Das angefochtene Urteil ist entsprechend zu ändern.
33Die Bescheide des Präsidenten des Landgerichts L. vom 2. Januar 2012 und vom 9. Mai 2012 sind insofern rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), als mit ihnen die Erteilung von Informationen über Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie abgelehnt worden ist.
34Der Kläger hat diesbezüglich keinen Anspruch auf Informationszugang gemäߧ 4 Abs. 1 IFG NRW. Ein solcher Anspruch ist durch § 6 Satz 1 a) IFG NRW ausgeschlossen (dazu I.). Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es weder eines in-camera-Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO (dazu II.1.) noch einer Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten im Justizgebäude L. (dazu II.2.). Die darauf gerichteten Hilfsbeweisanträge des Klägers sind abzulehnen.
35I. Dem von dem Kläger geltend gemachten Informationszugangsanspruch steht der Ablehnungsgrund des § 6 Satz 1 a) IFG NRW entgegen.
36Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Information die Landesverteidigung, die internationalen Beziehungen, die Beziehungen zum Bund oder zu einem Land oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden beeinträchtigen würde.
37Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sind neben den Rechtsgütern des Einzelnen und der Unversehrtheit der Rechtsordnung auch die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen.
38Vgl. zu § 6 Satz 1 a) IFG NRW: OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 62, m.w.N.
39Hierzu gehören alle Behörden und auch Gerichte. Soweit § 6 Satz 1 a) IFG NRW die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden besonders erwähnt, ist diese Aufzählung nur beispielhaft. Sie hat nicht zur Folge, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit im vorliegenden Zusammenhang enger zu verstehen ist als im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 64.
41Zur Sicherheit innerhalb eines Gerichtsgebäudes, die für die Funktionsfähigkeit eines Gerichts unerlässlich ist, trägt das - ggf. auch in einer internen Verwaltungsvorschrift verkörperte - Hausrecht des Gerichtspräsidenten bei. Dieses ist gewohnheitsrechtliche Rechtsgrundlage für alle Maßnahmen im Gerichtsgebäude, die außerhalb der Sitzungsgewalt erfolgen. Das Hausrecht befugt den Gerichtspräsidenten dazu, zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu ergreifen.
42Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2012 - 2 BvR 2405/11 -, NJW 2012, 1863 = juris Rn. 24; BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2011 - 7 B 17.11 -, NJW 2011, 2530 = juris Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2013 - 4 A 1778/12 -, juris Rn. 34.
43Im Anschluss daran ist die Funktionsfähigkeit eines Gerichts eingeschränkt, wenn dessen - teilweise auch hausrechtsförmige - organisatorische Vorkehrungen zur effektiven Aufgabenerledigung gestört werden und die Arbeit der betroffenen Amtsträger dadurch beeinträchtigt bzw. erschwert wird.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 72 (hinsichtlich des Informationszugangs zu dem Telefonverzeichnis eines Gerichts).
45An eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit stellt § 6 Satz 1 a) IFG NRW keine hohen Anforderungen. Im Unterschied zu § 6 Satz 1 b) IFG NRW setzt er keine erhebliche Beeinträchtigung voraus, sondern lässt eine einfache Beeinträchtigung genügen. Eine solche liegt vor, wenn nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut konkret zu erwarten sind.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 70; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 6 Rn. 760 ff.
47Ob dies infolge eines Informationszugangs der Fall ist, ist nicht nur anhand des ersten gestellten Informationsantrags sowie der Person des konkreten Antragstellers und seiner Absichten zu beurteilen. Darüber hinaus gehend sind die möglichen Auswirkungen einer Freigabe der Information umfassend in Betracht ziehen.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 76; siehe außerdem BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 -, DVBl. 2010, 120, juris, Rn. 24 (zu § 3 IFG Bund).
49Gemessen an diesen Maßstäben stellt der streitige Informationszugang eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit im Justizgebäude L. i.S.v. § 6Satz 1 a) IFG NRW dar.
50Eine Offenlegung des allein noch streitgegenständlichen Abschnitts B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie würde sich auf die Sicherheit im Justizgebäude L. und somit auf die Funktionsfähigkeit der dort untergebrachten Gerichte konkret nachteilig auswirken. Dies ergibt sich hinreichend bestimmt aus den Beschreibungen des Inhalts von Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie durch den Beklagten, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18. August 2015. Diesen zufolge erschöpfen sich Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie und die darin enthaltenen internen Weisungen zur Art und Weise der Rückgabe einbehaltener gefährlicher Gegenstände nicht bloß in der Regelung, wo und durch wen diese Rückgabe zu erfolgen hat. Vielmehr enthalte dieser Passus weitere mit den Regelungen zum Ort der Rückgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende interne Weisungen zum Verfahren bei Rückgabe der einbehaltenen Gegenstände. Dazu zählten auch die Modalitäten, die sicherstellten, dass ein Betreten des Justizgebäudes mit dem zurückerlangten Gegenstand im unmittelbaren Anschluss an die Rückgabe ausgeschlossen sei. Die damit einhergehenden Sicherheitsvorkehrungen würden dem Besucher nicht bekanntgegeben und müssten auch ansonsten für diesen nicht sichtbar sein.
51Es ist davon ausgehend plausibel, dass ein Bekanntwerden der Gesamtheit der Rückgabemodalitäten einschließlich (ggf. verdeckter) Kontroll- und Vorsichtsmaßnahmen der Gerichtsverwaltung im Nachgang zu der Rückgabe des einbehaltenen gefährlichen Gegenstands ohne Weiteres dazu führen würde, dass dieser Vorkehrungen umgangen oder jedenfalls in ihrer Effektivität beeinträchtigt würden, sei es, dass ein Dritter versuchen könnte, an einen zurückgegebenen gefährlichen Gegenstand zu gelangen, oder dass der Besitzer nach Rückerhalt eines gefährlichen Gegenstands im Gerichtsgebäude davon Gebrauch macht. Ein derartiges Risiko, an dessen Annahme keine hohen Anforderungen zu stellen sind und dem durch ein Schwärzen des Aufbewahrungsorts im Zuge einer Informationsgewährung nicht effektiv begegnet werden kann, ist erst recht in einem Justizgebäude mit einem starken Publikumsaufkommen wie demjenigen in L. nicht hinzunehmen, in dem überdies mitunter brisante, gefahrenträchtige Strafverfahren verhandelt werden. Das insbesondere mit diesen verbundene, aber auch sonst bei konfliktgeneigten Gerichtsverfahren in anderen Rechtsgebieten existierende abstrakte Gefahrenpotential würde unmittelbar in eine akute konkrete Gefahrenlage für eine unbestimmte Vielzahl von Personen umschlagen, wenn sich Dritte mit Hilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen über die Rückgabemodalitäten einbehaltener gefährlicher Gegenstände Zugang zu diesen verschaffen und sie hernach für Gewalttaten einsetzen könnten. Dasselbe gilt für den Eigentümer eines einbehaltenen Gegenstands, der sich nach der Rückgabe des Gegenstands unter Ausnutzung einer Sicherheitslücke frei und unbemerkt im Justizgebäude bewegt, anstatt dieses sogleich zu verlassen. Auf diese Aspekte hat der Beklagte auch im Bescheid vom 9. Mai 2012 zutreffend hingewiesen.
52Die Sicherheitsrelevanz von Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 18. August 2015 bekräftigt. Der Vertreter des Beklagten hat anhand der von dem Kläger gefertigten Skizze überzeugend dargelegt, dass der Rückgabeort innerhalb des sicherheitsrelevanten Bereichs liegt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Rückgabeort vor oder hinter einer Sicherheitsschleuse liegt. Denn nach den in der Berufungsverhandlung skizzierten örtlichen Gegebenheiten leuchtet ohne Weiteres ein, dass auch im Bereich vor den Sicherheitsschleusen unbedingt verhindert werden muss, dass von zurückgegebenen gefährlichen Gegenständen Gebrauch gemacht wird. Dass hierauf auch verdeckte flankierende Maßnahmen der Gerichtsverwaltung zielen können, ist plausibel. Dabei ist es für die Bedeutung von Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie für die Gebäudesicherheit im Justizgebäude L. - und damit zugleich für die Anwendung von § 6 Satz 1 a) IFG NRW - entgegen der von dem Kläger geäußerten Auffassung nicht ausschlaggebend, ob die darin niedergelegten Sicherheitsbestimmungen bzw. flankierenden Maßnahmen hinreichend effektiv sind oder nicht. Entscheidend für den informationsfreiheitsrechtlichen Prüfungsgegenstand ist allein, ob ein Bekanntwerden des in Rede stehenden Inhalts der Hausrechtsrichtlinie das Sicherheitskonzept für das Justizgebäude L. relativieren würde. Schlüssige Anhaltspunkte dafür, dass das Sicherheitskonzept völlig funktionslos und die Kenntnis des Inhalts des fraglichen Abschnitts der Hausrechtsrichtlinie deshalb ggf. schon im Ansatz ungeeignet wäre, die Gebäudesicherheit zu beeinträchtigen, hat auch der Kläger nicht dargetan.
53Die Absichten, die der Kläger selbst mit seinem Informationsantrag verfolgt, sind für diese Gefahreneinschätzung und ihre Beurteilung nach § 6 Satz 1 a) IFG NRW unerheblich. Die Gefahrenprognose beruht losgelöst davon auf den konkret zu erwartenden Konsequenzen, die eine Offenbarung des Abschnitts B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie gegenüber der informationszugangsberechtigten Allgemeinheit für die Sicherheit im Justizgebäude L. potentiell haben würde.
54Die von dem Kläger angeführte Anweisung des Justizministeriums NRW für die Behandlung der in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände vom 7. August 1981 in der Fassung vom 1. April 2000 spricht ebenso wenig gegen die Anwendbarkeit von § 6 Satz 1 a) IFG NRW wie die einschlägige Informationspraxis anderer Justizbehörden. Die vorerwähnte Gewahrsamssachenanweisung ist allgemeiner Natur. Sie sagt nichts über die konkrete Sicherheitslage im Justizgebäude L. und deren Behandlung in der Hausrechtsrichtlinie des Präsidenten des Landgerichts L. mit Blick auf die nach der Zutrittskontrolle einbehaltenen Gegenstände aus. Da das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 6 Satz 1 a) IFG NRW objektiv-rechtlich sowie in tatsächlicher Hinsicht bezogen auf den vorliegend zu entscheidenden Fall zu beurteilen ist, ist weiterhin ohne Belang, ob andere Justizbehörden ihre Hausrechtsvorschriften allgemein offen legen. Mit entsprechender Begründung ist gleichfalls nicht entscheidend, dass der Präsident des Oberlandesgerichts L. in seinem Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts L. vom 6. Dezember 2011 augenscheinlich noch davon ausgegangen ist, dass Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie als nicht sicherheitsrelevant einzustufen sei.
55II. Um zu der vorstehenden Überzeugung zu gelangen, bedarf es keines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO (dazu 1.). Auch eine Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten im Justizgebäude L. ist nicht durch den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO veranlasst (dazu 2.). Die auf derartige Beweiserhebungen zielenden Hilfsbeweisanträge des Klägers sind abzulehnen.
561. Ein in-camera-Verfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO ist nicht notwendig.
57Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und-würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
58Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 ‑ 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 89.
59Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das in-camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation muss es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
60Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 91.
61Gemessen daran ist ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst. Bereits mit Hilfe des Akteninhalts und des unter I. ausgewerteten Vortrags des Beklagten, der in der mündlichen Verhandlung am 18. August 2015 weiter substantiiert worden ist, lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass der Ablehnungsgrund des § 6 Satz 1 a) IFG NRW betreffend Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie gegeben ist und einem Informationszugangsanspruch des Klägers entgegensteht.
622. Schließlich ist die von dem Kläger hilfsweise beantragte Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten im Justizgebäude L. nicht durch den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO angezeigt.
63Auch wenn es für die Urteilsfindung auf die örtlichen Gegebenheiten ankommt, sind etwa Lagepläne und sonstige Akteninhalte, die über diese Aufschluss geben, im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar, wenn sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, so bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung. Das gilt nur dann nicht, wenn ein Beteiligter substantiiert geltend macht, dass die sonstigen zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen, und dies zutreffen kann.
64Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Dezember 2008 - 4 BN 26.08 -, BauR 2009, 617 = juris Rn. 3, und vom 4. Juni 2008 - 4 B 35.08 -, juris Rn. 6.
65Dies ist hier nicht der Fall. Wie unter I. dargelegt, lassen sich die örtlichen Gegebenheiten im Justizgebäude L. , soweit es auf sie für die Entscheidung über den Streitgegenstand ankommt, hinreichend sicher auch ohne Ortsbesichtigung beurteilen. Auch ohne Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit lässt sich aus den genannten Gründen feststellen, dass ein Offenlegen von Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit im Justizgebäude L. führen wird.
66Die Kostenentscheidung beruht unter Einbeziehung der erstinstanzlichen Kostenverteilung auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Ihr liegt maßgebend die Erwägung zugrunde, dass der Beklagte den Kläger mit seinem Informationsbegehren zwar überwiegend klaglos gestellt, dieses aber gleichwohl im Hinblick auf Abschnitt B. II. Abs. 4 der Hausrechtsrichtlinie zu einem nicht unwesentlichen Teil unerfüllt geblieben ist.
67Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
68Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,